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Technisierung oder technische Verbesserung des Menschen?

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Sodann ist nach den obigen Analysen der Ausgangspunkt zu benennen, von dem<br />

aus eine <strong>Verbesserung</strong> von etwas im <strong>oder</strong> am <strong>Menschen</strong> erfolgen sollte. Hier bestehen<br />

weit reichende Wahlmöglichkeiten, welche in der aktuellen Debatte in der Regel<br />

nicht auseinander gehalten werden. Der Ausgangspunkt kann liegen in<br />

(1) der körperlichen <strong>oder</strong> geistigen Ausstattung eines bestimmten individuellen<br />

<strong>Menschen</strong>,<br />

(2) dem Standard eines durchschnittlichen gesunden <strong>Menschen</strong>, gemessen etwa<br />

nach statistischen Erhebungen menschlicher Leistungsfähigkeit, <strong>oder</strong> in<br />

(3) der Leistungsfähigkeit, die unter optimalen Bedingungen von <strong>Menschen</strong> erreicht<br />

werden kann, sozusagen dem oberen Ende der statistischen Verteilung<br />

der Leistungsfähigkeit.<br />

Im ersten Fall wäre bereits eine Brille eine <strong>Verbesserung</strong> eines individuellen <strong>Menschen</strong>,<br />

<strong>des</strong>sen Augen nicht den Erwartungen an ein gesun<strong>des</strong> menschliches Auge<br />

entsprechen. Im zweiten Fall wäre erst dann von einer <strong>Verbesserung</strong> zu sprechen,<br />

wenn durch eine bestimmte Maßnahme der Standard eines gesunden <strong>Menschen</strong><br />

überschritten würde, und im dritten Fall schließlich würde man nur von einer <strong>Verbesserung</strong><br />

sprechen, wenn 'übliche' menschliche Fähigkeiten überschritten würden: "'Übermenschlich'<br />

kann dabei entweder den Abstand zu 'normalen' menschlichen Leistungen<br />

bedeuten … <strong>oder</strong> eben eine die conditio humana grundsätzlich übersteigende<br />

Stufe" (Siep 2006, S. 307).<br />

Weite Teile der 'Enhancement'-Debatte machen keine Unterschiede zwischen diesen<br />

Alternativen, sondern versuchen ausschließlich die Grenze zwischen Heilen und<br />

Verbessern zu klären, <strong>oder</strong> sie argumentieren, dass hier keine klare Grenze zu ziehen<br />

sei: "In der bioethischen Diskussion liegt daher der Akzent heute zumeist auf der<br />

Frage, ob zwischen Therapie und Enhancement überhaupt eine Grenze zu ziehen<br />

ist" (Siep 2006, S. 306). Begrifflich und dem lebensweltlichen Verständnis entsprechend<br />

ist eine <strong>Verbesserung</strong> <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> jedoch kategorial verschieden von der<br />

Heilung von Krankheiten <strong>oder</strong> der Kompensation von Unfallfolgen. Denn das Heilen<br />

ist an der regulativen Idee eines gesunden <strong>Menschen</strong> orientiert. Was dies konkret<br />

bedeutet, ist sicher im Laufe der historischen Entwicklung und auch kulturell verschieden<br />

beantwortet worden, ist jedoch kontextuell zumeist hinreichend klar. Die<br />

Augenärztin, die ihren Patienten einem Sehtest unterzieht, hat ein Verständnis davon,<br />

was das 'gesunde' menschliche Auge zu leisten in der Lage ist. Sie wird erst bei<br />

Abweichungen davon und erst ab einer gewissen Größenordnung dieser Abweichung<br />

<strong>technische</strong> Kompensationen vorschlagen (z.B. eine Brille). Das Ziel dieser<br />

Maßnahme ist die Erreichung <strong>des</strong> statistisch bestimmten Normalzustands. Die Konstellation,<br />

dass ein angenommener Normalzustand als normatives Beurteilungskriterium<br />

zur Erkennung von Abweichungen und zur Diagnose von Eingriffsnotwendigkeiten<br />

besteht, ist im traditionellen ärztlichen Handeln nicht wegzudenken und ist z.B.<br />

auch die Basis dafür, dass die Gesellschaft bereit ist, für die Kompensation von Defiziten<br />

relativ zu diesem Normalzustand Geld auszugeben (Siep 2006). Diese für das<br />

ärztliche heilende Handeln und das staatliche Gesundheitssystem zentrale Denkfigur<br />

würde angesichts der möglichen <strong>technische</strong>n <strong>Verbesserung</strong> <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> im Sinne<br />

von (3) weg brechen. Auch wenn die Grenze zwischen Heilen und Verbessern auf<br />

der Objektebene umstritten und unklar sein mag, stellt sie eine 'Diskursgrenze' dar:<br />

der Diskurs <strong>des</strong> Heilens ist ein anderer als der Diskurs <strong>des</strong> Verbesserns – und beide<br />

Diskurse unterscheiden sich z.B. deutlich in ihren normativen Rahmenwerken (s.u.).<br />

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