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Beiträge zum Gespräch zwischen Christen und Muslimen 2 ... - cibedo

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egrüßenswerte Gr<strong>und</strong>sätze, die auch<br />

von weiten Teilen des politischen Spektrums<br />

<strong>und</strong> der christlichen Religionsgemeinschaften<br />

in Österreich <strong>und</strong> Deutschland<br />

vertreten werden. Die ökonomische<br />

Kritik an einer vermachteten Wirtschaft,<br />

die mitunter ihren Hauptzweck aus den<br />

Augen verliert, nämlich die Menschen<br />

mit Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen zu versorgen,<br />

<strong>und</strong> ausschließlich dem Fetisch<br />

des Renditenzuwachses huldigt, wird<br />

sicher von vielen <strong>Muslimen</strong> <strong>und</strong> Nicht-<br />

<strong>Muslimen</strong> geteilt. Wie das traditionelle<br />

islamische Zinsverbot (»riba«) für Gelddarlehen<br />

in eine globalisierte kapitalistische<br />

Wirtschaft passt, <strong>und</strong> ob die Alternative,<br />

die Erfolgsbeteiligungsfinanzierung,<br />

ähnliche wirtschaftliche Funktionen<br />

übernehmen kann, ist aber höchst strittig.<br />

Das islamische Banking-System wird<br />

auch längst nicht in allen islamischen<br />

Staaten praktiziert <strong>und</strong> selbst in den Staaten,<br />

die eine »islamische Finanzwirtschaft«<br />

praktizieren, gibt es Mischsysteme. Dennoch<br />

sollte die islamische Kritik am Zins,<br />

die auch von den christlichen Kirchen<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte lang geübt wurde, <strong>und</strong> die<br />

angebotenen flexiblen Alternativen zu<br />

weiteren Diskussionen über die Rolle der<br />

Geldwirtschaft im Kapitalismus Anlass<br />

sein. 30<br />

9. Frauen<br />

Die »Frauenfrage« gibt immer wieder<br />

Anlass zu heftigen <strong>und</strong> kontroversen<br />

Debatten, nicht nur <strong>zwischen</strong> <strong>Muslimen</strong><br />

<strong>und</strong> Nicht-<strong>Muslimen</strong>, sondern auch<br />

innerhalb der muslimischen communities.<br />

Seit Frauenrechte zu den internationalen<br />

Menschrechtsstandards gehören<br />

<strong>und</strong> in alle Verfassungen moderner demokratischer<br />

Staaten inkorporiert worden<br />

sind, hat sich der Druck auf jene islamischen<br />

Staaten massiv erhöht, in denen mit<br />

Hilfe ultrakonservativer <strong>und</strong> islamistischer<br />

Koran- <strong>und</strong> Traditionsauslegungen<br />

patriarchalisch-tribale Diskriminierungen<br />

CIBEDO-<strong>Beiträge</strong> 2/2006<br />

<strong>und</strong> Unterdrückung von Frauen gestützt<br />

wird. Es ist beklemmend, dass die Dominanz<br />

solcher Interpretationen nur von<br />

wenigen einzelnen progressiven muslimischen<br />

Intellektuellen <strong>und</strong> kleinen mutigen<br />

Frauengruppen bekämpft wird. 31<br />

Haben diese in islamischen Staaten einen<br />

schweren Stand, so ist es umso unverständlicher,<br />

warum Muslime »in der Diaspora«<br />

nicht viel kritischer <strong>und</strong> unverkrampfter<br />

mit diesen Traditionen umgehen,<br />

bietet doch die rechtsstaatliche <strong>und</strong><br />

pluralistische Demokratie glänzende<br />

Gelegenheiten zu offener <strong>und</strong> kritischer<br />

Diskussion, ohne dass die Beteiligten mit<br />

staatlichen Repressionen rechnen müssen.<br />

Die Ausführungen der Imame zur<br />

Frauenfrage schließen sich an die eingangs<br />

genannten, der WE vorangegangenen,<br />

öffentlichen Bek<strong>und</strong>ungen an.<br />

»Mann <strong>und</strong> Frau sind im Islam gleichwertige<br />

Partner« heißt es, »die gegenseitige Verantwortung<br />

tragen <strong>und</strong> gleich an Menschenwürde<br />

sind.« Als »Frauenrechte« werden<br />

bezeichnet: das »Recht auf Lernen<br />

<strong>und</strong> Lehre, das Recht auf Arbeit, finanzielle<br />

Unabhängigkeit, aktives <strong>und</strong> passives<br />

Wahlrecht, Teilhabe im gesellschaftlichen<br />

Diskurs«. Jede »Form von Verletzung von<br />

Frauenrechten« soll »kritisiert <strong>und</strong> bekämpft<br />

werden«. Weiterhin soll den Frauen<br />

»Chancengleichheit <strong>und</strong> mündige <strong>und</strong><br />

freie Orientierung … ermöglicht werden«.<br />

Diese Formulierungen klingen mutig, ja<br />

sogar kämpferisch. Gleichwohl sind einige<br />

äußerst ambivalent <strong>und</strong> verbergen<br />

geschickt eine konservative <strong>und</strong> patriarchalische<br />

Gr<strong>und</strong>haltung: Die Rede von<br />

der »Gleichwertigkeit« <strong>und</strong> gleichen<br />

Menschenwürde bezieht sich ausschließlich<br />

auf das Verhältnis von Mann <strong>und</strong><br />

Frau vor Gott. Von gesellschaftlicher<br />

Gleichberechtigung ist nicht die Rede, deshalb<br />

schließt die WE auch nicht an die in<br />

den internationalen Menschenrechtserklärungen<br />

<strong>und</strong> der österreichischen B<strong>und</strong>esverfassung<br />

