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BOGART 17 (BeOurGuestARTist)

Das Gießener Mitmachmagazin für Creative – Aktuelles und Zeitloses aus Kunst-Kultur-Comic

Das Gießener Mitmachmagazin für Creative
– Aktuelles und Zeitloses aus Kunst-Kultur-Comic

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BE OUR GUEST, , ARTIST!<br />

<strong>BOGART</strong><br />

Aktuelles elles und<br />

Zeitloses aus Kunst, Kultur & Comic<br />

FRANK MAESSIG:<br />

"Ohne Herz<br />

ist es keine Kunst"<br />

ANDREAS REH<br />

Moderne Fototechnik -<br />

alte Studioverfahren<br />

DAS GIESSENER<br />

MITMACHMAGAZIN<br />

FÜR CREATIVE<br />

Nr. <strong>17</strong> - 2013 | Sept./Okt./Nov.<br />

6. Jahrgang | € 3,90<br />

© Andreas Reh (Physical Nightmare / 2008)<br />

COMIC:<br />

Fahrradmod Tobi Dahmen<br />

auf 250. www-Etappe


Wadim Reis (2013) - Öl auf Leinwand, 70 x 90 cm<br />

Auch als Postkarte oder<br />

Giclée-Druck auf Leinwand<br />

über <strong>BOGART</strong> erhältich.


INHALT EDITORIAL<br />

KUNST – KULTUR<br />

INSIDE <strong>BOGART</strong>: Rückblick · Einblick · Ausblick 4<br />

FRANK MAESSIG: "Eikruell meets Likörelle"<br />

6<br />

SINGER/WOSILAT/WICKLEIN: "Madrina della Luce II" 8<br />

ANDREAS REH: "Tabus zu brechen ist nicht mein Stil." 12<br />

SAHIN CELIKTEN: Expressive Colortypien<br />

14<br />

3 STEPS: Trabi 601 S – Poster<br />

16<br />

SERIE: "115 Jahre Kino" (Folge 16/Schluss) 18<br />

ANNA ISDATH: Die Brille davor<br />

20<br />

THE BATTLE OF THE DJs (3): Sasch beschallt worldwide 21<br />

ARTBOOKs ON DEMAND: Backlist der <strong>BOGART</strong>-Edition 22<br />

TASCHEN: Die Geschichte der Männermagazine 23<br />

SCHIRN/STÄDEL: Street-Art Brazil vs. Piero Manzini 24<br />

HERBST 2013: Gizmorians-3-Mon.-Kalendarium 25<br />

– COMIC<br />

FRANKFURTER BUCHMESSE: Faszination Comic 26<br />

SUPERCHATTER (2): Law & Order in der Plockstraße 27<br />

TOBI DAHMEN: Mit dem FAHRRADMOD durchs WWW 28<br />

SERIE: Von Altamira nach Entenhausen (100 J. Comic) 29<br />

HMK: Zeitungscomic als Spiegel von Zeitgeistern 30<br />

Li'l Sushi goes Yokohama...: "Wocking Swordsman..." 32<br />

<strong>BOGART</strong><br />

<strong>BeOurGuestARTist</strong><br />

Das Mitmachmagazin für Creative<br />

Das Mitmachmagazin für Creative<br />

mal ernsthaft<br />

mal rätselhaft<br />

mal augenzwinkernd<br />

Redaktion, Gestaltung und Realisation:<br />

Reinhard Müller-Rode<br />

c/o MediaART-Werbung<br />

Lonystraße 19, 35390 Gießen<br />

Tel.: 06 41.9 84 54 51, email: r.mr@gmx.de<br />

Mitarbeit:<br />

Hans-Michael Kirstein,<br />

Sascha A. Wanke, GIZMORIAN<br />

www.gi-mix.de/bogart<br />

Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Reinhard Müller-Rode<br />

© 2012 für alle Beiträge liegt beim Verlag bzw. den Autoren; alle<br />

Rechte vorbehalten. Die auf § 49 UrhG gestützte Übernahme<br />

von Artikeln in gewerbliche Pressespiegel bedarf der vorherigen<br />

schriftlichen Zustimmung des Verlags.<br />

Die nächste Ausgabe erscheint<br />

am 1. Dezember 2013<br />

Von Heinrich Will gemalt und gezeichnet – beinahe zermahlen und recycelt...<br />

"Is' das Kunst, oder kann das weg?"<br />

Unter diesem Programm-Titel bereicherte Mike Krüger (61)<br />

zuletzt 2010 einmal mehr das örtliche Kulturgeschehen auf der<br />

Bühne gegenüber der Kunsthalle. Dabei stellte der frisch aus<br />

Quickborn in Hamburg-Tötensen angekommene Comedian<br />

einige trennungs-schmerzige Umzugsgüter dem Publikum<br />

entspechend zur Disposition. Sein Slogan ist seitdem in der<br />

einschlägigen Szene selbst zur Kurzformel bei der Einschätzung<br />

so manchen Machwerks geworden und ziert inwzischen<br />

Poster, Frühstücksbrettchen oder Sticker.<br />

Pfl ichtbewußtsein verführten vor zwei Jahren eine Puztfrau im Dortmunder<br />

Museum Ostwall dazu, die Kippenberger-Installation „Wenn’s anfängt durch<br />

die Decke zu tropfen“ zu zerstören. Sie hatte das kalkbeseelte Auffangbecken<br />

des menschenhohen Holzplattenturms auf Hochglanz poliert: 800.000 Euro<br />

wisch und weg. Die Originalität des fl eckigen Kunstwerks war unstrittig dahin.<br />

Das Leitmotiv der documenta 2012 lautete »Collapse and Recovery«<br />

(»Zusammenbruch und Wiederaufbau«). Die italienische Künstlerin Lara<br />

Favaretto hat in Kassel einen riesigen Schrotthügel errichten lassen, auf<br />

den die Besucher vorbei an halbverfallenen Lagerhallen, allerlei Gerümpel,<br />

Verrostetes und Verrottetes eingestimmt wurden, um im kollabierenden<br />

Gleisvorfeld der Altmetall-Installation ansichtig zu werden.<br />

"Verschleudert mir mein Werk nicht!", sagte der vornehmlich in Gießen<br />

wirkende Kunstmaler Heinrich Will (* 27. 8.1895, † 19.2.1943 im Gestapo-<br />

Gefängnis Frankfurt-Preungesheim). Einen Großteil seines Nachlasses<br />

"fi schten" JLU-Studenten, die Mitte der 80er in sein Treiser Geburtshaus<br />

einzogen, aus dem Sperrmüllcontainer der Vormieter (nachgestellt im<br />

Bild oben). Vom Oberhessischen Museum akribisch katalogisiert, fanden die<br />

Landschaftsgemälde, Auftrags-Porträts und Aktstudien des Nazi-Opfers dann<br />

angemessenen Einzug in das Buch über das Lebenswerk des Städelschul'-<br />

Stipendiaten und Meisterschülers an der Wiener Akademie (s.a. <strong>BOGART</strong><br />

2), erfreuen weiterhin seine Sammler und werden sorgfältigst für mögliche<br />

Ausstellungen verwaltet (s.a. gi-mix.de/heinrichwill).<br />

Zu der noch bis zum Sonntag, 29. September im Staatsarchiv Hamburg<br />

laufenden Ausstellung "Entdeckt und Bewahrt!" lädt Gießen- und<br />

Bogart-Freundin Gora Jain (s.a. Ausgabe 9) als Vorsitzende des Forum für<br />

Künstlernachlässe ein, das aus Anlass des 10-jährigen Jubiläums einen<br />

Querschnitt seiner Sammlung präsentiert. Das Symposium "Kulturgut in<br />

Gefahr! Zukunftsfähige Konzepte für Künstlernachlässe." tagt am Samstag, 14.<br />

September 2013 um 10 Uhr an gleicher Stätte.<br />

“Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis …” beginnen die letzten Verse in<br />

Goethes Faust II, über die es im Beuys'schen Sinne nachzudenken gilt, dessen<br />

