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Paddock Trail - Artgerecht-Tier.de

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20<br />

Pfl ege und Behandlung<br />

PSSM –<br />

Wenn die Muskeln streiken<br />

Polysaccharid-Speicher-Myopathie<br />

(PSSM) ist eine <strong>de</strong>generative<br />

Muskelkrankheit, die erst in <strong>de</strong>n letzten<br />

Jahren auf sich aufmerksam macht. In <strong>de</strong>r<br />

älteren tiermedizinischen Literatur wird<br />

diese Krankheit noch gar nicht erwähnt.<br />

Anfangs dachte man, es sei ähnlich wie<br />

HYPP (Hyperkalemic Periodic Paralysis)<br />

eine Krankheit <strong>de</strong>r Quarter Horses, weil<br />

sie bei diesen Pfer<strong>de</strong>n zuerst auftrat. Dann<br />

folgten dokumentierte Fälle von Appaloosas,<br />

Kaltblütern, Hafl ingern und<br />

ähnlich stark bemuskelten Rassen, aber<br />

mittlerweile weiß man, dass PSSM je<strong>de</strong>s<br />

Pferd treffen kann: vom schmalen Araber<br />

über das Warmblut bis zum breiten<br />

Kaltblut.<br />

Mittlerweile hat man zwei verschie<strong>de</strong>ne<br />

Typen von PSSM (manchmal auch<br />

EPSM genannt) gefun<strong>de</strong>n. Typ 1 macht<br />

etwa 90 % aller PSSM Erkrankungen aus<br />

und tritt vor allem auf bei stark bemuskelten<br />

Pfer<strong>de</strong>n auf wie Quarter Horses im<br />

Halter-Typ, Paints, Morgan Horses und<br />

einigen Kalt- und Warmblütern. Bei <strong>de</strong>n<br />

betroffenen Kaltblutrassen zeigen bis zu<br />

62 % <strong>de</strong>r Pfer<strong>de</strong> die PSSM Genmutation,<br />

das sind vor allem Belgische Kaltblüter,<br />

Percherons und noch einige an<strong>de</strong>re<br />

europäische Rassen, während die<br />

britischen Shires und Cly<strong>de</strong>sdales nur<br />

sehr selten betroffen sind. Typ 2 fi n<strong>de</strong>t<br />

man bei <strong>de</strong>n eher leicht bemuskelten<br />

Rassen wie Quarter Horses im Vollbluttyp,<br />

Arabern, Vollblütern und leichten<br />

Warmblütern.<br />

Aber was steckt dahinter?<br />

Die Pfer<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n oft dadurch auffällig,<br />

