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1902±2002 - Universidad Pontificia Comillas

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43 2002 Jahrgang 98 THEOLOGISCHE REVUE Nr. 1 44<br />

Kritische Hinweise:<br />

1. H. hätte sich Probleme in der Darstellung spannungsreicher<br />

Begriffe und ihnen entsprechender, einen Vollzug symbolisierender<br />

¸Oberbegriffe wie ¹Gnadeª, ¹Theonomieª oder ¹Offenbarungª erspart,<br />

wenn diese, einer intensionalen philosophischen Begriffslogik<br />

entsprechend, durch Unterscheidung von (extensional und intensional<br />

klar beschreibbaren und unterscheidbaren) ¸Begriffen und<br />

¸Grenzbegriffen zur Sprache gebracht worden wären. So finden sich<br />

eher bildhafte Formulierungen wie ¹konstruktives Zielª (106) oder<br />

¹flieûende Prädizierungenª (129f).<br />

2. Es fehlt vielleicht im Blick auf das durch H. selbst dargelegte<br />

Defizit ein Versuch, Tillichs Denken im Hinblick auf seine heutige<br />

¸Anwendbarkeit als triftig zu erweisen.<br />

Emsdetten Linus Hauser<br />

Overbeck, Franz-Josef: Der gottbezogene Mensch. Eine systematische Untersuchung<br />

zur Bestimmung des Menschen und zur ¹Selbstverwirklichungª<br />

Gottes in der Anthropologie und Trinitätstheologie Wolfhart Pannenbergs.<br />

± Münster: Aschendorff 2000. 457 S. (Münsterische Beiträge zur Theologie,<br />

59) kt DM 112,00 ISBN: 3±402±03964±8<br />

Die als systematische Theologie zu konzipierende Dogmatik hat<br />

ihren Stoff nach W. Pannenberg in allen Teilen als Entfaltung des<br />

christlichen Gottesgedankens vorzutragen. Gleichwohl könne sie<br />

nicht unmittelbar bei der Wirklichkeit Gottes einsetzen, weil diese<br />

zunächst nur in menschlicher Weise gegeben sei, nämlich in menschlichen<br />

Vorstellungen, menschlichen Worten und menschlichen<br />

Gedanken. Erst im Fortgang der Dogmatik lasse sich der durch das<br />

religiöse Verhältnis vermittelte anthropologische Zugang in die Gotteslehre<br />

aufheben und als Implikat der trinitarischen Selbstverwirklichung<br />

Gottes in seiner Offenbarung erweisen. Der theanthropologischen<br />

Lehre von Jesus Christus und der Lehre von der Dreieinigkeit<br />

Gottes kommt dabei die entscheidende Begründungsfunktion zu; für<br />

beide ist nach Pannenberg der Gedanke eines eschatologischen<br />

Selbsterweises Gottes am Ende der Geschichte bestimmend.<br />

Mit der gegebenen Problemskizze ist nicht nur die strukturelle Verfassung<br />

der in drei Bden erschienenen ¹Systematischen Theologieª als der Summe des<br />

Pannenbergschen Werkes umschrieben, sondern zugleich der Rahmen abgesteckt<br />

für die umfangreiche Untersuchung von Overbeck, die im Wintersemester<br />

1999/2000 von der Kath.-Theol. Fak. der Westfälischen Wilhelms-Univ.<br />

Münster als Diss. angenommen wurde. Systematische Hauptabsicht der Studie<br />

ist es, anhand der Explikation der Gottbezogenheit des Menschen das Verhältnis<br />

von Gotteswirklichkeit und geschichtlicher Menschenwelt einer Klärung<br />

zuzuführen. In einem ersten Kap. (19±102) wird eine an wesentlichen Themen<br />

und Leitfragen Pannenbergs orientierte Darstellung der Koordinaten seiner<br />

Denkform gegeben, wie sie sich in der Promotionsarbeit über die Prädestinationslehre<br />

des Duns Scotus bereits abzeichnet, um über das Konzept von Offenbarung<br />

als Geschichte, die hermeneutischen und wissenschaftstheoretischen,<br />

anthropologischen und christologischen Studien bis hin zur ¹Systematischen<br />

Theologieª immer detailliertere und elaboriertere Gestalt anzunehmen. Sodann<br />

analysiert der Vf. materialreich und in epischer Breite die (religions)philosophische<br />

