Diplomarbeit zum Downloaden - cpe - Universität Kaiserslautern
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2010<br />
Methodische und praktische Fundierung zur<br />
Etablierung des<br />
EmBaGIS<br />
Emotionales Barriere-GIS als neues Instrument zur<br />
Identifikation und Optimierung stadträumlicher Barrieren<br />
für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen<br />
Am Anwendungsbeispiel der Fußgängerzone in <strong>Kaiserslautern</strong><br />
Benjamin Bergner
TU <strong>Kaiserslautern</strong><br />
Lehrgebiet CPE - Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden<br />
Fachbereich Architektur | Raum- und Umweltplanung | Bauingenieurwesen<br />
Gebäude 1<br />
Pfaffenbergstraße 95<br />
67663 <strong>Kaiserslautern</strong><br />
Deutschland<br />
Tel.: +49 0631/ 205-3951<br />
Internet: http://<strong>cpe</strong>.arubi.uni-kl.de/<br />
In Kooperation mit:<br />
Dr. Georgios Papastefanou<br />
GESIS Leibniz Institute for the Social Sciences<br />
B2,1 - 68152 Mannheim<br />
Tel.: +49 0621/ 1246-0<br />
Internet : http://www.gesis.org<br />
Arbeitskreis „Barrierefreie Stadt <strong>Kaiserslautern</strong>”<br />
Ansprechpartner:<br />
Werner Rech<br />
Referat Stadtentwicklung<br />
Tel.: +49 0631/ 365-2574<br />
Internet : http://www.kaiserslautern.de<br />
<strong>Diplomarbeit</strong> zur Erreichung des akademischen Grades ‚Diplom-Ingenieur‘<br />
Benjamin Bergner (Matrikelnummer 355238)<br />
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Betreuung:<br />
Prof. Dr.-Ing. Bernd Streich<br />
Dr.-Ing. Peter Zeile
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Verfassererklärung<br />
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und die Übernahme<br />
wörtlicher Zitate aus der Literatur sowie die Verwendung der Gedanken anderer Autoren an<br />
entsprechender Stelle innerhalb der Arbeit gewürdigt habe. Diese Arbeit ist bisher weder<br />
veröffentlicht, noch einer sonstigen Prüfungsbehörde vorgelegt worden.<br />
Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung das Aberkennen der Prüfungsleistung zur<br />
Folge haben kann.<br />
Benjamin Bergner<br />
<strong>Kaiserslautern</strong>, Oktober 2010
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
DANKSAGUNG<br />
An dieser Stelle möchte ich mich zunächst bei Herrn Prof. Dr.-Ing. Bernd Streich bedanken, der es<br />
über die Jahre immer wieder möglich gemacht hat, zu freien eigenen Ideen zu ermutigen und diese<br />
auch im Rahmen des Lehrgebietes zur Umsetzung zu bringen. Vielen herzlichen Dank auch an dieser<br />
Stelle an meinen <strong>Diplomarbeit</strong>sbetreuer Dr.-Ing. Peter Zeile. Er hat mir stets das Gefühl gegeben im<br />
planerischen Leben vollends angekommen zu sein und hat mich im Rahmen meiner Arbeit immer<br />
unterstützt, meine Gedanken und Ideen zu verwirklichen.<br />
Ich möchte mich auch insbesondere bei Herrn Dr. Georgios Papastefanou herzlich bedanken, der mir<br />
immer mit fachlichem und freundschaftlichem Rat zur Seite gestanden und mir die technischen Gerä-<br />
te zur Messung der mentalen Belastung zur Verfügung gestellt hat.<br />
Ein weiterer großer Dank geht an Herrn Werner Rech vom Arbeitskreis „Barrierefreie Stadt Kaisers-<br />
lautern“. Durch ihn wurde es mir ermöglicht, im Rahmen diverser Vorträge den konkreten Kontakt zu<br />
Interessensvertretern behinderter Menschen aufzubauen. Gleichzeitig gratuliere ich auch dem ge-<br />
samten Team des Arbeitskreises <strong>zum</strong> Gewinn des „Preis des Landesbeauftragten für die Belange be-<br />
hinderter Menschen für kommunale Behindertenbeiräte und –beauftragte“ des Landes Rheinland-<br />
Pfalz und danke gleichzeitig, dass ich mit meiner ersten Studie einen Beitrag hierzu leisten durfte.<br />
Somit gilt auch besonderer Dank an die Vertreter des Blinden- und Sehbehindertenbund Pfalz e.V.,<br />
des Mach Mit Mittwoch Club e.V., des Gemeinsam leben und lernen e.V., der Behindertenhilfe<br />
Westpfalz e.V., der Selbsthilfegruppe „Igel“ und den Westpfalz-Werkstätten sowie allen teilnehmen-<br />
den Probanden.<br />
Außerdem möchte ich meinen Kommilitonen danken, die mir im Studium freundschaftlich und mit<br />
großem Interesse zur Seite gestanden haben.<br />
Zu Ende danke ich ganz besonders meiner Familie, die mir es überhaupt ermöglicht hat, meinen frei-<br />
gewählten Weg im Studium zu gehen und mich frei zu entfalten.
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Kurzfassung<br />
Die vorliegende Arbeit „Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS“ be-<br />
fasst sich mit der Entwicklung eines innovativen Planungsinstrumentes zur Identifikation und Opti-<br />
mierung stadträumlicher Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen. Die kon-<br />
krete Zielsetzung beinhaltet eine bewusste Mischung von Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz. Nach<br />
einer breiten theoretischen Fundierung in den Bereichen stadträumlicher Barrieren, der subjektiven<br />
Lebensqualitätsforschung und der Emotionsforschung stellt sich die Arbeit der relevanten Zukunfts-<br />
herausforderung der Schaffung einer umfassenden Barrierefreiheit und damit einer gleichberechtig-<br />
ten Teilhabe behinderter Menschen am Lebensalltag. Zu diesem Zweck wird das Instrument „Emoti-<br />
onales Barriere-GIS“ (kurz EmBaGIS) entwickelt, das umfassend den klassisch planerischen Ansatz der<br />
barrierespezifischen Bestandsaufnahme und –Analyse, zusammen mit einer empirischen Teilkompo-<br />
nente, hin zu einer städtebaulichen Optimierung und der Formulierung eines Maßnahmenkatalogs<br />
führt.<br />
Während in der Vergangenheit die Barrierefreiheit, neben dem klassisch planerischen Ansatz, empi-<br />
risch durch retrospektive Selbstberichte festgestellt wurde, so ist insbesondere diese Art der Be-<br />
standsaufnahme nach heutigen Gesichtspunkten überholt. Zur Feststellung der Barrierefreiheit aus<br />
Sicht der Betroffenen wird in dieser Arbeit erstmals eine neue Methode zur empirischen Messung<br />
der Raumerfahrung und, damit einhergehend, der mentalen Belastung in Verbindung mit stadträum-<br />
lichen Barrieren angewandt. Die Methode des psychophysiologischen Monitorings zeichnet mit Hilfe<br />
technischer Geräte bei gleichzeitiger Verortung autonome Körperfunktionen auf, welche auf affekti-<br />
ve Moment-zu-Moment-Emotionen schließen lassen. Hiermit wird es möglich punktgenaue Stressre-<br />
aktionen, welche explizit mit baulichen und räumlichen Barrieren in Verbindung gebracht werden<br />
können, zu erfassen. Somit können objektive und valide Individualdaten der Stadtplanung zur Beur-<br />
teilung der Barrierefreiheit zu Verfügung gestellt werden. Dabei steht der Mensch als Messfühler im<br />
Vordergrund der Planung.<br />
In diesem Kontext werden innerhalb der Arbeit zwei empirische Studien zur Messung der Raumer-<br />
fahrung und mentalen Belastung behinderter Menschen durchgeführt – <strong>zum</strong> einen mit sehbehinder-<br />
ten und blinden Menschen, <strong>zum</strong> anderen mit gehbehinderten Menschen. Die Auswertung der ge-<br />
wonnen, individuellen Stressreaktionen der Probanden haben in Verbindung mit der kompletten<br />
Instrumentenanwendung zu einer argumentationsstützenden Feststellung und Optimierung stadt-<br />
räumlicher Barrieren geführt. Die Ergebnisse der Studien lassen den Schluss zu, dass der umfassende<br />
Instrumentenansatz des „EmBaGIS“ durchaus erfolgreich erprobt wurde. Es sind dennoch weitere<br />
Optimierungs- und Handlungsbedarfe im Kontext der Instrumentenentwicklung in Zukunft notwen-<br />
dig.<br />
Nicht zuletzt durch die erfolgreiche Anwendung des „EmBaGIS“ in der Praxis lassen sich konkrete<br />
Chancen und Perspektiven des Instrumenteneinsatz in der Stadtentwicklungsplanung als informelles<br />
Planungsinstrument ausmachen. Das „EmBaGIS“ bietet eine bisher nicht dagewesene Möglichkeit,<br />
objektive und valide Individualdaten betroffener Menschen für die Stadtplanung darzubieten und<br />
somit dem essentiell wichtigen Partizipationsgedanken in der Planung inhaltlich deutlich voran zu-<br />
bringen.
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
1.Einleitung ...................................................................................................................................... 1<br />
1.1 Problemstellung .............................................................................................................................1<br />
1.2 Zielsetzung und Leitthesen .........................................................................................................2<br />
1.3 Vorgehensweise und Methodik der Arbeit .............................................................................3<br />
1.4 Grenzen der Arbeit ........................................................................................................................6<br />
2. Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte<br />
Menschen ..................................................................................................................................... 8<br />
2.1 Begriffsdefinitionen.......................................................................................................................8<br />
2.1.1 Definition des öffentlichen Raums ..................................................................................................................................... 8<br />
2.1.2 Definition des privaten Raums ............................................................................................................................................. 9<br />
2.1.3 Was ist eine Barriere?............................................................................................................................................................... 9<br />
2.1.3.1 Barrierebegriff allgemein und im Kontext der physischen Umwelt ............................................. 9<br />
2.1.3.2 Ergänzungen der Barrieredefinition durch mentale Belastung und Stress ........................... 10<br />
2.1.3.3 Physische und mentale Barrieren als verschiedene Betrachtungsebenen ............................ 10<br />
2.1.4 Was ist Barrierefreiheit? ...................................................................................................................................................... 11<br />
2.1.5 Beeinträchtigungen in der Innenstadt aufgrund von Behinderungen ........................................................... 11<br />
2.1.5.1 Geh- und stehbehinderte Menschen (einschließlich Rollstuhlfahrer) ..................................... 15<br />
2.1.5.2 Blinde und sehbehinderte Menschen ....................................................................................................... 17<br />
2.1.5.3 Geistig behinderte Menschen ....................................................................................................................... 18<br />
2.1.5.4 Mobilitätseingeschränkte Menschen ........................................................................................................ 18<br />
2.1.6 Allgemeine Anforderungen und Raumbedarf behinderter und mobilitätseingeschränkter<br />
Menschen ..................................................................................................................................................................................... 18<br />
2.2 Der Demographische Wandel und seine Folgen in der aktuellen Diskussion zur<br />
Barrierefreiheit ........................................................................................................................... 19<br />
2.2.1 Der Demographische Wandel in Deutschland ........................................................................................................... 20<br />
2.2.2 Politische Diskussion zur Barrierefreiheit .................................................................................................................. 23<br />
2.2.3 Behindertenbericht der Bundesregierung 2009 ...................................................................................................... 23<br />
2.2.3.1 Zielvereinbarungen ........................................................................................................................................... 25<br />
2.2.3.2 Verkehr und Mobilität ..................................................................................................................................... 26<br />
2.2.3.3 Barrierefreies Bauen und Maßnahmen im Rahmen der Städtebauförderung ..................... 29<br />
2.3 Rechtliche Vorgaben .................................................................................................................. 30<br />
2.3.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen .................................................................................................................................... 31
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
2.3.1.1 UN Behindertenrechtskonvention ............................................................................................................. 31<br />
2.3.1.2 Europäische Union ............................................................................................................................................. 32<br />
2.3.1.3 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ................................................................................... 34<br />
2.3.2 Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz) ....................... 34<br />
2.3.3 Musterbauordnung ................................................................................................................................................................. 36<br />
2.4 Städtebauliche Vorgaben .......................................................................................................... 38<br />
2.4.1 Rahmenbedingungen zur Entwicklung des Städtebaus in den Kommunen ............................................... 38<br />
2.4.2 Barrierefreiheit in der Bauleitplanung, Stadt- und Verkehrsplanung ........................................................... 39<br />
2.4.3 Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der Stadtplanung ....................................................... 41<br />
2.4.3.1 Geltungsbereich der DIN 18024 Teil 1..................................................................................................... 43<br />
2.4.3.2 DIN 32984 „Bodenindikatoren im öffentlichen Raum“.................................................................... 44<br />
2.4.3.3 Diskussion zur Gestaltung barrierefreier Querungsanlagen ........................................................ 46<br />
2.5 Zwischenfazit ................................................................................................................................ 47<br />
3 Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität .......... 49<br />
3.1 Die zwei Dimensionen der Lebensqualitätsforschung .................................................... 50<br />
3.1.1 Objektive Lebensqualität ..................................................................................................................................................... 50<br />
3.1.2 Subjektive Lebensqualität ................................................................................................................................................... 51<br />
3.1.3 Objektive und subjektive Lebensqualität als Symbiose ........................................................................................ 52<br />
3.2 Das Konzept des ‘subjective well-being’............................................................................... 52<br />
3.2.1 Psychologisches Wohlbefinden ........................................................................................................................................ 52<br />
3.2.2 Subjektives Wohlbefinden................................................................................................................................................... 53<br />
3.2.3 Affektive und kognitive Komponenten des ‚subjective well-being‘ ................................................................ 54<br />
3.3 Messmethoden affektiven und kognitiven Wohlbefindens ............................................ 56<br />
3.3.1 Messung des affektiven Wohlbefindens ....................................................................................................................... 56<br />
3.3.1.1 Laborexperimente.............................................................................................................................................. 57<br />
3.3.1.2 ‘Experience Sampling-Methode’ (ESM) ................................................................................................... 58<br />
3.3.1.3 ‘Day-Reconstruction-Methode’ (DRM)..................................................................................................... 58<br />
3.3.2 Messung des kognitiven Wohlbefindens ...................................................................................................................... 59<br />
3.3.2.1 ‚Satisfaction with life scale‘ (SWLS) ............................................................................................................. 59<br />
3.3.2.2 Weitere Befragungen zur Lebenszufriedenheit .................................................................................. 60
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
3.4 Zwischenfazit: Grenzen der Instrumente zur Messung der subjektiven<br />
Lebensqualität .............................................................................................................................. 61<br />
4. Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung ...................... 64<br />
4.1 Emotionsdefinition ..................................................................................................................... 64<br />
4.2 Komponenten der Emotion ...................................................................................................... 66<br />
4.2.1 Aktivitätstendenzen ............................................................................................................................................................... 68<br />
4.2.2 Motorischer Ausdruck ........................................................................................................................................................... 68<br />
4.2.3 Subjektives Befinden.............................................................................................................................................................. 69<br />
4.2.4 Autonome Physiologie .......................................................................................................................................................... 69<br />
4.3 Methoden des ‚Ambulatorisches Assessments‘ .................................................................. 70<br />
4.3.1 Experience sampling .............................................................................................................................................................. 70<br />
4.3.2 Behavior recording ................................................................................................................................................................. 71<br />
4.3.3 Psychophysiologisches Monitoring ................................................................................................................................ 73<br />
4.4 Messparameter und –Methoden physiologischer Zustände und Stress ..................... 75<br />
4.5 Zwischenfazit: Methodenfindung zur Identifikation stadträumlicher Barrieren auf<br />
Grundlage der Emotionsforschung ........................................................................................ 76<br />
5. „Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation<br />
und Optimierung stadträumlicher Barrieren ............................................................... 78<br />
5.1. Rückschau auf bisherige Studien zur emotionalen Stadtkartierung ......................... 78<br />
5.1.1 Bio Mapping nach Nold ......................................................................................................................................................... 79<br />
5.1.2 Emotional Mapping ................................................................................................................................................................. 82<br />
5.1.3 Zentrale Erkenntnisse bisheriger Studien ................................................................................................................... 86<br />
5.2 EmBaGIS – mehr als nur eine Methode ................................................................................. 89<br />
5.3 Methodischer Aufbau zur Anwendung des EmBaGIS ....................................................... 90<br />
5.3.1 Mehrstufiges Phasenmodell zur methodischen Fundierung des EmBaGIS ................................................. 90<br />
5.3.2 Grundlegende Layerstruktur des EmBaGIS ................................................................................................................ 95<br />
5.4 Anforderungen an die Methodik <strong>zum</strong> EmBaGIS in Diskussion <strong>zum</strong> methodischen<br />
Aufbau ............................................................................................................................................. 96<br />
5.4.1 Allgemeine Anforderungen an die Methodik als Bewertungs- und Entscheidungsmethode ............. 96<br />
5.4.2 Basisanforderungen an das EmBaGIS als Geoinformationssystem ................................................................. 99<br />
5.4.3 Spezifische Anforderungen zur empirischen Identifikation stadträumlicher Barrieren .................. 100<br />
5.5 Die Bedeutung von EmBaGIS für stadträumliche Planungsprozesse zur<br />
barrierefreien Stadt..................................................................................................................107
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
5.6 Zwischenfazit: EmBaGIS als innovatives Produkt einer nachhaltigen<br />
Stadtentwicklung.......................................................................................................................109<br />
6. Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS ................................. 112<br />
6.1 EmBaGIS-Studie: „Innerstädtische Raumerfahrung und mentale Belastung in der<br />
Fußgängerzone von gehbehinderten Menschen“ .............................................................112<br />
6.1.1 Deskription und Design der Studie .............................................................................................................................. 112<br />
6.1.2 Planungsanlass und Ziel .................................................................................................................................................... 113<br />
6.1.3 Festlegung des Untersuchungsraums ......................................................................................................................... 114<br />
6.1.4 Städtebauliche Barriereverortung und Einteilung nach Barrieresektoren.............................................. 115<br />
6.1.5 Emotionale Barriereverortung ...................................................................................................................................... 120<br />
6.1.5.1 Stichprobe zur emotionalen Datenaufnahme .................................................................................... 121<br />
6.1.5.2 Einteilung von emotionalen Barrieresektoren ................................................................................. 122<br />
6.1.6 Gegenüberstellung der städtebaulichen und emotionalen Barrieresektoren ........................................ 124<br />
6.1.7 Städtebauliche Optimierung............................................................................................................................................ 128<br />
6.1.8 Maßnahmenkatalog und Empfehlungen ................................................................................................................... 130<br />
6.2 Zwischenfazit ..............................................................................................................................131<br />
7. Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS ................................................. 133<br />
7.1 Perspektiven und Chancen als integratives Planungsinstrument .............................133<br />
7.1.1 EmBaGIS als integratives, informelles Planungsinstrument ........................................................................... 133<br />
7.1.2 OpenSource-Technologien als logische Ergänzung ............................................................................................. 134<br />
7.1.3 Übertragbarkeit des Instrumentenansatzes des EmBaGIS auf andere planerische<br />
Untersuchungsgegenstände ............................................................................................................................................ 135<br />
7.2 Kritische Auseinandersetzung und weitere Handlungserfordernisse .....................136<br />
7.3 Zwischenfazit…………………………………………………………………………………………………..…140<br />
8. Abschließendes Gesamtbetrachtung ............................................................................. 141
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Anhang I, Literatur und Quellenverzeichnis…………………………………………………….…..…144<br />
Anhang II, Abbildungsverzeichnis…………………………………..…………………………………….…157<br />
Anhang III, Tabellenverzeichnis……………………………………………………………………….……….158<br />
Anhang IV, Ausgewählte Auszüge zur DIN 18024 Teil 1……………………………………………159<br />
Anhang V, Emotionstabelle……………………………………………………………………….……………..167<br />
Anhang VI, Erweiterte Pressemitteilung zur Vorstudie ..………………………………………….168<br />
Anhang VII, Barrierespezifische städtebauliche Bestandsaufnahme I ……………………….172<br />
Anhang VIII, Barrierespezifische städtebauliche Bestandsaufnahme II ..………….………...173<br />
Anhang IX, Städtebauliche Analyse nach städtebaulichen Barrieresektoren……………174<br />
Anhang X, Flyer zur Bürgeraktivierung ………………………………………………………………...175<br />
Anhang XI, Protokollblatt zur Studiendurchführung……………...………………………………...176<br />
Anhang XII, Vorgehensweise der empirischen 3-Level-Analyse ..……...………………………182<br />
Anhang XIII, Probanden-Einzelprofile………………………………………………………………...………188<br />
Anhang XIV, Städtebauliche Optimierung – Sektor 7 Frontportal Kirche St. Martin ......200
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Kapitel 1<br />
Einführung in die Thematik<br />
1.1 Problemstellung Seite 1<br />
1.2 Zielsetzung und Leitthesen Seite 2<br />
1.3 Vorgehensweise und Methodik der Arbeit Seite 3<br />
1.4 Grenzen der Arbeit Seite 6
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Einführung in die Thematik Kapitel 1<br />
Kapitel 1 – Einführung in die Thematik<br />
1.1 Problemstellung<br />
Der demographische Wandel ist einer der wichtigsten gegenwärtigen und zukünftigen gesellschaftli-<br />
chen Prozesse. Aufgrund der Alterung der Bevölkerung einerseits und der Schrumpfung der Gesell-<br />
schaft andererseits, gewinnt das Thema Barrierefreiheit zunehmend an Bedeutung. Der Anteil der<br />
Personen ab 65 Jahren beträgt bereits im Jahr 2008 20 % und wird im Jahre 2050 auf 37 % ansteigen<br />
(siehe Kapitel 2.2.1 Der demographische Wandel in Deutschland). Zudem sind statistisch gesehen im<br />
Jahr 2007 bereits ca. 9 % der Gesamtbevölkerung als schwerbehinderte Menschen festzustellen (sie-<br />
he Kapitel 2.1.5 Statistik zur Anzahl behinderter Menschen).<br />
„Gefordert ist vor allem eine sozial verträgliche Mobilität, die zu keiner Benachteiligung oder stärke-<br />
ren Belastung spezifischer Bevölkerungsgruppen führt. Quantitative und qualitative Mängel in der<br />
Ausgestaltung des Straßen- und Wegenetzes sowie der Angebotsstruktur im ÖPNV mindern die Teil-<br />
habechancen der Bevölkerung am öffentlichen und sozialen Leben. In körperlicher wie finanzieller<br />
Hinsicht in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen und Gruppen sind hiervon in besonderem Maße<br />
betroffen“ 1 . Viele körperliche Beeinträchtigungen treten erst im Alter auf. Schon im Jahr 2008 wird<br />
von einem Anteil von etwa 20 % mobilitätseingeschränkter Personen an der Gesamtbevölkerung<br />
ausgegangen. Dies macht deutlich, dass die Herstellung einer möglichst weitreichenden Barrierefrei-<br />
heit heute notwendiger Bestandteil der Verkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik ist. Die Bundes-<br />
regierung hat die Barrierefreiheit in der Infrastruktur und beim Personenverkehr immer als Quali-<br />
tätsgewinn für alle Menschen verstanden. 2<br />
Aus den beispielhaften Feststellungen des Statistischen Bundesamtes sowie dem Stadtentwicklungs-<br />
bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2008 stellt sich die Frage, wie eine städtische Barrierefrei-<br />
heit festgestellt und gemessen wird. Dies findet in der Regel durch Abgleich mit städtebaulichen Re-<br />
gelwerken (DIN-Normen) oder durch Befragung betroffener Bevölkerungsgruppen statt. Damit wird<br />
die Planung und Politik vordergründig der Mischung von Top-Down- und Bottom-Up-Prinzip gerecht.<br />
Jedoch sind insbesondere die durch Befragung gewonnenen Erkenntnisse vorwiegend subjektiver Art<br />
und spiegeln persönliche Eindrücke oder Situationen befindensabhängig wieder. Zudem stehen erst<br />
kürzlich stattgefundene, negative Situationen im Zusammenhang mit Barrieren stärker im Gedächtnis<br />
niedergeschrieben als diesbezüglich unbewusst wahrgenommene Reaktionen. Dieser Ansatz ist nach<br />
aktuellem Wissensstand nicht falsch, da es an einer Methode zur objektiven Messung des subjekti-<br />
ven Befindens und im weiteren Schluss von Barrieren in der Stadt, <strong>zum</strong> heutigen Stand der Technik,<br />
fehlt. Es ist bisher nicht möglich, effektiv und objektiv Barrieren für mobilitätseingeschränkte Men-<br />
1 Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2008): Stadtentwicklungsbericht der Bundesregierung<br />
2008 – Neue urbane Lebens- und Handlungsräume, Berlin, S. 114. E-Paper:<br />
http://www.bmvbs.de/Anlage/original_1075468/Stadtentwicklungs-bericht-der-Bundesregierung-2008.pdf.<br />
2 Vgl. Ebenda.<br />
1
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
schen aus deren unbewussten und bewussten Wahrnehmung zu erfassen und aufzuzeigen. Die Pla-<br />
nung stützt sich aber in erster Linie auf objektive und valide Daten zur Feststellung von Sachverhal-<br />
ten. Aus dieser Motivation heraus soll dieses Problem der Objektivierung und Validierung solcher<br />
zielgruppenspezifischen Daten <strong>zum</strong> Gewinn der Stadtplanung im Kontext der Barrierefreiheit behan-<br />
delt und ein konkreter methodischer Lösungsvorschlag erarbeitet werden.<br />
1.2 Zielsetzung und Leitthesen<br />
Die einschlägige Zielsetzung der Arbeit ist die Entwicklung eines innovativen, umfassenden Instru-<br />
ments zur Identifikation und Optimierung stadträumlicher Barrieren in einer Mischung von Top-<br />
Down- und Bottom-Ansatz. Der Name des Instrumentes ist EmBaGIS – emotionales Barriere-GIS.<br />
Aufbauend auf umfassenden theoretischen Grundlagen zur Barrierefreiheit und zur innerstädtischen<br />
Lebensqualität soll das genannte Instrument EmBaGIS zur Verbesserung der Barrierefreiheit, inklusi-<br />
ve einer neuen psycho-physiologischen, personenbezogenen Methode zur Messung innerstädtischer<br />
Barrieren, erfolgreich entwickelt und gleichsam erprobt werden. Es sollen somit objektive und valide<br />
Daten der Stadtplanung als „Bottom-Up-Ansatz“ zur Verfügung und in den Kontext eines klassisch<br />
planerischen Top-Down-Ansatzes gestellt werden. Dabei wird in einer empirischen Teilkomponente<br />
das Prinzip des Menschen als Messfühler verfolgt. 3<br />
Zur Messung der Erfahrungen in städtischen Teilräumen werden zunächst Umfrageinstrumente der<br />
selbst-berichteten Bewertung bzw. dem subjektiven Wohlbefinden behandelt und auf ihre Verwen-<br />
dungsmöglichkeit hinsichtlich der Zielsetzung diskutiert. Eine Möglichkeit Erfahrungen Betroffener zu<br />
messen ist die automatisch-unauffällige Aufzeichnungen psychophysiologischer Parameter (Psycho-<br />
physiologisches Monitoring) während der konkreten Bewegung in diesen räumlichen Zusammenhän-<br />
gen. Dabei muss geprüft werden, welche Erfassungsmethode am besten geeignet ist, innerstädtische<br />