Zersetzung seiner „Fettecke“ vom Künstler gewollt war.<br />

Reinhard Müller-Rode<br />

Bogart 3


4 Bogart<br />

INSIDE<br />

TRÄNE<br />

Rinnend und glitzernd<br />

Mit Licht veredelt<br />

wird sie wahrhaftig<br />

auf deiner Wange<br />

Salzig und feucht<br />

Spuren hinterlassend<br />

scheint sie voller Scheu<br />

auf deiner Wange<br />

Fallend und tropfend<br />

Dahingehend und zerstäubt<br />

bleibt sie Vergangenheit<br />

auf deiner Wange<br />

Sascha A. Wanke<br />

Mehr vom Autor zu lesen und zu hören<br />

gibt es im 60seitigen Gedichtband<br />

"Augenblicke" mit Zeichnungen<br />

von Otti Wanke u.a. bei Amazon/5.95)<br />

und auf Audio-CD für 5.95 direkt bei<br />

autor-wanke@gmx.de.<br />

Screenshots aus Videoproduktionen von Dirk Bartsch<br />

(u.a. eingestellt bei YOUTUBE)<br />

"Yesssssss! Eeeeendlich<br />

mal wieder 'ne Platzierung!<br />

3. Platz Fotowettbewerb<br />

Thema "Feiertag", aktuelle<br />

Ausgabe vom "Fotomagazin"<br />

- Einbeinstativ von Giottos<br />

gewonnen! Geht doch! ^^<br />

Hoppla! Im Juli schon 3. Platz<br />

im Fotomagazin gemacht<br />

und diesen Monat schon<br />

wieder Diesmal mit meinem<br />

Lieblingsthema "Portrait".<br />

...warte mal, heißt das, ich hab<br />

jetzt zwei Giottos- Einbeinstative<br />

gewonnen?", postete Rossi<br />

hocherfreut auf FACEBOOK.<br />

Das likte auch seine Community<br />

vielstimmig!!! Foto: RMR<br />

Omnipräsenz zeigt dieser<br />

Tage der Gießener<br />

Singer/Songwriter<br />

ALEXANDER LIEBE im Hörfunk<br />

und bei Liveautritten weit über die<br />

Lokalgrenzen hinaus. Im konträren<br />

Sinne seines rauchenden, fressenden,<br />

saufenden "Gewohnheitstier" (...das<br />

wohnt in Dir. Der Grund, warum Du<br />

nichts auf die Reihe kriegst...) nimmt<br />

der JLU-Lehramtsabsolvent (Politik,<br />

Sport, Musik) solch tugendhaftes<br />

"Laster" auch gern dauerhaft billigend<br />

in Kauf...<br />

Zum Erreichen des 3. Platzes mit<br />

diesem Erfolgstitel bei ROCK-RADIO.<br />

DE im Wahl-Lokal – einer monatlichen<br />

Wertungssendung mit ausschließlich<br />

deutschsprachigen Titeln – voteten<br />

auch die <strong>BOGART</strong>isten im Juni eifrig<br />

mit. Danach gastierte er bei den<br />

Berliner Machern dieser Plattform<br />

auf deren ART.GERECHT ACOUSTIC<br />

STAGE mit einem breiten Ausschnitt<br />

seines Liedguts, nachdem der<br />

gebürtige Thüringer zuvor nahezu 20<br />

Auf einem Bein kann man nicht stehen...<br />

Gießens "Paparossi" Christoferos Mechanidis in seinem Element: Bei "Fluss<br />

mit Flair 2013" und mit prämierten FM-Lesershots zu FEIERTAG (l.) bzw.<br />

SCHATTENSPIEL.<br />

Das Mitmachmagazin


Minuten von Initiator Andreas Höhle zur "Person und Sache"<br />

mit Herz und Schnauze interviewt wurde. Auf fl appsige<br />

Wortwitzigkeiten über seine zweite Heimat ließ sich der Texter,<br />

Komponist und Interpret von "Schönes Gießen" (...du siehst so<br />

gut aus, so viele Sachen geh'n auf keine Kuhhaut.) nicht ein.<br />

In dieser "reim-dich-oder-ich-fress-dich" intonierten Beschreibung<br />

städtischer Attraktivitäten bleibt zumindest der Claim "...schöne<br />

studier'nde Frau'n" unwidersprochen, während "das Haus<br />

wo LIEBE draufsteht" als (s)ein ambivalentes Markenzeichen<br />

inzwischen eher schamvoll als charmant aus dem urbanen Raum<br />

verschwand (s.a. <strong>BOGART</strong> 3, 10).<br />

Derzeit arbeitet Alexander Liebe im Studio zusammen mit<br />

dem Produzenten Big G an seiner CD-Veröffentlichung. Ein<br />

bedeutender Auftritt steht am 21. September um 20 Uhr in<br />

Frankfurt an (Song Slam, Zoom Club, Brönnerstr. 5-9).<br />

Im Vorjahr gründeten Alexander Liebe und Patricia Stasch<br />

das Projekt HAUSGEMACHTES (s.a. <strong>BOGART</strong> 16), welches<br />

hausgemachte Musik, Kunst, Poesie und Produkte fördern,<br />

vorstellen und wertschätzen soll. Die Konzertreihe "Zeitlos um 7"<br />

wurde bisher zweimal im Café Zeitlos in Giessen vorgestellt. Das<br />

abwechslungsreiche Programm machte beide Veranstaltungen<br />

zu einem großen Erfolg, der sich in der der neuen Reihe "Lazy<br />

Sunday Afternoon-Open Stage" im Café Giramondi in Giessen<br />

gleichwohl einstellte.<br />

Mehr Infos, Termine und Verweise: alexanderliebe.com<br />

für Creative<br />

RUECKBLICK EINBLICK AUSBLICK<br />

dem Seltersweg:<br />

Passant: Ich habe Sie gestern im<br />

KLIMBIM gesehen! – Schauspieler:<br />

Und, wie war ich?<br />

Auf<br />

*Für Unkundige: Gießener Szenekneipe<br />

7 Mimen auf<br />

einen Streich:<br />

Heiligabend fi ndet 2013 in Frankenbach schon am 7. Dezember<br />

statt. Denn genau an diesem Vorweihnachstag spielt die<br />

berühmte und auch verfi lmte Dickens-Erzählung von<br />

dem legendären Geizhals Ebenezer Scrooge, die der Hamburger<br />

Schauspieler Thorsten Schneider in einer szenischen Lesung seinen<br />

Zu-Hörern/-Schauern im Bürgerhaus in einer modernen Interpretation<br />

bescheren wird.<br />

Hatte gebürtige Gießener im Vorjahr an gleicher Stätte das Publikum<br />

mit "Der Hund von Baskerville" facettenreich in Atem gehalten, schlüpft<br />

er auch diesmal gleich in die Rolle mehrerer Charaktere. So wird er<br />

auch die als Geister erscheinenden<br />

Wegbegleiter des habsüchtigen<br />

Warenhausbesitzers, die ihn durch<br />

seine Vergangenheit, Gegenwart<br />

und Zukunft führen, wieder mit<br />

vollem Körper- und Stimmeinsatz zu<br />

teilnahmsvollen Leben erwecken.<br />

Im Gegensatz zum Dagobert-<br />

Duck'schen Urahnen spendet<br />

Thorsten Schneider in Verbundenheit<br />

zu seiner Heimatgemeinde den Erlös<br />

diesmal der Diakoniestation Biebertal.<br />

Foto: Birte Burgänger<br />

Theatrales Fassaden-Ensemble<br />

von Wadim Reis neu inszeniert<br />

»AS YOU LIKE IT« lautet der Titel des<br />

Ölgemäldes, das der Gießener Jungmaler<br />

Wadim Reis als Hommage an das örtliche<br />

Stadttheater geschaff en hat. Erstaunlich, dass<br />

selbst "geschulte" Einheimische an seinem<br />

Kunstpavillon bei "Fluss mit Flair" auf den<br />

ersten Blick nicht erkannten, wo sie "diese<br />

Visagen" schon mal gesehen hatten, die nur<br />

ca. 30 Meter weiter ihr Mienenspiel mit ihnen<br />

treiben.<br />

Die inzwischen als Postkarten und<br />

Leinwand-Reproduktion (30 cm x 40 cm)<br />

stark nachgefragte Neuinszenierung der<br />

allegorischen Darstellungen von Witz, Bosheit,<br />

Hohn, Zorn, Lust, Satyr und Verachtung sind im<br />

90 x 120 cm formatigen Original neu "gemischt",<br />

und setzen in ihrer Farblegung z.B. der zornigen<br />

Mimik noch eff ektvoll das spezifi sche ROT<br />

drauf. Über die Versinnbildlichung höchsten<br />

schauspielerischen Ausdrucksvermögens<br />

thronen auf dem 1906 erbauten "Denkmal<br />

Bürgerlichen Gemeinsinns“ Thalia, die Muse<br />

des Lustspiels (l.) und Melpomene, Muse des<br />

Trauerspiels.<br />

Ein Blick hinter die Fassade des<br />

"Dreispartenhaus" lohnt nicht minder, und<br />

lässt das vielfältige Repertoire von Oper,<br />

Musical und Operette, Schauspiel sowie<br />

modernem Tanztheater hautnah miterleben.<br />

Bogart 5<br />

Foto: RMR


eikruell meets Likoerelle<br />

Treff punkt Plockstraße: Beim Dauer-<br />

Gastspiel von Udo Lindenberg in der<br />

Gießener "Galerie am Dom" - hier vertreten<br />

von Mitinhaber Michael M. Marks (r.) -<br />

begegnete Frank Maessig seinem Musikerund<br />

Malerkollegen auf Augenhöhe.<br />

Foto: Reinhard Müller-Rode<br />

Der signifi kante "Hut" ist beider<br />

Markenzeichen: Frank trägt das<br />

natürliche Haupthaar engelsgleich<br />

in Altrocker-Manier, Udo drapiert den<br />

von einer weiblichen Messerattacke<br />

gescheitelten Schädel mit signifi kanter<br />

Kopfbekleidung. Musikalisch stehen<br />

sie bei ihren Auftritten an vorderster<br />

Front der "immergrünen" OLDIES<br />

bzw. des unvergänglichen Panik-<br />

Orchesters. Während "unser" Local<br />

Heroe (*1955) sein kunstmalerisches<br />

Talent von Kindesbeinen an pfl egt und<br />

sich auf vorwiegend schwarz-rot-goldene<br />

Acrylporträts einlässt, berauschen die<br />

u.a. mit Eierlikör gepinselten Lindianer<br />

der "Nachtigall aus Billderbeck" (*1946)<br />

erstmals seit 1996 die Öffentlichkeit –<br />

aktuell im Berliner Maritim proArte.<br />

Entspringen Lindenbergs "Schnapsideen"<br />

größtenteils aus seinem Liedgut (u.a.<br />

"Andrea Doria", "Sonderzug nach<br />

Pankow", "Sie spielt Cello"), setzt<br />

Frank Maessig seine Arbeiten keiner<br />

vordergründigen Deutung aus, "Aber<br />

deutlich sollten sie sein, denn Deutlichkeit<br />

hat mit Wahrheit zu tun, nicht mit schnellem<br />

Beifall".<br />

So sieht der Gießener "Szene-Allrounder"<br />

Hans-Michael Kirstein (Illustrator, Autor,<br />

Laudator) das Wesen und Wirken des<br />

musisch doppelt Begabten:<br />

Das Mitmachmagazin


"I've got to get a Maessig to you..."<br />

»Die hier abgebildeten mittelformatigen<br />

Acrylgemälde stehen repräsentativ für das<br />

Maessig'sche Oeuvre: abstrakte, deformierte<br />

und verfremdete Gestalten und Gesichter bilden<br />

die narrative Klammer in seinem Bildkosmos.<br />

Naturalistisch-realistische Abbildungen sind<br />

nicht das Ziel des Malers, sondern eine<br />

hochexpressive "Veräusserlichung" emotionaler<br />

und psychischer Befi ndlichkeiten. Zwar sind<br />

die Portraits jeweils individualisiert, das<br />

Einzelwesen erkennbar – der Künstler<br />

überkontrastiert jedoch seine Physiognomien<br />

mittels Farbwerten und gebrochener Konturen.<br />

Die schwarz-rot-goldenen Farbgesten erzeugen<br />

gleichsam "eingefrorene" Portraitmomente,<br />

die Charaktere erscheinen verstört, fragend.<br />

Eine komplexe innere Befi ndlichkeit tritt<br />

nach dem malerischen "Zerstören" glatter<br />

Oberfl ächenhaut hervor. Die aus forciert<br />

aufgetragenen Farbgesten formulierten<br />

Hintergründe unterstützen Maessigs<br />

ikonographisches Wollen.<br />

Die menschliche Gestalt, das gestalterisch<br />

"verschlüsselte" Portrait und seine<br />

Kommunikation mit dem Außen sind das<br />

Anliegen des operativen Malers Frank Maessig.<br />

Zusammen mit seiner anderen Seite, der des<br />

Rockmusikers, erscheint er als<br />

ein Universalkünstler, der treibende Beats<br />

ebenso artikuliert wiefarb- und formstarke<br />

Malszenarien.«<br />

für Creative<br />

"Ohne Herz ist es keine Kunst!"<br />

(Leitmotiv von Frank Maessig on stage und im Atelier)<br />

"Face To Face" ist eine facettenreiche Porträtlinie, die aktuell neun Motive umfasst und<br />

weiter entwickelt werden wird. Die Formate sind zwischen 60 x 60 und 90 x70 cm auf<br />

Leinwand/Acryl angelegt. Die Verkaufspreise - wie auch die der übrigen Werke - bewegen<br />

sich im mittleren dreistelligen Bereich. - Maessigs Siebdrucke in limitierter Aufl age von 20<br />

Exemplaren auf 70 x 50 cm (siehe links) sind inzwischen begehrte Sammlerobjekte und<br />

zum Preis von 290,- erhältlich. Kontakt: FM, 35540 Linden, Heeggraben 1 (06403.776809)<br />

"Meine Bilder zu betiteln überlasse ich gern der Interpretation des Betrachters!" / Acryl auf Leinwand (90 cm x 120 cm) 2012<br />