(103±240) und trinitätstheologische (241±322) Explikation der<br />

Gottbezogenheit des Menschen in Pannenbergs Werk. ¹Beide Angängeª, so<br />

wird gesagt, ¹haben dasselbe Ziel: den gottbezogenen Menschen in seiner Identität<br />

zu bestimmen.ª (240)<br />

Kontrovers wird es im vierten und letzten Kap., welches unter der Überschrift<br />

¹Die Verwirklichung der Bestimmung des Menschen als ¸Selbstverwirklichung<br />

Gottes ª die Geschichte der Realisierung der Gottbezogenheit des Menschen<br />

bedenkt (323±439). Die Zielperspektive der Erörterungen besteht nach<br />

Maûgabe des Vf.s ¹in einer abstandnehmenden Problematisierung und diagnostischen<br />

Bewährung der im Vorherigen erarbeiteten Strukturelemente der<br />

Denkform Pannenbergs angesichts der kritikwürdigen Aporien und ihrer möglichen<br />

Alternativen. Geschehen soll dies auf dem Hintergrund einer transzendentalphilosophischen<br />

Freiheitsanalyse, die geeignet erscheint, das Menschsein<br />

des Menschen in seiner Gottbezogenheit so zu erschlieûen, daû in diesem<br />

Geschehen sowohl der durch Freiheit bestimmte Mensch, als auch der freie,<br />

sich dem Menschen selbst offenbarende Gott ansichtig wird.ª (323) Das<br />

Schluûkapitel übernimmt, mit anderen Worten gesagt, ¹die Aufgabe einer kritischen<br />

Inspektion des Ansatzes Pannenbergs im Gegenlicht der transzendentalphilosophisch<br />

vermittelten Offenbarungstheologie Th. Pröppersª (17), dessen<br />

Anregungen und aufmerksam-kritischem Interesse sich Konzeption und<br />

Durchführung der Studie nach Ausweis ihres Vorwortes (vgl. 8) wesentlich verdanken.<br />

Das Ergebnis des abschlieûenden kritisch-konstruktiven Vergleichs<br />

zwischen Pannenberg und Pröpper ist damit gewissermaûen<br />

schon antizipiert. Eine transzendentale Theorie des Selbstbewuûtseins<br />

und der Freiheit, wie der Vf. sie bei seinem Lehrer findet, sei<br />

einerseits in der Lage, den Ansatz Pannenbergs zu integrieren, andererseits<br />

