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Zum Dialog berufen - Missionszentrale der Franziskaner

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Caminha beschrieben. Sie wollen die<br />

Güter <strong>der</strong> Erde und <strong>der</strong> Menschheit mit<br />

neuen Namen versehen und neu verteilen.<br />

Diese Güter heißen nicht nur Brot<br />

und Arbeit, Boden und Haus, Gesundheit<br />

und Bildung. Es geht auch um Autonomie<br />

und Freiheit, Freude und Frieden,<br />

Gerechtigkeit und Demokratie. Identität<br />

als alternatives Lebensprojekt muss<br />

sich in <strong>der</strong> Alterität gesellschaftlicher Bewegungen<br />

artikulieren können. In einer<br />

Zeit, da Territorialität durch Virtualität relativiert<br />

wird, in einer Welt, die das Ende<br />

<strong>der</strong> Utopien für gekommen hält, erobern<br />

die Volksbewegungen die geografischen,<br />

ideologischen, imaginären und utopischen<br />

Territorien für sich zurück. Die indigene<br />

Identität, die Identität <strong>der</strong> Armen<br />

ist immer auch eine territoriale Identität.<br />

Um zu wissen, wer du bist, musst du wissen,<br />

wo du leben kannst.<br />

Aus rein wirtschaftlicher Perspektive<br />

könnte man sich vorstellen, die indigenen<br />

und afro-brasilianischen Völker werden<br />

respektiert, weil sie auf dem Markt<br />

präsent sind, weil sie Soja, Weizen und<br />

Reis produzieren, weil sie als touristische<br />

bzw. ökologische Anziehungspunkte in<br />

ihrem Dorf o<strong>der</strong> ihrem Quilombo Einkünfte<br />

erwirtschaften o<strong>der</strong> dadurch, dass<br />

sie Gläubige an die heiligen Orte ihrer<br />

Religion führen. Das kapitalistische System<br />

versucht, die Erhaltung <strong>der</strong> indigenen<br />

und afro-amerikanischen Völker zu<br />

vermarkten, indem es akzeptiert, dass<br />

sie wie<strong>der</strong>um in ökologischen Reservaten<br />

naturalisiert werden o<strong>der</strong> dass sie ihre<br />

Sambaschulen präsentieren bzw. ihr<br />

Kunsthandwerk ausstellen. An diesem<br />

Vorgehen, wie man Indios und Schwarze<br />

zu Produzenten und Konsumenten<br />

macht, erkennen wir, wie An<strong>der</strong>sartigkeit<br />

im Sinne des ökonomischen Nutzens<br />

radikal instrumentalisiert werden<br />

soll. Sobald die Stimme <strong>der</strong> Indios und<br />

Schwarzen Brasiliens zum Diskurs von<br />

Konsumenten und Produzenten verdreht<br />

werden kann, wären sie allenfalls noch<br />

eine folkloristische Variante bzw. eine regionale<br />

Gruppe, ähnlich den deutschen<br />

und italienischen Immigranten dritter<br />

Generation mit Oktoberfest und Pizza.<br />

Wir können nicht ausschließen, dass<br />

<strong>der</strong> Markt die indigenen und afro-amerikanischen<br />

Völker auf so etwas reduziert.<br />

Niemand ist aus Eisen. Auch in den indigenen<br />

und aus Afrika stammenden Völkern<br />

gibt es immer Menschen, die integriert<br />

werden und in <strong>der</strong> nationalen<br />

Gesellschaft aufsteigen wollen. Auch<br />

indigene und afro-amerikanische Völker<br />

können dem herrschenden Leitbild<br />

nachlaufen und den Versprechungen<br />

<strong>der</strong> Marktdemokratie anhängen, obwohl<br />

sie die Menschen nur als Relikte behandelt.<br />

Der Traum von den Fleischtöpfen<br />

begleitet alle Befreiungsprozesse. In <strong>der</strong><br />

Geschichte Israels und des Christentums<br />

lassen sich drei verschiedene Identitätsmodelle<br />

zugleich finden: Die Assimilierung<br />

<strong>der</strong> Immigranten, die fundamentalistische<br />

Abschottung und die Präsenz<br />

inmitten <strong>der</strong> An<strong>der</strong>en als Ferment und<br />

Katalysator.<br />

Immigranten verfolgen das Projekt,<br />

sich in das System zu integrieren. Das<br />

Neue Spanien verwandelt sich leicht in<br />

das alte Spanien. Afro-Brasilianer, die keine<br />

Migranten im üblichen Sinn waren,<br />

und indigene Völker, die ersten Einwohner<br />

des Landes, haben für ihr Projekt, die<br />

Integration nicht anzustreben, mehr Argumente<br />

zur Verfügung. Die Integration<br />

würde mit ihrer Identität und ihrem Projekt<br />

ein Ende machen. Die für die Indígenas<br />

zuständigen Agenturen des Staates<br />

verfolgen stets das Interesse, die indigenen<br />

Völker in die so genannte „nationale<br />

Gemeinschaft“ zu integrieren, das heißt<br />

sie wollen die Identität dieser Völker in<br />

einer konkurierrenden Gruppe auflösen,<br />

aber eben nicht in einer Gemeinschaft<br />

von gleichberechtigten Bürgern. Es<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 100 – <strong>Zum</strong> <strong>Dialog</strong> <strong>berufen</strong>

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