Bogart 7


Markus Singer / Johannes Wosilat (Bilder) / Anna Maria Wicklein<br />

„Facella -<br />

Die Flamme“<br />

8 Bogart<br />

2. Kapitel<br />

Das leichte Klicken ihrer Schuhe auf dem Pfl aster des Marktplatzes<br />

deckte sich mit dem Geräusch des Auslösers der Kamera. Vida und<br />

Amaranta bewegten sich im Freien grundsätzlich im Zentrum<br />

einer hochaufl ösenden Linse. Es war ein trüber Morgen. Das<br />

nasse Wetter betäubte Sinne und Gemüt. Noch war das kleine<br />

Städchen Locarno nicht erwacht. Hier und dort gingen ein paar<br />

wenige Gestalten sorgsam ihren Kleinigkeiten nach.<br />

Sie maßen jedoch immer wieder mit unauff älligen Blicken die<br />

Entfernung zu Vida und ihrer Tochter.<br />

Vida konnte die Menschen verstehen: Wo sie war, war das<br />

DIS, der NDB oder die Interna. Hinter verspiegelten Scheiben<br />

oder aus dem Inneren abgedunkelter Räume lauerten die<br />

Augen des Geheimdienstes. Gestalten, die sie spürte, die aber<br />

verschwunden waren, wenn man den Blick nach ihnen richtete,<br />

lauerten, lauerten Tag ein Tag aus, lauerten auf irgendetwas<br />

von dem sie selbst nicht wussten, was es war. Innerlich machte<br />

es Vida rasend. Nur innerlich, denn Hass wollte Vida von<br />

ihrer Tochter fernhalten. In ihrer Vorstellung drang dieser als<br />

unsichtbarer, mikroskopisch feiner Dunst aus allen Poren des<br />

Erzeugers und konnte anstecken wie eine Krankheit. In ihrer<br />

Umgebung war jeder infi ziert. Amaranta lief zum Schulhaus und<br />

verschwand darin. Vida sah ihr nach.<br />

Minutenlang blieb sie mitten im Eingang, vor dem großen<br />

Eisentor zum Hof der Schule, stehen: Im Auge ihrer stillen<br />

Begleiter. Sie verachtete diese Leute bis aufs Blut, für ihre<br />

Tatenlosigkeit. Heute aber würden sie etwas zu tun bekommen...<br />

Der ganze Raum, alle sichtbare Umgebung, war überzogen<br />

von einem Gewächs aus dicken, unnachgiebigen Ranken. Sie<br />

schlängelten sich durch verfallenen Flure und halb zerbröckelte,<br />

steinerne Wendeltreppen hinauf. Viele Wände waren<br />

durchschlagen. Reste von Asche und Verkohltem erzählten<br />

von den Feuern der Wegelagerer und Obdachlosen. Der Wind<br />

zog den Geruch von Urin und Exkrementen durch das Gerippe<br />

des schwindsüchtigen Gebildes. Außerhalb lagen majestätisch<br />

der See und seine Hänge. Sie waren das einzig Schöne dieses<br />

Ortes, durch das Netz aus Ranken dennoch nur schemenhaft zu<br />

erkennen.<br />

Man brachte Vida herein und setzte sie an einen Tisch. Jemand<br />

wartete außerhalb des Raums im Flur, ein Weiterer stand in der<br />

Ecke hinter Vida, der Dritte in ihrem Rücken. Keine Gesichter nur<br />

Stimmen. Eine Hand im Nacken verbot ihr den Kopf zu drehen.<br />

Zunächst wehrten sich Vidas Muskeln, dann entspannte sie<br />

und die Hand löste ihren Griff . Um ihre Neugier machten die<br />

Unsichtbaren kein Geheimnis. In der Manier, die ihrem Schlag<br />

üblich war, kamen die Fragen trocken und scharf.<br />

Vida antwortete in gleicher Weise. Die Geheimdienstler witterten<br />

wie die Bluthunde, suchten nach den feinsten Anzeichen einer<br />

Schwäche. Wenn nicht Vidas Stimme log, so vielleicht ihr Körper?<br />

Nein. Weder noch. Dann war alles gesagt. Unter den Sohlen des<br />

direkt hinter ihr Stehenden knackte das Wurzelwerk. Die gleichen<br />

Geräusche kamen von der Ecke her. Die Schritte verließen den<br />

Raum. Der Mann im Flur blieb auf Posten. Vida saß vor dem Tisch<br />

und verdrängte unheilvolle Gedanken.<br />

Erst jetzt bemerkte sie, dass der Tisch nicht in die Umgebung<br />

passte. Unberührt von Ranken stand er da. Vorsichtig neigte sie<br />

den Kopf: Auch der Stuhl war nicht von hier. Beide hatte man<br />

kurz vor ihrem Eintreff en aufgestellt. Plötzlich war da Angst.<br />

Bisher hatte die Außergewöhnlichkeit der Situation die Angst<br />

unterdrückt. Die Mutter war getragen worden vom herrlichsten<br />

und seltensten Gefühl dieser Welt: Selbstwertgefühl. Endlich<br />

tat sie etwas! Wut, Hass und Angst führten endlich zu etwas!<br />

Hatten sie hierher geführt. Aber Tisch und Stuhl nahmen mit<br />

einem Mal das Außergewöhnliche fort. Übrig blieb die geringe<br />

Wahrscheinlichkeit zu überleben.<br />

Die Gewöhnlichkeit ihrer Situation drehte Vida den Magen um.<br />

Vielleicht war es besser... Unter Sohlen knackten Steinchen und<br />

Teil 2<br />

Madrina Della Luce<br />

Wurzeln. Nur einer der Männer betrat den Raum. Vor sie stellte<br />

er einen Flakon, gefüllt mit einer Flüssigkeit, die man für Parfüm<br />

hätte halten können. Der Plan wurde vor ihr ausgelegt, dann das<br />

Übliche: Die Arbeitgeberbedingungen ohne das Kleingedruckte.<br />

Danach ließ man Vida alleine. Auch der Mann im Flur verließ<br />

seinen Posten. Da stand sie nun, vor sich auf dem Tisch der Flakon.<br />

Ein Schlüssel zu zwei Türen. Eine nur führte in die Zukunft...<br />

Vida war lange gefahren, vielleicht Stunden. Niemand hatte<br />

je mit ihr gebetet. Vor der alten Kirche fühlte sie sich fehl<br />

am Platz. Diese lag inmitten eines Bergdorfes. Die schwere<br />

Eingangstür war einen Spalt weit geöff net. Mit Vida herein drang<br />

heißer Wind. Letzte Worte hallten durch die Stille des kühlen<br />

Mittelschiff s. Ein paar alte Frauen, die bis gerade im Gespräch<br />

vertieft gewesen waren, sahen sie an. Zwar wunderte man sich,<br />

aber war jemandem danach mit “Signore” zu sprechen, zeigte<br />

man Respekt. Ohne das gütige Willkommen in den Augen der<br />

Alten, hätte Vida die Kirche auf der Stelle verlassen. Allein die<br />

Tatsache, dass diese sie vorbehaltlos einluden, sie, die Fremde,<br />

die Unpassende, vermochte sie zu halten. Vor dem Altar mit den<br />

brennenden Kerzen wirkte Vida verloren aber eine der Frauen<br />

machte sie mit den Gepfl ogenheiten vertraut.<br />

Bodenlose Wurzeln, sie verkümmern;<br />

so, haltlos junge Seelen, sich zertrümmern.<br />

Fester Boden, wahre Lehren,<br />

und wir sollen euer Alter ehren.<br />

Vida hielt eine Kerze. Die Flamme zuckte und wandt sich, wollte<br />

vom Docht loskommen, als habe sie begriff en, dass an seinem<br />

Ende, sie erlöschen würde. Vida bat um Vergebung für das Leben,<br />

dass sie genommen hatte. Es geschah während der Zeit ihrer<br />

Schwangerschaft. Eine junge Frau, ein Mädchen noch, schoss<br />

auf Vida. Der Angreiferin wurden die Glieder gebrochen. Hass<br />

und Flüche für Vida und ihr Ungeborenes schlugen ihr über die<br />

Lippen. Zweifelsohne hatte ein Seelchen von solch geringem<br />

Das Mitmachmagazin


Alter einen nachvollziehbaren Grund für die Tat gehabt: Dass Vida<br />

nicht Neros Nachfolger, sondern seine Tochter in sich trug, wusste<br />

das Mädchen nicht. Aber die Flüche, die sie auf das Ungeborene<br />

sprach, kosteten ihr das Leben. Vida sah sich selbst die Waff e<br />

nehmen und auf das Mädchen feuern. Ohne, dass sie es gewollt<br />

hatte, zierte Vidas Gesicht danach ein schiefes Lächeln. Jetzt, hier<br />

in der Kirche, bat sie um Vergebung, bat darum einem anderen<br />

Mädchen, Amaranta, ihrer Tochter, ein gutes Leben schenken zu<br />

dürfen.<br />

Später am Tag standen sie und Amaranta vor dem Haupteingang<br />

der Villa Accardo. Die Wachen überprüften sorgsam alles<br />

Mitgeführte, auch den Parfümfl akon. Sie stellten ihre Fragen und<br />

man ließ passieren. Nuance um Nuance wurde das Licht aus dem<br />

Haus gesogen. Der nächtliche Himmelskörper war bereits in das<br />

dunkelblaue Firmament gezeichnet. Die Mutter saß am Bett ihrer<br />

Tochter, bis die Müdigkeit die kleinen Augen schloss.<br />

Dann hob sie Amaranta samt Decke aus dem Bett, trug sie zwei<br />

Zimmer weiter und legte den schlafenden Körper auf ein Sofa<br />

nieder. Für einen Moment dachte Vida, sie habe die Tochter<br />

in deren Sarg gelegt. Vidas Fingernägel bohrten sich in ihren<br />

Handrücken. In der Küche bereitete sie ein Tablett mit Sekt<br />

und Gläsern. In eines der Gläser goss sie etwas vom Inhalt des<br />

Flakons.<br />

Unten wurde die Haustüre aufgestoßen: Nero trat ein. Vida<br />

empfi ng ihn in Amarantas Kinderzimmer, auf deren Bett sie<br />

sich anbieten musste. Damals hatte Nero Vidas Mutter Caprice<br />

verführt, dann hatte er Vida genommen und dies hier war nur<br />

ein Kompromiss auf Zeit. Er ließ sich von Vida auskleiden und<br />

betrachten, atmete langsam und tief.<br />

Ihr Gesicht blieb regungslos. Zu regungslos, dachte sie. Plötzlich<br />

Angst! Hatte sie sich verraten? Alles, was sie tun konnte, war in<br />

dem seinen zu lesen und auch das konnte ein Fehler sein. Sie griff<br />

zum Tablett mit den Sektgläsern. Sein abschätziger Blick traf sie.<br />

Er griff ungeduldig zum Glas, setzte an und trank.<br />

Auf einmal herrschte Leere. Sie befand sich in einem Zustand<br />

reinen Wahrnehmens. Etwas Sekt lief an seinem Mundwinkel<br />

herab. Der Rest fl oss über die Lippen hinab in die Kehle. Die<br />

Bewegungen am Hals bedeuteten, dass er schluckte. Da setzte<br />

er ab und spuckte, was im Mund war, aus. Ungehalten fuhr er<br />

sie an.<br />

Der Sekt schmeckte nicht. In Neros Augen stieg der Zorn, aber<br />

nichts davon zählte: Er hatte das falsche Glas gegriff en. Sie<br />

glaubte die Kontrolle zu verlieren. Dann griff Nero das Glas mit<br />

dem Gift. Aus der Leere in ihr wurde Feuer. Er hielt es vor Vidas<br />

Gesicht: Er hatte Schlechtes gekostet, er würde sie zwingen, es<br />

ihm gleichzutun. Verweigerte sie, beleidigte sie ihn. Nero würde<br />

sie durchschauen und sein Jähzorn würde ihr das Leben kosten.<br />

Trank sie, war sie tot. Sie nahm das Glas an und führte es zum<br />

Mund.<br />

Zwei Zimmer weiter schlief ihre Tochter, die sie heute Nacht zum<br />

letzten Mal ins Bett gebracht hatte. Vor ihrem inneren Auge<br />

erschien Vida das Mädchen, das sie getötet hatte. Die Kugel war<br />

unterhalb des Rippenbogens eingeschlagen. Sterbend saß das<br />

junge Geschöpf gegen eine Stoßstange gelehnt und Blut sickerte<br />

ihr literweise aus dem Rücken. Die Männer standen herum und<br />

verfolgten das Geschehen bereits mit Gleichgültigkeit. Die Flüche<br />

aus dem Mund des Mädchens schwanden zu einem Flüstern.<br />

Einer der Männer hielt den Kopf näher heran. Ihr Gehirn setzte<br />

langsam aus und sie faselte. Er sagte etwas, die Anderen lachten.<br />

In dieser Nacht verwirkte Vida das Recht, ihre Tochter zu retten.<br />

Sie kippte das Glas.<br />

Das Mädchen rief sie in ihre Erinnerung zurück. Außer Hass lag<br />

noch etwas Anderes in den sterbenden Augen. Damals erkannte<br />

Vida nichts, aber bald würde sie begreifen. Das Flüstern des<br />

Mädchens versiegte. Ein paar Mal noch bewegten sich die<br />

Kurzroman in 4 Folgen: Madrina Della Luce Taufpatin des Lichts (1I)<br />

Lippen, dann wich ihr das Licht aus den Augen und ihr Kopf<br />

klappte nach hinten. Im erstarrten Ausdruck des toten Gesichts<br />

sah Vida es: Dieses Andere war Mitleid gewesen.<br />

Etwas fegte das innere Feuer zum Teufel und Vida, zurück im<br />

Kinderzimmer, legte selbst den Kopf nach hinten. Der Sekt<br />

rieselte aus dem Glas auf die Haut, rann zwischen ihren Brüsten<br />

hindurch, und bahnte sich den Weg zu ihren Beinen. Nero packte<br />

ihren Körper und saugte allen Sekt auf. Da hielt er inne, stemmte<br />

die Stirn in ihren Bauch. Vida blickte herab auf seinen Schädel,<br />

spürte seinen Atem. Ganz zart umspielte dieser ihre Haut. Sein<br />

Griff schmolz zu einer festen Berührung. Seine Hände fl ossen an<br />

ihren straff en, weichen Flanken hinab. Vida legte den Kopf in den<br />

für Creative Bogart 9


Madrina Della Luce Taufpatin des Lichts (1I)<br />

Nacken und gab sich dem Genuss hin.<br />

Neros Lippen glitten tiefer...und...tiefer. Seine Zähne bissen<br />

immer wieder zärtlich in ihre Haut. Sein Kinn kam auf dem Bett<br />

zum Erliegen, ihre Schenkel hielten sein Gesicht. Sein Atmen war<br />

heiß aber sanft.<br />

Vida packte Nero bei den Haaren und reckte seinen Kopf nach<br />

hinten. Seine Züge waren entspannt, seine matt gewordenen<br />

Augen aber hervorgequollen und zum Bersten weit aufgerissen.<br />

In ihnen wuchs das Schwarze. Sie schob ihn ohne Mühe zurück.<br />

Geschmeidig glitt er auf den Boden und ermattete.<br />

Sie stand auf und ging zum Morgenstern an der Wand. Der Mann<br />

konnte sein Gesicht rücklings im großen Spiegel neben der Türe<br />

sehen. Seine Welt stand Kopf. Etwas formte seine Lippen zum<br />

Anfl ug eines schiefen Lächelns. Was er im Spiegel sah, erinnerte<br />

ihn an Callisto Reale, an Zorn, an Tollwut. Ihre beiden Gesichter<br />

zierte vor dem Tod dies schiefe Lächeln. Aber das Lächeln selbst<br />

gehörte einem Anderen. Das begriff Nero jetzt. Das Lächeln<br />

gehörte dem, der auf den Neros und Reales dieser Welt spielt, sie<br />

ausnutzt, zu einem einzigen Zweck: Belustigung.<br />

Es war ein Lächeln des Abschieds und eines der Begrüßung. Denn<br />

der Lächelnde liebte das Spiel zu sehr, als es hier zu beenden.<br />

Markus Singer<br />

Dipl. Mediendesigner<br />

Seine Welt ist Wort, ist Bild - ist Story.<br />

Den Bachelor of Arts erwarb er 2009 an der Lazi Akademie in<br />

Esslingen am Neckar mit dem Schwerpunkt „Schreiben für den<br />

Film“. Im Anschluss folgte 2010 das weiterführende Studium an<br />

der Interspherial Drehbuchschule in Stuttgart.<br />

Als freiberufl icher Texter und Autor fi ndet er Story in der<br />

Dramatik wie der Lyrik. „Story ist, was uns zu den Menschen<br />

macht, die wir sind. Story ist Kraft.“ Selbsterklärtes Ziel des<br />

jungen Autors ist es ganz nah an diese Kraft zu kommen, dort zu<br />

sein – dort zu arbeiten.<br />

10 Bogart<br />

Stets in Andern er das Schlechte wittert, sein<br />

Schlechtes schon vor Lachen zittert;<br />

blickt nicht unter seinen Schopf,<br />

denn der Teufel sitzt im blinden Kopf.<br />

Jetzt liegt er fl ehend,<br />

erst Todes Spiegel macht ihn sehend.<br />

Vida trat zu Nero. Neben ihm pendelte der eiserne Kopf des<br />

Morgensterns. Ihre Knöchel traten weiß hervor. Im Geiste<br />

schwang sie die Waff e. Der Morgenstern brach die Schädeldecke<br />

ein und sank tief, indem er einen Krater schlug, wo das Gesicht<br />

gewesen war. Die Gewalt des Schlags zog die Haut über die<br />

Bruchstellen der Schädelplatte und zeigte Knochen. Neros<br />

schwarze Augen platzten auf, das glasige Innere vermengte<br />

sich mit Blut. Seine Zähne schnitten ihm die Lippen in Fetzen,<br />

zersplitterten im Mundraum und bohrten sich ins Rachenfl eisch.<br />

Diesmal schlich das schiefe Lächeln unbemerkt auf das Gesicht<br />

der jungen Mutter, aber dann dachte sie an ihre Tochter. Der<br />

Mann sah zu ihr auf. Ganz sacht schwang sie den Morgenstern.<br />

Er tippte kaum merklich an den Schädel und des Mannes Seele<br />

fuhr ihm aus und hinab.<br />

Forsetzung folgt in <strong>BOGART</strong> 18 (1.12.13)<br />

Johannes Wosilat<br />

Dipl. Fotodesigner<br />

„Don‘t think... feel!“<br />

Seit 2008 positioniert Johannes Wosilat Serien wie Einzelwerke<br />

in den Segmenten Werbung, Fashion und People. Leidenschaft<br />

und Innovation verbinden Licht, Mode und Mensch durch<br />

einwandfreies Handwerk, Einfühlungsvermögen und Liebe zum<br />

Detail.<br />

Den Bachelor als Fotodesigner erwarb er 2010 und bestand mit<br />

der „Auszeichnung für hohen Standard“. Kreation nimmt ihren<br />

Anfang in Emotion. Diese Wahrheit schaff t das Credo, welches<br />

seinen Arbeiten voransteht: „Don‘t think... feel!“<br />

Impressum<br />

©2011<br />

Herausgeber:<br />

Johannes Wosilat, Markus Singer, Anna Maria Wicklein<br />

Autor:<br />

Markus Singer (markus.singer@live.de)<br />

Fotografi e + Bildbearbeitung:<br />

Johannes Wosilat (www.wosilat.de)<br />

Gestaltung:<br />

Anna Maria Wicklein (www.herzblut-studio.de)<br />

Models:<br />

Vida Ylenia Scorrano (Mutter): Elena Beser<br />

Amaranta Vida Caprice (Kind): Sophie Alexandra Beser<br />

Copyright:<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Das Buch oder Teile dieses Textes dürfen ohne die schriftliche Genehmigung<br />

der Herausgeber nicht vervielfältigt, in Datenbanken gespeichert oder in<br />

irgendeiner Form übertragen werden.<br />

Anna Maria Wicklein<br />

Dipl. Designerin<br />

(Fotografi e + Bildbearbeitung /Gestaltung des Buches)<br />

Nach einer Ausbildung als Mediengestalterin und darauf<br />

folgendem Studium erwarb Anna Wicklein den Bachelor in<br />

Kommunikations- und Grafi kdesign 2011 an der Lazi Akademie<br />

in Esslingen mit einer „Auszeichnung für Bestleistungen und<br />

Hohen Standard“. Sie arbeitet als Grafi k Designerin in einer<br />

Agentur für Markeninszenierung und Markenkommunikation<br />

und ist nebenher freiberufl ich tätig. – Für sie ist Werbung nicht<br />

einfach nur Gestalten, sondern das bewusste Beeinfl ussen der<br />

unbewussten Gefühle und Gedanken der Menschen.<br />

Das Mitmachmagazin


für Creative Bogart 11


ANDREAS REH: „TABUS ZU BRECHEN IST NICHT MEIN STIL“<br />

"Man kann atemberaubende Akte genauso gut mit dem Handy<br />

oder einer Einwegkamera fotografi eren. "Model, Location,<br />

Licht, die eigene Sichtweise, all das ist wichtiger als das<br />

Aufnahmemedium", macht Andreas Reh einer so hantierenden<br />

Community Mut, dessen hohe<br />

Qualitätsansprüche auch seine jüngst<br />

aus den USA importierte großformatige<br />

Korona Pictorial View 8x10" Holzkamera,<br />

(Bj 1926) dokumentiert.<br />

"Sie ist leicht, kompakt, mobil und wie<br />

geschaffen für die Outdoorfotografie.<br />

Meine geliebte Century Studio 4a ist<br />

aufgrund ihres enormen Gewichtes<br />

dem Studioeinsatz vorbehalten und konkurriert nun mit der<br />

London Stereoscopic Co. LTD Kamera aus dem Jahre 1889<br />

(kl. Bild oben) für die Kollodium-Nassplattenfotografie".<br />

"Perfektion und Spontanität, planen und „laufen lassen“,<br />

moderne Technik und der Zauber alter Verfahren – zwischen<br />

diesen Polen bewegt sich Andreas Rehs Kunst. Wenn Sie wissen<br />

wollen, was eine Cyanotypie ist, fragen Sie ihn einfach. Auch<br />

12 Bogart<br />

Freedom /2009<br />

mit Kollodium-Nassplattentechnik* und Infrarot-Fotografie<br />

kennt er sich aus. Und wenn er nicht gerade alternative<br />

Wege zu spannenden Bildern beschreitet, fotografiert er<br />

hin und wieder auch auf ganz gewöhnliche Weise, und<br />

zwar am liebsten Akt", leitet das Fachmagazin PICTURES im<br />

Sonderheft Akt-Fotografie 01/2013 ein vierseitiges Portfolio<br />

über den 48jährigen freiberuflichen Gießener Lichtbildner<br />

ein. Das vornehme GENTLEMAN-Magazin (Winter 11/12)<br />

widmete ihm gar eine 16-seitige Bilderstrecke.<br />

„Ich selbst setze mir bei der künstlerischen Tätigkeit keine<br />

Grenzen, um mich in meiner Kreativität nicht einzuschränken.<br />

Aber es gibt sehr wichtige Regeln bei allem was ich tue: Seele<br />

und Wille aller Beteiligten sollten keinem Zwang unterliegen.<br />

Tabus zu brechen ist nicht mein Stil.“ – Und das spiegeln die<br />

hier gezeigten Illuminationen grandios wider.<br />

mail@andreasreh.de – www.andreasreh.de<br />

*Einblick in die Dunkelkammerarbeit von Andreas Reh mit dem Kollodium-<br />

Nassplattenverfahren gewährt sein Video auf der Website.<br />

Mitmachmagazin


Sculptural Nude /2011<br />

Froschkönig (2007 / Gail´scher Park, Biebertal) Vanish Girl (Kollodium auf Glas, 18 cm x 24 cm / 2012)<br />

