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1902±2002 - Universidad Pontificia Comillas

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15 2002 Jahrgang 98 THEOLOGISCHE REVUE Nr. 1 16<br />

In der Tradition christlichen Betens, insbesondere bei der Feier<br />

der Eucharistie, gilt die Hinwendung von Priester und Gemeinde<br />

nach Osten als wesentlicher Ausdruck der eschatologischen Grundorientierung,<br />

wie sie in der Alten Kirche maûgeblich war. Kirchengebäude<br />

und Position der Altäre waren dementsprechend organisiert.<br />

1 Zwar ist die Ausrichtung der Kirchen besonders in Rom aufgrund<br />

topographischer und städtebaulicher Gegebenheiten höchst<br />

unterschiedlich. 2 Dennoch war auch hier die Orientierung beim Gebet<br />

lange Zeit obligatorisch. 3 Die in Rom und anderswo verbreitete<br />

Eingangsostung mit der daraus resultierenden Blickrichtung des Priesters<br />

zum Kirchenschiff hin hat als rubrizistische Beschreibung<br />

schon im Missale Romanum von 1570 und programmatisch innerhalb<br />

der Liturgischen Bewegung des 20. Jh.s zu der Redewendung<br />

von der Zelebration versus populum geführt, die im Zuge der Liturgiereform<br />

nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zur Regel wurde,<br />

wenngleich sie stets umstritten blieb. Die jeweilige Wertung erklärt<br />

sich aus der unterschiedlichen Interpretation der Quellen aufgrund<br />

gegensätzlicher Interessen. So sichtete Otto Nuûbaum in seiner Monographie<br />

¹Der Standort des Liturgen am christlichen Altar vor dem<br />

Jahre 1000ª aus dem Jahr 1965 das schriftliche und archäologische<br />

Quellenmaterial vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden liturgischen<br />

Erneuerung der katholischen Liturgie. 4 Nuûbaum sah in der<br />

Geschichte des Kirchenbaus und der Feierpraxis einen hinreichenden<br />

Grund für die Einführung der Zelebration versus populum.<br />

Auch nach der in den folgenden Jahren ausgetragenen Kontroverse<br />

über seine These resümiert er im Jahr 1971: ¹In Übereinstimmung<br />

mit den nachkonziliaren Dokumenten der Liturgiereform müssen daher<br />

die Gleichrichtung von Liturge und Gemeinde am Altar und die<br />

Zelebration versus populum als die beiden legitimen Formen der Eucharistiefeier<br />

gelten.ª 5 Dabei ging es ihm primär darum, die Angemessenheit<br />

der ¹römischenª Zelebrationsrichtung für das pastorale<br />

Anliegen der ¹tätigen Teilnahmeª zu konstatieren. 6 Tatsächlich ist<br />

festzuhalten, ¹daû auch die einheitliche Ausrichtung aller Gottesdienstteilnehmer<br />

in der Alten Kirche weder Gesetz noch Selbstzweck<br />

bildete. Wo ein Kirchengebäude so angelegt war, daû bei der Eucharistiefeier<br />

entweder allein die Priester oder allein die Gläubigen den<br />

Osten und den Altar gleichzeitig im Blick haben konnten, traten Himmelsrichtung<br />

und gleichförmige Ausrichtung zurück hinter dem gemeinsamen<br />

Blick auf den Altar.ª 7<br />

Für einige Zeit trat die Frage nach der angemessenen Zelebrationsrichtung<br />

in der katholisch-theologischen Diskussion in den Hintergrund.<br />

8 Die Zelebration versus populum galt weithin als eine Gegebenheit<br />

und brachte auch evangelische Theologen in Zugzwang,<br />

zumal das Anliegen des stärkeren Gemeinschaftscharakters, mit dem<br />

die Veränderung begründet wurde, dem evangelischen Gottesdienst-<br />

1<br />

Vgl. die ausführlichere Darlegung: Gerhards, A.: ¹¸Blickt nach Osten! Die<br />

Ausrichtung von Priester und Gemeinde bei der Eucharistie ± eine kritische<br />

Reflexion nachkonziliarer Liturgiereform vor dem Hintergrund der<br />

Geschichte des Kirchenbausª, in: Liturgia et Unitas. Melanges Bruno Bürki,<br />

hg. v. M. K l ö c k e n e r / A. Jo i n - L a m b e r t , Fribourg 2001, 197±217.<br />

