Paddock Trail - Artgerecht-Tier.de
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gefüttert, da sie diese Energie für <strong>de</strong>n<br />
Arbeitseinsatz brauchten – nicht jedoch<br />
an Stehtagen.<br />
PSSM ist also vermutlich eine schon<br />
sehr alte Erkrankung, die früher aber<br />
selten auftrat, weil im Vergleich zur<br />
Arbeitsleistung viel weniger gefüttert<br />
wur<strong>de</strong> als heute.<br />
Was passiert im Muskel<br />
eines PSSM Pfer<strong>de</strong>s?<br />
Muskelzellen haben an ihrer Oberfl äche<br />
Rezeptoren für Insulin. Steigt <strong>de</strong>r<br />
Blutzuckerspiegel an, schüttet die<br />
Bauchspeicheldrüse Insulin aus. Dieses<br />
bin<strong>de</strong>t an die Rezeptoren und sorgt dafür,<br />
dass die Muskelzelle jetzt Zucker aus <strong>de</strong>m<br />
Blut aufnimmt. Dadurch sinkt <strong>de</strong>r<br />
Blutzuckerspiegel. In <strong>de</strong>r Muskelzelle wird<br />
<strong>de</strong>r aufgenommene Zucker zu einer<br />
Speicherform, <strong>de</strong>m Glykogen umgebaut.<br />
Leistet <strong>de</strong>r Muskel Arbeit, wird Glykogen<br />
wie<strong>de</strong>r in Zucker zerlegt und <strong>de</strong>r Zucker<br />
unter Verbrauch von Sauerstoff zu CO 2<br />
und Wasser abgebaut, wobei Energie frei<br />
wird. Diese Energie nutzt <strong>de</strong>r Muskel für<br />
die Arbeitsleistung. Hat das Pferd die<br />
Genvariante für PSSM, sind seine<br />
Muskelzellen <strong>de</strong>utlich sensibler für<br />
Insulin. Schon geringe Mengen Insulin<br />
führen also dazu, dass vermehrt Zucker<br />
aus <strong>de</strong>m Blut aufgenommen wird.<br />
Irgendwann sind aber die Glykogenspeicher<br />
<strong>de</strong>s Muskels voll. Bei PSSM Pfer<strong>de</strong>n<br />
fi n<strong>de</strong>t man die 1,5- bis 4-fache Menge an<br />
Glykogen im Muskel im Vergleich zum<br />
Normalwert. Wird das Glykogen dann<br />
nicht durch Arbeit verbraucht und<br />
statt<strong>de</strong>ssen ständig neuer Zucker nachgeliefert,<br />
so kettet <strong>de</strong>r Muskel die Zuckermoleküle<br />
aneinan<strong>de</strong>r, so dass Stärke<br />
entsteht. Diese wird eingelagert und ist<br />
damit erstmal „unschädlich“ für die<br />
Muskelzelle. Die Stärke kann jedoch<br />
nicht mehr zur Energiegewinnung genutzt<br />
wer<strong>de</strong>n. Der Muskel fällt also in Energiemangel,<br />
trotz o<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> wegen <strong>de</strong>r<br />
Überversorgung mit Energie. Krankheitssymptome<br />
sind die Folge.<br />
Die Muskelprobleme bei PSSM sind<br />
also keine Folge einer mangelhaften<br />
Glykogenverwertung o<strong>de</strong>r eines anaeroben<br />
Muskelstoffwechsels, wie sie manchmal<br />
im Zusammenhang mit Kreuzverschlag<br />
beschrieben wer<strong>de</strong>n. Im Gegensatz<br />
zu einigen Muskelkrankheiten bei<br />
an<strong>de</strong>ren <strong>Tier</strong>arten sind auch PSSM Pfer<strong>de</strong><br />
in <strong>de</strong>r Lage, Glykogen ganz normal unter<br />
Sauerstoffverbrauch in Energie umzuwan<strong>de</strong>ln.<br />
Daher führt gesteigertes Training<br />
auch bei Pfer<strong>de</strong>n mit PSSM Genmutation<br />
zu einer Abnahme <strong>de</strong>s Muskelglykogens<br />