Between The Borders (Infrarot / 2006)<br />

Hide (Cyanotypie auf Stoff, 40 cm x 50cm / 2011)<br />

für Creative Bogart 13


14 Bogart<br />

www.sahincelikten.com<br />

"Erst wenn ich<br />

das Bild vor<br />

Augen habe,<br />

wenn es in meinem<br />

Kopf verankert<br />

ist, beginn ich zu malen."<br />

In seinen Arbeiten kombiniert Sahin<br />

Celikten eine fauvig-fl ächige Farbdramaturgie<br />

mit einer stilisierten<br />

realistischen Behandlung der Bildgegenstände.<br />

Der erste fl üchtige Blick<br />

suggeriert eine fast fotorealistische<br />

Auffassung der malerischen Niederschrift.<br />

Dann aber offenbart die nahe<br />

Betrachtung der Bilder ein überraschendes<br />

Fazit: das ursprüngliche<br />

Foto, das Bildinhalt und Komposition<br />

festlegt, wird mit raffi niertem Farbeinsatz<br />

"manipuliert". Mit intendierter<br />

Doppelbödigkeit unterläuft der Maler<br />

Celikten die scheinbare Objektivität<br />

der Fotografi e und fügt mit pastos<br />

wuchtigem Farbauftrag der Abbildung<br />

ein verstörende (Mal-)Dimension<br />

hinzu.<br />

Die Basis seiner Motive bilden Familie<br />

und Freunde als auch - wie hier erkennbar<br />

- typische Gießener Winkel.<br />

Die großformatigen Artwork sind auf<br />

Metallplatten aufgezogenen und entfalten<br />

so erst ihre wahre künstlerische<br />

Ausdruckskraft.<br />

Hans-Michael Kirstein<br />

Vernissage: 7.9. (11-16 h) – 5.10.13<br />

Frankfurt<br />

galerie am dom (Fahrgasse 22)<br />

(do: 14-18; fr: 13-18, sa: 11-15 Uhr


In der Kunstszene ist Sahin Celikten bestens aufgenommen<br />

(mr) Was mögen die ordnungspolitischen Kräfte hierorts wohl heute denken,<br />

wenn ein damals 12jähriger Gießener Pestalozzischüler nach zehnjährigem<br />

Aufenthalt "in diesem unserem Lande"<br />

mit seiner Mutter in die fremde Heimat<br />

(Diyarbakir/Türkei) abgeschoben wird<br />

und ein weiteres Jahrzehnt später als Erasmus-Stipendiat<br />

einen zwischenzeitlich gefördeten<br />

Auslandsstudienplatz ausgerechnet<br />

an der Justus-Liebig-Universität wählte<br />

(2010/11)? Heimweh? Back to the roots,<br />

die sich kindlich gerade entfaltetet hatten<br />

und einfach "umgetopft" wurden?<br />

Als Wanderer zwischen den Welten will<br />

der heute 25jährige Kurde sicher nicht gelten.<br />

Als bildnerisches Talent hat der examinierte<br />

Kunstpädagoge (Bachelor 2012 an<br />

der Marmara Universität Istanbul; Masters<br />

2013 an der JLU) zumindest eine wohlbefi<br />

ndliche "Wahlheimat" in seinem creativen<br />

Schaffen gefunden und der damit einher<br />

gehenden Wissensvermittlung gefunden.<br />

Seine Gemeinschaftsausstellungen "hüben<br />

und drüben" sowie aktuell ein Lehrauftrag<br />

"Porträtzeichnen" an der Volkshochschule<br />

Gießen werden mit größtem Respekt<br />

aufgenommen. Offene Arme empfi ngen<br />

Sahin Celikten gleichwohl in der "Galerie<br />

am Dom", die ihm in ihrem Frankfurter<br />

Haus seine erste Einzelausstellung widmete.<br />

für Creative<br />

EXPRESSIVE COLORTYPIEN<br />

Bogart 15


3Steps Trabi 601 S<br />

Präsentation am Tag der Deutschen Einheit<br />

3. Oktober 2012, Rathaus der Stadt Gießen<br />

© 3Steps.de | Poster-Layout by Bogart


© Reinhard Müller-Rode<br />

18 Bogart<br />

CINEMA<br />

115 Jahre Kino<br />

Ein Streifzug durch die<br />

Filmgeschichte (16/Ende)<br />

So schloß Teil 15:<br />

fokussiert von<br />

Hans-Michael Kirstein<br />

Stand der "Neue Deutsche Film" und die mal<br />

hintersinnig-subtile, mal düster-kraftvolle Beschreibung<br />

menschlichen Mit- und Gegeneinanders<br />

skandischer Leinwandproduktionen<br />

zuletzt auf dem Programm, waren "Ost und<br />

West" nicht minder cineastisch schaffensfroh.<br />

Der mißtrauische Zeitgeist der Frühsiebziger<br />

(Vietnam, Nixon-Watergate-Affäre) stimulierte<br />

auch ambitionierte Genretechniker<br />

zu Höchstleistungen: William Friedkin schuf<br />

mit French Connection 1971 den Archetypus<br />

des düster-sozialkritischen "Cop"-Films.<br />

John Frankenheimer drehte 1974 die nicht<br />

minder schmuckstückhafte Fortsetzung.<br />

Gene Hackmann (1930) gab in einer Lebensrolle<br />

einen monomanischen, psychisch<br />

defekten Polizisten im Kampf gegen sozial<br />

avancierte Dealer.<br />

Diese Art fi lmischen Zeitspiegels sorgte<br />

dann im Fernsehen für eine Fülle atmosphärisch<br />

ähnlich gelagerten Serienmaterials:<br />

James Garner (1929) spielte den oft gebeutelten,<br />

dennoch schalkhaften Private Eye<br />

Jim Rockford (1974-81) im Dschungel kalifornischer<br />

Großstädte. Der harte Zyniker mit<br />

dem philanthropischen Gemüt Theo Kojak<br />

agierte mit seinem Team im multi-ethnischen<br />

Schmelztiegel von Manhattan (1973-79).<br />

Der scheinbar rauhe Cop wurde zur Paraderolle<br />

für den studierten Psychologen<br />

Aristoteteles "Telly" Savalas (1924-94).<br />

Ein Spezifi kum war der Schauspieler und<br />

Regisseur John Cassavetes (1929-89). Er<br />

Laz Arus vs. John Cleese:<br />

THE BOGEY WALK<br />

(mr) Unter diesem unserem Magazin entlehnten<br />

Nickname – gleichzeitig als "Nachschlag über Par" beim<br />

Einlochen bekannt – hat der Gießener Kunstgolfer<br />

Laz Arus in Monty Pythons "Ministry Of Silly Walks"<br />

seinen akrobatischen Spring&Swing-Gang registriert.<br />

Platzreife konnte L.A. damit auf den heimischen Parcours<br />

noch nicht erreichen und trainiert eifrig in abgeschirmten<br />

Vorhöfen an seinem zweifelsfreien Handicap, um<br />

zumindest auf Minigolf-Anlagen einmal öffentlich zum<br />

artistischen Rund-um-Schlag ansetzen zu können...<br />

selbst wenn er wieder mal im "Bunker" landet!<br />

drehte eigenfi nanzierte Filme in eher "europäisch"<br />

unüberzeichneter Manier (= Neorealismus,<br />

"NouveIle Vague"). Seine Sujets<br />

waren aus dem Umfeld sich defi nierende<br />

Charaktererentwicklungen (z.B. A Woman<br />

Under Infl uence, 1974).<br />

"Mein Name ist Bond,<br />

James Bond"<br />

In Großbritannien fand sich in den letzten<br />

Jahrzehnten eine gewichtige Garde stilstrenger<br />

Filmemacher: Tony Richardson<br />

(1928) und Karel Reisz (1926) setzten sich,<br />

beeinfl ußt vom zeitgenössischen Theater<br />

(Osborne, Pinter) mit aktuellen Themen wie<br />

Arbeitswelt und Generationskonfl ikten auseinander.<br />

Das Wirken Joseph Loseys (1909-84)<br />

ging in die gleiche Richtung (The Servant,<br />

1963, oder The Go-Between, 1971). Dem<br />

kommerzielleren Bereich entsprangen die<br />

kaltschnäuzig-militanten, dennoch Ironie<br />

durchwirkten Filme um den machohaften<br />

Topagenten 007 James Bond (ab 1962),<br />

und die Firma Hammer revitalisierte das<br />

darbende Horrorgenre mit wohlkalkulierten<br />

Schocks und Stars wie Christopher Lee und<br />

Peter Cushing.<br />

Richard Lester (1932) ist dagegen der furioseste<br />

fi lmische Adept des komödiantischzeitgeistigen<br />

Beatfi lms. Narrativ spitz und<br />

pointenselig, technisch unkonventionell<br />

("Jump cuts", Wechsel der Filmgeschwindigkeiten)<br />

wird Lester mit Werken wie A Hard<br />

Day's Night (1964) und Help (1965) zum<br />

inszenatorischen Vorläufer der Werbespotund<br />

Videoclip-Ästhetik. Aber auch eher subtile<br />

Milieustudien der "swinging sixties" wie<br />

bei "The Knack" (1965) oder Petulia (1967)<br />

sind seine Sache. Frappierende Eigenwilligkeit<br />

kennzeichnen die assoziationsstarken<br />

Werke von Terry Gilliam (1940). Der ehemalige<br />

Cartoonist und und Mitglied der<br />

Nonsense-Truppe "Monty Python" entwarf<br />

gerade in der SF-Satire Brazil (1984) ein<br />

süffi santes Bild- und Montagefeuerwerk – es<br />

schien, als hätten die bösen Zwillingsbrüder<br />

von Huxley, Kafka und Orwell am Drehbuch<br />

mitgeschrieben.<br />

Die achtziger und neunziger Jahre bedeuten<br />

für den amerikanischen Film weniger<br />

die Potenzierung echter erzählerischer Kreativität.<br />

Im Vordergrund stehen vielmehr das<br />

Aufpolieren und Recyclen alter Konfl iktmuster<br />

und Topoi. Diese werden mehr oder minder<br />

geschickt und souverän gewendet und<br />

mit neuzeitlicher High Technology (computergenerierte<br />

Effekte) aufgemotzt. Natürlich<br />

führte dies zu einem Boom von SF- und hybriden<br />

Actionfi lmen. Beispiele: die Alien-,<br />

Die Hard-, Indiana Jones-, Predator-, Robocop<br />

und Star Trek-Reihen.<br />

Derartiges fi lmisches Tun hatte dann das<br />

Erscheinen neuer Leinwandstars zur Folge,<br />

wie etwa des ehemaligen Bodybuilders<br />

Arnold Schwarzenegger (1947). Dieser<br />

krachlederne, sich mimisch vor allem durch<br />

sein nach vorne geschobenes Nußknackerkinn<br />

defi nierende Filmbollermann wurde<br />

dennoch durch Filme wie Terminator1<br />

(1984), Total Recall (1990) oder den Ironie<br />

suggerierenden The Last Action Hero<br />

(1993) zum Idol der Fitness-Studio- und Fungeneration<br />

(zusammen mit dem nationalen<br />

Wiederaufrüster "Rocky/Rambo" Sylvester<br />

Stallone [1946]).<br />

Diese Entwicklungen lassen sich unter anderem<br />

an zwei Regie- und Produzentenpersönlichkeiten<br />

festmachen: George Lucas<br />

(1945) und Steven Spielberg (1947). Beide<br />

huldigen in ihren Werken amerikanischen<br />

Filmserials der 30er und den entsprechenden<br />

klassischen Comicinkunabeln. Lucas<br />

besitzt dann mit seiner Firma "Industrial<br />

Light and Magic" das "Laboratorium" für<br />

computertechnologisch erzeugte Filmtricks<br />

schlechthin. Seine Hauptfi lme sind die "Star<br />

Wars"-Trilogie (1977/1983).<br />

Das Mitmachmagazin


Spielberg schuf mit dem kafkaesken Thriller<br />

Duell (1971) eine verstörende Einheit und<br />

mit Sugarland Express (1974) ein Amerikanismen<br />

kritisierendes "Road movie";<br />

mit der humorgefederten Abeneuertrilogie<br />

Indiana Jones (1980/1988) lieferte er jedoch<br />

durchsichtig kalkulierte, zitathafte<br />

"Achterbahnfahrten". Mit dem spekulativen<br />

Dinosourierschwank Jurassic Park (1992)<br />

verband er dosierten Grusel mit vager Zivilisationskritik<br />

und in der gutgemeinten Apotheose<br />

des ambivalenten, letztendlich philosemitischen<br />

deutschen Kaufmanns Oskar<br />

Schindler (Schindler's List, 1994), versuchte<br />

sich Spielberg als Autor und Filmästhet.<br />

Das Ergebnis: Ein brachiales stilistisches<br />

Patchwork, ausgefi ltert aus einhundertjahren<br />

Kinematogrophie, aus unzähligen theoretischen<br />

wie praktizierten Varianten fi lmsprachlichen<br />

Einlassens ...<br />

Ein fi lmischer Baukosten-Desperado<br />

wird zum kommerziell erfolgreichsten<br />

Regisseur: Steven Spielberg<br />

Final gesehen bleibt Spielberg ein kalter<br />

und unorigineller Monteur von vielerlei<br />

Versatzstücken mit bereits durchgetesteten<br />

Gebrauchswerten. Aber vielleicht ist dies<br />

sein spezifi scher Beitrag zur Filmgeschichte,<br />

die auch noch Exponenten vom Schlage<br />

eines Oliver Stone (1948) verkraften muß.<br />

Dieser meint, in formalästhetisch aufgeplusterten<br />

Epen besonders nahe dran an<br />

analytischer Wirklichkeitsdurchdringung<br />

zu sein. Weder der mit ausladender Geste<br />

inszenierte JFK (1991 - eine reißerische<br />

Spekulation über den Kennedymord, auf<br />

dem Report eines Staatsanwalts basierend)<br />

noch die vorgebliche Mediensatire Natural<br />

Born Killers (1994 - über ein Killerpärchen)<br />

vermögen zu überzeugen; ungleich konsequenter<br />

und stringenter erfaßt die belgische<br />

Mediensatire C'est arrivez prè de<br />

chez nous - Mann beißt Hund (1992 von<br />

für Creative<br />

30. Geburtstag: »Monty Python – Der Sinn des Lebens«<br />

In sechs Tagen hat Gott die Welt erschaffen… die Jungs von Monty Python brauchen nur<br />

neunzig Minuten, um sie komplett auseinanderzunehmen. Die Chaostruppe Monty Python<br />

präsentiert ihr wohl schrillstes Abenteuer! In diesem Kultfilm der 80er Jahre wenden sich<br />

die sechs verrückten Pythons, wie immer überaus witzig und respektlos, den zentralen<br />

Themen des menschlichen Daseins zu: dem Wunder der Geburt, dem Krieg und dem Leben<br />

nach dem Tod. Dem abgründigen Humor der sechs Briten ist nichts heilig. Der Kult-Klassiker<br />

des skurrilen britischen Humors erstmals auf Blu-ray mit dem neuen, einstündigen<br />

Bonusfeature „Die Bedeutung von Monty Python: ein Treffen zum 30. Geburtstag“!<br />