dass sie leistungsschwach sind und immer<br />

langsamer und lethargischer wer<strong>de</strong>n, je<br />

länger sie arbeiten müssen. Häufi g<br />

reagieren sie auch nach Anstrengung mit<br />

Kolik o<strong>de</strong>r Kreuzverschlag. Eine Erhöhung<br />

<strong>de</strong>r Kraftfutterration verstärkt die<br />

Symptome noch. Schließlich magern die<br />

Pfer<strong>de</strong> ab trotz reichlicher Fütterung und<br />

vor allem die Rücken- und Kruppenmuskulatur<br />

atrophiert. Schaut man sich<br />

die betroffene Muskulatur unter <strong>de</strong>m<br />

Mikroskop an, vor allem die tiefe<br />

Kruppen- und Hinterhandmuskulatur, so<br />

kann man Stärke-Einschlüsse in <strong>de</strong>n<br />

Muskeln erkennen, die dort bei gesun<strong>de</strong>m<br />

Gewebe nicht vorliegen. Diese Stärke ist<br />

nicht durch Amylase aufl ösbar, stellt also<br />

artgerecht 3/2012<br />

in doppelter Hinsicht eine Beson<strong>de</strong>rheit<br />

dar: Normalerweise lagern Muskelzellen<br />

Zucker in Form von Glykogen ein, nicht<br />

in Form von Stärke. Und üblicherweise<br />

ist Stärke durch das körpereigene Enzym<br />

Amylase verdaulich. Nicht aber bei<br />

PSSM.<br />

Mittlerweile gibt es viel Forschungsarbeit<br />

zu diesem Thema und einige<br />

interessante Aspekte sind dabei zum<br />

Vorschein gekommen:<br />

PSSM hat eine genetische Ursache<br />

Es gibt eine genetische Variante, die<br />

vererbt wird, welche bestimmt, ob ein<br />

Pferd eine Prädisposition, also eine<br />

Veranlagung dazu hat, an PSSM zu<br />

erkranken o<strong>de</strong>r nicht. Eine Mutation<br />

im Gen GYS1 ist vorhan<strong>de</strong>n bei<br />

Pfer<strong>de</strong>n mit PSSM vom Typ 1. Das<br />

GYS1 Gen codiert das Enzym Glykogen<br />

Synthase, das im Muskel Zucker<br />

zu seiner Speicherform Glykogen<br />

umwan<strong>de</strong>lt. Die dominant vererbte<br />

Mutation sorgt dafür, dass vermehrt<br />

Glykogen aus Zucker aufgebaut wird.<br />

Die Mutation für Typ 2 PSSM hat man<br />

bisher noch nicht gefun<strong>de</strong>n, bei diesen<br />

Pfer<strong>de</strong>n ist das GYS1 Gen normal.<br />

Diese Pfer<strong>de</strong> können daher bisher auch<br />

nicht über <strong>de</strong>n Gentest erfasst wer<strong>de</strong>n.<br />

PSSM wird durch Zucker in<br />

<strong>de</strong>r Fütterung ausgelöst<br />

Pfer<strong>de</strong> mit PSSM Genmutation sind<br />

gesund, solange auf leicht verfügbare<br />

Symptome, die auf PSSM hinweisen können:<br />

Zucker in <strong>de</strong>r Fütterung verzichtet wird<br />

und die Pfer<strong>de</strong> entsprechend ihrer<br />

Energieaufnahme Arbeit leisten. Wird<br />

also ein Pferd ausschließlich mit Heu<br />

und Wei<strong>de</strong>gras gefüttert und regelmäßig<br />

geritten, tauchen keine Krankheitssymptome<br />

auf. Erst wenn dieses<br />

Gleichgewicht aus <strong>de</strong>r Balance kommt<br />

– die Pfer<strong>de</strong> also große Mengen<br />

Kraftfutter mit leicht verdaulichen<br />

Kohlenhydraten wie Melasse, Maisfl<br />

ocken o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren thermisch<br />

behan<strong>de</strong>lten Getrei<strong>de</strong>n bekommen<br />

und gleichzeitig nicht ausreichend<br />

arbeiten –, kommt es zum Ausbruch<br />

von PSSM.<br />

In Untersuchungen an klinisch gesun<strong>de</strong>n<br />

Pfer<strong>de</strong>n konnte gezeigt wer<strong>de</strong>n, dass je<strong>de</strong>s<br />

zweite Pferd die Genmutation für PSSM<br />

aufweist. Diese Pfer<strong>de</strong> erkrankten jedoch<br />

nicht, solange sie artgerecht gefüttert<br />

wur<strong>de</strong>n. Erst durch die Zufütterung von<br />

Kraftfutter bei nur mäßiger Arbeit konnte<br />

PSSM ausgelöst wer<strong>de</strong>n. Da Kreuzverschlag<br />

zu <strong>de</strong>n auftreten<strong>de</strong>n Symptomen<br />

gehört, wird mittlerweile auch die früher<br />

berüchtigte „Feiertagskrankheit“ <strong>de</strong>r<br />

Kaltblüter auf PSSM zurückgeführt.<br />

Kaltblüter, die täglich viele Stun<strong>de</strong>n im<br />

schweren Zug gingen, erkrankten oft an<br />

<strong>de</strong>n Ruhetagen an Kreuzverschlag, wenn<br />

das Futter nicht rechtzeitig einen Tag<br />

vorher schon reduziert wur<strong>de</strong>. Diese<br />

Pfer<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n immer mit stark zuckerhaltigen<br />

Futtermitteln wie Rübenschnitzeln<br />

Kreuzverschlag, Tying-up und verschlagsähnliche Symptome, bis hin zum Festliegen (mit o<strong>de</strong>r ohne erhöhte<br />

CK-Werte im Blutbild, mit o<strong>de</strong>r ohne Blut im Urin).<br />

Lethargische, mü<strong>de</strong>, antriebslose, „triebige“ Pfer<strong>de</strong>. Vermehrte Kraftfutter gaben verstärken die Symptomatik.<br />

Abbau <strong>de</strong>r Muskulatur, vor allem an Rücken und Kruppe. Anfangs sind die Pfer<strong>de</strong> häufi g eher rundlich, im<br />

Verlauf <strong>de</strong>r Krankheit magern sie aber trotz reichlicher Fütterung stetig ab.<br />

Koliken, vor allem Krampfkoliken o<strong>de</strong>r kolikähnliche Symptome, insbeson<strong>de</strong>re nach <strong>de</strong>m Arbeiten.<br />

Harte, verspannte Muskeln, vor allem nach Anstrengungen, Muskelzittern, Hahnentritt, teilweise Sehnenschä<strong>de</strong>n<br />

als Folge <strong>de</strong>r hohen Muskelspannung, vor allem die tiefe Beugesehne ist betroffen, bei Stuten häufi ger als<br />

bei Hengsten o<strong>de</strong>r Wallachen.<br />

Hufrehe o<strong>de</strong>r reheähnliche Symptome wie Sägebockhaltung.<br />

Stark doppelschlägige Atmung und Schwitzen schon bei leichter Arbeit.<br />

Wechseln<strong>de</strong> Lahmheiten o<strong>de</strong>r ständige Taktunreinheiten.<br />

Pfer<strong>de</strong> wollen sich während o<strong>de</strong>r sofort nach <strong>de</strong>m Reiten wälzen.<br />

Bestimmte Bewegungen wie rückwärts richten wer<strong>de</strong>n vermie<strong>de</strong>n.<br />

Viele PSSM Pfer<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n verhaltensauffällig: sind schreckhaft, nervös o<strong>de</strong>r hyperaktiv, obwohl das eigentlich<br />

nicht zu ihrem Wesen passt.

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