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Zum Dialog berufen - Missionszentrale der Franziskaner

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sen, die in Siedlungen und kleine Städte<br />

umgewandelt wurden. Einige <strong>der</strong> Überlebenden<br />

flüchteten sich in Quilombos,<br />

an<strong>der</strong>e meinten, in <strong>der</strong> messianischen<br />

Bewegung von Canudos ihr „verheißenes<br />

Land“ zu finden. Nach dem Tod von<br />

Antonio Conselheiro (dem „Ratgeber“)<br />

und dem Massaker an seinen Gefolgsleuten<br />

hatte man diese Län<strong>der</strong>eien besetzt<br />

und die indigenen Überlebenden vertrieben.<br />

Schließlich wollte niemand mehr<br />

ein „bugre“ (Wil<strong>der</strong>) sein. Die caboclos<br />

(Mischlinge) schämten sich, wenn sie<br />

an ihre indigene Vergangenheit erinnert<br />

Inmitten <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nen Diskurse,<br />

die von einer Auflösung <strong>der</strong> Identitäten<br />

sprechen, erleben wir, dass<br />

ohne Dokumente, ohne Bücher, aber<br />

voller Leben Identität wie<strong>der</strong> behauptet<br />

und traditionelles Territorium<br />

wie<strong>der</strong> beansprucht wird.<br />

wurden. Niemand wollte mehr „Speisen<br />

<strong>der</strong> Indios“ essen. Die Integration in die<br />

„nationale Gemeinschaft“, wie das alte<br />

Indio-Statut das Ziel <strong>der</strong> offiziellen indigenistischen<br />

Politik definierte, hatte den<br />

Verlust <strong>der</strong> spezifischen Identität zur Folge.<br />

Man sprach lediglich von allgemeinen<br />

Kennzeichen des Indianismus bei<br />

den Anrainern des Amazonas, den caboclos,<br />

bei den „bugres“ von Santa Catarina<br />

und Rio Grande do Sul und in <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />

Bauernschaft.<br />

Eine Reihe von Faktoren trug dazu<br />

bei, diese Situation umzukehren. Während<br />

<strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Militärdiktatur in Brasilien<br />

verbündeten sich Missionare und<br />

Anthropologen zur Verteidigung <strong>der</strong> indigenen<br />

Völker, wie dies niemals zuvor<br />

in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Fall gewesen war.<br />

Das 2. Vatikanische Konzil und die Bi-<br />

schofsversammlung von Medellín 1968<br />

machten es möglich, Ziele und Vorurteile<br />

<strong>der</strong> immer noch praktizierten kolonialen<br />

Mission radikal zu überprüfen. Der<br />

Indianermissionsrat CIMI, <strong>der</strong> 1972 gegründet<br />

wurde, machte die Frage <strong>der</strong> indigenen<br />

Län<strong>der</strong>eien zu einem Kernpunkt<br />

seiner spezifischen Pastoral, versammelte<br />

indigene Führungskräfte und setzte sich<br />

– ohne das Ziel <strong>der</strong> Mission aufzugeben –<br />

aktiv dafür ein, dass die indigenen Völker<br />

in ihrer An<strong>der</strong>sartigkeit uneingeschränkt<br />

anerkannt würden (Woche <strong>der</strong> Indigenen<br />

Völker).<br />

Als die Diskussionen um eine neue<br />

Verfassung in Gang kamen, gab es bereits<br />

ein gewisses Klima zugunsten <strong>der</strong><br />

indigenen Sache, das sich auf vier Säulen<br />

stützte: Die Selbst-Organisation <strong>der</strong><br />

indigenen Völker, die Zusammenarbeit<br />

mit Anthropologen, die neue Indigenen-<br />

Pastoral, die vom Indigenen Missionsrat<br />

(Cimi) geför<strong>der</strong>t wurde, und die Zivilgesellschaft,<br />

die sich nach <strong>der</strong> Diktatur reorganisierte.<br />

Schließlich wurde 1988 die Bundesverfassung<br />

mit ihrem neuen Verständnis<br />

von <strong>der</strong> Realität <strong>der</strong> indigenen Völker<br />

in Kraft gesetzt. Alle diese Faktoren<br />

und Fakten trugen dazu bei, in Brasilien<br />

das Schweigen zu brechen, die Unsichtbarkeit<br />

<strong>der</strong> indigenen Völker zu beenden<br />

und den Indios zu ermöglichen,<br />

ihre Stimme zu erheben, ohne sich als<br />

erfunden zu betrachten. Inmitten <strong>der</strong><br />

postmo<strong>der</strong>nen Diskurse, die von einer<br />

Auflösung <strong>der</strong> Identitäten sprechen, erleben<br />

wir, dass ohne Dokumente, ohne<br />

Bücher, aber voller Leben Identität wie<strong>der</strong><br />

behauptet und traditionelles Territorium<br />

wie<strong>der</strong> beansprucht wird. Alles beruht<br />

auf mündlicher Tradition. Wenn sie<br />

ihre Geschichte erzählen, wenn sie sich<br />

an ihre Leiden erinnern, wenn sie an ihre<br />

Traditionen denken, sind sie in <strong>der</strong> Lage,<br />

sich gefühlsmäßig darauf einzulassen, al-<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 100 – <strong>Zum</strong> <strong>Dialog</strong> <strong>berufen</strong>

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