Belvaux/Bonzel/Poelvoorde) die Mentalität<br />

der Sensationsmache! Genußvoll und<br />

stilistisch unbeherrscht beutet Stone - nach<br />

einem Drehbuch von Quentin Tarantino -<br />

aus, was er zu kritisieren vorgibt.<br />

Allerdings zeigt das zeitgenössische Hollywood<br />

mit der hochintelligenten Todesstrafendiskussion<br />

Dead Man Walking (1995)<br />

des geistvollen Tim Robbins (1958), oder<br />

mit der melancholischen Outsiderstory über<br />

einen verkommenen Autor und eine Hure,<br />

Leaving Las Vegas (1995 von Mike Figgis realisiert),<br />

Momente der aufrichtig hingebenden<br />

Charakterbeschreibung und der subtilen<br />

Ausleuchtung von Lebensumständen.<br />

Auch hat sich Ende 1900 ein spezifi sch<br />

"schwarzes" Kino herauskristallisiert. Die<br />

Filme reichen von Spike Lees vorzüglicher<br />

Komödie She's Gotta Have It (1986<br />

- eine emanzipierte Farbige dominiert ihre<br />

diversen Lover) bis hin zu Menace II Society<br />

der Brüder Hughes (1993), beschrieben<br />

wird hier das brutal-desillusionierte<br />

Leben in einem Problem-Stadtteil von<br />

Los Angeles.<br />

© 2013 Universal Studios<br />

BLUE RAY<br />

Damit endet nun - vorerst - dieser kursorische<br />

Streifzug durch den vielgestaltigen Kosmos<br />

belichteten Zelluloids vor der Jahrhundertwende.<br />

Die sehr komplexe Erörterung gerade<br />

wirtschaftlicher oder machtpolitischer<br />

Details, die ein unabdingbarer Teil der fi lmischen<br />

Welt sind, konnten hier naturgemäß<br />

nur anspielend behandelt werden. Auch<br />

großräumige Spekulationen über die weiteren<br />

Entwicklungen des Mediums in struktureller<br />

(Kino - TV - Video) oder technischer<br />

Hinsicht mögen an anderer Stelle ausdifferenzierender<br />

erfolgen. Und hinsichtlich der<br />

Inhalte und ihrer formalasthetischen Wiedergobe<br />

zu spekulieren, wohin die<br />

Reise gehen könnte - da sollte man<br />

sich eher einer pragmatischen Äußerung<br />

des lebensgeeichten Rick Blaine<br />

in Michael Curtiz mittlerweile selig<br />

gesprochener Kriegsvignettensommlung<br />

"Casablanca" (1942)<br />

anschließen: "I stick my head out for nobody".<br />

– Dies ließe immerhin zu, daß der<br />

letzte Film – sollte er je gedreht werden, ein<br />

Western sein könnte ...<br />

Bogart 19


Foto: Reinhard Müller-Rode<br />

Als echter EYECATCHER erwies sich<br />

der Auftritt von Anna Isdaht beim<br />

diesjährigen Gießener Kunstspectaculum<br />

"Fluss mit Flair". Die 1969 in Haifa<br />

geborene Wahlkölnerin<br />

weilte hier auf Promotiontour<br />

für ihren in der<br />

EDITION OGONJOK aufgelegten<br />

lyrischen Textband<br />

"Die Brille für den<br />

ersten Blick" (s.o.), der als<br />

"LandART-Poetry" bereits<br />

an markanten Licher<br />

Schau- und Sehplätzen<br />

auszugsweise rezeptiert<br />

werden konnte. Ein Be-<br />

Foto: Erich Klein<br />

22 Bogart<br />

Anna isdath: Die Brille davor<br />

IS' JA<br />

IRRE...<br />

such der <strong>BOGART</strong>-Redaktion lag für die<br />

umsichtige Brillenfrau somit quasi auf<br />

dem "Walk for Art".<br />

<strong>BOGART</strong>: Schau' mir in die Augen, Anna!<br />

ANNA: Um auf dich heraubzublicken,<br />

nehme ich eher die Lupe, Bogey. Aber<br />

Spaß beiseite, das Buch wurde ja geschrieben<br />

um aufzuzeigen, was es heißt, zu sehen.<br />

Sehen ist die Schnittstelle von Poesie<br />

und Philosphie.<br />

<strong>BOGART</strong>: Ist das nun Kunst, Literatur oder<br />

Perfomance?<br />

ANNA: Es ist Philosphie. Verstehen verkleidet<br />

in eine ganz eigene Art von Bild – und<br />

ein solches, das einen mitnehmen kann.<br />

Isdath, Anna<br />

Die Brille für den ersten Blick<br />

Philosophische Zaubersprüche<br />

zum Eintritt in die Gegenwart<br />

Synergia<br />

ISBN: 978-3-939272-69-4<br />

21 x 15 cm; kartoniert<br />

128 S. - 11,00 Eur<br />

(edition-Ogonjok.de)<br />

Die Brille für den ersten Blick beinhaltet als Buch eine<br />

bewusste Auswahl aus Gedichten der Brillenschule. – Die<br />

im Jahr 2013 als Installation veröff entlichten Exponate, die<br />

in Natur und Kultur zu fi nden waren, überraschten viele<br />

unvorbereitete Leser und sorgten so bei vielen für Impulse,<br />

sich weiter für Poesie und Philosophie zu interessieren.<br />

Jedes Exemplar der "Brille", mit einem Gedicht, einem Bild,<br />

einer Aussage liefert einen Hinweis für den philosophisch<br />

Suchenden / Brillenschüler. Der Vorteil des Buchs: es sind<br />

bedeutende Perlen versammelt, und direktes Erleben von<br />

Poesie aus der Gegenwart heraus ist greifbar.<br />

Die Brille für den ersten Blick setzt die Projekte der Land Art<br />

Poetry fort, die von der poetischen OFFENSIVE OGONJOK<br />

seit Jahren mit Ideenreichtum präsentiert wird. Lyrische<br />

Expressionen drängen herbei.<br />

AUGE<br />

Also nimm dein einziges Auge und schau,<br />

alles ist doch so einfach.<br />

Es ist gesagt und ich ziehe weiter.<br />

Nichts und niemand wird blind bleiben.<br />

Keine Sorge nötig, nichts kann scheitern.<br />

Heute höre ich, ganz Ohr,<br />

spüre mit allen Sinnesfasern<br />

den Gesang der Sonnensöhne.<br />

Wir brauchen keine Brille<br />

für das, was sich singen lässt.<br />

Der erste Blick ist der entscheidende, und<br />

es gilt zu vershen, welche Brillen zur Verfügung<br />

stehen, und welches die eigenen<br />

sind.<br />

<strong>BOGART</strong>: Descartes?<br />

ANNA: Eher Lao-tse und Eckhard. Und Du<br />

und ich.<br />

<strong>BOGART</strong>: Die meisten Leute stehen doch<br />

vor einem Rätsel, wenn sie diese Installation<br />

sehen.<br />

ANNA: Ein Gramm Neugier und Forscherdrang<br />

muss schon mitgebracht werden.<br />

Dann kann man Neues lernen und profi -<br />

tieren. Wie gesagt, der erste Blick ist die<br />

Eintrittskarte in die Wirklichkeit und jeder<br />

kleine Augenblick ist wertvoll.<br />

Das Mitmachmagazin


„Sonntagnachmittage können öde<br />

sein...“ heisst es in einem frühen Songtext<br />

von Hannes Wader. Wäre zu seiner Zeit<br />

schon das jetzt zehnjährigen Geburtstag<br />

feiernde SECOND LIFE erschaffen worden,<br />

bliebe ihm lediglich noch die Qual der Wahl für seinen<br />

Erlebnsidrang. Auf Mausdruck hätte er sich in einen Cosmos<br />

beamen können, der auf dieser Welt sogar seinem „Tankerkönig“<br />

verschlossen bliebe.<br />

Ob man in sein „authentisches“ Outfit oder in ein „zweites<br />

Ich“ schlüpft, ehe eine unendliche Entdeckerreise beginnt,<br />

ist unmittelbar nach dem d kostenlosen Account bei der „Ein-<br />

kleidun kleidung“ fest zu legen. Für den persönlichen<br />

„StellvertreterIn“ „Stellv<br />

- sprich Avatar“ - hält der<br />

Kam Kammerbulle des Betreibers LINDEN LAB<br />

ein einige frank und freie Uniformen bereit,<br />

die<br />

sich unmittelbar oder beim späteren<br />

Sh Shopping gegen eine Handvoll Linden $ (1<br />

€<br />

= 345 L$) ebenso wie alles Äußere auch<br />

aaufpimpen<br />

lassen.<br />

So gestylt eröffnet sich ein dreidi-<br />

men mensionales Szenario, das teilweise die<br />

gew gewohnte Umgebung spiegelt, darüber<br />

hina hinaus aber zu Ausflügen in absolut spa-<br />

cige<br />

Locations (sprich: SIMS) verführt. Die<br />

Urs Urstätte dieses architektonischen über-<br />

wir wirklichen Wunderwerks mit Straßen,<br />

Häu Häusern, Geschäften, Discotheken, Casinos,<br />

Par Parks, Landschaften, etc. wurde von den LL-<br />

Pro Programmierern urkonzipiert, was creative<br />

Nutzer Nut laufend weiter veredeln, in dem sie<br />

aus Gittern und Polygonen produzierte<br />

Kle Kleidung, Schuhe, Schmuck - oder Fahrzeuge,<br />

ge ge, Flugzeuge, Paläste oder sogar Tiere auf<br />

den de Markt bringen.<br />

Belinda goes Party!<br />

Keine Bange! Niemand wird bei seiner<br />

Geburtsstunde im „Second Life“ allein gelassen. Erste Hilfe gibt<br />

es auf Help-Island, wo die ersten Schritte und die nötige Etikette<br />

eingeübt werden und wie am höflichsten erster „Aufdringlichkeit“<br />

der hier täglich bis zu 100.000 figurierenden Mitbewohnern,<br />

die allerdings niemals zur selben Zeit am selben<br />

Platz in diesem "sechsten Kontinent" auftauchen - begegnet<br />

werden kann: „I‘m exploring!“.<br />

Eigentlich ist Second Life nichts anderes als ein „hautnaher“<br />

atmosphärischer Kontaktraum für seine rund 30 Millionen<br />

Mitglieder. WER wo auch immer WEN trifft, können ER/<br />

SIE mit IHR/IHM chatten oder sogar sprechen. Z.B. mit den<br />

Du planst eine Party und suchst einen DJ?<br />

Du hast spezielle Musikwünsche, brauchst<br />

gute Moderation und/oder möchtest eine<br />

Motto-Party machen? DJ Sasch macht es möglich,<br />

in neuer Form: Ich bin Online-DiscJockey!<br />

Du brauchst keine Musikanlage zu mieten, den DJ<br />

auf der Party nicht durchzufüttern oder ihm Getränke<br />

bringen denn er is pfl egeleicht. Er legt für<br />

dich auf…von zu Hause aus. Alles was du brauchst<br />

ist ein Computer an dem du deine Boxen anschließt. Drehe<br />

laut auf und deine gewünschte Musik läuft auf deiner Party<br />

…Moderationen und Songs sind auf dich abgestimmt. Verbunden<br />

mit dem DJ bist du während der Party über einen<br />

Chat… und das WELTWEIT !!<br />

DJ Sasch hat eine über 20jährige DJ-Erfahrung und legt die<br />

verschiedensten Musikstile auf: Club, Dance, Pop, Rock/<br />

Hard Rock, 60er-80er Jahre, Schlager, Lovesongs…<br />

Kontakt: www.djsasch.com<br />

The Battle of the dj s (3)<br />

Modeschöpfern, die Bekleidung für die Avatare entwerfen<br />

und in Boutiquen offerieren, mit den Malern, die ihre Bilder<br />

in Gallerien feil bieten. <strong>BOGART</strong> 12 berichtete über den britischen<br />

Künstler Spanki Moulliez, der ausschließlich in SECOND<br />

LIFE seine Arbeiten präsentiert. Internationale Unternehmen<br />

wie ADIDAS haben oder hatten hier ihre Depandance. Parteien,<br />

Vereine (wie die Deutsche AIDS-Hilfe) findet man dort<br />

ebenso wie manchen C-D-E-Promi: Reiner Calmund baute ein<br />

Fussball-Stadion, Michael Wendler nervt auch dort unfreiwillige<br />

Zuhörer, der ehemalige französische Staatspräsident Nicolas<br />

Sarkozy ging bei SL auf Wahlkampfreisen und Toyota brachte<br />

sein neues US-Modell zuerst hier auf die Straße....<br />

Die weltweite Disco-Szene<br />

wird aus Gießen beschallt<br />

Besonders beeindruckend ist die dortige Club-<br />

Szene. In SECOND LIFE tummeln sich tausende<br />

Djs, einer davon ist Sasch Petrov alias DJ Sasch<br />

aus Gießen. Seit 2007 entwickelt er seine<br />

Online-Karriere und gehört inzwischen zu den dort<br />

angesagten DJs.<br />

Im „ersten“ Leben hat DJ Sasch die CD an den<br />

Nagel gehängt, nachdem er 25 Jahre lang hierorts<br />

in vielen Szenelokalen bestens „aufgelegt“ agierte.<br />

Virtuell ist er nun weltweit ON AIR und das Angebot,<br />

eine kanadische Holzfäller-Party oder die französische<br />

Club-Eröffnung zu bespielen, klappt eben<br />

nur in SECOND LIFE.<br />

In den vergangenen fünf Jahren ist er in über<br />

100 Clubs, teilweise wöchentlich zu festen Zeiten,<br />

unterwegs. In diesem Jahr mixte er seine Musik auf<br />

Wunsch der SL-Betreiber bei deren offizieller Jubiläumsfeier.<br />

Parties mit DJ Sasch sind auch ausserhalb<br />

von SECOND LIFE in Internetradios beliebt. So<br />

ist seine Fangruppe auf inzwischen rund 1100 Mitglieder mit<br />

steigender Tendenz angewachsen und bei FACEBOOK hat die<br />

„Freundesliste“ die Zahl 2000 bereits überstiegen.<br />

Eine Party in einem Club von Second Life ist nicht mit der in<br />

einem landläufig bekannten Club vergleichbar. Es ist fast ein<br />

Muss, das Mikrophon zu benutzen. Der DJ sollte ein wahrer Unterhaltungskünstler<br />

sein, der nicht nur einfach Musik abdudelt.<br />

Ein bisschen Comedy mit internationaler Attitüde gehört ebens<br />

dazu wie englisch Sprachigkeit.<br />

Die von ihm gegründete Clubcommunity "DJ World" umfasst<br />

inzwischen 240 internationale DJs und 160 Clubbesitzer.<br />

„12 DJs in 12 Stunden“ war z.B. ein Party-Motto mit u.a. DJ<br />

Sasch, dessen deutsches Verständnis von House-Music so ganz<br />

anders klingt, als die seiner Kollegen aus Brasilien. Auch die DJs<br />

aus den USA unterscheiden sich sehr von den Australiern, die<br />

alle beim selben Event den Plattenteller drehten. International<br />

sein ist das Stichwort.<br />

Um im realen Alltagsdasein ein solchen Ereignis besuchen<br />

zu können, muss man schon in große Städte fahren und viel<br />

Geld ausgeben. In SECOND LIFE ist es kostenlos.<br />

"Social Network wird in Second Life nicht nur groß, sondern<br />

extrem groß geschrieben. Es ist der Grund, warum man sich<br />

einloggt. Und wer da auf Events klickt, erhält alle drei Minuten<br />

ein neues Angebot. Weltweit, aus Tokio, Spanien, Berlin, etc.<br />

Oder aus dem Club Elektrosmog zum Beispiel: mit ausgeklügelter,<br />

subtiler Lightshow und namhaften DJs, die dort aufl egen<br />

- echt, aber virtuell natürlich.", so ein offi zieller SL-Vertreter.<br />

Konzerte, die real irgendwo auf der Welt stattfi nden, können<br />

virtuell besucht werden. Musiker, die irgendwo am Ende<br />

der Welt leben, spielen live, wo jeder mit zwei Mausklicks hinkommt,<br />

um dann noch in Echtzeit mit dem Publikum kommunizieren<br />

– respektive ihren zweiten Gesichtern."<br />

Echt animierend auch für Hannes Wader, der textändernd<br />

nun anstimmte: "Ich bin unterwegs nach Second-Life..." und das<br />

"Langeweile"-Epos aus seinem Programm streicht...<br />

DJ SASCH REMIXES<br />

www.djsasch.com und youtube.com<br />

MICHAEL CALFAN feat. DJ SASCH – ONE MORE TRY<br />

I added to Michael Calfan’s song “Resurrection” lyrics<br />

and voice and called it “One More Try”. I hope you like it.<br />

This video is not available in Germany and Italy<br />

DJ SASCH feat. MARTIN LUTHER KING – I HAVE A DREAM<br />

I took the speech of the last century to create a song.<br />

Beyoncé / Run The World<br />

I love this song and I sooo wanted to make a remix of it! I did. And<br />

it is a very bitchy one.<br />

Depeche Mode / Enjoy To Let Me Down Again<br />

A Depeche Mode trance remix by DJ Sasch. “Never Let Me Down<br />

Again” and “Enjoy The Silence” in one song.<br />

Lady Gaga & Bomb The Bass / Beat Dis Judas<br />

I mixed “Judas” by Lady Gaga with “Beat Dis” by Bomb The Bass.<br />

Maybe this Video isn’t available in some countries. Just try it.<br />

für Creative Bogart 21


Alle Titel<br />

versandkostenfrei<br />

über <strong>BOGART</strong><br />

(r.mr@gmx.de)<br />

CARMEN KOGE<br />

- Styling mit Haut und Haaren<br />

HC, 28 cm x 21 cm, 24 S., € 24 90<br />

ARTBOOKS A ON Demand<br />

MARTIAL M ARTS<br />

Hina vs. Camera<br />

HC, 28 cm x 21 cm,<br />

24 S., € 2490 H<br />

H<br />

2<br />

Kecke, K kesse und "kettige"<br />

Visuals V von Reinhard Müller-Rode<br />

mit m Adaptionen an einschlägige<br />

Kampfsportarten.<br />

K<br />

"...and " look at it with more<br />

of o a pure mind"!<br />

(Erkenntnis (<br />

des DOJANG)<br />

Dem Gesicht aus fotografi scher Sicht heraus „den letzten Schliff“ zu geben und mit einem professionellen<br />

Hairstyling abzurunden vereinen das Talent der Autorin. Wenn dann noch eine Prise Kunstverstand hinzu kommt,<br />

wird der Look zum Artwork àla Lichtenstein. Gießener und befreundete Fotografen (Buseck, Fahrenbruch, Hornfeldt,<br />

Lange, Nake, Rossi, Wosilat) versetzten die so creierten traumhaften Wesen und wahren Dreamgirls mit Licht und<br />

Schatten wirkungsvoll in das beabsichtigte Stimmungsbild. – Ein "All-Included" Lehrbuch pa exelance!<br />

Thomas Zehnter<br />

Akte wie gemalt 1<br />

HC mit Schutzumschlag,<br />

29 cm x 22 cm, 24 Abb.,<br />

20 Seiten, limitierte<br />

20er-Aufl age, € 6390 Der nackte weibliche Körper –<br />

gesehen mit dem iPad/iPhone<br />

und gemalt an der elektronischen<br />

Staffelei im Stile "Alter<br />

Meister" und "Junger Wilder".<br />

Bezugsquelle: www.10ter.de<br />

Anita Knossalla /<br />

Joachim Knossalla<br />

anjoFoto–Doppelband<br />

Flipcover, HC 29 cm x 21 cm,<br />

48 Seiten, € 19,90<br />

Anregendes, Aufregendes, Alltägliches<br />

analoger und digitalenr Fotografie,<br />

in heimischer Kulisse und Gießener<br />

Locations creativ und kunstvoll<br />

arrangiert und inszeniert.<br />

Hans-Michael Kirstein<br />

Schamlos ...oder die<br />

illustrierte Leibhaftigkeit<br />

HC, 29 cm x 21 cm, 48 S., € 3590 "Shall I keep on peeping between my shy<br />

fi ngers...", leitet der Comic-Grande<br />

HERMANN das Buch seines Freundes<br />

ein, der seine erotischen Kunststücke<br />

dem freien Spiel der (sexuellen)<br />

Kräfte überlassen hat...<br />

22 <strong>BOGART</strong> GART Das Mitmachmagazin


UNTER DEM TRESEN<br />

Die Geschichte der Männermagazine<br />

von 1900 bis in die sexy Sixties<br />

Dian Hanson zeichnet die faszinierende<br />

Entwicklung dieses Genres in drei Bänden<br />

nach. Band 1 behandelt die Zeit vom Auftauchen<br />

der ersten Magazine um 1900 in<br />

Frankreich, Deutschland und den USA bis<br />

zum Zweiten Weltkrieg. – Band 2 dokumentiert<br />

das Aufblühen nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg. – Band 3 startet mit dem explosiven<br />

