Ein Jahr als Au-pair im Kloster Zu guter Letzt noch ... - Hotel Waldhaus
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<strong>Ein</strong>e Handvoll Mozzarella<br />
Wenn Zora del Buono dabei ist,<br />
gibt’s was Gutes. So wie das<br />
<strong>Waldhaus</strong>-Jubiläumsbuch von 2008<br />
aus ihrer Feder («A Family Affair:<br />
ein Grandhotel wird 100»).<br />
Was Gutes: Da denkt man natürlich<br />
zuerst ans Essen und nicht an<br />
Bücher. Be<strong>im</strong> neuesten Projekt, an<br />
dem Frau del Buono mitwirkt,<br />
gilt witzigerweise beides (siehe<br />
«Tafelrunde» unten rechts).<br />
Wer (wie ich) weder besonders gerne<br />
<strong>noch</strong> besonders gut kocht, aber ausgesprochen<br />
gerne isst, und wer dann (wie ich) das<br />
Angebot erhält, eine Kurzgeschichte für ein<br />
Buch über das Kochen und das Essen (samt<br />
Rezept) zu schreiben, kann in Schwierigkeiten<br />
geraten. Nun ergab es sich, dass das<br />
Angebot zum Text kam, <strong>als</strong> ich <strong>im</strong> <strong>Waldhaus</strong><br />
zu Gast war. Gibt es einen schöneren Ort,<br />
um zu arbeiten? In der Halle sieht man sie<br />
öfters, all die Menschen mit ihren Laptops,<br />
so tief in die Sessel versunken wie in ihre<br />
eigenen Gedanken. Da sitzen sie dann und<br />
tippen, man weiss nicht was. Aber vielleicht<br />
kann man es eines Tages irgendwo lesen.<br />
<strong>Ein</strong>e kulinarische Geschichte zu (er)finden,<br />
war nicht schwierig. Ich brauchte<br />
mich nur an meine ersten Lebensjahre zu<br />
erinnern. Denn eine Kindheit in Süditalien<br />
verbracht zu haben, ist ein Geschenk, ein<br />
überquellender Rucksack quasi, prall gefüllt<br />
mit grellen Farben, herrlichen Gerüchen,<br />
schrillen Geräuschen, grossen Emotionen<br />
und unendlich vielen alltäglichen Dramen.<br />
Klar war: Im Zentrum der Story sollte nebst<br />
dem schönen slowenischen Küchenmädchen<br />
Draga jede Menge <strong>Au</strong>berginen stehen.<br />
So sass ich <strong>als</strong>o nachmittags in der stillen<br />
<strong>Waldhaus</strong>-Halle, ganz hinten, auf dem Sofa,<br />
dem blaugrauen, trank Irma la Douce, jenen<br />
Puschlaver Tee, der einen in einen tranceartigen<br />
<strong>Zu</strong>stand zu versetzen vermag (ein<br />
gehe<strong>im</strong>nisvolles Alpenkraut?), und schrieb.<br />
Fehlte zum Ende nur <strong>noch</strong> das Rezept der<br />
Melanzane ripiene alla pugliese. Da ich, wie<br />
gesagt, nicht besonders gut kochen kann und<br />
weder Draga, das Küchenmädchen, <strong>noch</strong> die<br />
Nonna, die selige, befragen konnte, bat ich<br />
abends <strong>im</strong> Speisesaal den Zweiten Oberkellner<br />
um Hilfe.<br />
Giuseppe Santoro stammt aus Bari, so wie<br />
ich. Er kennt die Strasse, in der das Haus<br />
meiner Grosseltern steht. Er weiss, wie eine<br />
richtige Focaccia schmecken muss (der Boden<br />
ein wenig angebrannt und mit Öl durchtränkt)<br />
und wie das Meer riecht, wenn man<br />
am Lungomare entlang spaziert. Giuseppe<br />
Santoro und ich können voller Melancholie<br />
über Apulien sprechen, über die tempi<br />
passati. Richtig gut kochen, sagte Santoro,<br />
das könne nur eine: la mamma. Und so kam<br />
es, dass ich am nächsten Tag einen Zettel<br />
in die Hand gedrückt bekam mit dem Rezept<br />
der gefüllten <strong>Au</strong>berginen. La mamma hatte<br />
dem Sohn am Telefon erklärt, wie man die<br />
Spezialität richtig zubereitet. Und die Mengenangaben,<br />
fragte ich, <strong>als</strong> ich den Zettel<br />
ganz ohne Zahlen sah. Am nächsten Abend<br />
kam dann die Antwort: Mengenangaben könne<br />
