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Beiträge zum Gespräch zwischen Christen und Muslimen 2 ... - cibedo

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sehr zu begrüßen, wenn die »theologische<br />

Argumentation« tatsächlich der Frage<br />

nach dem Verhältnis von Religion <strong>und</strong><br />

Kultur, bzw. Tradition nachginge <strong>und</strong> kritisch<br />

bilanzierte, welche dominant theologischen<br />

Denkfiguren geeignet sind,<br />

eine »Unverträglichkeit« westlicher mit<br />

islamischen Werten zu behaupten. Die<br />

Problemfelder <strong>und</strong> unerledigten Themen<br />

liegen offen zu Tage: z.B. Menschenrechte,<br />

Religionsfreiheit (Religionswechsel!),<br />

Frauen, Djihad.<br />

Im Blick auf religiös begründete politische<br />

Gewalt muss den Imamen zugute<br />

gehalten werden, dass sie das Problem im<br />

Gr<strong>und</strong>satz wohl sehen. Noch ein Jahr<br />

zuvor, in der Erklärung der Imam-Konferenz<br />

von 24. April 2005, wurde z.B. eine<br />

aktive Auseinandersetzung mit islamistischem<br />

Extremismus <strong>und</strong> Terrorismus<br />

gefordert. Man dürfe, so hieß es seinerzeit,<br />

»extreme Ansichten <strong>und</strong> Haltungen«,<br />

die sich außerhalb des Konsenses der<br />

Muslime in Österreich befänden, nicht<br />

einfach als »marginale Erscheinungen«<br />

abtun, sondern bekämpfen. So sollte ein<br />

Gremium aus »Intellektuellen <strong>und</strong> MeinungsbildnerInnen«<br />

geschaffen werden,<br />

dass sich »ernsthaft <strong>und</strong> wissenschaftlich<br />

mit der Erscheinung des Terrorismus« auseinandersetze.<br />

Indirekt wurden »fetwas«<br />

<strong>zum</strong> Thema in Aussicht gestellt. Diese<br />

Absichtserklärung war, vergleicht man sie<br />

mit öffentlichen Bek<strong>und</strong>ungen muslimischer<br />

Organisationen in anderen europäischen<br />

Ländern, durchaus ungewöhnlich<br />

<strong>und</strong> erfreulich. In Deutschland ist von<br />

Seiten des organisierten Islam eine derartige<br />

Intention nie formuliert worden.<br />

Gleichwohl ist es bedauerlich, dass den<br />

starken Worten keine Taten gefolgt sind.<br />

Ein solches Gremium ist bedauerlicherweise<br />

nicht eingerichtet worden. Die WE<br />

2006 greift das Thema leider nicht mehr<br />

auf, es ist aber davon auszugehen, dass<br />

keine Neigung besteht, hinter die Erklärung<br />

von 2005 zurückzufallen.<br />

Die WE nimmt Bezug auf die »gewaltigen<br />

Herausforderungen« der Moderne<br />

<strong>und</strong> bezeichnet treffend die Schlüsselprobleme:<br />

Frieden <strong>und</strong> Sicherheit, soziale<br />

CIBEDO-<strong>Beiträge</strong> 2/2006<br />

Gerechtigkeit <strong>und</strong> Erhalt der Umwelt.<br />

Die versammelten Theologen <strong>und</strong> Seelsorger<br />

bieten einen »lösungsbezogenen<br />

Ansatz« an: der Islam, der »Vielfalt als<br />

gottgewollt nicht in Frage« stelle, soll es<br />

richten. Es ist in diesem Zusammenhang<br />

nicht klar, was unter »Vielfalt« verstanden<br />

werden soll: die religiöse »Vielfalt« der<br />

monotheistischen Religionen, die religiöse<br />

Vielfalt innerhalb des Islam oder der<br />

politische Pluralismus? »Vielfalt« klingt<br />

immer gut, sie suggeriert Offenheit <strong>und</strong><br />

Toleranz. Doch ohne inhaltliche Füllung<br />

wird sie zur Leer- <strong>und</strong> Beruhigungsformel.<br />

Das gleich nachfolgende Zitat der<br />

Sure 6,82 soll sicher deutlich machen,<br />

dass es in erster Linie die gläubigen Menschen<br />

sind, <strong>und</strong> die Muslime im Besonderen,<br />

die aus der Sicherheit ihres Glaubens<br />

heraus befähigt sind, durch gute<br />

Werke an der gerechten Gestaltung der<br />

Welt zu arbeiten.<br />

3. Integration, »islamische<br />

Identität in Europa« <strong>und</strong><br />

»Euro-Islam«<br />

Muslime betrachten sich nicht mehr<br />

als »Gastarbeiter«, sondern als »lebendigen<br />

Teil Europas«. Sie wollen aus religiöser<br />

Motivation heraus, »Verantwortung<br />

für das Allgemeinwohl« übernehmen. Das<br />

ist sehr zu begrüßen <strong>und</strong> es müssen politisch<br />

<strong>und</strong> gesellschaftlich Wege geebnet<br />

werden, um <strong>Muslimen</strong> ihren gleichberechtigten<br />

Platz in der EU-Bürgerschaft<br />

zu gewährleisten. Da das Verhältnis von<br />

Staat <strong>und</strong> Religion in den einzelnen EU-<br />

Staaten sehr verschieden ist, wird es auch<br />

unterschiedliche Wege zur Anerkennung<br />

