Schlesische Nachrichten - Oberschlesien eine Region in Europa ...
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HEIMAT SCHLESIEN /KULTUR <strong>Schlesische</strong> <strong>Nachrichten</strong> 24/2007-01/2008<br />
Weihnachten <strong>in</strong> Schlesien von He<strong>in</strong>z G. Me<strong>in</strong>hard<br />
Wenn man <strong>in</strong> die Jahre gekommen ist, dann<br />
kann man auf e<strong>in</strong> schönes Stück des Weges<br />
zurückblicken. Man ist weit rumgekommen<br />
und hat viel erlebt. Andere Länder, andere<br />
Sitten – so sagt man. Das beg<strong>in</strong>nt beim<br />
Essen, bei den Getränken, die <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n beten<br />
vorher, die anderen h<strong>in</strong>terher. Die meistens<br />
aber kennen das Tischgebet überhaupt nicht.<br />
Das hängt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie von der Religiösität<br />
der Menschen ab. In stark katholisch frequentierten<br />
Gegenden ist die Gottesverehrung<br />
<strong>in</strong>tensiver ausgeprägt, als <strong>in</strong> evangelisch<br />
protestantischen <strong>Region</strong>en. Das ist nun<br />
mal so.<br />
Wie war es eigentlich bei uns <strong>in</strong> der Heimat,<br />
bei uns zuhause? Welchen E<strong>in</strong>fluß hatte<br />
die christliche Religion auf das Tagesgeschehen?<br />
Bei uns <strong>in</strong> Kreuzburg, dieser mittelgroßen<br />
Stadt (ca. 20.000 E<strong>in</strong>wohner) <strong>in</strong> <strong>Oberschlesien</strong>,<br />
da herrschten ganz besondere Sitten.<br />
Jesus Christus war zwar für alle der Sohn<br />
Gottes, doch der Pabst war nicht für alle das<br />
kirchliche Oberhaupt. <strong>Oberschlesien</strong> war bekannt<br />
für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n strengen Katholizismus mit<br />
allen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Merkmalen. Es begann mit der<br />
Ablehnung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Mischehe und endete mit<br />
der Verachtung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Heiden. Und die Evangelischen<br />
waren <strong>in</strong> den Augen der Kirchenvertreter,<br />
der Priester, Abtrünnige, die ke<strong>in</strong><br />
Anrecht auf ihren Glauben hatten. So waren<br />
große Mauern entstanden, die die Menschen<br />
im Alltag trennten.<br />
In Kreuzburg war das anders. Im Stadtgebiet<br />
wohnten fast nur Protestanten, das<br />
heißt, mehr als 90 % der Bürger waren evangelisch.<br />
Deshalb gab es auch nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong> katholische<br />
Kirche. Aber alle Dörfer im Umkreis<br />
dieser Kreisstadt waren zu 100 % katholisch<br />
orientiert.<br />
Diese Besonderheit machte sich auch zu<br />
Weihnachten bemerkbar. Bei den evangelischen<br />
K<strong>in</strong>dern kam der Knecht Ruprecht mit<br />
dem Christk<strong>in</strong>d auf dem Schlitten und brachte<br />
die Geschenke, nicht ohne vorher sich zu<br />
überzeugen, dass die K<strong>in</strong>der artig waren und<br />
etwas Weihnachtliches auswendig gelernt<br />
hatten. Er kam am späten Nachmittag des<br />
Heiligen Abends und kündigte sich mit dem<br />
Klang vieler Glöckchen an. Vorher aber mussten<br />
die Pflichten des Tages erledigt worden<br />
se<strong>in</strong>. Es wurde gebadet und festliche<br />
Garderobe angezogen. In der Küche brutzelte<br />
die Mutter das Festessen – es war immer<br />
Karpfen nach Müller<strong>in</strong> Art gebraten mit<br />
Salzkartoffeln, Sauerkraut und Erbsenpüree.<br />
Dazu gab es <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n lieblichen<br />
Weißwe<strong>in</strong>, die K<strong>in</strong>der bekamen Apfelsaft oder<br />
Milch.<br />
Der große Moment kam, wenn auch der<br />
Vater am Tisch Platz genommen hatte. Dann<br />
