suhrer nachrichten - Druckerei AG Suhr
suhrer nachrichten - Druckerei AG Suhr
suhrer nachrichten - Druckerei AG Suhr
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Natur- und Vogelschutzverein<br />
Ursula Wyss |<br />
Natur- und Vogelschutz im Wandel<br />
«Wer die Singvögel lieb hat, duldet keine Würger in seiner Hofstatt. Sie alle<br />
sind Raubvögel und verursachen viel Schaden durch das Wegfangen der nützlichen<br />
Singvögelchen.»<br />
So schrieb vor 100 Jahren Johann Ulrich Ramseyer in seinem 1913 erschienen<br />
Buch «Unsere gefi ederten Freunde».<br />
Heute sind sämtliche Würger in der Schweiz selten geworden oder als Brutvögel<br />
ganz verschwunden. Der noch Häufi gste unter ihnen, der Rotrückige<br />
Würger oder Neuntöter, wurde in unserer Gemeinde freudig begrüsst, als er<br />
nach jahrelanger Abwesenheit dank neu entstandener Hecken und anderer<br />
ökologischer Aufwertungen wieder hier brütete.<br />
Johann Ulrich Ramseyer publizierte unter dem Namen «Unsere gefi ederten Freunde»<br />
drei Bändchen, illustriert mit Farbtafeln und Schwarzweissbildern damaliger Künstler.<br />
Seine Schriften wandten sich an die Jugend und hatten zum Ziel «recht viel<br />
Interesse und Liebe für die Vöglein zu erwecken». Eine gekürzte und überarbeitete<br />
Zusammenfassung in einem Band erschien noch im Jahr 1952. Das Werk war offenbar<br />
über Jahrzehnte als didaktische Literatur in der Schule geschätzt. Meines Wissens<br />
unterrichtete Johann Ulrich Ramseyer am Lehrerseminar in Hofwil bei Bern.<br />
Seine lebendigen Erzählungen widerspiegeln das Naturverständnis seiner Zeit. Mit<br />
einigem Befremden lesen wir, wie er zu seinem Flobert-Gewehr griff und einen<br />
Raubwürger niederschoss, der einem Gartenrotschwanz nachstellte. Die Art ist unterdessen<br />
in der Schweiz als Brutvogel ausgestorben, weil sie mit der ausgeräumten<br />
Landschaft nicht zurecht kam. Auch dem Gartenrotschwanz droht hierzulande ein<br />
ähnliches Schicksal, trotz der Schutzbemühungen Ramseyers.<br />
«Unsere gefi ederten Freunde» ist unterhaltsam geschrieben, doch heute stört man<br />
sich an der Vermenschlichung der Tiere und an der eher gefühlsduseligen Sprache.<br />
Dennoch: Ramseyer war ein sehr engagierter Naturfreund und wandte sich gegen<br />
mutwillige Zerstörungen, obwohl von einer Naturgefährdung grossen Ausmasses<br />
damals nicht die Rede sein konnte. Erstaunlich genau und sorgfältig hat er beobachtet.<br />
Fast wehmütig stimmt die Beschreibung einer beinahe intakten naturnahen<br />
Kulturlandschaft in der Nähe des idyllischen Moossees. Er lebte in Wiggiswil bei<br />
Münchenbuchsee und wusste noch nichts von Autobahn, Intensivlandwirtschaft und<br />
VEREINE<br />
Einkaufszentren.<br />
Natur- und Vogelschutz haben eine interessante Geschichte. Die Ansichten über effi<br />
ziente Massnahmen haben sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Ramseyer<br />
war noch fi xiert auf «nützlich» und «schädlich» für den Menschen, Auffassungen,<br />
die leider auch heute noch nicht aus allen Köpfen verschwunden sind. Emotionen<br />
in der Beziehung zur Natur sind verständlich, Begeisterung für das vielfältige Leben<br />
ist die Voraussetzung für ein engagiertes Handeln. Nüchterne Überlegungen und<br />
vernetztes Denken sind jedoch unabdingbar. Vermehrt wird die Natur als Ganzes<br />
wahrgenommen; auch der Mensch ist darin eingeschlossen. Biologische Vielfalt<br />
ist von Bedeutung für das Überleben der Menschheit. Nachhaltiger Naturschutz<br />
nimmt die Bedürfnisse von Natur und Mensch ernst. Das scheint einleuchtend, ist<br />
in der Praxis jedoch nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen. Was muss bei<br />
Naturschutzprojekten als überlebenswichtig für die Menschen vor Ort berücksichtigt<br />
werden, wo geht es ausschliesslich um materielle Interessen?<br />
Die ersten Naturschutzprojekte waren die Nationalparks. Der berühmte Yellowstone-Nationalpark<br />
in den USA, gegründet am 1.März 1872, war der erste weltweit.<br />
Offensichtlich befürchtete man bereits zu jener Zeit den<br />
Verlust einmaliger Naturwerte durch menschliche Aktivitäten.<br />
Er war jedoch als «öffentlicher Park oder Vergnügungspark<br />
zur Wohltat und zum Vergnügen der Menschen» geplant. Die<br />
Landschaft wurde und wird auch heute noch bewusst vermarktet.<br />
Als ältester Naturpark der Alpen gilt der Schweizerische<br />
Nationalpark. Das Gebiet war bei weitem nicht mehr im<br />
Urzustand und das Projekt konnte wohl nur wegen der relativ<br />
geringen Nutzungsmöglichkeiten im Jahr 1913 realisiert werden.<br />
Auch kleinere Flächen wurden im 20. Jahrhundert unter<br />
totalen Schutz gestellt. In der Schweiz und in allen dicht besiedelten<br />
Ländern verloren sie jedoch zunehmend an Wert<br />
und verkamen zu isolierten Inseln in einer übernutzten Landschaft.<br />
Heraus aus den Naturschutzgebieten, lautete vor ein<br />
paar Jahren die Devise. Vernetzung war angesagt. Wanderkorridore,<br />
Ökobrücken, ökologische Ausgleichsfl ächen im<br />
Landwirtschaftsgebiet und eine naturnähere Gestaltung des<br />
Siedlungsraums sollten den Austausch von Genen unter den<br />
SUHRPLUS | FEBRUAR 2013 | 29