muslimischer Religionsgemeinschaften<br />

geben. Dabei können, wie z.B. der<br />

»Kopftuchstreit« in Deutschland <strong>und</strong><br />

Frankreich gezeigt hat, zweifellos Spannungen<br />

<strong>zwischen</strong> Wahrung religiöser<br />

Identitäten <strong>und</strong> Akzeptanz f<strong>und</strong>amentaler<br />

Verfassungsprinzipien demokratischer<br />

Staaten auftreten.<br />

Warum der im Dialog mit <strong>Muslimen</strong><br />

als die europäische Variante des Islam<br />

diskutierte »Euro-Islam« von den Imamen<br />

schon in der »Grazer Erklärung« von<br />

2003 zurückgewiesen wurde, ist <strong>zum</strong>indest<br />

einer Erklärung bedürftig. Dort hieß<br />

es, dass es »so wenig wie es einen afrikanischen,<br />

arabischen oder sonst wie ethnischen<br />

Islam gibt, auch nicht von einem ‚europäischen<br />

Islam’ gesprochen werden kann.« Es<br />

gäbe nur einen »Islam in Europa«. »Euro-<br />

Islam« wird als etwas den <strong>Muslimen</strong> von<br />

außen Aufgezwungenes verstanden, als<br />

eine islamfremde Erscheinung. Das verw<strong>und</strong>ert,<br />

denn auch die Imame werden<br />

nicht bestreiten können, dass, blicken wir<br />

auf die Entwicklungsgeschichte des<br />

Islam, dieser in starkem Maße von den<br />

Ethnien <strong>und</strong> Kulturen geprägt wurde, in<br />

denen er Wurzeln schlug. Die islamische<br />

Geschichte bietet dafür eine Fülle von<br />

Beispielen. 9 Der afrikanische Islam ist<br />

anders als der arabische oder asiatische<br />

<strong>und</strong> insofern sollte es auch einen »europäischen<br />

Islam« geben können. Ein »europäischer<br />

Islam« wäre einer, der mit den<br />

Gr<strong>und</strong>werten der europäischen Verfassung<br />

vereinbar ist. Darauf verweist der<br />

»Erfinder« des Begriffes, »Euro-Islam«,<br />

der Göttinger Politikwissenschaftler Bassam<br />

Tibi. Er versteht unter »Euro-Islam«,<br />

»eine Interpretation des Islam, die offen ist<br />

<strong>und</strong> im Zeichen der hoch-islamischen Aufklärung<br />

sowie des islamischen Rationalismus<br />

steht. Ein Euro-Islam ist vereinbar<br />

mit drei europäischen Verfassungsnormen:<br />

1) Laizismus (Trennung <strong>zwischen</strong> Religion<br />

<strong>und</strong> Politik), 2) säkulare Toleranz (Freiheit<br />

Andersdenkender <strong>und</strong> des Glaubens) <strong>und</strong><br />

schließlich 3) Pluralismus«. 10 Es mag sein,<br />

dass die Imame <strong>und</strong> andere einflussreiche<br />

muslimische islamische Rechtsgelehrte<br />

<strong>und</strong> Intellektuelle sowohl mit der »hochislamischen<br />

Aufklärung« (Tibi meint<br />

wahrscheinlich die Philosophie der<br />

Mutazila) als auch mit »aufklärerischen«,<br />

»progressiven« Interpretationsansätzen<br />

im Gegenwartsislam 11 Schwierigkeiten<br />

haben. Aber sie müssten doch für einen<br />

Islam in Europa die von Tibi in den<br />

Punkten eins bis drei genannten Gr<strong>und</strong>prinzipien<br />

europäischer Leitkultur akzeptieren<br />

<strong>und</strong> sie gemeinsam mit Nicht-<br />

<strong>Muslimen</strong> politisch leben können. Die<br />

Trennung von Religion <strong>und</strong> Staat kann ja<br />

9 Der Islam in der Gegenwart. Hrsgg. Von WERNER ENDE/UDO STEINBACH. München, 2005 5 , bes. S. 777 ff. Wie stark regionale <strong>und</strong> lokale Traditionen den Islam prägen, zeigt<br />

besonders drastisch der Umgang mit der verabscheuungswürdigen Praktik der weiblichen Genitalverstümmelung.<br />

10 BASSAM TIBI, Europa ohne Identität? Die Krise der multikulturellen Gesellschaft. München, 2000, S. 257. Die Stiftung Zentrum für Türkeistudien definiert Euro-Islam normativ:<br />

»Er müsste auf fünf Säulen fußen: der Ablehnung der Scharia, dem Prinzip des Laizismus, der Kompatibilität islamischer Lebensweisen mit den Normen der Industriegesellschaft, Treue zur<br />

verfassungsmäßigen Ordnung der Aufnahmeländer <strong>und</strong> Zustimmung zu Demokratie <strong>und</strong> Pluralität.« Vgl. »Euro-Islam«. Zum empirischen Gehalt eines neuen Islamverständnisses in der<br />

Migration. Essen, 2002, S. 18. (= ZfT-aktuell, Nr. 89).<br />

11 Vgl. dazu CHRISTIAN W. TROLL, Progressives Denken im zeitgenössischen Islam. Hrsgg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin, 2006. (= Islam <strong>und</strong> Gesellschaft, Nr. 4)<br />

Kandel, Die »Wiener Erklärung« der Konferenz der Imame <strong>und</strong> SeelsorgerInnen<br />

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