DSS-Heft 80-2006
DSS-Heft 80-2006
DSS-Heft 80-2006
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
4<br />
Wolfgang Scheler<br />
Vorwort<br />
Es erschien uns angemessen, an einem Jahrestag, der immerhin für ein halbes Jahrhundert<br />
steht, Rückschau zu halten auf die Nationale Volksarmee. Freilich handelt<br />
es sich nicht um ein Jubiläum, wie es die Bundeswehr ein Jahr zuvor mit allen staatlichen<br />
Ehren gefeiert hat. Aber die Nationale Volksarmee hat es über mehr als drei<br />
Jahrzehnte auf deutschem Boden gegeben – länger als die Reichswehr und die<br />
Wehrmacht – und man wird die Erinnerung an sie nicht los, indem man sie beschweigt<br />
oder sie einfach als Machtorgan eines Unrechtsstaates abtut.<br />
Wie unsicher staatliche Institutionen der Bundesrepublik im Umgang mit der anderen<br />
deutschen Armee sind, offenbart das Verdikt des Bundesministers der Verteidigung,<br />
mit dem er jegliches Gedenken an die Nationale Volksarmee in Räumlichkeiten<br />
seines Dienstbereiches verbot. Sechzehn Jahre nach der Herstellung der<br />
staatlichen Einheit, an der die NVA loyal mitwirkte, hätte man wohl mehr Souveränität<br />
und politische Vernunft erwarten können.<br />
Eine solche Behandlung der Nationalen Volksarmee lässt überdies logische Identität<br />
vermissen. Dieselben, die so verbissen an einer delegitimatorischen Bewertung<br />
der NVA festhalten, können wenig überzeugen, wenn sie den Anspruch erheben,<br />
mit der gelungenen Integration der Nationalen Volksarmee ein Beispiel für die<br />
deutsche Einheit und das Zusammenwachen von West und Ost gegeben zu haben,<br />
und die neue Bundeswehr Armee der Einheit nennen.<br />
Uns ging es bei der anberaumten Debatte jedoch hauptsächlich darum, einen<br />
Überblick zu erhalten, wie die militärgeschichtliche Forschung sich in den zurückliegenden<br />
eineinhalb Jahrzehnten der Nationalen Volksarmee angenommen hat<br />
und in welcher Weise ehemalige Berufssoldaten als Zeitzeugen persönlich daran<br />
mitgewirkt haben, die Nationale Volksarmee so zu beschreiben, wie sie wirklich<br />
gewesen ist.<br />
Aus den verschiedenen Äußerungen zum 50. Jahrestag lässt sich erneut ablesen, wie<br />
weit die Meinungen unter den Ehemaligen noch immer auseinandergehen. Von<br />
Anfang an standen sich in den Reihen derjenigen, die von der Auflösung der NVA<br />
persönlich betroffen waren, zwei Grundpositionen bei der Bewertung ihrer Vergangenheit<br />
als Verteidiger der DDR gegenüber, eine selbstkritisch infragestellende<br />
und eine unkritisch rechtfertigende.<br />
Man ist versucht zu glauben, die Zeit und die inzwischen möglich gewordene Aufklärung<br />
über die wirkliche Beschaffenheit des Staates und der Gesellschaft, in der<br />
wir lebten, und über die Führungsmacht, der wir folgten, könnten eine Annäherung<br />
der auseinanderliegenden Positionen bewirken. Doch die Ereignisse und Äußerungen<br />
um den 50. Jahrestag der NVA sowie einige Publikationen von ehemaligen