wurden die Hände gefaltet und der Vater begann<br />
<strong>in</strong> feierlichem Ton das Gebet zu sprechen:<br />
„Komm’ Herr Jesu, sei unser Gast –<br />
und segne, was Du uns bescheret hast.“<br />
Dann sagten wir alle „Amen“ und es blieb<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganze Weile still. Endlich sagte die Mutter<br />
„Guten Appetit“ und das Schmausen<br />
konnte beg<strong>in</strong>nen. Die Arbeit vieler Stunden<br />
war <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Handvoll M<strong>in</strong>uten Vergangen-<br />
heit geworden. Alle wischten sich genüsslich<br />
mit der Serviette den Mund und begannen<br />
wieder mit dem Erzählen. Die Mutter<br />
legte e<strong>in</strong> Dutzend Schuppen des Fisches<br />
auf den Tisch, damit sich jeder bedienen<br />
konnte. Der Überlieferung nach sollte dem<br />
Besitzer <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Schuppe das Portemonnaie<br />
nie leer werden, solange diese Schuppe Mitbewohner<br />
war. Also wurden die Geldbörsen<br />
geöffnet und mit leisem Gemurmel <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Schuppe h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> getan. Dann begann die<br />
Spannung zu steigen. Die Mutter forderte die<br />
K<strong>in</strong>der auf, sich <strong>in</strong> ihr Zimmer zurückzuziehen.<br />
Das Christk<strong>in</strong>d wollte das so – doch<br />
tatsächlich wollte die Mutter <strong>in</strong> Ruhe den Abwasch<br />
tätigen, damit sie nach der Bescherung<br />
auch Anteil an der Freude der K<strong>in</strong>der<br />
haben konnte. Ich er<strong>in</strong>nere mich, dass m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Neugier dermaßen angewachsen war,<br />
dass ich auf die seltsamsten Ideen kam, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Weg zu f<strong>in</strong>den, das Christk<strong>in</strong>d als erster<br />
zu sehen.<br />
Es ist mir aber nie gelungen. Als ich noch<br />
nicht zur Schule g<strong>in</strong>g, besuchte uns der<br />
Ausstellung anlässlich des 150. Todestags des<br />
Dichters Joseph von Eichendorff <strong>in</strong> Freiburg<br />
Auf reges Interesse stieß schon bei der Eröffnung<br />
<strong>in</strong> Freiburg <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bemerkenswerte<br />
Ausstellung, die der Landesvorsitzende der<br />
<strong>Schlesische</strong>n<br />
Landsmannschaft,<br />
Günther Zimmermann,<br />
nach Baden-<br />
Württemberg<br />
geholt hat. Angeregt<br />
durch die poetischen<br />
Bilder<br />
des <strong>in</strong> <strong>Oberschlesien</strong><br />
geborenen<br />
Dichters Eichen-<br />
dorff, suchten die<br />
Schüler und Schüler<strong>in</strong>nen<br />
des Evangelischen Gymnasiums<br />
<strong>in</strong> Köthen (Sachsen-Anhalt), wo sich Eichendorff<br />
für kurze Zeit aufhielt, nach dem<br />
„Romantischen“ <strong>in</strong> ihrem Leben und verarbeiteten<br />
dieses Motiv <strong>in</strong> ausgezeichneten<br />
Bildern und Texten. Die Schüler<strong>in</strong>nen<br />
und Schüler der 9. Klasse des Gymnasiums<br />
hatten die Aufgabe, Gedichte zu illustrieren<br />
oder <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Hommage an Eichendorff<br />
mit selbst gewählten Gedichten zu erstellen.<br />
Die entstandenen Arbeiten vermitteln,<br />
was die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />
mit dem Dichter Eichendorff als Person<br />
verb<strong>in</strong>den.<br />
Nach der Begrüßung der zahlreichen<br />
Gäste durch den Vorsitzenden der <strong>Schlesische</strong>n<br />
Landsmannschaft, Gotthard Boronowski,<br />
und den Direktor des Evangelischen<br />
Stifts, das schon bisher die Kulturarbeit<br />
der Kreisgruppe Freiburg unterstützt<br />
hat, gestalteten Frau Schuster-Schmah,<br />
Frau Möller-Nüssle und Frau Pelikan den<br />
