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Ich bin dann mal weg - der Abtei Münsterschwarzach

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Taxi zu lange gebraucht hätte – so schnell es eben ging zum Bahnhof gelaufen und<br />

mit dem nächsten Zug zurück, um mich um meine Frau und meine Kin<strong>der</strong> kümmern<br />

zu können.<br />

Erst Monate später hab ich die letzten beiden Etappen <strong>der</strong> Wallfahrt gemacht.<br />

Erkenntnis <strong>der</strong> Tage: <strong>Ich</strong> habe daraus gelernt, daß eine Wallfahrt nicht dazu geeignet<br />

ist, Gott dazu zu bringen, Probleme von uns fern zu halten. Die Wallfahrt lehrt uns<br />

nur, wie wir mit den Schwierigkeiten, die jeden irgendwann im Leben treffen, umgehen<br />

können.<br />

Meine dritte Wallfahrt war wie<strong>der</strong> geplant mit drei Tagesetappen nach Altötting. Wenige<br />

Tage vor dem geplanten Start starb ein Verwandter und die Beerdigung wurde<br />

auf den mittleren <strong>der</strong> drei Tage gelegt. <strong>Ich</strong> wollte unbedingt zur Beerdigung und überlegte,<br />

die Wallfahrt ganz abzusagen. Doch <strong>dann</strong> hatte ich eine Idee.<br />

Den ersten Tag ging ich von mir zu Hause aus eine Etappe (rund 20 km) zu einer<br />

kleinen Wallfahrtskirche – die lei<strong>der</strong> verschlossen war, aber selbst das war egal. Es<br />

war ein schöner und guter Tag für mich. Abends <strong>bin</strong> ich mit dem Zug wie<strong>der</strong> heim<br />

gefahren. Erkenntnis des Tages: <strong>Ich</strong> freue mich darüber, daß ich gelernt habe, bei<br />

Bedarf einfach an<strong>der</strong>e Wege zu gehen als geplant.<br />

Am zweiten Tag <strong>bin</strong> ich am Vormittag von zu Hause aus mit meiner Frau einen kleinen<br />

Wallfahrts<strong>weg</strong> zu einer Wallfahrtskirche, die offen war, gegangen. Danach <strong>bin</strong><br />

ich zur Beerdigung gefahren und war <strong>dann</strong> noch lange bei <strong>der</strong> Familie des Verstorbenen.<br />

Am Abend <strong>bin</strong> ich zu einer Unterkunft gefahren, die nur noch eine Tagesetappe<br />

von Altötting entfernt war. Erkenntnis des Tages: Manch<strong>mal</strong> ist das Zusammensein<br />

mit an<strong>der</strong>en Menschen wichtiger als alles, was man sich vorgenommen hat.<br />

Der dritte Tag begann mit kaltem Regen. Ist nicht so schlimm, dachte ich, in unserer<br />

Gegend gibt es nur ganz selten Tage, an denen es von früh bis spät regnet. Es würde<br />

wie<strong>der</strong> aufhören. Das tat es aber nicht. Die Regenkleidung hielt mich nur die ersten<br />

Stunden trocken. Zeitweise war meine Brille so beschlagen, daß ich fast den<br />

Weg nicht mehr sah. Mein Taschentuch mußte ich erst auswringen, bevor ich meine<br />

Brille putzen konnte. Bei dem Dauerregen war das Lesen <strong>der</strong> Stundengebete nicht<br />

mehr möglich, selbst meine Wan<strong>der</strong>karte zerfiel im Regen. <strong>Ich</strong> konnte nicht <strong>mal</strong> in<br />

Kirchen gehen, ich war zu naß und die Kirchen zu kalt. Gaststätten gab es auf dem<br />

Weg nicht. So ging ich den ganzen Weg ohne eine Pause und ohne rechte Begeisterung.<br />

In Altötting <strong>bin</strong> ich in das erste Lokal gegangen und hab dort in <strong>der</strong> Toilette<br />

meine wasserdurchtränkten Klamotten, soweit möglich, ausgezogen und einen frischen<br />

Pullover – das einzige trockene Kleidungsstück, das ich im Rucksack hatte –<br />

angezogen. Meine nasse Jeans mußte ich lei<strong>der</strong> anbehalten, denn eine Ersatzhose<br />

hatte ich nicht mitgenommen – ich hatte gedacht, unter meiner Regenhose würde die<br />

Jeans trocken bleiben. So saß ich <strong>dann</strong> immer noch triefend in <strong>der</strong> Gaststube. In Kirchen<br />

konnte ich nur kurz gehen, es war einfach eisig kalt mit meiner nassen Hose<br />

und dem patschnassen Anorak. So habe ich die Stundengebete, die ich ausgelassen<br />

hatte, einfach in verschiedenen Cafés bei verschiedenen warmen Getränken nachgeholt.<br />

Erkenntnis des Tages: Das Gefühl, wenn man etwas trotz widriger Umstände<br />

geschafft hat, ist trotz allem ein schönes Gefühl.<br />

Meine vierte Wallfahrt schien schwierig zu werden: ich hatte ein paar Tage vor dem<br />

geplanten Start etwas zu intensiv Badminton gespielt, und seitdem hatte ich Knieschmerzen.<br />

Dennoch fuhr ich wie geplant los. Im Zug, auf dem Weg zu meinem<br />

Startpunkt, saß schräg neben mir ein Polizist in Uniform, mit Pistole und Reisekoffer.<br />

Er las ein Buch mit dem Titel „Schwesternmord“. Ob das für ihn eine Fortbildung<br />

war? Zumindest brauchte ich mir keine Sorgen machen, im Zug überfallen zu werden.<br />

Zu Mittag kam ich an, in einem Touristenort südlich von Altötting. <strong>Ich</strong> war sicher<br />

<strong>der</strong> einzige Wallfahrer hier. Unter<strong>weg</strong>s stellte ich fest, daß ich meine Etappen dies-<br />

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