Human Enhancement - vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich
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Rechtliche Aspekte von <strong>Hum<strong>an</strong></strong> <strong>Enh<strong>an</strong>cement</strong> 197<br />
chischen Erkr<strong>an</strong>kungen. Was vor einigen Jahrzehnten noch als Störung aufgefasst<br />
wurde, mit welcher die Betroffenen selber fertig werden können und sollen,<br />
wird heute als beh<strong>an</strong>dlungsbedürftige Kr<strong>an</strong>kheit qualifiziert.<br />
10.2.2. Gesetzlicher Definitionsbedarf?<br />
Der Begriff „Kr<strong>an</strong>kheit“ ist somit genauso wie <strong>der</strong> Begriff „<strong>Enh<strong>an</strong>cement</strong>“ soziokulturell<br />
geprägt. Wo die Grenzlinie – o<strong>der</strong> besser: die Grenzzone – zwischen <strong>der</strong><br />
Beh<strong>an</strong>dlung von Kr<strong>an</strong>kheiten und <strong>der</strong> Verbesserung von Fähigkeiten<br />
(<strong>Enh<strong>an</strong>cement</strong>) verläuft, k<strong>an</strong>n demnach nicht allein auf naturwissenschaftlicher<br />
Basis bestimmt werden, son<strong>der</strong>n hängt auch vom jeweiligen soziokulturellen<br />
Kontext ab. Dabei obliegt es <strong>der</strong> Rechtsprechung und den Vollzugsbehörden,<br />
nach den Beson<strong>der</strong>heiten des Einzelfalls zu entscheiden, ob eine Kr<strong>an</strong>kheit im<br />
Sinne einer beh<strong>an</strong>dlungsbedürftigen Beeinträchtigung <strong>der</strong> Gesundheit vorliegt. 55<br />
So musste bspw. das Bundesgericht im Jahr 1979 die damals umstrittene Frage<br />
be<strong>an</strong>tworten, ob einer tr<strong>an</strong>ssexuellen Ver<strong>an</strong>lagung Kr<strong>an</strong>kheitswert beizumessen<br />
ist. Das Gericht bejahte die Frage, weil die Grundver<strong>an</strong>lagung, dem <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />
Geschlecht <strong>an</strong>gehören zu wollen, zu neurotischen Fehlentwicklungen o<strong>der</strong><br />
schweren, den gesamten Charakter prägenden Anomalien führen könne und für<br />
den Betroffenen eine psychiatrische Beh<strong>an</strong>dlung notwendig war. 56<br />
Für die Behörden, die den Kr<strong>an</strong>kheitsbegriff konkretisieren, stellt sich die Frage,<br />
welcher soziokulturelle Kontext massgebend sein soll. Für das Sozialversicherungsrecht<br />
k<strong>an</strong>n dies nur <strong>der</strong> gesamtgesellschaftliche Kontext sein, und nicht<br />
etwa das Milieu <strong>der</strong> Patienten, die berufsständisch geprägten Vorstellungen <strong>der</strong><br />
beh<strong>an</strong>delnden Ärzte o<strong>der</strong> die in <strong>der</strong> jeweiligen Spitalregion allenfalls zu findenden<br />
beson<strong>der</strong>en Werthaltungen. Denn das Sozialversicherungsrecht k<strong>an</strong>n die<br />
von ihm verordnete Umverteilung nur für Schäden und Risiken rechtfertigen, die<br />
55<br />
Vgl. BGE 114 V 162 E. 1a S. 163: „ Der Kr<strong>an</strong>kheitsbegriff lässt sich <strong>an</strong>gesichts <strong>der</strong> Vielfalt<br />
möglicher kr<strong>an</strong>khafter Erscheinungen schwer definieren. Daher wird die Frage, ob ein Versicherter<br />
<strong>an</strong> einer Kr<strong>an</strong>kheit im Sinne des KUVG leidet o<strong>der</strong> nicht, nach den Beson<strong>der</strong>heiten des<br />
Einzelfalles zu be<strong>an</strong>tworten sein. “<br />
56<br />
BGE 105 V 180 E. 1b S. 183.<br />
TA-Swiss (Hrsg.): <strong>Hum<strong>an</strong></strong> <strong>Enh<strong>an</strong>cement</strong> © <strong>vdf</strong> <strong>Hochschulverlag</strong> 2011