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Technisierung oder technische Verbesserung des Menschen?

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ganz verschiedene Richtungen <strong>des</strong> Verbesserns eingeschlagen werden, z.B. eine<br />

Kostenreduktion <strong>oder</strong> die Verringerung der Wartungsintervalle <strong>des</strong> Auges mit der<br />

Versionsnummer 1.0. Die Version 2.0 muss also keineswegs in Bezug auf die sensorischen<br />

Fähigkeiten <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> verbessert sein (z.B. durch Nachtsichtfähigkeit<br />

<strong>oder</strong> Zoom-Möglichkeiten) – aber dieses Verbessern liegt mit im Spektrum <strong>des</strong> 'technologischen<br />

Imperativs', angewendet auf das Auge 1.0. Der Ermöglichung und Erprobung<br />

resultategleicher – relativ zu den natürlichen Vorbildern – <strong>technische</strong>r Implantate<br />

würde dann die Funktionstranszendenz folgen: die <strong>technische</strong> Erweiterung<br />

der natürlichen Fähigkeiten. Eine <strong>technische</strong> <strong>Verbesserung</strong> <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> zeigt sich<br />

also als konsequenter Schritt einer <strong>technische</strong>n Wiederherstellung ausgefallener <strong>oder</strong><br />

defizienter Körperfunktionen. Der Übergang von wiederherstellenden zu verbessernden<br />

Eingriffen ist aus <strong>technische</strong>r Perspektive graduell und keineswegs revolutionär:<br />

die Erweiterung hinsichtlich einiger Leistungsmerkmale <strong>technische</strong>r Produkte<br />

ist ein im <strong>technische</strong>n Fortschritt gängiger Gedankengang. Durch graduelle und im<br />

Rahmen <strong>technische</strong>r Überlegungen kleine Erweiterungen <strong>des</strong> <strong>technische</strong>n Könnens<br />

könnten also in Hinsicht auf das übliche Verständnis medizinisch-heilenden Vorgehens<br />

und damit auch in Bezug auf den involvierten normativen Rahmen revolutionäre<br />

Schritte erfolgen.<br />

Die Idee <strong>des</strong> Verbesserns ist der neuzeitlichen Technik immanent. Sobald etwas<br />

technisch realisiert ist, wird sofort nach <strong>Verbesserung</strong>en, teils auch nach Optimierungen<br />

in verschiedenen Hinsichten gefragt. Insofern ist durch die Idee der <strong>technische</strong>n<br />

Substituierung verloren gegangener Funktionen <strong>des</strong> menschlichen Körpers (wie z.B.<br />

<strong>des</strong> Sehens <strong>oder</strong> Hörens) die Idee der <strong>Verbesserung</strong> dieser Funktionen als Potential<br />

<strong>des</strong> weiteren Fortschritts bereits mitgedacht (Grunwald/Julliard 2005; Hubig 2007).<br />

Technisches Handeln kennt keine Grenze per se zwischen einem Heilen und einem<br />

Verbessern. Der wirkmächtige technologische Imperativ führt in diesem Feld notwendigerweise<br />

vom Heilen zum Verbessern. 22<br />

Das Verbessern kennt keine Grenze und kein Maß in sich selbst, sondern eröffnet<br />

einen unendlichen Raum <strong>des</strong> Möglichen. Ein einmal erreichter Stand in der <strong>Verbesserung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> führt nicht zum Anhalten <strong>des</strong> <strong>Verbesserung</strong>sprozesses im<br />

Sinne eines 'Ziel erreicht', sondern dient als Ausgangspunkt für die nächste <strong>Verbesserung</strong><br />

und so weiter. Diese Eigenschaft unterscheidet radikal das Heilen vom<br />

Verbessern: das Heilen kommt an ein Ende, wenn der Patient gesund ist. Das<br />

Verbessern kommt auch im Erfolgsfalle nicht an ein Ende, sondern wird von der Ruhelosigkeit<br />

<strong>des</strong> technologischen Imperativs immer weiter getrieben – es sei denn,<br />

dass Gestaltungsansätze, Begrenzungen <strong>oder</strong> Verlangsamungen von außen, durch<br />

gesellschaftliche Gestaltungsmaßnahmen (Grunwald 2000a) an diese <strong>Verbesserung</strong>sspirale<br />

herangetragen würden (Clausen 2006). Diese freilich müsste, wie Clausen<br />

zu Recht bemerkt, normativ gerechtfertigt und den Akteuren vorgegeben werden,<br />

da ansonsten der technologische Imperativ an dieser 'Gestaltbarkeitsgrenze' nicht<br />

Halt machen würde.<br />

22 Technik wurde in einigen Ansätzen der Technikphilosophie als Organersatz, als extern gewendete<br />

Ausdehnung der organischen Fähigkeiten <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> gedacht (Kapp 1877; Gehlen<br />

1986). Ziel der Technik sei danach, die Unzulänglichkeiten <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> durch eine externe<br />

Technik nach dem Vorbild seiner Organe und Fähigkeiten zu kompensieren <strong>oder</strong> seine organischen<br />

Fähigkeiten zu erweitern, wie <strong>des</strong> z.B. der Schritt von der menschlichen Hand zu einer<br />

Baggerschaufel illustriert. Diese Denkfigur wird angesichts der <strong>technische</strong>n <strong>Verbesserung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Menschen</strong> umgekehrt: der Mensch beginnt, sich selbst nach dem Vorbild von ihm selbst geschaffener<br />

Technik zu verbessern (so auch Siep 2006).<br />

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