sie leider keine machen. Was das überhaupt<br />
für eine seltsame Frage sei. Mengen-<br />
angaben! Das mache man doch nach Gefühl!<br />
Das Buch ist erschienen und hat den geselligen<br />
Namen «Tafelrunde» erhalten. 37<br />
<strong>Au</strong>torinnen und <strong>Au</strong>toren haben ihre Lieblingsspeise<br />
und die Geschichte dahinter<br />
aufgeschrieben. Vielleicht kocht der eine<br />
oder andere Leser eines der Gerichte nach.<br />
Und wenn dann bei meinem Rezept steht<br />
«1 Handvoll zerkleinerte Mozzarella», dann<br />
wird das später in jeder Küche anders<br />
schmecken. Denn wer weiss schon, wie gross<br />
die Hände von Maria Santoro sind, der Mutter<br />
des 2. Oberkellners Giuseppe Santoro.<br />
Und man kann nur einen Ratschlag erteilen:<br />
Kochen Sie mit Gefühl!<br />
Zora del Buonos Kurzgeschichte samt Rezept<br />
ist Teil des Buches «Tafelrunde – Schriftsteller<br />
kochen für Freunde», Hrg. Overath/<br />
Overath/Koch, <strong>im</strong> Oktober 2012 erschienen<br />
<strong>im</strong> Luchterhand Verlag. 23 der <strong>Au</strong>toren und<br />
<strong>Au</strong>torinnen lasen am 15. Januar 2013 in einer<br />
«Langen Nacht der schriftstellerischen<br />
Kulinarik» aus ihren Texten. Unser Küchenchef<br />
Kurt Röösli und sein Team verwöhnten<br />
das Publikum zwischendrin mit den passenden<br />
Gerichten.<br />
Lösung von Seite 8<br />
1. 2.<br />
3. 4.<br />
Achtung, Herr Baldo, Wurzel. Achtung Stein. Nein, Bächelchen<br />
Drei Männer am Berg<br />
Wenn es die Zeit erlaubt und ich eine Begleitperson<br />
zur Verfügung habe, gehe ich<br />
in meiner Freizeit gerne wandern. Ich bin<br />
dafür besorgt, dass ich während der Sommersaison<br />
mindestens eine grosse Tour unternehmen<br />
kann. Seit etwa fünf <strong>Jahr</strong>en habe<br />
ich die 100%-ige Garantie dafür.<br />
Es sind zwei Herren, beide passionierte<br />
Wanderer. Gegen Ende der Sommersaison<br />
planen sie <strong>im</strong>mer gemeinsam eine Wanderung.<br />
Und es ist so, dass sie mich für ihr<br />
Vorhaben gerne mit einspannen. Nicht aus<br />
Mitleid und aus Sorge, ich würde sonst nie<br />
an die frische Luft kommen, nein, <strong>im</strong> Gegenteil.<br />
Ich gehöre einfach dazu und das bereits<br />
von Beginn an.<br />
So, und nun will ich die Katze aus dem<br />
Sack lassen. Herr Giamara, seit acht <strong>Jahr</strong>en<br />
Chef-Concierge <strong>im</strong> <strong>Waldhaus</strong>, hat es sich zur<br />
Gewohnheit gemacht, einmal in der Woche<br />
in seiner Freizeit eine grosse Wanderung<br />
zu unternehmen. Herr Stickforth, langjähriger<br />
<strong>Waldhaus</strong>gast, hat das Wandervirus so<br />
<strong>im</strong> Blut, dass er mindestens einmal täglich<br />
raus muss und das bei Wind und Regen. Tja,<br />
und meine Wenigkeit ist zwar kein Wanderprofi,<br />
doch ich bin sehr gerne draussen in<br />
der Natur, um den Alltag mal einfach hinter<br />
mir zu lassen. Ich möchte Ihnen nicht jede<br />
Wanderung <strong>im</strong> Detail schildern. Doch eine<br />
Tour liegt mir besonders am Herzen.<br />
Unsere Wanderung führte von Casaccia <strong>im</strong><br />
Bergell über den Panoramaweg ins malerische<br />
Soglio. Keine Wanderung mit extremen Höhen<br />
und Tiefen, keine Geröllhalden, keine extrem<br />
gefährlichen Stellen. Aber auf dem ganzen<br />
Weg <strong>im</strong>mer wieder herausschauende Steine,<br />
Wurzeln und kleine Bergbäche. So waren die<br />
beiden Herren mit mir gefordert. Der eine,<br />
Herr Giamara, ging voraus. Der andere, Herr<br />
Stickforth, war dafür besorgt, dass meine<br />