Erfahrungen zielorientiert zu erfassen. Insbesondere das psychophysiologische Monitoring soll hier-<br />
bei als neuer Ansatz getestet werden.<br />
Nach einer anwendungs- und ortsbezogenen städtebaulichen Analyse nach DIN-Normen sollen, auf<br />
Grundlage der erzielten Ergebnisse über konkrete, implizit und explizit wirksame Barrieren im inner-<br />
städtischen Lebensraum von mobilitätseingeschränkten und behinderten Menschen, Vorschläge für<br />
die Stadtplanung zur Verbesserung der städtischen Lebensqualität erarbeitet werden. Damit wird die<br />
Schnittstelle zwischen der Gesundheitsforschung und der Stadtplanung im Kontext der Barrierefrei-<br />
heit geschlossen. Des Weiteren gilt es den Einsatz des so entstandenen Instrumentes in informellen<br />
Planungsprozessen zu diskutieren. Zudem stellt sich die Frage, welche Chancen die innovative Mess-<br />
methode des psychophysiologischen Monitorings in der Stadtentwicklung in Zukunft bieten kann.<br />
3<br />
Vgl. Zeile, Peter, Exner, Jan-Philipp, Höffken, Stefan, Streich, Bernd (2010): Menschen als Messfühler – die Kombination<br />
von Geowebmethoden und Sensorik, <strong>Kaiserslautern</strong>, aufgerufen unter:<br />
http://programm.corp.at/cdrom2010/papers2010/CORP2010_44.pdf, abgerufen am 10.04.2010.<br />
2
Einführung in die Thematik Kapitel 1<br />
Da die Messmethode erst in der Erprobung insbesondere durch diese Arbeit steht, werden folgende<br />
Leitthesen formuliert und am Ende der Arbeit erneut auf ihren Inhalt geprüft.<br />
Leitthesen:<br />
1. Es wird bewiesen, dass das psychophysiologische Monitoring die am besten geeignetste Me-<br />
thode ist, innerstädtische Raumerfahrung zu messen und valide sowie objektive Daten für<br />
die Stadtplanung zu liefern.<br />
2. Das psychophysiologische Monitoring identifiziert punktgenau und in ihrer Stärke variierende<br />
Barrieren im innerstädtischen Lebensraum und liefert konkrete Handlungsbedarfe für die<br />
Stadtplanung.<br />
3. Das psychophysiologische Monitoring kann als integrative Bottom-Up-Methode innerhalb<br />
der informellen Bürgerbeteiligung erfolgreich angewandt werden.<br />
4. Das letztendlich entwickelte Instrument des EmBaGIS umfasst alle planerischen und empiri-<br />
schen Aspekte zur konkreten Erfassung stadträumlicher Barrieren.<br />
5. Betroffene Zielgruppen fühlen sich durch das aktive Involvieren in Planungsprozesse durch<br />
das Instrument des EmBaGIS als ernstgenommen.<br />
1.3 Vorgehensweise und Methodik der Arbeit<br />
Die Arbeit „Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS“ wird klassisch mit<br />
einer Einleitung begonnen, welche die Punkte Problemstellung, Zielsetzung und Leitthesen, Vorge-<br />
hensweise und Methodik sowie Grenzen der Arbeit enthält (Kapitel 1).<br />
Theoretische Grundlagen<br />
Durch die Begebenheit der umfassenden und gesellschaftspolitisch wichtigen Thematik sind ein sys-<br />
tematischen Aufarbeiten und Abschichten der theoretischen Grundlagenkomponenten ‚Stadträumli-<br />
che Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen‘, ‚Konzepte und Instrumente<br />
zur Messung der subjektiven Lebensqualität‘ sowie ‚Grundlegende Konzepte und Instrumente der<br />
Emotionsforschung‘ innerhalb der Arbeit unabdingbar. So wird anhand einer Auswertung der rele-<br />
vanten Fachliteratur, Fachzeitschriften und Internetquellen der theoretische Teil inhaltlich ausgefüllt.<br />
Das Kapitel 2 ‚Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen‘<br />
behandelt zunächst allgemeine Begriffsdefinitionen zur Abgrenzung des Untersuchungsraums, zu<br />
Barrieren allgemein und der Barrierefreiheit im Speziellen sowie Beeinträchtigungen in der Innen-<br />
stadt aufgrund von Behinderungen. Damit werden in der Konsequenz allgemeine Anforderungen und<br />
der notwendige Raumbedarf mobilitätseingeschränkter und behinderter Menschen extrahiert. Des-<br />
weiteren werden der demographische Wandel und seine Folgen in der aktuellen Diskussion der Bar-<br />
rierefreiheit inhaltlich betrachtet, um die aktuellen gesellschafts- und behindertenpolitischen Grund-<br />
lagen im Verständnis der Barrierefreiheit in Deutschland zu erfassen. Die rechtlichen Vorgaben sind<br />
3
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
ein weiterer wichtiger Themenkomplex. Die Verankerung der Barrierefreiheit hat auf vielen politi-<br />
schen Ebenen stattgefunden. Dabei wurden zunächst gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen,<br />
welche sich von der UN-Behindertenrechtskonvention, über die Rahmenbedingungen der Europäi-<br />
schen Union, hin in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erstrecken. Die Aufgliederung<br />
erfolgt nicht in einer zeitlichen Perspektive, sondern getreu dem Grundsatz ‚vom großen in den klei-<br />
nen Maßstab‘. Letztendlich wird das Kapitel 2 durch die städtebaulichen Vorgaben zur Barrierefrei-<br />
heit abgeschlossen. Das hier behandelte Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der<br />
Stadtplanung (DIN-Normen) wird im Verlauf der späteren Instrumentenentwicklung und der prakti-<br />
schen Umsetzung erneut aufgefasst und verarbeitet werden.<br />
In der Zielsetzung ist definiert, dass eine Methode gefunden werden soll, welche objektiven und vali-<br />
de Daten zur subjektiven Lebensqualität für stadtplanerische Fragestellungen bereitstellt. Das Kapitel<br />
3 ‚Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität‘ dient der ersten Annähe-<br />
rung an diese Zielsetzung. Die Suche beginnt in der klassischen Lebensqualitätsforschung, welche<br />
eine Reihe von Instrumenten zur Messung des subjektiven Wohlbefindens (‚subjective well-being‘) zu<br />
verschiedenen Konzepten liefert. Dabei wird zwischen Messmethoden des affektiven und kognitiven<br />
Wohlbefindens unterschieden. Nach der Entscheidung die affektiven Moment-zu-Moment-<br />
Emotionen als geeignete Grunddeterminante zur Erfassung des subjektiven Wohlbefindens weiter zu<br />
untersuchen, werden diesbezügliche Messmethoden analysiert. Dabei kristallisiert sich das Ergebnis<br />
heraus, dass die subjektive Lebensqualitätsforschung keine geeignete Methode zur Messung der<br />
mentalen Belastung in Verbindung mit stadträumlichen Barrieren darbieten kann.<br />
Als Konsequenz des Nicht-Greifens der klassischen Instrumente hinsichtlich des Untersuchungsge-<br />
genstandes kann nun wissensbasiert die Emotionsforschung als weiteres Forschungsfeld in die Suche<br />
nach der geeigneten Messmethode mit einbezogen werden (Kapitel 4). Um den Begriff der Emotion<br />
richtig zu verstehen und deuten zu können, wird dieser zunächst definiert und in seine Komponenten<br />
zerlegt. Nach der Untersuchung konkreter Messinstrumente der einzelnen Emotionskomponenten<br />
hat sich das psychophysiologische Monitoring durch die Messung der autonomen Physiologie des<br />
Körpers als geeignete Messmethode für das spätere Planungsinstrument EmBaGIS herausgestellt. So<br />
können mit Hilfe des psychophysiologischen Monitorings affektive Moment-zu-Moment-Emotionen<br />
unauffällig gemessen werden.<br />
Instrumentenentwicklung<br />
Auf Basis der umfassend gewonnenen Erkenntnisse des theoretischen Teils kann nun ein neues, um-<br />
fassendes Instrument zur Identifikation und Optimierung stadträumlicher Barrieren – mit dem Na-<br />
men EmBaGIS - entwickelt werden. Hierbei werden zunächst bisherige Studien zur emotionalen<br />
Stadtkartierung behandelt, welche bereits die Methode des psychophysiologischen Monitorings im<br />
Kontext Stadt angewandt haben. Diese Studien liefern erste Indizien, wie praktikabel die Messme-<br />
thode ist und welche Schlüsse aus der hier verwendeten Vorgehensweise gezogen werden können.<br />
Als Überleitung zur eigentlichen Instrumentenentwicklung wird die Begriffswahl des EmBaGIS erläu-<br />
tert und erste zielorientierte Leistungsmerkmale definiert. Der Mischungsansatz von planerischem<br />
4
Einführung in die Thematik Kapitel 1<br />
Top-Down- und Bottom-Up-Prinzip ist als Grundvoraussetzung des EmBaGIS an dieser Stelle noch-<br />
mals zu betonen. Nach der Begriffsdefinition erfolgt der methodische Aufbau des EmBaGIS mittels<br />
eines mehrstufigen Phasenmodells, welches den Planungsablauf protokolliert. Die unterschiedlich<br />
verwendeten Methodenansätze in den einzelnen Phasen werden im jeweiligen Unterkapitel noch-<br />
mals aufgefasst und explizit erläutert werden. Aus dem mehrstufigen Phasenmodell heraus wird im<br />
Anschluss eine grundlegende Layerstruktur entworfen, um das Instrument EmBaGIS auch in der Pra-<br />
xis für die Implementierung in eine Geoinformations-Software vorzubereiten. Als nächster großer<br />
Schritt gilt es, allgemeine Anforderungen an die Methodik als Bewertungs- und Entscheidungsme-<br />
thode, Basisanforderungen an das EmBaGIS als Geoinformationssystem sowie spezifischen Anforde-<br />
rungen zur empirischen Identifikation stadträumlicher Barrieren auf Grundlage des erarbeiteten Pha-<br />
senmodells zu diskutieren. Die Messmethode des psychophysilogischen Monitorings findet in der<br />
empirischen Teilkomponente des EmBaGIS seine Anwendung. Das Kapitel wird mit der Bedeutungs-<br />
erklärung des EmBaGIS für stadtplanerische Prozesse und als innovatives Produkt für eine nachhalti-<br />
ge Stadtentwicklung abgeschlossen.<br />
Praktische Umsetzung<br />
Nach dem die theoretische Entwicklung des EmBaGIS abgeschlossen ist, soll das Instrument in einem<br />
ersten Test umfassend erprobt werden (Kapitel 6). Hierzu wird eigens eine sogenannte EmBaGIS-<br />
Studie initiiert, welche als Untersuchungsgegenstand die innerstädtische Raumerfahrung und menta-<br />
le Belastung von gehbehinderten Menschen determiniert. Gemäß des entwickelten Phasenmodells<br />
wird das EmBaGIS von der Definition des Planungsanlasses und –Ziels, über eine barrierespezifische<br />
städtebauliche Analyse und einer empirischen Vorortstudie, hin zu einer städtebaulichen Optimie-<br />
rung und der Definition eines konkreten Maßnahmenkatalogs durchdekliniert. Auf den Aspekt der<br />
GIS-Implementierung wird jedoch in dieser ersten Erprobung verzichtet. Dieser Themenkomplex wird<br />
als zielgerichtete Weiterentwicklung in Zukunft in Aussicht gestellt.<br />
Zukünftige Entwicklung<br />
Aus den Erfahrungen der praktischen Umsetzung und den umfassend erarbeiteten Grundlagen in-<br />
nerhalb der Instrumentenentwicklung lassen sich nun Perspektiven der Weiterentwicklung aufzeigen.<br />
Einen hohen Stellenwert bekommt in diesem Zusammenhang die Diskussion, welche enormen Neue-<br />
rungen das EmBaGIS als informelles Planungsinstrument für zukünftige Planungsprozesse beisteuern<br />
kann. Es gilt aber auch, sich kritisch mit erkannten Fehlerquellen, Optimierungsbedarfen und weite-<br />
ren Handlungserfordernissen auseinanderzusetzen.<br />
In einer abschließenden Gesamtbetrachtung wird die Arbeitsleistung nochmals Revue passieren ge-<br />
lassen. Dabei erfolgt eine Überprüfung der zu Beginn definierten Zielsetzung sowie der Leitthesen<br />
und ob diese erfüllt wurden oder nicht.<br />
Schlussendlich lässt sich die Vorgehensweise der Arbeit in einer graphischen Übersicht (siehe Abbil-<br />
dung 1) nochmals zusammenfassen.<br />
5
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
6<br />
Abbildung 1: Vorgehensweise der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
1.4 Grenzen der Arbeit<br />
Das Zusammenführen der umfassenden Grundlagen im theoretischen Teil setzt für die Arbeit eine<br />
zielorientierte und abgeschichtete Vorgehensweise voraus. Nach einer allgemeinen Rahmengebung,<br />
welche in sich aufgrund der komplexen Themen sehr umfassend ist, werden insbesondere für die<br />
empirischen Studien relevante Sachverhalte der Theorie vertieft. Zudem wird nicht nur ein neues,<br />
umfassendes Instrument entwickelt, sondern dieses auch in einer praktischen Umsetzung direkt er-<br />
probt. Dementsprechend spielt das vorgegebene Zeitbudget eine große Rolle in der Ausführung der<br />
einzelnen Kapitel. Trotz einer zielorientierten Vorgehensweise können noch viele Aspekte der Arbeit<br />
weiter vertieft werden, wie die weiteren Optimierungsbedarfe und Handlungserfordernisse in Kapitel
Einführung in die Thematik Kapitel 1<br />
7 beschreiben. Aus dem Grund eine möglichst breite theoretische Fundierung, eine umfassende In-<br />
strumentenentwicklung und eine konkrete praktische Umsetzung in der Arbeit hochqualitativ garan-<br />
tieren zu können, wurde beispielsweise die Implementierung des Instruments in eine Geoinformati-<br />
ons-Software zu diesem Zeitpunkt nicht vorgenommen.<br />
Als weitere Grenze der Arbeit gilt die Akquise der Probanden. Diese findet durch die Präsentation<br />
und Kommunikation der Arbeitsziele im ‚Arbeitskreis Barrierefreie Stadt <strong>Kaiserslautern</strong>‘ statt und<br />
ermöglicht hierdurch den Zugang über Interessensvertreter zu Heimen und Institutionen mit Men-<br />
schen mit Behinderung. Diese Art der Akquise hat nicht ausgereicht, eine genügend große Zahl an<br />
Probanden bereitzustellen, um der ersten EmBaGIS-Studie einen repräsentativen Charakter zu ver-<br />
leihen. Durch eine möglichst hohe Probandenzahl kann durch das statistische Bilden von Mittelwer-<br />
ten in den physiologischen personenbezogenen Daten, Fehler, sogenannte Artefakte, beseitigt wer-<br />
den. Somit bleibt in der angewandten EmBaGIS-Studie nicht aus, dass einzelne besonders stressanfäl-<br />
lige Probanden das Ergebnis eventuell verfälschen könnten. Jedoch ist an<strong>zum</strong>erken, dass eine geringe<br />
Zahl an Probanden vor dem Hintergrund des begrenzten Zeitbudgets, die korrekte Auswertung der<br />
EmBaGIS-Studie begünstigt hat.<br />
Im Vorlauf der ersten tatsächlichen EmBaGIS-Studie hat bereits eine Vorstudie mit sehbehinderten<br />
und blinden Menschen in der Fußgängerzone von <strong>Kaiserslautern</strong> stattgefunden. Diese Vorstudie be-<br />
sitzt noch umfassendes Datenmaterial, welches die Vorstudie zu einer echten EmBaGIS-Studie entwi-<br />
ckeln könnte. Da jedoch <strong>zum</strong> Zeitpunkt der Durchführung der Vorstudie noch keine optimierte Vor-<br />
gehensweise zur Durchführung einer solchen Studie vorgelegen hat und die Datenauswertung sich<br />
deshalb als ganz besonders aufwendig darstellt, ist diese nur exemplarisch zu weiteren<br />
Akquisezwecken aufbereitet worden.<br />
7
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Kapitel 2<br />
Stadträumliche Barrieren für<br />
behinderte und mobilitätseinge-<br />
schränkte Menschen<br />
2.1 Begriffsdefnition Seite 8<br />
2.2 Der Demographische Wandel und seine Folgen in der aktuellen<br />
Diskussion zur Barrierefreiheit Seite 19<br />
2.3 Rechtliche Vorgaben Seite 30<br />
2.4 Städtebauliche Vorgaben Seite 38<br />
2.5 Zwischenfazit Seite 47
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
Kapitel 2 – Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte<br />
und behinderte Menschen<br />
Das zweite Kapitel, gleichzeitig der erste inhaltliche Baustein der Arbeit, wendet sich als Einstieg dem<br />
Themenkomplex der stadträumlichen Barrieren für behinderte und bewegungseingeschränkte Men-<br />
schen zu. Eine Schrittweise Annäherung an das Thema bestimmt die Vorgehensweise. Zunächst wer-<br />
den für das Verständnis grundlegend wichtige Begriffe, wie beispielsweise „Barriere“, „Barrierefrei-<br />
heit“ und der Kreis der Betroffenen, definiert und erläutert. Der demographische Wandel und seine<br />
Folgen geben weiteren Aufschluss über die Brisanz und Aktualität der Thematik in und für Deutsch-<br />
land und führen in der Konsequenz zu einer komplexen, politischen Diskussion. Das Kapitel umfasst<br />
damit alle grundlegenden Wirkungsbereiche des Themas der Barrierefreiheit. Die städtebaulichen<br />
Vorgaben runden letztendlich das Kapitel ab und liefern in Form von technischen Regelwerken im<br />
baulichen Bereich zu einem breiten Instrumentarium zur Bewältigung stadträumlicher Barrieren.<br />
Dieses Instrumentarium dient gleichermaßen dem Zweck eines planerischen Top-Down-Ansatzes,<br />
welcher insbesondere in der späteren Methodenentwicklung wiederum <strong>zum</strong> Einsatz kommt.<br />
2.1 Begriffsdefinitionen<br />
Zu einem sicheren Verständnis des Themas Barrieren und Barrierefreiheit im innerstädtischen Le-<br />
bensraum ist es zunächst notwendig den innerstädtischen öffentlichen vom privaten Raum zu unter-<br />
scheiden. Das Credo liegt innerhalb der Studien auf dem öffentlichen unbebauten Raum, welcher von<br />
jedem Mensch frei begangen werden kann und somit auch „barrierefrei“ gestalten werden muss. Es<br />
stellt sich die daraufhin die Frage: Was wird überhaupt unter einer Barriere verstanden? Und was ist<br />
in diesem Zusammenhang unter „Barrierefreiheit“ zu verstehen? Diese Fragestellungen werden im<br />
Folgenden behandelt.<br />
2.1.1 Definition des öffentlichen Raumes<br />
„Unter dem Begriff des öffentlichen Raumes ist der Zusammenschluss aller öffentlich zugänglichen<br />
Lokalitäten zu verstehen. Öffentlich zugänglich bedeutet hierbei, dass ein Gelände oder Gebäude von<br />
jeder Person betreten werden darf, ohne dass diese bestimmte Voraussetzung zu erfüllen hat. Zu<br />
diesen zählen im Allgemeinen folgende: Angehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht, Verfüg-<br />
barkeit von finanziellen Mitteln, Verbindungen zu bestimmten Personen, ein Arbeitnehmerverhältnis<br />
oder eine Mitgliedschaft.<br />
Der öffentliche Raum [in diesem Zusammenhang der öffentliche Stadtraum] setzt sich zusammen aus<br />
Verkehrsflächen, Grünanlagen und öffentlich zugänglichen Gebäuden und Grundstücken wie z.B.<br />
8
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Kindergärten, Schulen, Ämter, Postfilialen, Bahnhöfe, Krankenhäuser, Schwimmbäder, Museen und<br />
Kirchen.“ 4<br />
2.1.2 Definition des privaten Raumes<br />
Der private Raum grenzt sich dagegen vom öffentlichen Raum ab. Im privaten Raum ist die Zugäng-<br />
lichkeit auf die Personen beschränkt, welche sich in dessen Eigentum (auch durch Miete) befinden<br />
und diesen Raum ausschließlich für sich nutzen. Die exklusive Privatsphäre ist hier die ausschlagge-<br />
bende Eigenschaft dieses Raumtypes.<br />
2.1.3 Was ist eine Barriere?<br />
Der Begriff „Barriere“ ist ein facettenreicher Begriff, der aus unterschiedlichen Gesichtspunkten be-<br />
trachtet werden kann. Für die Planung spielt nicht nur die physische Barriere, sondern auch die per-<br />
sonenbezog wahrgenommene Barriere eine Rolle. Es gilt die Verbindung zwischen Mensch und Pla-<br />
nung zur erfolgreichen Bewältigung des Themas „Barrieren im innerstädtischen Lebensraum“ und<br />
damit einhergehend auch der Lebensqualität für Menschen mit Behinderung herzustellen.<br />
2.1.3.1 Barrierebegriff allgemein und im Kontext der physischen Umwelt<br />
Der Begriff der Barriere beschreibt in erster Linie etwas Negatives, das auf den Menschen einschrän-<br />
kend wirkt. Diese Einschränkung kann einen materiellen, aber auch einen ideellen Charakter tragen. 5<br />
Der Begriff „Barriere“ wird meist als „Synonym für ein Hindernis, das ein Individuum, eine Gruppe<br />
oder Organisation, aber auch eine ganze Gesellschaft am Erreichen eines bestimmten Ziels<br />
*ge+hindert“ 6 bestimmt. Im Kontext von Stadt wird insbesondere von physikalischen Barrieren ge-<br />
sprochen. Barrieren, welche nur mit physikalischem Kraftaufwand zu bewältigen sind, sind somit als<br />
eigentliche Behinderung der betroffenen Menschen anzusehen. Hierdurch sind für Menschen mit<br />
Behinderung gleichwohl Mobilitätseinschränkungen in unterschiedlichen Ausformungen gegeben.<br />
Dies können beispielweise Barrieren bei motorischen Behinderungen wie Bordsteinkanten, nicht-<br />
verfugte und ungleichmäßige Bodenbeläge oder auch vertikale Höhenunterschiede und damit ver-<br />
bunden Steigungen und Gefälle für steh- und gehbehinderte Menschen sein. Sensorische Behinde-<br />
rungen bei blinden und sehbehinderten sowie tauben und hörbehinderte Menschen müssen dage-<br />
gen durch akustische oder visuelle Informationen, welche die intakten Sinnesfunktionen ansprechen,<br />
4 Internetauftritt des Instituts für Baubetriebslehre der <strong>Universität</strong> Stuttgart, aufgerufen unter: http://www.ibl.unistuttgart.de/wiki/index.php/Barrierefreies_Bauen_im_%C3%B6ffentlichen_Raum,<br />
abgerufen am 08.04.2010.<br />
5 Vgl. Ebenda.<br />
6 Leidner, Rüdiger; Neumann, Peter; Rebstock, Markus (2006): Leben ohne Barrieren in Design für Alle und Barrierefreiheit<br />
als Herausforderung für Kommunen, EUROPA kommunal Heft 6/2006, S.204.<br />
9
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
ausgeglichen werden. 7 „Barrieren können jedoch auch Schutzfunktionen erfüllen. Dies könnte z.B. in<br />
Form einer Absturzsicherung vorliegen. Hierbei spricht man häufig von "positiven Barrieren".“ 8<br />
2.1.3.2 Ergänzung der Barrieredefinition durch mentale Belastung und Stress<br />
Der Begriff der „Barriere“ wird im Kontext der Arbeit um eine weitere Komponente ergänzt. Barrie-<br />
ren, je nach ihrem Stärkegrad, lösen beim betroffenen Menschen auch unterschiedlich starke menta-<br />
le Belastung aus; d.h. die Information beim Auftreffen und Begreifen einer Barriere löst ein mentales,<br />
sprich psychisches Signal im Kopf des Betroffenen aus, was automatisch zu Stress führt. Folgende<br />
Definitionen von Stress unterstreichen diese Aussage zusätzlich. Stress wird unter anderem durch<br />
„Situationen, in denen eine Diskrepanz zwischen den persönlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten<br />
und den Anforderungen von außen herrscht, z. B. in Bezug auf Qualifikation, Zeit und Energie, und<br />
Situationen, in denen man sich überfordert oder unzulänglich fühlt,“ 9 ausgelöst. Der Körper reagiert<br />
in diesem Zusammenhang dann mit Stressreaktionen wie beispielsweise Schweißbildung, Hauttem-<br />
peratur- und Pulsveränderung. 10<br />
Dies lässt den Schluss zu, dass eine kausale Wirkungskette zwischen mentalen und physischen Barrie-<br />
ren besteht. Das Auftreffen auf eine physische Barriere löst eine mentale Belastung aus, welche zu<br />
Stress führt. Dieser Stress ist als Hindernis in der städtischen Lebensqualität von Menschen mit Be-<br />
hinderung anzusehen.<br />
2.1.3.3 Physische und mentale Barrieren als verschiedene Betrachtungsebenen<br />
Physische Barrieren werden im planerischen Kontext durch bestimmte Regelwerke (DIN-Normen)<br />
definiert und von betroffenen Menschen erfahren. Mentale Barrieren dagegen sind nur durch die<br />
Wahrnehmung betroffener Menschen festzustellen und durch die Veränderung der Körperfunktio-<br />
nen zu messen. Im Planungsprozess kann diese Mischung beider Gesichtspunkte (Planung und<br />
Mensch) als Mischung des „Top-Down-Prinzips“ und „Bottom-Up-Prinzips“ angesehen werden.<br />
Die getroffenen Aussagen zur Ergänzung des Barrierebegriffs durch die Erfahrung mentaler Belastung<br />
und somit auch Stress ist ein Kernthema dieser Arbeit und wird in besonderem Maße untersucht<br />
werden. Es ist deshalb notwendig für die folgenden Kapitel diesem Aspekt weiter Rechnung zu tra-<br />
gen.<br />
7 Vgl. Leidner, Rüdiger; Neumann, Peter; Rebstock, Markus (2006): Leben ohne Barrieren in Design für Alle und Barrierefreiheit<br />
als Herausforderung für Kommunen, EUROPA kommunal Heft 6/2006, S.205.<br />
8 Internetauftritt des Instituts für Baubetriebslehre der <strong>Universität</strong> Stuttgart, http://www.ibl.unistuttgart.de/wiki/index.php/Barrierefreies_Bauen_im_%C3%B6ffentlichen_Raum,<br />
abgerufen am 08.04.2010.<br />
9 Internettauftritt zu Burnout und chronischer Erschöpfung, aufgerufen unter: http://www.burnouterschoepfung.com/burn-out/phasen/akute-stressbe-ueberlastung,<br />
abgerufen am 25.06.2010.<br />
10 Vgl. Internetauftritt des Zentrums für ambulante Medizin in VS-Schwenningen, aufgerufen unter:<br />
http://www.aerztehaus-vs.de/stressbelastungstest.html, abgerufen am 25.06.2010.<br />
10
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
2.1.4 Was ist Barrierefreiheit?<br />
Der Begriff der Barrierefreiheit ist vielseitig geprägt und durch seine Wichtigkeit in der heutigen Le-<br />
benswelt gesetzlich definiert:<br />
a) Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen § 4:<br />
„Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände,<br />
Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommuni-<br />
kationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in<br />
der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe<br />
zugänglich und nutzbar sind.“ 11<br />
b) DIN Fachbericht 124 - Leitsätze zur Gestaltung barrierefreier Produkte:<br />
„Die Eigenschaft eines Produktes, das von möglichst allen Menschen in jedem Alter mit unterschied-<br />
lichen Fähigkeiten weitgehend gleichberechtigt und ohne Assistenz bestimmungsgemäß benutzt<br />
werden kann. (Barrierefrei ist nicht allein mit hindernisfrei im physikalischen Sinne gleichzusetzen<br />
(siehe auch DIN 33942), sondern bedeutet auch zugänglich, erreichbar und nutzbar.)“ 12<br />
Die gesetzlichen Definitionen beinhalten nicht direkt den Aspekt der Verhinderung mentaler Belas-<br />
tung. Jedoch wird im indirekten Sinne der Stressvermeidung Rechnung getragen. Durch die Formulie-<br />
rungen „ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar<br />
sind“ *BGG §4+ oder „möglichst allen Menschen in jedem Alter mit unterschiedlichen Fähigkeiten“<br />
sowie „ohne Assistenz bestimmungsgemäß benutzt werden kann“ *beides DIN Fachbericht 124+ wirkt<br />
der Stressdefinition aus Kapitel 2.1.3.3 entgegen.<br />
2.1.5 Beeinträchtigungen in der Innenstadt aufgrund von Behinderungen<br />
Der Begriff der Behinderung wurde bisher als selbstverständlich verwendet. Jedoch ist es notwendig<br />
den Begriff im städtischen Kontext nochmals aufzunehmen und weiter zu erläutern.<br />
Die Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organisation) kennt definitionsgemäß drei<br />
verschiedene Begriffsbestimmungen und Interpretationen von Behinderung:<br />
1. Schädigung (impairment) = Jeder permanenter oder zeitlicher Verlust oder Abnormität der Funkti-<br />
onen oder Strukturen des Körpers in psychischer oder physiologischer Ausprägung. Eine Schädigung<br />
ist eine Störung, welche Funktionen des Körpers essentiell mental oder anatomisch angreift.<br />
11 Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen bzw. Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) der Bundesrepublik<br />
Deutschland §4, letzte Änderung durch: Art. 12 G vom 19. Dezember 2007<br />
(BGBl. I S. 3024, 3034).<br />
12 Deutsches Institut für Normung e.V. DIN (2002): DIN Fachbericht 124 - Gestaltung barrierefreier Produkte, Beuth-Verlag<br />
(Hrsg.), Berlin, Punkt 2.3.<br />
11
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
2. Beeinträchtigung (disability) = Gilt als Restriktion oder Unfähigkeit eine Aktivität durchzuführen,<br />
welche für nicht-beeinträchtigte Menschen problemlos möglich ist und in der Regel aus einer Schädi-<br />
gung resultiert.<br />
3. Behinderung (handicap) = Wird als körperliche oder mentale Benachteiligung einer Person, resul-<br />
tierend aus einer Schädigung oder Beeinträchtigung, gewertet. 13<br />
In diesem Sinne gibt es einige Faktoren, welche von einer Schädigung oder Beeinträchtigung zu einer<br />
Behinderung führen. Diese Faktoren werden <strong>zum</strong> einen vom Individuum selbst bestimmt. Hier zählen<br />
physische und psychische Disposition, die Art und Schwere der Beeinträchtigung, aber auch das ge-<br />
sellschaftliche und soziale Umfeld eine entscheidende Rolle. Letzteres gibt Aufschluss in welchem<br />
Maß eine Unterstützung und Hilfestellung geboten und von Nöten ist. 14<br />
Eine weitere Definition von Behinderung ist die sozialrechtliche Definition gemäß SGB IX § 2 Abs. 1<br />
Satz 1 und lautet wie folgt:<br />
„Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Ge-<br />
sundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typi-<br />
schen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie<br />
sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.“ 15<br />
Auch das Sozialgesetzbuch stellt einen Bezug zur Gesellschaft her. Damit wird deutlich, dass eine<br />
Behinderung, nebst den körperlichen und mentalen Merkmalen, auch eine soziale Komponenten,<br />
nämlich die der Ausgrenzung in der Gesellschaft, enthält.<br />
„Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung [auf die Teilhabe am Leben] werden durch den<br />
Grad der Behinderung (GdB) ausgedrückt, abgestuft nach Zehnergraden von 50 bis 100. Die Art der<br />
Behinderung wird anhand eines umfangreichen Kataloges von insgesamt 55 verschiedenen Behinde-<br />
rungen erfasst.“ 16<br />
Schwerbehinderte Menschen sind jene Personen, die einen Grad der Behinderung von 50 oder mehr<br />
besitzen und dieser von den Versorgungsämtern zuerkannt worden ist. 17<br />
Statistik zur Anzahl behinderter Menschen<br />
Aufgrund der Anzahl vieler unterschiedlicher Behinderungen gestaltet es sich sehr schwierig verläss-<br />
liche Zahlen über die Häufigkeit und die verschiedenen Ausprägungen von Behinderungen zu erhal-<br />
13<br />
Vgl. Barbotte, Eric; Guillemin, Francis; Chau, Nearkasen; The Lorhandicap Group (2001): Prevalence of impairments, disabilities,<br />
handicaps and quality of life in the general population: a review of recent literature, in: Bulletin of the World<br />
Health Organization, 2001, 79 (11), S. 1047. E-Paper: http://www.who.int/bulletin/archives/79%2811%291047.pdf, abgerufen<br />
am 13.07.2010.<br />
14<br />
Vgl. Mönch-Kalina, Sabine; Mahnke, Stephanie (2007): Behinderung – was ist das?, Hochschule Wismar, S.1. E-Paper:<br />
http://www.kita-portal-mv.de/documents/behinderung._begriff.1pdf.pdf, abgerufen am 13.07.2010.<br />
15<br />
Sozialgesetzbuch IX der Bundesrepublik Deutschland § 2 Abs. 1 Satz 1, letzte Änderung durch: Art. 2 G vom 30. Juli 2009<br />
(BGBl. I S. 2495).<br />
16<br />
Mönch-Kalina, Sabine; Mahnke, Stephanie (2007): Behinderung – was ist das?, Hochschule Wismar, S.3. E-Paper:<br />
http://www.kita-portal-mv.de/documents/behinderung._begriff.1pdf.pdf, abgerufen am 13.07.2010.<br />
17<br />
Vgl. Statistischen Bundesamt (Hrsg.) (2009): Sozialleistungen – Schwerbehinderte Menschen, in: Fachserie 13 Reihe 5.1,<br />
Wiesbaden, S. 5.<br />
12
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
ten. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine staatliche Meldepflicht für körperliche oder<br />
geistige Behinderung, da dies Privatsache ist. Daher sind Zahlen der Leistungsträger wie Krankenkas-<br />
sen und Rentenversicherungen sowie wissenschaftliche Untersuchungen einer Gesamterfassung<br />
dienlich. Letztere begrenzen sich jedoch in der Regel auf eine bestimmte Behinderungsform und eine<br />
bestimmte Untersuchungsregion. 18 „Ein anderes Problem liegt in der Art der objektiven Zuschrei-<br />
bung. Eine Kategorisierung unter dem Begriff „Gehbehinderung“ kann für den einzelnen eine höchst<br />
unterschiedliche Ausprägung der Beeinträchtigung bedeuten, von der problemlosen Bewältigung des<br />
Alltags bis zur vollständigen Immobilität.“ 19<br />
13<br />
Alter Jahr<br />
Alle Alters-<br />
gruppen<br />
Unter 18 Jah-<br />
re<br />
18 bis unter<br />
25 Jahre<br />
25 bis unter<br />
35 Jahre<br />
35 bis unter<br />
45 Jahre<br />
46 bis unter<br />
55 Jahre<br />
55 bis unter<br />
60 Jahre<br />
60 bis unter<br />
62 Jahre<br />
62 bis unter<br />
65 Jahre<br />
65 Jahre und<br />
älter<br />
1985 1993 2001 2003 2005 2007<br />
5.371.634 6.384.348 6.711.797 6.638.892 6.765.355 6.918.172<br />
117.353 144.869 164.901 164.456 161.555 160.145<br />
12.163 100.861 101.247 106.209 111.722 117.157<br />
192.559 275.719 227.247 210.406 200.061 200.510<br />
279.408 359.191 464.455 476.492 468.581 447.270<br />
712.432 735.750 734.219 770.516 794.660 826.264<br />
674.518 746.026 591.238 568.325 607.467 650.827<br />
352.528 307.771 390.301 319.984 282.040 286.327<br />
569.016 535.228 570.797 596.952 535.298 473.602<br />
2.348.595 3.178.933 3.467.392 3.425.552 3.603.971 3.756.070<br />
Tabelle 1: Schwerbehinderte Menschen mit Ausweis nach Altersgruppen. Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der<br />
Gesundheitsberichtserstattung des Bundes, www.gbe-bund.de, auf Datengrundlage des Statistischen Bundesamtes.<br />
Eine Möglichkeit eine annähernde Gesamtschau statistischer Daten zu ermöglichen, liefert das Statis-<br />
tische Bundesamt sowie die Gesundheitsberichterstattung des Bundes, welche ihre Veröffentlichun-<br />
18 Englisch, Andrea (2008): Barrierefreie Stadtplanung – Anforderungen, Gesetzesgrundlagen, Gestaltungsvorschläge, Leip-<br />
