November 1999 · Jahrgang 51 - Tiroler Jägerverband
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11/99 JAGD IN TIROL 22<br />
➜<br />
Unkenntnis oder Verzögerungstaktik<br />
Ein deutscher Gast verbrachte im letzten schneereichen<br />
Winter mit seiner Familie und seinem Hund,<br />
einem Huskymischling, in einem <strong>Tiroler</strong> Wintersportort<br />
den Winterurlaub.<br />
Anläßlich eines Ausfluges entkam dieser Hund zufolge<br />
Unachtsamkeit des Eigentümers und verschwand<br />
im angrenzenden Wald. Dem Gast gelang es nicht,<br />
seinen Hund durch Zurufen und Locken zurückzuholen.<br />
Der Hund hat in der Folge einen Rehbock gerissen.<br />
Der krankgerissene Bock mußte in der Folge<br />
mit Fangschuß erlegt und - da er nicht mehr genußtauglich<br />
war - entsprechend versorgt werden.<br />
Der zuständige Jagdpächter hat wegen des Vorfalles -<br />
wie sich nachträglich herausstellte - richtigerweise<br />
Anzeige erstattet.<br />
Die Erhebungen führten zur Feststellung des Hundeeigentümers.<br />
Dieser bekannte sich zu seinem Verhalten<br />
und erklärte sich überdies bereit, für den entstandenen<br />
Schaden aufzukommen.<br />
Der <strong>Tiroler</strong> Jagdpächter versuchte in der Folge vom<br />
zwischenzeitlich abgereisten Hundeeigentümer<br />
mehrfach seine Schadenersatzforderungen einzubringen,<br />
was vorerst mißlang. Der angeschriebene<br />
Hundeeigentümer lehnte es aus versicherungsrechtlichen<br />
Gründen ab, auf die Schadenersatzforderungen<br />
des geschädigten Jagdpächters einzugehen. Die an<br />
ihn geltend gemachten Forderungen leitete er an seine<br />
Haftpflichtversicherung weiter.<br />
Wer nun geglaubt hat, daß der Jagdpächter nunmehr<br />
ohne weitere Mühen, gestützt auf den widerspruchslosen<br />
Sachverhalt, zu seinem Recht, zum Ersatz<br />
seines Schadens kommen sollte, der irrt sich.<br />
Zwar war die befasste Versicherungsanstalt geneigt,<br />
die an sich geringen Unkosten (Beseitigungskosten)<br />
zu bezahlen. Sie lehnte es aber ab, für den gerissenen<br />
Bock einen Schaden zu ersetzen, weil wie sie ausführten:<br />
„Es sich bei dem vom Hund gerissenen Reh<br />
um eine sogenannte herrenlose Sache handelte, sodaß<br />
eine konkrete Eigentumsverletzung nicht vorliegt,<br />
weshalb hiefür keine Entschädigung möglich ist".<br />
Erst nach Einschreiten eines Anwaltes kam es letztlich<br />
zur Begleichung des vom geschädigten Jagdpächter<br />
geforderten Schadens.<br />
Das Eigentumsrecht an sogenannten „ansprüchigen<br />
Sachen" zu denen insbesondere auch die jagdbaren<br />
Tiere gehören, wird originär durch Zueignung (Okkupation)<br />
erworben, welche Erwerbungsart im Falle<br />
jagdbarer Tiere gemäß der Jagdgesetze den Jagdausübungsberechtigten<br />
vorbehalten ist (§§ 381, 382<br />
ABGBG).<br />
§<br />
Rechtsecke<br />
Das geltende <strong>Tiroler</strong> Jagdgesetz definiert den Begriff<br />
des Jagdrechtes in seinem § 1 folgendermaßen:<br />
„(1) Das Jagdrecht ist die aus dem Grundeigentum<br />
erfließende Befugnis<br />
a) den jagdbaren Tieren nachzustellen, sie zu<br />
fangen und zu erlegen;<br />
b) das erlegte Wild, Fallwild, verendetes Wild,<br />
Abwurfstangen und die Eier des jagdbaren<br />
Federwildes sich anzueignen.<br />
(2) Die Ausübung des Jagdrechtes (im folgenden<br />
auch Jagd genannt) unterliegt den Bestimmungen<br />
dieses Gesetzes.”<br />
Insoferne die belangte Versicherung ausführte, daß<br />
im gegenständlichen Falle eine konkrete Eigentumsverletzung<br />
nicht vorliege, hat sie recht, weil, wie bereits<br />
oben ausgeführt, das Eigentumsrecht an jagdbaren<br />
Tieren (auch Fallwild, verendetes Wild, usw.)<br />
erst durch Zueignung (Okkupation) durch den Jagdausübungsberechtigten<br />
erworben wird.<br />
Im geschilderten Falle hat der Hund den Rehbock<br />
vor der Erwerbung des Eigentumsrechtes am Rehbock<br />
durch den Jagdpächter gerissen.<br />
Es irrt jedoch die geforderte Versicherungsanstalt,<br />
wenn sie jeden Schadenersatz für den gerissenen<br />
Bock mit dem Hinweis des mangelnden Eigentumsrechtes<br />
durch den Jagdpächter ablehnt.<br />
Dazu ist zu sagen: Der Jagdausübungsberechtigte ist<br />
Rechtsbesitzer. Rechtsbesitz bedeutet nicht die volle<br />
Beherrschung einer körperlichen Sache, sondern die<br />
Macht über eine unkörperliche Sache und zwar über<br />
ein Recht, das nicht im Eigentum einer körperlichen<br />
Sache besteht, sondern einen eingeschränkten Umfang<br />
hat.<br />
Gegenstand des Rechtsbesitzers ist unter anderem<br />
auch das Jagdrecht, das nicht nur strafrechtlichen,<br />
sondern auch zivilrechtlichen Schutz nach der geltenden<br />
Rechtsordnung genießt.<br />
Dem Jagdausübungsberechtigten als Rechtsbesitzer<br />
besteht bei Beschädigung oder Zerstörung der Sache<br />
grundsätzlich in Fortwirkung seines Rechtes auch<br />
voller Schadenersatzanspruch zu, weil ihm die Sache<br />
- jedenfalls im Verhältnis zum Schädiger - zugeordnet<br />
ist.<br />
Da in der Republik Deutschland die Rechtsordnung<br />
zu dieser Frage gleich wie in Österreich gegeben ist,<br />
war die Wahl der Überschrift sachlich begründet.<br />
Dr. Franz Obholzer<br />
Landesgerichtspräsident i.R.