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Schlesische Nachrichten - Oberschlesien eine Region in Europa ...

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22<br />

Grimms „Wörterbücher“<br />

der Fall <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Doppeldiebstahls durch Polen<br />

Im Jahre 1838 begannen die Gebrüder<br />

Grimm, die vor allem durch ihre Sammlung<br />

deutscher Märchen bekannt geworden s<strong>in</strong>d,<br />

mit ihrer Arbeit an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m „Deutschen Wörterbuch“.<br />

Dieses Werk sollte alle Wörter der<br />

deutschen Sprache erfassen sowie deren<br />

Herkunft und Bedeutung wissenschaftlich bestimmen<br />

und erklären. Bis zum Tode Jakobs,<br />

des überlebenden älteren Bruders von Wilhelm,<br />

gedieh dieses riesige Vorhaben bis zum<br />

Wort „Frucht“. Erst 1961 war das Unternehmen<br />

abgeschlossen. Von den fertiggestellten<br />

Bänden des „Wörterbuches“ ließ der<br />

Verleger Salomon Hirzel den Brüdern Arbeitsexemplare<br />

anfertigen. Sie wiesen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

breiteren Rand auf, damit die Autoren handschriftliche<br />

Änderungen und Ergänzungen anbr<strong>in</strong>gen<br />

konnten. Diese Handbücher der Gebrüder<br />

Grimm mit ihren Anmerkungen waren<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg spurlos verschwunden.<br />

Im September 2005 nun erhielt<br />

der neuseeländische Germanist Alan Kirkness,<br />

der schon dreißig Jahre nach diesen<br />

Bänden gesucht hatte, aus Krakau die Nachricht,<br />

neun solche Wörterbuchexemplare<br />

seien <strong>in</strong> der dortigen Universitätsbibliothek<br />

gefunden worden. Wie waren diese Buchschätze<br />

nach Krakau gekommen?<br />

Die Bände waren <strong>in</strong> den Besitz der Preußischen<br />

Staatsbibliothek gelangt und <strong>in</strong> deren<br />

Handschriftensammlung aufgenommen<br />

worden. Um sie vor Zerstörungen zu schützen,<br />

waren Teile der Bestände <strong>in</strong> das Kloster<br />

Grüssau bei Hirschberg ausgelagert worden.<br />

„An Pf<strong>in</strong>gsten 1945 – 20/21. Mai“, so hält<br />

Pater Ambrosius Rose <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Er<strong>in</strong>nerungen<br />

fest, „kommt die Kunde, dass Schlesien<br />

unter polnische Zivilverwaltung gestellt werde.“<br />

Die meist katholische Bevölkerung<br />

Grüssaus glaubte von den katholischen Polen<br />

nichts Schlimmes befürchten zu müssen.<br />

„Wie wurden wir bitter enttäuscht! Nun begann<br />

die furchtbarste Notzeit für uns durch<br />

die Brutalität der Polen, die ihrem Hass gegen<br />

alles Deutsche freiesten Lauf ließen. Bald<br />

erfolgten Beschlagnahmen von Radios, Waffen,<br />

Wertsachen.“ Wie das Kloster, so erklärte<br />

Polen auch dessen wertvolle Kulturbestände<br />

zu polnischem Staatseigentum; die Handschriftensammlung<br />

der Preußischen Staatsbibliothek<br />

wurde nach Krakau geschafft.<br />

Nun also s<strong>in</strong>d die Grimmschen Handexemplare<br />

wieder aufgetaucht. Aber nicht nur<br />

die polnische, auch die deutsche Seite geht<br />

mit der größten Selbstverständlichkeit davon<br />

aus, dass diese Bücher mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m unschätzbaren<br />

