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„Ich will<br />

nichts sein als ein<br />

protestantischer Dichter”<br />

Zum 70. To<strong>de</strong>stag<br />

von Jochen Klepper (1903-1942)<br />

– ein „Emigrant im Vaterlan<strong>de</strong>”<br />

JOACHIM ROTT<br />

„Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott – Wir<br />

gehen heute nacht gemeinsam in <strong>de</strong>n Tod. Über uns steht in<br />

<strong>de</strong>n letzten Stun<strong>de</strong>n das Bild <strong>de</strong>s Segnen<strong>de</strong>n Christus, <strong>de</strong>r<br />

um uns ringt. In <strong>de</strong>ssen Anblick en<strong>de</strong>t unser Leben”.<br />

Das ist <strong>de</strong>r letzte Eintrag Kleppers in seinen Tagebüchern<br />

am 10. Dezember 1942, <strong>de</strong>m Donnerstag<br />

vor <strong>de</strong>m 3. Advent. Wenige Stun<strong>de</strong>n zuvor hatte<br />

Adolf Eichmann die Ausreisegenehmigung <strong>de</strong>r Tochter<br />

abgelehnt. In <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Nacht nahm sich Jochen Klepper,<br />

einer <strong>de</strong>r be<strong>de</strong>utendsten protestantischen Schriftsteller<br />

und Lie<strong>de</strong>rdichter <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts, zusammen mit seiner<br />

von <strong>de</strong>r Deportation bedrohten jüdischen Frau und <strong>de</strong>r<br />

Stieftochter in Berlin das Leben. Das Evangelische Gesangbuch<br />

enthält 12 Lie<strong>de</strong>r Kleppers, so viele wie von keinem<br />

an<strong>de</strong>ren Dichter <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts. Drei Lie<strong>de</strong>r<br />

Kleppers fan<strong>de</strong>n Eingang ins Katholische ´Gotteslob`. Das<br />

Morgenlied „Er weckt mich alle Morgen” und das Adventslied<br />

„Die Nacht ist vorgedrungen” zählen zu seinen bekanntesten<br />

Lie<strong>de</strong>rn.<br />

Der Herrnhuter Pietismus prägte das evangelische Pfarrhaus<br />

im nie<strong>de</strong>rschlesischen Beuthen an <strong>de</strong>r O<strong>de</strong>r, in das<br />

Klepper am 22. März 1903 geboren wur<strong>de</strong>. Später besuchte<br />

er das traditionsreiche Königliche Evangelische Gymnasium<br />

in <strong>de</strong>r Kreisstadt Glogau. Nach <strong>de</strong>m Abitur 1922 entschloß<br />

er sich zum Theologiestudium mit <strong>de</strong>m Berufsziel<br />

Pfarrer. Nach zwei Anfangssemestern in Erlangen kehrte er<br />

nach Schlesien zurück, um in Breslau das Studium fortzusetzen.<br />

Zu seinen Lehrern gehörten hier <strong>de</strong>r Neutestamentler<br />

Ernst Lohmeyer und vor allem Rudolf Hermann,<br />

zugleich auch Inspektor <strong>de</strong>s Theologenkonvikts Johanneum,<br />

in <strong>de</strong>m Klepper wohnte. Der maßgebliche Theologe<br />

<strong>de</strong>r Lutherrenaissance wur<strong>de</strong> bald auch ein väterlicher<br />

Seelsorger, mit <strong>de</strong>m Klepper in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahren einen<br />

intensiven Briefwechsel führte. Ihm konnte er seine zunehmen<strong>de</strong>n<br />

gesundheitlichen Probleme, die Sorgen um das<br />

Elternhaus, vor allem aber seine seelische Not („unleugbare<br />

Angst vor <strong>de</strong>r Zukunft”) anvertrauen. Immer weniger<br />

konnte er <strong>de</strong>m Studienerfor<strong>de</strong>rnissen genügen, suchte<br />