bis zu einem normalen Niveau. Die<br />
richtige Fütterung in Kombination mit<br />
entsprechen<strong>de</strong>m Training ist also ein<br />
wichtiger Faktor beim Management von<br />
potentiellen PSSM Pfer<strong>de</strong>n.<br />
PSSM Typ 1 wird nach Untersuchungen<br />
dominant vererbt; wenn also ein<br />
Elternteil diese genetische Variante<br />
aufweist, besteht eine sehr große Wahrscheinlichkeit,<br />
dass das Fohlen sie<br />
ebenfalls hat. Wür<strong>de</strong> diese Mutation bei<br />
Wildpfer<strong>de</strong>n immer zum Ausbruch <strong>de</strong>r<br />
Krankheit führen, wären Pfer<strong>de</strong> vermutlich<br />
schon längst ausgestorben. Da ein<br />
Wildpferd aber viel Bewegung und sehr<br />
zuckerarmes Futter hat, kann diese<br />
Mutation durchaus von Vorteil gewesen<br />
sein bei <strong>de</strong>r natürlichen Selektion. Die<br />
starke Verbreitung <strong>de</strong>r genetischen PSSM<br />
Genvariante bei Pfer<strong>de</strong>n und das<br />
Ausbleiben von Krankheitssymptomen<br />
bei artgerechter Ernährung hat zu <strong>de</strong>r<br />
Theorie geführt, dass es sich um eine<br />
evolutive Anpassung von Pfer<strong>de</strong>n an<br />
beson<strong>de</strong>rs energiearmes Futter han<strong>de</strong>lt.<br />
Denn PSSM Pfer<strong>de</strong> sind wesentlich<br />
effektiver in <strong>de</strong>r Ausnutzung auch<br />
kleinster Blutzuckererhöhungen für<br />
Muskelarbeit und haben damit einen<br />
evolutiven Vorteil in Gegen<strong>de</strong>n, wo das<br />
Grundfutter beson<strong>de</strong>rs energiearm ist.<br />
Aus diesem Grund wird diskutiert, ob<br />
PSSM die „Krankheit“ ist o<strong>de</strong>r eigentlich<br />
<strong>de</strong>r Normalfall. Und ob nicht <strong>de</strong>r Mensch<br />
diese genetische Variante bei einigen Rassen<br />
gezielt weggezüchtet hat, nämlich<br />
gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n Rassen, die traditionell<br />
viel Kraftfutter bei wenig Arbeit bekommen.<br />
Während bei Pfer<strong>de</strong>rassen, die<br />
schon immer viel arbeiten mussten bei<br />
möglichst sparsamer Fütterung, wie<br />
Quarter Horses, Kaltblüter, Ponys etc., die<br />
PSSM Variante erhalten blieb. Für diese<br />
Pfer<strong>de</strong> wird nun eine Überversorgung mit<br />
energiereichem Futter zum Problem.<br />
Pfl ege und Behandlung<br />
Diagnose auf PSSM<br />
Bei einem akuten Kreuzverschlag wird normalerweise über eine Blutprobe die Creatinin Kinase (CK) und die<br />
Aspartat Transaminase (AST) bestimmt. Diese steigen bei einem akuten Kreuzverschlag an und sinken nach<br />
einigen Tagen wie<strong>de</strong>r auf ihre normalen Werte, wenn das Pferd Ruhe hat. Bei PSSM Pfer<strong>de</strong>n bleiben die CK<br />
Werte sehr häufi g erhöht, auch noch Tage und Wochen nach <strong>de</strong>m Vorfall, selbst bei Boxenruhe. Dies ist kein<br />
direkter Nachweis für PSSM, aber ein starker Hinweis.<br />
PSSM vom Typ 1, die häufi gste Form, kann über einen genetischen Test bestimmt wer<strong>de</strong>n. Dieser wird<br />
mittlerweile von verschie<strong>de</strong>nen Laboren angeboten. Dass das Gen vorhan<strong>de</strong>n ist, sagt aber nichts darüber aus,<br />