die Aporien von dessen Systemkonzept zu vermeiden. Argumentationsaporien<br />

von Pannenberg zeigen sich nach dem Urteil des<br />

Vf.s sowohl unter anthropologischen als auch unter offenbarungsund<br />

trinitätstheologischen Aspekten. In erster Hinsicht werden v.a.<br />

hamartiologische Gründe geltend gemacht. Im Gegensatz zur Hamartiologie<br />

Pannenbergs, die zwischen Disposition zur Sünde und dem<br />

Faktum der Sünde nur unzureichend zu unterscheiden und infolgedessen<br />

die Frage nicht befriedigend zu beantworten vermöge, wo Gott<br />

im Menschen ansetzt, wenn er dessen freie Zustimmung zur Partnerschaft<br />

will, achtet transzendentales Freiheitsdenken den bezeichneten<br />

Unterschied und stimmt damit ¹einer Erkenntnisgrenze zu, die<br />

sich mit der Faktizität der Sünde bescheidet, den Menschen aber in<br />

seiner grundsätzlichen Fähigkeit zur Freiheit so bestimmt, daû Gott<br />

diesen Menschen zum freien, ihn anerkennenden Partner erwählen<br />

kann, und nicht ± wegen der Naturalität der Sünde ± im Menschen<br />

keinen Anknüpfungspunkt zu finden vermag, an dem dieser, die freie<br />

Zustimmung des Menschen voraussetzend, ansetzen könnteª (405f).<br />

Während eine transzendentalphilosophisch vermittelte Offenbarungstheologie<br />

das Verhältnis von Gott und Mensch im Sinne der<br />

biblischen Überlieferung als Bundesverhältnis zu bestimmen vermöge,<br />

sei Pannenbergs Denken dazu allenfalls bedingt in der Lage.<br />

In der Sache handelt es sich also um eine Neuauflage der Debatte,<br />

wie sie 1990 zwischen Thomas Pröpper und Wolfhart Pannenberg in<br />

der Theologischen Quartalschrift geführt wurde (vgl. Th. Pröpper,<br />

¹Das Faktum der Sünde und die Konstitution menschlicher Identität.<br />

Ein Beitrag zur kritischen Aneignung der Anthropologie Wolfhart<br />

Pannenbergsª, in: ThQ 170 [1990], 267±289; W. Pannenberg, ¹Sünde,<br />

Freiheit, Identität. Eine Antwort an Thomas Pröpperª, in: a.a.O.,<br />

289±298). Wie bei Diss.en die Regel, sekundiert O. seinem Doktorvater.<br />

Entscheidend neue Gesichtspunkte werden nicht erkennbar.<br />

Dem Interessierten sei daher empfohlen, sich an die Originale zu halten<br />

und dabei v.a. zwei Problemaspekte zu reflektieren, nämlich den<br />

speziellen Aspekt von Sünde und Wahlfreiheit und denjenigen des<br />

anthropologischen Verhältnisses von Freiheit und Identität im allgemeinen.<br />

Der sachliche Zusammenhang beider Aspekte ist durch<br />

die These Pröppers vorgegeben, ¹daû das in Pannenbergs Sündenlehre<br />

vermiûte unbedingte Moment menschlicher Freiheit auch sonst<br />

nicht in Anschlag gebracht wirdª (a.a.O., 280).<br />

Pannenbergs Auseinandersetzung mit Pröppers Option für eine<br />

transzendentale Freiheitslehre entfaltet sich ihrerseits unter dem<br />

benannten Doppelaspekt. Dabei ist in beiden Hinsichten der für das<br />

Gesamtsystem zentrale Gesichtspunkt entscheidend, daû ¹der Spielraum<br />

der Wahlfreiheit immer schon eingebettet ist in ein ihn übersteigendes<br />

Lebensganzesª (a.a.O., 295). Hamartiologisch bringt Pannenberg<br />

diesen Gesichtspunkt u. a. dadurch zur Geltung, daû er das peccatum<br />

originale im Kontext der Naturbedingungen des menschlichen<br />

Daseins deutet und zwar nicht lediglich als Disposition zur Sünde,<br />

sondern als sündiges Faktum v.a. individuellen Handelns. Zwar<br />

habe die Sünde ihre Macht nicht ohne den Menschen und seine tätige<br />

Zustimmung, aber sie habe sie ebensowenig erst von ihm und in der<br />

Folge eines arbiträren Freiheitsentschlusses. Dem entspricht in universalanthropologischer<br />

Hinsicht die Annahme, daû die Ichinstanz<br />

das Ergebnis eines Prozesses der Ichwerdung und nicht eine unableitbare<br />

Vorgegebenheit sei. ¹Der ganze Prozeû der Identitätsbildung, in<br />

welchem die Ichinstanz sich herausbildet und festigt, istª, wie Pannenberg<br />

ausführt, ¹ein Prozeû der Klärung und Artikulation der ursprünglich<br />

im Gefühl begründeten Selbstvertrautheit. Es handelt<br />

sich daher nicht um Akte der Wahl einer Identität durch ein schon<br />

zugrundeliegendes Ich, sondern um einen Prozeû der Selbsterfahrung.<br />

Dabei kommt im Maûe der Ausbildung der Ichinstanz<br />

sicherlich auch ein Moment wählender Stellungnahme mit hinzu.<br />

Diese ist aber gerade nicht, etwa im Sinne einer Selbstwahl,<br />

ursprünglich konstitutiv für die Identität des Individuums.ª (a.a.O.,<br />

296) Mit diesen und analogen Erwägungen soll nach Pannenbergs Urteil<br />

nicht der transzendentale Ansatz als solcher, wohl aber die nicht<br />

selten mit ihm assoziierte Prämisse verabschiedet werden, das transzendentale<br />

Ich sei ein wie auch immer geartetes identisches Realsubjekt.<br />

Das Zentrum der Kontroverse zwischen Pröpper und Pannenberg<br />

ist sonach durch das Problem markiert, ob bzw. in welcher Weise Reflexionen<br />

über die Bedingung der Möglichkeit menschlicher Freiheit<br />

mit der Gröûe eines Transzendental-Ich berechtigtermaûen rechnen<br />

dürfen. An der Antwort auf diese Frage wird sich nachgerade auch<br />

das Urteil über den Sachgehalt der kritischen Teile von O.s. Untersuchung<br />

zur Gottbezogenheit des Menschen in Pannenbergs Theologie<br />

zu entscheiden haben.<br />

München Gunther Wenz

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