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Redebeitarg von Dr. Gisela Penteker - Yek Kom

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Konferenz: Kurden in Deutschland<br />

Auswirkungender Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei<br />

auf die Integration der Kurden in Deutschland<br />

Professor <strong>Dr</strong>. Norman Paech, Mitglied des Bundestages – Linksfraktion<br />

Meine Damen und Herren, herzlichen Dank, dass Sie mich<br />

eingeladen haben, heute hier zu sein. Ich freue mich ganz<br />

besonders, Osman Baydemir hier zu sehen, <strong>von</strong> dem ich in<br />

den letzten Wochen und Monaten immer Zweifel hatte,<br />

ob er noch im Bürgermeisteramt oder schon im Gefängnis<br />

sitzt. Ich bin froh darüber, dass dieser Mann, der eine so<br />

große Bedeutung für die kurdische Bevölkerung und für<br />

die kurdische Identität hat, hier unter uns ist. Herzlich<br />

willkommen, ich freue mich sehr.<br />

Ich werde Ihnen nicht viel Neues erzählen<br />

können. Alles was ich zu sagen habe, das<br />

werden Sie schon wissen. Das einzige,<br />

was vielleicht für Sie interessant sein könnte,<br />

ist, eine Stimme aus dem Bundestag<br />

über die Probleme der Integration und<br />

das Zusammenleben mit der kurdischen<br />

Bevölkerung hier zu hören. Aber wie Sie<br />

wissen, auch dies ist nur eine Stimme,<br />

und es ist nicht die Stimme der Mehrheit.<br />

Wenn Sie mich bitten, in einem Satz<br />

zusammenzufassen, wie der Stand der<br />

Integration der Kurden ist, so würde ich<br />

sagen: Die Situation der kurdischen<br />

Bevölkerung in Deutschland pendelt nach<br />

wie vor zwischen Integration und Diskriminierung, auch<br />

nach Jahrzehnten. Hier leben fast 1 Million Kurden, ein<br />

<strong>Dr</strong>ittel dieser Kurdinnen und Kurden haben die deutsche<br />

Staatsangehörigkeit - gegenüber Türken und anderen<br />

Migrantengruppen eine sehr hohe Prozentzahl. Das hängt<br />

wohl auch mit ihrer unglücklichen Geschichte in der Türkei<br />

und den anderen Ländern, aus denen sie zum Teil<br />

geflüchtet und dann hierher gekommen sind, zusammen.<br />

Vielen hier lebenden Kurdinnen und Kurden ist die<br />

Einbürgerung trotz der vielfältigen Hürden gelungen.<br />

Darüber will ich nicht weiter reden.<br />

Ich möchte jedoch etwas zur Diskriminierung sagen, die im<br />

Wesentlichen ein Problem der Selbstbestimmung des kurdischen<br />

Volkes ist, wie es Osman Baydemir auch angesprochen<br />

hat. Es geht um die Anerkennung der kurdischen<br />

Identität; die so heftig erkämpft werden musste und<br />

immer noch erkämpft werden muss, vor allem in der<br />

Türkei. Dieses Problem reicht jedoch herüber bis in unsere<br />

Gesellschaft und ist sehr aktuell. Ich möchte das an zwei<br />

Hauptproblemen verdeutlichen.<br />

Die Kurdinnen und Kurden sind als eigenständige ethnische<br />

Gruppe in Deutschland immer noch nicht anerkannt.<br />

Sie werden entweder als Türken, als Syrer oder Perser<br />

angesehen, aber nicht als Kurdinnen und Kurden. Daraus<br />

Prof. <strong>Dr</strong>. Norman Paech<br />

folgen sehr praktische Grenzen der Integration. Es gibt<br />

keine Beratungs- und Betreuungsmöglichkeiten in kurdischer<br />

Sprache, es gibt keine Möglichkeiten des ergänzenden<br />

Unterrichts an den Schulen in kurdischer Sprache, weil<br />

auch in Deutschland die kurdische Sprache nicht gelehrt<br />

wird. Und das bedeutet, dass das, was in der Türkei nicht<br />

möglich ist, nämlich die kurdische Identität zu leben, die<br />

kurdische Sprache in allen Bereichen, auch politisch und<br />

nicht nur privat, in den Schulen, an den<br />

Universitäten sprechen zu können, auch in<br />

Deutschland nicht möglich ist - bis hin zu<br />

den kurdischen Namen, die bis heute nur<br />

mit viel Mühe durchgesetzt werden können.<br />

Das hängt mit einem zweiten Problem<br />

zusammen, welches ich gerade in meiner<br />

engeren Umgebung ausgesprochen<br />

störend empfinde. Wenn bei uns das<br />

Problem der Kurden angesprochen wird,<br />

kommt sofort die Assoziation mit der PKK<br />

und dann ist die Assoziation mit Terror<br />

nicht weit. Dieses ist leider ein Faktum<br />

unserer Geschichte, welches in weite<br />

Bereiche unserer Gesellschaft, auch unter den<br />

Intellektuellen, hineinreicht. Seit 1993 ist die PKK verboten,<br />

die politische Betätigung eines großen Teils der<br />

kurdischen Bevölkerung ist damit auch in Deutschland<br />

sehr eingeschränkt worden. Es war die Zeit, in der ich zum<br />

ersten Mal mit dem Problem der Kurdinnen und Kurden in<br />

Kontakt gekommen bin.<br />

Ich war damals beim Bundesverwaltungsgericht juristischer<br />

Gutachter der kurdischen Beschwerdeführer gegen das<br />

Betätigungsverbot der PKK. Leider ist das<br />

Bundesverwaltungsgericht meinen Argumenten nicht<br />

gefolgt, sondern hat das Verbot bestätigt, welches bis<br />

heute weiterbesteht. Dieser permanente Terrorverdacht<br />

hat zu einer weit gehenden Kriminalisierung aller hier<br />

lebenden Kurdinnen und Kurden geführt, zu einer Vielzahl<br />

<strong>von</strong> Gerichtsverfahren, und er hat die<br />

Einbürgerungsverfahren sehr viel schwieriger gemacht als<br />

bei anderen Migrantengruppen. Zudem gab es z.B. im<br />

Jahre 2007/2008 insgesamt über 4.500 Widerrufsfälle in<br />

Asylverfahren, bei denen es eine 75 %ige Erfolgsquote<br />

gab, d.h. die Widerrufe der Asylverfahren haben in 75 %<br />

damit geendet, dass Kurdinnen und Kurden in die Türkei<br />

zurück mussten. Zur Begründung wurde auf die<br />

Ausweitung der Minderheitenrechte in der Türkei verwiesen,<br />

insbesondere auf jenes sogenannte Reformpaket<br />

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