1902±2002 - Universidad Pontificia Comillas
1902±2002 - Universidad Pontificia Comillas
1902±2002 - Universidad Pontificia Comillas
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
71 2002 Jahrgang 98 THEOLOGISCHE REVUE Nr. 1 72<br />
zum wiederholten Male Themen- und Methodengänge der Gesprächstherapie<br />
auf. Die daraus hervorgehenden Ergebnisse sind<br />
nicht selten selektiv, redundant und ohne hinreichende kontextorale<br />
Einbindung der theologischen Themen in das psychologische<br />
(Praxis-)Feld.<br />
Um so erfreulicher ist es, mit einer genau recherchierten, inhaltsstarken<br />
Studie bekannt zu werden, die eine Methode der humanistischen<br />
Psychologie, nämlich das ¹Psychodramaª gekonnt aufgreift<br />
und auf seine philosophisch-theologischen Wurzeln hin transparent<br />
setzt. Das methodisch Besondere und ¹Saubereª an der vorliegenden<br />
Veröffentlichung ist, daû sie das Psychodrama kenntnisreich von innen<br />
her erschlieût, ohne sofort und kurzschlüssig theologisch werden<br />
zu wollen. Dem Vf. ist eine stupende Kenntnis der psychologischen<br />
Methode, Geschichte und Entfaltung des Psychodramas (nach Moreno)<br />
zu bestätigen. Obwohl in den letzten Jahren und insbesonders im<br />
angloamerikanischen Raum zahllose Traktate und Gelegenheitsschriften<br />
zur Praxis des Psychodramas verfaût wurden, ist die vorliegende<br />
Arbeit ein Novum: Wie keine andere mir bekannte Studie subsummiert<br />
und analysiert sie die Publikationen und wissenschaftlichen<br />
Abhandlungen zum Psychodrama. Bereits diese Leistung ist<br />
so gelungen, daû sie das vorliegende Werk in den Rang eines Standardwerkes<br />
erhebt. Dessen umfassende und zugleich minutiöse Recherche<br />
mündet ein in eine anschauliche Darstellung und leserfreundliche<br />
Sprache, welche diese komplexe Thematik sowohl für<br />
Theologen als auch für Psychologen leserfreundlich darlegt.<br />
Indem der Vf. sich auf Morenos Psychodrama zentriert, um es auf<br />
eine ¹experimentelle Theologieª transparent zu setzen, betritt er tatsächlich<br />
grenzwissenschaftliches Neuland. Insofern ist diese Studie<br />
eine umsichtige und respektable Pionierleistung, in der es ein Theologe<br />
erstmals schafft, humanistische Psychologie nicht wiederum unter<br />
dem Aspekt des Gesprächstherapeutischen, sondern dem des Psychodramatischen<br />
zu sichten. Vielleicht gelingt es seinem Werk, für<br />
die Pastoraltheologie und insbesonders für die Ausbildung von Seelsorgern<br />
auch dahingehend einen Neuakzent zu setzen, daû diese<br />
nicht nur (und allzu vereinfacht) mit der Gesprächstherapie nach<br />
C. Rogers bekannt gemacht werden. Für die praktische Theologie<br />
und ihre Seelsorgevertreter ist es sicherlich lohnend mit der psychodramatischen<br />
Methode vertraut gemacht zu werden.<br />
H.s Diss.sarbeit kann als Impulsgabe und Zugewinn für die pastorale<br />
Methodik verstanden werden. Dies um so mehr, als in den letzten<br />
Jahren trotz Widerstand der meisten Krankenkassen und kassenärztlichen<br />
Vereinigungen der psychotherapeutische Wert des Psychodramas<br />
auch in der BRD unleugbar unter Beweis gestellt wurde. Morenos<br />
Psychodrama als Methode der humanistischen Psychotherapie wird<br />
zunehmend zum Ausbildungsbaustein für ¾rzte und angehende Psychotherapeuten.<br />
Die transzendentalen Bezüge und religiös-visionären<br />
Ursprünge dieser Methode bleiben allerdings in aller Regel unerwähnt.<br />
Deshalb ist es ein Glücksfall für den Dialog zwischen Theologie<br />
und Psychologie, daû die transzendentalen Implikate des Psychodramas<br />