wissenschaftlichen und antiquarischen<br />

Wert <strong>in</strong> polnischem Besitz verbleiben. Es wird<br />

noch nicht e<strong>in</strong>mal der Gedanke erwogen, ob<br />

nicht diese Buchbestände, da sie ja nicht zum<br />

schlesischen Kulturerbe gehören, sondern Eigentum<br />

der Preußischen Staatsbibliothek s<strong>in</strong>d,<br />

eigentlich an Deutschland zurückgegeben<br />

werden müssten.<br />

Wie Pater Rose <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Er<strong>in</strong>nerungen<br />

völlig zutreffend mitteilt, wurde Schlesien<br />

– von Stal<strong>in</strong> nach der deutschen Kapitulation<br />

– unter „polnische Zivilverwaltung“ gestellt.<br />

Die äußerste Konzession, zu der sich<br />

HISTORISCHES <strong>Schlesische</strong> <strong>Nachrichten</strong> 24/2007-01/2008<br />

die von dieser Vorentscheidung Stal<strong>in</strong>s überraschten<br />

angloamerikanischen Staatsoberhäupter<br />

Truman und Churchill <strong>in</strong> Potsdam<br />

<strong>in</strong> der Frage der polnischen Westgrenze<br />

bewegen ließen, war die Anerkennung<br />

der polnischen (bzw. sowjetischen)<br />

Verwaltung der Gebiet östlich von Oder und<br />

Neiße. Mehrfach betont das Potsdamer Protokoll,<br />

dass erst der bevorstehende Friedensvertrag<br />

die Grenze zwischen Deutschland<br />

und Polen festlegen werde. Es ist völkerrechtlich<br />

völlig unstrittig, dass die Verwaltung,<br />

die e<strong>in</strong> Staat über e<strong>in</strong> nicht zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />

Staatsgebiet gehörendes Territorium<br />

ausübt, k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Eigentumsansprüche an diesem<br />

verwalteten Gebiet begründen kann.<br />

Alte Dokumente erzählen, Teil XIV.<br />

Heutige Bildpostkarten im Zeitalter von SMS,<br />

Taschentelefon und tragbarem Rechner muten<br />

uns fast schon altertümlich an, und haben<br />

trotzdem nichts von ihrem besonderen<br />

Reiz verloren. Den modernen Massenmedien<br />

zum Trotz behaupten sich die kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />

Bildträger weiterh<strong>in</strong> am heiß umkämpften<br />

medialen <strong>Nachrichten</strong>markt. Mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Alter<br />

von immerh<strong>in</strong> über 130 Jahren zählt die,<br />

volkstümlich nur als Ansichtskarte bezeichnete,<br />

Bildpostkarte zu den ältesten<br />

<strong>Nachrichten</strong>trägern der Neuzeit. E<strong>in</strong> Kuriosum<br />

stellt dabei die hier abgebildete Spaltkarte<br />

dar, für deren Namensgebung die Trennung<br />

bzw. Spaltung der Bildseite namensgebend<br />

ist. Gleich zwei, <strong>in</strong> ihrer <strong>Region</strong> bedeutende<br />

Sakralbauten wählte damals die<br />

Druckerei für die Kartenbildseite aus. Dargestellt<br />

ist neben dem mittelalterlichen Ensemble<br />

von Dom- und Severikirche <strong>in</strong> Erfurt<br />

die berühmte Kirche Wang an der<br />

Schneekoppe, die heute noch e<strong>in</strong> aktiv genutztes<br />

Gotteshaus der evangelisch-augsburgischen<br />

Religion ist. Den meisten Schlesiern<br />

ist die Geschichte dieses Sakralbauwerks<br />

bekannt, trotzdem soll, quasi als Exkurs<br />

<strong>in</strong> dessen Historie, hier <strong>e<strong>in</strong>e</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Abhandlung<br />

