<strong>mal</strong> nicht allzu sorgfältig gewählt hatte. Am ersten Tag hatte ich gleich das längste Wegstück mit 21 Kilometern, obwohl ich nur den Nachmittag zur Verfügung hatte. Dennoch klappte alles sehr gut, das Wetter war perfekt, <strong>der</strong> Weg schön und mein Knie hörte auf zu schmerzen, sobald ich losgegangen war. Auch die Unterkunft (es gab nur eine am Zielort) war gut. <strong>Ich</strong> wollte mein Abendgebet in <strong>der</strong> Kirche beten, die ich von meinem Zimmerfenster aus sehen konnte, aber die Kirche war abgeschlossen. <strong>Ich</strong> überlegte erfolglos, ob das ein Symbol für unsere schlechte Gesellschaft ist o<strong>der</strong> ein Symbol dafür, daß unsere Kirchen manch<strong>mal</strong> nicht sehr einladend wirken. <strong>Ich</strong> war so erschöpft, daß ich schon um 20.15 Uhr einschlief. Erkenntnis des Tages: Manch<strong>mal</strong> bekommt man einen wun<strong>der</strong>schönen Tag einfach geschenkt. Auch am nächsten Morgen bereiteten mir die Treppenstufen zum Frühstückssaal hinunter keine Probleme – wun<strong>der</strong>bar. Gleich zu Beginn meines Weges <strong>bin</strong> ich nach Österreich übergewechselt. Die Strecke dort war landschaftlich phantastisch, wun<strong>der</strong>bar einsam – ich <strong>bin</strong> einem Hasen und einem Reh begegnet – und katastrophal ausgeschil<strong>der</strong>t. Dazu paßte, daß ich beim Beten in einer Kapelle im Psalm 27 auf den Vers stieß: „Zeige mir, Herr, den Weg, leite mich auf ebener Bahn“. Prompt vergaß ich <strong>dann</strong> in dieser Kapelle meine Wan<strong>der</strong>karte und mußte noch ein<strong>mal</strong> zurück... Gut beschil<strong>der</strong>t war nur <strong>der</strong> Weg zu einer kleinen Kapelle mit einer Quelle, dem „Heilbrünnl“. Der Ort war so schön, daß ich dort einige Zeit verbrachte – und zu meiner Überraschung stellte ich fest, daß ich mich gerade auf einem alten Wallfahrts<strong>weg</strong> befand. <strong>Ich</strong> schüttete eine meiner beiden Trinkflaschen aus und konnte so von diesem Quellwasser etwas mit nach Hause nehmen. Bereits um 14 Uhr erreichte ich meinen Zielort. Unterkünfte gab es in dem großen Ort jede Menge, aber viele waren mir einfach zu teuer, viele lagen als Ausgangspunkt für den nächsten Tag einfach am falschen Ende des Ortes und die meisten waren beides gleichzeitig. Also überlegte ich, noch ein o<strong>der</strong> zwei Orte weiter zu gehen, um den Weg für den nächsten Tag abzukürzen. <strong>Ich</strong> wälzte die Kataloge aus <strong>der</strong> Tourist Info, telefonierte, studierte die Wan<strong>der</strong>karte und gab schließlich auf. Keine Unterkunft auf dem Weg Richtung Altötting war erreichbar. Also wählte ich aus denen im Ort eine billige aus – zu <strong>der</strong> mußte ich aber noch 2 Kilometer in die Richtung zurücklaufen, aus <strong>der</strong> ich gekommen war. Ein kalter Wind kam auf, es begann zu regnen und ich erwischte noch eine falsche Abzweigung und ging einen Um<strong>weg</strong>. <strong>Ich</strong> fand auf dem Weg noch eine Gaststätte mit Übernachtungsmöglichkeit, ließ mir das Zimmer zeigen – aber das war so ungemütlich, daß ich dort nicht ein<strong>mal</strong> eine Nacht verbringen wollte. Also ging ich weiter zu <strong>der</strong> geplanten Unterkunft. Das Zimmer war O.K., aber die Heizung schon abgeschaltet und ich fror. Meine Laune war am Nullpunkt, trotz <strong>der</strong> wun<strong>der</strong>baren ersten Tageshälfte. Erst nach dem Abendessen und einer warmen Dusche taute ich auch innerlich wie<strong>der</strong> auf. Erkenntnis des Tages: Wenn ich mich nicht für ein Ziel entscheide, son<strong>der</strong>n alles gleichzeitig will, <strong>dann</strong> kann ich mich auch nicht darüber freuen, etwas zu erreichen. Die letzte Etappe führte erst durch ein paar kleine Ortschaften und <strong>dann</strong> durch ein riesiges Waldstück – erst die alte Poststraße, <strong>dann</strong> den Fürsten<strong>weg</strong> entlang. Interessanter Weise waren beide Wege genau gleich uninteressant. Auch ein Wald<strong>weg</strong> kann langweilig sein, wenn es kilometerlang nur geradeaus geht. Auf einer Bank stellte ich mir die Frage, wozu ich hier eigentlich stundenlang unter<strong>weg</strong>s <strong>bin</strong>. Dann las ich in Psalm 131: „<strong>Ich</strong> ließ meine Seele ruhig werden und still, wie ein kleines Kind bei <strong>der</strong> Mutter ist meine Seele still in mir“ – und ich ahnte, daß es genau darum geht. Das letzte Wegstück führte durchs Industriegebiet von Altötting – landschaftlich nicht sehr spannend, aber schließlich habe ich es wie<strong>der</strong> geschafft und konnte noch ein paar Stunden den Kapellplatz genießen, bevor es mit dem Zug wie<strong>der</strong> zurück ging. Irgendwie war ich etwas enttäuscht, daß alles so langweilig gewesen ist – bis mir auffiel, daß es meine erste Wallfahrt ohne Katastrophen war – und noch Wochen später war in mir immer wie<strong>der</strong> das angenehme Gefühl, wie<strong>der</strong> ein<strong>mal</strong> ein Stück Le- 10
ens<strong>weg</strong> bewußt gegangen zu sein. Erkenntnis des Tages: <strong>Ich</strong> habe es wie<strong>der</strong> ein<strong>mal</strong> geschafft. Im Rückblick auf meine 4 Wallfahrten kann ich nur empfehlen: Mach Dich auf den Weg! Unterbrich Deinen Alltag! Sei es eine Wallfahrt o<strong>der</strong> ein Kurs o<strong>der</strong> eine Auszeit o<strong>der</strong> was auch immer – es ist eine wertvolle Zeit. Klaus Schubert 11