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Ihr entscheidet, welche Dörfer eine Zukunft haben - Berlin-Institut für ...

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ilität zu kommen, indem man andere kreative<br />

Ideen <strong>für</strong> den Ort umsetzt. Ich denke, dass wir<br />

da – was die gesetzlichen Auflagen anbetrifft<br />

– zu <strong>eine</strong>r größeren Flexibilität <strong>für</strong> den ländlichen<br />

Raum kommen müssen.<br />

Wie können diese aussehen?<br />

Für dünn besiedelte oder schrumpfende oder<br />

entlegene Räume sollten gewisse Standards<br />

nicht gelten – beispielsweise um es möglich<br />

zu machen, sehr kl<strong>eine</strong> Schulen, Zwergschulen<br />

zu betreiben. Oder indem es Sonderregelungen<br />

<strong>für</strong> gewisse infrastrukturelle Vorschriften gibt,<br />

damit die Kosten geringer sind als in wachsenden<br />

dicht besiedelten Regionen.<br />

Sie glauben also an <strong>eine</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>für</strong> das Dorf.<br />

Nicht alle <strong>Dörfer</strong> in Deutschland werden <strong>eine</strong><br />

<strong>Zukunft</strong> <strong>haben</strong>. Ich denke aber, dass die Aktivität<br />

der Menschen vor Ort – insbesondere<br />

die Aktivität der Jugendlichen dort – darüber<br />

<strong>entscheidet</strong>, <strong>welche</strong> <strong>Dörfer</strong> zukunftsfähig sind.<br />

Es wird einfach so sein, dass dort, wo kein<br />

dörfliches soziales Leben mehr ist, also in Orten,<br />

die sich zu r<strong>eine</strong>n Wohnstandorten älterer<br />

Menschen entwickelt <strong>haben</strong>, wo nichts mehr<br />

passiert, auch k<strong>eine</strong>r mehr hinziehen wird.<br />

Das soziale Leben soll es richten?<br />

Es ist offensichtlich, dass selbst entlegene Orte,<br />

in denen sich – aus <strong>welche</strong>n Gründen auch<br />

immer – <strong>eine</strong> Dorfgemeinschaft zusammen<br />

gefunden hat, die kulturelles und soziales Leben<br />

pflegt, dass dort Jugendliche erstens auch<br />

eher bleiben und solche <strong>Dörfer</strong> zweitens eher<br />

Zuzug verzeichnen. D.h. von der Aktivität der<br />

Bürgergesellschaft vor Ort wird es unter diesen<br />

Schrumpfungstendenzen in hohem Maße abhängen,<br />

<strong>welche</strong> <strong>Dörfer</strong> zukunftsfähig sind und<br />

<strong>welche</strong> eher nicht.<br />

Lässt sich diese Aktivität beeinflussen? Politisch<br />

zum Beispiel?<br />

Wenn es um Förderung von bürgergesellschaftlichem<br />

Engagement, also der Bürgergesellschaft<br />

vor Ort geht, stellen wir fest, dass<br />

zwar recht viele Fördermittel in den ländlichen<br />

Raum fließen, es aber relativ hierarchisch zugeht.<br />

Also von oben nach unten. Es gewinnt<br />

nicht die beste Idee, sondern der cleverste<br />

Antragsteller. Weil das Land oder irgend<strong>welche</strong><br />

Ministerien, besser gesagt ihre Angestellten,<br />

sich ständig neue Förderprogramme ausdenken<br />

… und dann müssen die Leute sehen, wie sie<br />

irgend<strong>welche</strong> Anträge schreiben, die genau zu<br />

diesem Programm und in dieses Schema passen.<br />

Wir <strong>haben</strong> Ver<strong>eine</strong> gesehen, die kreative<br />

Sachen machen, aber völlig überfordert waren<br />

von den ganzen bürokratischen Anforderungen<br />

oder die einfach nicht in diese Förderungs-<br />

Dr. Steffen Kröhnert, Jahrgang 1969, war<br />

Tischler, bevor er Sozialwissenschaften studierte.<br />

Seit 2002 arbeitet er am <strong>Berlin</strong>-<strong>Institut</strong> <strong>für</strong><br />

