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Liebe Kreativität, wo finde ich dich?<br />
DOSSIER<br />
Voller Ideen, origineller Einfälle und bahnbrechender Erkenntnisse: Wer möchte nicht von Kreativität<br />
beseelt sein? <strong>Spectrum</strong> wollte wissen, wie ein kreatives Leben möglich ist und hat sich die Frage gleich<br />
von der Kreativität selbst beantworten lassen.<br />
ALEA SUTTER<br />
Liebe Kreativität, was muss ich tun,<br />
damit du dich auf mein Schreiben<br />
auswirkst und dafür sorgst, dass<br />
dieser Artikel kreativ wird?<br />
Damit ich aus meinem Versteck hervorkomme,<br />
um eine Person zu beglücken,<br />
muss sich diese zuerst ausdauernd mit<br />
einem Thema beschäftigen, viel Zeit darin<br />
investieren und stark intrinsisch motiviert<br />
sein. Ganz am Anfang eines kreativen Prozesses<br />
ist es auch wichtig, sich nicht einzuschränken<br />
und spielerisch nach möglichst<br />
viel verschiedenen Ideen zu suchen.<br />
Fleissig sein und sich mit dem Thema<br />
gründlich auseinandersetzen ist<br />
allen möglich. Doch wie weckt man<br />
seine intrinsische Motivation?<br />
Intensive Beschäftigung mit einem Thema<br />
führt meist zu intrinsischer Motivation.<br />
Um die Anfangsschwelle zu senken, hilft<br />
es, sich erstmals extrinsisch zu motivieren.<br />
Indem man sich beispielsweise ein Stück<br />
Schokolade verspricht, wenn man etwas<br />
erledigt hat. Dieses Zückerchen führt zu<br />
gründlicher Beschäftigung mit dem Thema,<br />
welche wiederum die Motivation im<br />
Menschen selbst weckt. Allerdings sollte<br />
man vermeiden, seine Idee zu früh von<br />
anderen Personen bewerten zu lassen. Das<br />
ist der absolute Killer für die intrinsische<br />
Motivation.<br />
bleibt, ist ein kontrollierter Umgang mit<br />
den neuen Technologien wichtig: das Handy<br />
auch mal ausgeschaltet lassen oder nur<br />
einmal am Tag seine Mails checken.<br />
Das klingt vernünftig. Die Welt sieht<br />
allerdings anders aus.<br />
Das stimmt. Es gibt viele Menschen, die in<br />
jeder freien Sekunde in ihr Handy starren.<br />
Das Problematische ist, dass uns die Ablenkung<br />
überall auflauert. Muss man kurz<br />
warten? Handy. Kurze Beschäftigung vor<br />
dem Schlafengehen? Handy. Klar ist, dass<br />
man die Entwicklung nicht mehr zurückdrehen<br />
kann und auch nicht sollte. Deshalb<br />
plädiere ich für einen sinnvollen Umgang<br />
mit Handy und Co., sodass ich auch<br />
noch zum Zug komme.<br />
Einmal abgesehen von der Zeitgestaltung,<br />
welche Parameter in der<br />
Alltagsplanung sind wichtig, um<br />
Kreativität zu entwickeln?<br />
Den Ort, an dem man kreativ sein möchte,<br />
sollte man gerne mögen. So wird ein optimales<br />
Arbeiten möglich. Man darf nicht<br />
vergessen: Kreative Erfindungen sind zu<br />
neunzig Prozent diszipliniertem Arbeiten<br />
geschuldet. Auch die zwischenmenschliche<br />
Atmosphäre hat einen Einfluss. Es<br />
hat sich gezeigt, dass Menschen an Orten,<br />
wo keine klaren Hierarchien herrschen,<br />
kreativer sind. Zudem sollte eine gute Mischung<br />
aus Struktur und Freiraum gewährleistet<br />
sein.<br />
Wie meinst du das?<br />
Gewisse Leitplanken, also Regelungen bei<br />
der Arbeit, müssen vorgegeben sein. Es ist<br />
aber genauso wichtig, dass nicht zu streng<br />
kontrolliert wird, wann, wo und wieviel die<br />
Mitarbeitenden schuften. Denn Entscheidungsfreiheit<br />
fördert die intrinsische Motivation<br />
und führt zu kreativerem Arbeiten.<br />
Vielen Dank für das Interview, liebe<br />
Kreativität. Ich hoffe, wir sehen uns<br />
bald wieder.<br />
Herzlichen Dank auch an Eckehard Kuhlmei,<br />
dessen Mithilfe der Kreativität eine wissenschaftlich<br />
fundierte Stimme gab.<br />
© Illustration: “jeannot-lapin-love” sur le réseau social TUMBLR<br />
© Illustration: Arnaud Dousse<br />
Es gibt viele Ratgeber mit Ideen, wie<br />
man dich in sein Leben lassen kann<br />
– was hältst du davon?<br />
Nicht viel. Diese Ratschläge sollten nur als<br />
Impulse verstanden werden. Man kann<br />
sich kein kreatives Leben antrainieren. Oftmals<br />
ist das Problem solcher Bücher, dass<br />
der Transfer ihrer Ratschläge ins echte Leben<br />
nicht funktioniert.<br />
Was ist das Problem des „echten“<br />
Lebens?<br />
Eine Herausforderung ist die Digitalisierung<br />
und das daraus entstehende Gefühl,<br />
immer erreichbar sein zu müssen. Damit<br />
es zu kreativen Ideen kommt, sollte man<br />
bewusst Momente ungebundener Aufmerksamkeit<br />
einplanen. Das heisst, einen<br />
Moment innehalten und seine Gedanken<br />
schweifen lassen. Damit dies möglich<br />
02.<strong>2019</strong> spectrum<br />
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