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Vom „Öko“-sein-wollen<br />
„Aha. Du bist also so ein Öko.“ Solche oder ähnliche Aussagen<br />
habe ich schon des Öfteren gesagt bekommen. Von<br />
einer Freundin zum Beispiel, wenn ich beim Einkaufen<br />
keine Plastikbeutel benutze oder von meinem Vater, weil<br />
ich kein Fleisch esse und oft Secondhand-Klamotten trage.<br />
In meinen Augen dürften diese Dinge eigentlich nicht<br />
ausreichen, um als „Öko“ durchzugehen. In den Ferien<br />
setze ich mich noch oft genug in den Flieger, kaufe bei<br />
Fast-Fashion-Ketten ein, wenn auch nur selten, und lüfte,<br />
während die Heizung auf der höchsten Stufe läuft. Gerade<br />
weil ich so vieles falsch mache, kann ich mit diesen<br />
Bemerkungen schlecht umgehen.<br />
„Ähm, ja… Ich versuch’s. Du etwa nicht?“, würde ich eigentlich<br />
gerne antworten. Tue ich für gewöhnlich aber<br />
nicht, sondern lächle mein Gegenüber an und sage eher<br />
etwas wie: „Ja, genau. Meine Lieblingsfarbe ist grün, das<br />
passt dann ja.“ Als ob wir eine Wahl hätten. Oder anders<br />
gesagt: Als ob es okay wäre, kein „Öko“ sein zu wollen.<br />
Es klingt zwar kitschig, hat aber einen wahren Kern:<br />
Wenn viele kleine Menschen viele kleine, gute Dinge<br />
tun, sind diese Dinge auf einmal gar nicht mehr so klein.<br />
Und diese kleinen, guten Dinge, die gibt es tatsächlich:<br />
Die Nachhaltigkeitswoche, die mittlerweile schweizweit<br />
durchgeführt wird, ist so ein Ding. Auch hier in Freiburg<br />
findet sie diesen März zum zweiten Mal statt. Die Workshops,<br />
Vorträge und anderen Veranstaltungen stehen allen<br />
Studierenden und Interessierten offen, um verschiedene<br />
Aspekte der Nachhaltigkeit hautnah zu erfahren<br />
und dazuzulernen.<br />
Es ist nicht mehr genug, zu sagen, man habe keine Ahnung,<br />
wie man persönlich etwas Nachhaltiges tun könne<br />
oder den Kampf gegen den Klimawandel anpacken solle.<br />
Nicht jeder und jede muss gleich in den Ring stehen<br />
und sein Leben diesem Kampf verschreiben. Aber alle<br />
können weniger konsumieren, das Licht im Badezimmer<br />
ausschalten und sich nicht vegan, aber wenigstens<br />
von weniger Fleisch ernähren. Und vom 11. bis 15. März<br />
an eine der Veranstaltungen der Nachhaltigkeitswoche<br />
Freiburg kommen. Dann können wir dort alle gemeinsam<br />
„Ökos“ sein.<br />
KOMMENTAR<br />
Katharina Schatton<br />
In der fernen Nähe<br />
Wohin verreisen in Zeiten, in denen Wochenendausflüge<br />
mit dem Flugzeug zunehmend in Verruf geraten? Wie<br />
ich kürzlich festgestellt habe, können der Wunsch nach<br />
Tapetenwechsel und die Sehnsucht nach Neuem und<br />
Exotischem auch ganz in der Nähe gestillt werden: Unmittelbar<br />
ennet der Schweizer Grenze warten zahlreiche<br />
Kleinode, die mit dem Auto oder dem öffentlichen<br />
Verkehr von Freiburg in kaum mehr als zwei Stunden zu<br />
erreichen sind. So zog es mich neulich in die Vogesen,<br />
eine dünnbesiedelte Region unweit von Basel.<br />
Schon bald nach dem Grenzübertritt sieht man Landschaften<br />
und Strassenzüge, die man in der Schweiz so<br />
nicht finden würde: kleine Städtchen, die wie aus dem<br />
Nichts in der Landschaft auftauchen und die oft vom<br />
hier grassierenden Bevölkerungsschwund gezeichnet<br />
sind. Die Hauptstrasse von Faucogney-et-la-Mer etwa<br />
wirkt geradezu gespenstisch. Von den gut dreissig Geschäftslokalen<br />
sind zwanzig verriegelt. 1856 hatte der<br />
Ort noch doppelt so viele Einwohnerinnen und Einwohner<br />
wie heute. Auch das einige Kilometer entfernte<br />
Städtchen Plombières-les-Bains hat schon bessere Tage<br />
gesehen. Man sieht ihm den Glanz der Belle Époque<br />
noch immer an, obwohl es seit Jahrzehnten in einem<br />
Dornröschenschlaf schlummert. An den prunkvollen<br />
Prachtbauten nagt der Zahn der Zeit. Sie sind für einen<br />
Spottpreis zu erwerben. Vorbei sind die Tage, in denen<br />
die reiche Pariser Oberschicht um die Jahrhundertwende<br />
in Massen in die zahlreichen Bäder zur Kur fuhr. Die<br />
historischen Badehäuser sind zwar alle noch in Betrieb,<br />
mit einem modernen Wellnessbad sind diese Anlagen<br />
allerdings nicht zu vergleichen. Obwohl die imposanten<br />
Gebäude sehr grosszügig konzipiert sind, übersteigen<br />
die Bassins kaum die Grösse einer Badewanne. Am<br />
eindrucksvollsten sind die Thermes Napoléon, welche<br />
Napoleon III. erbauen liess. Der französische Kaiser<br />
fuhr mehrfach nach Plombières-les-Bains und verliebte<br />
sich in den Ort. Ihm ist es auch zu verdanken, dass<br />
das Dörfchen, welches in Frankreich etwas in Vergessenheit<br />
geraten ist, zumindest allen geschichtsinteressierten<br />
Italienern und Italienerinnen ein Begriff ist.<br />
Hier schloss Napoleon mit dem Premierminister des<br />
Königreichs Sardinien-Piemont einen Geheimvertrag,<br />
der als Grundstein für die Einigung Italiens betrachtet<br />
wird. Heute wird in Plombières-les-Bains, das wegen<br />
seiner ruhmreichen Vergangenheit auch das „St. Tropez<br />
der Vogesen“ genannt wird, keine Weltgeschichte mehr<br />
geschrieben. Es geht gemächlich zu im Ort, der ebenfalls<br />
von massiver Abwanderung betroffen ist. Dennoch<br />
nimmt einen das Städtchen mit auf eine Zeitreise<br />
in eine glorreiche Epoche. Die gut eineinhalbstündige<br />
Autofahrt zurück nach Basel gibt einem Zeit, wieder im<br />
einundzwanzigsten Jahrhundert anzukommen.<br />
Elia Kaufmann<br />
02.<strong>2019</strong><br />
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