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Spectrum #1 2019

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Vom „Öko“-sein-wollen<br />

„Aha. Du bist also so ein Öko.“ Solche oder ähnliche Aussagen<br />

habe ich schon des Öfteren gesagt bekommen. Von<br />

einer Freundin zum Beispiel, wenn ich beim Einkaufen<br />

keine Plastikbeutel benutze oder von meinem Vater, weil<br />

ich kein Fleisch esse und oft Secondhand-Klamotten trage.<br />

In meinen Augen dürften diese Dinge eigentlich nicht<br />

ausreichen, um als „Öko“ durchzugehen. In den Ferien<br />

setze ich mich noch oft genug in den Flieger, kaufe bei<br />

Fast-Fashion-Ketten ein, wenn auch nur selten, und lüfte,<br />

während die Heizung auf der höchsten Stufe läuft. Gerade<br />

weil ich so vieles falsch mache, kann ich mit diesen<br />

Bemerkungen schlecht umgehen.<br />

„Ähm, ja… Ich versuch’s. Du etwa nicht?“, würde ich eigentlich<br />

gerne antworten. Tue ich für gewöhnlich aber<br />

nicht, sondern lächle mein Gegenüber an und sage eher<br />

etwas wie: „Ja, genau. Meine Lieblingsfarbe ist grün, das<br />

passt dann ja.“ Als ob wir eine Wahl hätten. Oder anders<br />

gesagt: Als ob es okay wäre, kein „Öko“ sein zu wollen.<br />

Es klingt zwar kitschig, hat aber einen wahren Kern:<br />

Wenn viele kleine Menschen viele kleine, gute Dinge<br />

tun, sind diese Dinge auf einmal gar nicht mehr so klein.<br />

Und diese kleinen, guten Dinge, die gibt es tatsächlich:<br />

Die Nachhaltigkeitswoche, die mittlerweile schweizweit<br />

durchgeführt wird, ist so ein Ding. Auch hier in Freiburg<br />

findet sie diesen März zum zweiten Mal statt. Die Workshops,<br />

Vorträge und anderen Veranstaltungen stehen allen<br />

Studierenden und Interessierten offen, um verschiedene<br />

Aspekte der Nachhaltigkeit hautnah zu erfahren<br />

und dazuzulernen.<br />

Es ist nicht mehr genug, zu sagen, man habe keine Ahnung,<br />

wie man persönlich etwas Nachhaltiges tun könne<br />

oder den Kampf gegen den Klimawandel anpacken solle.<br />

Nicht jeder und jede muss gleich in den Ring stehen<br />

und sein Leben diesem Kampf verschreiben. Aber alle<br />

können weniger konsumieren, das Licht im Badezimmer<br />

ausschalten und sich nicht vegan, aber wenigstens<br />

von weniger Fleisch ernähren. Und vom 11. bis 15. März<br />

an eine der Veranstaltungen der Nachhaltigkeitswoche<br />

Freiburg kommen. Dann können wir dort alle gemeinsam<br />

„Ökos“ sein.<br />

KOMMENTAR<br />

Katharina Schatton<br />

In der fernen Nähe<br />

Wohin verreisen in Zeiten, in denen Wochenendausflüge<br />

mit dem Flugzeug zunehmend in Verruf geraten? Wie<br />

ich kürzlich festgestellt habe, können der Wunsch nach<br />

Tapetenwechsel und die Sehnsucht nach Neuem und<br />

Exotischem auch ganz in der Nähe gestillt werden: Unmittelbar<br />

ennet der Schweizer Grenze warten zahlreiche<br />

Kleinode, die mit dem Auto oder dem öffentlichen<br />

Verkehr von Freiburg in kaum mehr als zwei Stunden zu<br />

erreichen sind. So zog es mich neulich in die Vogesen,<br />

eine dünnbesiedelte Region unweit von Basel.<br />

Schon bald nach dem Grenzübertritt sieht man Landschaften<br />

und Strassenzüge, die man in der Schweiz so<br />

nicht finden würde: kleine Städtchen, die wie aus dem<br />

Nichts in der Landschaft auftauchen und die oft vom<br />

hier grassierenden Bevölkerungsschwund gezeichnet<br />

sind. Die Hauptstrasse von Faucogney-et-la-Mer etwa<br />

wirkt geradezu gespenstisch. Von den gut dreissig Geschäftslokalen<br />

sind zwanzig verriegelt. 1856 hatte der<br />

Ort noch doppelt so viele Einwohnerinnen und Einwohner<br />

wie heute. Auch das einige Kilometer entfernte<br />

Städtchen Plombières-les-Bains hat schon bessere Tage<br />

gesehen. Man sieht ihm den Glanz der Belle Époque<br />

noch immer an, obwohl es seit Jahrzehnten in einem<br />

Dornröschenschlaf schlummert. An den prunkvollen<br />

Prachtbauten nagt der Zahn der Zeit. Sie sind für einen<br />

Spottpreis zu erwerben. Vorbei sind die Tage, in denen<br />

die reiche Pariser Oberschicht um die Jahrhundertwende<br />

in Massen in die zahlreichen Bäder zur Kur fuhr. Die<br />

historischen Badehäuser sind zwar alle noch in Betrieb,<br />

mit einem modernen Wellnessbad sind diese Anlagen<br />

allerdings nicht zu vergleichen. Obwohl die imposanten<br />

Gebäude sehr grosszügig konzipiert sind, übersteigen<br />

die Bassins kaum die Grösse einer Badewanne. Am<br />

eindrucksvollsten sind die Thermes Napoléon, welche<br />

Napoleon III. erbauen liess. Der französische Kaiser<br />

fuhr mehrfach nach Plombières-les-Bains und verliebte<br />

sich in den Ort. Ihm ist es auch zu verdanken, dass<br />

das Dörfchen, welches in Frankreich etwas in Vergessenheit<br />

geraten ist, zumindest allen geschichtsinteressierten<br />

Italienern und Italienerinnen ein Begriff ist.<br />

Hier schloss Napoleon mit dem Premierminister des<br />

Königreichs Sardinien-Piemont einen Geheimvertrag,<br />

der als Grundstein für die Einigung Italiens betrachtet<br />

wird. Heute wird in Plombières-les-Bains, das wegen<br />

seiner ruhmreichen Vergangenheit auch das „St. Tropez<br />

der Vogesen“ genannt wird, keine Weltgeschichte mehr<br />

geschrieben. Es geht gemächlich zu im Ort, der ebenfalls<br />

von massiver Abwanderung betroffen ist. Dennoch<br />

nimmt einen das Städtchen mit auf eine Zeitreise<br />

in eine glorreiche Epoche. Die gut eineinhalbstündige<br />

Autofahrt zurück nach Basel gibt einem Zeit, wieder im<br />

einundzwanzigsten Jahrhundert anzukommen.<br />

Elia Kaufmann<br />

02.<strong>2019</strong><br />

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