Beiträge zum Gespräch zwischen Christen und Muslimen 2 ... - cibedo
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gelangen viele von ihnen zu einer echten<br />
Gotteserfahrung, zu einer Haltung kontinuierlicher<br />
Anbetung, völliger Unterwerfung<br />
unter <strong>und</strong> Hingabe an seinen<br />
Willen <strong>und</strong> ebenfalls zu einer Beziehung<br />
zu den Menschen, die von der Gerechtigkeit<br />
<strong>und</strong> der Barmherzigkeit gezeichnet<br />
sind. Wie ein hadîth es ausdrückt: »Sie<br />
wünschen ihren Brüdern, was sie für sich<br />
selbst wünschen«. Diese tugendhafte Praxis<br />
wird mit dem Willen zur Treue gegenüber<br />
dem Koran <strong>und</strong> der Sunna gelebt.<br />
Das tägliche fünfmalige rituelle Gebet<br />
(salât), die persönlichen Bittgebete, das<br />
Fasten (sawm) <strong>und</strong> die Spenden (zakât<br />
<strong>und</strong> sadaqah) öffnen das Herz der Muslime<br />
für Gott. Andere Muslime dagegen,<br />
inspiriert vom Studium des Koran, empfinden<br />
Gott als unerreichbar <strong>und</strong> nicht<br />
gewillt, sich selbst dem Menschen zu<br />
offenbaren; in solcher religiöser Gr<strong>und</strong>sicht<br />
erdrückt das Schicksal den Menschen<br />
gleichsam, macht ihn <strong>zum</strong> Sklaven.<br />
Die christliche Auffassung von der göttlichen<br />
Sohnschaft <strong>und</strong> von der Vergöttlichung<br />
des Menschen, die, christlich gesehen,<br />
den eigentlichen Sinn des Heiles<br />
ausmacht, ist für derart ausgerichtete<br />
Muslime skandalös. Die Gottesverehrung<br />
kann dann leicht einen formalistischen<br />
Charakter annehmen, <strong>und</strong> die Beziehung<br />
zu den Mitmenschen in Fanatismus <strong>und</strong><br />
Gewalt umschlagen, um »die Rechte Gottes«<br />
zu verteidigen. Schließlich gibt es<br />
dann jene, die sich auf die zahlreichen<br />
aussagekräftigen Verse aus dem Koran<br />
<strong>und</strong> der sunna stützen, um im Namen<br />
Gottes Krieg zu führen, ein Krieg, der oft<br />
als jihad bezeichnet wird.<br />
3.4 Theologische Überlegungen<br />
Das eigentliche Problem stellt diese<br />
Mischung aus widersprüchlichen Elementen<br />
dar, denn die Zweideutigkeit<br />
betrifft ja das, was als von Gott, dem<br />
Koran oder dem Propheten gesandt<br />
geglaubt wird.<br />
Das Problem wird noch durch folgende<br />
Punkte verstärkt <strong>und</strong> macht eine Einigung<br />
<strong>zwischen</strong> <strong>Christen</strong> <strong>und</strong> <strong>Muslimen</strong><br />
auf theologischer Ebene nahezu unmöglich:<br />
● Er proklamiert sich als das »Siegel der<br />
Propheten« <strong>und</strong> die Tradition stilisiert<br />
ihn <strong>zum</strong> rasûl par excellence;<br />
● Der Koran bezeichnet sich als die höch-<br />
CIBEDO-<strong>Beiträge</strong> 2/2006<br />
ste <strong>und</strong> vollkommenste Offenbarung<br />
seitens Gottes an die Menschen;<br />
● Die Muslime betrachten sich als die<br />
einzig wahren Gläubigen (mu’minîn).<br />
Nun aber macht der christliche Glaubensdiskurs<br />
zu genau diesen drei Punkten<br />
diametral verschiedene Aussagen: Johannes<br />
der Täufer ist der letzte Prophet,<br />
Christus ist die endgültige Offenbarung<br />
Gottes an die Menschen, die <strong>Christen</strong><br />
sind die einzigen authentischen Gläubigen.<br />
3.5 Könnte Muhammad im christlichen<br />
Sinne als Prophet gelten?<br />
Unseres Erachtens ist Muhammad ein<br />
aufrichtiger Mensch, kein Hochstapler<br />
oder Betrüger, <strong>und</strong> die Erfahrung, die er<br />
in der Einsamkeit am Berge Hira nahe<br />
Mekka mit Gott machte, kann nicht<br />
bestritten werden. Überzeugt von der<br />
Größe <strong>und</strong> Majestät des einzigen Gottes<br />
<strong>und</strong> von der Notwendigkeit mitzuteilen,<br />
was auf ihn »herabgestiegen« ist, lehrt er<br />
seine Treuen den Sinn der absoluten<br />
Transzendenz <strong>und</strong> der unendlichen<br />
Barmherzigkeit Gottes. Es ist auf diese<br />