Entspannung im heimatlichen Beuthen. Hier fand <strong>de</strong>r Theologiestu<strong>de</strong>nt,<br />

ganz an<strong>de</strong>rs als bei Hermann, allerdings<br />

kaum Verständnis für das, was ihn wirklich interessierte:<br />

Kunstgeschichte, Literatur, Musik. 1926 bricht Klepper das<br />

Theologiestudium ab; später gab er auch seine Promotionspläne<br />

auf. Sein Berufsziel: Journalist und freier Schriftsteller.<br />

Auf diesem Feld stellten sich rasch Erfolge ein,<br />

seine feuilletonistischen Artikel fan<strong>de</strong>n zunehmend auch in<br />

überregionalen Blättern Abnehmer, und eine feste Anstellung<br />

fand Klepper 1927 beim Evangelischen Presseverband<br />

für Schlesien. Hier arbeitete er schwerpunktmäßig in<br />

einem neuen Tätigkeitsfeld kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit,<br />

<strong>de</strong>r Rundfunkarbeit. Bald schon gestaltete er selbst<br />

Hörfunksendungen in <strong>de</strong>r „Schlesischen Funkstun<strong>de</strong>”.<br />

Zu <strong>de</strong>n beruflichen Erfolgen – auch <strong>de</strong>r Verbesserung<br />

seines Gesundheitszustan<strong>de</strong>s – kommt privates Glück:<br />

Klepper lernt Johanna „Hanni” Stein kennen. Die Jüdin ist<br />

12 Jahre älter, ist seit vielen Jahren verwitwet und hat zwei<br />

Töchter. Sie teilt seine künstlerischen und literarischen Interessen.<br />

Im Frühjahr 1931 ist die stan<strong>de</strong>samtliche Hochzeit<br />

„Wäre Hanni nicht gekommen, wäre ich verrückt gewor<strong>de</strong>n”,<br />

schrieb Klepper Jahre später in sein Tagebuch. Es<br />

sind jetzt auch die Zeiten <strong>de</strong>r wirtschaftlichen Depression<br />

mit <strong>de</strong>r Folge wachsen<strong>de</strong>r Arbeitslosigkeit und einer damit<br />

einhergehen<strong>de</strong>n politischen Radikalisierung. Bei <strong>de</strong>n<br />

Reichstagswahlen im September 1930 wird die NSDAP<br />

zweitstärkste Fraktion. Auch in Breslau sind „verju<strong>de</strong>te”<br />

Einrichtungen, wie die Universität und <strong>de</strong>r Rundfunk, vermehrt<br />

Zielscheiben eines immer offener zutage treten<strong>de</strong>n<br />

Antisemitismus. Auch das SPD-Mitglied Klepper ist betroffen<br />

und seine Verdienstmöglichkeiten nehmen rapi<strong>de</strong><br />

ab. Vor diesem Hintergrund fällt die Entscheidung, in Berlin,<br />

<strong>de</strong>r Metropole <strong>de</strong>s literarischen Lebens, eine neue private<br />

und berufliche Existenz aufzubauen. Hier beginnen<br />

auch die regelmäßigen Tagebucheintragen Kleppers, ein<br />

„Buch voller Bibel”, wie sie einmal genannt wur<strong>de</strong>n, die<br />

nach <strong>de</strong>m Krieg unter <strong>de</strong>m Titel „Unter <strong>de</strong>m Schatten <strong>de</strong>iner<br />

Flügel” veröffentlicht wur<strong>de</strong>n. Am Neujahrstag 1933,<br />

die Familie hat das erste Weihnachtsfest in Berlin verbracht,<br />

notiert er: „Ich kann mich seit meiner Kindheit keines<br />

schöneren Weihnachten entsinnen.” Klepper hat wie<strong>de</strong>r<br />

Einnahmen, „wie in meinen besten Zeiten.”<br />

Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Monats wird Hitler Reichskanzler. „Im<br />

Funk müssen wir fast alle mit unserer Entlassung rechnen”,<br />

schreibt Klepper ahnungsvoll in sein Tagebuch. Und so<br />

kam es: Nur fünf Monate später verliert Klepper, ehemaliges<br />

SPD-Mitglied und verheiratet mit einer "Volljüdin", im

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