Ein Jahr als Au-pair im Kloster Zu guter Letzt noch ... - Hotel Waldhaus
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14 JANUAR 2013<br />
<strong>Ein</strong>e Liebe zum <strong>Waldhaus</strong> und seiner<br />
Küche<br />
Ende der achtziger <strong>Jahr</strong>e wurden meine<br />
Frau und ich von Freunden, die eine Wohnung<br />
in Sils besassen, über ein Wochenende<br />
nach Sils eingeladen.<br />
Wir kamen in das Tal, die Wolken hingen<br />
tief, von Berggipfeln nichts zu sehen und<br />
es schüttete. Es waren düstere Tage und<br />
ich konnte nicht verstehen, wieso die Menschen<br />
es hier so toll finden. So äusserte ich<br />
mich auch!<br />
Unsere Freunde gaben aber nicht auf und<br />
luden uns <strong>im</strong> Februar zu den Pferderennen<br />
in St. Moritz erneut ein. Herrlichstes Wetter,<br />
blauer H<strong>im</strong>mel und alles in tiefem Schnee, so<br />
empfing uns diesmal das Tal. Hinter Silvaplana,<br />
nach einer Kurve, tauchte die Trutzburg<br />
von Sils, das «<strong>Waldhaus</strong>», auf. <strong>Ein</strong><br />
<strong>im</strong>mer wieder <strong>im</strong>posanter Anblick, wie das<br />
<strong>Hotel</strong> über dem Ort thront. Den Nachmittags-<br />
tee haben wir natürlich dort öfters eingenommen<br />
und ich war sofort begeistert<br />
von der Atmosphäre des <strong>Hotel</strong>s. Die nächs-<br />
ten <strong>Jahr</strong>e waren wir öfters <strong>noch</strong> zu den<br />
Rennen gekommen, aber erst <strong>im</strong> Februar<br />
1996 wohnten wir erstm<strong>als</strong> auch <strong>im</strong> <strong>Hotel</strong><br />
<strong>Waldhaus</strong>.<br />
Für Ende September wurde ein Kochkurs<br />
angeboten. Da sich meine berufliche Tätigkeit<br />
dem Ende zu neigte, konnte ich auch<br />
am Ende eines Quart<strong>als</strong> mal Urlaub machen<br />
und daran teilnehmen. Kurt Röösli war zum<br />
Chefkoch aufgestiegen und leitete und dirigierte<br />
uns Teilnehmer sehr souverän durch<br />
die Tage.<br />
Ich habe schon <strong>im</strong>mer viel und gerne<br />
zu Hause gekocht und Kurt und die anderen<br />
Mitarbeiter beantworteten alle meine<br />
Fragen mit viel Ruhe und Geduld. Ich hatte<br />
auch gleich das Gefühl, dass Kurt und ich uns<br />
gut verstehen. Höhepunkt war dann das Abschlussessen,<br />
von den Teilnehmern gekocht,<br />
unten <strong>im</strong> Weinkeller.<br />
Mir war klar, hier in diesem Haus war ich<br />
nicht zum letzten Mal. Inzwischen habe ich<br />
an 11 Kochkursen teilgenommen und jedes<br />
Mal etwas gelernt.<br />
In unvergesslicher Erinnerung wird ein<br />
Tagesausflug der Kochkursteilnehmer nach<br />
Tirano bleiben. Bald nach dem Berninapass<br />
bei der Talfahrt begann das Getriebe<br />
des Kleinbusses Probleme zu machen. Nach<br />
einiger Zeit streikte es völlig. Die männlichen<br />
Teilnehmer mussten dann den Bus von<br />
der Strasse schieben.<br />
Im Laufe der <strong>Jahr</strong>e kam ich häufiger und<br />
ausserhalb der Kochkurse ins <strong>Waldhaus</strong>. Es<br />
