Beiträge zum Gespräch zwischen Christen und Muslimen 2 ... - cibedo
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in den B<strong>und</strong>esländern entschieden. Zur<br />
Zeit gibt es in keinem B<strong>und</strong>esland ordentlichen<br />
»bekenntnisgeb<strong>und</strong>enen« islamischen<br />
Religionsunterricht nach Art. 7,<br />
Absatz 3 GG, sondern nur »Platzhalter«-<br />
Modelle in NRW, Niedersachsen, Baden-<br />
Württemberg <strong>und</strong> Bayern. 22<br />
Sehr zu unterstützen ist die Forderung<br />
der Imame, dass sich die »Qualität« des<br />
Religionsunterrichts auch in der »Entwicklung<br />
der Koranschulen in den Gemeinden<br />
mit ihrem zusätzlichen Angebot vor<br />
allem auf dem Gebiet der Koranrezitation<br />
<strong>und</strong> der Pflege der Muttersprache positiv<br />
niederschlagen« solle, vor allem im Blick<br />
auf didaktisch geeignete Lehrmaterialien,<br />
Liedtexte, Bücher etc. Es ist sehr zu wünschen,<br />
dass die in Europa im Religionsunterricht<br />
erreichten religionspädagogischen<br />
Standards tatsächlich Eingang in<br />
die Koranschulen-Unterweisung finden.<br />
23 Noch ist davon wenig zu merken.<br />
7. Politik- <strong>und</strong> Staatsverständnis<br />
Ausführlich widmen sich die Imame<br />
dem islamischen Staats- <strong>und</strong> Politikverständnis,<br />
weil sie in dem Vorwurf an die<br />
Muslime, diese hätten »den Gedanken der<br />
Trennung von Macht- <strong>und</strong> Aufgabenbereichen<br />
<strong>zwischen</strong> politischer <strong>und</strong> geistlicher<br />
Führung nicht vollzogen« eine »Wurzel von<br />
großen Missverständnissen« erblicken. Das<br />
Thema anzusprechen, ist sehr löblich,<br />
denn in der Tat fokussiert sich die nichtmuslimische<br />
Kritik immer wieder auf das<br />
Verhältnis von säkularem Staat <strong>und</strong> Religion,<br />
das in allen europäischen Demokratien<br />
im verfassungsrechtlich verankerten<br />
Gr<strong>und</strong>satz der Trennung von Staat <strong>und</strong><br />
Kirche Ausdruck gef<strong>und</strong>en hat, gleichgültig<br />
wie dies im einzelnen geregelt ist.<br />
Nach Auffassung der Imame sollte die<br />
nicht-muslimische Seite im Blick auf das<br />
Verhältnis von Staat <strong>und</strong> Religion die<br />
»Entwicklung der islamischen Länder«<br />
berücksichtigen, weil dies die »von vielen<br />
CIBEDO-<strong>Beiträge</strong> 2/2006<br />
<strong>Muslimen</strong> vielfach als überheblich empf<strong>und</strong>ene<br />
eigenzentrierte Sichtweisen positiv<br />
erweitern <strong>und</strong> die prinzipielle Vergleichbarkeit<br />
historischer Abläufe hinterfragen,<br />
die jetzt unter dem Stichwort ‚mangelnde<br />
Aufklärung’ im europäischen Diskurs <strong>zum</strong><br />
Allgemeinplatz wurde.« Denn »de facto<br />
war die politische Führung über weiteste<br />
Strecken der islamischen Geschichte autonom<br />
<strong>und</strong> gestaltete sich nicht in Personalunion<br />
mit den religiösen Würdenträgern.«<br />
Umgekehrt sollte den <strong>Muslimen</strong> ein »besseres<br />
Verständnis der europäischen<br />
Geschichte … gewisse Befindlichkeiten« seitens<br />
der Nicht-Muslime verklären <strong>und</strong><br />
»das gegenseitige Verständnis vertiefen«.<br />
Aus diesen gew<strong>und</strong>enen <strong>und</strong> blumig formulierten<br />
Sätzen gewinnt der Beobachter<br />
folgende Erkenntnisse:<br />
● Erstens: Das westliche Politik- <strong>und</strong><br />
Staatsverständnis wird von <strong>Muslimen</strong><br />
vielfach als überheblich empf<strong>und</strong>en.<br />
● Zweitens: Historische Abläufe im Westen<br />
<strong>und</strong> im Orient sind bezüglich ihrer<br />
Vergleichbarkeit zu hinterfragen.<br />
● Drittens: Die Kritik an »mangelnder<br />
Aufklärung« im Islam wird als degoutant<br />
empf<strong>und</strong>en.<br />
● Viertens: Das europäische Staatsverständnis,<br />
wie es sich in der Geschichte<br />
entwickelt hat, wird in erster Linie auf<br />
der Ebene von »Befindlichkeiten« betrachtet,<br />
nach der Melodie: »So sind sie<br />
nun mal die Europäer mit ihrer Aufklärungsgeschichte«.<br />
● Fünftens: Die Trennung von Staat <strong>und</strong><br />
Religion ist in der islamischen Geschichte<br />
weitestgehend »de facto« umgesetzt<br />
worden.<br />
Das Ganze ist im Geist der Distanz<br />
<strong>und</strong> einer milde apologetischen Argumentation<br />