Wachstum des US-Marktes nach<br />

einer Änderung der Unzuchtgesetze in den<br />

späten Fünfzigern. Es ist eine Ära, in der die<br />

französische Magazinproduktion nachlässt,<br />

England seine perverse Seite zeigt und<br />

Deutschland wieder einmal politischen Aktivismus<br />

mit Nacktheit mischt.<br />

Tarnten sich um 1900 die Männermagazine<br />

als Filmzeitschrift, Humorgazette, Detektivheft,<br />

Kunstmagazin, Nudistenblatt oder „pikanter”<br />

Roman, war es primär die erstmals<br />

im Dezember 1953 erscheinende freche<br />

kleine Zeitschrift namens Playboy, die die<br />

Stimmung und sonst noch so Eines beim<br />

Betrachten der unzulänglich bekleideten<br />

weiblichen Körper anhob.<br />

Im radikalen Wandel, den die deutschen<br />

"Schmuddelblätter" in den sechziger Jahren<br />

erlebten, spiegelte sich die Entwicklung<br />

innerhalb der westdeutschen Gesellschaft<br />

wider. In der DDR waren selbst die ausgesprochen<br />

züchtigen Hefte verboten. Gondel<br />

war eines der besten Magazine der Nachriegszeit,<br />

sein Ableger Smart war ein ähnlich<br />

braves Heft mit Filmkritiken, vermischten<br />

Nachrichten und hier und da einem<br />

verschämten Pin-up. Revolutioniert wurde<br />

diese Szene 1962, als Beate Uhse ihren ersten<br />

Sexshop eröffnete, während Mauerbau,<br />

Anti-AKW-Demos, Vietnam-Krieg und Studentenunruhen<br />

für unzweideutige soziokulturelle<br />

"Höhepunkte" sorgten.<br />

Zwischen Playboy, Beate Uhse<br />

und Baader-Meinhof<br />

Unterlagen die durchweg harmlosen Hochglanzmagazine<br />

Er, Eden, Bolero, Darling,<br />

Sno, Flair, Diskret und Privat noch dem Einfl<br />

uss von Playboy, hob sich das eigene Ideen<br />

publizierende Lifestyle-Magazin Twen<br />

mit "deutscher" Weltläufi gkeit davon ab.<br />

Das progressive Layout, erstklassige<br />

Autoren, Musik- und Modeseiten sowie<br />

hippen Aktaufnahmen sprachen<br />

Dian D Hanson's<br />

History H of Pin-up<br />

Magazines M Vol. 1-3<br />

Hardcover, H 3 Bände im Schuber,<br />

16,7 1 x 21,7 cm, 816 Seiten, € 29,99<br />

DDeutsch,<br />

Englisch, Französisch<br />

zunächst Männer und Frauen, bis die später<br />

ausschließlich nackten Covergirls die<br />

weibliche Zielgruppe verschreckte.<br />

Gegen den "System-Muff" dieser Zeit setzte<br />

im Zuge der 68er-Bewegung der Hamburger<br />

Klaus Rainer Röhl sein Konkret, das<br />

linke Ideologie mit blanken Busen mischte.<br />

Ehefrau Ulrike Meinhof schrieb eine regelmäßige<br />

Kolumne und die Kombination von<br />

Humor, Hippie-Gedankengut und Nacktheit<br />

begleiteten auch den Weg zur sexuellen<br />

Befreiung via "Teufels Lustgärtchen"<br />

Kommune 1 ("Wer zweimal mit der selben<br />

pennt, gehört schon zum Establishment!").<br />

1975 folgte Deutschland dem schwedischen<br />

Beispiel, warf sein Pornografi e-<br />

Verbot über Bord und schuf die absoluten<br />

Freiheiten für die spezifi schen Verleger.<br />

Herausgeberin Dian Hanson wurde 1951 in<br />

Seattle geboren. Zu ihren zahlreichen Büchern<br />

für TASCHEN gehören Vanessa del<br />

Rio: Fifty Years of Slightly Slutty Behavior,<br />

Tom of Finland XXL und The Big Butt Book.<br />

für Creative Bogart 23


Römerberg<br />

Im Rahmen des Ehrengastauftritts von Brasilien bei der Frankfurter Buchmesse 2013 präsentiert die<br />

Schirn Kunsthalle Frankfurt erstmals in Deutschland die Vielfalt der brasilianischen Graffi tikunst. In<br />

Brasiliens Metropolen fi ndet sich eine der weltweit lebendigsten und künstlerisch interessantesten<br />

Szenen in diesem Bereich. Diese bunte, dynamische und einzigarte Bewegung unterscheidet sich sowohl<br />

inhaltlich als auch ästhetisch wesentlich von der amerikanischen und europäischen Street-Art-Szene. Nicht<br />

nur das spezifi sche politisch-soziale Klima in einem von tiefgreifenden Umbrüchen gekennzeichneten Land,<br />

sondern auch eine ungeheure Vielfalt von Techniken und Stilen lassen die brasilianische Street-Art aus der<br />

globalisierten Graffi tikultur hervortreten. Elf Künstler und Künstlergruppen aus São Paulo und anderen<br />

Metropolen Brasiliens sind eingeladen, ihre Bilder ausgehend vom Gebäude der Schirn im gesamten Frankfurter<br />

Stadtraum zu realisieren. Gezeigt werden fi gurative und abstrakte, heitere und gesellschaftskritische Bilder<br />

– von überdimensionalen Wandgemälden bis zu unscheinbaren ephemeren Zeichen. Bespielt werden unter<br />

anderem Frankfurter Bankentürme, Brückenpfeiler am Mainufer, die Bodenfl äche der Frankfurter Hauptwache,<br />

die Matthäuskirche und das ehemalige Polizeipräsidium der Stadt. Ein zusätzliches Highlight ist ein bemalter<br />

U-Bahn-Zug – diese als „Wholetrain“ bekannte Form des Graffi tis ist eine Königsdisziplin der Szene.<br />

G<br />

STREET-ART BRAZIL<br />

5. SEPTEMBER - 27. OKTOBER 2013<br />

Di, Fr–So 10–19; Mi, Do–22 Uhr<br />

Tinho (a.k.a. Walter Nomura) São Paulo, 2012 © Tinho (a.k.a. Walter Nomura)<br />

LAM – THE PERFORMANCE OF STYLE – noch bis<br />

zum 22. September 2013 in der SCHIRN präsent – begleitet<br />

den Besucher mit zeitgeistigen Zitaten und Wand-KLARtexten<br />

der Protagonisten durch die einzelen Ausstellungskapitel der rund<br />

extraordinären 100 SHOWstücke: „Man sollte entweder ein Kunstwerk<br />

sein oder eines tragen.“ (Oscar Wilde) oder „Sei stets elegant gekleidet,<br />

gepfl egt, gelassen, freundlich, höfl ich und vollkommen Herr der Lage.“<br />

(Gilbert&George) und „Wenn wir alle nur Teile eines einzigen Körpers sind,<br />

dann nur deswegen, weil er weder weiblich noch männlich ist, oder besser<br />

24 Bogart<br />

gesagt, weil er beides ist, ein androgyner oder bisexueller Körper zugleich.“<br />

(Norman O. Brown). Und was Undergroundfi lmer Jack Smith lettert (s.<br />

rechts), charakterisiert das stete Interesse an Glamour, Style und Fashion,<br />

durch das Andy Warhol zu einer zentralen Figur des Glam wurde. Sein<br />

Konzept der narzisstischen Zurschaustellung und Performance als ewiger<br />

modus operandi, exemplifi ziert durch den Spiegeleff ekt der mit Alufolie<br />

und silberner Farbe verkleideten Wände seines Ateliers, der „Factory“,<br />

bildeten ein konzeptionelles Fundament des Glam. Die dekadente Kühle<br />

von The Velvet Underground, der „Hausband“ der Factory, lieferte den<br />

ALLEN JONES<br />

Green Table Sculpture, 1972<br />

In Übereinstimmung mit der Popästhetik verfolgte<br />

Allen Jones das Ziel, eine Skulptur „ohne Merkmale<br />

der bildenden Künste, ohne kunstgeladene<br />

Kleidung“ zu schaff en. In seinem Werk Green Table<br />

aus dem Jahr 1972 verwendete er die weibliche<br />

Figur für ein Möbelstück; die Puppe wurde nach<br />

Jones’ Vorgaben von einem Mannequinhersteller<br />

angefertigt. In dem von Feministinnen damals<br />

wie heute kritisierten Werk klingen deutlich<br />

fetischistische und sado-masochistische<br />

Untertöne an. Jones selbst verstand es als<br />

eine Herausforderung an den<br />

Begriff der bildenden Kunst. Die<br />

„trashigen“ Materialien – Leder<br />

und PVC – verleihen ihm eine<br />

Künstlichkeit, die stark an Glam erinnert.<br />

Der bereits im Alter von<br />

29 Jahren verstorbene<br />

Piero Manzoni (1933<br />

- 1963) gilt, trotz seines kurzen<br />

Lebens, als folgenreichster<br />

Künstler der italienischen<br />

Nachkriegskunst. Am 13. Juli<br />

2013 wäre Manzoni 80 Jahre<br />

alt geworden. Aus diesem<br />

Anlass – und zugleich exakt<br />

fünf Jahrzehnte nach seinem<br />

Tod – ehrt das Frankfurter<br />

Städel Museum diesen zentralen<br />

Künstler der europäischen<br />

Nachkriegsavantgarde mit einer<br />

Ausstellung.<br />

Über 100 Arbeiten aus allen<br />

Schaff ensperioden des Künstlers<br />

ermöglichen einen komplexen<br />

„Glitzer ist das<br />

Make-Up der Malerei.“<br />

(Robert Malaval)<br />

Schaumainkai 63,<br />

Frankfurt<br />

Di, Fr, Sa So 10–18<br />

Mi, Do 10–21 Uhr<br />

PIERO MANZONI<br />

ALS KÖRPER KUNST WURDEN / - 22.9.13<br />

Manzoni unterschreibt auf einem Model während<br />

eines Kurzfi lmdrehs für Filmgiornale SEDI. Milano,<br />

1961. © Courtesy Fondazione Piero Manzoni, Milan<br />

Einblick in ein bis heute virulentes Werk zwischen Informel und dem Aufkommen<br />

eines neuen Kunstbegriff s, zwischen klassischer Moderne und Neoavantgarde,<br />

zwischen Kunst und Alltag.<br />

"Piero Manzoni ist nicht weniger als einer der Wegbereiter unserer Gegenwartskunst,<br />

der Body Art, Performance, Konzeptkunst und Land Art gleichermaßen beeinfl usst<br />

hat", erläutert Dr. Martin Engler, Leiter der Sammlung Gegenwartskunst im Städel<br />

und Kurator der Schau.<br />

Bezugspunkt für Roxy Music ebenso wie für David Bowie: Bowies ständige<br />

Neuerfi ndung fi ktiver Persönlichkeiten durch die 1970er Jahre hindurch<br />

kann als eine Weiterführung Warholscher Ansätze angesehen werden.<br />

Fotos: Reinhard h d Müller-Rode ll d<br />

Das Mitmachmagazin


für Creative<br />

MIT GIZMORIAN DURCH DIE JAHRESZEITEN<br />

© GIZMORIAN: SEXY LIBRA (Waage: 24. September - 23. Oktober) Digital / 2013 www.gizmorian.com<br />

MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO MO<br />

SEPT. 2013 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 <strong>17</strong> 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30<br />

OKT. 2013 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 <strong>17</strong> 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31<br />

NOV. 2013 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 <strong>17</strong> 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30<br />

Bogart 25


28 Bogart<br />

Comic-Zentrum<br />

Halle 3.0<br />

„Faszination Comic“,<br />

der erfolgreiche Themenschwerpunkt der<br />

Frankfurter Buchmesse, geht 2013 in sein<br />

14. Jahr. Längst hat sich das Comic-Zentrum<br />

mit seinen vielfältigen Aktivitäten als einer<br />

der meistbeachteten und -besuchten Orte der<br />

Buchmesse etabliert. Ausstellungen, Diskussionen,<br />

Vorträge, Events, Signierstunden oder die<br />

Comic-Bibliothek locken jedes Jahr junges wie<br />

älteres Publikum, Fachbesucher, Fans und Medien<br />

in Scharen an.<br />

Von Asterix bis Manga fi ndet sich in Halle<br />

3.0 alles was das Herz des Comicfans<br />

begehrt. Kinder wie Erwachsene können<br />

traditionelle und neue Comics (wieder-)entdecken.<br />

Hier haben Künstlergespräche, Aktionen,<br />

Workshops, Präsentationen, Preisverleihungen<br />

und Fachbesucherveranstaltungen<br />

haben hier ihre Plattform. Stars der Szene<br />

erfüllen ihren Fans Signierwünsche. Crossmediale<br />

Inhalte, gedruckte Werke, Tipps für<br />

Buchhändler und Bibliothekare, Künstlerevents,<br />

Gespräche mit<br />

illustren Gästen, eine<br />

Cartoon-Ausstellung,<br />

und vieles mehr stehen<br />

hier im Mittelpunkt.<br />

Seit 2006 verleihen<br />

die Frankfurter Buchmesse und der Carlsen<br />

Verlag den Förderpreis „Deutsche Cartoonpreis<br />

für neue Talente“. 2013 wird erstmals<br />

das Buch zum<br />

Wettbewerb,<br />

der unter dem<br />

Motto "Zu<br />

spät!" steht,<br />

bei der Preisverleihung<br />

auf<br />

der Frankfurter<br />

Buchmesse<br />

präsentiert. Mit<br />

dem Preis und<br />

der damit verbundenen<br />

Buchpublikation wollen die Frankfurter<br />

Buchmesse und der Carlsen Verlag den<br />

Cartoon als Kunstform einem großen Publikum<br />

präsentieren und gleichzeitig weiterhin einen<br />

Cartoonisten / eine Cartoonistin besonders<br />

fördern.<br />

Der Sondermann wird in der bisherigen<br />

Form nicht weiter verliehen. 2012 war die<br />

letzte Vergabe als Comic-Publikumspreis, der<br />

für das kommenden Jahr modifi ziert und neu<br />

als Deutscher Comicpreis ausgeschrieben und<br />

dann erstmals auf der Frankfurter Buchmesse<br />

überreicht werden wird.<br />

Die Deutsche Cosplaymeisterschaft (DCM)<br />

wird von Animexx e. V., Deutschlands größter<br />

Manga- und Anime-Community, und der<br />

Frankfurter Buchmesse organisiert. Cosplayer<br />

kleiden sich in selbst gestaltete, fantasievolle<br />

Outfi ts nach ihren Vorbildern aus Comics,<br />

Jugendliche fi nden im Comic-Zentrum der Frankfurter Buchmesse eine Plattform für<br />

ihre Fantasie und ihre gezeichneten Freunde.<br />

© Frankfurter Buchmesse; Fotograf: Peter Hirth<br />

Manga, Filmen und Games. Sie führen während<br />

der Meisterschaft kurze Bühnenauftritte<br />

in ihren<br />

Kostümen<br />

vor. Nach<br />

fünf Vorentscheidungen<br />

fi ndet das<br />

Finale am<br />

13. Oktober<br />

2013<br />

wieder<br />

traditionell<br />

auf<br />

der FrankfurterBuchmesse<br />

statt.<br />

Außer Konkurrenz für die <strong>BOGART</strong>isten schon<br />

jetzt die Nr. 1: Cosplayerin Lea feat. FAYE, die<br />

kleptomanische und spielsüchtige Kopfgeldjägerin<br />

aus der japanischen Anime-Serie<br />

Cowboy Bebop (s.a. <strong>BOGART</strong> 15).<br />

Foto: <strong>BOGART</strong><br />

Noch bis voraussichtlich<br />

Frühjahr nächsten Jahres<br />

stellt das Berliner Kabarett<br />

DISTEL die satirischpolitischen<br />

Arbeiten des<br />

Gießeners Egon Kramer<br />

im Foyer des Hauses aus.<br />

Mehr seiner "Plakativen<br />

Munition gegen Dumm-<br />

Dumm-Geschosse" sind<br />

auch hier zu sehen:<br />

www.egonkramer.de<br />

Das Mitmachmagazin


für Creative<br />

Fraternity 01 (von 03)<br />

Juan Díaz Canales, José Luis Munuera<br />

gebunden, 56 S., € 15,00<br />

FFraternity<br />

ist eine zweibändige Comic-<br />

pperle<br />

des spanischen Zeichners José<br />

Luis Lui Munuera, dem Zeichner von "Spirou<br />

und d Fantasio" F t i " und "Merlin". Der außergewöhnliche<br />

Plot entspringt der Phantasie des "BLACKSAD"-Szenaristen Juan<br />

Díaz Canale. Zusammen erschufen die beiden eine faszinierende<br />

Fabel über die menschliche Natur, voller atmosphärischer Zeichnungen<br />

in erdigen Umbra-Farbtönen. Amerika, Indiana 1863 …<br />

ein fantastisches Comicerlebnis nimmt seinen Lauf! In der kleinen<br />

Gemeinde „New Fraternity“ wird eine sozialistische Utopie gelebt.<br />

Aber versprengte Soldaten des Sezessionskrieges bedrohen den<br />

inneren Frieden der kleinen Gemeinde. Plötzlich entdeckt man<br />

Emilio, ein seltsames Findelkind, das ein großes, gefährliches Geheimnis<br />

hat: ein mysteriöses Monster wacht über ihn!<br />

In der Ostanlage<br />

soll's ja drunter<br />

und drüber gehen...<br />

SUPERCHATTER ( 2 )<br />

❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢ ❢<br />

❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢ ❢❢❢❢❢❢❢ ❢❢❢❢❢ ❢❢ ❢❢❢ ❢❢❢❢❢❢❢ ❢ ❢❢❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢❢ ❢ ❢ ❢<br />

