Frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr! - Österreich Journal
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 55 / 14. 12. 2007<br />
Archive sind in mehrfacher Hinsicht<br />
lebende Institutionen. Und damit sind wir<br />
bei dem, was die Betroffenen, also die Gem<strong>ein</strong>de<br />
selbst tun sollte. Schließlich ist es in<br />
ihrem Interesse, <strong>ein</strong> wohlgeordnetes <strong>und</strong> leistungsfähiges<br />
Archiv zu besitzen. Die 2006<br />
ins Leben gerufene Qualitätsoffensive für<br />
Gem<strong>ein</strong>dearchive, die von LR Sobotka angeregt<br />
wurde, <strong>und</strong> dem NÖ Landesarchiv<br />
<strong>ein</strong>e ganze Reihe alter Wünsche erfüllt, versucht<br />
interessierte Gem<strong>ein</strong>den mit Rat <strong>und</strong><br />
Tat zu unterstützen. Wenn man so will, um<br />
durch Beratung, Knowhow-Transfer <strong>und</strong><br />
finanzielle Unterstützung zur Selbsthilfe zu<br />
ermuntern.<br />
Hilfe zur Selbsthilfe<br />
Zunächst ist es wichtig, daß jede Gem<strong>ein</strong>de<br />
<strong>ein</strong>e für das Archiv verantwortliche<br />
Person bestellt. Wir sind nicht irreal veranlagt<br />
<strong>und</strong> wissen daher, daß hier nicht von<br />
<strong>ein</strong>er Anstellung die Rede s<strong>ein</strong> kann. Aber<br />
<strong>ein</strong>es der Probleme vieler Gem<strong>ein</strong>dearchive<br />
ist die Tatsache, daß eigentlich niemand wirklich<br />
zuständig ist. Diese Person sollte engen<br />
Kontakt mit dem Landesarchiv halten. Hier<br />
bekommt sie fachliche Beratung, <strong>und</strong> im<br />
Rahmen der erfolgreich angelaufenen Qualitätsoffensive<br />
für Gem<strong>ein</strong>dearchive wurden<br />
Seminare für Gem<strong>ein</strong>dearchivare <strong>ein</strong>geführt,<br />
die mittlerweile von nicht weniger als 90 Interessenten<br />
absolviert wurden. Diese Person<br />
muß auch jene s<strong>ein</strong>, die im Falle der Benützung<br />
der Archivalien die Aufsicht erledigt<br />
<strong>und</strong> dafür sorgt, daß alles wieder vollzählig<br />
rückgestellt wird. So grob das jetzt auch klingen<br />
mag: Unbeaufsichtigte Benützer sind <strong>ein</strong>e<br />
Quelle oft herber Verluste an Archivalien.<br />
Das zweite ist, daß sich die Gem<strong>ein</strong>de im<br />
klaren s<strong>ein</strong> muß, daß <strong>ein</strong> Archiv <strong>ein</strong>en gewissen<br />
Platzbedarf hat. Und der klassische Aufenthaltsort<br />
des Archivs, nämlich der Keller<br />
oder der Dachboden, ist der konservatorisch<br />
schlechteste, der sich denken läßt. Das bestgeordnete<br />
Archiv wird dort verrotten. Der<br />
Raum sollte ausdrücklich für das Archiv gewidmet<br />
<strong>und</strong> <strong>ein</strong>gerichtet s<strong>ein</strong>:<br />
Daher ist drittens <strong>ein</strong>e gewisse materielle<br />
Ausstattung, die zweifelsohne Geld kosten<br />
wird, unerläßlich. Das beginnt mit <strong>ein</strong>er<br />
zweckmäßigen Regalanlage, geht weiter mit<br />
geeigneten Archivkartons <strong>und</strong> eventuell<br />
auch <strong>ein</strong>er Lüftungs<strong>ein</strong>richtung.<br />
Viertens ist Archivieren nicht <strong>ein</strong>fach das<br />
Ablegen alter Akten, sondern <strong>ein</strong>e anspruchsvolle<br />
Arbeit, die nicht nur das Ordnen <strong>und</strong><br />
Skartieren, sondern auch die konservatorischen<br />
Vorsorgen für die Langzeitlagerung<br />
Kultur<br />
umfaßt. Falls also nicht schon <strong>ein</strong>e Basis, sei<br />
es durch <strong>ein</strong>e vorhandene alte Ordnung, sei<br />