2<br />

Vgl. de Blaauw, S.: Met het oog op het licht. Een vergeten principe in de<br />

orientatie van het vroegchristelijk kerkgebouw, Nijmegen 2000.<br />

3<br />

Vgl. Lang, U. M.: ¹Conversi ad Dominum. Zu Gebetsostung, Stellung des<br />

Liturgen am Altar und Kirchenbauª, in: FKTh 16, 2000, 81±123, hier 107.<br />

4<br />

Nuûbaum, O.:Der Standort des Liturgen am christlichen Altar vor dem<br />

Jahre 1000. Eine archäologische und liturgiegeschichtliche Untersuchung,<br />

2 Bde = Theophaneia 18, Bonn 1965. Vgl. die Rezension von J. A. Jungmann,<br />

in: ZKTh 88, 1966, 445±450; auûerdem Metzger, M. : La place des liturges à<br />

l'autel, in: RevSR 45, 1971, 113±145.<br />

5<br />

Nuûbaum, O.: ¹Die Zelebration versus populum und der Opfercharakter der<br />

Messeª, in: ZKTh 93, 1971, 148±167; wieder abgedruckt in: ders.,<br />

Geschichte und Reform des Gottesdienstes. Liturgiewissenschaftliche<br />

Untersuchungen, hg. v. A. G e r h a r d s / H. B r a k m a n n , Paderborn 1996,<br />

50±70, hier 70.<br />

6<br />

Louis Bouyer hatte diesen Zusammenhang drastisch zurückgewiesen:<br />

Mensch und Ritus, Mainz 1964, 213.<br />

7<br />

Brakmann, H.: ¹Muster bewegter Liturgie in kirchlicher Traditionª, in: Volk<br />

Gottes auf dem Weg, hg. v. W. M e u r e r, Mainz 1989, 25±51, hier 39, unter<br />

Bezug auf Nuûbaum, ¹Die Zelebration versus populumª (Anm. 5).<br />

8<br />

Sie wurde von der Theologie eher als ein Sonderproblem traditionalistischer<br />

Kreise betrachtet. Allerdings wurde auch aus der Sicht der Denkmalpflege<br />

auf unangemessene Raumkonzepte hingewiesen. Vgl. dazu: Odenthal,<br />

A.: ¹Denkmalpflege als Postulat der Liturgiereformª, in: LJ 42, 1992,<br />

249±259.<br />

Versus orientem ± versus populum<br />

Zum gegenwärtigen Diskussionsstand einer alten Streitfrage<br />

von Albert G e r h a r d s<br />

verständnis entgegenkam. 9 Nicht zuletzt muûte das von den Gegnern<br />

des versus populum vorgebrachte Junktim von Opfercharakter und<br />

Orientierung und seine oft polemische Entgegensetzung zum Mahlcharakter<br />

und zur Hinwendung des Priesters zur Gemeinde aus evangelischer<br />

Sicht nachdenklich stimmen. Dennoch wurde in den meisten<br />

evangelischen Kirchen die gewohnte Ausrichtung beibehalten.<br />

Ende der siebziger Jahre meldete Kardinal Ratzinger sich in der<br />

Frage der Zelebrationsrichtung zu Wort. 10 Er wies darauf hin, daû<br />

die Hinwendung zum Altar (also das Stehen des Priesters mit dem<br />

Rücken zum Volk) ¹Ausdruck einer kosmisch-parusialen Sicht der<br />

eucharistischen Feierª 11 gewesen sei und plädierte für eine ausdrückliche<br />

Hinwendung zum Kreuz auf dem Altar: ¹Das Altarkreuz<br />

ist als der bis in unsere Tage verbliebene Rest der Ostung zu bezeichnen.ª<br />

12<br />

Die in Freiburg/Schweiz erstellte und 1989 erschienene Diss. von<br />

Erwin Keller ¹Eucharistie und Parusieª ordnet ± wie zuvor schon J.<br />

Ratzinger ± die Frage der Ausrichtung in die kosmisch-eschatologische<br />

Dimension der Eucharistie ein. Für Keller ist die Gebetsostung<br />

¹sichtbare äuûere Gebärde zum Ausdruck der inneren Ausrichtung<br />

von Gebet und Gottesdienst auf den kommenden Herrn hinª. Diese<br />

hat sich auch ausgewirkt auf den Kirchenbau, ¹angefangen bei der<br />

Ausrichtung nach Osten bis hin zur Ausstattung und Deutung der<br />

Kirche als Bild des himmlischen Jerusalem, an welchem die Kirche<br />

in ihrer Liturgie in Zeichen und Riten und im Sakrament schon Anteil<br />

bekommt und welches sie selber ist, bis Christus kommt und die<br />

Seinen in vollendeter Weise ins himmlische Jerusalem aufnimmtª. 13<br />

In den neunziger Jahren wurde die Frage der Zelebrationsrichtung<br />

von verschiedenen Seiten wieder aufgegriffen. Zum einen fanden interdisziplinäre<br />