SUPPENMAN<br />

Stimmt, 40 Jahre lang<br />

ging's einfach<br />

drunter...<br />

SPL SPLAASH SH<br />

MAN MAN<br />

LAGA LAGA<br />

2014 2014<br />

Szenario: Wadim Reis<br />

Text: R. Müller-Rode<br />

MAYOR<br />

...und jetzt geht's<br />

eben künftig<br />

drüber!!!<br />

WOMAN<br />

schon,<br />

sollte man die Unterführung<br />

am Bahnübergang<br />

Frankfurter Straße<br />

transplantieren!!!<br />

Wenn<br />

<strong>BOGART</strong>-<br />

BUBBLE BUBBLE<strong>BOGART</strong>-<br />

Der schlichte Trialog unserer Lokalpatrioten<br />

beschreibt ebenso lakonisch<br />

hintersinnig wie drakonisch<br />

platt die städtisch beschlossene "Verfüllung"<br />

der verkehrsfreundlichen Fuß- und<br />

Fahrradwegführung unter der Ostanlage<br />

hindurch. Barrierefreieres Pendeln – insbesondere<br />

während der Landesgartenschau<br />

2014 –mit ampelgesteuerten Querungen<br />

dient als blümerantes Argument<br />

für die von 3/4 der Bevölkerung gar nicht<br />

komisch gefundene Tunnelblick-Maßnahme,<br />

die auch bei den Beschäftigten des<br />

angrenzenden Justizzentrums für eher<br />

verkniffene Mienen sorgt.<br />

Wahrlich eine verquere Situation, die auch<br />

unsere Gerechtigkeitsfanatiker Suppenman,<br />

Splashman und Mayor Woman<br />

in eine prekäre Lage bringt...<br />

*Die Gerechtigkeitsliga (Justice League) begründete<br />

sich 1960 in "The Brave and the Bold"<br />

(Band 28) von DC Comics. Das vielköpfi ge<br />

Superheldenteam erlebte in den späten<br />

1990ern eine Wiederbelebung mit u.a. auch<br />

Superman, Batman sowie Wonder Woman<br />

und bilden auch heute noch spektakulären<br />

Lese- und Kinostoff vom stets "faszinierenden"<br />

Kampf der edlen Bewahrer gegen die machtgierigen<br />

Störer des Weltfriedens – im Großen<br />

wie im Kleinen...<br />

Frankfurter Straße<br />

Bogart 29


Tobi Dahmen (s.a. BO-<br />

GART 12) wurde 1971<br />

in FrankfurtM. geboren,<br />

und hat den Grossteil<br />

seiner Jugend in Wesel am<br />

Niederrhein durchgebracht.<br />

In Düsseldorf studierte er<br />

Visuelle Kommunikation,<br />

und machte dort sein Diplom<br />

mit einem illustrierten<br />

Buch über Jack Kerouac<br />

und die Jazz-Welt. Tobi lebt<br />

und arbeitet nunmehr im<br />

niederländischen Utrecht<br />

als Illustrator und Comiczeichner,<br />

zusammen mit<br />

Frau und drei Kindern.<br />

Bis das Buch fertig sein wird<br />

(geplant ist 2014), hat er die<br />

Seiten in Absprache mit seinem<br />

Verlag Zwerchfell im Internet<br />

vorzuveröffentlichen.<br />

Mit einem Update jeweils<br />

Montags und Donnerstags.<br />

Dies ist ein wirklicher Webcomic,<br />

für den er 2011 auf<br />

der Frankfurter Buchmesse<br />

mit dem 2. Platz beim<br />

SONDERMANN-Wettbewerb<br />

in dieser Kategorie belohnt<br />

wurde. Betrüblich, dass in<br />

diesem Jahr der beliebte<br />

Wettbewerb kurzfristig gecancelt<br />

wurde (s.S. 26) und<br />

erst 2014 als Deutscher Comicpreis<br />

neu aufgelegt werden<br />

wird.<br />

28 Bogart<br />

TOBI DAHMEN: WEBCOMIC<br />

Seite 245<br />

www.fahrradmod.de<br />

Falls jemand noch nicht dieses grossartige<br />

Werk von einem Sampler sein<br />

eigen nennen sollte. es gibt ihn noch<br />

und zwar hier:<br />

acerecords.co.uk/for-dancers-only-2<br />

Felice Taylor – I Can Feel Your Love<br />

Willkommen zu ‘Fahrradmod’, meinem autobiographischen Comic über meine Jugend in einer<br />

Kleinstadt und die örtliche Sixties Jugendsubkultur der Mods. Warum bleibt man über zwanzig<br />

Jahre an einer Bewegung haften, die eigentlich mal für Jugendliche gedacht war, aber (für mich)<br />

dennoch nichts von seiner Faszination verloren hat. Eine Geschichte über die Achtziger und Neunziger<br />

Jahre, über das Leben in der Kleinstadt, um Freundschaft und den eigenen Platz. Um Heimat. Die Geschichte<br />

einer Hassliebe.<br />

Seit 2007 arbeite ich nun an diesem ständig wachsenden Projekt, was wohl in seiner kompletten Form an<br />

die 400 Seiten umfassen wird. Jetzt gibt es das Ganze als Webcomic, mit einem Update jeweils Montags<br />

und Donnerstags. Dies ist ein wirklicher Webcomic. Es gibt selbstverständlich auch eine eigene Seite unter<br />

www.fahrradmod.de, wo es noch viel mehr Informationen zum Projekt gibt. – Tobi Dahmen<br />

Das Mitmachmagazin


»l feels turrible, orfi cer. This´ll<br />

ruin me repitation«, sagte<br />

einst der disproportionierte<br />

und knarzige »Spinatmatrose«<br />

Popeye in einer fatalen<br />

Situation. Nun, er war der Hauptdarsteller einer<br />

klassischen Comic-Serie und dies bedeutet<br />

heutzutage alles andere, als angeschlagen im<br />

sozialen Schatten zu stehen. Die Comics, ein bisher<br />

an Druck und Papier gebundenes, kulturelles<br />

Phänomen, das Geschichten in Bildern und Bildsequenzen<br />

erzählt, sind ein moderner und vielgestaltiger<br />

Ausdruckskanal mit großer Vergangenheit,<br />

schillernder Gegenwart und möglicher<br />

Zukunft. Das Anliegen dieser Schrift ist es, die<br />

ungeheure formale und thematische Vielfalt des<br />

Bildgeschichtenkosmos aus kunsthistorischem<br />

und soziokulturellem Focus heraus, konzentriert<br />

aufzuzeigen. Hans-Michael Kirstein<br />

Von Altamira bis Entenhausen -<br />

COMICS: Erscheinungsbilder einer<br />

populären Kunstform<br />

Eine griffi ge Headline und die kulturhistorische<br />

Realitat müssen sich nicht ausschließen.<br />

Im Gegenteil: Comics, also Bildgeschichten,<br />

die auch alles andere als komisch sein können,<br />

sind eigengesetzliche und zeitgemäße Ausdrucksformen<br />

einer uralten kunsthistorischen<br />

Linie. Die Höhlenzeichnungen (Tierdarstellungen)<br />

von Altamira (Nordspanien), Lascaux<br />

(Frankreich) und in der 1994 entdeckten<br />

Chauvethöhle (Frankreich), alle zwischen<br />

19.000 und 15.000 Jahre alt, sind als Ahnen<br />

der modernen Comics zu sehen, die in Alben-,<br />

Heft- und Zeitungsstreifenform einen Teil sogenannter<br />

Populärkultur ausmachen.<br />

Werden die Steinzeitdarstellungen der nomadisierenden<br />

Jäger heute als Bildgeschichten<br />

gedeutet, die für die Mythenproduktion des<br />

jeweiligen Clans und für die Sozialisation der<br />

Jugend von Belang waren, so sind die seit ca.<br />

1896 erscheinenden »echten« Comics ebenfalls<br />

als vielgestaltige Mythenträger anzusehen.<br />

Sie annoncieren und defi nieren – bewußt<br />

und unbewußt – im Rahmen unserer immer<br />

mehr sich ausdiff erenzierenden Industriekultur,<br />

Ängste, Sehnsüchte, Wünsche und sind<br />

somit hochsignifi kante Spiegel menschlicher<br />

Befi ndlichkeiten.<br />

Zwischen dem prähistorischen Altamira und<br />

dem amerikanischen Entenhausen (Ducksburg),<br />

dem Stammsitz der populären Figuren<br />

aus der Disneyfauna, fi ndet man nun eine<br />

gehörige Reihe wichtiger bildgeschichtlicher<br />

»Links«, die den roten Faden von der Steinzeit<br />

zur Moderne bilden. Das grammatische Rückgrat<br />

und Wesen der Bildgeschichte ist also das<br />

Erzählen einer Story mittels einer Bildfolge, einer<br />

Sequenz (die z.B. Subjekte/Objekte raumzeitlich<br />

bewegt, »kinematographisch« rhythmisiert).<br />

für Creative<br />

Dies fi nden wir tendenziell in den Höhlenzeichnungen,<br />

aber dann auch – entsprechend<br />

der zivilisatorischen Evolution – in alten orientalischen<br />

Kulturen. Ägyptische Jagdreliefs<br />

(»Altes Reich«, 2500 v.Chr.) oder assyrische<br />

Varianten (um 700 v.Chr.) visualisieren Alltagsleben,<br />

Höfi sches und religiöse Projektionen;<br />

ägyptische Totenbücher (Grabbeigaben)<br />

leben von der Synergie Bild und Hieroglyphenschrift.<br />

In der Antike gibt es griechische<br />

Erzählen einer Story<br />

mittels einer Bildfolge<br />

Vasenmalereien, die in Sequenzialmanier Götter-<br />

und Heldentaten darstellen (um 450 v.<br />

Chr.), im alten Rom referiert die um 113 v. Chr.<br />

errichtete Trajanssäule via ihres spiralartig umlaufenden<br />

Reliefbandes über die Verdienste<br />

ihres namensgebenden Erbauers.<br />

Der »Teppich von Bayeux« liefert um das 12.<br />

Jahrhundert ein hochkultiviertes Beispiel für<br />

bewegtes, synchronoptisches Erzählen: der<br />

friesartige, ca. 70 m lange Bildteppich (farbige<br />

Wollstickerei) schildert, entsprechend propagandistisch<br />

aufbereitet, den Eroberungsfeldzug<br />

Wilhelms von der Normandie gegen die<br />

Engländer (Schlacht bei Hastings 1066). Dieser<br />

Teppich refl ektiert wiederum die menschliche<br />

Kultursehnsucht, Darstellungsgefüge zu<br />

dynamisieren, reale Raum- und Zeitabfolgen<br />

in der nachvollziehenden artistischen Aufbereitung<br />

zu »simulieren«. D. h.; Geschehnisse<br />

sollen über den »einfrierenden« Charakter<br />

des Einzelbildes hinaus dynamisch zergliedert<br />

werden.<br />

Im ausgehenden Mittelalter und der Frühneuzeit<br />

sorgen religiöse Buchmalerei, Kirchenfresken<br />

und dann auch Flugblattserien<br />

(Holzschnitt; Gutenbergzeitalter) für die Multiplikation<br />

vielgestaltigter Information und<br />

Kolportage. Im 18. und 19. Jahrhundert sind<br />

es die sogenannten Bilderbögen, in Deutschland<br />

aus Neuruppin und in Frankreich aus<br />

Epinal, die mit Heroischem als auch Skurrilem<br />

dem Unterhaltungsbedürfnis breiter Bevölkerungsschichten<br />

entgegenkommen.<br />

Im England des 18. Jahrhunderts ist es der<br />

brillante Graphiker und Maler William Hogarth<br />

(1697-<strong>17</strong>64), der mit grimmigen satirischen<br />

Bilderserien alle Gesellschaftsschichten und<br />

ihre sozialen Attitüden geißelt. Hogarth läßt<br />

innerhalb eines Einzelbildes (s.u.) diverse<br />

Von Altamira bis Entenhausen<br />

100 Jahre comic (I)<br />

Handlungsstränge verdichtet ablaufen, ein<br />

Verfahren, das für die englische Satire und<br />

Karikatur jener Periode sehr signifi kant ist.<br />

James Gillray (<strong>17</strong>57-1815) ist ein weiterer Meister<br />

dieser künstlichen Linie, in der mitunter<br />

Dialogblasen ihren Einsatz fi nden.<br />

In Mitteleuropa liefert der schweizerische<br />

Sprachlehrer Rodolphe Töpff er (<strong>17</strong>99-1846)<br />

fast slapstickhafte, visuell turbulente Kommentierungen<br />

zu Alltäglichkeiten (seine<br />

"Dr. Faust"-Parodie "Docteur Festus" begeisterte<br />

seinerzeit den greisen Goethe). In<br />

Frankreich zeigt Christophe Colombe, ein<br />

späterer Sorbonneprofessor (1856-1945) mit<br />

seiner "Familie Fenouillard" (1889) den Weg in<br />

eine zukünftige Richtung der Bildgeschichte<br />

auf; der Familienstrip entsteht. Colombe zeigt<br />

sequentiell und mit entlarvendem Humor die<br />

Reiseabenteuer einer bürgerlichen Familie –<br />

der kommentierende Text steht dabei unterhalb<br />

der gerahmten Zeichnung.<br />

Weiters gehört der legendäre Zeichner Gustave<br />

Dore (1832-86) mit seinen parodistischen Bildgeschichten<br />

wie "La Sainte Russie" (1854), die<br />

sich bereits durch einen fast "fi lmisch" zu nennenden<br />

Perspektivenwechsel auszeichnen,<br />

zu den bedeutenden Ahnen des modernen<br />

Comic.<br />

In Deutschland lanciert schließlich Wilhelm<br />

Busch seine aus karikaturalem Strich und ge-<br />

Wilhelm Busch<br />

ist der Geburtshelfer<br />

des zeitgenössischen<br />

Comics<br />

reimtem Text bestehenden Bildgeschichten<br />

wie "Max und Moritz" (1865) oder "Die fromme<br />

Helene" (1872). Der geniale Busch (1832-1908)<br />

aktiviert in destruktiv-sadistisch durchsetzten<br />

Streifen eine hohe physisch-psychologische<br />

Turbulenz und gibt somit seinem Werk eine zutiefst<br />

persönlich betroff ene existentialistische<br />

Note. Busch ist der eigentliche Geburtshelfer<br />

des zeitgenössischen Comic, der Text ist aber<br />

noch unterhalb der lllustration angesiedelt.<br />

Klima- und Milieuformen der Jahrhundertwende<br />

leiten schließlich die Genese des »echten«<br />

Comic-Strips ein: Bedingt durch die konkurrenzgezeichnete<br />

Pressesituation des vor der<br />

sozialen und kulturellen "Domestizierung" stehenden<br />

Nordamerika.<br />

Wie es schließlich dem Verleger Pulitzer 1896 in<br />

seiner "New York World"<br />

mit der ersten Folge der Serie<br />

"The Yellow Kid" gelang,<br />

zum erstenmal ein professionellesFarbdruckverfahren<br />

für den Comic-Strip zu<br />

realisieren, leitet Teil zwei<br />

unserer Fortsetzungsgeschichte<br />

ein. – Das 8seitige,<br />

illustrierte Skript gibt<br />

es für € 4,60 bei <strong>BOGART</strong>.<br />

Bogart 29


caricatura museum frankfurt bei Nacht (c) Britta Frenz<br />

COMIC & CARTOON<br />

- Museum für Komische Kunst<br />

Weckmarkt <strong>17</strong><br />

Öff nungszeiten:<br />

Di bis So 10–18, Mi 10–21 Uhr<br />

www.caricatura‐museum.de<br />

Die Zeichner der Neuen Frankfurter Schule<br />

In der Dauerausstellung werden die Werke der Zeichner der Neuen Frankfurter<br />

