Rind im Bild - Rinderzucht Schleswig-Holstein e.G.
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// <strong>Rind</strong> <strong>im</strong> <strong>Bild</strong> 4/2011<br />
// Kreisvereine<br />
Herbstfahrt des Kreisvereins Steinburg-Pinneberg an den Niederrhein oder<br />
„Es wird nirgends soviel gelogen wie in der<br />
Landwirtschaft – oder watt?“<br />
Auch in diesem Jahr veranstaltete der Verein der<br />
Rot- und Schwarzbuntzüchter in den Kreisen Steinburg<br />
und Pinneberg eine dreitägige Fahrt für seine<br />
Mitglieder. Diesmal ging es mit zwei Bussen an den<br />
Niederrhein ins schöne Bundesland Nordrhein-<br />
Westfalen.<br />
Nach gut sechs Stunden Fahrt und einer warmen<br />
Mahlzeit „starten“ wir mit dem ersten Programmpunkt<br />
auch gleich „voll durch“. Wir sind in Emmerich<br />
nahe der niederländischen Grenze zu Gast<br />
auf dem Milchviehbetrieb von Dirk, Ursula und<br />
Rolf Fedder. Vom Seniorchef höchstpersönlich werden<br />
wir auf der besenreinen Diele des alten Kuh-<br />
stalles, der heute Jungtiere beherbergt, in Empfang<br />
genommen. Jeder aus unserer Gruppe, der von der<br />
langen Busfahrt und dem reichlichen Mittagessen<br />
vielleicht noch etwas benommen ist, wird vom rasanten<br />
Redetempo und den erfrischend ehrlichen<br />
Ausführungen des Vollblut-Unternehmers sofort in<br />
den Bann gezogen. Ab jetzt heißt es: Zuhören und<br />
Schritt halten! Alles geschieht hier unter Volldampf,<br />
denn seit das Ehepaar Fedder den elterlichen Betrieb<br />
<strong>im</strong> Jahr 1984 übernommen hat, lautete die<br />
Devise „Wachsen!“. Trotz einiger Rückschläge, u.a.<br />
aufgrund der wiederkehrenden Überflutung der<br />
zum Betrieb gehörenden Futterflächen durch das<br />
Rhein-Hochwasser, wuchs die Herde schnell von<br />
gut 100 auf 200 Kühe an. Obwohl Fläche knapp<br />
und die (zum Teil geerbte) Schuldenlast groß waren,<br />
Nicht nur bei den Kälbern<br />
sieht es auf dem Betrieb<br />
Fedder aus „wie geleckt“;<br />
allen Tieren ist die gesunde<br />
und hygienische Haltung<br />
anzusehen<br />
entschlossen sich die Fedders Mitte der 90er Jahre<br />
schließlich zum nächsten massiven Wachstumsschritt:<br />
das Projekt „500 Plus“. Viele fragten und<br />
fragen sich sicher, wieso 200 Kühe nicht ausreichen<br />
und wozu jemand unbedingt 500 bis 600 Kühe<br />
melken will, wenn Fläche knapp und entsprechend<br />
teuer ist, Naturschutzauflagen die Bewirtschaftung<br />
einschränken und die „Zivilbevölkerung“ gerne mal<br />
die Polizei ruft, wenn das Güllefass auch nur an den<br />
Trecker gehängt wird. Für Ursula und Rolf Fedder<br />
ist die Antwort auf diese Fragen ganz eindeutig: Als<br />
reiner Familienbetrieb war die Belastungsgrenze erreicht,<br />
da bis zu 12 Stunden täglich gemolken werden<br />
musste. Dementsprechend wurde die Anstellung<br />
von Fremdarbeitskräften unerlässlich. Wenn<br />
Fremd-AKs, dann auch gleich mehr Kühe – so die<br />
Überlegung Rolf Fedders. Auch um langfristig konkurrenzfähig<br />
zu bleiben, schien eine Erweiterung<br />
auf mindestens 300 Kühe die logische Konsequenz.<br />
Ein weiteres Argument für´s Wachsen waren auch<br />
die Pläne von Sohn Dirk, ebenfalls ins<br />
Familienunternehmen einzusteigen.<br />
Und schließlich<br />
erschien es damals sinnvoll,<br />
die anstehende Erweiterung<br />
aufgrund des Bundes-Immissionsschutz-Verfahrens<br />
gleich<br />
auf die max<strong>im</strong>ale Tierzahl auszulegen.<br />
Heute gehören drei Standorte zum Betrieb Fedder,<br />
auf denen insgesamt 1200 Stück Vieh gehalten werden.<br />
Gemolken werden aktuell 650 überwiegend<br />
schwarzbunte <strong>Holstein</strong>s mit einer durchschnittlichen<br />
Leistung von knapp 11000 kg bei 3,93 % Fett und<br />
3,46 % Eiweiß <strong>im</strong> 42er Innenmelker-Karussell. Die<br />
Milch geht an eine 250 km entfernte Molkerei in<br />
Belgien und kostet derzeit 32 ct/l. Bewirtschaftet<br />
werden 160 ha Acker und 240 ha Grünland. Neben<br />
den drei Fedders arbeiten zwei Schwestern von Frau<br />
Ursula als Hauswirtschafterin bzw. Kälberfrau, drei<br />
Melker aus Polen und zwei Mitarbeiter für die Außenwirtschaft<br />
auf dem Betrieb, wodurch monatlich<br />
ca. 20000 Euro Lohnkosten entstehen. Das Füttern<br />
übern<strong>im</strong>mt der Lohnunternehmer, der täglich 4,5<br />
Stunden dafür benötigt; Kosten: 62000 Euro pro<br />
Jahr. Außerdem wurden kürzlich 1,7 Mio. Euro in<br />
eine Fotovoltaikanlage investiert.<br />
Humor ist, wenn man trotzdem lacht! Dies scheint auch das am Wandschmuck<br />
<strong>im</strong> Melkzentrum erkennbare Motto der Familie Fedder zu sein<br />
Trotz der Schuldenlast<br />
von etwa 5,4 Mio. Euro, den 360 000 Euro, die<br />
jährlich für die Tilgung fällig sind, den Kosten für<br />
Pacht und Personal etc., den Problemen bei der Entsorgung<br />
der 28000 m 3 Gülle pro Jahr und nicht zuletzt<br />
den gesundheitlichen Problemen Rolf Fedders,<br />
der bereits einen Schlaganfall erlitten hat, spüren<br />
wir, dass der Seniorchef hinter dem steht, was er<br />
tut, und kein Mitleid will, wenn er von all den Rückschlägen<br />
und Problemen berichtet, die das Wachstum<br />
mit sich brachte und bringt. Dennoch würde er