gehalten, ohne dass – bis auf<br />
die bloße Behauptung, »de facto« seien<br />
Staat <strong>und</strong> Religion ȟber weiteste Strecken<br />
der islamischen Geschichte autonom« gewesen<br />
– der Versuch gemacht wird, für den<br />
europäischen Kontext eine islamische<br />
Begründung für die behauptete Vereinbarkeit<br />
von Islam <strong>und</strong> rechtsstaatlicher<br />
Demokratie zu geben. Damit hier kein<br />
Missverständnis aufkommt: Der demokratische<br />
Rechtsstaat kann von Religionen<br />
nur die unbedingte Einhaltung der<br />
Rechtsordnung (»Rechtstreue«) verlangen,<br />
aber keine theologische Begründung<br />
<strong>und</strong> Legitimation von Demokratie. Das<br />
stellt sich im zivilgesellschaftlichen Diskurs<br />
f<strong>und</strong>amental anders dar. Gerade im<br />
Dialog sollte an dieser Stelle nachgefragt<br />
werden. Es müssen Begründungen erwartet,<br />
ja gefordert werden. Denn es ist nicht<br />
gerade vertrauensbildend, wenn die muslimische<br />
Seite gelegentlich den Eindruck<br />
erweckt, dass sie eigentlich einem islamischen<br />
Staatsideal à la Medina bei Vollgeltung<br />
der Scharia folgt <strong>und</strong> die rechtsstaatliche<br />
Demokratie nur als gerade noch zu<br />
ertragenes (weil Religionsfreiheit gewährendes!)<br />
Provisorium gelten lässt. Die<br />
eigentlich substantielle staatstheoretische<br />
Debatte steht noch aus. Es gibt bis heute<br />
keine konsistente »islamische Staatstheorie«<br />
mit der Präferenz für eine bestimmte<br />
Regierungsform. Staat <strong>und</strong> Religion wurden<br />
»de facto« über weite Strecken in islamischen<br />
Gemeinwesen unterschieden, sie<br />
waren aber wohl kaum »autonom«, wie es<br />
in der WE heißt. 24 Es wäre näher zu<br />
bestimmen, wie sich das Spannungsfeld<br />
von religiöser Autorität (die Rolle der<br />
»ulema«) <strong>und</strong> weltlicher Herrschaft (Kalifat)<br />
in der islamischen Geschichte entwickelte<br />
<strong>und</strong> welche Erkenntnisse sich<br />
daraus ggf. für eine moderne islamische<br />
Begründung von rechtsstaatlicher Demokratie<br />
gewinnen lassen. 25<br />
Die eigentümliche Heftigkeit, mit der<br />
die Imame die »wiederholt laut gewordene<br />
Forderung« nach »Abschaffung der Scharia«<br />
zurückweisen (»Vorurteile, Scheinwissen,<br />
unqualifizierte Äußerungen«) <strong>und</strong> als<br />
Versuch interpretieren, die »Abschaffung<br />
des Islam« zu betreiben, zeigt, dass hier ein<br />
empfindlicher Nerv berührt wird. Es liegt<br />
an den <strong>Muslimen</strong> selbst deutlich zu<br />
sagen, was sie unter Scharia verstehen<br />
<strong>und</strong> welche Bedeutung die Scharia auch<br />
für das Leben von <strong>Muslimen</strong> in nichtmuslimischer<br />
Umgebung haben soll.<br />
Weil dieser Punkt so heikel <strong>und</strong> gewiss<br />
auch mit Vorurteilen <strong>und</strong> Scheinwissen<br />
22 Vgl. <strong>zum</strong> aktuellen Stand des Islamunterrichts: STEFAN REICHMUTH/MARK BODENSTEIN/MICHAEL KIEFER/BIRGIT VÄTH (Hg.), Staatlicher Islamunterricht in Deutschland. Berlin, 2006.<br />
23 Vgl. IRKA-CHRISTIN MOHR, Islamischer Religionsunterricht in Europa. Bielefeld, 2005.<br />
24 Siehe vor allem PATRICIA CRONE, God’s rule. Government and Islam. New York, 2004. TILMAN NAGEL, Staat <strong>und</strong> Glaubensgemeinschaft im Islam. Geschichte der politischen Ordnungsvorstellungen<br />
der Muslime. 2 Bde. Zürich/München, 1981. Ausgezeichnete knappe Problematisierung bei GUDRUN KRÄMER, »Der Islam ist Religion <strong>und</strong> Staat«: Zum Verhältnis<br />
von Religion, Recht <strong>und</strong> Politik im Islam. In: F<strong>und</strong>amentalismus, Terrorismus, Krieg. Hrsgg. von WOLFGANG SCHLUCHTER. Weilerswist, 2003, S. 52 ff. Vgl. auch GUDRUN KRÄMER,<br />
Gottes Staat als Republik, Reflexionen zeitgenössischer Muslime zu Islam, Menschenrechten <strong>und</strong> Demokratie. Baden-Baden, 1999, S. 49 ff. BASSAM TIBI, Der wahre Imam. Der Islam von<br />
Mohammed bis zur Gegenwart. München, 1998.<br />
25 Sehr anregend ANGELIKA HARTMANN; Kalifat <strong>und</strong> Herrschaft im Islam. In: Geschichte <strong>und</strong> Erinnerung im Islam. Hrsgg. Von ANGELIKA HARTMANN. Göttingen, 2004. S. 223 ff.<br />
Kandel, Die »Wiener Erklärung« der Konferenz der Imame <strong>und</strong> SeelsorgerInnen<br />
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