war und ist selbstverständlich, dass ich mich<br />
am ersten Morgen in der Küche melde und<br />
Kurt begrüsse. Es hat sich inzwischen eingebürgert,<br />
dass ich <strong>im</strong>mer wieder in der Küche<br />
mitarbeiten darf. «<strong>Ein</strong>e Stunde konzentrierter<br />
Arbeit facht die Lebensfreude besser an,<br />
<strong>als</strong> ein Monat dumpfen Brütens» (Benjamin<br />
Franklin). Die Gespräche mit Kurt über dies<br />
und das und auch über Kochrezepte sind mir<br />
sehr ans Herz gewachsen.<br />
Durch meinen Beruf <strong>als</strong> Arzt kenne ich den<br />
Verlauf/Funktion von Muskeln, Sehnen und<br />
Gelenken, so dass ich keine Probleme habe,<br />
Fleisch in jeglicher Grösse mit dem Messer<br />
zu bearbeiten. <strong>Ein</strong> Vergleich, den meine Familie<br />
<strong>im</strong>mer wenig schätzte.<br />
Kurt konnte natürlich <strong>im</strong> Laufe der <strong>Jahr</strong>e<br />
sehen, wie ich mich anstelle, was ich kann<br />
und dass ich einsetzbar bin. Jetzt legt er<br />
mir auch mal ein halbes Schwein o. ä. hin<br />
mit der Bemerkung, das kannst du entbeinen.<br />
Meine grosse Leidenschaft be<strong>im</strong> Kochen<br />
sind Terrinen in jeglicher Form, Wild –<br />
Fisch – Gänseleber – Pilze. Die durfte ich<br />
alle <strong>im</strong> Laufe der <strong>Jahr</strong>e mehrfach herstellen.<br />
Natürlich gab es auch sehr ernüchternde<br />
Momente! So bekam ich einmal zwei grosse<br />
Bündel Lauch mit der Anordnung, diese zu<br />
Julienne zu schneiden. Kein Problem, dachte<br />
ich und machte mich an die Arbeit. Nach ungefähr<br />
45 Minuten spürte ich meine Unterarme<br />
kaum <strong>noch</strong>, so schmerzte die Muskulatur<br />
und ich musste ständig meine Unterarme<br />
massieren. Das Lächeln der Köche war nicht<br />
zu übersehen. Den Nachmittag verbrachte<br />
ich mit feuchten Umschlägen <strong>im</strong> <strong>Hotel</strong>bett.<br />
<strong>Ein</strong> anderes Mal ging es um «Sauce hollandaise»,<br />
die ich gut herstellen kann. Dann<br />
mache sie, hiess es! Ich bekam 25 Eigelb,<br />
die entsprechende Menge zerlassene Butter,<br />
eine entsprechend grosse Schüssel für das<br />
Wasserbad und einen Schneebesen, grösser<br />
<strong>als</strong> mein Unterarm. Ich begann, aber schon<br />
nach kurzer Zeit scheiterte ich, dieser Grössenordnung<br />
war ich dann doch nicht gewachsen.<br />
<strong>Ein</strong> Hobbykoch bekommt dann halt seine<br />
Grenzen aufgezeigt.<br />
<strong>Ein</strong> eindrucksvolles Erlebnis war einmal,<br />
<strong>als</strong> ich, statt abends <strong>im</strong> Restaurant mein Essen<br />
einzunehmen, den Essensservice in der<br />
Küche mitmachte. Ich bekam die <strong>Au</strong>fgabe,<br />
u. a. die Kalbsleber zu braten, die an diesem<br />
Abend auf der Karte stand. Ich stand<br />
nun über drei Stunden an der sehr heissen<br />
Herdplatte – es waren <strong>noch</strong> die alten<br />
Herde – und bekam durch <strong>Zu</strong>ruf vom Pass<br />
mitgeteilt, wie viele Portionen gewünscht<br />