zig, S. 7.<br />
19 Ebenda, S.7.
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
gen auf Zahlen der Versorgungsämter stützt. 20 Dabei werden leicht behinderte und Schwerbehinder-<br />
te mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 erfasst.<br />
Das Statistische Bundesamt konstatiert <strong>zum</strong> 21. Dezember des Jahres 2007 ca. 6.9 Millionen schwer-<br />
behinderte Menschen, welche bei den Versorgungsämtern amtlich anerkannt sind (siehe Tabelle 1).<br />
Zu diesem Zeitpunkt ist dies ein Anteil von rund 8,4 % der Gesamtbevölkerung. 51,9 % der Betroffe-<br />
nen sind Männer. Zudem ist festzustellen, dass über drei Viertel des Personenkreises älter als 55<br />
Jahre sind. Dies ist ein erwartungsgemäßer Wert, der einer Fortschreitung im Alter eine immer grö-<br />
ßer werdende Zahl von Schwerbehinderten gegenüberstellt. Genauere Statistiken des Bundes geben<br />
derweil an, dass 28,4 % aller Schwerbehinderten 75 Jahre und älter sind, knapp die Hälfte, sprich 46,3<br />
%, bewegen sich in der Altersgruppe zwischen 55 und 75 Jahren. Der Anteil der unter 25-jährigen fiel<br />
mit 4,0 % dagegen gering aus. 21<br />
„Am Häufigsten litten schwerbehinderte Menschen unter körperlichen Behinderungen (64,3 %): Bei<br />
25,3 % der Personen waren hauptsächlich die inneren Organe bzw. Organsysteme betroffen. Bei 13,8<br />
% waren Arme und Beine in ihrer Funktion eingeschränkt, bei weiteren 12,6 % Wirbelsäule und<br />
Rumpf. In 5,0 % der Fälle lag Blindheit oder Sehbehinderung vor. 3,8 % litten unter Schwerhörigkeit,<br />
Gleichgewichts- oder Sprachstörungen.<br />
Auf geistige oder seelische Behinderungen entfielen zusammen 9,9% der Fälle, auf zerebrale Störun-<br />
gen 9,0 %. Bei den übrigen Personen (16,8 %) war die Art der schwersten Behinderung nicht ausge-<br />
wiesen.“ 22<br />
Diese insgesamt festzustellende steige Tendenz der Schwerbehindertenzahlen wird sich höchstwahr-<br />
scheinlich aufgrund des demographischen Wandels und der zunehmenden Überalterung der Men-<br />
schen weiter verfestigen. Die wachsende Gruppe der Seniorinnen und Senioren erfahren altersbe-<br />
dingt zunehmend körperliche Einschränkungen, welche sich auch in deren Mobilitätsverhalten nie-<br />
derschlagen. 23 Damit rückt das Thema Barrierefreiheit zukünftig immer weiter in den Fokus der Ge-<br />
sellschaft.<br />
Arten von Behinderung<br />
Anforderungen an die barrierefreie Stadtplanung und somit auch barrierefreies Bauen sind in Abhän-<br />
gigkeit der verschiedenen Arten von Behinderung zu identifizieren und zu bewerten. Zusätzlich wird<br />
darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Arten von Behinderung kumulativ wirken, sprich einer<br />
körperlichen Behinderung geht oftmals eine geistige Behinderung voraus.<br />
20<br />
Vgl. Internetauftritt der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, aufgerufen unter: http://www.gbebund.de/gbe10/hrecherche.prc_datenquellen?p_aid=92183231&p_uid=gast&p_sprache=D&p_knoten=STBA&tk=51310&tk<br />
2=51311&cnt_ut=1&ut=51311, abgerufen am 13.07.2010.<br />
21<br />
Vgl. Statistischen Bundesamt (2009): Sozialleistungen – Schwerbehinderte Menschen, in: Fachserie 13 Reihe 5.1, Wiesbaden,<br />
S. 7.<br />
22<br />
Statistischen Bundesamt (2009): Sozialleistungen – Schwerbehinderte Menschen, in: Fachserie 13 Reihe 5.1, Wiesbaden,<br />
S. 7.<br />
23<br />
Vgl. Haustein, Sonja; Stiewe, Mechthild (2010): Mobilitätsverhalten von Seniorinnen und Senioren – zur Entwicklung<br />
zielgruppenspezifischer Mobilitätsangebote, in: trends 1/10, ILS - Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung,<br />
Dortmund, S. 1. E-Paper: http://www.ils-forschung.de/down/trends_1_2010.pdf.<br />
14
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Aufgrund der vielen verschiedenen Arten von Behinderungen ist es erforderlich Hauptkategorien zu<br />
spezifizieren und deren Einschränkungen aufzuzeigen. Die betreffende Fachliteratur 24 setzt folgende<br />
Kategorisierungen ein:<br />
Geh- und Stehbehinderte (einschließlich Rollstuhlfahrer)<br />
Greifbehinderte<br />
Kleinwüchsige<br />
Blinde und Sehbehinderte<br />
Gehörlose und Hörbehinderte<br />
Geistig Behinderte<br />
Psychisch Behinderte<br />
Im weiteren Sinne werden planungsbezogen ebenfalls Senioren, Schwangere, Kinder, Kranke und<br />
Personen mit Kinderwagen oder Gepäck als Mobilitätseingeschränkte gezählt. 25<br />
Die genannten Hauptkategorien werden im Folgenden zielorientiert ausgewählt und analysiert. Der<br />
Fokus liegt hierbei auf Geh- und Stehbehinderte (einschließlich Rollstuhlfahrer), Blinde und Sehbe-<br />
hinderte sowie geistig Behinderte, welche zu ihrer kognitiven Einschränkung oftmals auch körperli-<br />
che Einschränkungen erfahren. Diese drei Gruppen spielen im innerstädtischen Kontext in Verbin-<br />
dung mit der späteren Analyse der Fußgängerzone von <strong>Kaiserslautern</strong> die größte Rolle.<br />
2.1.5.1 Geh- und stehbehinderte Menschen(einschließlich Rollstuhlfahrer)<br />
Die Gruppe der Gehbehinderten trifft im alltäglichen Leben im innerstädtischen Raum auf etliche<br />
Barrieren, da sie sich meistens nur mit Hilfsmittel fortbewegen können. Insbesondere das Bewältigen<br />
langer Wege, beispielweise durch die Innenstadt, bringt eine hohe körperliche und mentale Ermü-<br />
dung mit sich. Höhenunterschiede, gleich ob diese über Treppen oder Rampen zu bewältigen sind,<br />
stellen meist unüberwindliche Barrieren dar, auf welche baulich reagiert werden muss. Auch Boden-<br />
beläge müssen eben und zugleich griffig gestaltet sein, um ein leichtes Gehen zu ermöglichen. Geh-<br />
behinderte brauchen zur sicheren Fortbewegung deutlich mehr Raum als Nichtbehinderte. 26 Zusätz-<br />
lich ist die geringere Bewegungsgeschwindigkeit von Bedeutung. Sie können deshalb plötzlich auftre-<br />
tenden Gefahren oft nicht schnell genug ausweichen. „Dadurch kann die Verkehrssicherheit beein-<br />
24<br />
Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />
Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 7.<br />
und<br />
Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.)(2000): Bürgerfreundliche und behindertengerechte<br />
Gestaltung des Straßenraums: Ein Handbuch für Planer und Praktiker, in: „direkt“-Schriftenreihe Nr. 54_2000, Berlin, S. 11.<br />
25<br />
Vgl. Englisch, Andrea (2008): Barrierefreie Stadtplanung – Anforderungen, Gesetzesgrundlagen, Gestaltungsvorschläge,<br />
Leipzig, S. 9.<br />
26<br />
Vgl. Weidert, Jean-Luc (2000): Behindertengerechter öffentlicher Straßenraum unter besonderer Berücksichtigung Gehund<br />
Sehbehinderter, in: IVS-Schriften Band 8, TU Wien – Institut für Verkehrssystemplanung, Wien, S.11.<br />
15
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
trächtigt werden. Derartige Probleme entstehen besonders bei der Überquerung von Straßen. Au-<br />
ßerdem sind Gehbehinderte stark umwegempfindlich.“ 27<br />
Die Bezugsgruppe der Rollstuhlfahrer ist differenzierter anzusehen. Deren Schwierigkeiten und Ver-<br />
haltensweisen resultieren im Wesentlichen aus der Art der Behinderung und den unterschiedlichen<br />
Rollstuhltypen. 28 Diese Rollstuhltypen unterscheiden sich in ihren Antriebsarten:<br />
1. Greifreifenantrieb: Die an den großen Rädern seitlich angebrachten Greifreifen sind die häu-<br />
figste Antriebsart.<br />
2. Hebelantrieb: Mit Hilfe eines Hebels, welcher an den großen Rädern angebracht ist, wird<br />
mittels Armkraft die Fortbewegung gewährt.<br />
3. Elektroantrieb: Betroffene, welche keinen Greifreifen- oder Hebelantrieb mehr bedienen<br />
können, sind auf einen Elektroantrieb angewiesen, welcher mit einer elektrischen Steuerung<br />
für die Fahrtrichtung und Geschwindigkeit ausgestattet ist. Der Elektroantrieb ist oftmals<br />
auch das letzte Hilfsmittel für diejenige Behinderte, welche aufgrund zerebraler und geistiger<br />
Behinderung massive Funktionsstörungen des Körpers erlitten haben. 29<br />
Für Rollstuhlfahrer sind insbesondere Höhenunterschiede problematisch, da sie in der Regel nur mit<br />
Hilfe Dritter zu überwinden sind. Dies gilt auch für Rampen, da sich hier der Schwerpunkt des Roll-<br />
stuhlfahrers extrem nach hinten verlagert und er dadurch kaum in der Lage ist Anrampungen oder<br />
Steigungen selbständig zu bewältigen. Treppenstufen stellen für sie ein unüberwindliches Hindernis<br />
dar. Sie „haben auch häufig Schwierigkeiten, wichtige Bedienungsvorrichtungen, z.B. an Lichtsignal-<br />
anlagen, zu erreichen.“ 30<br />
Abbildung 2: Greifreifenantrieb (links), Hebelantrieb (mitte), Elektroantrieb (rechts). Quelle: Eigene Zusammenstellung. 31<br />
27<br />
Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />
Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 7.<br />
28<br />
Vgl. Ebenda S. 8.<br />
29<br />
Vgl. Stemshorn, Axel (1999): Bewegungshilfen, Rollstühle, in: Barrierefrei – Bauen für Behinderte und Betagte;<br />
Stemshorn, Axel (Hrsg.), Leinfelden-Echterdingen, S.64 f.<br />
30<br />
Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />
Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 8.<br />
31<br />
(links) Internetauftritt der Firma Home of care, aufgerufen unter:<br />
http://www.homeofcare.de/images/product_images/original_images/050085.jpg,<br />
(mitte) Internetauftritt der Firma Rotec, aufgerufen unter:<br />
16
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Stehbehinderte Menschen haben dagegen aufgrund von Rückenschmerzen die Erschwernis bei lan-<br />
gen Wartevorgängen, bspw. an Haltestellen oder dem Stehen in Verkehrsmitteln.<br />
Wird wiederum die Statistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2007 herangezogen, lassen<br />
sich bei den Schwerbehinderten ca. 26 % der Betroffenen ausmachen, welche dieser Kategorie der<br />
Geh- und Stehbehinderten entsprechen. Im Detail sind dies zu Ende 2007 13,8 % mit einer Funkti-<br />
onseinschränkung der Arme und Beine und 12,6 % der Wirbelsäule und Rumpf. 32<br />
2.1.5.2 Blinde und sehbehinderte Menschen<br />
Blinde und sehbehinderte Menschen unterscheiden sich im Grad des Sehrests. „Blinde Menschen<br />
haben keinen verwendbaren Sehrest.“ 33 Die fehlende visuelle Wahrnehmung bedarf ausreichend<br />
akustischen und taktilen Informationen und Signalen zur Orientierung. Dies wird in der Regel über<br />
Leitsysteme für blinde und sehbehinderte Menschen gewährleistet (siehe Kapitel 2.4.3.1 und<br />
2.4.3.2). Straßen können beispielsweise nur an Übergängen mit speziellen Signalanlagen überwun-<br />
den werden oder es bedarf Hilfe Dritter. Gefahrenobjekte und Hindernisse werden mit Hilfe des<br />
Langstocks ertastet und wahrgenommen. Es kann aber auch ein begleitender ausgebildeter Blinden-<br />
hund zur Seite gestellt werden.<br />
Abbildung 3: (links) Gebrauch eine Blindenlangstocks, (rechts) Blindenhund. Quelle: (links) Eigene Aufnahme, (rechts) Blin-<br />
denhund 34<br />
http://www.rotec-leipzig.de/standardrollstuehle_1_406_faltrollstuhl_mit_hebelantrieb.html,<br />
(rechts) Internetauftritt des Reha Team Neumarkt, aufgerufen unter:<br />
http://reha-team-neumarkt.de/nathus/fdserver/226/image_28320_3.jpg,<br />
alle abgerufen am 09.08.2010.<br />
32 Vgl. Statistischen Bundesamt (2009): Sozialleistungen – Schwerbehinderte Menschen, in: Fachserie 13 Reihe 5.1, Wiesba-<br />
den, S. 7.<br />
33 Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />
Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 8.<br />
34 (links) Eigene Aufnahme <strong>zum</strong> europaweiten Aktionstag für Menschen mit Behinderung am 05.05.2010. (rechts) Internetauftritt<br />
des schweizer Vereins für Blindenhunde und Mobilitätshilfen VBM, aufgerufen unter: http://www.blindenhund.ch/,<br />
abgerufen am 09.08.2010.<br />
17
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
Hochgradig sehbehinderte Menschen dagegen verfügen noch über einen gewissen Sehrest. Die Seh-<br />
schärfe beträgt zwischen 1/20 und 1/50 des normalen Sehvermögens. Orientierungsschwierigkeiten,<br />
niedrige Hindernisse, schlechte Ausleuchtungen und schwach markierte Gefahrenpunkte sind die<br />
alltäglichen Problemlagen, mit denen sehbehinderte Menschen kämpfen müssen. Aus diesem Grund<br />
sind sehbehinderte Menschen auf eine kontrastreiche Farbgebung und eine helle und blendfreie<br />
Ausleuchtung angewiesen. 35<br />
Beide Gruppen, welche zusammen im Jahre 2007 5,0 % aller Schwerbehinderten 36 ausmachten, sind<br />
in der Innenstadt zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Schlecht verfugte und unebene Bodenbeläge,<br />
unerwartete Treppen, Glaselemente im Verkehrsraum und unzählige weitere Hindernisse stellen ein<br />
großes Gefahrenpotenzial dar. 37<br />
2.1.5.3 Geistig behinderte Menschen<br />
Geistig behinderte Menschen sind in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt. Sie sind in ihrer<br />
Umwelt oft orientierungslos und können nur erschwert Gefahren im Straßenraum wahrnehmen. Eine<br />
selbstständige Lebensführung ist in den meisten Fällen nicht möglich und somit ist ihr tägliches Um-<br />
feld an einen engen Personenkreis gebunden. Innerhalb der Stadt- und Verkehrsplanung ist es Ziel,<br />
Gefahrenquellen wie sie beispielsweise im Straßenverkehr vorzufinden sind, zu beseitigen und In-<br />
formationen besser verständlich und sichtbar zu machen. 38<br />
2.1.5.4 Mobilitätseingeschränkte Menschen<br />
Der letzte Betrachtungsgegenstand ist die Bezugsgruppe der mobilitätseingeschränkten Menschen.<br />
Hierzu zählen Senioren, welche aufgrund „nachlassender Körperkraft und sensorischer Wahrneh-<br />
mung in ihrer Mobilität eingeschränkt“ 39 sind, aber auch Personen mit Kinderwagen und mit vorü-<br />
bergehender körperlicher Beeinträchtigung, welche in ihrer Bewegungsfähigkeit Restriktionen erfah-<br />
ren. Insbesondere die Gruppe der Senioren wird bedingt durch den demographischen Wandel wei-<br />
terhin zunehmen. Es gilt also auch und besonders auf deren Bedürfnisse zur Bewältigung des Alltags<br />
in der Stadt einzugehen und eine möglichst barrierefreie Umwelt zu schaffen<br />
2.1.6 Allgemeine Anforderungen und Raumbedarf behinderter und mobilitätseinge-<br />
schränkter Menschen<br />
Aus den Ansprüchen der unterschiedlichen vertieften Hauptkategorien der Menschen mit Behinde-<br />
rung ergeben sich differenzierte Ansprüche an den innerstädtischen Lebensraum, welcher mit dem<br />
35<br />
Vgl. Internetauftritt der Blindenschule Friedberg, aufgerufen unter: http://www.blindenschule-friedberg.de/lowvision/definition-und-fakten.html,<br />
abgerufen am 14.07.2010.<br />
36<br />
Vgl. Statistischen Bundesamt (2009): Sozialleistungen – Schwerbehinderte Menschen, in: Fachserie 13 Reihe 5.1, Wiesbaden,<br />
S. 7.<br />
37<br />
Vgl. Englisch, Andrea (2008): Barrierefreie Stadtplanung – Anforderungen, Gesetzesgrundlagen, Gestaltungsvorschläge,<br />
Leipzig, S. 10.<br />
38<br />
Vgl. Internetauftritt zu barrierefrei.de – das Portal für barrierefreies Bauen und Leben, aufgerufen unter:<br />
http://barrierefrei.de/information/Handicaps/Geistige_Behinderung.html, abgerufen am 15.07.2010.<br />
39<br />
Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />
Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 8 f.<br />
18
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
öffentlichen Raum gleichzusetzen ist. Der öffentliche Raum muss daher eine Ausstattung besitzen,<br />
die behinderten sowie mobilitätseingeschränkten Menschen trotz deren Funktionseinschränkung<br />
eine selbstständige Nutzbarkeit bietet. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass „eine Optimierung<br />
zugunsten einzelner Behindertengruppen zu vermeiden“ 40 ist. Entwurfselemente im Straßenraum<br />
sind von komplexer Natur und müssen den Ansprüchen der Allgemeinheit Rechnung tragen. Aus<br />
diesem Grund und den Aspekten der räumlich-baulichen und finanziellen Machbarkeiten, muss der<br />
öffentliche Raum nach Prinzipien gestaltet werden, welche der Allgemeinheit aber auch behinderten<br />
und mobilitätseingeschränkten Menschen genügen. Somit stellen sich in der Fachliteratur 41 folgende<br />
Anforderungen und Bedürfnisse behinderter Menschen an den innerstädtischen Lebensraum dar:<br />
19<br />
Wege in der Innenstadt müssen selbstständig bewältigbar sein, um elementare Lebensbe-<br />
dürfnisse, wie Einkaufen, Erholen und Verwaltungsaufgaben erledigen zu können.<br />
Informationen müssen klar und verständlich präsentiert werden und leicht auffindbar sein.<br />
Öffentliche Verkehrsmittel müssen selbstständig benutzt werden können.<br />
Ein gefahrenloses und angstfreies Aufhalten im Straßenraum muss gewährleistet werden.<br />
Diese Anforderungen und Bedürfnisse müssen ein Anliegen der Stadtplanung sein, um eine inner-<br />
städtische Lebenswelt zu schaffen, welche allen Ansprüchen Rechnung trägt.<br />
2.2 Der Demographische Wandel und seine Folgen in der aktuellen Dis-<br />
kussion zur Barrierefreiheit<br />
Nach der inhaltlichen Bestimmung der wichtigen Begriffsdefinitionen zu stadträumlichen Barrieren<br />
für behinderte und bewegungseingeschränkte Menschen, wird sich nun dem demographischen<br />
Wandel und seine Folgen gewidmet. Das vorhergegangene Thema hat bereits beschrieben, welche<br />
Barrieren es gibt, wie viele Menschen davon betroffen sind, was es für Arten von Behinderung gibt<br />
und letztendlich welche allgemeine Anforderungen und Raumbedarf behinderter und mobilitätsein-<br />
geschränkter Menschen abzuleiten sind.<br />
Im weiteren Verlauf werden aktuelle gesellschaftliche Rahmenbedingungen und politische Diskussio-<br />
nen zielführend auf die bestehende Problematik von Barrieren im Innenstadtraum, genauer in der<br />
Fußgängerzone, rückgeführt. Der Behindertenbericht der Bundesregierung 2009 nimmt hierbei eine<br />
wichtige Schlüsselstellung zwischen allgemeinen Rahmenbedingungen und dem späteren Geltungs-<br />
bereich ein und wird dementsprechend ausgeführt beschrieben. Das Thema wird den rechtlichen<br />
Vorgaben zur Barrierefreiheit vorgezogen, da die nun genannten Inhalte sich in aktuellen Gesetzen<br />
niedergeschlagen haben. Hierzu gilt es nun die theoretischen Grundlagen zu bilden.<br />
40<br />
Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />
Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 10.<br />
41<br />
Vgl. Ebenda, S.10 f.<br />
und<br />
Vgl. Stemshorn, Axel (1999): Bewegungshilfen, Rollstühle, in: Barrierefrei – Bauen für Behinderte und Betagte; Stemshorn,<br />
Axel (Hrsg.), Leinfelden-Echterdingen, S.23 ff.
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
2.2.1 Der Demographische Wandel in Deutschland<br />
Der demographische Wandel ist ein durchaus allgegenwärtiges Thema, welches die Politik auf natio-<br />
naler Ebene in den letzten Jahren prägt. Er beschreibt die absehbaren Auswirkungen einer sich ver-<br />
ändernden Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und die damit verbundene Veränderung der<br />
Altersstruktur. „Insbesondere das stabil niedrige Geburtenniveau und die ansteigende Lebenserwar-<br />
tung der Menschen führen zur Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung. Der aktuelle Altersauf-<br />
bau mit einem hohen Anteil der Menschen im mittleren Alter verschärft diese Entwicklung in<br />
Deutschland zusätzlich.“ 42<br />
Geburtenrückgang, Alterung und schrumpfende Bevölkerung charakterisieren die Hauptfaktoren des<br />
demographischen Wandels.<br />
Der Geburtenrückgang ist mit einigen Trends der heutigen Zeit verbunden. Zum einen werden Frau-<br />
en immer später Mutter. Dies hängt unter anderem mit der Entwicklung des längeren Bildungswegs<br />
zusammen, welchen immer mehr Frauen einschlagen, um auf eine gleichberechtigte Karriereleiter<br />
wie der Mann zu gelangen. Eine weitere Rolle spielen soziale Zusammenhänge und die Aussicht des<br />
Erhalts eines bestimmten Lebensniveaus, welche durch die Geburt eines Kindes gestört werden<br />
könnte. Der zweite entscheidende Faktor ist der allgemeine Rückgang potenzieller Mütter bei einer<br />
geringen Fertilitätsrate von 1,4 Kindern je Frau. Diese Rate, auch Geburtenziffer genannt, reicht<br />
nicht aus langfristig eine Bevölkerung stabil zu halten. 43<br />
Die Alterung, genauer die zukünftige Überalterung, der Bevölkerung hängt dabei von einer gestiege-<br />
nen Lebenserwartung ab, welche bedingt durch den medizinischen Fortschritt, die letzten Jahrzehnte<br />
deutlich zugenommen hat. Zum anderen erfolgt eine Überalterung der Bevölkerung durch einen<br />
stark wachsenden Anteil alter Menschen an der Gesamtbevölkerung. Dies hängt wiederum mit dem<br />
Rückgang der Geburtenziffer zusammen. 44<br />
Damit stehen die Signale auf eine zukünftig schrumpfende Bevölkerung (vgl. Bevölkerungspyramiden<br />
Abb. 4). In welchem Ausmaß die Bevölkerung schrumpft ist neben dem Geburtenrückgang und der<br />
Alterung von Wanderungssaldo in und aus der Bundesrepublik abhängig. Deutschland ist auf eine<br />
konstant hohe Zahl in den hunderttausender Bereichen von Einwanderern angewiesen, um die Be-<br />
völkerungsschrumpfung insgesamt zu verlangsamen. 45<br />
42 Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes destatis, Pressemitteilung zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis<br />
2060 (12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2009), aufgerufen unter:<br />
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/Bevoelkerung/Statement__Egeler<br />
__PDF,property=file.pdf, S. 1, abgerufen am 03.08.2010.<br />
43 Vgl. Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes destatis, Pressemitteilung zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland<br />
bis 2060 (12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2009), aufgerufen unter:<br />
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/Bevoelkerung/Statement__Egeler<br />
__PDF,property=file.pdf, S. 2, abgerufen am 03.08.2010.<br />
44 Vgl. Ebenda S. 3 f.<br />
45 Vgl. Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes destatis, Pressemitteilung zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland<br />
bis 2060 (12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2009), aufgerufen unter:<br />
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/Bevoelkerung/Statement__Egeler<br />
__PDF,property=file.pdf, S. 4 ff., abgerufen am 03.08.2010.<br />
20
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
In der Abbildung 4 beschreiben die Jahre 1950 und 1990 den Ist-Zustand. Die Jahre 2010 und 2060<br />
sind nach der 12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung aus dem Jahre 2009 anhand folgen-<br />
der Kriterien prognostiziert:<br />
Variante 1 – W 1:<br />
Geburtenhäufigkeit annähernd konstant bei 1,4 Kindern je Frau<br />
Lebenserwartung Neugeborener im Jahr 2060:<br />
21<br />
o 85,0 Jahre für Jungen<br />
o 89,2 Jahre für Mädchen<br />
Jährlicher Wanderungssaldo + 100 000 Personen 46<br />
Abbildung 4: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland nach der 12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2009.<br />
Quelle: Internetauftritt des Statistischen Bundesamts destatis, aufgerufen unter<br />
http://www.destatis.de/bevoelkerungspyramide/, aufgerufen am 03.08.2010.<br />
Die Bevölkerung ist im Jahr 2008 zu 19% aus Kindern und jungen Menschen unter 20 Jahren, zu 61%<br />
aus 20- bis unter 65-Jährigen und zu 20% aus 65-jährigen und Älteren zusammengesetzt. Durch die<br />
Bevölkerungsvorausberechnung ist ablesbar, dass sich in den nächsten Jahrzehnten der Anteil der 65-<br />
Jährigen und Älteren drastisch verstärken wird. Das statistische Bundesamt prognostiziert bereits für<br />
46 Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes destatis, aufgerufen unter:<br />
http://www.destatis.de/bevoelkerungspyramide/, abgerufen am 03.08.2010.