derselben folgen. Ihren recht eigentümlichen<br />

Namen verdankt die Kirche<br />

dem Wang-See <strong>in</strong> Norwegen, wo das Bauwerk<br />

im 18. Jahrhundert am Fuße des 1724<br />

Meter hohen Gr<strong>in</strong>dafiellet-<br />

Berges entstand.<br />

Nach skand<strong>in</strong>avischen<br />

Über-<br />

Deshalb waren die Annexion der deutschen<br />

Ostprov<strong>in</strong>zen durch Polen (und des Königsberger<br />

Gebietes durch die Sowjetunion),<br />

die Enteignung des Privatbesitzes der<br />

Ostdeutschen und die Konfiskation deutschen<br />

Staatseigentums <strong>in</strong> diesen Gebieten<br />

nichts weniger als e<strong>in</strong> ganz ord<strong>in</strong>ärer Diebstahl.<br />

Wenn aber Polen auch ausgelagertes<br />

Reichsgut <strong>in</strong> Ostdeutschland konfiszierte,<br />

dann erfüllte das e<strong>in</strong>deutig den Tatbestand<br />

des zweifachen Diebstahls.<br />

Immer wieder taucht das Thema der<br />

Rückgabe von „Beutegut“ durch Russland<br />

an Deutschland auf (wie etwa die des bekannten<br />

„Schatzes des Priamos“, den<br />

Schliemann <strong>in</strong> Troja gefunden hatte). Wie<br />

lässt sich dieser Unterschied <strong>in</strong> der Beurteilung<br />

von kulturellem Beutegut aus<br />

Deutschland <strong>in</strong> Russland und <strong>in</strong> Polen klären?<br />

Georg Friebe<br />

lieferungen lebte hier e<strong>in</strong>st der Troll T<strong>in</strong>dull<br />

Gr<strong>in</strong>do, welcher zuerst den Katholiken<br />

später dann den Protestanten zu Diensten<br />

war. Im 19. Jahrhundert zeigten sich die Kapazitätsgrenzen<br />

der Kirche, was zu viele<br />

Gläubige für e<strong>in</strong> zu kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Gotteshaus bedeutete.<br />

Guter Rat war nun gefragt. Man entschloss<br />

sich zum Verkauf desselben, um mit<br />

dem Erlös <strong>e<strong>in</strong>e</strong> größere Kirche zu erbauen.<br />

Als Käufer fungierte umgehend der preußische<br />

Monarch, dem das Bauwerk sehr zusagte.<br />

Friedrich Wilhelm IV. aus dem Hause<br />

Hohenzollern, auch der Romantiker auf<br />

dem Thron genannt, erwarb die Kirche für<br />

427 Reichstaler mit der Intention, diese auf<br />

der Pfauen<strong>in</strong>sel bei Berl<strong>in</strong> neu aufzubauen.<br />

Mit Argumenten stellte sich Gräf<strong>in</strong> von Reden<br />

dem königlichen Ans<strong>in</strong>nen entgegen.<br />

Schließlich akzeptierte der König deren<br />

Wunsch und stimmte der Übertragung an<br />

<strong>e<strong>in</strong>e</strong> evangelische Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Schlesien<br />

zu. Der Neuaufbau der Kirche Wang fand<br />

mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Grundste<strong>in</strong>legung <strong>in</strong> Anwesenheit<br />

des Monarchen am 2. Juli 1841 statt, wofür<br />

Graf von Schaffgotsch das Terra<strong>in</strong> der<br />

Geme<strong>in</strong>de schenkte. Noch drei Jahre sollten<br />

<strong>in</strong>s Land gehen, bis am 28. Juli 1844 die<br />

feierliche Eröffnung des Sakralbaus stattfand.<br />

Auf der vorliegenden Postkarte ist noch<br />

die ursprüngliche Apsis der Kirche Wang zu<br />

sehen, die heute nicht mehr existiert.<br />

Hans-Peter Brachmanski<br />

Unser Vaterland heißt Deutschland<br />

L<strong>in</strong>ke Seite: Die Kirche Wang<br />

im Riesengebirge, rechte<br />

Seite: Erfurt, Dom<br />

und Severikirche<br />

Foto: Hans-Peter<br />

Brachmanski

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