Ein Jahr als Au-pair im Kloster Zu guter Letzt noch ... - Hotel Waldhaus
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Im <strong>Kloster</strong><br />
Fortsetzung von Seite 1<br />
den Unterricht. Der Alltag war geprägt<br />
von festen Regeln und vielen Vorschriften.<br />
So wurde während der ganzen Zeit fast<br />
ausschliesslich Französisch gesprochen.<br />
Falls die Mädchen auf Deutsch untereinander<br />
sprachen und erwischt wurden, gab es<br />
je ein Kreuz auf den sogenannten «Kreuz-<br />
listen». Bei drei Kreuzen mussten drei französische<br />
Verben konjugiert werden. Es soll<br />
nicht unerwähnt bleiben, dass auch positiv<br />
berücksichtigt wurde, wenn längere Konversationen<br />
auf Französisch zwischen den Mädchen<br />
geführt wurden. Dafür gab es «Smiley-<br />
Listen». Bei zehn Smileys wurde eine Strafe<br />
gestrichen oder man durfte eine Stunde<br />
früher nach Hause gehen. Wo bleibt da die<br />
Gerechtigkeit: Drei Kreuze genügen für eine<br />
Strafarbeit, aber es braucht zehn Smileys,<br />
um eine Strafe zu löschen?!?<br />
Nur jedes zweite Wochenende durfte man<br />
nach Hause gehen. Die Kleidervorschriften<br />
waren für junge Mädchen sicher auch<br />
nicht <strong>im</strong>mer leicht zu akzeptieren. Entsprechend<br />
kam es <strong>im</strong>mer wieder zu Konflikten,<br />
zum einen bei den Mädchen untereinander<br />
und zum anderen mit den Schwestern.<br />
Oft fühlten sich die Mädchen unverstanden<br />
und umgekehrt war es sicher auch<br />
so. Es prallten zwei Welten aufeinander.<br />
Yasmin und ihre Mitschülerinnen meis-<br />
terten den Alltag <strong>im</strong> <strong>Kloster</strong> aber den<strong>noch</strong><br />
und haben sich auch einmal den einen oder<br />
anderen Trick einfallen lassen, die Regeln zu<br />
umgehen, wie <strong>im</strong> nachfolgenden Interview<br />
deutlich wird. Trotz Schwierigkeiten und<br />
nicht ausschliesslich positiven Erlebnissen<br />
hat dieses <strong>Jahr</strong> <strong>im</strong> <strong>Kloster</strong> Yasmin nach eigener<br />
<strong>Au</strong>ssage gut auf das weiterführende<br />
Leben vorbereitet.<br />
Yasmin musste für die Berufsschule eine<br />
Abschlussarbeit unter dem Motto «Ereignisse»<br />
schreiben und hat den einjährigen<br />
<strong>Au</strong>fenthalt <strong>im</strong> <strong>Kloster</strong> zu ihrem Thema gemacht.<br />
Um ihre eignen Erlebnisse in Relation<br />
zu setzen, stellte sie ihren Mitschülerinnen<br />
Fragen zu dem Internatsleben <strong>im</strong> <strong>Kloster</strong>.<br />
Wir haben Yasmin gebeten, sich selbst diese<br />
Fragen auch einmal zu beantworten, damit<br />
die Leser der <strong>Waldhaus</strong> News einen kleinen<br />
<strong>Ein</strong>blick in ihr ganz persönliches <strong>Kloster</strong>jahr<br />
bekommen.<br />
<strong>Au</strong>s welchem Grund bist du in ein <strong>Kloster</strong> gegangen<br />
und wieso genau ins Maison Chappuis?<br />
Nach der Schule suchte ich eine <strong>Au</strong>-<strong>pair</strong><br />
Stelle in der französischen Schweiz. Allerdings<br />
fand ich keine angemessene Familie.<br />
<strong>Ein</strong>e gute Freundin meines Vaters kannte das<br />
Maison Chappuis bereits und empfahl mir<br />
das Haus sehr. <strong>Au</strong>fgrund der Besichtigung<br />
des Hauses bemerkte ich, dass das Maison<br />
Chappuis meinen Vorstellungen entsprach.<br />
Warst / Bist du mit den Methoden und Schulfächern,<br />
welche dir die französische Sprache<br />
näher bringen sollten, zufrieden und<br />
hast du deiner Meinung nach genügend von<br />
der Sprache gelernt?<br />
Da ich persönlich <strong>noch</strong> gar keine französischen<br />
Sprachkenntnisse hatte, fiel es<br />
mir anfangs sehr schwer, mit den anderen<br />
mitzuhalten. <strong>Ein</strong> weiterer erschwerender<br />