wurden. Jede Portion wurde dann natürlich<br />
frisch hergestellt. Diese Hitze, es war anstrengend<br />
und ohne viel Wasser zu trinken<br />
nicht zu überstehen. Am Ende, <strong>als</strong> alles erledigt<br />
war, sank ich auf einen Stuhl und konnte<br />
Kurt nur <strong>noch</strong> um ein Bier bitten.<br />
Seit dieser Zeit habe ich eine grosse<br />
Hochachtung vor dem Beruf Koch. Es ist eine<br />
anstrengende Tätigkeit, die nicht nur Talent<br />
und Geschmack, sondern auch viel Begeisterung<br />
und <strong>Ein</strong>satzbereitschaft verlangt.<br />
<strong>Ein</strong>mal kam ich morgens in die Küche und<br />
Kurt – der Chefkoch – stand an einem Tisch<br />
und schälte Kartoffeln. <strong>Au</strong>f meine erstaunte<br />
Bemerkung, dass er dies tue, kam die Antwort:<br />
die dafür zuständigen Mitarbeiter wären<br />
beschäftigt, <strong>als</strong>o mache er es.<br />
Genau diese <strong>Ein</strong>stellung, die ruhige Atmosphäre<br />
in der Küche, es fallen keine lauten<br />
Worte und das harmonische Miteinander,<br />
worauf Kurt sehr viel Wert legt, begeistern<br />
mich und ich freue mich jedes Mal auf den<br />
anstrengenden Teil der Ferien: In der Küche<br />
des <strong>Hotel</strong> <strong>Waldhaus</strong>, durch den <strong>Ein</strong>satz und<br />
das Können von Kurt Röösli, wird auf hohem<br />
Niveau sehr gut und abwechslungsreich gekocht<br />
und die Gäste werden verwöhnt.<br />
Nicht vergessen möchte ich natürlich<br />
Renato Pellegrinelli, den Chef Patissier, der<br />
mit seinen süssen Kreationen die Gäste ständig<br />
in Versuchung bringt.<br />
Besonders bedanke ich mich bei den Familien<br />
Dietrich und Kienberger, dass sie dies<br />
ermöglichen und erlauben und ganz besonders<br />
gilt mein Dank Kurt Röösli, der mir so<br />
viel beigebracht, erklärt und gezeigt hat.<br />
<strong>Au</strong>f ein baldige Wiedersehen!<br />
Dr. med. Axel Freiherr von Gültlingen<br />
«Wird es nicht <strong>im</strong>mer schwieriger, gutes<br />
Personal zu finden?» fragt man uns besorgt.<br />
Aber nein: Wenn wir nicht weiterkommen,<br />
dann setzen wir einfach unsere Gäste ein!<br />
Im Ernst: Wir haben hohe Achtung vor unserem<br />
Gast, der mitten in seinen Ferien die<br />
weisse Kochjacke anzieht und intensiv und<br />
konzentriert in der Küche mitarbeitet, und<br />
wir bewundern ihn.<br />
Umbau Frühjahr 2012 (neues Fumoir etc.) bei der Fertigstellung<br />
Umgebungsarbeiten, von Anna Rosano, unserer Floristin und Gärtnerin genauestens<br />
überwacht… Anf. Juni 2012<br />
Übernachten mit Beethoven<br />
Bist du sicher,<br />
dass du das aushältst?<br />
Im ersten Moment erinnerte mich die Ankündigung<br />
einer Beethoven-Nacht, während<br />
welcher <strong>im</strong> <strong>Waldhaus</strong> in Sils zwölf Pianisten<br />
alle 32 Sonaten, drei Sonatinen sowie Op. 6<br />
für vier Hände des begnadeten Komponisten<br />
spielen sollten, an den Engadiner Marathon<br />
und gleich danach an den Begriff <strong>Au</strong>sdauer.<br />
