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Technisierung oder technische Verbesserung des Menschen?

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mit einem Verbessern in anderen Hinsichten verbunden sein kann. So gesehen besteht<br />

keine Wahlmöglichkeit der Gesellschaft, ob sie ein 'Human Enhancement' will<br />

<strong>oder</strong> nicht, denn die <strong>technische</strong>n <strong>Verbesserung</strong>en schleichen sich in die heilende<br />

Praxis notwendig ein. Und zweitens ist die Problematik der mit <strong>Verbesserung</strong>en möglicherweise<br />

<strong>oder</strong> sogar wahrscheinlich verbundenen Verschlechterungen zu beachten.<br />

Daraus lässt sich insgesamt lernen, dass in diesem Feld eine erhebliche Unübersichtlichkeit<br />

entsteht. Semantische und hermeneutische Arbeit zum Verstehen,<br />

worum es im Einzelfall geht, ist hier von entscheidender Bedeutung.<br />

9.3.5 Kontingenzsteigerung im <strong>technische</strong>n Fortschritt<br />

Kontingenzerhöhung ist ein ständiges Motiv im wissenschaftlich-<strong>technische</strong>n Fortschritt.<br />

Die Verwandlung von etwas als gegeben Hinzunehmendem in etwas Manipulierbares<br />

ist das Kennzeichen <strong>des</strong> <strong>technische</strong>n Fortschritts. In dem Maße, wie die<br />

menschliche Verfügungsmacht erhöht wird, eröffnen sich neue Räume für Visionen<br />

und Gestaltung, aber gleichzeitig auch die Herausforderung, die gewonnenen Freiheitsräume<br />

durch neue Formen der Orientierung (dazu Kap. 10) zu gestalten.<br />

Die in der Debatte zur <strong>technische</strong>n <strong>Verbesserung</strong> <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> betrachtete Anwendung<br />

<strong>des</strong> <strong>technische</strong>n Fortschritts auf <strong>Menschen</strong> selbst ist eine logische Fortsetzung<br />

<strong>des</strong> <strong>technische</strong>n Fortschritts und führt zu einer weiteren Zunahme der Kontingenz<br />

in der conditio humana (Grunwald 2007a). Statt die externe Umwelt <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong><br />

nach seinen Vorstellungen zielgerichtet zu gestalten, wendet sich das Interesse<br />

nach innen und es findet eine Verlagerung der Gestaltungsambitionen in den<br />

menschlichen Körper und Geist hinein statt. Die Technikphilosophie von Ernst Kapp<br />

(1877) auf den Kopf stellend, geht es nicht länger darum, Technik außerhalb <strong>des</strong><br />

<strong>Menschen</strong> nach dem Vorbild menschlicher Organe zu entwickeln und dann deren<br />

Fähigkeiten technisch zu übersteigen, sondern <strong>Menschen</strong> sollen nach dem Vorbild<br />

der selbst geschaffenen Artefakte technisch Organe aufgerüstet werden (Siep 2006).<br />

Diese Kontingenzerhöhung ist einerseits emanzipatorisch eine Befreiung von den<br />

Zwängen der Natur (was z.B. das Altern <strong>oder</strong> das sensorische Vermögen <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong><br />

betrifft). Sie könnte zu einer 'Kulturalisierung' bislang naturaler Elemente <strong>des</strong><br />

<strong>Menschen</strong> führen. Traditionelle Evidenzen wie die, dass <strong>Menschen</strong> bei Dunkelheit<br />

nicht sehen können, dass <strong>Menschen</strong> nicht über eine Radarfähigkeit verfügen wie<br />

Fledermäuse, dass Schnittstellen zur Technik (z.B. zu einem Computer) nur über<br />

recht komplexe Vorgänge unter Einsatz von Kulturtechniken wie <strong>des</strong> Schreibens <strong>oder</strong><br />

durch das Bedienen von Tastaturen realisiert werden können, <strong>oder</strong> dass das<br />

menschliche Leben eine recht begrenzte Dauer hat, werden fraglich. Das 'naturalistische'<br />

Argument, dass <strong>Menschen</strong> physiologisch so sind, wie sie durch die Evolution<br />

geworden sind, und daher auch so sein sollen, gilt nicht länger. 23<br />

Andererseits stellt diese '<strong>technische</strong> <strong>Verbesserung</strong>' <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> traditionelle<br />

Selbstverständlichkeiten in Frage: der Mensch mit den bislang als selbstverständlich<br />

anerkannten physischen und mentalen Fähigkeiten und Grenzen, würde zum Gegenstand<br />

<strong>technische</strong>r Manipulation 'verflüssigt'. In Bezug auf die 'Zukunft der Natur<br />

23 Um es korrekter zu sagen: die naturalistische Argumentation hat nie 'gegolten' (Hartmann/Janich<br />

1996). Aus der Tatsache, dass wir uns als <strong>Menschen</strong> vorfinden, z.B. mit Augen,<br />

die nur in einem bestimmten Teil <strong>des</strong> elektromagnetischen Spektrums arbeiten, folgt normativ<br />

nichts unmittelbar. In Bezug auf die physische Ausstattung <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> hat es jedoch bislang<br />

keinen Anlass gegeben, derartige Fragen überhaupt aufzuwerfen.<br />

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