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
das 2030 etwa 29 % dieser Altersgruppe. 2060 ist dieser Anteil unter aufgezeigten Kriterien bereits<br />
auf 34% angestiegen.<br />
Jedoch ist insbesondere die Zahl der Hochbetagten zu fokussieren, da diese im Kontext der Arbeit<br />
ebenfalls eine große Rolle spielen und in die Gruppe der Mobilitätseingeschränkten fallen (siehe Ka-<br />
pitel 2.1.5.4). Im Jahr 2008 sind etwa vier Millionen 80-jährige und Ältere zu konstatieren. Nach der<br />
Logik des demographischen Wandels steigt diese Zahl kontinuierlich an und findet sich in einem Be-<br />
reich zwischen neun und zehn Millionen hochbetagten Menschen im Jahr 2060 wieder. Das sind<br />
letztendlich 14% der Gesamtbevölkerung, sprich jeder siebente ist 80 Jahre und älter. Im Umkehr-<br />
schluss präzisiert sich die Zahl der 20-jährigen und jünger 2060 auf etwa 16% der Bevölkerung (Vgl.<br />
4). 47 Dieser Sachverhalt lässt die Schlussfolgerung zu, dass sich die Überalterung der Bevölkerung<br />
auch nach 2060 faktisch weiter verstärkt, wenn bis dahin nicht erfolgreich Maßnahmen zu einer<br />
Verjüngerung der Gesellschaft gefunden werden.<br />
Abbildung 5: Bevölkerung nach Altersgruppen in Deutschland. Quelle: Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes<br />
destatis, Pressemitteilung zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis 2060 (12. Koordinierten Bevölkerungsvorausbe-<br />
rechnung 2009), aufgerufen unter:<br />
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/Bevoelkerung/Statement__Egeler<br />
__PDF,property=file.pdf, S. 10, abgerufen am 03.08.2010., abgerufen am 03.08.2010.<br />
In Anbetracht dieser Umstände nimmt die Schaffung von Barrierefreiheit in jederlei Kontext eine<br />
unumstritten wichtige Rolle ein. Nach dem Nachhaltigkeitsgrundsatz ist es notwendig bereits jetzt<br />
auf die vorherrschenden Bedürfnisse der Menschen zu reagieren und für die Zukunft Grundlagen zu<br />
schaffen. Dies bedeutet im übertragenen Sinne, dass bereits heute Barrierefreiheit geschaffen wer-<br />
den muss, um auch zukünftigen Generation und der drohenden massiven Überalterung gerecht zu<br />
werden. Das Thema der Barrierefreiheit ist somit nicht mehr trivial, sondern rückt konsequent und<br />
unmittelbar in den Fokus der politischen Diskussion in Deutschland.<br />
47 Vgl. Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes destatis, Pressemitteilung zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland<br />
bis 2060 (12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2009), aufgerufen unter:<br />
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/Bevoelkerung/Statement__Egeler<br />
__PDF,property=file.pdf, S. 10, abgerufen am 03.08.2010.<br />
22
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
2.2.2 Politische Diskussion zur Barrierefreiheit<br />
Die Gesellschaft ist in struktureller Hinsicht, bedingt durch den demographischen Wandel und der<br />
Schaffung sozialer Integration und Gleichheit aller Bevölkerungsgruppen, einem gravierenden Wan-<br />
del unterzogen.<br />
Es kristallisieren sich neue Anforderungen an die Gestaltung der unbebauten und bebauten Umwelt<br />
im Lebensraum des Menschen heraus. Diese ergeben sich insbesondere durch die Alterung der Ge-<br />
sellschaft und die stetige Verankerung der Barrierefreiheit in der Gesetzgebung, wie die Gleichstel-<br />
lungsgesetze der Bundesländer, welche aus dem Bundesgleichstellungsgesetz von 2002 resultierten,<br />
aber auch die UN-Behindertenkonvention aus dem Jahre 2009, die weitere Impulse zur Verfestigung<br />
der Barrierefreiheit gibt. Es gilt eine verstärkte Teilhabe benachteiligter Bevölkerungsgruppen an der<br />
Lebenswelt zu gewährleisten. Hierunter fallen in großem Maße behinderte und mobilitätseinge-<br />
schränkte Menschen. Im Jahre 2008 wird bereits von einem Anteil von etwa 20 % mobilitätseinge-<br />
schränkter Personen an der Gesamtbevölkerung ausgegangen. 48 Es darf auch hierbei davon gespro-<br />
chen werden, dass wie in der Fachliteratur beschrieben (siehe Kapitel 2.1.5.4), unter die Gruppe der<br />
mobilitätseingeschränkten Personen neben natürlicherweise der Hauptgruppe der Leicht- und<br />
Schwerbehinderte, auch Senioren, Kranke, Kinder, Schwangere und Personen mit Kinderwagen fal-<br />
len.<br />
„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“<br />
(Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Art. 3 Satz 2)<br />
Die deutsche Bundesregierung unterstreicht den hohen Stellenwert der Grundrechtsaussage und<br />
führt sie weiter aus: „Gleichbehandlung und die Förderung von Chancengleichheit als eine Voraus-<br />
setzung für Selbstbestimmung und Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen<br />
stehen *…+ im Zentrum der Behindertenpolitik der Bundesregierung.“ 49<br />
2.2.3 Behindertenbericht der Bundesregierung 2009<br />
Aus gegebenem Anlass veröffentlicht die Bundesregierung seit dem Jahr 2004 regelmäßig einen Be-<br />
hindertenbericht über die Lage von Menschen mit Behinderung. Der aktuelle Bericht unter dem Slo-<br />
gan „Füreinander Chancen schaffen. Für ein lebenswertes Land“ stammt aus Jahr 2009 und zieht<br />
Bilanz über die Behindertenpolitik der Bundesregierung in der 16. Legislaturperiode. Dieser Slogan<br />
gibt bereits Aufschluss über die einschlägige Zielrichtung der Behindertenpolitik in Deutschland. Im<br />
Bericht wird die Lage von Menschen mit Behinderungen und die Entwicklung ihrer Teilhabe am Le-<br />
ben in der Gesellschaft umfassend dargestellt. Der Bericht behandelt neben den Oberthemen<br />
Gleichbehandlung, Bildung, Beschäftigung und Leistungen auch das Schwerpunktthema Barrierefrei-<br />
heit. Er zeigt zudem die Erfolge der vergangenen Legislaturperiode auf und beschreibt zukünftige<br />
48 Vgl. Stadtentwicklungsbericht der Bundesregierung 2008: Neue urbane Lebens- und Handlungsräume, Berlin, S. 114. E-<br />
Paper: http://www.bmvbs.de/Anlage/original_1075468/Stadtentwicklungs-bericht-der-Bundesregierung-2008.pdf.<br />
49 Internetauftritt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Politik für behinderte Menschen, aufgerufen unter:<br />
http://www.bmas.de/portal/10796/sgb__ix.html, abgerufen am: 17.07.2010.<br />
23
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
Herausforderungen für die Politik für behinderte Menschen. Der Behindertenbericht konstatiert<br />
Fortschritte bei der Barrierefreiheit. Er spricht von einer Schärfung des Bewusstseins der Allgemein-<br />
heit und der Entscheidungsträger für das Thema Behinderung und Barrierefreiheit. „Es setzt sich zu-<br />
nehmend die Erkenntnis durch, dass eine barrierefreie Umwelt allen Bevölkerungsgruppen Vorteile<br />
verschafft. Bund, Länder und Kommunen unternehmen große Anstrengungen um den öffentlichen<br />
Raum für behinderte Menschen barrierefrei zu gestalten.“ 50<br />
Was bedeutet dies nun für den Bereich des barrierefreien Bauens im innerstädtischen Lebensraum?<br />
Die Schaffung einer umfassenden Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen ist ein sukzessives Vorge-<br />
hen. Die wichtigste Komponente hierbei ist die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsat-<br />
zes, d.h. getroffene Maßnahmen müssen angemessen sein und nach ihren Vor- und Nachteilen ab-<br />
gewogen werden. Eine Bevorzugung einer Bevölkerungsgruppe darf nicht zu einer außerverhältnis-<br />
mäßigen Belastung einer anderen führen. Bestehende Infrastruktureinrichtungen und Anlagen sind<br />
für eine lange Lebensdauer ausgerichtet. Aus diesem Grund haben viele dieser Einrichtungen und<br />
Anlagen Nachholbedarf in ihrer barrierefreien Ausgestaltung. Diese müssen ebenfalls so gestaltet<br />
werden, dass Menschen mit Behinderung in der Lage sind sie ohne besondere Erschwernis und<br />
grundsätzlich ohne fremde Hilfe nutzen zu können.<br />
Es stellt sich somit die Aufgabe Architekten und Planer sowie Vertreter der Medien, Politik und der<br />
Wirtschaft für das Thema der Barrierefreiheit einen Sensibilisierungsprozess anzustoßen. 51 Barrieref-<br />
reiheit gereicht allen Menschen <strong>zum</strong> Vorteil und wird fortwährend auch politisch als wichtiger wei-<br />
cher Standortfaktor für Städte, Unternehmen, Institutionen sowie im Bereich der städtischen Mobili-<br />
tät und Tourismus wahrgenommen. 52 , 53<br />
Zudem wird festgestellt, dass ein Wachstum des gesellschaftlichen Bewusstseins für das Thema der<br />
Barrierefreiheit mit all seinen Facetten in menschlichen Lebensbereichen seit Einführung des Bun-<br />
desgleichstellungsgesetzes spürbar zu verzeichnen ist. „Angesichts einer immer älter werdenden<br />
Bevölkerung gewinnen barrierefrei gestaltete Lebensbereiche an Bedeutung.“ 54 Nicht nur das gesell-<br />
schaftlich Bewusstsein wird gestärkt, sondern auch allzu wirtschaftliche Aspekte, welche durch die<br />
Barrierefreiheit in gebauten und gestalteten Lebensbereichen erreicht werden. So ist die bauliche<br />
50 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.)(2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über die<br />
Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 14. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
51 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung<br />
über die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 87. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
52 Vgl. Internetauftritt der Fürst Donnersmarck-Stiftung, aufgerufen unter:<br />
http://www.fdst.de/aktuellesundpresse/aktuell/archiv/archiv2006/barrierefreiesrheinsberg/, abgerufen am 17.07.2010.<br />
53 Vgl. Internetauftritt der Freien demokratischen Partei Hamburg, aufgerufen unter: http://www.fdphh.de/documents/beschluesse/LV-002-Barrierefreiheit.pdf,<br />
S.1, abgerufen am 19.07.2010.<br />
54 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />
die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 87. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
24
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Barrierefreiheit zu einem Qualitätsmerkmal geworden, „das die Werthaltigkeit von Gebäuden sichert<br />
und bei Bau- und Kaufentscheidungen immer häufiger berücksichtigt wird.“ 55<br />
Der Behindertenbericht der Bundesregierung aus dem Jahre 2009 erläutert nochmals den Inhalt des<br />
Instruments der Zielvereinbarung, welche aus dem Bundesgleichstellungsgesetz BGG abgeleitet wird<br />
und geht im Besonderen auf die Bereiche „Verkehr und Mobilität“, „Barrierefreies Bauen“ und<br />
„Maßnahmen im Bereich der Städtebauförderung“ ein. Die genannten Themenbereiche weisen kon-<br />
krete Berührungspunkte der späteren Untersuchungen und deren Ergebnisse auf.<br />
2.2.3.1 Zielvereinbarungen<br />
Zur Verwirklichung der Barrierefreiheit über gesetzlich geregelte Grenzen hinaus, wurde mit dem<br />
Behindertengleichstellungsgesetz das Instrument der Zielvereinbarung eingeführt. Diese Zielverein-<br />
barungen schaffen in ihrer Pluralität die Grundlage zur Verhandlung von konkreten Maßnahmen zur<br />
Herstellung von Barrierefreiheit zwischen anerkannten Verbänden behinderter Menschen und Un-<br />
ternehmen sowie Unternehmensverbänden. Unter anerkannte Verbände fallen beispielsweise der<br />
Sozialverband VdK Deutschland 56 , der Allgemeiner Behindertenverband in Deutschland e.V. 57 sowie<br />
der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. 58 . Durch die Unterstützung<br />
der Zielvereinbarungen wird die Chance offeriert, flexible und angepasste Lösungen rund um die<br />
unterschiedlichen Themenbereiche der Barrierefreiheit zu bewerkstelligen. „Sie können von der bar-<br />
rierefreien Gestaltung einzelner Einrichtungen über die Entwicklung barrierefreier Produkte und<br />
Dienstleistungen bis hin zur Gestaltung eines barrierefreien Webauftritts reichen.“ 59<br />
Nun stellt sich die Frage, wer diese Zielvereinbarungen nach dem Behindertengleichstellungsgesetz<br />
aufstellt und festhält. Eigens hierzu haben die Verbände behinderter Menschen, das Bundesministe-<br />
rium für Arbeit und Soziales und die Beauftragten gemeinsam konzeptionell ein entsprechendes<br />
Kompetenzzentrum auf Bundesebene entwickelt. Aus diesem Konzept ergeht im Dezember 2008 die<br />
Gründung des Vereins „Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit – Der Verein der Behindertenver-<br />
bände zur Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes“ mit eigenem Webauftritt. 60 Das Ziel<br />
des Kompetenzzentrums liegt in der Unterstützung von Verbänden, Unternehmen und weiteren Ak-<br />
teure in organisatorischer, fachlicher und juristischer Hinsicht zur Erarbeitung konkreter Lösungen<br />
55<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />
die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 87. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
56<br />
Vgl. Internetauftritt des Sozialverband VdK Deutschland, aufgerufen unter: http://www.vdk.de/cgibin/cms.cgi?ID=de2&SID=iR1dspoZL4rYB9h1ahFLCT2Sry5eJa,<br />
aufgerufen am 19.07.2010.<br />
57<br />
Vgl. Internetauftritt des Allgemeinen Behindertenverband in Deutschland, abgerufen unter: http://www.abidev.de/cms/wm-cms,113.html,<br />
aufgerufen am 19.07.2010.<br />
58<br />
Vgl. Internetauftritt des Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V., aufgerufen unter:<br />
http://www.bvkm.de/0-10/start,index.html, abgerufen am 19.07.2010.<br />
59<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />
die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 88. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
60<br />
Vgl. Internetauftritt des Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit, aufgerufen unter: http://www.barrierefreiheit.de/,<br />
abgerufen am 19.07.2010.<br />
25
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
und Maßnahmen für die Gestaltung einer barrierefreien Lebenswelt. Diese Lösungen werden dann<br />
in Zielvereinbarungen nach dem Behindertengleichstellungsgesetz festgehalten. 61<br />
2.2.3.2 Verkehr und Mobilität<br />
Insbesondere für behinderte und mobilitätseingeschränkte Menschen ist die Barrierefreiheit im<br />
Themenbereich Verkehr eminent. Ohne eine barrierefreie Gestaltung von Verkehrsanlagen und –<br />
Produkten wäre eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe dieser Personengruppen am<br />
gesellschaftlichen Leben kaum möglich. Nur durch das problem- und stresslose Erreichen aller lokali-<br />
sierten Lebensbereiche in der Stadt und außerhalb kann diese Teilhabe gewährleistet werden. Des-<br />
halb kommt dem Bereich Verkehr und Mobilität eine sehr hohe Bedeutung zu und hat oberste Priori-<br />
tät. Weitere barrierefreie Einrichtungen und bauliche Anlagen machen nur Sinn, wenn sie erreicht<br />
und genutzt werden können.<br />
Kontextverbunden vertritt die Bundesregierung einen umfassenden Ansatz zur Herstellung von Bar-<br />
rierefreiheit im öffentlichen Personennah- und –Fernverkehr: „Ziel ist es, nicht nur räumliche Barrie-<br />
ren bei baulichen Anlagen und Fahrzeugen abzubauen bzw. zu vermeiden, sondern Mobilität im All-<br />
tag möglichst weitreichend zu gewährleisten.“ 62<br />
Im Klartext heißt dies, dass überwiegend Belange sinnesbehinderter, aber auch geistig behinderter<br />
Menschen <strong>zum</strong> Hauptaugenmerk werden. Die Planung ist hier verantwortlich, verstärkt auf Kontras-<br />
tierungen in Gebäuden und Verkehrsmitteln zur Unterstützung behinderter Menschen zu achten.<br />
Zudem helfen deutliche Fahrinformationen und Leitsysteme eine selbstständige Teilhabe zu etablie-<br />
ren.<br />
Das Konzept der Leitsysteme hat nicht nur innerhalb von Infrastruktureinrichtungen von Verkehrs-<br />
trägern einen hohen Stellwert, sondern auch in der unbebauten und bebauten Stadtumwelt. Hierun-<br />
ter fallen bodenorientierte Leitsysteme wie beispielsweise das sogenannte „Leitsystem nach Ritter“,<br />
welches den Gehweg und Fußboden sinnvoll nach Lauf-, Respekt- und Hinweiszonen einteilt und<br />
diese für blinde Menschen mit unterschiedlich ertastbaren Bodenbelägen ausstattet. 63 Zudem be-<br />
dient sich die Stadt- und Verkehrsplanung urbanen Orientierungssystemen. Diese Systeme sind struk-<br />
turbehaftet und weisen Orientierungspunkte und –sektoren, sowie Übergabebereiche aus, die durch<br />
prägnante Orte und Stadtgefüge charakterisiert werden. 64<br />
Im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs ÖPNV liegt die Zuständigkeit für Planung, Organi-<br />
sation und Finanzierung in Händen der Länder und Kommunen. Nach der Föderalismusreform im<br />
Jahre 2006 ist auch der Bund mittels verschiedener Finanzierungsinstrumenten zur Förderung des<br />
61 Vgl. Internetauftritt des Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit, aufgerufen unter:<br />
http://www.barrierefreiheit.de/zielvereinbarungen.html, abgerufen am: 19.07.2010.<br />
62 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />
die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 89. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
63 Vgl. Metlitzky, Nadine; Engelhardt, Lutz: Barrierefrei Städte bauen – Orientierungssysteme im öffentlich Raum, Fraunho-<br />
fer IRB Verlag, Stuttgart, S. 51 f.<br />
64 Vgl. Ebenda, S. 19 ff.<br />
26
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
ÖPNV erheblich involviert. Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) des Bundes gewährt<br />
beispielsweise nur Finanzhilfen für ein bestimmtes Vorhaben, welches die<br />
„Belange behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung berücksichtigt und den<br />
Anforderungen der Barrierefreiheit möglichst weitreichend entspricht. Bei der Vorhabenplanung sind<br />
die zuständigen Behindertenbeauftragten oder Behindertenbeiräte anzuhören. Verfügt eine Gebiets-<br />
körperschaft nicht über Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte sind stattdessen die ent-<br />
sprechenden Verbände im Sinne des § 5 des Behindertengleichstellungsgesetzes anzuhören.“ 65<br />
Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz setzt also eine Einbindung von zuständigen Behinderten-<br />
beauftragten oder Behindertenbeiräte voraus und sorgt somit für eine intelligente Kommunikation<br />
zwischen Projektplanern und Betroffenen.<br />
Maßgebliches Instrument zur Verwirklichung von Aspekten der Barrierefreiheit ist der Nahverkehrs-<br />
plan, dessen Verantwortlichkeit im Rahmen der örtliche Aufgabenträger liegt. Die Aufstellung des<br />
Nahverkehrsplans regeln die jeweiligen Bundesländer. Durch die Änderung des Personenbeförde-<br />
rungsgesetzes im Jahre 2002 ist den Belangen behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbe-<br />
einträchtigungen besondere Beachtung zu schenken. 66 Dies gilt insbesondere bei der Genehmigung<br />
von Straßenbahn- und Buslinien.<br />
Gleich wie im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz des Bundes § 3 Abs. 1 Punkt d zu vernehmen<br />
ist, sind auch bei der Aufstellung der Nahverkehrspläne Behindertenbeauftragte oder Behinderten-<br />
beiräte anzuhören. Deren Stellungnahmen müssen im Planungsprozess nachvollziehbar und inhalt-<br />
lich abgewägt werden. Somit gehen die Ergebnisse der Anhörung in den Willensbildungs- und Ent-<br />
scheidungsprozess mit ein, um die Belange behinderter und mobilitätseingeschränkter Menschen<br />
adäquat zu berücksichtigen. 67<br />
Ein weiterer Erfolg in der 16. Legislaturperiode ist das Projekt „Barrierefreiheit im öffentlichen Ver-<br />
kehrsraum für seh- und hörgeschädigte Menschen“ innerhalb des Forschungsprogramms „Stadtver-<br />
kehr“ initiiert durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, welches im Jahre<br />
2008 seinen Abschluss gefunden hat. Hierin sind Empfehlungen an eine Unmenge von Akteuren, wie<br />
beispielsweise die Bauverwaltungen der Länder, Bauämter in Städten, Kreisen und Gemeinden, Pla-<br />
nungs- und Ingenieurbüros, Behindertenbeiräte und –organisationen, enthalten, welche konkrete<br />
Anregungen und Konzeptvorschläge für die barrierefreie Ausgestaltung des Verkehrsraums geben. 68<br />
65<br />
Gemeindefinanzierungsgesetz des Bundes § 3 Abs. 1 Punkt d, zuletzt geändert durch Artikel 4 G. v. 22.12.2008 (BGBl. I S.<br />
2986).<br />
66<br />
Vgl. Personenbeförderungsgesetz § 8 Abs. 3, letzte Änderung durch: BVerfGE vom 8. Dezember 2009– 2 BvR 758/07 –<br />
(BGBl. 2010 I S. 68).<br />
67<br />
Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung<br />
über die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 92. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf<br />
68<br />
Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2008): Hinweise: Barrierefreiheit im öffentlichen<br />
Verkehrsraum für seh- und hörgeschädigte Menschen, in „direkt“ - Schriftenreihe 64/2008, Berlin, S.23.<br />
27
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
Ein wichtiger Impulsgeber zur Zielerreichung des Integrationsgefühls der Betroffenen ist die unent-<br />
geltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im ÖPNV, die so bezeichnete Freifahrt, welche<br />
ihren Rechtsanspruch im Sozialgesetzbuch IX in §145 wiederfindet. Schwerbehinderte Menschen,<br />
welche folgende Merkzeichen aufweisen, dürfen den ÖPNV unentgeltlich nutzen:<br />
Merkzeichen „G“: Erhebliche Beeinträchtigung in der Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr.<br />
Merkzeichen „aG“: Außergewöhnlich gehbehindert.<br />
Merkzeichen „H“: Hilflos.<br />
Merkzeichen „BI“: Blind.<br />
Merkzeichen „GI“: Gehörlos. 69<br />
„Die Kosten dieser Leistung tragen Bund und Länder (in 2007 rund 440 Mio. Euro).“ 70<br />
Für den Straßenverkehr gilt, dass die Belange behinderter Menschen innerhalb diverser technischer<br />
Regelwerke verinhaltlicht sind. So fallen unter diese Regelwerke neben „Richtlinien für die Anlage<br />
von Stadtstraßen“ (RASt 06) die „Richtlinien für Lichtsignalanlagen“ (RiLSA 1992).<br />
Innerhalb der RASt 06 sind Planungsgrundlagen für die barrierefreie Gestaltung des Straßenraums<br />
enthalten. „Planungshinweise der RASt zur Barrierefreiheit beziehen sich auf Grundmaßen für Ver-<br />
kehrsräume des Fußgängerverkehrs, auf Parkflächen im Straßenraum, auf die Ausgestaltung von<br />
Haltestellen des Öffentlichen Personennahverkehrs und auf Anlagen von hindernisfreien, taktil und<br />
optisch wahrnehmbaren Gehwegbereichen.“ 71<br />
Die technischen Regelwerke werden stetig überarbeitet, um den sich wandelnden Bedürfnissen und<br />
Anforderungen an den Verkehr und der Gesellschaft ausreichend Rechnung zu tragen. So geschieht<br />
dies zurzeit auch mit der RiLSA 1992, die nach 18 Jahren sich ebenfalls dem Thema der Barrierefrei-<br />
heit weiter annehmen muss. Die Richtlinien für Lichtsignalanlegen behandeln nun konzentriert die<br />
Behindertengruppe der blinden und sehbehinderten Menschen und regeln hierzu die Einsatzbereiche<br />
und die technische Ausgestaltung von Zusatzeinrichtungen, wie beispielsweise akustische Freigabe-<br />
signale und taktile Signalgeber.<br />
Ein weiteres signalgebendes Novum ist die Konstituierung eines neuen Regelwerkes, das schwer-<br />
punktbezogen die barrierefreie Planung im öffentlichen Straßenraum <strong>zum</strong> Leitthema hat. Aufgrund<br />
der Forderungen das Bundesgleichstellungsgesetz (siehe Kapitel 2.3.2) und dessen Anspruch zur<br />
Schaffung einer „weitgehend barrierefreien“ Gestaltung des öffentlichen Raumes und der Vielfalt an<br />
fachlichen, rechtlichen und juristischen Meinungsbildern und Vorgaben <strong>zum</strong> Thema Barrierefreiheit,<br />
ist unabdingbar diesbezüglich ein einheitlichen Regelwerk mit funktionalen Standards zu schaffen.<br />
Das kommende Regelwerk „Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen“ mit dem geplanten Erschei-<br />
69<br />
Vgl. Sozialgesetzbuch IX der Bundesrepublik Deutschland, § 145, letzte Änderung durch: Art. 2 G vom 30. Juli 2009 (BGBl. I<br />
S. 2495).<br />
70<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />
die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 93. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
71<br />
Ebenda, S. 93 f.<br />
28
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
nungsjahr 2010 soll dabei den Ansprüchen einer hohen Umsetzungs- und Praxisorientierung genü-<br />
gen. 72<br />
Es bleibt also festzuhalten, dass das Behindertengleichstellungsgesetz seit Inkrafttreten 2002 nicht<br />
nur im Themenfeld Verkehr und Mobilität eine Stärkung der barrierenfreien Umweltgestaltung und<br />
Infrastruktur erreicht, sondern auch zu einer großen Vielfalt an Vorgaben, Regelwerken und Mei-<br />
nungsbilder beigetragen hat. Die resultierenden Gleichstellungsgesetze der Länder und die konkreten<br />
Änderungen im Personenbeförderungsgesetz sowie in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung ha-<br />
ben Weiteres getan, die Belange behinderter und mobilitätseingeschränkter Menschen zu verfesti-<br />
gen.<br />
2.2.3.3 Barrierefreies Bauen und Maßnahmen im Rahmen der Städtebauförderung<br />
Der Behindertenbericht der Bundesregierung 2009 enthält innerhalb des Kapitels „Bauen und Woh-<br />
nen“, konkrete Erkenntnisse <strong>zum</strong> barrierefreien Bauen und Maßnahmen im Rahmen der Städtebau-<br />
förderung. Beide Unterthemen werden im Zusammenhang mit der Zielrichtung der Arbeit im Folgen-<br />
den näher beschrieben. Daneben ist innerhalb des Berichtes auch das Themenfeld des barrierefreien<br />
Wohnens enthalten, welches jedoch für die Untersuchung nicht essentiell ist.<br />
Im Rahmen des barrierefreien Bauens sind in erster Linie die dazugehörigen DIN-Normen im Städte-<br />
bau zu nennen. Das Bundesgleichstellungsgesetz verpflichtet die Behörden des Bundes die anerkann-<br />
ten Regeln der Technik, sprich in diesem Kontext die DIN-Normen <strong>zum</strong> barrierefreien Bauen, anzu-<br />
wenden. Davon sind zivile Neubauten sowie große zivile Um- und Erweiterungsbauten des Bundes<br />
betroffen. Das Bauordnungsrecht der Länder dagegen enthält die Vorgaben für alle anderen Bauten.<br />
„Diese können die Beachtung von technischen Regelungen <strong>zum</strong> barrierefreien Bauen, beispielsweise<br />
DIN-Vorschriften, ganz oder in Teilen für das jeweilige Bundesland vorschreiben.“ 73<br />
Die neueste Entwicklung für öffentliche Gebäude ist die DIN 18040 „Barrierefreies Bauen – Öffentlich<br />
zugängliche Gebäude und Wohnungen“. Die Arbeiten hieran konnten im Jahre 2008 erfolgreich <strong>zum</strong><br />
Entwurf abgeschlossen werden. Teil 1 des Entwurfes wurde im Juli 2010 verabschiedet und erhielt<br />
somit allgemeine Gültigkeit. 74 Jedoch weist die Norm für die Modernisierung von Bestandsbauten<br />
Lücken auf, da sie ursprünglich nur für Neubauten ausgelegt ist. Im Rahmen dieser Problematik rea-<br />
giert das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit einem ergänzenden Beiblatt<br />
zur Norm, worin Regelungen für Bestandsbauten und auch ein Abprüfliste zur Akquirierung von För-<br />
dermitteln zur Barrierefreiheit oder -reduzierung der KfW Förderbank enthalten sind. „Die Arbeiten<br />
72<br />
Vgl. Internetauftritt der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV, aufgerufen unter:<br />
http://www.fgsv.de/512.html, abgerufen am 20.07.2010.<br />
73<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />
die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 95. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
74<br />
Vgl. Internetauftritt des Presseportals, aufgerufen unter:<br />
http://www.presseportal.de/pm/7846/1643423/cdu_csu_bundestagsfraktion, abgerufen am 21.07.2010.<br />
29
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
zur Erstellung des Beiblattes werden derzeit im Rahmen der Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ aus-<br />
geschrieben.“ 75<br />
Die kontinuierliche Weiterentwicklung macht jedoch auch an diesem Punkt noch nicht Halt. Vor al-<br />
lem der öffentliche unbebauten Raum bedarf einer eigenen neuen Norm nach aktuellem Wissens-<br />
stand. Seit Juni 2010 wurde hierzu mit Arbeit der Norm E DIN 18070 „Barrierefreies Bauen - Pla-<br />
nungsgrundlagen. Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum“ begonnen. 76 Diese Entwicklung ist jedoch im<br />
Behindertenbericht 2009 noch nicht erfasst und ist hier als informeller Zusatz anzusehen.<br />
Die Städtebauförderung weist nicht direkt Förderungen im Sinne von Maßnahmen zur Schaffung von<br />
Barrierefreiheit. Ganz allgemein strebt die Städtebauförderung die Verbesserung der Lebensqualität<br />
der ansässigen Bevölkerung zur Stärkung des Wohn- und Arbeitsstandortes Stadt an. Ebenfalls wird<br />
durch gezielten, räumlich konzentrierten Mitteleinsatz in gemeindlichen Fördergebieten Entwick-<br />
lungsdefizite abgebaut werden. Konkretere Ziele sind unter anderem die Erneuerung von Stadtquar-<br />
tieren mit städtebaulichen Mängeln oder strukturellen Schwächen. Hierzu gehören natürlich auch<br />
indirekt Maßnahmen zur Barrierefreiheit.<br />
Die notwendigen Finanzhilfen für die Städtebauförderungsprogramme werden von Bund, den Län-<br />
dern und den Gemeinden anteilsmäßig zur Verfügung gestellt. Der Bund und die Länder schließen<br />
darüber jährlich eine Verwaltungsvereinbarung ab, in deren Präambel seit 2007 verankert ist, dass<br />
„die Finanzhilfen im Rahmen der integrierten Stadtentwicklung auch zur barrierefreien Gestaltung<br />
des Wohnumfeldes in den Förderquartieren eingesetzt werden können.“ 77 Die Durchführung der<br />
Städtebauförderungsprogramme dagegen ist Aufgabe der Länder und Gemeinden. Im Jahr 2008<br />
wurde rund 705 Mio. Euro, im Jahr 2009 ca. 869 Mio. Euro Programmmittel für die Städtebauförde-<br />
rung aufgewandt. 78<br />
2.3 Rechtliche Vorgaben<br />
Die umgreifenden Äußerungen in der politischen Diskussion und die harte Fakten des demographi-<br />
schen Wandels, haben sich auch in den rechtlichen Vorgaben <strong>zum</strong> barrierefreien Planen und Bauen<br />
niedergeschlagen. Zum einen ist die Betrachtung über die verschiedenen Ebenen von allgemeinen<br />
Vorgaben hin zu spezifischen Vorgaben für den öffentlichen Raum der Kerninhalt dieses Kapitels. Auf<br />
der einen Seite wird ganz allgemein von Gesetzen und Konventionen zur Schaffung von Barrierefrei-<br />
heit gesprochen. Deren konkreten Absichten umfassen die „Gleichstellung, Eingliederung und Chan-<br />
75 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />
die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 95. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
76 Vgl. Internetauftritt zur E DIN 18070, aufgerufen unter: http://din18070.de/index.htm, abgerufen am 21.07.2010.<br />
77 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />
die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 95. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
78 Vgl. Ebenda.<br />
30
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
cengleichheit insbesondere behinderter Menschen mit dem Ziel der gleichberechtigten, selbstbe-<br />
stimmten Teilhabe am Leben.“ 79<br />
In diesem Kapitel werden zunächst allgemeine gesetzliche Rahmenbedingungen zur Entwicklung der<br />
Gleichstellung behinderter Menschen und die Verankerung der Barrierefreiheit betrachtet. Darauf-<br />
folgend sind diejenigen Gesetze und Vorgaben von Bedeutung, welche das barrierefreien Bauen und<br />
den öffentliche Raum spezifiziert betreffen. Diese Rahmenbedingungen und Gesetze sind <strong>zum</strong> Stand<br />
der Bearbeitung gültig und rechtskräftig. Das Prinzip „vom Großen <strong>zum</strong> Kleinen“ ist also die maßgeb-<br />
liche Vorgehensweise. Damit wird, unabhängig der zeitlichen Entwicklung der Barrierefreiheit, eine<br />
Übersicht zu allen aktuellen gültigen rechtlichen Vorgaben, obgleich diese auf internationaler, euro-<br />
päischer, nationaler oder Länderebene stattfinden, geliefert.<br />
Es ist an<strong>zum</strong>erken, dass die Gleichstellung behinderter Menschen umfassend und in vielen Gesetzes-<br />
grundlagen verankert wurde, was für die besondere Wichtigkeit dieses Themas in Politik und Gesell-<br />
schaft spricht (siehe Kapitel 2.2). Jedoch werden hier lediglich die für das barrierefreie Bauen und<br />
den öffentlichen Raum substanziellsten Rahmenbedingungen und Gesetze vertieft.<br />
2.3.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen<br />
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen werden durch die UN-Behindertenrechtskonvention, die Char-<br />
ta der Europäischen Union, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sowie das Grundgesetz der<br />
Bundesrepublik Deutschland als engsten Rahmen definiert. Umgesetzt und weiter verankert werden<br />
diese Rahmenbedingungen im Bundesgleichstellungsgesetz und, konkret das barrierefreie Bauen im<br />
öffentlichen Raum betreffend, in den Landesbauordnungen konzentriert.<br />
2.3.1.1 UN Behindertenrechtskonvention<br />
Als neueste Entwicklung ist die UN-Behindertenrechtskonvention zu betrachten, welche seit März<br />
2009 in geltendes Recht in Deutschland übergegangen ist. Insbesondere die Instanzen der Politik,<br />
Verwaltung und Gerichte sind zur Beachtung der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte<br />
von Menschen mit Behinderungen verpflichtet. 80<br />
Das Leitbild der „Inklusion“ steht im Mittelpunkt der Konvention und soll für eine umfassende Einbe-<br />
ziehung behinderter Menschen in die Gesellschaft stehen. Dem Begriff der „Inklusion“ steht die „In-<br />
tegration“ gegenüber. Der behinderte Mensch soll sich nicht der Gesellschaft anpassen, sprich integ-<br />
rieren, sondern vielmehr soll die Gesellschaft aktiv behinderte Menschen in ihren Kreis mit einbezie-<br />
hen, also inkludieren. Die Individualität und Vielfalt der behinderten Menschen wird also voll aner-<br />
kannt. Die Inklusion betrifft unter anderem die Bereiche wie Arbeitsmarkt, Bildung, Wohnungswahl,<br />
