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Technisierung oder technische Verbesserung des Menschen?

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Technischen über <strong>technische</strong> Regeln verdeutlicht, dass das Technische auf Geltungsinvarianz<br />

bezüglich Orts-, Zeit und Personenwechseln bezogen ist. Beispiele für<br />

derartige Funktionen <strong>des</strong> Technischen sind <strong>technische</strong> Verfahren und die wiederholbare<br />

Nutzung <strong>technische</strong>r Artefakte – soweit würden auch traditionelle technikphilosophische<br />

Positionen gehen. Darüber hinaus aber sind in gleicher Weise geregelte<br />

soziale Zusammenhänge, geregelte Entscheidungsprozeduren und rechtlich verdichtete<br />

Regeln <strong>des</strong> Zusammenlebens zu nennen, die ebenfalls einen '<strong>technische</strong>n Charakter'<br />

haben können (Grunwald/Julliard 2005).<br />

Die Regeln <strong>technische</strong>n Handelns entstehen während <strong>des</strong> Prozesses, eine einmal<br />

gelungene Handlung wiederholbar zu machen. Der Weg von der einmaligen Ausführung<br />

hin zur beliebigen Wiederholbarkeit verläuft in der Regel durch das Einüben von<br />

Einzelhandlungen, die methodisch geordnet zu Handlungsketten verknüpft werden.<br />

Technische Regeln sind zunächst auf das Gelingen von Einzelhandlungen bezogen,<br />

indem der Handelnde sich selbst implizit <strong>oder</strong> explizit eine Regel nach der Struktur<br />

'Immer wenn A erreicht werden soll, führe Handlung H aus', aufstellt. Die Kombination<br />

der Regeln für die gelingende Einzelhandlung in einer methodischen Ordnung<br />

führt auf <strong>technische</strong> Verfahrensanweisungen. Der Technikbegriff ist also ein Reflexionsbegriff<br />

für den Grad an Situationsinvarianz von Zweck/Mittel-Relationen. Er bezieht<br />

sich auf die Unterscheidung von streng regelgeleitetem Handlungsschema und<br />

historisch-singulärem (damit einmaligem) Handlungsvollzug. Durch die Reflexion auf<br />

das Technische in diesen Kontexten werden die Abweichungen <strong>des</strong> letzteren vom<br />

ersteren erst thematisierbar.<br />

Es geht also nicht darum, <strong>technische</strong> Gegenstände <strong>oder</strong> Handlungen von nicht<strong>technische</strong>n<br />

zu unterscheiden, sondern <strong>technische</strong> Aspekte von nicht<strong>technische</strong>n Aspekten<br />

an Gegenständen <strong>oder</strong> an Handlungen. Mit dem Attribut 'technisch' werden Unterscheidungen<br />

an gesellschaftlichen Praxen, menschlichen Handlungen, an Gegenständen<br />

<strong>oder</strong> an Verläufen vorgenommen. Das Attribut 'technisch' ist eine Zuschreibung,<br />

in der der Mittelcharakter <strong>oder</strong> die Reproduzierbarkeit bzw. Universalität<br />

dieser Mitteleigenschaft thematisiert werden. In der Beherrschung von Musikinstrumenten<br />

z.B. erheben <strong>technische</strong> Übungen in der Regel wenig Anspruch auf eine<br />

künstlerische Interpretation; vielmehr ist ihr Ziel, bestimmte Abfolgen möglichst exakt<br />

zu reproduzieren (vgl. z.B. die Etüden für Klavier von Czerny). Das Spielen solcher<br />

Etüden ist demnach ein <strong>technische</strong>s Handeln zur Optimierung der <strong>technische</strong>n Fertigkeit<br />

<strong>des</strong> Spielers. In Konzerten besteht die Aufführungskunst jedoch darin, Musik<br />

zu interpretieren und sie damit in bestimmte Kontexte und Interpretationsweisen zu<br />

stellen. So gibt es brillante 'Techniker' die mäßige Interpreten sind und gute Interpreten,<br />

die nur mittelmäßige Techniker sind. Das Attribut 'technisch' bezeichnet also die<br />

Perspektive der Reproduzierbarkeit, unter der – hier über Musik – geredet wird. Analog<br />

kann auch in anderen Bereichen zwischen der <strong>technische</strong>n und der künstlerischen<br />

Kompetenz unterschieden werden.<br />

Diese Überlegungen weisen darauf hin, in welcher Weise der Begriff der <strong>Technisierung</strong><br />

in diesem Kapitel verstanden werden soll: als Entwicklung hin zu einer größeren<br />

Regelhaftigkeit mit ihrer im Folgenden erläuterten Ambivalenz im Kern. Technik (als<br />

gegenständliche Artefakttechnik genauso wie als Verfahren) erlaubt die wiederholte<br />

Ausführung von Handlungen. Sie ermöglicht damit das Aufstellen von Handlungsregeln,<br />

die sich vom historisch singulären Kontext ablösen und sich auf andere Situationen<br />

übertragen lassen. Regeln ermöglichen die Ausprägung von Üblichkeiten <strong>des</strong><br />

Handelns in der Zeit und eine systematische Weitergabe <strong>des</strong> Wissens und Könnens.<br />

Die Übertragbarkeit von Handlungsregeln und die dadurch ermöglichte Verlässlich-<br />

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