Schule gezeigt. F. W. Bernstein, Robert Gernhardt, Chlodwig Poth, Hans<br />

Traxler und F. K. Waechter ist jeweils ein Kabinett gewidmet. Um möglichst<br />

viele Bilder der Öffentlichkeit zeigen zu können, sowie aus konservatorischen<br />

Gründen werden die Zeichnungen regelmäßig ausgetauscht. Die Arbeiten<br />

von F. W. Bernstein, Robert Gernhardt, Chlodwig Poth und Hans Traxler sind<br />

aus den Beständen des Museums.<br />

Die Neue Frankfurter Schule ist im Umkreis der Satirezeitschriften Pardon<br />

und Titanic entstanden. Zu ihr gehören neben den Zeichnern auch die Autoren<br />

Bernd Eilert, Eckhard Henscheid und Peter Knorr.<br />

Hans Traxler hat in seiner neuesten Zeichnung die Mitglieder der Neuen<br />

Frankfurter Schule versammelt. F. K. Waechter, Bernd Eilert, F. W. Bernstein,<br />

Hans Traxler selbst, Pit Knorr und Eckhard Henscheid stehen im Atelier um<br />

den sitzenden Chlodwig Poth und Robert Gernhardt an der Staffelei.<br />

Als Vorlage diente das Gemälde Un atelier aux Batignolles des französischen<br />

Künstlers Henri Fantin-Latour. Dieser versammelte ebenso acht Meister in<br />

einem Atelier.<br />

Die aktuelle Hängung ist noch bis zum 2. Februar 2014 zu sehen.<br />

bis 3.11.2013: RATTELSCHNECK wird 100!<br />

14.11.2013 (Eröffnung: 18 Uhr) - 2.3.2014<br />

SOWA · HURZLMEIER · KAHL "Komische Malerei"<br />

30 Bogart<br />

Seit ca. 120 Jahren gehören die Comics, also Bilderstories mit Sprechblasen,<br />

zum festen Repertoire der Tages- und Sonntagspresse in Nordamerika<br />

und Europa. Mit mal komisch-bizarren, mal ernsten Charakteren und<br />

Plots entprechen sie dem Leserbedürfnis nach Eskapismus und Unterhaltung -<br />

im vor-elektronischen Medienzeitalter waren die mal s/w, mal farbigen Comics<br />

(gemeint ist hier eine Periode vor 1960) speziell in den USA von immenser<br />

Alltagsdurchdringung und Popularität. Wenn berühmte Zeichner wie Capp oder<br />

Caniff mit signifi kanten Plotwendungen aufwarteten, bekamen sie zigtausende<br />

Briefe ... über die letzten vier Dekaden haben natürlich TV, Video, DVD und nun<br />

das Internet dem Comic Rivalen, aber auch neue Trägermedien, fernab des<br />

Printbereichs, beschert.<br />

So fi nden LeserInnen in beiden<br />

Gießener Tageszeitungen<br />

angelsächsische sowie deutsche<br />

Bildgeschichten vor. Die<br />

GIESSENER ALLGEMEINE<br />

„Fortsetzung folgt!<br />

So episch wie ewig -<br />

veröffentlicht seit Jahren am Samstag renommierte „Sunday Funnies“ wie die genial<br />

hintersinnigen Peanuts von Charles M. Schulz (1922-2000) sowie die liebenswürdige<br />

Mittelschichtsparodie Hägar von Chris Brown und seinem Studio. Aber:<br />

der Nordmännerset zeigt nach 40 Jahren durchaus Ermüdungserscheinungen...<br />

„Fast and furious“ dagegen die Alltagsaventuren des späten Teenagers Zits. Jerry<br />

Scott und Zeichner Jim Borgman, ein politischer Cartoonist im “anderen Leben“, liefern<br />

eine in refl ektierten Gags, Strich und Layoutvarianten geniale Referenz aktueller<br />

Stripkultur! Ein weiteres Meisterwerk des Texters Jerry Scott bringt der GIESSENER<br />

ANZEIGER täglich mit dem von Rick Kirkman punktgenau illustrierten Gagstrip Baby<br />

Blues (seit 1990). Intelligent und unsentimental zeigt das Autorenteam die stetige<br />

Wandlung eines Liebespaares hin zu gestreßten „Nesthütern“...<br />

Tageszeitungen unterhalten<br />

mit Klassikern und Hausgemachtem<br />

Seit Jahren laufen im GA ebenfalls die sich biestig-frech gerierenden Strips des Deutschen<br />

Thomas Körner alias © TOM. Allerdings zeigen sich der drög mechanische<br />

Strich und das schlampige Lettering nicht immer auf der Höhe der Gags. Seit geraumer<br />

Zeit agiert im gleichen Medium außerdem das lokale Talent Andreas Eickenroth. Mit<br />

„Gelle Gießen“ arbeitet man sich wöchentlich sehr mildhumorig u.a. an Lokalmythen<br />

ab – mit plakativer Farbe und stereotypem Schülerzeitungsstrich bringt der<br />

Zeichner den Inhalt in die angemessene Form. Die Geschichte der Zeitungsstrips,<br />

hier konzentriert angerissen, referiert jedoch seit den Anfängen um ca. 1900 eine<br />

höchstentwickelte Erzähl- und Visualisierungskultur, sodaß sich manche zeitgenössische<br />

Comicmacher bei kritischem Vergleich in Suizidnähe befi nden müßten.<br />

Tatsächlich hatte die Entwicklung und Ausdifferenzierung der Comickultur in den<br />

ersten zwei Dekaden des 20. Jahrhunderts auch mit dem Ringen der US-Pressezaren<br />

Hearst und Pulitzer um Marktanteile ihrer Zeitungen zu tun. Speziell die Einwandererbevölkerung<br />

in den Städten gierte, da oft des Englischen nicht richtig mächtig,<br />

nach primär visueller Unterhaltung ...<br />

Über The Yellow Kid von R. F. Outcault (1863-1928), die anarchistischen (W. Buschinspirierten)<br />

Katzenjammer Kids des Rudolph Dirks (1877-1968) bis zum Chaplin-<br />

Tramp-Vorläufer Happy Hooligan von F. B. Opper (1857-1957) reicht die bunte<br />

Palette der frühen Strips, die kubo-cartoonesken Abenteuer der Kinder Kids des<br />

Malgenies Lyonel Feiniger (1871-1956) mit eingeschlossen.<br />

Windsor McCay (1864-1934) kultiviert den Little Nemo atemberaubend im Jugendstilidiom;<br />

George Herriman (1880-1944) inszeniert Krazy Kat als bizarr-surrealistisches<br />

33-Jahre-Epos und Roy Crane (1901-1977) nähert sich in Wash Tubbs mit kreativen<br />

Volten dem „ernsten“ Abenteuer. Überhaupt: In den 1930ern obsiegte in den<br />

Zeitungsstrips actionbetontes Drama, aufgrund des Drucks durch Kino und Radio.<br />

Tarzan, Dick Tracy, Prince Valiant (Eisenherz), Brick Bradford, Flash Gordon und um<br />

Das Mitmachmagazin


Beliebt bei Jung und Alt: Angelsächsische und deutsche Bildgeschichten sind regelmäßiger Bestandteil auch der Gießener Tageszeitungen.<br />

1940 Will Eisners (19<strong>17</strong>-2005) geniale Krimiparodie „The Spirit“: dies alles sind Presseserien,<br />

die am Sonntag als vollfarbige „Ganzseiter“ erschienen und ihren Weg<br />

auch in andere Medien fanden ... Als primus inter pares sei vor allem Milton Caniffs<br />

(1907-88) kultumrankter Abenteuerstrip Terry and the pirates hervorgehoben;<br />

dieser Strip, der werktags und sonntags erschien, bot zwischen 1934 und 1947 in<br />

Illustration und Narration ein Höchstmaß an kultivierter Unterhaltung und wurde<br />

somit speziell in seiner visuellen Niederschrift zum Vorbild für viele amerikanische<br />

und europäische Comiczeichner.<br />

Speziell in den Kriegsjahren lockerte sich die US-Zensur. Dadurch konnte sogar<br />

ein in jedweder Hinsicht eigenwilliger Strip wie June (Tarpé) Mills entwickelte<br />

Zeitungscomics als Spiegel<br />

von Zeitgeistern<br />

MISS FURY aus dem Stand heraus als „Sunday Page“ erscheinen. Zwischen 1941-<br />

52 fertigte Mills als einer wenigen weiblichen Cartoonistinnen (zuvor arbeitete sie<br />

als Model und Modezeichnerin) eine „realistische“ Serie voller bizarrer Charaktere,<br />

Action der Marke „hardboiled“ und kaum verhüllter sexueller Mehrdeutigkeiten.<br />

Zeichnerisch von Alex Raymonds<br />

Secret Agent X9 und<br />

Milton Caniffs elegantem,<br />

impressiven Pinselgestus inspiriert,<br />

entwirft Mills in jenen<br />

Kriegsjahren einen melo-drama<br />

tischen Reigen voller ambivalent-perverser<br />

Typen, durch<br />

Begehrlichkeit und Zeitumstände<br />

miteinander verwoben.<br />

Miss Fury ist die reiche Gesellschaftslady<br />

Marla Drake - ein<br />

geschenkter schwarzer Leopardendress<br />

konditioniert sie, des<br />

Nachts als gewaltbereite Vigilantin<br />

dem Bösen (in welcher<br />

Gestalt auch immer) entgegen<br />

zu treten. Neben schillernden<br />

Gangstern trifft Miss Fury natürlich<br />

auf Exponenten der 5. Kolonne:<br />

Nazis wie der einarmige<br />

General Bruno Beitz oder die fa-<br />

schistische Sexbombe Erica von<br />

Kampf werden mittels allem,<br />

was Blei spritzt oder lasziver<br />

„Catfi ghts“ niedergerungen. Die<br />

Schauplätze reichen von Manhattan bis nach Brazilien (hier sticht eine rassige Guerillakämpferin<br />

in‘s Auge). “Nichts ist wie es scheint“ wäre wohl als überbauliches Moment<br />

der Autorin Tarpé Mills zu unterstellen; der gesamtgesellschaftlichen Unsicherheit<br />

in jenen WK II-Jahren begegnet die experimentierfreundliche Comicgestalterin<br />

mit einem Mix aus Superheldentopoi und gewichtiger „Film noir“-Ikonographie.<br />

Selten wurde jedoch in einem führenden Zeitungsstrip (der in seinen besten Zeiten<br />

in etwa 100 amerikanischen Sonntagsblättern erschien) ein derart konstantes künstlerisches<br />

SPIEL mit Sexualität (und deren Ausformungen!) betrieben. Da Mills ihre<br />

eigene Vita gern mystifi zierte, wurde von Comicforschern schon über ihre kreative<br />

Präferenz von quasilesbischen Catfi ghts und Transvestismus spekuliert.<br />

Miss Fury: HC • FC/BW • 240 Seiten • 25 x 32 cm • www.shop.idwpublishing.com • $ 49.99<br />

oder Comic-Dealer, Dirk Hörnle, Walltorstraße 30, 35390 Gießen - 0641.39396<br />

für Creative<br />

Eine aktuelle Betrachtung<br />

von Hans-Michael Kirstein<br />

Cover Artist: Tarpé Mills<br />

Collection Editor: Trina Robbins<br />

Collection Designer: Lorraine Turner<br />

Miss Fury bleibt im „Golden Age“ ein Unikat, auch wenn Meister Caniff zwischen<br />

1943-46 die „very sophisticated“ gestaltete Humorserie Male Call für US-Militärzeitungen<br />

schuf – die erotisch-ironische Serie über eine spritzige Truppenbetreuerin<br />

namens Miss Lace gehorcht eher einem „konventionelleri“ männlichen Blick als<br />

Tarpé Mills' originelle Kreation. Die 50er und 60er Jahre brachten in den USA und Europa<br />

trotz TV-Konkurrenz und Formatrestriktionen vielerlei Spitzencomics im Presssemilieu<br />

hervor; so die anspruchsvollen Western Lance und Rick O‘Shay (Humor)<br />

sowie Leonard Starrs hochrealistischen Theatercomic Mary Perkins (1957-79). In<br />

England brillierten Andy Capp – hierzulande als Willy Wacker wohlbekannt – sowie<br />

ab 1963 die toughe Detektivin Modesty Blaise oder Marshall Dillon im treffsicheren<br />

Western Gun Law. Der SF-Boom der 70er sorgte kurzfristig für ein kleines Hoch des<br />

realistischen Strips: Star Wars, gezeichnet von R. Manning und A. Williamson, gehörte<br />

visuell zu den wenigen Highlights einer durch „Rivalen“ wie TV und Video abgedrängten<br />

realistischen Stripform.<br />

Um den klassischen Comic Strip<br />

muss einem nicht bange werden<br />

Heutzutage auf den angelsächsischen (und kontinentalen) Zeitungsseiten so gut wie<br />

ausgestorben, vermochte es der realistisch-naturalistische Comic in den letzten beiden<br />

Dekaden nicht, der physisch echten Suggestion durch TV, DVD, Computerspielen<br />

und Internet zu trotzen. Der Konsument möchte es „realer“ haben ...<br />

Die Comicbooks und<br />

Alben, unter anderen<br />

Prämissen agierend,<br />

haben dagegen glänzend<br />

überlebt und<br />

den „gefrässigen“<br />

Stoffnutzern wie<br />

Kino und Computermilieu<br />

genügend<br />

„Blaupausen“ für das<br />

mediale Crossover<br />

geliefert. Wuchtige<br />

Medienkonglomerate<br />

sind so entstanden<br />

(z.B. schluckte<br />

Disney Marvel Comics)<br />

und verbreiten<br />

nun populärkulturelle<br />

Ikonen mit multimedialer<br />

Penetranz<br />

und Verzahnung<br />

weltweit. Doch der Pressestrip hat bisher überlebt: das Groteske und Humorige feiert,<br />

mal boshaft, mal mild oder süffi sant, fröhliche Urständ‘. Und auch die lyrisch-poetische<br />

Geste behauptet ihren Platz zwischen Pappnasen und familiären Drollerien. So<br />

zeigen der intellektuell-poetische Duktus der Calvin and Hobbes von Watterson oder<br />

Mutts von Patrick McDonnell ganz signifi kant, das mit wenigen Panels phantasievolle<br />

Traumräume projeziert werden können. Und Frank Cho demonstriert in seiner frech<br />

bis selbstreferentiellen Tierparksatire Liberty Meadows treffl ich, wie ein „lecker“ zu<br />

tittulierendes Artwork sich mit boshafter Aussage zu kombinieren weiß. Und über die<br />

Scotts und Borgmans wurde schon am Start dieser Betrachtung berichtet...<br />

Verblichen ist er also nicht, jener Zeitungscomic mal in Schwarz-Weiß, mal in akzentuierendem<br />

Kolorit. Er ist vital, in Form und Ästhetik hochdifferenziert – die Form und<br />

die Medienplattform Zeitung erlauben nahezu alles: affi rmative Familienidylle und<br />

anarchisches Torpedieren von Alltag und Konvention. Um den klassischen Comic<br />

Strip muss einem nicht bange werden, solange ein „Calvin“ in seinem Strip meditiert:<br />

“I go to school but I never learn what I want to know!“<br />

© IDW Publishing<br />

Bogart 31


aus "Li‘l Sushi goes Yokohama......because Alice is out of town!"– Manga-Obscura mit illugraphischen Japanerien von<br />

Reinhard Müller-Rode (Pics/Digs) und Hans-Michael Kirstein (Inks/Story); 24 S., Hardcover, 20x30 cm; € 29 90 /Edition <strong>BOGART</strong>

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