Abend literarisch und musikalisch <strong>in</strong> hervorragender<br />
Weise. Dabei wurde über die<br />
Knecht Ruprecht persönlich. Aber ohne das<br />
Christk<strong>in</strong>d. Das war angeblich bei den lieben<br />
Nachbark<strong>in</strong>dern, weil das alles<br />
Mädchen waren. Als ich dann selbst <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Schwester bekam – das war nach dem Krieg<br />
und fern der Heimat – kam das Christk<strong>in</strong>d<br />
auch nicht. Es soll <strong>in</strong> Schlesien k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ausreise-Genehmigung<br />
erhalten haben.<br />
Endlich aber kam dieser wunderbare<br />
Klang aus dem Wohnzimmer. Es war, als<br />
wollten alle Engle<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>mal ihre<br />
Glöckchen bimmeln lassen. E<strong>in</strong> gewaltiges<br />
Glücksgefühl kam auf und ließ die Spannung<br />
auf den Siedepunkt steigen. Mutter öffnete<br />
die Tür des K<strong>in</strong>derzimmers und flüsterte,<br />
dass das Christk<strong>in</strong>d schon da war und leider<br />
wieder weitergehen musste. Es habe<br />
aber was hier gelassen. Mal sehen, ob was<br />
für Dich dabei ist.<br />
Sie führte mich an der Hand und stieß die<br />
Wohnzimmertür auf. Mir stockte der Atem.<br />
E<strong>in</strong> großer Weihnachtsbaum, die Spitze stieß<br />
an die Decke, erstrahlte mit vielen, vielen Kerzen<br />
im weihnachtlichen Glanz. Ich war<br />
sprachlos und fasz<strong>in</strong>iert von dem Licht und<br />
den vielen bunten Kugeln und dem glitzernden<br />
Lametta. Dass unter dem Baum Pa-<br />
Biografie Eichendorffs sichtbar, <strong>in</strong> welch<br />
schwieriger Zeit er lebte, <strong>in</strong> welcher Spannung<br />
zwischen Existenzsicherung und<br />
Dichtung. Heute<br />
s<strong>in</strong>d s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Werke<br />
<strong>in</strong> über 120 Sprachen<br />
weltweit<br />
verbreitet, und er<br />
ist der am meisten<br />
vertonte Dichter<br />
Deutschlands. Der<br />
Abend klang aus<br />
im geme<strong>in</strong>sam<br />
gesungenen Lied<br />
„Wem Gott will<br />
Schüler malten und zeichneten Eichendorff-Gedichte rechte Gunst erweisen“.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Höhepunkt der Ausstellung,<br />
die bis zum 12. November 2007<br />
dauerte, war der des Rosenau-Trios aus Baden-Baden<br />
se<strong>in</strong>, das die berühmte Novelle<br />
„Aus dem Leben <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Taugenichts“ musikalisch<br />
gestaltete. Gotthard Boronowski<br />
TERMINE<br />
Museum im Haus Schlesien, Ausstellungen im Dezember:<br />
Verlängerung der Sonderausstellung „O Taler<br />
weit, o Hohen...“ bis zum 20. Januar 2008,<br />
1. Dezember 2007 bis 27. Januar 2008: Advent,<br />
Advent... Sonderausstellung zum weihnachtlichen<br />
Brauchtum <strong>in</strong> Schlesien<br />
9. Dezember 2007 bis 3. Februar 2008 (Eichendorffsaal)<br />
<strong>Schlesische</strong> Kirchen – Ruf zum Glauben<br />
und zur Versöhnung<br />
20. und 21. Dezember 2007– An diesen beiden<br />
Vorweihnachstagen bietet das Museum für Familien<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n besonderen Anreiz. Eltern mit ihren K<strong>in</strong>dern<br />
(bis 18 Jahre) können das Museum für <strong>in</strong>sgesamt<br />
2,50 EUR besuchen. Am Freitag, 21. Dezember<br />
2007 wird von 15 – 17 Uhr e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>derprogramm<br />
zur Ausstellung „Weihnachtliches<br />
Brauchtum <strong>in</strong> Schlesien“ mit weihnachtlicher Märchenstunde<br />
und Basteln typisch schlesischer<br />
Weihnachtsdekoration. Die Materialkosten für das<br />
K<strong>in</strong>derprogramm liegen bei 4 EUR pro K<strong>in</strong>d. Anmeldungen<br />
erbeten unter 0 22 44/886 231.