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Technisierung oder technische Verbesserung des Menschen?

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Jenseits der gedankenexperimentartig vorgestellten möglichen zukünftigen Anwendungen<br />

sind durchaus bereits heute einige Fragen involviert, die in Aufgaben für die<br />

Medizinethik münden. Hierzu gehören (z.T. nach Hennen 2007, EGE 2005):<br />

• Implantate haben, und das betrifft nicht nur Implantate auf Basis neuroelektrischer<br />

Schnittstellen, aufgrund ihrer Platzierung im Körper eine größere Nähe<br />

zu ihrem Träger. Es ist eine offene Frage, ob und inwieweit sie dadurch zum<br />

Bestandteil der Identität <strong>des</strong> Trägers und der Person werden können (Kollek<br />

2005). Zu der Abhängigkeit vom <strong>technische</strong>n Funktionieren <strong>des</strong> Implantats,<br />

um bestimmte Körperfunktionen aufrechtzuerhalten, könnte auf diese Weise<br />

eine psychische Abhängigkeit hinzukommen. Allerdings wäre erst zu klären,<br />

was dies in ethischer Hinsicht bedeuten könnte.<br />

• Es kann unklar werden, wie sich bestimmte Eingriffe durch Gehirn-Computer-<br />

Schnittstellen <strong>oder</strong> Stimulationen auf die Autonomie von Akteuren auswirken.<br />

Eine wesentliche Besonderheit bei Gehirn-Computer-Schnittstellen ist, dass<br />

durch ihre funktionelle Integration in Hirnprozesse die Eigenständigkeit <strong>des</strong><br />

Akteurs und seine Unabhängigkeit von dem <strong>technische</strong>n System fraglich werden<br />

könnte (Clausen 2006).<br />

• In verschärfter Form stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Neuroimplantat<br />

und seinem Träger, wenn die Zurechnung von Handlungen und Handlungsfolgen<br />

uneindeutig wird. Es könnte der Fall eintreten, dass eine Person<br />

aufgrund eines Neuroimplantats für Handlungen, die sie ausgeführt hat, nicht<br />

in vollem Sinne verantwortlich ist, weil das Implantat die erwartete Leistung<br />

nicht erbracht hat. Haftungsfragen könnten sich z.B. stellen, wenn ein Retina-<br />

Implantat seinen Träger durch bestimmte Daten zu einer Handlungsweise<br />

veranlasst, durch die es zu einem Unfall <strong>oder</strong> anderen Schäden kommt. Die<br />

Klärung von Haftungsfragen könnte ausgesprochen kompliziert werden.<br />

• Ein ganz anderes moralisch sensibles Thema stellt sich anhand von Neurotechnologien,<br />

welche Behinderungen kompensieren können wie z.B. das<br />

Cochlea-Implantat ertaubten Personen ein gewisses Hörvermögen ermöglicht.<br />

Für viele überraschend reagierte die Gemeinschaft der Gehörlosen nicht nur<br />

positiv (Reuzel 2001). Teile dieser Gemeinschaft fühlten sich durch <strong>technische</strong><br />

Hörhilfen in ihrer Identität als Gruppe mit einer eigenen Sprache (Gebärdensprache)<br />

und Kultur bedroht, insbesondere wenn es um Hörhilfen bei Kindern<br />

geht. Hier stellt sich also die Frage, ob behinderte <strong>Menschen</strong> als <strong>Menschen</strong><br />

mit zu überwindenden körperlichen Defiziten <strong>oder</strong> als Angehörige einer besonderen<br />

Kultur angesehen werden bzw. sich selbst verstehen. Diese Debatte<br />

hängt mit der Frage nach dem Status und der gesellschaftlichen Anerkennung<br />

der Lebensform von Behinderten generell zusammen, nämlich in der Weise,<br />

ob das Leben mit Behinderung als besondere Lebensform anerkannt wird <strong>oder</strong><br />

ob es eine gesellschaftliche Aufgabe sei, das Leben Behinderter mit <strong>technische</strong>n<br />

(und anderen) Mitteln von den Behinderungen zu befreien.<br />

• Neuroelektrische Schnittstellen, insbesondere Stimulatoren, werden auch zur<br />

Behandlung einiger psychischer Krankheiten wie schwerster Formen von Depression<br />

und Zwangskrankheiten eingesetzt. Tiefenhirnstimulationen z.B. haben<br />

hier zu teils überraschenden Erfolgen, aber auch zu unerwarteten Nebenwirkungen<br />

geführt. Eingriffe dieser Art haben bislang eine stark experimentelle<br />

Ausrichtung und müssen individuell sehr spezifisch angepasst, eingestellt<br />

und optimiert werden. Den Risiken derartiger Eingriffe steht eine starke Sol-<br />

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