Grund war, dass ich nur nachmittags in die<br />
Schule ging und die anderen daher <strong>im</strong>mer<br />
einen Schritt weiter waren <strong>als</strong> ich. Meine<br />
Zweifel legten sich jedoch mit der Zeit, denn<br />
ich wurde <strong>im</strong>mer besser und durfte gegen<br />
Mitte des <strong>Jahr</strong>es sogar in dem Kurs mit höherem<br />
Niveau mitmachen. Im Allgemeinen<br />
bin ich mit den Methoden sehr zufrieden<br />
und denke auch, dass ich das Bestmöglichste<br />
gelernt habe.<br />
Welche Hausregeln wurden meistens und<br />
welche fast nie eingehalten?<br />
Nun, die Regel «Handy-Abgabe» während<br />
der Nacht wurde von keiner der Schülerinnen<br />
und auch nicht von mir eingehalten.<br />
Jedes Mädchen hatte ein Zweit-Handy dabei,<br />
welches sie dann abgab. Somit wurde<br />
während den Abenden sehr oft mit Freunden<br />
telefoniert und SMS ausgetauscht. <strong>Au</strong>ch<br />
das Rauchverbot wurde so gut wie nie ein-<br />
gehalten. Vor allem nicht an den Wochenenden,<br />
die man zu Hause verbringen durfte.<br />
Meistens eingehalten wurde die Regel «Umgangssprache<br />
ist Französisch», nur wenn wir<br />
uns ganz sicher waren, dass keine Schwester<br />
<strong>im</strong> Umfeld war, sprachen wir auf Deutsch.<br />
<strong>Au</strong>ch die Kleider- und Verhaltensregeln wurden<br />
eingehalten ohne grosse Probleme.<br />
Wie war deine Beziehung zu den Schwestern<br />
und wie war sie zu den Schülerinnen?<br />
Die Beziehung zu den Schwestern war<br />
von Schwester zu Schwester unterschiedlich.<br />
Meist verhielten wir uns gegenüber den<br />
Schwestern gleich, wie sie es mit uns taten.<br />
Dies unterschied sich um Mengen. Mit der<br />
einen sprach man mit sehr viel Respekt und<br />
Anstand und mit der anderen wiederum ohne<br />
nur ein bisschen Verständnis und Respekt.<br />
Generell verschlechterte sich das Verhältnis<br />
während dem <strong>Jahr</strong> dramatisch.<br />
Die Beziehung zu den Schülerinnen wechselte<br />
während des ganzen <strong>Jahr</strong>es vom Positiven<br />
ins Negative und umgekehrt – ein <strong>Au</strong>f<br />
und Ab. Es gab Zeiten, da hielten alle zusammen,<br />
und dann wieder Tage, da schaute<br />
man sich nicht einmal an. Jetzt nach dem<br />
<strong>Jahr</strong> sind wir alle wieder miteinander versöhnt.<br />
Allerdings finden wir es sehr schade,<br />
dass wir die Zeit dam<strong>als</strong> miteinander nicht<br />
mehr genossen haben.<br />
Erläutere deine Sichtweisen vor, während<br />
und nach dem <strong>Kloster</strong>aufenthalt <strong>im</strong> Maison<br />
Chappuis. Die folgenden Fragen sollen dir<br />
dabei behilflich sein:<br />
– Was hattest du für Gedanken, Gefühle,<br />
Emotionen?<br />
– Wie warst du auf das Haus und die Schwestern<br />
eingestellt?<br />
– Hast du dich während diesem <strong>Jahr</strong><br />
verändert?<br />
Vor: Bevor man in das Maison Chappuis<br />
geht, hat jedes Mädchen die Möglichkeit, das<br />
Haus und die Schwestern kennen zu lernen.<br />
Nach diesem Besuch war ich überzeugt, dass<br />
dies ein gutes <strong>Jahr</strong> wird, trotz der Bedenken,<br />
dass es ein sehr streng geführtes Haus war.<br />
Jedoch hat die Oberschwester einen so herzlich<br />
aufgenommen, dass die Freude überragte.<br />
Während: Während dem <strong>Jahr</strong> bemerkten<br />
wir, dass unsere Vorstellungen sich nicht<br />
übermässig erfüllten. Da die Schwestern auf<br />
eine sehr altmodische Art und Weise aufgewachsen<br />
sind, konnten sie unsere Aspekte<br />
oft nicht verstehen. Dies führte <strong>im</strong>mer öfter<br />
zu Problemen, die manchmal ausarteten.<br />
Wir bemerkten, dass eine Schwester eben<br />
nicht <strong>im</strong>mer nur lieb ist und sie es oft auch<br />
gar nicht sein will. Alle Schülerinnen hatten<br />
schon Gespräche mit der Oberschwester, bei<br />