es durch den seltenen Fall <strong>ein</strong>er Erhaltung<br />
der Registraturen vorliegt, so wird <strong>ein</strong>e Neuordnung<br />
unerläßlich s<strong>ein</strong>. Diese wiederum<br />
kann durch den Gem<strong>ein</strong>dearchivar, aber<br />
auch unter dessen Leitung oder Aufsicht<br />
durch Dritte, etwa Mitarbeiter des Netzwerks<br />
Geschichte, erfolgen. Auch das kann<br />
Geld kosten, ist aber <strong>ein</strong>e wertvolle Investition<br />
für die Zukunft.<br />
Fünftens sollte man sich dessen bewußt<br />
werden, daß <strong>ein</strong> Gem<strong>ein</strong>dearchiv k<strong>ein</strong> abgeschlossener<br />
toter Archivkörper ist. Vielmehr<br />
soll es auch jene Akten, die derzeit <strong>und</strong><br />
aktuell von der Gem<strong>ein</strong>deverwaltung produziert<br />
werden aufnehmen. In 50 oder 100 <strong>Jahr</strong>en<br />
sind sie das historische Material, auch<br />
wenn sie jetzt noch nicht so spektakulär zu<br />
s<strong>ein</strong> sch<strong>ein</strong>en wie <strong>ein</strong>e Markterhebungsurk<strong>und</strong>e<br />
aus dem 15. <strong>Jahr</strong>h<strong>und</strong>ert. In den letzten<br />
150 <strong>Jahr</strong>en hat man diesen Umstand leider<br />
nur wenig berücksichtigt. Wir finden daher<br />
sehr oft w<strong>und</strong>erbare mittelalterliche Ur-<br />
»<strong>Österreich</strong> <strong>Journal</strong>« – http://www.oesterreichjournal.at<br />
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k<strong>und</strong>en <strong>und</strong> barocke Handschriften, aber k<strong>ein</strong><br />
Material zur Zeit nach 1850; es ist daher auf<br />
Gem<strong>ein</strong>deebene oft mühsamer, <strong>ein</strong>e Geschichte<br />
der 20er- oder 30er- <strong>Jahr</strong>e zu schreiben,<br />
als <strong>ein</strong>e des Spätmittelalters oder der<br />
Frühen Neuzeit.<br />
Eulen nach Athen getragen<br />
Wenn ich nun m<strong>ein</strong>e Ausführungen beende,<br />
dann ich stelle fest, daß ich damit anläßlich<br />
der Eröffnung des Retzer Stadtarchivs<br />
Eulen nach Athen getragen habe. Die Stadt<br />
Retz kann sich glücklich schätzen, durch zukunftsweisende<br />
Maßnahmen <strong>ein</strong>e gute Basis<br />
für ihr Archiv gesichert zu haben. Das betrifft<br />
die räumliche Unterbringung ebenso<br />
wie die ständige Betreuung des Archivs. Aus<br />
der Sicht des Landesarchivs wären wir froh,<br />
hätten wir mehr Gem<strong>ein</strong>dearchive dieses<br />
Standards in unserem B<strong>und</strong>esland. Am wesentlichsten<br />
aber ist, daß man in Retz erkannt<br />
hat, welch hohe Bedeutung <strong>ein</strong> funktionierendes<br />
Gem<strong>ein</strong>dearchiv hat. �<br />
Das Archiv der Stadt Retz<br />
Am 11. November 1948 schrieb die Stadtgem<strong>ein</strong>de<br />
Retz an die Generaldirektion<br />
des <strong>Österreich</strong>ischen Staatsarchivs, daß die<br />
Aufgabe des Retzer Archivs die „Sammlung<br />
aller auf die Stadtgeschichte <strong>und</strong> Stadtverwaltung<br />
bezughabenden Schriften <strong>und</strong> Ur-<br />
k<strong>und</strong>en“ sei. Diese jahrh<strong>und</strong>ertelange Sammeltätigkeit<br />
hat die Bestände zu <strong>ein</strong>er beachtlichen<br />
Größe anwachsen lassen, die trotz<br />
der Kl<strong>ein</strong>heit der Stadt von durchaus großer<br />
<strong>und</strong> auch überregionaler Bedeutung sind <strong>und</strong><br />
in Historiker- <strong>und</strong> Archivarskreisen aner-<br />
Im April 1979 konnten Räumlichkeiten der ehemaligen Handelsschule im 1. Stock<br />
des rückwärtigen Teiles des Retzer Stadtamtes bezogen werden.