Weise, sagt Timotheus I., dass »er den<br />
Pfad der Propheten beschritten hat«.<br />
Es gilt ferner festzustellen, dass bis<br />
622, während der ersten Etappe der Mission<br />
Muhammads, die Ausübung des<br />
muslimischen Glaubens nur die Überzeugung<br />
von der Einzigartigkeit Gottes<br />
beinhaltete: »Es gibt keinen Gott außer<br />
Gott«. Muhammad fühlte sich also nicht<br />
unmittelbar als ein Gesandter Gottes<br />
(rasûl Allah), oder er hatte <strong>zum</strong>indest<br />
nicht die Sicherheit, ein solcher zu sein;<br />
es ist nicht auszuschließen, das er sich<br />
nach <strong>und</strong> nach, unter dem Einfluss des<br />
christlichen Cousins seiner Frau Khadîjah,<br />
Waraqah ibn Nawfal, davon überzeugt<br />
hat. Erst in den jüngsten Suren findet<br />
sich der Befehl, dem Gesandten Gottes<br />
zu gehorchen.<br />
Lässt sich nun aus all dem schließen,<br />
dass Muhammad im Sinne der christlichen<br />
Theologie ein Prophet ist? Wir<br />
glauben es nicht, denn aus christlicher<br />
Sicht ist ein Prophet nicht allein dadurch<br />
definiert, dass er eine Botschaft Gottes<br />
an die Menschheit empfängt, sondern<br />
außerdem dadurch, dass er die Ankunft<br />
Christi vorbereitet. Denn im Großen <strong>und</strong><br />
Ganzen gesehen entfernen Muhammad<br />
<strong>und</strong> der Koran den Gläubigen von der<br />
Person Christi wie sie die authentischen<br />
Evangelien zeichnen <strong>und</strong> betrachten den<br />
Koran als den einzigen gültigen göttlichen<br />
Text. Den <strong>Muslimen</strong> erscheint die<br />
Darstellung Jesu als einfacher Mann Gottes,<br />
als Propheten, Thaumaturgen <strong>und</strong> als<br />
bedeutende Persönlichkeit der Menschheit<br />
nicht nur als das genaueste Bild Christi,<br />
sondern diese Darstellung bestätigt<br />
gleichzeitig die Wahrheit des Textes des<br />
Korans <strong>und</strong> seiner Aussagen.<br />
Kardinal Journet stützt sich auf einen<br />
Text des heiligen Thomas <strong>und</strong> erkennt<br />
an, dass Mohammed von einem »außergewöhnlichen<br />
prophetischen Licht« umgeben<br />
war, welches einige Wahrheiten<br />
besonders erhellte (wie den Monotheismus),<br />
jedoch andere Aspekte im<br />
Schatten beließ. Eine solche Ansicht ist<br />
nur schwerlich zu akzeptieren: Kann<br />
Gott einen »Halb-Propheten« entsenden,<br />
Träger eines Teils der Offenbarung <strong>und</strong><br />
Leugner eines anderen Teils?<br />
Wenn wir unter dem Begriff »Prophet«<br />
einen Menschen verstehen, dessen<br />
Lehren <strong>und</strong> Leben anderen Menschen<br />
helfen können, ein rechtschaffenes Leben<br />
zu führen <strong>und</strong> Gott einen zentralen Platz<br />
in ihrer Existenz zu geben, so wäre es<br />
durchaus möglich – lässt man die bereits<br />
genannten Vorbehalte außer Acht –<br />
Muhammad einen Propheten zu nennen.<br />
In diesem Sinne ist Muhammad sicherlich<br />
ein geistlicher Führer für viele Männer<br />
<strong>und</strong> Frauen (was jedoch die Muslime,<br />
für die er der Prophet par excellence ist,<br />
in keiner Weise befriedigen kann).<br />
Aber die eigentliche Frage ist doch<br />
letztlich diese: Wurde Muhammad von<br />
Gott auserwählt, um zu den Arabern zu<br />
sprechen <strong>und</strong> durch sie zur ganzen Welt?<br />
Dies ist kaum mit einem Ja zu beantworten;<br />
man könnte höchstens sagen, dass<br />
Gott seine Taten gebilligt hat. Ein Philosoph<br />
würde sagen, dass Muhammad eine<br />
»causa instrumentalis«, nicht jedoch die<br />
»causa finalis« gewesen sei, ihn einen<br />
»instrumentellen Gr<strong>und</strong>« nennen, jedoch<br />
nicht den »finalen Gr<strong>und</strong>«. Laut Louis<br />
Massignon »ist Muhammad in gewisser<br />
Weise in einigen Punkten erhellt gewesen,<br />
in anderen jedoch nicht«. Aus christlicher<br />
Sicht sollte sowohl der Begriff Prophet<br />
vermieden werden als auch die Aussage,<br />
Samir, Die prophetische Mission Muhammads<br />
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