ob das Pferd an PSSM erkrankt ist o<strong>de</strong>r nicht. Es zeigt nur, dass man bei diesem Pferd immer vorsichtig sein<br />
sollte mit <strong>de</strong>r Fütterung von Kraft- und Saftfutter und immer für ausreichend Training und Bewegung sorgen<br />
muss. PSSM vom Typ 2 kann bisher nicht genetisch nachgewiesen wer<strong>de</strong>n.<br />
Die einzig sichere Metho<strong>de</strong> für die Diagnose einer bereits ausgebrochenen PSSM Erkrankung ist die<br />
Muskelbiopsie. Dabei wird eine Gewebeprobe vom Musculus semimembranosus <strong>de</strong>r Hinterhand entnommen<br />
und sofort in ein entsprechen<strong>de</strong>s Labor geschickt. Hier wird die Probe auf Stärkeeinlagerungen in <strong>de</strong>n<br />
Muskelzellen untersucht. Dieser Test ist normalerweise bei Pfer<strong>de</strong>n über einem Jahr zuverlässig durchführbar.<br />
Was aber tun, wenn das Pferd PSSM<br />
hat? Zunächst muss man unterschei<strong>de</strong>n,<br />
ob das Pferd nur genetisch die Veranlagung<br />
zu PSSM hat, o<strong>de</strong>r ob die Krankheit<br />
bereits ausgebrochen ist.<br />
Behandlung<br />
Pfer<strong>de</strong> mit PSSM – ob schon ausgebrochen<br />
und nur mit <strong>de</strong>r genetischen<br />
Veranlagung dazu – haben insbeson<strong>de</strong>re<br />
Probleme mit leicht verfügbaren Zuckern,<br />
wie sie aus Melasse, Karotten, Apfeltrester,<br />
Rübenschnitzeln und thermisch<br />
behan<strong>de</strong>lten (gefl ockten o<strong>de</strong>r extrudierten)<br />
Getrei<strong>de</strong>n stammen. Auch in <strong>de</strong>r<br />
Menge muss bei diesen Pfer<strong>de</strong>n Kraftfutter<br />
immer nur sehr sparsam dosiert und<br />
<strong>de</strong>r tatsächlichen Arbeitsleistung<br />
angepasst wer<strong>de</strong>n. Ein Trainingstagebuch,<br />
über mehrere Wochen geführt, gibt einen<br />
guten Anhaltspunkt über <strong>de</strong>n tatsächlichen<br />
Energiebedarf. Regelmäßiges und<br />
ausreichen<strong>de</strong>s Training bei geringer<br />
Kraftfutterzufuhr ist ein Muss für PSSM<br />
Pfer<strong>de</strong>. Einen Anhaltspunkt über die<br />
tatsächlich benötigte Energie gibt die<br />
Tabelle. Der Grundbedarf eines Pfer<strong>de</strong>s<br />
kann normalerweise über eine ausreichen<strong>de</strong><br />
Portion mit or<strong>de</strong>ntlicher Heuqualität<br />
ge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n, das etwa 8 MJ pro<br />
kg verdauliche Energie liefert.<br />
In Untersuchungen an erkrankten<br />
PSSM Pfer<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> gezeigt, dass allein<br />
die Futterumstellung – weg von leicht<br />
verfügbaren Kohlenhydraten, hin zu<br />
reichlich zuckerarmem Raufutter – bei <strong>de</strong>r<br />
Hälfte aller Pfer<strong>de</strong> zu einer <strong>de</strong>utlichen<br />
Verbesserung <strong>de</strong>r Symptome führte.<br />
Wur<strong>de</strong> die Futterumstellung kombiniert<br />
mit vermehrter Bewegung, verbesserte<br />
sich <strong>de</strong>r Zustand von 90 % aller untersuchten<br />
Pfer<strong>de</strong>. Bei konsequent artgerechter<br />
Fütterung und regelmäßiger Bewegung<br />
können über 75 % <strong>de</strong>r an PSSM erkrankten<br />
Pfer<strong>de</strong> komplett ausheilen.<br />
artgerecht 3/2012 21