Beiträge zum Gespräch zwischen Christen und Muslimen 2 ... - cibedo
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Zinsgeschäfte bringen durch den<br />
damit verb<strong>und</strong>enen Mechanismus des<br />
Kapitalhortens durch Banken mit sich,<br />
dass Geld im Umlauf fehlt. Die Reduzierung<br />
des Investitionsvolumens kann<br />
Arbeitslosigkeit verursachen, den<br />
Wettbewerb verfälschen, gesellschaftliche<br />
Spannungen verursachen. Staatverschuldung<br />
ist ein gewaltiges Problem<br />
nicht nur der dritten Welt. Ruin <strong>und</strong><br />
Verelendung betreffen ganze Bevölkerungsgruppen.<br />
Alternativen <strong>zum</strong> Zinsgeschäft<br />
wären durch Muslime weiterzuentwickeln<br />
<strong>und</strong> zu fördern. Die<br />
Nachfrage zeitigte bereits jetzt, dass<br />
westliche Banken islamische Geschäftszweige<br />
anbieten <strong>und</strong> dabei muslimische<br />
Experten beschäftigen.<br />
Muslime in Europa werden als Konsumenten<br />
ein immer stärkerer Faktor.<br />
Der Markt reagiert zunehmend, etwa<br />
auf dem Lebensmittelsektor, wo Halalzertifizierung<br />
Bedürfnisse dieser Käuferschicht<br />
decken soll. Das islamische<br />
Reinheitsgütesiegel wäre europaweit in<br />
standardisierter Form zu verwenden<br />
<strong>und</strong> sollte nach einheitlichen Kriterien<br />
vergeben werden, um hier muslimischen<br />
Konsumenten Sicherheit zu<br />
gewähren.<br />
CIBEDO-<strong>Beiträge</strong> 2/2006<br />
Frauen<br />
Mann <strong>und</strong> Frau sind im Islam gleichwertige<br />
Partner, die gegenseitige Verantwortung<br />
tragen <strong>und</strong> gleich an Menschenwürde<br />
sind. Das Recht auf Lernen <strong>und</strong><br />
Lehre, das Recht auf Arbeit, finanzielle<br />
Unabhängigkeit, aktives <strong>und</strong> passives<br />
Wahlrecht, Teilhabe im gesellschaftlichen<br />
Diskurs sind Pfeiler, die den Status absichern<br />
sollen. Chancengleichheit <strong>und</strong><br />
mündige <strong>und</strong> freie Orientierung soll<br />
Frauen ermöglicht werden. Diese gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />
Aussagen der vorausgegangenen<br />
Konferenzen sollen im Folgenden<br />
weiter vertieft werden. Denn Frauenanliegen<br />
sind von gesamtgesellschaftlichem<br />
Interesse. Daher soll jede Form von Verletzung<br />
von Frauenrechten kritisiert <strong>und</strong><br />
bekämpft werden. Zwangsehe, FGM,<br />
Ehrenmorde <strong>und</strong> familiäre Gewalt haben<br />
keine Gr<strong>und</strong>lage im Islam.<br />
In der Außensicht manifestiert sich am<br />
Bild der Frau im Islam häufig die Einstellung<br />
gegenüber der Religion an sich.<br />
Begründet wird damit oft eine Position<br />
der Überlegenheit seitens der Mehrheitsgesellschaft.<br />
Mangelndes Wissen erschwert<br />
eine sachliche Auseinandersetzung.<br />
Werden Musliminnen vor allem als<br />
»Opfer« wahrgenommen, so drängt sie<br />
dies in ein Rollenklischee. Sich daraus zu<br />
lösen gelingt paradoxerweise schwer,<br />
solange die Mehrheitsgesellschaft an der<br />
Vorstellung der »religiös gefesselten« passiven<br />
muslimischen Frau festhält <strong>und</strong> Barrieren<br />
bereithält, will sie als sichtbar den<br />
Glauben praktizierende aktive Muslimin<br />
das Klischee brechen. Hier sollen wir zu<br />
einer solidarischen Denkens- <strong>und</strong> Handlungsweise<br />
finden. Frauenfeindliche<br />