Bevölkerung und Entwicklung. Er promovierte<br />

an der Humboldt-Universität zu <strong>Berlin</strong>.<br />

programme passten. Deshalb ist unsere Idee:<br />

Sollten wir nicht in Deutschland <strong>eine</strong> Stiftung<br />

Ländlicher Raum schaffen…? Eine, die nicht<br />

vorher schon vorschreibt, wo<strong>für</strong> es Geld gibt,<br />

sondern bei der Initiativen, Ver<strong>eine</strong>, Bürgermeister…<br />

mit kreativen Ansätzen, die aus<br />

dem ländlichen Raum selber kommen, Unterstützung<br />

<strong>für</strong> die Finanzierung dieser Projekte<br />

bekommen können.<br />

Zum Beispiel?<br />

Zum Beispiel kenne ich <strong>eine</strong>n Verein, der hat<br />

sich <strong>eine</strong>s Freibades angenommen, das eigentlich<br />

geschlossen werden soll, weil die Stadt,<br />

die das Dorf eingemeindet hatte, es nicht<br />

mehr bezahlen wollte. Der Verein hat es weiter<br />

betrieben. Mit Freiwilligen. Da sind k<strong>eine</strong> Personalkosten<br />

im eigentlichen Sinne angefallen,<br />

aber natürlich braucht auch so ein Freibad<br />

ein paar hundert oder tausend Euro <strong>für</strong> ein<br />

paar neue Fliesen oder Reparaturen, die nicht<br />

die Freiwilligen aus ihrer eigenen Tasche bezahlen<br />

können. Und <strong>für</strong> diese paar tausend<br />

Euro, die der Verein im Jahr so braucht, stand<br />

nirgendwo Geld zur Verfügung. Es geht um<br />

die Förderung von Ideen, die zum Leben im<br />

Ort beitragen – das könnten auch kulturelle<br />

Events oder was immer sein. Da<strong>für</strong> sollte <strong>eine</strong><br />

Stiftung bereit stehen, die nach Kreativität<br />

der Ansätze das Geld vergibt und nicht nach<br />

von oben diktierten Schemata.<br />

Nr. 2/2011<br />

Und das reicht, um zum Mitmachen anzuregen?<br />

Natürlich ist Motivation viel mehr als nur Fördermittel<br />

und Geld. Aber wenn sichtbar wird,<br />

dass Projekte leichter umsetzbar und kaum<br />

noch mit Bürokratie verbunden sind, dann lassen<br />

sich auch Menschen eher motivieren, sich<br />

da einzubringen. Weil sie nicht nur wissen,<br />

ich habe da <strong>eine</strong> tolle Idee. Sondern auch,<br />

weil die Idee toll ist, krieg ich ohne große<br />

Aufstände die paar hundert oder tausend Euro,<br />

um diese Idee umzusetzen. Das motiviert sicher<br />

mehr, als wenn man immer wieder scheitert<br />

– an den Strukturen, an der Bürokratie<br />

oder an dem Nicht-Passen der Projekte zum<br />

gerade aktuellen Förderprogramm.<br />

Der ländliche Raum ergraut und verliert Menschen<br />

– was ist eigentlich schlimmer?<br />

Für die Kommunen ist tendenziell die Alterung<br />

das geringere Problem, denn auch alte Menschen<br />

bewohnen ja ihre Häuser, halten ihre<br />

Grundstücke in Ordnung, kaufen ein und verbrauchen<br />

Wasser. Bevölkerungsrückgang führt<br />

hingegen dazu, dass Häuser leer stehen, Nutzer<br />

der Infrastruktur und Gebührenzahler wegfallen.<br />

Dann wird das Dorf unattraktiv, weil<br />

mitten im Ort baufällige, unbewohnte Häuser<br />

stehen. Oder die Infrastrukturkosten steigen,<br />

weil es weniger Nutzer, weniger Steuer- und<br />

Gebührenzahler gibt. Für die Kommunen sind<br />

Einwohnerverluste das größere Problem.<br />

Aber…<br />

…<strong>für</strong> die lokale Wirtschaft und das mentale<br />

Wohlfühlen in <strong>eine</strong>r Region dürfte eher die<br />

Alterung ein Problem darstellen. Denn sie<br />

bedeutet ja, dass erstens die Auszubildenden<br />

knapp werden und auch die Leute, die die<br />

Macher der <strong>Zukunft</strong> sein sollen, immer weniger<br />

werden. Damit fehlt die Basis des künftigen<br />

Arbeits- und Dorflebens. Ich denke auch,<br />

dass es <strong>für</strong> junge Menschen nicht besonders<br />

attraktiv ist, in <strong>eine</strong>r Region zu leben, in der<br />

es fast nur noch alte Menschen gibt. Für die<br />

wirtschaftliche <strong>Zukunft</strong>sfähigkeit des Dorfs<br />

und auch <strong>für</strong> die mentale Frische ist die Überalterung<br />

<strong>eine</strong> große Herausforderung.<br />

Und was ist mit den jungen Frauen? Mittlerweile<br />

soll sich zwar die Zahl der abwandernden<br />

Frauen und Männer die Waage halten.<br />

Aber lange Zeit gingen vor allem die jungen<br />

Frauen…<br />

Die überproportionale Wanderung der Frauen<br />

von Ost nach West hat abgenommen und ist<br />

relativ ausgeglichen. Aber die überproportionale<br />

Abwanderung von Frauen aus ländlichen<br />

Kreisen in Städte ist nach wie vor da und wird<br />

jetzt auch im Westen stärker. Das ist ein rela-<br />

14 www.landjugend.de<br />

Foto: privat

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