27.02.2013 Aufrufe

SEMANTISCHES UND MORPHOLOGISCHES TEMPUS: ZUR ...

SEMANTISCHES UND MORPHOLOGISCHES TEMPUS: ZUR ...

SEMANTISCHES UND MORPHOLOGISCHES TEMPUS: ZUR ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

v.Stechow Ausdruck: 11.08.2005<br />

Kongruenz. Dieser Ansatz ergibt sich aus der Systematik von Sternefelds Merkmalsyntax,<br />

die ich unten einführe.<br />

Im Zusammenhang mit der Interpretation des deutschen Präsens frage ich mich, ob im<br />

Deutschen unter einem Präsens immer ein kovertes Futur eingesetzt werden darf. Dies scheint<br />

nötig zu sein wegen der Äquivalenz der folgenden beiden Sätze:<br />

(1-6) a. Ich bin morgen in Berlin.<br />

b. Ich werde morgen in Berlin sein.<br />

Die Äquivalenz ist nicht trivial, da der erste Satz zum Beispiel im Englischen in seiner episodischen<br />

Lesart nicht grammatisch ist:<br />

(1-7) *I am in Berlin tomorrow.<br />

Die Antwort ist, dass man ein kovertes Futur annehmen muss, wenn man das deutsche Präsens<br />

wie das englische deutet. Man kommt wohl ohne ein kovertes Futur aus, wenn man das<br />

deutsche Präsens spiegelbildlich zum Perfekt deutet als eine Zeit, von der kein Teil vor der<br />

Sprechzeit liegen darf.<br />

Man kommt dann rasch zu Modalen und stellt die Vermutung auf, dass man unter<br />

Modalen ebenfalls immer ein kovertes Futur einsetzen kann:<br />

(1-8) a. Caroline kann in Berlin sein<br />

b. *Caroline kann gestern in Berlin sein.<br />

c. OK Caroline kann gestern in Berlin gewesen sein.<br />

d. Caroline kann morgen in Berlin sein.<br />

Modale haben eine Gleichzeitigkeitsorientierung oder Nachzeitigkeitsorientierung. Die Frage,<br />

die sich stellt, lautet: Folgt diese Eigenschaft aus der Semantik der Modale oder darf<br />

man unter einem Modal optional immer ein kovertes Futur einsetzen? Konditionale verhalten<br />

sich wie Modale, weisen aber noch einige zusätzliche Komplikationen auf. Dies führt zu<br />

dem heiklen Gebiet der temporalen Orientierung von Modalen, wozu es nach meiner<br />

Kenntnis nur wenig an Literatur gibt.<br />

Der Gang der Überlegungen ist der folgende. Wir motivieren zunächst, dass man prinzipiell<br />

zwischen interpretierten und nicht interpretierten Merkmalen unterscheiden muss. In<br />

den hier betrachteten Fälle sind die uninterpretierten Merkmale immer die morphologischen<br />

Merkmale eines Kopfes. Wir sagen dann etwas zur Theorie der Merkmalsüberprüfung.<br />

Für das Tempus gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: (a) das semantische Tempus<br />

könnte das Finitum selegieren; (b) das Finitum könnte das semantische Tempus selegieren.<br />

Ich behandle die beiden Alternativen im Rahmen von Sternefelds Merkmalsyntax und komme<br />

zu dem Schluss, dass das semantische Tempus vom Finitum selegiert wird. Daraus ergeben<br />

sich wichtige Konsequenzen für die Tempuskongruenz in Einstellungskonstruktionen.<br />

In einem weiteren Abschnitt führe ich zunächst die Semantik ein und liste eine ganze<br />

Reihe von Tempusbedeutungen auf (deiktisches Tempus, Relativtempus, Nulltempus, anaphorisches<br />

Tempus).<br />

In einem nächsten Abschnitt gebe ich präzise Strukturen für einfache Temporalkonstruktionen<br />

mitsamt ihren Interpretationen an und zeige, wie semantische und morphologische<br />

Merkmale zusammen spielen.<br />

In einem weiteren Abschnitt zeige ich, dass einiges dafür spricht, dass es koverte relative<br />

Tempora gibt (kovertes Futur im Deutschen, kovertes Futur und Perfekt im Russischen).<br />

Die Distribution dieser koverten Tempora muss beschränkt werden. Für das Deutsche ist das<br />

koverte Futur ein Relikt früherer Überlegungen. Ich werde es fast vollständig eliminieren.<br />

3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!