(Art. 7) gewählten Formulierungen<br />

an 32 , was der einfachste Weg<br />

gewesen wäre, um allen Missverständnis-<br />

sen vorzubeugen, sondern gesteht den<br />

Frauen nur einige ausgewählte Rechte zu.<br />

Vom Recht auf individuelle Selbstbestimmung<br />

ist z.B. nicht die Rede, etwa vom<br />

Recht der Frau, sich auch einen nichtmuslimischen<br />

Ehepartner auszuwählen<br />

(Art. 16 der Allgemeinen Erklärung der<br />

Menschenrechte).<br />

Die Imame legen großen Wert auf die<br />

Unterscheidung von »Religion an sich«<br />

<strong>und</strong> kulturellen Traditionen. So wichtig<br />

Differenzierungen hier sind <strong>und</strong> so sehr<br />

jede »Verengung auf eine einzige religiöse<br />

Perspektive unzulässig« wäre, so problematisch<br />

ist es auch, wenn mit einer solchen<br />

Argumentation der religiöse Legitimationsanteil<br />

für frauenfeindliche Einstellungen<br />

<strong>und</strong> Diskriminierungen heruntergespielt<br />

werden soll. Islam in der Gegenwart<br />

ist nur zu verstehen, wenn der religiöse<br />

Kern im Kontext von Kulturen <strong>und</strong><br />

Zivilisationen gesehen wird. Es ist korrekt<br />

zu sagen, dass »frauenfeindliche Strukturen<br />

… verschiedene Ausformungen« haben <strong>und</strong><br />

deshalb »religions- <strong>und</strong> kulturübergreifendes<br />

Denken« sich »gemeinsam gegen familiäre<br />

Gewalt <strong>und</strong> strukturelle Benachteiligungen<br />

von Frauen« wenden sollte. Die<br />

Frage, nach den spezifisch religiösen Legitimationen<br />

von Frauenfeindlichkeit,<br />

gleichviel von welcher Religion sie ausgehen,<br />

bleibt aber relevant <strong>und</strong> muss im<br />

»Dialog« diskutiert werden. Die Imame<br />

sehen ja offensichtlich aufklärende »theologische<br />

Argumentationsschienen« <strong>und</strong><br />

möchten diese einbringen. Das könnte<br />

bei der geforderten Analyse des »Ehrbegriffes«<br />

praktisch fruchtbar werden, wenn<br />

tatsächlich einmal gefragt würde, welchen<br />

Anteil koranische <strong>und</strong> in der Tradition<br />

vorfindliche Denkfiguren neben<br />

»lokalen« <strong>und</strong> »kulturbedingten Vorstellungen«<br />

dabei haben.<br />

Die Imame wünschen eine »verstärkte<br />

Partizipation muslimischer Frauen«, um<br />

»Ausgrenzungstendenzen <strong>und</strong> Diskriminierungen«<br />

entgegen zu treten. Das dürfte<br />

Konsens in allen rechtsstaatlichen Demo-<br />

30 Vgl. JOHANNES REISSNER, Die innerislamische Diskussion zur modernen Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialordnung. In: ENDE/STEINBACH, Der Islam in der Gegenwart, S.152 ff.<br />

31 AMINA WADUD, Inside The Gender Djihad. Women’s Reform in Islam. Oxford, 2006. AMINA WADUD/AMINA WADID-MUHSIN, Qur’an and Woman: Rereading the Sacred Text<br />

from a Woman’s Perspective. Oxford, 1999. AZIZAH Y. AL-HIBRI, Qu’ranic Fo<strong>und</strong>ations of the Rights of Muslim Women In The Twenty-First Century. In: Women in Indonesian Society:<br />

Access, Empowerment, Opportunity 3. Edited by ATHO MUDZHAR et al., Sunan Kalijaga Press, 2001. S. 21. Dieselbe, Deconstructing Patriarchal Jurisprudence in Islamic Law. A Faithful<br />

Approach. In: A.K. WING/A. KATHERINE (Hg.) Feminism. An International Reader. New York/London, 2000. S. 3221 ff. RIFFAT HASSAN, Gender Equality and Justice in Islam.<br />

www.crescentlife.com/thisthat/members_one_of_another.htm<br />

32 In Artikel 7 der österreichischen B<strong>und</strong>esverfassung heißt es: (1) Alle B<strong>und</strong>esbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse <strong>und</strong> des<br />

Bekenntnisses sind ausgeschlossen (...) (2) B<strong>und</strong>, Länder <strong>und</strong> Gemeinden bekennen sich zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann <strong>und</strong> Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen<br />

Gleichstellung von Frauen <strong>und</strong> Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten sind zulässig. In Artikel 3, Absatz 2 GG steht: »Männer <strong>und</strong> Frauen sind<br />

gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen <strong>und</strong> Männern <strong>und</strong> wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.« Satz 2<br />

formuliert ein Staatsziel!<br />

Kandel, Die »Wiener Erklärung« der Konferenz der Imame <strong>und</strong> SeelsorgerInnen<br />

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