«Du willst dir wirklich alle Beethoven-Sonaten<br />
am Stück anhören? Bist du sicher, dass<br />
du das aushältst?» fragte mich denn auch<br />
ein Journalisten-Kollege. Er war skeptisch,<br />
ich überzeugt und fest entschlossen, diese<br />
Herausforderung anzunehmen.<br />
Um neun Uhr abends ging es mit der Kurfürstensonate<br />
Nr. 2 in F-Moll los. Rund 150<br />
erwartungsvolle Gäste waren in der <strong>Hotel</strong>halle<br />
bereit, um sich auf das monumentale<br />
Ereignis einzulassen. <strong>Au</strong>ch ich, angesichts<br />
der bevorstehenden Länge der Nacht<br />
auf einem bequemen Sofa. Flinke Hände<br />
huschten über schwarze und weisse Tasten,<br />
einmal zart, einmal mit Kraft, gelegentlich<br />
mit exper<strong>im</strong>entellem oder gar leicht jazzigem<br />
Touch. Um Mitternacht bei Op. 2/3<br />
in C-Dur war die stilvolle Halle <strong>im</strong>mer <strong>noch</strong><br />
brechend voll. Der Beethoven-Funke war<br />
übergesprungen, das Publikum begeistert.<br />
<strong>Ein</strong>einhalb Stunden später Op. 49/2 in G-Dur<br />
mit Jürg Kienberger. Für ihn war der <strong>Au</strong>ftritt<br />
sozusagen ein He<strong>im</strong>spiel. Er ist <strong>im</strong> <strong>Waldhaus</strong><br />
aufgewachsen und bekannt <strong>als</strong> Theatermusiker<br />
und Schauspieler. <strong>Ein</strong>e halbe Stunde<br />
später kündeten die Initianten eine Pause<br />
an, die ich gar nicht wollte. Ich war kein<br />
bisschen müde, auf dem Beethoven-Trip und<br />
wollte nur <strong>noch</strong> eines, es soll doch bitte<br />
weitergehen. Bei Op. 2/2 in A-Dur war die<br />
Gästeschar zwar ein bisschen geschrumpft.<br />
Immerhin scharten sich aber <strong>noch</strong> etwa<br />
dreissig Hartgesottene um den Flügel, wohl<br />
<strong>im</strong> selben Rausch wie ich. Pianist folgte auf<br />
Pianist, Sonate auf Sonate. Schlafen gehen?<br />
Unmöglich. Um fünf Uhr zu Op. 2/1 in F-Moll<br />
war das Frühstücksbuffet fertig aufgebaut.<br />
Herrlich, Kaffee und ein Vitaminschub in<br />
Form von Fruchtsalat. Dazu Op. 109 in E-Dur,<br />
von einem erstaunlich munter wirkenden<br />
Pianisten gespielt. Unter die Übernächtigten<br />
<strong>im</strong> Publikum mischten sich nach und nach<br />
die Frühaufsteher mit Rucksack und in Wanderschuhen.<br />
Mit Op. 81a in Es-Dur war es<br />
dann geschafft. <strong>Ein</strong> begeistertes Publikum<br />
spendete um halb elf Uhr morgens Beifallsstürme<br />
und stehende Ovationen.<br />
Ich blieb <strong>noch</strong> eine ganze Weile auf<br />
«meinem» <strong>Waldhaus</strong>-Sofa hängen, zugegebenermassen<br />
ein bisschen schlapp, aber<br />
sicher: Dieser «Marathon» hatte sich gelohnt.<br />
Und wie! Maya Höneisen<br />
m.hoeneisen@wortmarkt.ch<br />
Frau Höneisen schreibt <strong>als</strong> freie Journalistin<br />
in Graubünden für Tages- und Wochenzeitungen<br />
und verschiedene Zeitschriften – am<br />
liebsten Porträts, Reportagen und Kulturbeiträge.<br />
Dieser Beitrag erschien online <strong>im</strong><br />
www.alpenmagazin.org