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Redebeitarg von Dr. Gisela Penteker - Yek Kom

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Konferenz: Kurden in Deutschland<br />

Kurdische Migration in Deutschland: Geschichte und Gegenwart<br />

Redebeitrag <strong>von</strong> Prof. <strong>Dr</strong>. Birgit Ammann,Sozialwissenschaftlerin, Fachhochschule Potsdam<br />

Ich darf Sie auch noch mal ganz herzlich begrüßen. Ich<br />

habe jetzt die nicht ganz leichte Aufgabe, nach der Rede<br />

<strong>von</strong> Oberbürgermeister Baydemir, die mir sehr aus der<br />

Seele gesprochen hat, etwas zu sagen, was eher informatorisch<br />

sein wird.<br />

Ich möchte mich in Anbetracht des vor uns liegenden langen<br />

Tages und der vielen interessanten und wichtigen<br />

Details beschränken auf eine möglichst kurze Erläuterung.<br />

Was ich versuchen möchte darzustellen, ist lediglich<br />

gedacht als Grundinformation für diejenigen <strong>von</strong> Ihnen,<br />

die vielleicht nicht ganz hundertprozentig vertraut sind mit<br />

den Hintergründen der kurdischen Zuwanderung. Sie<br />

haben ja gehört, gelesen, mehrfach vernommen,<br />

dass in Deutschland <strong>von</strong> einer kurdischen<br />

Bevölkerung <strong>von</strong> bis zu einer Million<br />

ausgegangen wird. Zu Zahlen äußere ich mich<br />

sehr ungern, weil - wie wir alle wissen -, die<br />

Ermittlung der Außengren-zen des<br />

Kurdischseins manchmal ziemlich schwierig<br />

ist. Das hat Gründe. Ich muss auch ganz<br />

ehrlich sagen: mir erscheint es häufig so, dass<br />

mit der Konstruktion einer möglichst großen<br />

Anzahl kurdischer Zuwanderinnen und<br />

Zuwanderer die Hoffnung verbunden ist,<br />

anerkannt zu werden. Ich stehe da auf dem<br />

Standpunkt: man muss nicht eine große Gruppe sein, um<br />

respektvoll und unter Wahrung der Menschenrechte<br />

anständig und gut behandelt zu werden. Also: Auch wenn<br />

nur 8.000 Kurden hier leben würden, wäre es<br />

angemessen, sie und ihre Identität anzuerkennen und sie<br />

respektvoll zu behandeln.<br />

Prof. <strong>Dr</strong>. Birgit Ammann<br />

Jetzt ist die Frage: wie ist es denn überhaupt dazu gekommen,<br />

dass sich Kurden hier angesiedelt haben? Es begann<br />

bereits vor 100 Jahren; da gab es eine sehr kleine, aber<br />

interessante Gruppe <strong>von</strong> kurdischen Männern, die in<br />

Europa, also auch in Deutschland, lebten. Sie sind insofern<br />

so interessant, weil sie sich gegen die damalige Norm,<br />

nicht über ihre unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten,<br />

sondern über ihr Kurdischsein definierten. Das war<br />

ungewöhnlich. Sie hatten Stimmen, ihre Spuren sind zu<br />

finden, wenn man genau recherchiert:<br />

z.B. in Zeitungen und in verschiedenen Publikationen.<br />

Dieses sich, über das Kurdischsein definieren und äußern<br />

hat sich später sehr entscheidend verändert, in dem es zu<br />

Zeiten verschwand. Sie haben das in den Vorreden schon<br />

gehört.<br />

In den fünfziger Jahren wurde es zunächst deutlicher. Wir<br />

haben es da mit einer etwas größeren Gruppe kurdischer<br />

Studenten zu tun. Sie waren immer noch erst wenige hundert,<br />

aber die haben sich ethnopolitisch nicht nur<br />

artikuliert, sondern auch organisiert. Sie haben die erste<br />

große Vereinigung gebildet, aus der sich mit der Zeit verschiedene<br />

parallel existierende Gruppen ergaben. Wir hatten<br />

inzwischen also einen politischen Ausdruck auf einer<br />

ethnischen, nämlich der kurdischen Basis. Das war im<br />

Vergleich zur späteren Situation wirklich bemerkenswert,<br />

weil es doch viele Hindernisse gab - aufseiten der<br />

Herkunftsstaaten ebenso wie in Europa, der Zielregion<br />

selbst. Diese Bewegung war damals sehr stark bestimmt<br />

durch die Nationalbewegung im kurdischen Teil des Irak.<br />

Nun sind wir uns aber alle darüber im Klaren, dass über 80<br />

Prozent der deutschen Kurden aus der Türkei stammt. Wie<br />

kam es also zu dieser Situation?<br />

Ab Mitte der fünfziger Jahre hat die<br />

Bundesrepublik - ich würde fast schon sagen,<br />

verzweifelt – versucht, Arbeitskräfte anzuwerben<br />

und es hat sich so ergeben, dass ein sehr großer<br />

Teil dieser Arbeitskräfte, die man einlud und bat<br />

hierher zu kommen, aus der Türkei zuwanderte.<br />

Um das etwas salopp zu formulieren, ist es<br />

passiert, dass sozusagen unbemerkt auch sehr<br />

viele Kurden zuwanderten. Unbemerkt deshalb,<br />

weil - das muss man einfach sehen -es damals<br />

nicht eine kurdische Identität in dem Sinne wie<br />

heute gab, und zwar weder in der Türkei noch in<br />

Deutschland. Ethnische Unterschiede wurden kaum thematisiert<br />

und kamen kaum an die Oberfläche. Man muss<br />

erwähnen, dass viele Kurdinnen und Kurden sich damals,<br />

zumindest nach außen hin nicht, öffentlich und dezidiert<br />

als Kurden bezeichnet haben. Bevor jetzt großer Protest<br />

kommt, möchte ich gerne erklären wie das kam, warum<br />

das so passiert ist. Es ist gerade für die junge kurdische<br />

Generation wichtig zu verstehen, um nachvollziehen zu<br />

können, was sich da in den letzten Jahren und Jahrzehnten<br />

Enormes entwickelt hat.<br />

Die Zuwanderer kamen damals aus einem Land, in dem<br />

ihre Sprache verboten war. Wir haben das alle oft gehört.<br />

Was es aber wirklich heißt, die Muttersprache, häufig die<br />

einzige Sprache, die jemand beherrscht, unter Androhung<br />

und Einsatz <strong>von</strong> Gewalt verboten zu bekommen, das ist<br />

für die Entwicklung jedes einzelnen Menschen sehr sehr<br />

bedeutsam. Wir haben <strong>von</strong> Herrn Baydemir gerade sehr<br />

eindringlich gehört, wie die Sprachproblematik sich heute<br />

noch darstellt. Ich möchte ein Detail noch einmal herausstellen:<br />

selbst heute, wo sich die Dinge öffnen und<br />

lockern, wird in der Türkei über drei Buchstaben diskutiert,<br />

über drei Konsonanten, die die kurdische Sprache verwendet,<br />

die türkische jedoch nicht und die daher als verboten<br />

gelten. Es wird tatsächlich diskutiert über das „W“, das „X“<br />

und das „Q“. Herr Baydemir hat uns die Geschichte<br />

erläutert, deren Details im Zuge der Übersetzung ein<br />

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