denen sie mit einer lauten St<strong>im</strong>me und sehr<br />
abschätzigen Worten zu uns sprach. Solche<br />
Gespräche haben uns alle sehr geprägt, denn<br />
solche Worte von einer Schwester zu hören,<br />
erschreckt einen doch sehr.<br />
Danach: Nach dem <strong>Kloster</strong>aufenthalt sehe<br />
ich das <strong>Jahr</strong> auf eine Art auch positiv, denn<br />
ohne dieses <strong>Jahr</strong> wäre ich nun nicht der<br />
Mensch, der ich jetzt bin. Ebenfalls finde<br />
ich es sehr schade, dass wir manchmal provokativ<br />
gegenüber den Schwestern waren.<br />
Oft haben wir uns das <strong>Jahr</strong> selber schwerer<br />
gemacht, <strong>als</strong> es eigentlich war. Wenn ich so<br />
zurückdenke, muss ich an Positives und Negatives<br />
denken, allerdings hat mich dieses<br />
<strong>Jahr</strong> für die <strong>Zu</strong>kunft sehr gestärkt, und das<br />
möchte ich nicht mehr missen.<br />
Hast du etwas aus diesem <strong>Jahr</strong> mitgenommen,<br />
das du nicht mehr vergisst? Oder gibt es etwas,<br />
das du gerne <strong>noch</strong> darlegen möchtest?<br />
So ein <strong>Jahr</strong> weg von zu Hause ist für jeden<br />
eine Erfahrung wert, denn verlieren<br />
kann man so oder so nichts. Man lernt, auf<br />
eigenen Beinen zu stehen und lernt gleichzeitig<br />
eine Sprache dazu, was <strong>im</strong>mer ein<br />
Pluspunkt ist. Ich persönlich empfehle jedoch,<br />
so ein <strong>Jahr</strong> entweder in einer Familie<br />
zu machen oder wenn in einem <strong>Kloster</strong>,<br />
dann mit externer Unterbringung. Denn ich<br />
habe eben nicht nur gute «Dinge» in diesem<br />
<strong>Jahr</strong> gelernt.<br />
Hausregeln Maison Chappuis<br />
Umgangssprache: Es wird <strong>im</strong>mer Französisch<br />
gesprochen<br />
Rauchen: Wir sind eine Nichtrauchergesellschaft,<br />
d. h. es wird nicht geraucht<br />
(auch wenn man sich ausserhalb des Klos-<br />
ters aufhält)<br />
<strong>Au</strong>sgang: Das Areal darf nur nachmittags<br />
nach der Schule verlassen werden, Rückkehr<br />
bis vor dem Abendessen.<br />
Handy: Das Handy darf nur <strong>im</strong> eigenen<br />
Z<strong>im</strong>mer benutzt werden oder vor dem Haus.<br />
In allen öffentlichen Bereichen ist es verboten.<br />
Die Missachtung wird mit Entzug<br />
des Handys bestraft. Jeden Abend vor dem<br />
Schlafengehen werden die Mobiltelefone der<br />
Mädchen eingezogen und erst am nächsten<br />
Tag zurückgegeben.<br />
Gebete: Täglich gibt es mehrere Gebete,<br />
bei denen Anwesenheitspflicht besteht. Man<br />
JANUAR 2013 21<br />
muss nicht mitbeten, aber darf auch nicht<br />
stören und muss leise sein.<br />
Verhalten: Anstand, Willen, Freundlichkeit,<br />
Hilfsbereitschaft und Disziplin werden<br />
bei jedem vorausgesetzt.<br />
Kleidung: Es gibt keine Uniformen, aber<br />
Hosen, Röcke und Kleider müssen bis über<br />
die Knie reichen. Oberteile sollen die Schultern<br />
bedecken, keinen grossen <strong>Au</strong>sschnitt<br />
haben und nicht bauchfrei sein. Die Kleidung<br />
soll «anständig» aussehen, d. h. sie<br />
soll sauber sein, keine Löcher haben und<br />
keine Motive, wie Totenköpfe o.ä.<br />
Yasmin Brazerol mit Daniela Boddenberg<br />
Yasmin kommt aus Rhäzüns zwischen Chur<br />
und Thusis. Sie ist <strong>im</strong> dritten und letzten<br />
<strong>Jahr</strong> ihrer Lehre <strong>als</strong> <strong>Hotel</strong>fachfrau <strong>im</strong> <strong>Waldhaus</strong>.<br />
Direktionsassistentin Daniela B. aus<br />
dem Rheinland hat ihr bei der Redaktion<br />
Schützenhilfe geleistet, doch das klare, differenzierte<br />
Urteil über das Erlebte ist ganz<br />
das von Yasmin, wie überhaupt das ganze<br />
Projekt.<br />
Die eingeflogene Kuh («Nostalgie»):<br />
Gedenkausstellung Giuliano Pedretti<br />
(1924–2012) <strong>im</strong> Sommer 2012.