Download - Stadt und Land
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Gut leben im Alter<br />
folge 1: Leben mit Demenz<br />
Kaum ein Thema löst heutzutage bei älteren<br />
Menschen so viele Ängste aus, wie<br />
die Altersdemenz. Dabei sind nur die<br />
wenigsten Senioren tatsächlich davon betroffen,<br />
<strong>und</strong> längst nicht alle Erkrankten<br />
erreichen auch jenen beängstigenden<br />
Endzustand, über den in den Medien so<br />
viel berichtet wird. Bei gerade mal sechs<br />
Prozent der 75- bis 79-Jährigen wird Demenz<br />
diagnostiziert. Erst bei den über<br />
90-Jährigen sind es dann circa dreißig Prozent.<br />
Hinzu kommt, dass es verschiedene<br />
Krankheitsbilder gibt, die häufig sehr langsam<br />
verlaufen. Aber seit die Medien das<br />
Thema für sich entdeckt haben, entstehen<br />
immer mehr Bücher <strong>und</strong> Filme, die leider<br />
vor allem Ängste schüren.<br />
Ein positives <strong>und</strong> sehr bewegendes Beispiel<br />
ist dagegen Michael Hanekes Film „Liebe“,<br />
der 2012 in Cannes mit der Goldenen Palme<br />
<strong>und</strong> 2013 mit einem Oscar ausgezeichnet<br />
wurde. Der 81-jährige Jean-Louis Trintignant<br />
brilliert darin als liebender<br />
Ehemann einer dementen Frau, die von<br />
der 85-jährigen Emmanuelle Riva gespielt<br />
wird. Was der Film zeigt, ist, dass die Demenz<br />
zwar enorme Erschwernisse für das<br />
Leben der beiden bedeutet, dass ihr eigentliches<br />
Problem aber im herannahenden<br />
Tod <strong>und</strong> dem damit unausweichlichen<br />
Abschied voneinander besteht. Während<br />
ansonsten häufig die Schwierigkeiten der<br />
Pflege <strong>und</strong> die Belastung der Angehörigen<br />
im Mittelpunkt stehen, zeigt Haneke, dass<br />
es ein Leben mit Demenz gibt <strong>und</strong> Liebe<br />
über das Vergessen hinaus.<br />
Am wichtigsten ist es für Betroffene, sich<br />
klar zu machen, dass auch Demenz „nur“<br />
eine Krankheit ist. Zwar ist sie derzeit nicht<br />
heilbar, man kann aber ihren Verlauf sowohl<br />
mit Medikamenten als auch mit<br />
allerlei eigenem Engagement beeinflussen.<br />
Wie bei allen Krankheiten ist es daher<br />
wichtig, sie früh zu erkennen. Wer öfter<br />
mal Schwierigkeiten mit dem Kurzzeitgedächtnis<br />
hat, Dinge liegen lässt oder vergisst<br />
die Kaffeemaschine auszuschalten, ist<br />
noch lange nicht dement, sollte aber ruhig<br />
den entsprechenden Test beim Arzt machen.<br />
Stellt dieser eine beginnende Demenz<br />
fest, verschreibt er dem Patienten<br />
Tabletten oder Wirkstoffpflaster, die in der<br />
Lage sind, die schlimmsten Symptome<br />
noch ein paar Jahre hinauszuzögern.<br />
Anschließend sollte man sich darüber<br />
informieren, was man selber tun kann. Unterstützung<br />
bieten die „Haltestellen“ der Di-<br />
akonie, die es inzwischen in allen Berliner<br />
Bezirken gibt. Hilfreich kann zum Beispiel<br />
ein spezielles Gedächtnistraining sein. Hierzu<br />
werden Kurse angeboten, manches lässt<br />
sich aber auch in den eigenen Alltag integrieren<br />
<strong>und</strong> kann sogar vorbeugend wirken.<br />
Ärzte empfehlen Spiele wie Scrabble oder<br />
Sudoku-Rätsel. Auch Spaziergänge <strong>und</strong><br />
Sport wirken sich positiv aus. Man sollte sein<br />
Gewicht kontrollieren <strong>und</strong> auf übermäßigen<br />
Alkoholgenuss sowie Zigaretten verzichten.<br />
Besonders wichtig aber ist die Teilnahme<br />
am sozialen Leben. Gerade regelmäßiger<br />
Kontakt mit anderen Menschen trainiert<br />
das Gehirn. Sich aus Scham oder Verunsicherung<br />
zurückzuziehen, ist ein Fehler. In<br />
den „Haltestellen“ der Diakonie organisieren<br />
ehrenamtliche Helfer Freizeitangebote<br />
in kleinen Gruppen. Im weiteren Verlauf<br />
der Krankheit ist es dann möglich, an bis<br />
zu fünf Tagen die Woche eine Tagesstätte<br />
zu besuchen. Oder man nimmt eine individuelle<br />
Betreuung zu Hause in Anspruch.<br />
Für die Kosten solcher Maßnahmen kann<br />
bei der Pflegekasse ein zusätzliches Betreuungsgeld<br />
beantragt werden. Voraussetzung<br />
ist natürlich die ärztliche Diagnose.<br />
Schon deshalb sollte man sich frühzeitig<br />
Gewissheit verschaffen.<br />
18 STADT UND LAND Journal Nr. 40 • März 2013