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Zum Dialog berufen - Missionszentrale der Franziskaner

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die Identität einer Person nur in <strong>der</strong> umfassen<strong>der</strong>en<br />

Identität einer Gruppe herausbilden<br />

kann, so braucht auch die<br />

Identität von Gruppen die Kategorie <strong>der</strong><br />

‚an<strong>der</strong>en Gruppe’, die zwar gleichrangig<br />

und völlig an<strong>der</strong>s, jedoch nicht abnorm<br />

o<strong>der</strong> barbarisch ist, also gleichzeitig nah<br />

und fern.<br />

1. Identität und<br />

Klassengesellschaft<br />

Wenn wir uns mit <strong>der</strong> Identität einer<br />

gesellschaftlichen Gruppe befassen,<br />

schauen wir auf einen Weg, <strong>der</strong> zwischen<br />

den beiden Felsen des ererbten<br />

Wesens und <strong>der</strong> historisch gestalteten<br />

Existenz verläuft. An beiden Seiten des<br />

Weges gibt es genügend Zufluchtsorte,<br />

an denen sich die Wan<strong>der</strong>er vor Sonne,<br />

Regen und Hunger schützen können. Ab<br />

und zu ereignet sich in <strong>der</strong> Tiefe <strong>der</strong> Felsen<br />

ein Erdbeben; von allen Seiten fallen<br />

Steine auf die Pilgernden. Erst wenn die<br />

Zufluchtsorte wirklich gebraucht werden,<br />

kann man bemerken, dass sich einige<br />

Wenige die Passwörter angeeignet<br />

haben, um in die Zufluchtsorte zu gelangen,<br />

die eigentlich für alle da sein sollten.<br />

Diese Wenigen können dann risikolos<br />

weiterwan<strong>der</strong>n.<br />

Die Mehrheit<br />

dagegen lebt <strong>der</strong><br />

Sonne, dem Regen<br />

und dem Hunger<br />

ausgesetzt. Ihre<br />

Identität, gleich und<br />

an<strong>der</strong>s geschmiedet,<br />

wird von den privilegierten Besitzern <strong>der</strong><br />

Passwörter, die ihnen alle Pforten öffnen,<br />

nicht anerkannt. Die Passwörter, bestehend<br />

aus einer Kombination von Kapital<br />

und Privilegien, gestatten heute Zugang<br />

zu allen Zufluchtsorten. Im Problem <strong>der</strong><br />

Identität vermischen sich kulturelle, ethnische<br />

und politische Probleme mit den<br />

Problemen <strong>der</strong> gesellschaftlichen Klasse,<br />

Gegen alle Versuche zur<br />

Gleichmacherei wollen die<br />

indigenen und afrobrasilianischen<br />

Völker in ihrer An<strong>der</strong>sartigkeit<br />

teilhaben.<br />

<strong>der</strong> Staatsbürgerschaft, <strong>der</strong> Rechte und<br />

<strong>der</strong> Menschenwürde.<br />

Die indigene und afro-brasilianische<br />

Identität kann langfristig gesehen nicht<br />

in Reservaten o<strong>der</strong> abgeschlossenen<br />

Ghettos erhalten bleiben. Sie ist – wie jede<br />

Identitätskonstruktion – abhängig von<br />

offenen Türen, vom <strong>Dialog</strong> und von <strong>der</strong><br />

Anerkennung <strong>der</strong> An<strong>der</strong>en, die erleben,<br />

dass ihre Identitäten als subjektive Faktoren<br />

innerhalb des Nationalstaates ihren<br />

Platz haben, jenseits und diesseits <strong>der</strong><br />

Integration in das System, jenseits und<br />

diesseits <strong>der</strong> Integration in die marktförmige<br />

Demokratie. Von indigener und<br />

afro-brasilianischer Identität können wir<br />

nur im Sinne eines Wi<strong>der</strong>standes gegen<br />

die Integration ins System bzw. im Sinne<br />

eines Bruchs mit dem System sprechen,<br />

o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Worten im Sinne einer<br />

„Zurückweisung des Bildes, das an<strong>der</strong>e<br />

in dir sehen möchten“.<br />

Ein als Produzent und Konsument<br />

voll in das kapitalistische System integriertes<br />

indigenes Volk würde keine<br />

indigene Identität mehr in dem Sinne<br />

besitzen, wie wir hier seine Identität<br />

verstehen, als kollektiver Besitzer seines<br />

Grund und Bodens<br />

und mit <strong>der</strong> Vision<br />

von einer Welt, in<br />

<strong>der</strong> das Teilen wichtiger<br />

ist als Akkumulation<br />

und in <strong>der</strong> die<br />

Produktionszeit festlich<br />

abgeschlossen<br />

wird.<br />

Wenn die indigenen und afrobrasilianischen<br />

Völker ihre Identität rekonstruieren,<br />

dringen sie darauf, dass die nationale<br />

Gesellschaft auch ihnen Solidarität<br />

zollt. Gegen alle Versuche zur Gleichmacherei<br />

wollen sie in ihrer An<strong>der</strong>sartigkeit<br />

teilhaben. Dieser Vorschlag wurde beim<br />

ersten Treffen von Indios und Christen<br />

erarbeitet und im Brief von Pero Vaz de<br />

Suess – Notizen zu Fragen <strong>der</strong> afro-brasilianischen und indigenen religiös-kulturellen Identitäten<br />

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