Strukturen haben verschiedene Ausformungen.<br />
Religions- <strong>und</strong> kulturübergreifendes<br />
Denken wendet sich gemeinsam<br />
gegen familiäre Gewalt <strong>und</strong> strukturelle<br />
Benachteiligungen von Frauen. Die Reflexion<br />
über traditionelle Rollenzuschreibungen<br />
<strong>und</strong> Stereotype kann diese überwinden<br />
<strong>und</strong> Vernetzung <strong>und</strong> Zusammenarbeit<br />
fördern.<br />
Eine stärkere Differenzierung <strong>zwischen</strong><br />
Religion <strong>und</strong> Tradition, die häufig<br />
Frauen benachteiligt <strong>und</strong> dem Islam<br />
zuwiderläuft, ist unabdingbar. Ansonsten<br />
besteht die Gefahr, dass die Religion pau-<br />
schal verantwortlich für Missstände<br />
gemacht wird, <strong>und</strong> man übersieht, welche<br />
theologischen Argumentationsschienen<br />
gerade aufklärend <strong>und</strong> derartige<br />
Traditionen überwindend angezeigt<br />
sind. Gleichzeitig wäre eine Verengung<br />
auf eine einzig religiöse<br />
Perspektive unzulässig. Denn die Lebenswirklichkeit<br />
von muslimischen<br />
Frauen in Europa ist geprägt von diversen<br />
Faktoren, die als solche analysiert<br />
werden müssen. Der Ehrbegriff soll<br />
von Imamen analysiert <strong>und</strong> aus der<br />
Religion, im Gegensatz zu lokalen traditionellen<br />
<strong>und</strong> kulturbedingten Vorstellungen,<br />
begreiflich gemacht werden.<br />
Die verstärkte Partizipation muslimischer<br />
Frauen bedarf durchdachter<br />
politischer Konzepte, die Ausgrenzungstendenzen<br />
<strong>und</strong> Diskriminierungen<br />
entgegen treten. Maßnahmen zur<br />
Mädchen- <strong>und</strong> Frauenförderung, die<br />
eine religiöse Gr<strong>und</strong>haltung anerkennen,<br />
wären ein solcher Schritt. Staatlich<br />
geförderte kultur- <strong>und</strong> religionssensible<br />
Beratungs- <strong>und</strong> Hilfseinrichtungen<br />
von <strong>und</strong> für muslimische<br />
Frauen bieten ein besonders niederschwelliges<br />
Angebot <strong>und</strong> setzen Impulse<br />
der Selbstermächtigung. Frauen sollen<br />
frei von Abhängigkeitsverhältnissen<br />
sein. Der ungehinderte Zugang <strong>zum</strong><br />
Arbeitsmarkt ist dabei vordringlich.<br />
Unabhängigkeit ist stark an finanzielle<br />
Ungeb<strong>und</strong>enheit <strong>und</strong> damit Beschäftigung<br />
geb<strong>und</strong>en, wobei die Politik ausgleichende<br />
<strong>und</strong> gerechte Vorkehrungen<br />
treffen kann, damit Väter <strong>und</strong> Ehemänner<br />
nicht vordringlich als Versorger<br />
betrachtet werden müssen.<br />
Kopftuchverbote sind kontraproduktiv,<br />
da sie Frauen von wesentlichen<br />
Bereichen des Lebens ausschließen. Im<br />
Widerspruch <strong>zum</strong> Recht auf freie Religionsausübung<br />
grenzen sie islamisch<br />
gekleidete Frauen aus <strong>und</strong> bewirken<br />
damit in vielen Fällen genau jenen<br />
Rückzug, den sie zu bekämpfen vorgeben.<br />
Zusätzlich laden Verbote die<br />
Diskussion emotional weiter auf <strong>und</strong><br />
festigen Klischees, indem sie ihre<br />
Begründung just aus der Argumentation<br />
beziehen, die »Kopftuchträgerinnen«<br />
mit ihrem sichtbaren Teilhaben<br />
an der Gesellschaft überwinden: Das<br />
Schlusserklärung der Konferenz Europäischer Imame in Wien 2006<br />
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