von dem Theologen H. derart zur Sprache gebracht<br />
werden, daû ihnen nichts Apologetisches, sondern Kompatibilität<br />
zukommt. Sein Werk sensibilisiert den Leser auf ein wechselseitiges<br />
Verständnis der vorrangig psychologischen, aber nichtsdestoweniger<br />
auch theologischen Praxisinhalte des Psychodramas.<br />
2. Zur Methodik des Werkes: Von der therapeutischen Praxis des<br />
Psychodramas über deren Metapsychologie zur Metaphysik<br />
Die Qualität einer Diss.sarbeit zeigt sich an ihrer Durchführung, d.h. an der<br />
Befähigung des Vf.s, den methodischen Duktus systematisch gegliedert darzustellen.<br />
H. gelingt es, über eine beeindruckende und stimmige Vielzahl von<br />
Einzelschritten zu dem hinzufinden, was er im dritten Teil (353±374) seines<br />
Werkes ¹Skizzen zu einer experimentellen Theologieª nennt. Dieser Titel ist<br />
ebenso bescheiden wie korrekt gewählt: Über die (lediglich) 25seitige Skizzierung<br />
einer ¹experimentellen Theologieª kommt der Vf. nicht hinaus. Ein Mehr<br />
würde aber auch den Rahmen dieser Arbeit sprengen und deren besonderem<br />
Anliegen nicht gerecht werden. Dieses trägt sich methodisch gerade darin<br />
durch, daû es das Psychodrama Zug um Zug auf seine Metapsychologie und<br />
Metaphysik hin entdeckt. Als systematischer Zugewinn dieser Analyse kann<br />
sich so am Ende des Werkes ein kreativer Freiraum eröffnen, der zur Skizzierung<br />
einer ¹experimentellen Theologieª einlädt. Wenngleich dieser dritte<br />
Werksteil nicht einmal 10 Prozent der Gesamtdarstellung ausmacht, so gibt er<br />
den vorangehenden zwei Groûkapiteln dennoch ihre methodische Pointierung.<br />
Allerdings ist es bei der Gewichtung aller methodischen und inhaltlichen Proportionen<br />
zweifelhaft, ob der Übertitel ¹Psychodrama als experimentelle Theologieª<br />
passend gewählt ist. Hingegen ist es differenziert und korrekt, im Untertitel<br />
von einer ¹Rekonstruktion der therapeutischen Philosophie Morenos aus<br />
praktisch-theologischer Perspektiveª zu sprechen.<br />
Je mehr man sich in das gut strukturierte Werk einliest, desto deutlicher<br />
wird die sich durchhaltende Absicht des Vf.s, die einzelnen Schichtungen, Methoden<br />
und ¹Räumeª des Psychodramas auf ihre theologische Valenz hin zu<br />
entdecken. Der Vf. betreibt gekonnt eine Relecture der gängigen Lesart des Psychodramas,<br />
will es aber nicht zur ¹experimentellen Theologieª transmutieren.<br />
Hierbei sensibilisiert er den Leser, welche methodischen Hilfen das Psychodrama<br />
für eine innovative theologische Praxis anbieten kann.<br />
Das hiermit noch allgemein behauptete, läût sich systematisch am Textbefund<br />
nachweisen: Zur methodischen Sorgfalt des Autors gehört es, daû er<br />
insbesonders ab dem zweiten Teil seiner Darstellung (ab S. 296) das Psycho-,<br />
Sozio- und Axiodrama auf deren religiöse Bezüge analysiert. So gesehen ist<br />
seine in 23 Haupttitel gegliederte Arbeit sehr wohl dreiteilig, als sie sich einem<br />
dreifachen Methodenschritt verdankt. Im ersten Arbeitsteil rekurriert der Vf.<br />
auf inhaltliche und methodische Bestände des Psychodramas. Dabei wirkt er<br />
mehr als Referent. Das methodische Mittelstück seines Diskurses, dem die<br />
Überleitung zu explizit theologischen Themen zukommt, zentriert sich in den<br />
Gliederungspunkten 16±19. Schlieûlich gelingt es ihm durch die ¹Rekonstruktion<br />
der therapeutischen Philosophieª nach Moreno schlieûlich doch ausdrücklich,<br />
d.h. ¹experimentellª theologisch zu werden.<br />
3. Christoph Hutters ¹Experimentelle Theologieª:<br />
Ein Beitrag zur Theologie der Postmoderne?<br />