aber auch insbesondere den Bereich Mobilität. Neben der Inklusion sind weitere imminent wichtige<br />
79 Internetauftritt des Portals für Barrierefreiheit, aufgerufen unter: http://www.barrierefreiportal.de/content/de/barrierefrei_bauen/gesetzliche_rahmenbedingungen/,<br />
abgerufen am 20.04.2010.<br />
80 Vgl. Internetauftritt der deutschen Bundesregierung, aufgerufen unter:<br />
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BMG/2009/03/2009-03-26-unbhindertenrechtskonvention.html,<br />
abgerufen am 24.07.2010.<br />
31
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
Schlüsselbegriffe der Konvention wie „Würde“, „Teilhabe“, „Selbstbestimmung“, „Empowerment“,<br />
„Chancengleichheit“ und, natürlich, „Barrierefreiheit“ bedeutend. Diese Begriffe ergänzen sich ge-<br />
genseitig und weisen gewisse potenzielle Abhängigkeiten auf. 81<br />
Der Behindertenbericht der Bundesregierung 2009 (siehe Kapitel 2.2.3) fasst ebenfalls die Konventi-<br />
on auf und setzt sie in das Gesamtbild der staatlichen Entwicklung. Die Konvention setzt demnach<br />
„wesentliche Impulse für die Weiterentwicklung der Barrierefreiheit in Deutschland.“ 82 Vor allem der<br />
eigenständige Artikel 9 „Zugänglichkeit“ des Übereinkommens, sprich der Konvention, enthält Aussa-<br />
gen <strong>zum</strong> gleichberechtigten Zugang zur Wahrnehmung von Infrastruktur. Hier heißt es unter ande-<br />
rem:<br />
„Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen<br />
Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem Ziel,<br />
für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Trans-<br />
portmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikations-<br />
technologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in<br />
städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleis-<br />
ten. Diese Maßnahmen, welche die Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und -<br />
barrieren einschließen, gelten unter anderem für Gebäude, Straßen, Transportmittel sowie andere<br />
Einrichtungen in Gebäuden und im Freien, einschließlich Schulen, Wohnhäusern, medizinischer Ein-<br />
richtungen und Arbeitsstätten.“ 83<br />
Die UN-Behindertenrechtskonvention präzisiert mit diesem Sachverhalt, dass für mobilitätseinge-<br />
schränkte und behinderte Menschen die Umwelt barrierefrei gestalten werden muss, so dass die<br />
Menschenrechte des Individuums dementsprechend verwirklicht werden können. 84<br />
2.3.1.2 Europäische Union<br />
Die europäische Union hat indes innerhalb ihrer „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“<br />
bereits <strong>zum</strong> Jahrtausendwechsel im Jahre 2000 Grundrechte für behinderte Menschen gesondert<br />
verankert. Von besonderer Relevanz sind die Artikel 21 „Nichtdiskriminierung“, Artikel 25 „Rechte<br />
älterer Menschen“ und der Artikel 26 „Integration von Menschen mit Behinderung“.<br />
81<br />
Vgl. Internetauftritt der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, aufgerufen<br />
unter: http://www.alleinklusive.behindertenbeauftragte.de/cln_115/nn_1369658/AI/Konvention/WasistdieUNKonvention__node.html?__nnn=true,<br />
abgerufen am 24.07.2010.<br />
82<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />
die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 86. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
83<br />
Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2009, Artikel 9.<br />
E-Paper: http://www.behindertenbeauftragter.de/nn_1387894/SharedDocs/Downloads/DE/AI/BRK,templateId=<br />
raw,property=publicationFile.pdf/BRK.pdf, S.10.<br />
84<br />
Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung<br />
über die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 87. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
32
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Artikel 21 - Nichtdiskriminierung<br />
„Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen<br />
oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschau-<br />
ung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit,<br />
des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind ver-<br />
boten.“ 85<br />
Artikel 25 - Rechte älterer Menschen<br />
„Die Union anerkennt und achtet das Recht älterer Menschen auf ein würdiges und unabhängiges<br />
Leben und auf Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben.“ 86<br />
Artikel 26 - Integration von Menschen mit Behinderung<br />
„Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur<br />
Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teil-<br />
nahme am Leben der Gemeinschaft.“ 87<br />
Diese Grundrechte machen deutlich, dass neben dem Verbot der Diskriminierung behinderter Men-<br />
schen, auch die Belange älterer Menschen im Vordergrund stehen. Artikel 25 und 26 greifen die Ziel-<br />
gruppen dieser Ausarbeitung auf und betonen gleichermaßen die enorme Wichtigkeit der Integration<br />
dieser Menschen in die Gesellschaft, was später <strong>zum</strong> Verständnis der Inklusion führen soll.<br />
Ein weiteres Großereignis für die Barrierefreiheit auf europäischer Ebene ist die Richtlinie<br />
2004/18/EG. 88 Diese Richtlinie gibt bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen den Auftraggebern<br />
die Möglichkeit zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrages vorzuschreiben. Das heißt,<br />
dass insbesondere die verantwortlichen Auftraggeber, wie beispielsweise Kommunen oder öffentli-<br />
che Einrichtungen, die Barrierefreiheit in ihren Maßnahmen stärker verankern können. Dies betrifft<br />
im baulichen Umgriff von Maßnahmen die Schaffung allgemeiner Zugänglichkeitskriterien angepasst<br />
an die Bedürfnisse behinderter Menschen. Das angewandte Konzept hierfür nennt sich „Design für<br />
alle“. „Konkret bedeutet dies für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dass in den Leistungs-<br />
beschreibungen von öffentlichen Ausschreibungen und bei der Vergabe von Aufträgen sowie bei der<br />
Vergabe von Konzessionen Fragen der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen bzw. das<br />
85<br />
Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Feierliche Proklamation, Artikel 21 – Diskriminierung, veröffentlicht im<br />
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 364, S.13., Brüssel, 2000.<br />
E-Paper: http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf.<br />
86<br />
Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Feierliche Proklamation, Artikel 25 – Rechte älterer Menschen, veröffentlicht<br />
im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 364, S.14., Brüssel, 2000.<br />
E-Paper: http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf.<br />
87<br />
Ebenda, Artikel 26 – Integration von Menschen mit Behinderung, S. 14.<br />
88<br />
Vgl. Internetauftritt des Eurolexikons, der Zugang <strong>zum</strong> EU-Recht: aufgerufen unter: http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2004:134:0114:0240:de:PDF,<br />
abgerufen am 23.07.2010.<br />
33
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
Prinzip des „Design für Alle“ berücksichtigt werden können, wo immer dies möglich ist.“ 89 Vornehm-<br />
lich ist dies im Kontext der Arbeit für den Bereich baulicher Maßnahmen im öffentlichen unbebauten<br />
Raum, aber auch bei Verkehrsanlagen entscheidend.<br />
2.3.1.3 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland<br />
Auf nationaler Ebene unterbaut natürlich das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland den An-<br />
spruch auf die Integration behinderter Menschen in die Gesellschaft. Seit 1994 ist der ergänzende<br />
Satz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." in Artikel 3 *Gleichheit vor<br />
dem Gesetz] Absatz 3 des Grundgesetzes eingefügt worden und seit dem dort verankert. 90<br />
Zudem stützt sich die Forderung nach Barrierefreien Bauen desweiteren auf den Artikel 2 [Recht auf<br />
freie Entfaltung der Persönlichkeit] und Artikel 12 [Das Recht der freien Wahl von Beruf, Arbeitsplatz<br />
und Ausbildungsstätte]. Zur Erfüllung des Anspruchs dieser drei Artikel ist das barrierefreie Bauen als<br />
Instrument einzusetzen.<br />
2.3.2 Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsge-<br />
setz)<br />
Die wichtigste nationale Grundlage zur Verwirklichung des barrierefreien Bauens ist das Gesetz zur<br />
Gleichstellung behinderter Menschen aus dem Jahre 2002, kurz Behindertengleichstellungsgesetz<br />
genannt. Es gilt vornehmlich für die Träger öffentlicher Gewalt auf Bundesebene. Das Behinderten-<br />
gleichstellungsgesetzt setzt in diesem Sinne den Rahmen für die konkrete Umsetzung in den Landes-<br />
gleichstellungsgesetzen auf Länderebene.<br />
Zudem wird allgemein davon gesprochen, dass mit dem Behindertengleichstellungsgesetz nicht mehr<br />
Fürsorge und Versorgung im Mittelpunkt der politischen Anstrengungen für Menschen mit Behinde-<br />
rung stehen, „sondern selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und Beseitigung der<br />
Hindernisse, die dieser Teilhabe entgegenstehen.“ 91 Dies beschreibt den Paradigmenwechsel der<br />
Bundesregierung um den Jahrtausendwechsel, der ebenfalls mit der Veröffentlichung des Neunten<br />
Sozialgesetzbuches „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ im Jahr 2001 einhergeht.<br />
Das Gesetz sagt klar aus worauf es in der Barrierefreiheit ankommt. Es gilt barrierefreie Lebensräume<br />
herzustellen und diese umfassend zugänglich und uneingeschränkt nutzbar zu machen. Dieser Erklä-<br />
rungsansatz erhebt nicht nur Anspruch auf die physische Umwelt (Treppen, Stufen, Geländeneigun-<br />
gen etc.), sondern auch kommunikative Faktoren wie Orientierungsinformationen und –Systeme mit<br />
taktilen und visuellen Informationen. Der erläuterte Sachverhalt ist in § 4 des Gesetzes definiert.<br />
89<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />
die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 87. E-Paper:<br />
http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />
90<br />
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 3 Abs. 3 Satz 2, letzte Änderung durch: Art. 2 ÄndG vom 29. Juli<br />
2009 vom 1. August 2009.<br />
91<br />
Internetauftritt des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. DVBS, aufgerufen<br />
unter: http://www.dvbs-online.de/horus/2006-5-3987.htm, abgerufen am 25.07.2010.<br />
34
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Im Folgenden werden die wichtigsten Auszüge des Behindertengleichstellungsgesetzes aufgezeigt.<br />
Dies betrifft das Ziel des Gesetzes sowie die Vorgaben zur Herstellung von Barrierefreiheit in den<br />
Bereichen Bau und Verkehr. Auf die Begriffsbestimmungen „Behinderung“ und „Barrierefreiheit“<br />
wird in diesem Kontext verzichtet, da diese für die Arbeit bereits in Kapitel 2.1.4 bzw. 2.1.5 behandelt<br />
wurden.<br />
§1 Gesetzesziel<br />
„Ziel dieses Gesetzes ist es, die Benachteiligung von behinderten Menschen zu beseitigen und zu<br />
verhindern, sowie die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesell-<br />
schaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dabei ist<br />
deren besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.“ 92<br />
§8 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr<br />
(1) „Zivile Neubauten sowie große zivile Um- oder Erweiterungsbauten des Bundes einschließlich<br />
35<br />
der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts<br />
sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet wer-<br />
den. Von diesen Anforderungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in<br />
gleichem Maße die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden. Die landesrechtlichen<br />
Bestimmungen, insbesondere die Bauordnungen, bleiben unberührt.<br />
(2) Sonstige bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich<br />
zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind<br />
nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes barrierefrei zu gestalten. Wei-<br />
tergehende landesrechtliche Vorschriften bleiben unberührt.“ 93<br />
Die Landesgleichstellungsgesetze haben die Verpflichtungen den Baubereich zu präzisieren. So<br />
spricht das Landesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen in Rheinland-Pfalz für den Bereich<br />
„Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr“ wie folgt:<br />
§ 9 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr<br />
(1) „Bauliche Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Ver-<br />
kehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personennahverkehr sind nach Maß-<br />
gabe der für den jeweiligen Bereich geltenden Rechtsvorschriften barrierefrei zu gestalten.<br />
(2) Das Land, die Gemeinden und die Gemeindeverbände sowie die sonstigen der Aufsicht des<br />
Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sollen<br />
92<br />
Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Deutschland), § 1 Gesetzesziel, zuletzt geändert durch: Art. 12 G vom<br />
19. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3024, 3034).<br />
93<br />
Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Deutschland), § 8 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau<br />
und Verkehr, zuletzt geändert durch: Art. 12 G vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3024, 3034).
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
1. bei Neubauten sowie bei großen Um- oder Erweiterungsbauten die allgemein anerkannten<br />
Regeln der Technik zur barrierefreien Gestaltung so weit wie möglich berücksichtigen und<br />
2. die bereits bestehenden Bauten schrittweise entsprechend den allgemein anerkannten<br />
Regeln der Technik so weit wie möglich barrierefrei gestalten.“ 94<br />
Die hierin genannten „für den jeweiligen Beriech geltenden Rechtsvorschriften“ und die „allgemein<br />
anerkannten Regeln der Technik“ sind insbesondere Regelungen der betreffenden Fachgesetzte und<br />
DIN-Normen des Deutschen Instituts für Normung e.V.. Die DIN-Normen für das barrierefreie Bauen<br />
sind insbesondere die Vorschriften DIN 18024, 18025, 18040 und die kommende 18070, welche in<br />
Kapitel 2.4.3 erläutert werden. 95<br />
Abschließend ist festzustellen, dass das Behindertengleichstellungsgesetz und die resultierenden<br />
Gleichstellungsgesetze der Länder die Grundvoraussetzung zur Umsetzung der Barrierefreiheit in<br />
möglichst allen Lebensbereichen sind.<br />
2.3.3 Musterbauordnung<br />
Die Musterbauordnung sowie der Verweis auf die Landesbauordnungen erfolgt lediglich zur Voll-<br />
ständigkeit der Arbeitsgrundlagen <strong>zum</strong> barrierefreien Bauen. Die betreffenden Landesbauordnungen<br />
werden nicht weiter vertieft, da sie für die Untersuchungen des unbebauten öffentlichen Raumes<br />
von sehr geringer Relevanz sind. Die Bauordnungen gelten in diesem Zusammenhang nur für den<br />
öffentlichen Raum in Form öffentlicher Gebäude. Ausgenommen davon ist die Zugänglichkeit für<br />
öffentliche Gebäude, welche an den unbebauten öffentlichen Raum angrenzt. Für den Bereich des<br />
unbebauten öffentlichen Raumes sind gemäß Landesgleichstellungsgesetz die betreffenden Rechts-<br />
vorschriften zu beachten.<br />
Die Musterbauordnung ist das vereinheitlichte Werk, welches den Landesbauordnungen der einzel-<br />
nen Bundesländer als Grundlage dient. Sie wird als Standard- und Mindestbauordnung beschrieben<br />
und kann dann je nach Bundesland geringfügig abweichen und ergänzt sein.<br />
Die Musterbauordnung wird stetig überarbeitet. Eine letzte solche Überarbeitung erfolgte 2002 mit<br />
dem Ziel das Verfahrens- und materielle Bauordnungsrecht der Länder zu vereinfachen. 96<br />
Hier findet sich auch ein gesonderter Absatz <strong>zum</strong> barrierefreie Bauen, welcher sich jedoch nur in sehr<br />
allgemeinem Maße auf den unbebauten öffentlichen Raum bezieht. Der einschlägige § 50 „Barrieref-<br />
reies Bauen“ ist im 7. Abschnitt „Nutzungsbedingte Anforderungen“ zu finden. Faktisch sind Absatz 2,<br />
3 und 4 für den öffentlichen Raum relevant.<br />
94<br />
Landesbauordnung Rheinland-Pfalz (LBauO), Fassung vom 24. November 1998 (GVBl. S. 365), zuletzt geändert durch<br />
Gesetz vom 4.7.2007, (GVBl. S. 105).<br />
95<br />
Vgl. Internetauftritt der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, aufgerufen<br />
unter: http://www.behindertenbeauftragter.de/cln_108/nn_1039898/DE/Barrierefreiheit/<br />
Bauen/Bauen__node.html?__nnn=true, abgerufen am 26.07.2010.<br />
96<br />
Internetauftritt von bauordnungen.de, aufgerufen unter: http://www.bauordnungen.de/html/deutschland.html, abgeru-<br />
fen am 26.07.2010.<br />
36
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
§ 50 Barrierefreies Bauen<br />
„(2) Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucherver-<br />
kehr dienenden Teilen von Menschen mit Behinderungen, alten Menschen und Personen mit Klein-<br />
kindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können.<br />
Diese Anforderungen gelten insbesondere für<br />
1. Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens,<br />
2. Sport- und Freizeitstätten,<br />
3. Einrichtungen des Gesundheitswesens,<br />
4. Büro-, Verwaltungs- und Gerichtsgebäude,<br />
5. Verkaufs- und Gaststätten,<br />
6. Stellplätze, Garagen und Toilettenanlagen.<br />
(3) Bauliche Anlagen nach Absatz 2 müssen durch einen Eingang mit einer lichten Durchgangsbreite<br />
von mindestens 0,90 m stufenlos erreichbar sein. Vor Türen muss eine ausreichende Bewegungsflä-<br />
che vorhanden sein. Rampen dürfen nicht mehr als 6 v. H. geneigt sein; sie müssen mindestens 1,20<br />
m breit sein und beidseitig einen festen und griffsicheren Handlauf haben. Am Anfang und am Ende<br />
jeder Rampe ist ein Podest, alle 6 m ein Zwischenpodest anzuordnen. Die Podeste müssen eine Länge<br />
von mindestens 1,50 m haben. Treppen müssen an beiden Seiten Handläufe erhalten, die über Trep-<br />
penabsätze und Fensteröffnungen sowie über die letzten Stufen zu führen sind. Die Treppen müssen<br />
Setzstufen haben. Flure müssen mindestens 1,50 m breit sein. Ein Toilettenraum muss auch für Be-<br />
nutzer von Rollstühlen geeignet und erreichbar sein; er ist zu kennzeichnen. § 39 Abs. 4 gilt auch für<br />
Gebäude mit einer geringeren Höhe als nach § 39 Abs. 4 Satz 1, soweit Geschosse mit Rollstühlen<br />
stufenlos erreichbar sein müssen.<br />
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht, soweit die Anforderungen wegen schwieriger Geländeverhältnis-<br />
se, wegen des Einbaus eines sonst nicht erforderlichen Aufzugs, wegen ungünstiger vorhandener<br />
Bebauung oder im Hinblick auf die Sicherheit der Menschen mit Behinderungen oder alten Men-<br />
schen nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können.“ 97<br />
So sei an dieser Stelle nochmals zu betonen, dass die Vorgaben der Musterbauordnung sowie der<br />
Landesbauordnungen im Bereich des öffentlichen Raumes sich auf öffentliche Gebäude beschränken.<br />
Für den unbebauten öffentlichen Raum sind die jeweiligen Rechtsvorschriften sowie die Regelwerke<br />
im Städtebau verantwortlich, welche in Kapitel 2.4. intensiv bearbeitet werden.<br />
97 Vgl. Internetauftritt von bauordnungen.de, aufgerufen unter:<br />
http://www.bauordnungen.de/html/musterbauordnung.html, abgerufen am 26.07.2010.<br />
37
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
2.4 Städtebauliche Vorgaben<br />
Der Bereich der städtebaulichen Vorgaben zur Schaffung von Barrierefreiheit ist dreigeteilt. Es gilt in<br />
einem ersten Schritt zu abstrahieren, welche Rahmenbedingungen zur Entwicklung des Städtebaus in<br />
den Kommunen faktisch bestehen. Zweitens wird geklärt, wo die Barrierefreiheit in der Bauleitpla-<br />
nung zu finden ist und welche Rolle sie in heutigen Planungsprozessen spielt. Zum weiteren wird das<br />
Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der Stadtplanung dargelegt und präzisiert. Hier<br />
liegt wieder das Hauptaugenmerk auf den Geltungsbereich des unbebauten öffentlichen Raumes wie<br />
Plätze, Wege und öffentliche Verkehrsanlagen, welche in den nachfolgenden Studien mittelbar er-<br />
fasst werden und im Nachhinein mit den Ergebnissen zur Diskussion stehen werden.<br />
2.4.1 Rahmenbedingungen zur Entwicklung des Städtebaus in den Kommunen<br />
Den Bezug zur Barrierefreiheit in der Bauleitplanung herzustellen, macht es notwendig die aktuelle<br />
Situation der Kommunen plakativ darzustellen und aufzuzeigen, wo es in der Stadtentwicklung in<br />
Zukunft hingehen soll.<br />
„Zur Realisierung der notwendigen städtebaulichen Entwicklungen wurden von der Bundesregierung<br />
verschiedene Programme zur Städtebauförderung für die Kommunen erlassen. Die Programme ha-<br />
ben die Aufgabe bestimmte Entwicklungsmaßnahmen zu leiten und zu steuern.“ 98 Damit wird schon<br />
die Aussage impliziert, dass die Kommunen aus eigener Kraft aufgrund der knappen Finanzlage und<br />
des geringen Haushaltsaufkommens, auf die Unterstützung des Bundes angewiesen sind. Die Reali-<br />
sierung von Städtebaumaßnahmen folgt demnach den klar definierten Vorgaben der jeweiligen För-<br />
derrichtlinien. Somit können zukunftsfähige und damit auch nachhaltige Konzepte nur in einem ab-<br />
gesteckten Rahmen durchgeführt werden. Die aktuellen Fördermaßnahmen beinhalten die städte-<br />
baulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen, Denkmalschutz- und Stadtumbaumaßnahmen<br />
sowie Maßnahmen zur Entwicklung der „Sozialen Stadt“. Diese sind einschlägig im Baugesetzbuch in<br />
den §§ 162 ff. (Städtebauliche Sanierungsmaßnahme), §§ 165 ff. (Städtebauliche Entwicklungsmaß-<br />
nahme), §§ 171 ff. (Stadtumbaumaßnahme) sowie die § 171 e (Soziale Stadt) geregelt. 99 Diese Maß-<br />
nahmen stützen sich vornehmlich auf die Beseitigung von Missständen in den Städten, insbesondere<br />
nutzungsspezifischer (Wohnnutzung) und sozialer Natur. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Umbau-<br />
und Sanierungsmaßnahmen sowie die sozialorientierte Stadterneuerung vor allem ein Angebot an<br />
alten- und behindertengerechten Wohnungen schaffen sollen. 100 Dies ist eine weitere Zielrichtung<br />
innerhalb der Maßnahmen, gilt jedoch in der Konsequenz für den privaten Bereich und steht somit<br />
nicht im Schwerpunkt dieser Arbeit.<br />
Die Stadtumbaumaßnahme zielt beispielsweise auf eine Herstellung nachhaltiger städtebaulicher<br />
Strukturen ab, welche auch unbedingt <strong>zum</strong> Ziel haben sollten, eine gleichberechtigte Teilhabe aller<br />
98<br />
Metlitzky, Nadine; Engelhardt, Lutz (2008): Barrierefrei Städte bauen – Orientierungssysteme im öffentlichen Raum,<br />
Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, S.10.<br />
99<br />
Vgl. Baugesetzbuch BauGB, letzte Änderung durch: Art. 4 G vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585, 2617).<br />
100<br />
Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />
Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 5 f.<br />
38
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Menschen am alltäglichen Leben zu gewährleisten und das Wohl der Allgemeinheit zu fördern. 101 Es<br />
ist nochmals zu betonen, dass diese Maßnahmen sich nicht vordergründig mit der Barrierefreiheit in<br />
der städtischen Umwelt beschäftigen, sie aber, durch die zu erfüllenden Ansprüche, als Selbstver-<br />
ständlich verstanden und in die Planung einfließen müssen.<br />
Zukünftig muss das Ziel der Kommunen und des Städtebaus sein, die Grundbedürfnisse aller Bevölke-<br />
rungsgruppen, insbesondere in den Städten, weiter zu fördern und sicherzustellen.<br />
So besitzen mittlerweile viele Städte eigens hierzu angelegte Gremien, Arbeitskreise zur Barrierefrei-<br />
heit oder ähnliches. Vor dem Hintergrund der fachlichen stadtplanerischen Kompetenz beschäftigen<br />
sich diese städtischen Ansprechpartner mit der lokalisierten Barrierefreiheit ihrer Stadt und diskutie-<br />
ren geplante Neuerungen in diesem Themenfeld. Es liegt insbesondere in ihrem Interesse die Situati-<br />
on vor Ort zu verbessern, neue Denkanstöße für kommunale Entwicklung herzustellen sowie Betrof-<br />
fenen und Interessierten die Möglichkeit zu geben ihre Meinungsbilder in kommunalen Vorhaben<br />
einzubringen. Dieser durchaus sinnvolle Service ist auch in der Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> 102 vorhanden und<br />
in den späteren Untersuchungen zu Rate gezogen sowie aktiv eingebunden werden.<br />
2.4.2 Barrierefreiheit in der Bauleitplanung, Stadt- und Verkehrsplanung<br />
Die Akteure, welche eine umfassende Barrierefreiheit in Planung und Vollzug beeinflussen und<br />
durchsetzen wollen, sind vielseitig. „Das Prinzip der Stadtplanung ist die konzeptionelle Entwicklung<br />
des urbanen Raumes, wobei stadtteilbezogenen Nutzungen und die verkehrsräumlich Erschließung<br />
vorgegeben werden.“ 103 Für die Prozesssteuerung und Planungen innerhalb der verbindlichen Bau-<br />
leitplanung sind deshalb Stadt- sowie Verkehrsplaner gleichermaßen gefragt. In der Planung öffentli-<br />
cher Gebäude und Anlagen (siehe Kapitel 2.3.3) ist zudem die Riege der Architekten gefragt. Essenti-<br />
ell werden in der vorliegenden Arbeit jedoch insbesondere Maßnahmen zur Stadterneuerung im<br />
öffentlichen unbebauten Raum, wie beispielsweise Fußgängerzonen es sind, behandelt. Es gilt somit<br />
die unverzichtbare Forderung innerhalb dieser Maßnahmen den öffentlichen (unbebauten) Raum<br />
behindertengerecht zu gestalten, um dadurch die Voraussetzung für die gesellschaftliche Inklusion<br />
(früher Integration; siehe Kapitel 2.3.1.1) von Menschen mit Behinderung zu schaffen. „Eine gerade<br />
in dieser Hinsicht langfristige und komplex angelegte Stadt- und Verkehrsplanung ist dabei eine<br />
wichtige Grundlage für die Verbesserung der Lebensqualität aller Bürger.“ 104<br />
Dem entspricht auch der § 1 BauGB „Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung“, der punk-<br />
tuell von einer „nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung, die *…+ in Verantwortung gegenüber<br />
101<br />
Vgl. Erbguth, Wilfried; Wagner, Jörg (2005): Grundzüge des öffentlichen Baurechts, 4. Auflage, München, S. 283.<br />
102<br />
Vgl. Internetauftritt der Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> <strong>zum</strong> Thema barrierefreies Bauen und dem Arbeitskreis „Barrierefreie Stadt<br />
<strong>Kaiserslautern</strong>“, aufgerufen unter:<br />
http://www.kaiserslautern.eu/leben_in_kl/bauen_und_wohnen/barrierefreies_bauen/index.html?lang=de, abgerufen am<br />
09.08.2010.<br />
103<br />
Metlitzky, Nadine; Engelhardt, Lutz (2008): Barrierefrei Städte bauen – Orientierungssysteme im öffentlichen Raum,<br />
Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, S.10.<br />
104<br />
Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />
Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 4.<br />
39
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
künftigen Generation *steht+ *…+“ 105 sowie dem Beitrag „eine menschenwürdige Umwelt zu sichern<br />
und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln *…+“ 106 spricht. Hinsichtlich der<br />
Barrierefreiheit wird das Baugesetzbuch in § 1 Abs. 6 Punkt 2 konkreter:<br />
„(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:<br />
*…+<br />
3. die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Fami-<br />
lien, der jungen, alten und behinderten Menschen, *…+“ 107<br />
Aus diesen konkretisierten Aussagen des Baugesetzbuches lassen sich somit für die Bauleitplanung,<br />
insbesondere den Bebauungsplan, gewisse Anforderungen an die Gestaltung der Umwelt identifizie-<br />
ren. Darunter fällt die Stärkung der Lebensqualität durch die strukturelle Zuordnung der Grundfunk-<br />
tionen (Wohnen, Arbeiten, Bilden und Versorgen), ergänzt durch die Funktionen Erholung und Frei-<br />
zeit sowie durch eine vorteilhafte Zuordnung dieser Funktionen und einer Nutzungsmischung zur<br />
Schaffung möglichst kurzer Wege in der Stadt. Dies ist die Grundvoraussetzung für eine behinderten-<br />
gerechte Gestaltung der städtischen Lebensräume. Zudem muss die Vorgabe erfüllt werden, die Ver-<br />
kehrsräume dementsprechend zu gestalten und die Aufenthaltsfunktion in der Stadt zu stärken. Bei<br />
der gleichberechtigten Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen kann hierdurch ein Identifikationspool in<br />
Form von bürgerlichen Treffpunkten entstehen. Neben den Verkehrsräumen stehen auch die<br />
verkehrlichen Einrichtungen zur Debatte. Es darf keine Ausgrenzung mobilitätseingeschränkter Men-<br />
schen, in Form eines schlechten Angebots im öffentlichen Nahverkehr, geben. 108<br />
Als weiteres inhaltliches Kernthema ist die Absolvierung des Alltagslebens eben auch für mobilitäts-<br />
eingeschränkte und behinderte Menschen zu fokussieren. Dazu gehören vor allem das Einkaufen<br />
allgemein und speziell in Fußgängerzonen sowie eine behindertengerechte Zugänglichkeit öffentli-<br />
cher Gebäude und Anlagen. Erster Fall gehört <strong>zum</strong> unbebauten öffentlichen Raum, welcher durch<br />
einschlägige DIN-Normen, insbesondere die DIN 18024 1. Teil (siehe Kapitel 2.4.3.1), und Richtlinien<br />
in der Verkehrsplanung geregelt ist. Die Zugänglichkeit öffentlicher Gebäude und Anlagen fällt dabei<br />
unter die Vorschriften der jeweiligen Landesbauordnung, ebenfalls verknüpft mit technischen Regel-<br />
werken (beispielsweise DIN 18024 2. Teil, ersetzt durch DIN 18040 1. Teil von Juli 2010).<br />
Nach den inhaltlichen Möglichkeiten zur Verfestigung der Barrierefreiheit gibt es zudem prozesshafte<br />
Opportunitäten, um Einfluss auf eine gleichberechtigte und selbständige Teilhabe zu nehmen. „Bei<br />
der konkreten Umsetzung der Empfehlungen vor Ort sollten die zuständigen Stellen die Betroffenen<br />
möglichst frühzeitig in den Planungs- und Entscheidungsprozess einbeziehen.“ 109 Insbesondere bei<br />
der Wahrnehmung örtlicher Schwachstellen sind die Erfahrungen und Bewertungen betroffener<br />
105<br />
Baugesetzbuch BauGB §1 Abs. 5 Satz 1, letzte Änderung durch: Art. 4 G vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585, 2617).<br />
106<br />
Ebenda § 1 Abs. 5 Satz 2.<br />
107<br />
Ebenda § 1 Abs. 6 Punkt 3.<br />
108<br />
Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />
Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 4f.<br />
109<br />
Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.)(2000): Bürgerfreundliche und behindertengerechte<br />
Gestaltung des Straßenraums: Ein Handbuch für Planer und Praktiker, in: „direkt“-Schriftenreihe Nr. 54_2000, Berlin, S.9.<br />
40
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
mobilitätsbehinderter Menschen mit einzubeziehen. Neben den Betroffenen sollten auch wie im<br />
Bereich Verkehr und Mobilität (siehe Kapitel 2.3.2.2) Behindertenbeauftragte und –Verbände im<br />
Planungsprozess frühzeitig angehört werden. Dies können sich auch öffentliche Stelle zu Nutzen ma-<br />
chen, indem sie Informationen und Anregungen der Betroffenen und Behindertenvertretern für die<br />
Öffentlichkeitsarbeit verwenden, um somit eine verbesserte Akzeptanz sowie eine Erleichterung im<br />
Planungsprozess zu schaffen. 110 Damit wird auch ein allgemeines Verständnis und Wissen zur Barrie-<br />
refreiheit aller an Planungsprozesse beteiligten Akteure hergestellt.<br />
Die frühzeitige Beteiligung laut § 3 Abs. 1 Satz 1 BauGB 111 eignet sich demnach vorzüglich zur Einglie-<br />
derung der Bevölkerungsgruppe der Menschen mit Behinderung und deren Vertreter.<br />
Es lassen sich folgende Leitziele hinsichtlich der Barrierefreiheit in der Bauleitplanung, Stadt- und<br />
Verkehrsplanung definieren:<br />
- Schaffung möglichst kurzer Wege durch Nutzungsmischung und eine strukturelle Nutzungs-<br />
41<br />
zuordnung in der Stadt mit dem Ziel der einfachen Erreichbarkeit.<br />
- Verwendung klarer Orientierungssysteme in der Stadt zur Information und Vermeidung von<br />
Barrieren.<br />
- Herstellen von barrierefreier Verkehrsstruktur und –Anlagen zur Ermöglichung einer gleich-<br />
berechtigten Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen am innerstädtischen Lebensraum.<br />
- Die Mischung sozialer Gruppen und unterschiedlicher Generationen zur Schaffung eines Wir-<br />
Gefühls und eines gegenseitigen Helfens.<br />
- Die Bündelung integrierter strategischer und taktischer Aufgaben im Stadtumbau und der<br />
Stadterneuerung durch ein „Urban Management“ und „Design für alle“ (siehe Kapitel<br />
2.3.1.2).<br />
2.4.3 Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der Stadtplanung<br />
Dieses Unterkapitel beschäftigt sich zielgerichtet mit dem notwendigen Instrumentarium zur Redu-<br />
zierung von Barrieren insbesondere im innerstädtischen unbebauten Raum. Dieser Bereich wird ak-<br />
tuell noch durch die DIN 18024 Teil 1, 1998-01 – „Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrs- und<br />
Grünanlagen sowie Spielplätze“ abgedeckt. Diese Norm wird demnächst durch die DIN 18070 „Bar-<br />
rierefreies Bauen - Planungsgrundlagen. Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum.“ ersetzt. Die Arbeit<br />
hierzu hat im Juni 2010 begonnen. 112<br />
„Normen, Richtlinien und Empfehlungen beinhalten den aktuellen Stand der Technik und stehen<br />
jedermann zur Anwendung frei, ohne zunächst rechtlich verbindlich zu sein. Rechtsverbindlich wer-<br />
110 Vgl. Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.)(2000): Bürgerfreundliche und behindertengerechte<br />
Gestaltung des Straßenraums: Ein Handbuch für Planer und Praktiker, in: „direkt“-Schriftenreihe Nr. 54_2000, Berlin,<br />
S.9.<br />
111 Vgl. Baugesetzbuch BauGB §3 Abs. 1 Satz 1, letzte Änderung durch: Art. 4 G vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585, 2617).<br />