Füsse nie an der f<strong>als</strong>chen Stelle aufsetzten.<br />
Herr Giamara meinte, wir wären schnell genug,<br />
um in vier Stunden am Ziel zu sein. Wir<br />
wollten es uns schliesslich nicht nehmen lassen,<br />
am Ziel unserer Wanderung <strong>im</strong> <strong>Hotel</strong> Palazzo<br />
Salis in Soglio unser Mittagessen mit<br />
einem Schlückchen Wein einzunehmen.<br />
Doch es war eine sehr opt<strong>im</strong>istische Zeitrechnung,<br />
wie sich herausstellen sollte. Er<br />
hatte nicht damit gerechnet, dass mir mit<br />
der Zeit die beschriebene Wegbeschaffenheit<br />
ganz schön zu schaffen machte. Körperlich<br />
habe ich keine Probleme, lang unterwegs<br />
zu sein. Doch um keinen Misstritt<br />
zu machen, ist Konzentration und <strong>noch</strong>m<strong>als</strong><br />
Konzentration angesagt. So war es nicht<br />
verwunderlich, nicht so schnell unterwegs<br />
zu sein, wie es sich meine beiden Wegbegleiter<br />
sonst gewohnt waren. Und so kam<br />
es, dass wir nach vier Stunden <strong>im</strong>mer <strong>noch</strong><br />
unterwegs waren. <strong>Au</strong>s vier Stunden wurden<br />
fünf, sechs, ja sogar fast sieben. Das Mittagessen<br />
fiel ganz ins Wasser.<br />
Apropos ins Wasser fallen, bei einer<br />
Überquerung eines Bergbaches setzte ich<br />
tatsächlich den Fuss so auf, dass ich einen<br />
Schuh voll Wasser herauszog. Alles halb so<br />
schl<strong>im</strong>m. Ja und da waren <strong>noch</strong> meine Nerven,<br />
die vor lauter Konzentration so angespannt<br />
waren, dass ich nur <strong>noch</strong> das Ziel<br />
vor <strong>Au</strong>gen hatte, Soglio nun doch schnellst<br />
möglichst zu erreichen. Um keinen Unfall<br />
zu verursachen, hörte ich Herrn Stickforth<br />
<strong>im</strong>mer wieder sagen: «Achtung, Herr Baldo,<br />
Wurzel. Achtung, Stein. Nein, Achtung, Bächelchen.<br />
Nein, den linken Fuss so herum.<br />
Achtung, Vorsicht, wieder ein kleines Bächelchen…»<br />
«Jetzt ist es aber gut», hörte<br />
ich mich plötzlich sagen.<br />
Die beiden Herren waren je länger, je<br />
mehr unsicher, ob sie auch <strong>im</strong> Alleingang<br />
tatsächlich lediglich vier Stunden für den<br />
ganzen Weg gebraucht hätten. Und da war<br />
<strong>noch</strong> ein Bergbach zu überqueren, der sogar<br />
mit einem Drahtseil gesichert war. Ganz<br />
in der Nähe machten wir eine Verschnaufpause,<br />
um unbeschadet ans Ziel zu kommen.<br />
Plötzlich wurden meine beiden hilfsbereiten<br />
Begleiter Zeugen, wie tatsächlich jemand in<br />
diesem gefährlichen Bergbach badete. Ich<br />
hoffe sehr, dass dieser etwas ausgeflippten<br />
Wasserratte nichts zugestossen ist.<br />
Schliesslich erreichten wir Soglio. Als ich<br />
mich nach der genauen Uhrzeit erkundigte,<br />
sagte Herr Giamara nur: «Es ist jetzt genau<br />
zehn vor.» «Richtig, zehn vor», bestätigte auch<br />
Herr Stickforth. Ich glaube, die beiden Herren<br />
wollten mich vor einem Schock bewahren. Anfangs<br />
dachte ich mir, mit zehn vor zwei läge<br />
ich nicht schlecht. Fehlanzeige. Um zehn vor<br />
vier, müde, aber doch mit grosser Freude und<br />
Genugtuung, sassen wir schliesslich draussen<br />
<strong>im</strong> Garten des Palazzo Salis bei einem grossen<br />
Stück Kastanienkuchen mit viel Schlagsahne<br />
und einem guten Tröpfchen Rotwein.<br />
Trotz der diesmal etwas strapaziösen<br />
Tour freue ich mich jedes <strong>Jahr</strong> aufs Neue,<br />
mit Herrn Giamara und Herrn Stickforth die<br />
wunderschöne Natur des Engadins und des<br />
Bergells zu erkunden und zu geniessen.<br />
Jean Baldo<br />