Kongresse über Gestalt und Funktion altkirchlicher<br />

und mittelalterlicher Kirchenräume statt, deren Ergebnisse in mehreren<br />

Sammelbänden vorliegen. 14 Darin kommt eine differenzierte Betrachtungsweise<br />

zur Wirkung, die die apriorischen Positionen für<br />

oder wider versus populum relativiert. Dies gilt auch für das Axiom,<br />

die Zelebration sei immer in Richtung Osten erfolgt. Überraschenderweise<br />

ist dies für den vermeintlichen Prototyp der Zelebration versus<br />

populum, für Sankt Peter in Rom, nachweisbar. In dem Band ¹Kölnische<br />

Liturgie und ihre Geschichteª befaût sich der Kunsthistoriker<br />

Werner Jacobsen mit ¹Organisationsformen des Sanctuariums im spätantiken<br />

und mittelalterlichen Kirchenbauª, u. a. mit der Peterskirche.<br />

Die jetzige Anordnung des Hauptaltars über der Confessio in St.<br />

Peter greift die Anlage Gregors des Groûen (um 600) auf, welcher die<br />

Situation durch die Schaffung der Ringkrypta und der Confessio<br />

grundlegend verändert hatte. Der Vorgängeraltar des konstantinischen<br />

Baus stand am vorkonstantinischen Tropaion, so daû der<br />

Priester nur von vorne am Altar, also gegen Westen gerichtet und mit<br />

dem Rücken zum Volk, zelebriert haben konnte. 15 Erst Gregor d. Gr.<br />

¹korrigiertª die Altarsituation nach dem Vorbild der Lateranbasilika.<br />

Insgesamt stellt Jacobsen eine ¹erstaunlich groûe Vielfalt baulicher<br />

Formenª fest. Fazit: ¹Unsere Suche nach der alten, wahren, richtigen<br />

9<br />

Vgl. Walther, V.: ¹Celebratio versus populum.ª Evangelisches Echo und Fragen<br />

an den evangelischen Gottesdienst, in: HlD 53, 1999, 137±142.<br />

10<br />

Ratzinger, J. Kardinal: ¹Kleine Korrekturª, in: IKaZ 8, 1979, 381f; überarbeitete<br />

Fassung unter dem Titel: ¹Anmerkung zur Frage der Zelebrationsrichtungª,<br />

in: ders., Das Fest des Glaubens. Versuche zur Theologie des Gottesdienstes,<br />

Einsiedeln 1981, 121±126.<br />

11<br />

Ratzinger, Zelebrationsrichtung (vorige Anm.) 122.<br />

12<br />

Ebd. 123.<br />

13<br />

Keller, E.: Eucharistie und Parusie. Liturgie- und theologiegeschichtliche<br />

Untersuchungen zur eschatologischen Dimension der Eucharistie anhand<br />

ausgewählter Zeugnisse aus frühchristlicher und patristischer Zeit, Freiburg/Schweiz<br />

1989, 147.<br />

14<br />

Vgl. Heiliger Raum. Architektur, Kunst, und Liturgie in mittelalterlichen<br />

Kathedralen und Stiftskirchen = LQF 82, hg. v. F. K o h l s c h e i n / P. W ü n -<br />

s c h e , Münster 1998; Kölnische Liturgie und ihre Geschichte. Studien zur<br />

interdisziplinären Erforschung des Gottesdienstes im Erzbistum Köln =<br />

LQF 87, hg. v. A. G e r h a r d s / A. O d e n t h a l , Münster 2000; Bock, N./de<br />

Blaauw, S. / Frommel,C.L./Kessler,H.:Kunst und Liturgie im Mittelalter.<br />

Akten des internationalen Kongresses der Bibliotheca Hertziana und des<br />

Nederlands Instituut te Rome. Rom, 28.±30. September 1997 = RJ33, Beiheft,<br />

München 1999/2000.<br />

15<br />

Jacobsen, W.: ¹Organisationsformen des Sanctuariums im spätantiken und<br />

mittelalterlichen Kirchenbauª, in: Gerhards/Odenthal, Kölnische Liturgie<br />

(vorige Anm.) 67±97, hier 70f.

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