112 Vgl. Internetauftritt zur E DIN 18070, aufgerufen unter: http://www.din18070.de/, aufgerufen am 05.08.2010.
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
den sie durch die Bezugnahme oder Einführung in Gesetze und Verordnungen.“ 113 In einigen Bundes-<br />
ländern sind die DIN 18024 und die DIN 18025 <strong>zum</strong> Bestandteil der dort vorhandenen Landesbau-<br />
ordnungen geworden. Die zu nennenden Anwendungen finden ihren Regelungsbereich in den Tech-<br />
nischen Baubestimmungen der einzelnen Landesbauordnungen.<br />
Weitere DIN-Normen <strong>zum</strong> Barrierefreien Bauen sind die<br />
- DIN 18 024 Teil 2, 1996-11 „Öffentlich zugängige Gebäude und Arbeitsstätten“, welche er-<br />
setzt wird durch die DIN 18040 Teil 1 "Öffentlich zugängliche Gebäude" aus dem Juli 2010.<br />
- DIN 18040 Teil 2, 2009-02 „Wohnungen“ aus den Februar 2009, welche die bisher gültigen<br />
Normen DIN 18025 Teil 1 „Wohnungen für Rollstuhlbenutzer“ und<br />
DIN 18025 Teil 2 „Barrierefreie Wohnungen“ ersetzt. Diese Normen sind in einigen Bundes-<br />
länder in die Landesbauordnungen mit eingegangen. 114<br />
Dieses doch recht unübersichtliche Verhältnis wird in der Abbildung 6 anschaulich dargelegt.<br />
Abbildung 6: Verhältnis der Normen des barrierefreien Bauens. Quelle: Internetauftritt der DIN-18070, aufgerufen unter:<br />
http://din18070.de/normen-richtlinien.htm, aufgerufen am 06.08.2010.<br />
Im Folgenden wird sich nun verstärkt mit der DIN 18 024 Teil 1 „Straßen, Plätze, Wege, öffentliche<br />
Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätze“ aus dem Januar 1998 befasst und auch wiederum auf<br />
den späteren Untersuchungsbereich der Fußgängerzone in <strong>Kaiserslautern</strong> abgeschichtet. Der Unter-<br />
suchungsraum weist insbesondere verschiedene Bodenbeläge auf, keine Orientierungs- oder Boden-<br />
leitsysteme, einen Übergang über eine Lichtsignalanlage, Steigungen und Gefälle sowie Treppen und<br />
113<br />
Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din18024-1.htm,<br />
abgerufen am 06.08.2010.<br />
114<br />
Vgl. Internetauftritt von nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/, aufgerufen am 05.08.2010.<br />
42
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
eine Rampe auf. Diesbezüglich werden zusätzlich zur DIN 18024 Teil 1 die DIN 32984 „Bodenindikato-<br />
ren im öffentlichen Verkehrsraum“ aus dem Mai 2000 in Verbindung mit Bodenleitsystemen sowie<br />
eine kritische Auseinandersetzung mit der Gestaltung barrierefreier Querungsanlagen beschrieben.<br />
2.4.3.1 Geltungsbereich der DIN 18024 Teil 1<br />
Im Geltungsbereich der DIN 18024 Teil 1 werden Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrsanlagen<br />
und öffentliche Grünanlagen sowie deren Zugänge erfasst. Es gilt die Vorgabe, dass Nutzer des Gel-<br />
tungsbereichs in die Lage versetzt werden müssen, von fremder Hilfe weitgehend unabhängig agie-<br />
ren zu können. 115<br />
Das gilt insbesondere für<br />
Rollstuhlbenutzer - auch mit Oberkörperbehinderung<br />
Blinde, Sehbehinderte<br />
Gehörlose, Hörgeschädigte<br />
Gehbehinderte<br />
Menschen mit sonstigen Behinderungen<br />
Ältere Menschen<br />
Kinder, klein- und großwüchsige Menschen. 116<br />
Die DIN 18024 Teil 1 unterteilt sich dabei in mehrere Gliederungspunkte die angefügt kurz erläutert<br />
werden. Insbesondere die Bereiche „Flächen“, „Fußgängerverkehrsfläche“ sowie „Ausstattung“ sind<br />
für die späteren Studien im Untersuchungsraum der Fußgängerzone in <strong>Kaiserslautern</strong> von Bedeutung<br />
und werden daher näher betrachtet.<br />
Die Din 18024 Teil 1 enthält folgende Gliederungspunkte:<br />
Flächen<br />
43<br />
Regelungsbereich: Begegnungsflächen, Oberflächenbeschaffenheit von Bewegungs- und Be-<br />
gegnungsflächen. (Insbesondere zur Bewegung mit dem Rollstuhl notwendige Flächen)<br />
Fußgängerverkehrsfläche<br />
Regelungsbereich: Gefälle, Fußgängerüberwege, Straßenverkehrs-Signalanlagen.<br />
Treppe, Rampe, Aufzug<br />
115 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din18024-1.htm,<br />
abgerufen am 06.08.2010.<br />
116 Vgl. Ebenda.
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
Regelungsbereich: Den Übergang unterschiedlicher Ebenen, Treppen, Rampen, Aufzug, Fahr-<br />
treppen, Fahrsteige.<br />
Grünanlage und Spielplatz<br />
Regelungsbereich: Hauptgehwege, Nebengehwege, Sanitäranlagen, Notruf.<br />
Baustellensicherung<br />
Regelungsbereich: Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen.<br />
Haltestelle, Bahnsteig<br />
Regelungsbereich: Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel und Bahnsteige, Bedienelemente.<br />
Pkw-Stellplatz<br />
Regelungsbereich: Flächen rund ums Auto.<br />
Ausstattung<br />
Regelungsbereich: Ausstattung, Orientierung, Beschilderung und Beleuchtung. 117<br />
Insbesondere die Regelungsbereiche Flächen, Fußgängerverkehrsfläche, Treppe, Rampe, Aufzug so-<br />
wie Ausstattung sind für die späteren Studien von besonderer Bedeutung. Die Inhalte zur DIN 18024<br />
Teil 1 in Bezug zur Forschungsarbeit sind aufgrund des Umfangs in Anhang IV - Ausgewählte Auszüge<br />
zur DIN 18024 Teil 1 - zu finden.<br />
2.4.3.2 DIN 32984 „Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum“<br />
Die DIN 32984 „Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum“ beschäftigt sich mit den Anforde-<br />
rungen an Bodenindikatoren im genannten Geltungsbereich und legt diese fest. Die Planung ist auf<br />
eine Anordnung bestimmter Orientierungshilfen für blinde und sehbehinderte Personen in öffentlich<br />
zugänglichen Einrichtungen, Verkehrsanlagen sowie Straßenräumen angewiesen. Die Aufgabe von<br />
Bodenindikatoren liegt darin auf Gefahren für diese Behindertengruppe aufmerksam zu machen. 118<br />
Bodenindikator<br />
„Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum sind: Leitstreifen, Aufmerksamkeitsfeld, Auffang-<br />
streifen, Begleitstreifen, Begrenzungs- und Schutzstreifen, Leuchtdichtekontrast mit hohen taktilen,<br />
akustischen und optischen Kontrast (Leuchtdichte und Farbe) <strong>zum</strong> angrenzenden Bodenbelag.<br />
Als taktile Orientierungshilfen müssen sie sich vom Umfeld deutlich unterscheiden, z. B. durch Form,<br />
Material, Härte und Oberflächenrauigkeit, so dass sie sicher mit dem Langstock und dem Schuhwerk<br />
ertastet werden können. Vor Gefahrenstellen, Hindernissen und Richtungsänderungen müssen Bo-<br />
117<br />
Vgl. Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din18024-1.htm,<br />
abgerufen am 06.08.2010.<br />
118<br />
Vgl. Internetauftritt zur Norm 32984 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din32984-<br />
aufmerksamkeitsfelder.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />
44
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
denindikatoren rechtzeitig einen Warn- oder Aufmerksamkeitshinweis signalisieren. Gefahrenstellen<br />
und Hindernisse, auch vorübergehende, z.B. Baustellen, sind durch ertastbare Absperrungen zu<br />
kennzeichnen. Bodenindikatoren sind in durchlaufenden Streifen oder punktuell als rechteckige Fel-<br />
der zu verlegen.“ 119<br />
Bodenindikatoren haben vor dem Hintergrund der Etablierung bodengebunder Leitsysteme ver-<br />
schiedene Aufgaben zu erfüllen. Darunter fallen:<br />
1. Rauigkeitsunterschied <strong>zum</strong> umgebenden Bodenbelag zur taktilen Wahrnehmung<br />
2. Geräuschunterschied <strong>zum</strong> umgebenden Bodenbelag zur auditiven Wahrnehmung<br />
3. Sichtbarer Kontrast <strong>zum</strong> umgebenden Bodenbelag zur optischen Wahrnehmung<br />
Alle drei dieser Aufgaben sollten erfüllt sein, ansonsten ist der Einbau eines solchen Bodenindikators<br />
aus funktionaler Sicht nicht vertretbar. 120<br />
Aufmerksamkeitsfeld<br />
„Aufmerksamkeitsfelder sind durch Bodenindikatoren definierte Flächen, die z. B. auf Verzweigungen<br />
von Leitstreifen, Niveauwechsel sowie Fußgängerüberwege, Haltestellen, Bahnübergänge und Infor-<br />
mationselemente aufmerksam machen.<br />
Im Verlauf von Gehflächen Hinweis auf:<br />
Niveauwechsel im Gehweg (Rampen mit mehr als 6% Längsneigung und Treppen),<br />
Anfang und Ende von Leitstreifen, wenn keine Auffangstreifen angeschlossen sind,<br />
Verzweigungen von Leitstreifen,<br />
seitlich gelegene Haltestellen,<br />
beschrankte und unbeschrankte Bahnübergänge,<br />
Informationselemente für Blinde und Sehbehinderte<br />
Einsatz bei:<br />
Fußgängerfurten und -überwegen,<br />
Fahrtreppen und Aufzügen,<br />
Straßenbahn- und Bushaltestellen <strong>zum</strong> Auffinden des Einstieges.<br />
Aufmerksamkeitsfelder müssen in der Regel eine Tiefe von mindestens 900 mm (bei Ausführung in<br />
Metall, schwingend, mindestens 750 mm) haben und vor Treppen und Rampen mit mehr als 6%<br />
119<br />
Internetauftritt zur Norm 32984 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din32984aufmerksamkeitsfelder.htm,<br />
abgerufen am 06.08.2010.<br />
120<br />
Vgl. Metlitzky, Nadine; Engelhardt, Lutz: Barrierefrei Städte bauen – Orientierungssysteme im öffentlich Raum, Fraunho-<br />
fer IRB Verlag, Stuttgart, S. 72.<br />
45
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
Längsneigung, an Fußgängerüberwegen, Bahnübergängen und Haltestellen über die gesamte Geh-<br />
spurbreite der Zugangsanlage reichen.“ 121<br />
Weitere spezifische Anforderungen zur DIN 32984 sind in der genannten einschlägigen Quelle nach-<br />
zulesen. Diese recht allgemeine Abhandlung reicht an diesem Punkt für die später durchgeführten<br />
Untersuchungen aus.<br />
2.4.3.3 Diskussion zur Gestaltung barrierefreier Querungsanlagen<br />
Der heutige Trend bei der baulichen Einrichtung von Querungsstellen vom Fuß- und Radverkehr über<br />
den Straßenverkehr ist die sogenannte Nullabsenkung des Bordsteins, sprich eine niveaugleiche An-<br />
passung zwischen Bürgersteig und Radweg hin zur Straße. Diese Nullabsenkung soll behinderten<br />
Menschen, die eine Gehbehinderung aufweisen, einen leichten Übergang an Querungsstellen ermög-<br />
lichen. Dabei wird aber in vielen Fällen außer Acht gelassen, dass eine ausreichende Sicherung insbe-<br />
sondere für blinde Menschen in Form einer taktilen Information, vorhanden sein muss. Ansonsten ist<br />
keine Sicherheit für diese Gruppe gewährleistet, denn ein nichtsehender Mensch kann unmöglich in<br />
einer für ihn unbekannten Umgebung bei geringem Verkehrsaufkommen ohne taktile Informationen<br />
gefahrenlos eine Straße überqueren. Er muss darauf aufmerksam gemacht werden. 122<br />
Abbildung 7: Nullabsenkung des Bordsteins. Quelle: (links) Internetauftritt der Seite Profilbeton, aufgerufen unter:<br />
http://www.profilbeton.de/IT/images/bild_startseite.jpg, abgerufen am 09.08.2010. (rechts) Internetauftritt für barrieref-<br />
reie Mobilität, aufgerufen unter: http://www.barrierefrei-mobilitaet.de/media/images/Fulda-Mainstrasse.jpg, abgerufen<br />
am 09.08.2010.<br />
Dabei stellt sich die Frage wie diese Gefahrensituation bereinigt werden kann. So wird in der Fachli-<br />
teratur empfohlen, dass „eine visuelle und taktil deutlich wahrnehmbare Kennzeichnung des Über-<br />
121<br />
Internetauftritt zur Norm 32984 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din32984aufmerksamkeitsfelder.htm,<br />
abgerufen am 06.08.2010.<br />
122<br />
Vgl. Internetauftritt zur nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/querungsanlagen.htm, abgerufen am<br />
06.08.2010.<br />
46
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
gangs von *beispielsweise+ einer Fußgängerzone zu Straßen *…+ zur Vermeidung von Unfällen erfor-<br />
derlich *ist+.“ 123 Dies kann zurzeit baulich nur durch taktil ertastbare Bodenindikatoren und Aufmerk-<br />
samkeitsfelder geschehen, wenn nicht eine Ampel mit akustisch wahrnehmbarem Geräusch vorhan-<br />
den ist. Es sollten jedoch bei der Querung größerer Straßenordnungen beide Einrichtungen vorhan-<br />
den sein.<br />
2.5 Zwischenfazit<br />
Das Kapitel „Stadträumliche Barrieren für bewegungseingeschränkte Menschen“ umfasst alle not-<br />
wendigen theoretischen Grundlagen und Aussagen zur Barrierefreiheit in Deutschland. Somit wurden<br />
der Planungsanlass und die strategischen sowie die detaillierten Zielvorstellungen der Arbeit behan-<br />
delt.<br />
Es galt zunächst den Geltungsbereich einzugrenzen, in welchem die Barrierefreiheit eine Rolle spielt.<br />
Dieser Raum ist der öffentliche Raum. Ausschließlich hier können der Staat und somit auch die Pla-<br />
nung Einfluss nehmen. Zunächst wurde jedoch der Begriff der Barriere allgemein definiert und insbe-<br />
sondere durch die Aspekte der mentalen Belastung und Stress ergänzt. Die Vermutung, dass eine<br />
kausale Wirkungskette zwischen einer physischen und mentalen Barriere besteht, lässt sich nicht von<br />
der Hand weisen und nimmt auch unmittelbar Einfluss auf die gesetzlichen Definitionen von Barrie-<br />
refreiheit im planerischen Kontext. Nach der Klärung des Begriffs der Barrierefreiheit, lässt sich auf<br />
Beeinträchtigungen behinderter Menschen im Gefüge von Stadt schließen. Insbesondere die Grup-<br />
pen der blinden und sehbehinderten, der geh- und stehbehinderten sowie der geistig behinderte<br />
Menschen und deren Eigenschaften sind die maßgeblichen Determinanten im innerstädtischen Le-<br />
bensraum und der späteren Studien. Die daraus entwickelten Erkenntnisse sind nun in allgemeine<br />
Anforderungen und Raumbedarf behinderter und mobilitätseingeschränkter Menschen gefasst.<br />
In Folge dieser Analyse des Faktors Mensch in der Stadt, wurde auf gesamtstaatliche und gesell-<br />
schaftliche Rahmenbedingungen in Form des demographischen Wandels und der Behindertenpolitik<br />
in Deutschland eingegangen. Dieses Unterkapitel zeigt deutlich, dass die Etablierung der Barrierefrei-<br />
heit in Deutschland ein kontinuierlicher Prozess ist, der stetig neuen Ansprüchen genüge sein muss.<br />
Dafür spricht auch das zuletzt geänderte Verständnis weg vom Integrationsgedanken hin <strong>zum</strong> Inklu-<br />
sionsgedanken. Die Gesellschaft hat zukünftig die Aufgabe, behinderte und alte Menschen in den<br />
Mittelpunkt ihres Handelns und Denkens zu führen und nicht umgekehrt. Dies ist auch unabdingbar,<br />
wenn man davon ausgeht, dass der Anteil vor allem der älteren Menschen aufgrund des demogra-<br />
phischen Wandels weiter zunehmen wird. In diesem Kontext zeigt der Behindertenbericht der Bun-<br />
desregierung 2009 Erreichtes aber auch in Zukunft Notwendiges hinsichtlich der Barrierefreiheit auf.<br />
Die stetigen Neuerungen haben sich auch einschlägig in Gesetzen und Verordnungen bemerkbar<br />
gemacht. So sind die Entwicklungen und die Ansprüche auf vielerlei politischen Ebenen aufgezeigt.<br />
123 Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.)(2000): Bürgerfreundliche und behindertengerechte<br />
Gestaltung des Straßenraums: Ein Handbuch für Planer und Praktiker, in: „direkt“-Schriftenreihe Nr. 54_2000, Berlin, S. 27.<br />
47
Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />
Dieser Vorgang reicht von weltpolitischen Institutionen wie die Vereinten Nationen über die Europäi-<br />
sche Charta der Menschenrechte hin zu nationalen Gesetzen. Eine fortwährende Fortschreibung<br />
dieser rechtlichen Elemente ist somit eine logische Entwicklung. Innerhalb des Themenbereichs wur-<br />
de immer weiter abgeschichtet, bis der Geltungsbereich der späteren Studien erreicht ist. Dieser<br />
Geltungsbereich ist durch den öffentlichen unbebauten Raum charakterisiert.<br />
Als nunmehr letzte Konkretisierungsstufe wurde sich dem Thema der städtebaulichen Vorgaben an-<br />
genommen. Hierbei ist eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit städtebaulichen Rahmenbedin-<br />
gungen in den Kommunen erfolgt. Aufgrund dessen konnten elementare Komponenten für die<br />
Bauleit- und Stadtplanung im Baugesetzbuch ausgemacht werden. Dabei spielen insbesondere Stadt-<br />
erneuerungs- und Umbaumaßnahmen eine entscheidende Rolle. Das Baugesetzbuch rückt auch in<br />
seinen Vorgaben zur Erstellung von Bauleitplänen die Belange behinderter und alter Menschen all-<br />
gemein in den Vordergrund. Das Stichwort der Lebensqualität ist hier ausschlaggebend. Es gilt diese<br />
für alle Personengruppen gleichberechtigt zu verbessern. Die weitere Intention dieses Unterkapitels<br />
war das Aufzeigen des vorhandenen Instrumentariums zur Schaffung von Barrierefreiheit, welches<br />
der Stadtplanung zur Verfügung steht. Vor allem die DIN-Normen 18024 Teil 1 sowie ergänzende<br />
Normen wie die DIN 32984 wurden diskutiert. Ziel war es ein Katalog darzustellen, welcher für die<br />
späteren Studien die essentiellen Barrieren behandelt. Dies ist in zielorientiertem Maße gelungen.<br />
Damit wurde dem planerischen Top-Down-Ansatz Rechnung getragen. Es ist nun möglich den späte-<br />
ren Untersuchungsraum aus fachlicher Sicht zu bewerten und zu optimieren.<br />
Im weiteren Verlauf der Arbeit wird auf nun auf das Gegenstück des Top-Down-Ansatzes eingegan-<br />
gen. Der Bottom-Up-Ansatz, welcher im folgenden Kapitel behandelt wird, soll dafür Sorge tragen,<br />
dass der partizipiale Anspruch an die heutige Planung erfüllt wird. Dabei stellt sich die Fragestellung,<br />
wie Barrieren aus Betroffenensicht gemessen werden können und wie dadurch die subjektive Wahr-<br />
nehmung beeinflusst wird. Es gilt hieraus Befunde zur Erklärung und Messung innerstädtischer Le-<br />
bensqualität abzuleiten.<br />
48
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Kapitel 3<br />
Konzepte und Instrumente zur<br />
Messung der subjektiven<br />
Lebensqualität<br />
3.1 Die zwei Dimensionen der Lebensqualitätsforschung Seite 50<br />
3.2 Das Konzept des ‚subjective well-being‘ Seite 52<br />
3.3 Messmethoden affektiven und kognitiv-evaluativen Wohlbefindens Seite 56<br />
3.4 Zwischenfazit: Grenzen der Instrumente zur Messung der<br />
subjektiven Lebensqualität bei der Erfassung stadträumlicher<br />
Barrieren Seite 61
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />
Kapitel 3 - Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven<br />
Lebensqualität<br />
„Die Erreichung und Aufrechterhaltung einer hohen Lebensqualität ist ein zentrales Ziel der Gesell-<br />
schaftspolitik, das alle Altersgruppen gleichermaßen umfasst.“ 124 Das ‚Besser‘ gegenüber dem ‚Mehr‘<br />
ist Grundleitsatz innerhalb des Konzeptes der Lebensqualität. Das Konzept gründet sich auf ein<br />
mehrdimensionales Verständnis des ‚guten Lebens‘ und somit auch der individuellen Wohlfahrt, wel-<br />
che beispielsweise im skandinavischen Wortgebrauch mit dem Begriff der Lebensqualität gleichzu-<br />
setzen ist. Materielle sowie immaterielle, objektive und subjektive Komponenten sind gleichermaßen<br />
hierin enthalten. Die Betrachtungsebene des subjektiven Erlebens der Umwelt ist insbesondere für<br />
empirische Beobachtungen (wie auch später innerhalb der Studien) von Bedeutung. 125 Im Kontext<br />
behinderter und mobilitätseingeschränkter Menschen ist das subjektive Empfinden und Erleben ein<br />
unabdingbares Kriterium zur Bewertung der räumlichen Umwelt. So gilt es Un-/Wohlbereiche in der<br />
Innenstadt zu identifizieren und dabei positiv erkannte Bereiche weiter zu stärken sowie negativ er-<br />
kannte Bereiche qualitativ aufzuwerten. Im folgenden Kapitel werden deshalb zunächst objektive<br />
und subjektive Lebensqualitätsansätze behandelt, um darauf aufbauend das Konzept des „Subjective<br />
Well-being“ (übersetzt: Subjektives Wohlbefinden) und dessen Komponenten weiter zu untersuchen<br />
(siehe Abbildung 8).<br />
Abbildung 8: Schematischer Aufbau der Lebensqualitätsforschung. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Letztendlich werden die einzelnen Messmethoden <strong>zum</strong> subjektiven Wohlbefinden bestimmt und<br />
deren Grenzen in der Anwendung aufgezeigt, mit dem Ziel eine geeignete Methode zur Messung<br />
innerstädtischer Barrieren aus Betroffenensicht zu identifizieren. Das Kapitel hat ebenfalls zur Aufga-<br />
be, einen Konsens der bisherigen Forschungen zur Lebensqualität und vertieft <strong>zum</strong> subjektiven<br />
124 Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hrsg.) (2002): Das hohe Alter – Konzepte, Forschungsfelder, Lebensqualität, in:<br />
Expertisen <strong>zum</strong> vierten Altenbericht, Band 1, Hannover, S.238.<br />
125 Vgl. Ebenda, S. 238 f.<br />
49
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Wohlbefinden zu erreichen, auf welchem in den späteren Kapiteln methodisch aufgebaut werden<br />
kann.<br />
3.1 Die zwei Dimensionen der Lebensqualitätsforschung<br />
Die Erfassung der Lebensqualität als bewertbarer Inhalt beschäftigt bereits seit Jahrzehnten die For-<br />
schung. Viele Fachdisziplinen haben das Themenfeld der Lebensqualität zu ihrem Untersuchungsob-<br />
jekt gemacht, mit dem Ziel diese für den Mensch umfassend zu verbessern. Somit überrascht nicht,<br />
dass sich eine Vielzahl von Psychologen, Soziologen, Ökonomen, aber auch beispielsweise Raum- und<br />
Stadtplaner ihre eigenen Definitionen und berührende Themenbereiche festgelegt haben. In der<br />
Lebensqualitätsforschung können zwei historische Ansätze ausgemacht werden, wie die Lebensquali-<br />
tät bestimmt und gemessen wird. Diese zwei Dimensionen umfassen die ‚Objektive Lebensqualität‘<br />
(skandinavischer Ansatz) sowie die ‚Subjektive Lebensqualität‘ (amerikanischer Ansatz). 126<br />
3.1.1. Objektive Lebensqualität<br />
Das Konzept „level of living-approach“, auch genannt Konzept der Ressourcen, beschreibt die Erfas-<br />
sung und die Messung der Lebensqualität anhand externer Komponenten und deren Indikatoren.<br />
Diese Indikatoren sind in diesem Zusammenhang als Ressourcen gekennzeichnet, welche dem Men-<br />
schen zur Verwirklichung und Erfüllung des eigenen Lebens zur Verfügung stehen. Dieser Ansatz be-<br />
schreibt den sogenannten skandinavischen Ansatz als eine Tradition zur konzeptionellen Erfassung<br />
und Messung der Lebensqualität, da er in Schweden und den restlichen nordischen Ländern erstmals<br />
etabliert wurde. 127<br />
Die Lebensqualität, bzw. die individuelle Wohlfahrt, liegt in diesem Sinne in der Kontrolle des Indivi-<br />
duums, welchem mobilisierbare Ressourcen zur Verfügung stehen. Mit deren Hilfe ist der Mensch in<br />
der Lage seine Lebensbedingungen zu kontrollieren und bewusst zu steuern. 128 Diese mobilisierbaren<br />
Ressourcen sind externe Aspekte, auf welche der Mensch individuell Einfluss nehmen kann. Darunter<br />
fallen insbesondere soziale und gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und kulturelle Kompo-<br />
nenten, welche eine Operationalisierung über objektive Indikatoren möglich machen (siehe Tabelle<br />
2).<br />
Die Messung der objektiven Lebensqualität kann somit durch Wertgebung, Gewichtung und Prüfung<br />
der einzelnen Ressourcen und deren Indikatoren erfolgen. Die Ressourcen sind alle externer Natur.<br />
Somit beantwortet der skandinavische Ansatz objektiv und von außen erfassbaren Lebensbedingun-<br />
gen. Fragen des inneren, persönlichen Gemütszustandes demgegenüber allerdings nicht. Der Aspekte<br />
126<br />
Vgl. Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hrsg.) (2002): Das hohe Alter – Konzepte, Forschungsfelder, Lebensqualität, in:<br />
Expertisen <strong>zum</strong> vierten Altenbericht, Band 1, Hannover, S.239.<br />
127<br />
Vgl. Erikson, Robert (1989): Descriptions of Inequality: The Swedish Approach to Welfare Research, in: Wider – Working<br />
Papers, p67, Swedish Institute for Sozial Research, University of Stockholm, S. 1. E-Paper:<br />
http://www.wider.unu.edu/publications/working-papers/previous/en_GB/wp-<br />
67/_files/82530826680733067/default/WP67.pdf.<br />
128<br />
Vgl. Erikson, Robert (1974): Welfare as a Planning Goal, in: Acta Sociologica, Vol. 17, No. 3 (1974), Nordic Sociological<br />
Association, Oslo, S. 273.<br />
50
Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />
der individuellen Zufriedenheit und dem Glücklich-Sein des Menschen widmet sich die Lebensquali-<br />
tätsforschung zur subjektiven Lebensqualität.<br />
Komponenten Indikatoren<br />
1. Gesundheit und Zugang zur<br />
Gesundheitsvorsorge<br />
2. Beschäftigung und Arbeitsbedingungen<br />
3. Ökonomische Ressourcen<br />
Fähigkeit 100m zu gehen, verschiedene Krank-<br />
heitssymptome, Kontakt zu Ärzten<br />
Arbeitslosigkeitserfahrungen, Arbeitsanforderun-<br />
gen, Kündigungsmöglichkeiten<br />
Einkommen und Reichtum, Besitz, Möglichkeit<br />
unvorhergesehene Ausgaben bis zu 1000 $ inner-<br />
halb einer Woche zu decken<br />
4. Bildung und Fähigkeiten Bildungsjahre, erreichter Grad der Bildung<br />
5. Familie und soziale Integration<br />
Ehelicher Status, Kontakt mit Freunden und Ver-<br />
wandten<br />
6. Wohnen Personen pro Zimmer, Ausstattung<br />
7. Sicherheit Exposition zu Gewalt und Diebstahl<br />
8. Rekreation und Kultur Freizeitstreben, Ferienausflüge<br />
9. Politische Ressourcen<br />
Wahlmöglichkeiten, Mitgliedschaft in Vereinigun-<br />
gen und politischen Parteien, Möglichkeiten Kom-<br />
plimente einordnen zu können<br />
Tabelle 2: Komponenten und typische Faktoren des „Level of living-approach“ zur Feststellung der objektiven Lebensquali-<br />
tät. Quelle: Eigene Bearbeitung auf Grundlage Erikson, Robert (1989) 129<br />
3.1.2 Subjektive Lebensqualität<br />
Das Konzept der subjektiven Lebensqualität ist allgemein als der amerikanische „quality of life“-<br />
Ansatz 130 bekannt und beschreibt eine soziologische Annäherung an das Phänomen der Lebensquali-<br />
tät aus Sicht des Individuums. Subjektive Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse stehen hier im<br />
Gegensatz <strong>zum</strong> „level of living-approach“ im Fokus. Entstanden ist dieser Ansatz in der Soziopsycho-<br />
logie und der Mental-Gesundheitsforschung in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Das Konzept<br />
betont, dass der Wert der Lebensqualität daran zu messen ist, wie der Mensch seine Umwelt subjek-<br />
tiv wahrnimmt und empfindet. Dadurch kommt die Begrifflichkeit des „Subjektiven Wohlbefindens“<br />
zu Stande, welcher nach dieser Interpretation im Mittelpunkt der Entwicklung der Gesellschaft ste-<br />
hen müsste. Die Lebensqualität, welche im Auge des Betrachters liegt, wurde in diesem Kontext in<br />
129 Erikson, Robert (1989): Descriptions of Inequality: The Swedish Approach to Welfare Research, in: Wider – Working<br />
Papers, p67, Swedish Institute for Sozial Research, University of Stockholm, S. 3. E-Paper:<br />
http://www.wider.unu.edu/publications/working-papers/previous/en_GB/wp-<br />
67/_files/82530826680733067/default/WP67.pdf.<br />
130 Vgl. Campell, Agnus (1972): Aspiration, Satisfaction, and Fulfillment, in: The Human Meaning of Social Change, Russell<br />
Sage Foundation (Hrsg.), New York, S.441 f.<br />
51
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
der Forschung gezielt untersucht und evaluiert. 131 Zur Messung des subjektiven Wohlbefindens wur-<br />
den dabei subjektive Indikatoren wie beispielsweise Zufriedenheit, Glück und andere Maße des sub-<br />
jektiven Wohlbefindens verwendet, welche später näher erläutert werden.<br />
3.1.3 Objektive und subjektive Lebensqualität als Symbiose<br />
Insgesamt ist der amerikanische Ansatz jedoch insofern diskussionswürdig, ob er alleinig ausreicht<br />
die Lebensqualität im Gesamten zu bewerten. Objektive Indikatoren legen erst die Grundlage ein<br />
subjektives Wohlbefinden zu erreichen und können mit empirischen Untersuchungen <strong>zum</strong> subjekti-<br />
ven Wohlbefinden wiederum überprüft werden. Somit sollten beide Ansätze in einer Symbiose ver-<br />
folgt werden, um klare und valide Ergebnisse für Entscheidungsträger zu finden.<br />
Die objektiven Indikatoren zur Lebensqualität sind im Gegensatz zu den subjektiven Aspekten einfa-<br />
cher festzustellen, da sie von Dritten bewertbar sind. Im Falle behinderter und mobilitätseinge-<br />
schränkter Menschen ist die Barrierefreiheit in der Innenstadt als Top-Down-Ansatz den objektiven<br />
Indikatoren zuzuzählen. So wird im folgenden Verlauf insbesondere das subjektive Wohlbefinden<br />
(„Subjective well-being“) in seiner neuesten Entwicklung sowie dessen Komponenten und Messme-<br />
thoden näher untersucht, um die gewünschte Symbiose in der späteren Methodenentwicklung zu<br />
verwirklichen.<br />
3.2 Das Konzept des „subjective well-being“<br />
Generell ist ein breites Spektrum von Definitionen der internationalen Begrifflichkeit des „Subjectiv<br />
well-being“ (subjektiven Wohlbefinden) im Umlauf. Es ist eine große Varianz unter Forschern und<br />
Akademikern unterschiedlicher Fachkompetenzen festzustellen. Ebenso variieren die Definitionen in<br />