Der Thurgauer Jean Baldo zeigt uns und unseren<br />
Besuchern seit fünfzehn <strong>Jahr</strong>en, dass<br />
man auch dann den Durchblick haben kann,<br />
wenn einem die eigenen <strong>Au</strong>gen nichts zeigen.<br />
Chef-Concierge Arnold (Noldi) Giamara<br />
aus Tarasp <strong>im</strong> Unterengadin geht, wie das<br />
Beispiel zeigt, nicht nur «<strong>im</strong> Amt» auf Menschen<br />
zu. Und unser Gast, der Herrn Baldo so<br />
sorgsam geleitet hat, hat bis jetzt auf den<br />
Tag genau 900 Tage <strong>im</strong> <strong>Waldhaus</strong> gewohnt.<br />
JANUAR 2013 25<br />
Melanzane ripiene<br />
alla pugliese<br />
(gefüllte <strong>Au</strong>berginen)<br />
<strong>Zu</strong>taten:<br />
2 <strong>Au</strong>berginen<br />
Öl<br />
1 Handvoll Inneres vom Weissbrot<br />
1 Handvoll zerkleinerte Mozzarella<br />
2 Knoblauchzehen<br />
fein gehackte Petersilie<br />
1 Ei<br />
Salz<br />
Pfeffer<br />
wahlweise geschälte Tomaten (Pellati)<br />
Zwei Stück <strong>Au</strong>berginen halbieren und<br />
ausnehmen. Die herausgeschälten Innereien<br />
(Samen) für zwei Minuten in<br />
der Pfanne <strong>im</strong> Öl anbraten, nicht würzen.<br />
Die <strong>Au</strong>berginenhälften für zwei<br />
Minuten in kochendes Wasser legen.<br />
<strong>Ein</strong>e Handvoll Inneres vom Weissbrot,<br />
eine Handvoll zerkleinerte Mozzarella,<br />
zwei Knoblauchzehen und fein gehackte<br />
Petersilie mit einem zerschlagenen<br />
Ei mischen, Salz und Pfeffer dazugeben.<br />
Alles zusammen mit dem gebratenen<br />
Inneren der <strong>Au</strong>berginen mischen<br />
und die Füllung in die ausgehöhlten<br />
<strong>Au</strong>berginen geben. Bei 200 Grad eine<br />
halbe Stunde <strong>im</strong> Ofen backen. Wahlweise<br />
können auch geschälte Tomaten in<br />
die Füllung gemischt werden.<br />
«Tafelrunde»:<br />
ein besonderes<br />
Buchprojekt…<br />
«Tafelrunde – Schriftsteller kochen<br />
für ihre Freunde». Luchterhand 2012,<br />
hrsg. von Angelika Overath, Manfred<br />
Koch und Silvia Overath<br />
…und ein besonderer<br />
<strong>Waldhaus</strong>anlass<br />
15. Januar 2013, abendfüllend: ein literarisch-kulinarisches<br />
Buffet mit Geschichten<br />
und Gerichten von den <strong>Waldhaus</strong>-Köchen<br />
und 24 der 37 <strong>Au</strong>torInnen<br />
aus dem Buch.<br />
<strong>Ein</strong> Dichtertreffen, das ein Buch der<br />
persönlichen Rezepte und Geschichten<br />
feiert. Die Texte sprechen von der<br />
nahen, inspirierenden Gemeinsamkeit<br />
bei Tisch. Das <strong>Waldhaus</strong> inszeniert sie:<br />
Es hat alle 37 <strong>Au</strong>toren dieser Tafelrunde<br />
eingeladen, und 24 haben zugesagt:<br />
Iso Camartin, Erika Pedretti, Zora del<br />
Buono, Franz Hohler, Eva Menasse, Leo<br />
Tuor, Leta Semadeni, Dagmar Leupold,<br />
Jochen Sch<strong>im</strong>mang, Stephan Krass,<br />
Theresia W<strong>als</strong>er, Hans Magnus und Katharina<br />
Enzensberger, Theres Roth-<br />
Hunkeler, Peter Weber, Alain Claude<br />
Sulzer, Beate Rothmaier, Lea Singer,<br />
Andreas Lebert, Armin Schreiber,<br />
Andrea Köhler, Brigitte Kronauer,<br />
Kathrin Schmidt, Karl-Heinz Ott, Laura<br />
Lichtblau, Verena Stössinger.<br />
18.15 Uhr Beginn und Begrüssung, dann<br />
folgen sich in anregendem Wechsel<br />
Lesungen und Gänge zum Buffet mit<br />
vielen der beschriebenen Speisen.<br />
Kann das gut gehen? Der Leser dieser<br />
Zeilen wird’s (oder kann’s) bereits wissen,<br />
der Schreibende hat <strong>noch</strong> keine<br />
Ahnung. Unser einziges Mantra: «Die<br />
Beethoven-Nacht hat auch funktioniert.»<br />
(Siehe S. 14)