Wenn auch der ¹experimentaltheologischeª Schluûteil des Werkes<br />
nicht umfangreich ist, so setzt er doch entscheidende theologische<br />
Impulse und Nachfragen. Sie betreffen das Besondere an der<br />
Heilssuche des postmodernen Menschen und appellieren an eine<br />
allererst noch zu fundierende ¹experimentelleª Theologie zeitgerechter<br />
Diakonie. Entsprechend konsequent mündet diese Studie (vgl.<br />
370±374) in die Thematik ¹Psychodrama, Gruppe und Gemeinde ±<br />
Plädoyer für einen Handlungsraumª. Kirche in postmoderner Zeit<br />
kann wohl nur so zum ¹Raum der aufgehobenen Entfremdungª<br />
(E. Biser) werden, wenn sie sich erneut auf ¹Heilen und Teilen als<br />
Grundgesten diakonischen Handelnsª (372±374) besinnt. Im Zeitalter<br />
der Postmoderne verlieren die ehemals groûangelegten Utopien<br />
der grenzenlosen Progression und Allmachbarkeit ihre Strahlkraft.<br />
Sie werden durchsichtig auf ihre ¹fatalen Strategienª, auf ihre uneinlösbaren<br />
Heilsutopien (vgl. 333f). Um so entscheidender für den diakonischen<br />
Auftrag der Kirche(n) ist es deshalb, mit dem so entstandenen<br />
Sinnvakuum nicht doktrinär, sondern kreativ umzugehen.<br />
Genau dieser soziokulturellen Krisenthematik bleibt der Vf. in<br />
seiner Studie eingedenk. Er greift Morenos ¹Soziometrieª (263±295)<br />
auf, rückt sie in den Sinnzusammenhang seiner Rekonstruktion und<br />
wird dabei konsequenterweise sozial- und gesellschaftskritisch<br />
(vgl. 299±305). Indem der Vf. Morenos Gesellschaftsdiagnose (vgl.<br />
306±312) übernimmt, stöût er zu ¹Morenos Gottesbegriffª (324) vor.<br />
Im Vollzug dieser ¹soziodramatischenª Gesellschaftsanalyse erweist<br />
sich die Notwendigkeit transzendenter Bezüge gerade nach dem ¹Verlust<br />
existentieller Ritualeª (326). Zur therapeutischen Philosophie<br />
Morenos gehört die Vision einer ¹therapeutischen Gesellschaftª (vgl.<br />
334f). Zwischen dieser Vision der gesellschaftsrelevant-therapeutischen<br />
Psychodramatik und der kirchlichen Diakonie lassen sich kreative<br />
Resultanten (einer ¹experimentellen Theologieª) erarbeiten.<br />
Ein Identitätsmerkmal dieser Diss.sarbeit ist es, daû sie in sachdienlicher<br />
Weise gesellschafts- und kirchenkritisch verfährt, um konstruktiv<br />
neue Handlungsräume der ¹Keunonia-Erfahrungª (371) zu<br />
erschlieûen. Die Lektüre dieses Standardwerkes empfiehlt sich deshalb<br />
nicht nur für Theologen und Psychologen, sondern für alle human-<br />
und gesellschaftswissenschaftlich interessierten Zeitgenossen.<br />
Eichstätt Erwin Möde<br />
Theologie / Naturwissenschaften<br />
Hattrup, Dieter: Einstein und der würfelnde Gott. An den Grenzen des Wissens<br />
in Naturwissenschaft und Theologie. Freiburg / Basel / Wien: Herder 2001.<br />
304 S., geb. DM 36,00 / e 18,39 ISBN: 3±451±27339±X<br />
Der Vf. ist Prof. der Dogmatik und Dogmengeschichte an der Theologischen<br />
Fak. Paderborn und promovierter Mathematiker. Von<br />
dieser Doppelqualifikation her scheint er für die Behandlung des<br />
Themas besonders geeignet. Der Titel ist nicht im Sinne einer mit religiösem<br />
Schwerpunkt versehenen Einstein-Biographie zu verstehen.<br />
Einstein spielt hier insofern eine Rolle, als er, obschon allgemein zum<br />
Inbegriff des genialen Physikers gekrönt, mit seinem spinozistischdeterministischen<br />
Weltbild am epochalen Paradigmenwechsel hin<br />
zur Quantentheorie von Bohr und Heisenberg physikalisch und philosophisch<br />
scheitert.<br />
Hattrup glaubt als Losungswort der Neuzeit ausmachen zu können:<br />
¹Alle Wirklichkeit ist Natur.ª (13) Ca. drei dutzendmal taucht