Redebeitarg von Dr. Gisela Penteker - Yek Kom
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Konferenz: Kurden in Deutschland<br />
gibt es im Grunde genommen nur noch zwei<br />
Möglichkeiten: die eine ist das, was Familiennachzug<br />
genannt wird und meist Heiratsmigration bedeutet (junge<br />
Männer und junge Frauen ziehen als Brautleute nach<br />
Deutschland) oder eben die Asylantragstellung. Beides<br />
wird umfänglich wahrgenommen, das ist nachvollziehbar.<br />
Man muss sagen, dass die Auswanderungsmotive überlappen;<br />
es kommen wirtschaftliche Not, politische<br />
Verfolgung, Familienbande und anderes mehr zusammen.<br />
Es gibt also viele Gründe, die die Wanderung ausmachten<br />
und ausmachen. Die Militärputsche <strong>von</strong> 1960, 1970 und<br />
1980 haben sich sehr stark ausgewirkt:<br />
Die Asylbewerberzahlen sind in die Höhe geschossen und<br />
Kurden, die überlegt haben, eventuell noch einmal zurückzuwandern,<br />
haben diese Absichten dann aufgegeben und<br />
im Gegenteil versucht, ihre Familien nachzuholen und sie<br />
praktisch vor den Gegebenheiten zu retten.<br />
Wichtig ist noch, dass das Zusammenkommen <strong>von</strong> Kurden<br />
aus der Türkei und Kurden aus anderen Staaten, wo die<br />
Bedingungen etwas anders waren, wo zum Teil die<br />
Möglichkeit, das ethnische Selbstbewusstsein und die<br />
Sprache zu erhalten besser war, dass dieses<br />
Zusammenkommen natürlich sehr fruchtbar war und ist.<br />
Auch das hat Bürgermeister Baydemir angesprochen. Was<br />
ihn fasziniert, fasziniert auch mich bis heute genauso wie<br />
vor 25 Jahren, als ich Kurden kennen gelernt habe:<br />
Menschen aus verschiedenen Staaten, die sich in ihrer<br />
zum Teil verbotenen Sprache austauschten und sowohl<br />
diese Sprache als auch ihr Selbstbewusstsein wieder<br />
belebt haben; die <strong>von</strong> den Gemeinsamkeiten und<br />
Unterschieden kolossal profitiert haben und in der<br />
Diaspora, also in Deutschland und den anderen Ländern,<br />
eine eigene, neue und sehr facettenreiche Identität<br />
gebildet haben. Dieses Zusammenspiel hat natürlich dazu<br />
geführt, und war einer <strong>von</strong> vielen Impulsen dafür, dass die<br />
Zuwanderer aus Türkisch-Kurdistan ihre Identität schnell<br />
verändert haben. Ich spreche in erster Linie <strong>von</strong> diesem<br />
einen Impuls - die anderen wichtigen Faktoren überlasse<br />
ich meinen Nachrednern.<br />
Ich möchte diese Entwicklung eine beispielhafte<br />
Ethnisierung im positiven Sinne nennen. Es gibt keine<br />
Gruppe unter den Zuwanderern, die in den wenigen<br />
Jahrzehnten einen derartigen Wandel ihrer ethnischen<br />
Identität und ihres Bewusstseins, ihrer<br />
Selbstwahrnehmung durchlaufen haben, die mit der kurdischen<br />
Entwicklung vergleichbar wäre. Das macht das<br />
Ganze so spannend und eben auch diese sehr interessante<br />
Grundlage aus, auf der wir heute auf dieser Konferenz<br />
arbeiten und diskutieren können. Auf die gesamtgesellschaftliche<br />
Integration muss sich eine solche<br />
Entwicklung übrigens keinesfalls bremsend auswirken.<br />
Wie es aber aussieht mit der Möglichkeit teilzuhaben an<br />
dieser Gesellschaft, anerkannt zu werden und sich selbst<br />
mit der ganz individuellen Identität einzubringen, das ist<br />
ein ungeklärter Punkt.<br />
Ich möchte zum Ende noch sagen, das ich nicht in allen<br />
Punkten einverstanden bin, was die Ausgangsargumente<br />
der Veranstaltenden sind, deshalb bin ich besonders interessiert<br />
an der Diskussion, was die Details der Anerkennung<br />
anbelangt. Ich finde die Frage wichtig, was Kurdinnen und<br />
Kurden selbst tun sollten, neben dem, was die Politik und<br />
was die Gesellschaft tun sollte. Ich bedanke mich sehr für<br />
Ihre Aufmerksamkeit und bitte Memo Şahin zu<br />
übernehmen.<br />
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