Österreichische Notariatszeitung 12/2011 - Über die Notare
Österreichische Notariatszeitung 12/2011 - Über die Notare
Österreichische Notariatszeitung 12/2011 - Über die Notare
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
NOTAR.AT<br />
2. Deutschland<br />
Das deutsche Recht sieht als gesetzlichen ehelichen Güterstand<br />
Gütertrennung während aufrechter Ehe (§ 1363<br />
BGB) und einen Ausgleich des Zugewinns 40 im Todesfall<br />
(§ 1371 BGB) und in anderen Fällen der Eheauflösung<br />
wie zB auch bei Ehescheidung vor (§§ 1372 ff BGB). Während<br />
im letzteren Fall der Zugewinn konkret berechnet<br />
wird, erhält der überlebende Ehegatte im Erbfall pauschal,<br />
also ohne dass es darauf ankommt, ob bzw in welcher<br />
Höhe <strong>die</strong> Ehegatten konkret einen Zugewinn erzielt<br />
haben, einen um ein Viertel der Erbschaft erhöhten gesetzlichen<br />
Erbteil (§ 1371 Abs 1, § 1931 BGB). Wird der<br />
Ehegatte nicht Erbe (auch in Folge von Erbausschlagung)<br />
oder (nur) Vermächtnisnehmer, kann er den Ausgleich<br />
wie bei Scheidung und den sog kleinen, dh den nach<br />
dem nicht erhöhten Erbteil berechneten, Pflichtteil verlangen.<br />
Der erhöhte Erbteil ist im Übrigen für den allfälligen<br />
Bedarf von solchen Abkömmlingen zweckgebunden,<br />
<strong>die</strong> nicht aus der Ehe des verstorbenen mit dem<br />
begünstigten Ehegatten stammen (§ 1371 Abs 2 bis 4<br />
BGB).<br />
Diese „erbrechtliche“ Lösung des Zugewinnausgleichs<br />
stößt auf vielfältige Kritik. 41 Sehr verbreitet ist <strong>die</strong> Forderung,<br />
dass <strong>die</strong> heutige güterrechtlich motivierte Erbteilserhöhung<br />
in eine echte vom Güterrecht völlig unabhängige<br />
Erhöhung des Erbteils des überlebenden Ehegatten<br />
(also ½ neben Kindern, ¾ neben Verwandten der zweiten<br />
Ordnung und neben Großeltern; vgl § 1931 BGB) umgewandelt<br />
wird. 42 Umstritten ist aber <strong>die</strong> Frage, ob es bei<br />
<strong>die</strong>ser Entflechtung von Güterrecht und Erbrecht verbleiben<br />
soll, was dann im Grundsatz der österreichischen Lösung<br />
entspricht, oder ob zusätzlich zum Erbrecht ein vorgelagerter<br />
und konkret zu berechnender Zugewinnausgleich<br />
vorgesehen werden soll. Die Befürworter berufen<br />
sich vor allem auf <strong>die</strong> güterrechtliche Teilhabegerechtigkeit,<br />
43 während <strong>die</strong> Gegner vor allem auf Praktikabilitätserwägungen<br />
und vermindertes Konfliktpotential verwei-<br />
40 Zur Terminologie: Die Zugewinn- oder Errungenschaftsgemeinschaft<br />
stellt eine im Wesentlichen auf das in der Ehe erworbene<br />
Vermögen beschränkte Gütergemeinschaft, also ein Mittelding<br />
zwischen Gütertrennung und allgemeiner Gütergemeinschaft<br />
dar. Sie kann sofort dinglich – durch schlichtes Miteigentum oder<br />
Gesamthandeigentum – wirksam werden oder erst bei Auflösung<br />
der Ehe <strong>die</strong> Teilungspflicht auslösen.<br />
41 Vgl etwa Diederichsen, Teilhabegerechtigkeit in der Ehe, FamRZ<br />
1992, 1 ff; Leipold, Wandlungen in den Grundlagen des Erbrechts?<br />
AcP 180 (1980), 176 ff; s auch Koch in MünchKommBGB 5<br />
(2010) § 1371 Rz 1 ff.<br />
42 Vgl etwa Röthel, Ist unser Erbrecht noch zeitgemäß? Verhandlungen<br />
des 68. Deutschen Juristentages Berlin 2010 Bd I Gutachten<br />
Teil A (2010) A 52 ff; Krug, § 1371 I BGB – Ist <strong>die</strong> erbrechtliche<br />
Pauschallösung gerecht und zeitgemäß? – Ein Diskussionsbeitrag,<br />
FRP 2007, 164; Lange, Bedarf es einer Reform des gesetzlichen<br />
Erbrechts des Ehegatten und des eingetragenen Lebenspartners?<br />
DNotZ 2010, 749; aus Österreich zuletzt Ofner, Ehegüterrechtlicher<br />
Ausgleich 524 f.<br />
43 So Röthel, Verhandlungen des 68. Deutschen Juristentages Berlin<br />
2010 Bd I Gutachten Teil A (2010) A 54.<br />
358<br />
Bernhard Eccher, NZ <strong>12</strong>/<strong>2011</strong><br />
Ehegattenerbrecht und Güterausgleich<br />
sen. 44 Hingewiesen sei auf <strong>die</strong> Meinung von Lange 45 ,<br />
der dem überlebenden Ehegatten ausnahmsweise dann<br />
einen Zugewinnausgleich zubilligen will, wenn ihm der<br />
Erbteil entzogen wurde (§ 1938 BGB; Enterbung) oder<br />
wenn er den Erbteil ausschlägt.<br />
Im gegebenen Zusammenhang sollte noch auf das Abkommen<br />
vom 4. 2. 2010 über einen neuen deutsch-französischen<br />
Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft<br />
verwiesen werden, der nach Inkrafttreten des Abkommens<br />
in einem Ehevertrag von Ehegatten gewählt werden<br />
kann, deren Güterrecht sich nach dem deutschen,<br />
französischen oder dem Sachrecht eines weiteren künftigen<br />
Vertragsstaats richtet. 46 Auch wenn <strong>die</strong>ser Wahlgüterstand<br />
grundsätzlich dem gesetzlichen deutschen Güterstand<br />
der Zugewinngemeinschaft nahesteht, ist doch<br />
der hier interessante Unterschied festzuhalten, dass auch<br />
im Erbfall der Ausgleich konkret durchzuführen ist.<br />
3. Schweiz<br />
Das Schweizerische Ehe- und Erbrecht 47 sieht ganz klar<br />
einen dem Erbrecht vorgelagerten güterrechtlichen<br />
Ausgleich vor. Konkret unterscheidet das schwZGB<br />
(Art 196 ff ZGB) im Rahmen des gesetzlichen Güterstands<br />
der sog Errungenschaftsbeteiligung – bei Gütertrennung<br />
während der Ehe – zwischen dem Eigengut<br />
(im Wesentlichen voreheliches Vermögen, unentgeltlich<br />
erworbenes Vermögen, persönliche Gegenstände, Schadenersatzansprüche;<br />
Art 198 ZGB) und der Errungenschaft<br />
(im Wesentlichen Arbeitseinkommen, Sozialleistungen,<br />
Erträgnisse des Eigenguts, Ersatzanschaffungen;<br />
Art 197 ZGB) eines jeden Ehegatten. Nach Auflösung<br />
der Ehe, <strong>die</strong> auch durch den Tod eines Ehegatten eintritt<br />
(vgl Art 204, 215 ZGB), erhält zunächst jeder Ehegatte –<br />
bei besonderen Regeln für das Miteigentum – <strong>die</strong> in<br />
seinem Eigentum stehenden Gegenstände in seinen Besitz<br />
zurück und werden <strong>die</strong> gegenseitigen Schulden geregelt.<br />
Der Vorschlag jedes Ehegatten, das ist gem Art 210<br />
ZGB <strong>die</strong> Errungenschaft vermehrt um bestimmte Vermögenswerte<br />
sowie Ersatzforderungen und vermindert um<br />
<strong>die</strong> auf ihr lastenden Schulden (vgl Art 210 ZGB), steht<br />
sodann je zur Hälfte dem jeweils anderen Ehegatten<br />
bzw ihren Erben zu und wird allenfalls gegenseitig verrechnet<br />
(Art 215 ZGB). Das schwZGB schreibt somit ausdrücklich<br />
eine konkrete Berechnung der güterrechtlichen<br />
44 ZB Krug, FRP 2007, 169; Lange, DNotZ 2010, 758; Dieckmann<br />
49. DJT.<br />
45 Lange, DNotZ 2010, 759, unter Berufung auf Buchholz, MDR<br />
1990, 375, 378; Bühler, DNotZ 1975, 5, 13.<br />
46 Vgl dazu Jäger, Der neue deutsch-französiche Güterstand der<br />
Wahl-Zugewinngemeinschaft – Inhalt und seine ersten Folgen<br />
für <strong>die</strong> Gesetzgebung und Beratungspraxis, DNotZ 2010, 804.<br />
47 Vgl Hausheer (Hrsg), Vom alten zum neuen Eherecht (1986); Wolf/<br />
Seiner, Schweiz, in Süß/Ring (Hrsg), Eherecht in Europa (2006)<br />
1<strong>12</strong>5 ff, 1154 ff; Wolf/Genna , Zwanzig Jahre neues Ehegüterrecht<br />
– wo stehen wir? in Rumo-Jungo/Pichonaz (Hrsg), Scheidungsrecht<br />
– aktuelle Probleme und Reformbedarf (2008) 103 ff; aus Österreich<br />
zuletzt Ofner, Ehegüterrechtlicher Ausgleich 525 ff.