verschiedenen Sprachen. Aus diesem Grund wird im weiteren Verlauf auf die verschiedenen Begriffs-<br />
deutungen und –Verständnisse eingegangen und in einem zusammengeführten Model aufgezeigt. In<br />
den meisten Fällen überschneiden sich die unterschiedlichen Konzepte und Definitionen des<br />
„Subjective well-being“, welche der Forschungskategorie der Glücksforschung unterliegt. Prinzipiell<br />
decken die Definitionsansätze der Psychologen ein weiteres Untersuchungsfeld ab, als die Ansätze<br />
der Soziologen und der Ökonomen. 132<br />
3.2.1 Psychologisches Wohlbefinden<br />
Psychologen verwenden den Begriff des subjektiven Wohlbefindens oftmals als ‚psychologisches<br />
Wohlbefinden‘ oder ‚positive psychische Verfassung‘. Eine typische Definition des subjektiven Wohl-<br />
befindens bestimmt, dass das blühende Leben aus einer Kombination von Wohlfühlen und effekti-<br />
131<br />
Vgl. Campell, Agnus (1972): Aspiration, Satisfaction, and Fulfillment, in: The Human Meaning of Social Change, Russell<br />
Sage Foundation (Hrsg.), New York, S.442 f.<br />
132<br />
Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris.<br />
S.5. E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />
52
Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />
vem Funktionieren besteht. 133 Aus der Sicht der Psychologen beinhalten die Komponenten des psy-<br />
chologischen Wohlbefindens, welche sich auf das Wohlfühlen beziehen, positive Emotionen (Zufrie-<br />
denheit, Glück), aber auch Interesse, Engagement, Zuversicht sowie soziale Relationen. Diejenigen<br />
Komponenten, welche sich auf das ‚Funktionieren‘ beziehen, haben die Aspekte des Lebensziels,<br />
Kontrolle-Habens, Potenziale-Abrufens sowie des Befriedigen sozialer Ansprüche in sich vereint. 134<br />
Auch die Weltgesundheitsorganisation beschreibt die psychische Verfassung und das geistige Funkti-<br />
onieren als ein Konzept, welches unter anderem subjektives Wohlbefinden, wahrgenommenes<br />
Selbstvertrauen, Autonomie, Kompetenz, intergenerative Abhängigkeit sowie Selbstverwirklichung<br />
des intellektuellen und emotionalen Potenzials 135 umgreift. Eine weitere Definition aus dem Bereich<br />
der Psychologie sagt aus, dass das subjektive Wohlbefinden beschreibt, wie Menschen ihr Leben<br />
evaluieren - einschließlich Variablen wie Lebenszufriedenheit, eheliche Zufriedenheit, Fehlen von<br />
Bedrücken und Angstgefühl sowie positive Gemütszustände und Emotionen. 136<br />
3.2.2 Subjektives Wohlbefinden<br />
Äußere Qualitäten Innere Qualitäten<br />
Lebensaussicht Erleben der Umwelt Lebensfähigkeit einer Person<br />
Ökologisch, Sozial, Ökonomisch, Kulturell<br />
Physische Gesundheit, Mentale Ge-<br />
sundheit, Wissen, Fähigkeiten, Le-<br />
bensstil<br />
Lebensergebnis Objektiver Nutzen der Umwelt Subjektive Wertschätzung des Lebens<br />
Äußerer Nutzen (bspw. für die Gesellschaft:<br />
Ein guter Bürger sein), Moralische Perfektion<br />
etc.<br />
Wertschätzung von Lebensaspekten,<br />
Vorherrschender Gemütszustand,<br />
Allgemeine Wertschätzung (Affektiv:<br />
generelle Gemütszustand, Kognitiv:<br />
Lebenszufriedenheit)<br />
Tabelle 3: Definitionsklassifikationen nach Veenhoven. Quelle: Eigene Bearbeitung auf Grundlage von: Veenhoven, Ruut<br />
(2000): THE FOUR QUALITIES OF LIFE - Ordering concepts and measures of the good life, in: Journal of Happiness Studies,<br />
2000, vol 1, S.11.<br />
Soziologen und Ökonomen definieren subjektives Wohlbefinden in einem weitaus engeren Sinne als<br />
dies der psychologische Ansatz vornimmt. Beispielsweise werden physisches und mentales Funktio-<br />
nieren nicht als Komponenten des subjektiven Wohlbefindens angesehen, sondern eher als deren<br />
Voraussetzungen. Ebenfalls ausgenommen von der soziologischen und ökonomischen Definition des<br />
subjektiven Wohlbefindens sind Aspekte nach dem Sinn des Lebens. Dieser Sinn des Lebens umfasst<br />
133<br />
Vgl. Huppert, Felicia; So, Timothy (2009): What percentage of people in Europe are flourishing and what characterises<br />
them?, Well-Being Institute, University of Cambridge, S.1. E-Paper:<br />
http://www.isqols2009.istitutodeglinnocenti.it/Content_en/Huppert.pdf.<br />
134<br />
Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris.<br />
S.5f. E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />
135<br />
Vgl. World Health Organization WHO (Hrsg.) (2001): The World Health Report 2001 - Mental Health: New Understanding,<br />
New Hope, S.5. E-paper: http://www.who.int/whr/2001/en/whr01_en.pdf.<br />
136<br />
Vgl. Diener, Ed; Suh, Eunkook; Oishi, Shigehiro (1997): Recent Findings on Subjective Well-Being, in: Indian Journal of<br />
Clinical Psychology, March 1997, S.1 f. E-Paper:<br />
http://www.filozofija.lv/research/Ed_Diener_Recent_Findings_on_Subjective_Well-Being.doc<br />
53
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
beiderseits objektive (äußere Qualitäten) und subjektive (innere Qualitäten) Dimensionen der Le-<br />
bensaussicht und des Lebensergebnis. Innerhalb dieses Konzeptes besteht das subjektive Wohlbefin-<br />
den aus der subjektiven Wertschätzung des Lebens innerhalb des Lebensergebnisses. 137 Derweil gibt<br />
es in der Fachliteratur 138 eine detaillierte Klassifikation dieser Aspekte, welche die verschiedensten,<br />
konkurrierenden Konzepte (und Messmethoden) vergleichend darstellt. Die subjektive Wertschät-<br />
zung spricht dabei bereits von einer affektiven und einer kognitiven Komponente zur allgemeinen<br />
Wertschätzung des Individuums.<br />
3.2.3 Affektive und kognitive Komponenten des ‚Subjective Well-being‘<br />
Das Konzept des ‚Subjective Well-being‘ (Subjektives Wohlbefinden), welches aus der Sicht des Indi-<br />
viduums subjektiv beurteilt wird, setzt sich in der Fachliteratur 139 aus zwei Komponenten zusammen:<br />
der affektiven und der kognitiven Komponente. Beide Komponenten sind klar voneinander abgrenz-<br />
bar. Die affektive Komponente stellt dabei die momentan vorherrschenden emotionalen Zustände<br />
und augenblicklichen Gefühle eines Individuums dar. Die kognitive Komponente dagegen ist als eine<br />
ex-post und retrospektive Bewertung der Lebensqualität als Ganzes, sprich der Lebenszufriedenheit,<br />
definiert. 140 Zusammenfassend bezieht sich die affektive Komponente auf das hier und jetzt und die<br />
kognitive Komponente auf den kompletten Zeithorizont des menschlichen Lebens bis <strong>zum</strong> Zeitpunkt<br />
der Evaluation. Der Begriff kognitiv ist somit mit einem Erinnerungsprozess gleichzusetzen. Der Affekt<br />
äußert sich in einer unmittelbaren, ungefilterten physischen Reaktion, wogegen der kognitive Erinne-<br />
rungsprozess eine, <strong>zum</strong>indest innere, Abfrage des vergangenen Erlebten reflektiert. Dies zeichnet<br />
auch das Ergebnis des kognitiven Prozesses aus, welcher vor allem besonders starke Erlebnisse wie-<br />
der gibt. Generell wird die affektive Komponente als Spiegel des ‚emotionalen Wohlbefindens‘, des<br />
‚Affekt‘ oder des ‚hedonischen Flusses von Freude und Schmerzen‘ herangezogen. 141 Der kognitive<br />
Ansatz wird als Lebenszufriedenheit oder Glück charakterisiert. 142 Die Forschung hat sich dieser bei-<br />
den Komponenten weiter angenommen, jedoch auch mit weiteren eigenen Begriffen geprägt. So<br />
wird die affektive Komponente als ‚erfahrener Wert‘, 143 die kognitive Komponente als ‚Entschei-<br />
dungswert‘ oder ‚Erinnerungswert‘ bezeichnet. 144<br />
137<br />
Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris.<br />
S.5. E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />
138<br />
Vgl. Veenhoven, Ruut (2000): THE FOUR QUALITIES OF LIFE - Ordering concepts and measures of the good life, in: Journal<br />
of Happiness Studies, 2000, vol 1, Springer Verlag Niederlande, S.11. E-paper:<br />
http://www2.eur.nl/fsw/research/veenhoven/Pub2000s/2000c-full.pdf.<br />
139<br />
Vgl. Diener, Ed; Suh, Eunkook; Oishi, Shigehiro (1997): Recent Findings on Subjective Well-Being, in: Indian Journal of<br />
Clinical Psychology, March 1997, S. 1f. und S. 5. E-Paper:<br />
http://www.filozofija.lv/research/Ed_Diener_Recent_Findings_on_Subjective_Well-Being.doc<br />
140<br />
Ebenda S.4 f.<br />
141<br />
Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris.<br />
S.7. E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />
142<br />
Diener, Ed; Suh, Eunkook.; Lucas, Richard; Smith, Heidi (1999): Subjective WellBeing: Three Decades of Progress, in:<br />
Psychological Bulletin, Vol. 125, No. 2, S. 277. E-Paper:<br />
http://dipeco.economia.unimib.it/persone/stanca/ec/diener_suh_lucas_smith.pdf<br />
143<br />
Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B. (2006): Developments in the Measurement of Subjective Well-Being, in: Journal of<br />
Economic Perspectives, Volume 20, Number 1, Winter 2006, American Economic Association, S. 5 und S.17.<br />
144<br />
Ebenda S.5.<br />
54
Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />
Folgende Tabelle fasst die Unterschiede zusammen:<br />
Affektive Komponente des "Subjective Well-<br />
being"<br />
Definitionen und Charakteristika:<br />
Gefühle und Emotionen, Freuden und Schmerzen Lebensqualität als Ganzes<br />
unmittelbar ex-post, retrospektiv<br />
Kognitive Komponente des "Subjective Well-being"<br />
hedonisch (lustbestimmt) eudaimonisch (glückseelig)<br />
Ereignisbestimmt global<br />
Alternative Begrifflichkeiten:<br />
Momentwert oder -Aufnahme<br />
Hedonischer Wert oder Aufnahme<br />
Affekt<br />
Glück<br />
affektives Wohlbefinden kognitives Wohlbefinden<br />
Erfahrungswert oder -Aufnahme Erinnerungswert oder -Aufnahme<br />
Prozesstechnischer Wert oder Aufnahme /<br />
prozesshafter Nutzen<br />
Datenerfassung:<br />
Entscheidungswert - oder Aufnahme / Ergebniswert -<br />
oder Aufnahme<br />
Laborexperimente Befragungen<br />
"Day Reconstruction"-Methode (DRM)<br />
"Experience Sampling"-Methode (ESM)<br />
Tabelle 4: Komponenten des „Subjective Well-being“ (Subjektives Wohlbefinden): Defintionen, alternative Begrifflichkeiten,<br />
Datenerfassung. Quelle: Eigene Bearbeitung auf Grundlage von: Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as<br />
Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris. S.8. E-Paper: http://mpra.ub.uni-<br />
muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />
Trotz ihrer konzeptionellen Unterschiede haben beide Komponenten des ‚Subjective Well-being‘<br />
nicht nur den Referenzpunkt des Subjektiven gemeinsam, was bedeutet, dass sie sich nach dem inne-<br />
ren Prozess des Individuums richten. Vielmehr können beide Komponenten nicht direkt oder objektiv<br />
von einem Außenstehenden beobachtet werden. Dies stellt nochmals den Unterschied zwischen<br />
objektiven und subjektiven Lebensqualitätsbestimmung heraus. Die meisten Messmethoden versu-<br />
chen die Aspekte ‚Affekt‘ und ‚Lebenszufriedenheit‘ als Selbstbericht oder Eigenevaluation zu erfas-<br />
sen und sind somit im messbaren Sinne subjektiv, 145 jedoch gibt es auch noch andere Möglichkeiten<br />
diese zu erfassen (siehe Kapitel 3.3 ‚Messmethoden affektiven und kognitiven Wohlbefindens‘)<br />
Insgesamt sind im städtischen Planungsprozess wohl beide Komponenten des subjektiven Wohlbe-<br />
findens zu beachten. Die kognitiven Aspekte beschreiben dabei besonders prägende Momente, die<br />
145 Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris.<br />
S.7. E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />
55
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
als harter Indikator für bestimmte Missstände im negativen Sinne stehen können. Diese Momente<br />
sind im Gedächtnis stark verankert und über einen längeren Zeitraum abrufbar. Affektbedingte Er-<br />
lebnisse, also unmittelbar Erlebtes, gerät im Vergleich zu kognitiven Erlebnissen meist in den gedank-<br />
lichen Hintergrund. Jedoch sind es gerade die unmittelbaren Geschehnisse, welche auf eine umgrei-<br />
fende Erfassung des subjektiven Wohlbefindens schließen lassen. Zu wissen wie sich ein Mensch in<br />
jedem Moment (wohl-)fühlt, kann auf unmittelbare, räumlich begrenzte Einflüsse auf das Individuum<br />
schließen lassen und für Entscheidungsträger wie bspw. die Stadtplanung von hohem Wert sein.<br />
Wenn nun das affektive Wohlbefinden dementsprechend messbar wäre, könnten hierdurch be-<br />
stimmte, räumlich negative Einflüsse auf das subjektive Wohlbefinden herausgefiltert und behoben<br />
werden. Positive Einflüsse könnten dagegen weiter verstärkt werden. Diese Sachverhalte sprechen<br />
bereits für eine methodische Anwendung der Komponente des affektiven Wohlbefindens auf inner-<br />
städtische Barrieren.<br />
3.3 Messmethoden affektiven und kognitiv-evaluativen Wohlbefindens<br />
Das Operationalisieren der Messmethoden <strong>zum</strong> affektiven und kognitiven Wohlbefinden steht im<br />
Verlauf des folgenden Abschnitts im Fokus. Es gilt die einzelnen Instrumente zur Messung des Wohl-<br />
befindens darzustellen, um diese dann in der Folge zu diskutieren. Der Zweck der Messung ist ele-<br />
mentarer Bestandteil zur Begründung der Anwendung entweder der einen oder anderen Komponen-<br />
te des Wohlbefindens. Unterschieden wird dabei zwischen prospektiver, also vorausschauender Me-<br />
thodik, und retrospektiver, zurückblickender Methodik gesprochen. Beide methodischen Ansätze der<br />
Erhebungsmöglichkeit können in sowohl affektiven, als auch kognitiven Messmethoden Geltung fin-<br />
den (siehe Tabelle 5).<br />
56<br />
prospektiv retrospektiv<br />
affektiv Experience Sampling Methode DRM (Day Reconstruction Methode)<br />
PANAS(pos.-neg.-scale)<br />
kognitiv Experience Sampling Methode Satisfaction with Life Scale, Surveys<br />
Tabelle 5: Messmethoden des affektiven und kognitiv-evaluativen Wohlbefindens. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Beide Komponenten des subjektiven Wohlbefindens, also affektiv und kognitiv, werden durch Befra-<br />
gung in verschiedenen Ausformungen erfasst und gemessen. Mittlerweile beinhaltet das Methoden-<br />
instrumentarium auch moderne Technologien wie beispielsweise zur Messung der elektrischen Leit-<br />
fähigkeit der Haut oder Hauttemperaturveränderung zur Feststellung emotionaler Zustände. Dieser<br />
Themenbereich wird in Kapitel 4.2.4 „Autonome Physiologie“ näher aufgenommen.<br />
3.3.1 Messung des affektiven Wohlbefindens<br />
Mit der Messung des affektiven Wohlbefindens haben sich ebenfalls viele Disziplinen wie die Psycho-<br />
logie, Soziologie und Ökonomie befasst. Ziel dieses Abschnittes ist es, einen Überblick über ausge-
Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />
wählte Messmethoden <strong>zum</strong> affektiven Wohlbefinden zu geben, um diese im weiteren Verlauf der<br />
Arbeit in einen Vergleich zu den kognitiven Messmethoden zu setzen.<br />
3.3.1.1 Laborexperimente<br />
Charakterisierend für die Affekt-Messung ist das Festhalten von Moment-zu-Moment-Aufnahmen zur<br />
Bestimmung der Veränderung von Freude oder Schmerz. Diese Erfahrungen können in Laborexperi-<br />
menten kontrolliert aufgezeichnet werden. Die Probanden werden ohne äußere Einflüsse gewissen<br />
Stimuli ausgesetzt, welche direkt evaluiert werden können. Das ist der kennzeichnende Vorteil bei<br />
Durchführung von Experimenten im Labor. 146<br />
In Experimenten der Konsumforschung und der Psychologie ist es notwendig, dass die Probanden<br />
einer bestimmten Erfahrung ausgesetzt werden. Die Exposition der Probanden zu lauten Geräuschen<br />
oder das Sehen eines Films sind dabei beispielhafte Ausführungen. Sie sollen dabei die Qualität ihrer<br />
Erfahrung unmittelbar in Echtzeit festhalten. Das Betätigen eines Hebels oder Drücken eines Knopfes<br />
kontrolliert dabei direkt eine vorgegebene Skala, welche den erlebten Erfahrungswert aufzeichnet.<br />
Die Skala ist mehrstufig, reichend von einem extrem positiven, über eine neutralen hin zu einem<br />
extrem negativen Wert. Zu Ende eines solchen Experimentes können die Probanden unmittelbar<br />
gefragt werden, ihre eigenen Erfahrungen zu evaluieren. Dieser retrospektive Ansatz zur Affektmes-<br />
sung wird angewandt, um aggregierte Erfahrungen des Experimentes zu sammeln und die gewonne-<br />
nen affektiven Daten zu validieren. 147<br />
Auch Laborstudien im Bereich der Stresserholung wenden ebenfalls unmittelbare Selbstbewertungen<br />
zur Messung affektiver Zustände an. Hier erfolgt ebenfalls die Messung auf einer Skalenbewertung<br />
nach und vor der Schau von beispielsweise natürlichen und städtischen Settings. 148<br />
Eine Möglichkeit diese affektiven Eindrücke kurz nach der Schau eines Videos oder dem Hören einer<br />
gewissen Geräuschkulisse zu messen, ist der kurze Affektzustands-Fragebogen ZIPERS 149 (Zuckerman<br />
Inventory of Personal Reactions). Die Bewertung der Affektzustände erfolgt über eine 5-Punkte-<br />
Skala, welche jeweils die fünf Faktoren Angst, positiver Affekt, Ärger/Aggression, Aufmerksam-<br />
keit/Interesse und Traurigkeit erfasst. 150<br />
146<br />
Vgl. Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B. (2006): Developments in the Measurement of Subjective Well-Being, in: Journal<br />
of Economic Perspectives, Volume 20, Number 1, Winter 2006, American Economic Association, S. 5. E-Paper:<br />
http://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/10.1257/089533006776526030.<br />
147<br />
Vgl. Ebenda.<br />
148<br />
Vgl. Ulrich, Roger S. (1991): Stress recovery during exposure to natural and urban environments, in: Journal of Environmental<br />
Psychology 11, Elsevier-Verlag, Oxford, S. 213.<br />
149<br />
Vgl. Zuckerman, M. (1977): Development of a situation-specific trait-state test for the prediction and measurement of<br />
affective responses, in: Journal of Consulting and Clinical Psychology 45, American Psychological Association, Washington<br />
DC., S.513-523.<br />
150<br />
Vgl. Zuckerman, M. (1977): Development of a situation-specific trait-state test for the prediction and measurement of<br />
affective responses, in: Journal of Consulting and Clinical Psychology 45, American Psychological Association, Washington<br />
DC., S.513.<br />
57
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
3.3.1.2 ‘Experience Sampling-Methode’ (ESM)<br />
Die optimale affektive Messmethode vermeidet Effekte der Wertung und der Erinnerung. Außerhalb<br />
eines Labors ist der Mensch aber ganz anderen Einflüssen ausgesetzt und er kann keine Hebel bewe-<br />
gen, um seine Freude oder sein Schmerz zu transportieren. Bei der ‚Experience Sampling-Methode‘<br />
befinden sich die Probanden in ihrer nahezu normalen Umwelt. Sie versucht so wenig wie möglich in<br />
den normalen Tagesablauf einzugreifen. Während der Durchführung der Methode werden den Pro-<br />
banden zu zufälligen Zeiten signalgebende Fragen gestellt. Durch diese Anwendung will die For-<br />
schung Erfahrungen von Probanden zu einem von ihnen gewählten Zeitpunkt erfahren. Obwohl die<br />
Methode sehr nützlich ist spezifische Ereignisse während des Tages zu erfassen, weist sie jedoch<br />
auch bedingt Mängel auf. Beispielsweise werden die Probanden trotzallem in einer Aktivität gestört<br />
oder es wird zu unpassenden Zeitpunkten eine Frage gestellt. 151<br />
Die Fragen während der Durchführung der Methode werden nicht etwa durch Begleitpersonen ge-<br />
stellt, sondern erfolgt durch tragbare Computer. Die Probanden werden dann im Laufe des Untersu-<br />
chungszeitraumes durch ein Signal des Computers aufgefordert, unmittelbar einige Fragen zu beant-<br />
worten. Dazu bekommen sie einige Menüs gezeigt, worin die Probanden ihren physischen Stand-<br />
punkt markieren, die Aktivitäten, die sie kurz vorher ausgeübt haben sowie die Personen mit denen<br />
sie interagiert haben. Zudem geben sie ihre aktuelle subjektive Erfahrung an, indem sie aufzeigen wie<br />
sie sich in diesem Moment fühlen (wütend, freudig, müde und ungeduldig). 152<br />
3.3.1.3 ‘Day-Reconstruction-Methode’ (DRM)<br />
Die ‚Day-Rekonstruction-Methode‘ beurteilt und misst wie Menschen ihre Zeit verbringen und sie<br />
diese verschiedene Aktivitäten und Zustände in ihrem Leben erfahren. Das Vorgehen in der Methode<br />
ist es, Erfahrungen einer Person eines bestimmten Tages am nächsten Tag durch eine systematische<br />
Rekonstruktion aufzuzeichnen. 153 Die Rekonstruktion erfolgt anhand eines selbstdurchzuführenden<br />
Fragebogens. 154 Dieser Fragebogen hat <strong>zum</strong> Inhalt eine bewusste Auseinandersetzung mit den erleb-<br />
ten Episoden des vergangenen Tages. Diese Episoden sind beispielsweise nach bestimmten Aktivitä-<br />
ten oder persönlichen Kontakten definiert. Desweiteren müssen die Befragten die Zeit abschätzen,<br />
wann die jeweilige Episode begann und wann sie endete. Anschließend werden die Befragten gebe-<br />
ten, affektive oder psychologische Wertungen für jede Episode abzugeben. Die systematische Rekon-<br />
struktion der Aktivitäten und Erfahrungen des vergangenen Tages haben <strong>zum</strong> Ziel, gewisse unmittel-<br />
bare Voreingenommenheiten des Vortags ab<strong>zum</strong>ildern. Die Vorteile des ‚Day-Reconstruction-<br />
Methode’ liegen darin, dass normale Aktivitäten nicht für eine Messung oder Befragung abgebrochen<br />
151<br />
Vgl. Kubey, R., Larson R.; Csikszentmihalyi M. (1996): Experience sampling method applications to communication research<br />
questions, in: Journal of Communication, Frühjahr 1996; Vol. 46, No. 2, S. 99.<br />
152<br />
Vgl. Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B. (2006): Developments in the Measurement of Subjective Well-Being, in: Journal<br />
of Economic Perspectives, Volume 20, No. 1, Winter 2006, S. 9. E-Paper:<br />
http://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/10.1257/089533006776526030<br />
153<br />
Vgl. Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B.; Schkade, David; Schwarz, Norbert; Stone, Arthur (2004): A survey method of<br />
characterizing daily life experience: The Day Reconstruction Method, in: Science 3, Dezember 2004, Vol. 306, No. 5702, S.<br />
1776. E-paper: http://www.sciencemag.org/cgi/content/full/306/5702/1776.<br />
154<br />
Vgl. Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B.; Schkade, David; Schwarz, Norbert; Stone, Arthur (2004): The Day Reconstruction<br />
Method – Instrument Documentation. E-Paper: http://www.krueger.princeton.edu/drm_documentation_july_2004.pdf.<br />
58
Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />
werden müssen, die Befragten weniger unter Druck stehen und eine globalere Beurteilung zusam-<br />
menhängender Tagesabläufe zugelassen wird, als dies bei der ‚Experience Sampling-Methode‘ der<br />
Fall ist. 155<br />
3.3.2 Messung des kognitiven-evaluativen Wohlbefindens<br />
Die Messung des kognitiven-evaluativen Wohlbefindens erfolgt in der Regel durch Befragungen und<br />
Interviews in Verbindung mit Ratingskalen, welche eine Summenaggregation der einzelnen Befra-<br />
gungseinheiten zulassen. Die Erfassung des kognitiven Wohlbefindens ist durch Eigenevaluation des<br />
vergangenen Erlebten bis <strong>zum</strong> Punkt der Abfragung gekennzeichnet.<br />
3.3.2.1 ‚Satisfaction with life scale‘ (SWLS)<br />
Die ,Satisfaction with life scale‘ ist als Messmethode des kognitiven Wohlbefindens in den 70er Jah-<br />
ren des 20. Jahrhunderts entwickelt worden und ist den ‚surveys‘ (Befragungen zur Lebenszufrieden-<br />
heit) zuzuordnen. Sie hat <strong>zum</strong> Ziel die globale, sprich allgemeine Lebenszufriedenheit des Individu-<br />
ums zu erfassen sowie zu beurteilen und berührt demnach nicht andere Konstrukte, welche sich mit<br />
positivem Affekt auseinandersetzen. 156 Die Skala gilt als eindimensionales Selbstbeurteilungsinstru-<br />
ment und erfolgt mittels Fragebogen. Das Maß der Zufriedenheit wird mit Hilfe einer Summenbil-<br />
dung aus fünf Befragungseinheiten gebildet, welche jeweils auf einer 7-stufigen Skala beantwortet<br />
und bewertet werden müssen. Die sieben Stufen reichen von ‚stimme völlig zu‘ (7 Punkte) bis hin zu<br />
‚weder noch‘ (4 Punkte) und im negativen Sinne zu ‚stimme überhaupt nicht zu‘ (1 Punkt). Dieses<br />
Rating betrifft die folgenden Feststellungen:<br />
1. In den meisten Bereichen entspricht mein Leben meinen Idealvorstellungen.<br />
2. Meine Lebensbedingungen sind ausgezeichnet.<br />
3. Ich bin mit meinem Leben zufrieden.<br />
4. Bisher habe ich die wesentlichen Dinge erreicht, die ich mir für mein Leben wünsche.<br />
5. Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich kaum etwas ändern.<br />
Aus der Wertung dieser Befragungseinheiten werden Summen gebildet und sind wie folgt zu inter-<br />
pretieren:<br />
35-31 extrem zufrieden<br />
26-30 zufrieden<br />
21-25 eher zufrieden<br />
20 neutral<br />
15-19 eher unzufrieden<br />
10-14 unzufrieden<br />
5-9 extrem unzufrieden<br />
155 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />
analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017,<br />
S.5.<br />
156 Vgl. Diener, Ed; Emmons, Robert; Larsen, Randy; Griffin, Sharon (1985): The Satisfaction<br />
with Life Scale, in: Journal of Personality Assessment, No. 49, S.71. E-Paper: http://www.unt.edu/rss/SWLS.pdf.<br />
59
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Aus dieser einfachen Aggregation lässt sich eine Aussage über die allgemeine Lebenszufriedenheit<br />
treffen. Um nochmal die vorherige Begriffsbestimmung des kognitiven Wohlbefindens aufzugreifen,<br />
bestimmt auch hier die kognitive Komponente den kompletten Zeithorizont des menschlichen Le-<br />
bens bis <strong>zum</strong> Zeitpunkt der Evaluation. 157<br />
3.3.2.2 Weitere Befragungen zur Lebenszufriedenheit<br />
Das Instrument der ‚surveys‘ (Befragung und Erhebung von Daten) findet rund um den Globus seine<br />
Anwendung. Der ‚World Values Survey‘(WVS) beispielsweise ist die umfangreichste Abfrage mensch-<br />
licher Werte, worin auch Fragen <strong>zum</strong> subjektiven Wohlbefinden enthalten sind. Dabei werden durch<br />
ein Exzellenzcluster von weltweitbeteiligten Sozialforschern der Status von soziokulturellen, morali-<br />
schen, religiösen und politischen Werten verschiedener Kulturen der Welt ermittelt. 158 Eine Folge-<br />
rung daraus, ist der sogenannte ‚happiness planet index‘ HPI (Welt-Glücklichkeits-Maßstab), welcher<br />
die Fröhlichkeit in Verbindung mit der Umwelt im jeweiligen Land wiedergibt. 159 Eine weitere be-<br />
kannte, repräsentative Befragung ist der ‚European Social Survey‘ (ESS) aus welchem später das<br />
‚World Values Survey‘ hervorgegangen ist. 160<br />
Auf nationaler Ebene hat sich der Wohlfahrtssurvey etabliert, welches eine Repräsentativumfrage<br />
darstellt, „die speziell für die Messung der individuellen Wohlfahrt und Lebensqualität konzipiert<br />
wurde.“ 161 Das Instrument umfasst verschiedene Bereiche der objektiven Lebensbedingungen und<br />
subjektiven Wohlbefinden in Deutschland. Es beinhaltet diesbezügliche bestimmte Indikatoren, wel-<br />
che in einem Trendverlauf und Zeitreihe dargestellt und analysiert werden können. „Der Wohlfahrts-<br />
survey bietet damit zugleich auch eine Datenbasis, die in besonderem Maße für die Analyse der<br />
Wohlfahrtsdisparitäten und die Beobachtung der Prozesse der Angleichung der Lebensverhältnisse in<br />
West- und Ostdeutschland geeignet ist.“ 162 Der Survey besteht immer aus einem feststehenden Teil,<br />
welcher Fragen zu<br />
„Objektiven und subjektiven Indikatoren für die einzelnen Lebensbereiche (wie Wohnen,<br />
60<br />
Einkommen, Beschäftigung, Bildung, Gesundheit, Ehe und Familie, soziale Netzwerke, Parti-<br />
zipation, Umwelt),<br />
Globale Maße subjektiven Wohlbefindens (wie Lebenszufriedenheit, Anomie, Besorgnis,<br />
Kompetenz),<br />
157 Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris.<br />
S.7. E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />
158 Vgl. Internetauftritt des World Values Survey WVS, aufgerufen unter: http://www.worldvaluessurvey.org/, abgerufen am<br />
26.08.2010.<br />
159 Vgl. Internetauftritt des Planet Happiness Index HPI, aufgerufen unter: http://www.happyplanetindex.org/, abgerufen<br />
am 26.08.2010.<br />
160 Vgl. Internetauftritt des European Sozial Survey ESS, aufgerufen unter: http://www.europeansocialsurvey.org/, abgeru-<br />
fen am 26.08.2010.<br />
161 Internetauftritt des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften GESIS, aufgerufen unter:<br />
http://www.gesis.org/dienstleistungen/daten/umfragedaten/wohlfahrtssurvey/, abgerufen am: 26.08.2010.<br />
162 Internetauftritt des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften GESIS, aufgerufen unter:<br />
http://www.gesis.org/dienstleistungen/daten/umfragedaten/wohlfahrtssurvey/, abgerufen am: 26.08.2010.
Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />
Wohlfahrtsrelevante Einstellungen und Werte (wie Wichtigkeit von Lebensbereichen, Kon-<br />
fliktwahrnehmung, (post)-materialistische Wertorientierungen) [sowie zur]<br />
Standarddemographie“ 163 beantworten soll.<br />
Im Survey des Jahres 1980 wurden beispielsweise zusätzliche Fragen zu<br />
„Alternative Maße subjektiven Wohlbefindens,<br />
Haushaltsproduktion und Netzwerkhilfe,<br />
Berufliche Platzierung [sowie zu]<br />
Projekte und Versagungen“ 164 erfasst.<br />
Die Repräsentativumfrage des Wohlfahrtsurvey besitzt als Bewertungsmethode Ordinalskalen oder<br />
Zweipunktskalen und gibt auch die Möglichkeit bestimmte Fragen mit einer argumentativen Aussage<br />
zu beantworten.<br />
Somit ist auch das Instrument der ‚surveys‘ als Messung des kognitiven Wohlbefindens zu charakteri-<br />
sieren, weil keine Moment-zu-Moment-Aufnahmen des Wohlbefindens erfolgen, sondern immer<br />
evaluierte Meinungsbilder abgefragt werden.<br />
3.4 Zwischenfazit: Grenzen der Instrumente zur Messung der subjektiven<br />
Lebensqualität bei der Erfassung stadträumlicher Barrieren<br />
Das Thema des subjektiven Wohlbefindens steht in einem unmittelbaren Zusammenhang <strong>zum</strong> Wohl-<br />
befinden behinderter Menschen in der Stadt, welches aus planerischer Sicht durch eine umgreifende<br />
Barrierefreiheit zu erreichen ist. In diesem Kontext agiert der Mensch als Messfühler zur Erfassung<br />
innerstädtischer Barrieren. Nun steht zur Diskussion, welche Messmethode am Geeignetsten ist, um<br />
die innerstädtische Raumerfahrung in der Fußgängerzone behinderter und mobilitätseingeschränkter<br />
Menschen effektiv und sinnvoll zu messen. Je nach Zielgruppe ist eine große Anzahl an unterschied-<br />
lichsten Barrieren in der Innenstadt vorhanden. Für blinde und sehbehinderte Menschen ist dies das<br />
stadträumliche Mobiliar wie Poller, Laternenmasten, Mülleimer, aber auch schlechte Bodenbeläge<br />
oder temporäreres Mobiliar wie Außenbestuhlung und Werbeaufsteller. Für die Gruppe der gehbe-<br />
hinderten Menschen ist dies neben schlechten Bodenbeläge und Straßenquerungen, Steigungen und<br />
Gefälle in ihrem alltäglichen Weg durch die Fußgängerzone. Es ist also von einer großen Häufigkeit an<br />
innerstädtischen Barrieren auf einer geringen Strecke in der Fußgängerzone auszugehen. Dies be-<br />
gründet auch die Anforderung, zu jedem Zeitpunkt wissen zu müssen, was ein Mensch empfindet<br />
oder wie (Un-)Wohl er sich fühlt. Dieser Umstand bedingt auch die Eingrenzung der Messmethode.<br />
163 Internetauftritt des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften GESIS, aufgerufen unter:<br />
http://www.gesis.org/dienstleistungen/daten/umfragedaten/wohlfahrtssurvey/frageprogramm/, abgerufen am:<br />
26.08.2010.<br />
164 Internetauftritt des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften GESIS, aufgerufen unter:<br />
http://www.gesis.org/dienstleistungen/daten/umfragedaten/wohlfahrtssurvey/frageprogramm/, abgerufen am:<br />
26.08.2010.<br />
61
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Die geeignete Messmethode muss die Anforderung erfüllen, jederzeit eine Barriere kleinräumig iden-<br />
tifizieren zu können. Einerseits werden Barrieren bereits durch städtebauliche Regelwerke (DIN-<br />
Normen, siehe Kapitel 2.4.3 Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der Stadtplanung)<br />
identifiziert, insofern eine stadträumliche Analyse veranlasst wurde. Der Fokus der Arbeit liegt jedoch<br />
insbesondere in der Messung der Betroffenensicht. Die Frage lautet jedoch vielmehr, wie nehmen<br />
behinderte Menschen innerstädtische Barrieren wahr und wie lässt sich die subjektiven Wahrneh-<br />
mung, also das subjektive (Un-) Wohlbefinden, messen? Hier kommen wiederum im direkten Bezug<br />
die Lebensqualitätsmessungen zur Geltung, welche die Komponentenmessungen des affektiven und<br />
des kognitiven Wohlbefindens zur Verfügung stellen.<br />
An dieser Stelle wird zunächst nach dem Ausschlussverfahren agiert. Welche Methode eignet sich<br />
also nicht zur Messung. Der kognitive Ansatz ist ein geeignetes Mittel die allgemeine Lebenszufrie-<br />
denheit zu messen und umfasst alle gesammelte Erfahrung bis <strong>zum</strong> Zeitpunkt ihrer Evaluation. Es<br />
wird also ein globales Empfinden wiedergegeben. Mehrere Studien haben diesen Aspekt untersucht<br />
und es ist der Konsens eingetreten, dass kognitive und somit auch retrospektiven Bewertungen und<br />
Messungen der Lebenszufriedenheit nicht notwendigerweise ein adäquates Mittel sind, die aktuellen<br />
gesammelten Erfahrungen aufzusummieren. Diese Beobachtung ist insofern wichtig, da sich in der<br />
Vergangenheit die Forschung insbesondere auf retrospektive Werkzeuge gestützt hat. Die retrospek-<br />
tive Bewertung hat als klaren Nachteil, dass vor allem Erinnerungen wiedergegeben werden, die be-<br />
sonderes prägend waren, aber wiederum andere Erinnerungen überlagern. Hierdurch gehen wichtige<br />
Daten des emotionalen Befindens verloren, welche in der unmittelbaren Erfahrung, beispielsweise<br />
von Barrieren, eine enorm wichtige Rolle spielen. 165 Vielmehr dienen Echtzeit-Messungen dem Zweck<br />
aktuelle Erfahrungen und somit den Affekt effektiv zu messen. 166<br />
Die Instrumente der Affekt-Messung im Labor sind als schwierig anzusehen, da sie dem Anspruch der<br />
echten Umwelt nicht entsprechen und von einer sehr hohen Kontrolle bestimmt sind. In der natürli-<br />
chen Umwelt unterliegt der Mensch in seinem täglichen Gang durch die Innenstadt nicht dem Ein-<br />
fluss einer klinischen Laborumgebung. Es ist vielmehr eine Vielzahl an Eindrücken, welche auf den<br />
Menschen einwirken, die die reale Umwelt ausmachen.<br />
Eine Annäherung an die Problematik der effektiven Affekt-Messung leistet die ‚experience sampling<br />
Methode‘ (siehe Kapitel 3.3.1.2) und die ‚Day Reconstruction Methode‘ (siehe 3.3.1.3). Erstere Me-<br />
thode, durchgeführt in der realen Umwelt von Menschen, versucht bereits so wenig Einfluss wie<br />
möglich auf das untersuchte Individuum zu nehmen. Jedoch stört es in seinen plötzlichen Abfragen<br />
den normalen Alltagsfluss und beeinflusst somit das unmittelbare Empfinden. Die direkteste Heran-<br />
gehensweise an die Messung der unmittelbaren Erfahrung vermeidet Effekte des Urteilens über eine<br />
Situation und der Erinnerung so gut es geht. 167 Die ‚Day Reconstruction Methode‘ dagegen misst den<br />
affektiven Zustand erst am nächsten Tag durch eine systematische, vorgegebene Rekonstruktions-<br />
165 Vgl. Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B. (2006): Developments in the Measurement of Subjective Well-Being, in: Journal<br />
of Economic Perspectives, Volume 20, No. 1, Winter 2006, S. 18. E-Paper:<br />
http://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/10.1257/089533006776526030.<br />
166 Vgl. Ebenda, S.6.<br />
167 Vgl. Ebenda, S.9.<br />
62
Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />
anweisung. Dabei sollen Voreingenommenheiten des Vortags abgemildert und eine nüchterne Beur-<br />
teilung des Wohlbefindens zu bestimmten Zeiten, bei bestimmten Aktivitäten und in Kontakt mit<br />
bestimmten Personen festgehalten werden. Diese Methode hat somit den Vorteil, dass der Tagesab-<br />
lauf des untersuchten Individuums nicht gestört wird und er sich in seiner natürlichen Umgebung frei<br />
entfalten kann. Dies macht die Messergebnisse besonders objektiv und möglichst valide. Die Metho-<br />
de soll somit <strong>zum</strong>indest einen Großteil des emotional Erlebten, also positive und negative Emotio-<br />
nen, störungsfrei und klar wiedergeben. 168 Aber auch diese Methode weist ihre Nachteile in der Ver-<br />
wendung zur Messung innerstädtischer Barrieren auf. Sie erfasst zwar störungsfrei Emotionen, aber<br />
dies sind bei weitem keine Momentaufnahmen und spiegeln nicht den gesamten Aspekt der momen-<br />
tanen unmittelbaren Erfahrung und Emotion eines Individuums wieder.<br />
Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein Instrument zur Messung des subjektiven Wohlbefindens<br />
in der Innenstadt von behinderten Menschen, und damit von Barrieren oder Barrierefreiheit, zwei<br />
Hauptkriterien zu erfüllen hat:<br />
Aufnahme der affektiven Moment-zu-Moment-Emotionen und Erfahrungen in Echtzeit und<br />
zu jedem Zeitpunkt muss gewährleistet sein, um bestimmte Barrieren identifizieren zu kön-<br />
nen.<br />
Von der Messung störungsfreie Entfaltung des Betroffenen in seiner Umwelt muss gewähr-<br />
leistet sein.<br />
Die untersuchten Methoden zur Messung des kognitiv-evaluativen und affektiven Wohlbefindens<br />
führen also nicht zu einer Erfüllung der geforderten Kriterien in allen Punkten. Jedoch sind diese Kri-<br />
terien unabdingbar, um gewonnene Ergebnisse eine Transparenz und Nachvollziehbarkeit beizusteu-<br />
ern, welche zur Vermittlung und der politischen Akzeptanz unbedingt notwendig sind. Voraussetzung<br />
zur Verwendbarkeit momentan aufgezeichneter Emotionen ist die Verortung dieser mit Hilfe von<br />
Koordinaten (GPS). Die wichtigste Rolle spielen also die momentanen Emotionen und es stellt sich die<br />
Frage, wie diese Emotionen, positive und negative, in Echtzeit zu messen sind. Diesem Themenfeld<br />
hat sich die Emotionsforschung ausführlich angenommen. Aus diesem Grund wird im weiteren Ver-<br />
lauf der Arbeit untersucht, wie sich diese Emotionen beim Individuum äußern und wie sie von außen<br />
erkennbar sowie messbar sind.<br />
168 Vgl. Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B. (2006): Developments in the Measurement of Subjective Well-Being, in: Journal<br />
of Economic Perspectives, Volume 20, No. 1, Winter 2006, S. 22. E-Paper:<br />
http://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/10.1257/089533006776526030.<br />
63
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Kapitel 4<br />
Grundlegende Konzepte und<br />
Instrumente der<br />
Emotionsforschung<br />
4.1 Emotionsdefinition Seite 64<br />
4.2 Komponenten der Emotion Seite 66<br />
4.3 Methoden des ‚Ambulatorisches Assessments‘ Seite 70<br />
4.4 Messparameter und –Methoden physiologischer Zustände und Stress Seite 75<br />
4.5 Zwischenfazit: Methodenfindung zur Identifikation stadträumlicher Barrieren<br />
auf Grundlage der Emotionsforschung Seite 76
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />
Kapitel 4 - Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung<br />
Die Emotionsforschung, inklusive derer theoretischen Ansätze und Forschungsmethoden, hat zur<br />
Aufgabe verschiedene Aspekte der emotionalen Erfahrung zu evaluieren und dazulegen. In diesem<br />
Kontext durchdringt die Emotionsforschung verschiedene Felder der Psychologie und verwandte<br />
Wissenschaften wie die Soziologie, Biologie, Ökonomie sowie die Neurowissenschaften. Zudem ist<br />
eine deutliche Zunahme der Bedeutung dieses Forschungsfelds zu konstatieren. 169 Es ist daher not-<br />
wendig essentielle Befunde zur Emotionsforschung aufzuzeigen und auf die Fragestellung der Ver-<br />
wendbarkeit zur affektiven Moment-zu-Moment-Aufnahme der Emotionen eines Individuums Ant-<br />
wort zu finden. Zunächst wird der Begriff ‚Emotion‘ konsensorientiert definiert und die Komponenten<br />
der Emotionsäußerung analysiert. Dem folgen mögliche Methoden zur Emotionsmessung innerhalb<br />
des ambulatorischen Assessments. In einem kurzen Zwischenfazit soll daraufhin die Frage beantwor-<br />
tet werden, ob die Emotionsforschung einen wichtigen Beitrag zur Messung des subjektiven Wohlbe-<br />
findens, vor dem Hintergrund der Ansprüche einer Messung und Bewertung emotionaler Affekte von<br />
behinderten Menschen, liefern kann. Das Hauptaugenmerkt liegt hierbei bei der Übertragbarkeit von<br />
Messmethoden innerhalb und außerhalb des Labors auf eine praktische Anwendung in der Realwelt<br />
und in Echtzeit.<br />
4.1 Emotionsdefinition<br />
Der Versuch eine wissenschaftliche Definition des Begriffs „Emotion“ aus<strong>zum</strong>achen, gestaltet sich als<br />
sehr schwierig. Der Begriff der Emotion ist ein vielfältig divergierend interpretierter Sachverhalt, wel-<br />
cher in bestimmten Forschungsinteressen unterschiedlich aufgefasst wird. Dies liegt <strong>zum</strong> einen an<br />
der Komplexität des Gegenstandes, <strong>zum</strong> anderen daran, dass „der Begriff der Emotion ein hypotheti-<br />
sches Konstrukt bezeichnet, das sich der direkten Beobachtung entzieht.“ 170<br />
Zur Erreichung eines Konsenses innerhalb der Arbeit wird sich auf darauf geeinigt, dass Emotionen<br />
bestimmte, grundlegende Kennzeichen aufweisen. Diese Kennzeichen entziehen sich jeder Kontro-<br />
verse und sind von zentraler Bedeutung, um das Phänomen der Emotion zu verstehen 171 :<br />
a) Emotionen werden dann ausgelöst, wenn dem Organismus etwas für ihn Relevantes ge-<br />
schieht. Dieser Vorgang ist mit dem direkten Einfluss auf die Bedürfnisse, Zweck, Werte und<br />
169 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />
analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017,<br />
S.7.<br />
170 Bartsch, Anne; Hübner, Susanne (2004): Emotionale Kommunikation – ein integratives Modell, Philosophische Fakultät<br />
der Martin-Luther-<strong>Universität</strong>, Halle-Wittenberg, S.14. E-Paper: http://sundoc.bibliothek.uni-halle.de/dissonline/04/07H050/prom.pdf.<br />
171 Vgl. Frijda, Nico H.; Scherer, Klaus (2009): Emotion definition (psychological perspectives), in: Oxford companion to<br />
emotion and the affective sciences, Oxford University Press, Oxford, UK, S. 142 f.<br />
64
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
65<br />
dem generellen Wohlbefinden des Organismus gekoppelt. Die Relevanz bestimmt sich durch<br />
die individuelle Beurteilung von Ereignissen hinsichtlich einer Vielzahl von Kriterien. Dazu<br />
zählt insbesondere der Stimulus einer Person, wenn etwas Neues oder Unerwartetes ge-<br />
schieht. Der Stimulus wird dann eingeleitet, wenn das Neue oder Unerwartete als angenehm<br />
oder unangenehm wahrgenommen wird. Zudem spielt die Beschaffenheit der Motivation in<br />
diesem Zusammenhang dann eine Rolle, wenn beispielsweise der Stimulus dazu zuträglich ist<br />
ein Bedürfnis zu befriedigen, einen Zweck zu erreichen, Werte aufrechtzuerhalten oder das<br />
Gegenteil in Form von Hinderung dieser Kriterien vorliegt. 172,173<br />
b) Emotionen bereiten den Organismus darauf vor, mit wichtigen Ereignissen im Leben umzu-<br />
gehen. Sie haben somit einen stark motivationsorientierten Einfluss, indem sie Einsatzbereit-<br />
schaft im Organismus herstellen. 174<br />
c) Emotionen greifen in das komplette Verhalten des Menschen ein. Dies geschieht durch das<br />
Drängen auf Aktion und/oder das Hemmen von Aktion, was in der Konsequenz mit einem<br />
vorbereitenden Einstimmen der Körperorgane und des motorischen Systems begleitet wird.<br />
Das bedeutet, dass Emotionen mehrere Komponenten sowie Untersysteme des Organismus<br />
einbinden, welche bis zu einem gewissen Grad innerhalb emotionaler Folge zusammenhän-<br />
gen. Dies geht manchmal soweit, dass diese Komponenten und Untersysteme im höchsten<br />
Maße synchronisiert werden. 175<br />
d) Emotionen gewähren eine sogenannte Kontrollpriorität 176 , welche auf die Stadien der Ein-<br />
satzbereitschaft einwirkt, die der Kontrolle des Verhaltens und der Erfahrung unterliegen. 177<br />
Versuche der Beschreibung von konkreten Emotionen, welche durch Studien bereits in den 80ger<br />
Jahren des 20. Jahrhunderts vorgenommen wurden, umfassen hauptsächlich ‚Fröhlichkeit‘, ‚Ärger‘,<br />
‚Traurigkeit‘, ‚Liebe‘, ‚Angst‘, ‚Hass‘, ‚Aufregung‘ etc. und werden nach unterschiedlichen Intensitäten<br />
erfasst. 178 Innerhalb der neurologischen Emotionstheorie hat sich derweil die Ansicht durchgesetzt,<br />
dass es eine bestimmte Anzahl von angeborenen Primäremotionen gibt. Diese vier Primäremotionen<br />
172 Vgl. Scherer, Klaus (2001): Appraisal considered as a process of multilevel sequential checking, in: Appraisal process in<br />
emotion: theory, methods, research, Oxford University Press, New York, USA, S. 94 f. und S. 107 f. E-Paper:<br />
http://www.affective-sciences.org/system/files/2001_Scherer_Appbook_CPM.pdf.<br />
173 Vgl. Ellsworth, Phoebe; Scherer, Klaus (2003): Appraisal process in emotion, in: Handbook of affective sciences, Oxford<br />
University Press, New York, USA, S. 578 ff. E-Paper: http://www.affectivesciences.org/system/files/2003_Ellsworth_HdbAffsci_Appr.pdf.<br />
174 Vgl. Frijda, Nico H. (2007): The laws of emotion, Lawrence Erlbaum Associates, Mahwah, New Jersey, USA, S.30 ff.<br />
175 Scherer, Klaus (2005): What are emotions? And how can they be measured?, in: Social Science Information Vol. 44 No. 4,<br />
S. 697. E-Paper: http://www.affective-sciences.org/system/files/2005_Scherer_SSI.pdf.<br />
176 Vgl. Frijda, Nico H. (1988): The laws of emotion, in: American Psychologist, Vol. 43 (1988), S.355. E-<br />
Paper:http://homepages.spa.umn.edu/~larry/CLASS/NOTHING/Laws%20of%20Emotion.pdf<br />
177 Vgl. Scherer, Klaus (2009): Emotions are emergent processes: they require a dynamic computational architecture, in:<br />
Biological Sciences, Philosophical Transactions of the Royal Society 2009, No. 364, S. 3459.<br />
178 Vgl. Fehr, Beverley; Russell, James (1984): Concept of Emotion Viewed From a Prototype Perspective, in: Journal of Experimental<br />
Psychology: General 1984, Vol. 113, No. 3, Lancaster, Pennsylvania, USA. S. 470. E-Paper:<br />
http://www2.bc.edu/~russeljm/publications/Russell&fehr1984.pdf.
Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />
können als ‚Zufriedenheit-Freude‘, ‚Abneigung-Angst‘, ‚Durchsetzen-Ärger‘ sowie ‚Enttäuschung-<br />
Traurigkeit‘ identifiziert werden. 179<br />
Was bedeutet dies nun für die zu untersuchende Betroffenengruppe und den städtischen Kontext?<br />
Die Emotion an sich gilt als Bestandteil des subjektiven Wahrnehmens eines Individuums. Die äußere<br />
Umwelt produziert externe Reize, welche im Gefüge Stadt durch seine Komplexität und Ansammlung<br />
von Individuen und technischer Einheiten enorm vielfältig sind. Diese Reize sind hauptsächlich akusti-<br />
scher, visueller oder auch taktiler Natur. Zudem ist beispielsweise in Gefahrensituationen oder<br />
Stresssituationen, welche durch das Auftreffen auf eine Barriere entstehen können, ein adaptives<br />
oder disruptives Verhalten prägend. Diese Äußerungen schlagen sich u.a. auch in physiologischen<br />
Reaktionen des Körpers auf bestimmte Situationen nieder. Die späteren Studien werden diesen Be-<br />
reich der Emotionen wiederum auffassen.<br />
Emotionen können somit als Äußerung der subjektiven Wahrnehmung eines Individuums verstanden<br />
werden und führen zu einem subjektiven Wohlbefinden, obgleich positiv oder negativ ausgestattet.<br />
4.2 Komponenten der Emotion<br />
Nach der definitorischen Klärung des Begriffs Emotion und dessen charakterisierenden Inhalten wer-<br />
den nun die einzelnen Komponenten der Emotion, welche bei der inneren Abschätzung und Bewer-<br />
tung eines Ereignisses auftreten, näher beleuchtet. Dabei wird zwischen Aktivitätstendenzen, moto-<br />
rischem Ausdruck, subjektives Befinden und autonomen Physiologie des Individuums unterschieden.<br />
Diese Komponenten sind ebenfalls untereinander kausal verknüpft. Tabelle 6 zeigt dabei die Bezie-<br />
hung zwischen den organischen Subsystemen des Organismus sowie der Emotionsfunktionen und<br />
den entsprechenden Emotionskomponenten. Drei dieser Komponenten, nämlich die motorische<br />
Ausdruckskomponenten, die autonome Physiologe sowie das subjektive Befinden, haben eine lang-<br />
jährige fachliche Anerkennung. Neuerdings sind auch die Aktivitätstendenzen durch eine anhaltende<br />
Forderung innerhalb der Forschung in den Bereich der Emotionskomponenten aufgenommen wor-<br />
den. 180<br />
Emotionsfunktion Organisches Subsystem 181 und die unterliegende<br />
Basisfunktion<br />
Evaluation von Objekten und<br />
Ereignissen<br />
Emotionskomponente<br />
Informationsverarbeitung (CNS) Kognitive Komponente<br />
(Beurteilung)<br />
179<br />
Vgl. Turner, Jonathan; Stets, Jan (2005): The Sociology of Emotions, Cambridge University Press, New York,<br />
S.11-21.<br />
180<br />
Vgl. Scherer, Klaus (2005): What are emotions? And how can they be measured?, in: Social Science Information, Vol. 44 -<br />
No 4, S. 698. E-Paper: http://www.affective-sciences.org/system/files/2005_Scherer_SSI.pdf.<br />
181<br />
Anmerkung: CNS=Zentrales Nervensystem; NES=Neuro-endokrines System; ANS=Autonomes Nervensystem;<br />
SNS=Somatisches Nervensystem.<br />
66
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Systemregulierung Unterstützung (CNS, NES, ANS) Neurophysiologische<br />
Komponente (Körpersymptome<br />
oder autonome<br />
Physiologie)<br />
Vorbereiten und Richtung der<br />
Aktion<br />
Kommunikation der Reaktion<br />
und verhaltensbestimmte<br />
Absicht<br />
Monitoring des inneren Befindens<br />
und der organismusumgebende<br />
Interaktion<br />
67<br />
Ausführung (CNS) Motivationsbezogene<br />
Komponente (Aktivitätstendenzen)<br />
Aktion (SNS) Motorische Ausdruckskomponente<br />
(Gesichts-,<br />
Sprach- und Körperausdruck)<br />
Kontrolle (CNS) Subjektives Befinden<br />
(emotionale Erfahrung)<br />
Tabelle 6: Beziehung zwischen organischen Subsystemen sowie Funktionen und Komponenten der Emotion. Quelle: Eigene<br />
Bearbeitung auf Grundlage: Scherer, Klaus (2005): What are emotions? And how can they be measured?, in: Social Science<br />
Information, Vol. 44 - No 4, S. 698. E-Paper: http://www.affective-sciences.org/system/files/2005_Scherer_SSI.pdf.<br />
Die verschiedenen Komponenten der Emotion stehen in einem engen Wirkungsgefüge und zeigen<br />
eine Vielzahl von Abhängigkeiten und Verknüpfung. Aufbauend auf Tabelle 6 dient die folgende Ab-<br />
bildung 9 als Leitfaden zur weiteren Erläuterung der einzelnen Emotionskomponenten. Sie zeigt die<br />
Zusammenhänge der einzelnen Nervensysteme, deren Emotionsfunktion und letztendlich deren<br />
emotionalen Äußerung auf.<br />
Abbildung 9: Systemmechanismus der Emotionskomponenten. Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage: Scherer, Klaus<br />
(2009): Emotions are emergent processes: they require a dynamic computational architecture, in: Biological Sciences, Philo-<br />
sophical Transactions of the Royal Society 2009, No. 364, S.3467.
Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />
4.2.1 Aktivitätstendenzen<br />
Unter Aktivitätstendenzen werden Basisintention wie Aufmerksamkeit, Informationsfilterung,<br />
Kampfbereitschaft, Fluchtbereitschaft, Annäherungsverhalten usw. verstanden. 182 Die Motivations-<br />
komponente wird von der Natur der Aktivitätstendenzen repräsentiert, welche durch ein bestimmtes<br />
Ereignis ausgelöst werden. Gleiches gilt für die persönliche Bewertung der Dringlichkeit einer Akti-<br />
on. 183<br />
In Verbindung mit der Entdeckung etwas Neuem oder eines plötzlich auftretenden Ereignisses, kann<br />
das Individuum eine Änderung in dessen Haltung erfahren, welche durch das zentrale Nervensystem<br />
ausgelöst wird. 184 Es bildet sich somit eine bestimmte Aktivitätstendenz heraus, die wiederum Ein-<br />
fluss auf die Ereignisbewertung hat und schlussendlich das subjektive Befinden durch einen Dring-<br />
lichkeitsfaktor je nach Situation positiv oder negativ beeinflusst (siehe Abbildung 9). Als Ergebnis<br />
kann beispielsweise eine Ausweichtendenz im zentralen Nervensystem <strong>zum</strong> Selbstschutz aktiviert<br />
werden, was ein physisches Entfernen von einer Situation als Folge haben kann (siehe Tabelle 6). Im<br />
übertragenen Sinne kann das Auftreten einer offensichtlich unüberwindlichen Barriere zur einem<br />
Ausweichen oder einem Einfrieren in der Aktivität des Betroffenen führen.<br />
4.2.2 Motorischer Ausdruck<br />
Basierend auf dem Resultat des Bewertens eines Ereignisses und begleitend der motivationsbedingte<br />
Änderung in der Haltung, wird neben dem automatischen Nervensystem auch das somatische Ner-<br />
vensystem aktiv. 185 Dieser grundlegende Prozess beinhaltet alle Komponenten der Emotion. Generell<br />
findet zudem durch die Veränderung des motorischen Ausdrucks die Kommunikation einer wahr-<br />
nehmbaren Reaktion nach außen statt. Dies geschieht beispielhaft bei einer unangenehmen Situation<br />
durch einen verzerrten Gesichtsausdruck, einer Stimmenäußerung oder gar durch das Abwenden des<br />
Körpers. Hierdurch kann die Aufnahme der Stimulation des eingetretenen Ereignisses reduziert wer-<br />
den. 186 Dies kann in diesem Falle als eine Art Schutzfunktion gewertet werden.<br />
Insgesamt geht also dem motorischen Ausdruck eine Ereignisbewertung voraus und er spiegelt das<br />
subjektive Befinden in Umfang, hinsichtlich dessen Qualität sowie Intensität, wieder (siehe Abbildung<br />
9).<br />
182 Vgl. Scherer, Klaus (2001): Appraisal considered as a process of multilevel sequential checking, in: Appraisal process in<br />
emotion: theory, methods, research, Oxford University Press, New York, USA, S. 104. E-Paper: http://www.affectivesciences.org/system/files/2001_Scherer_Appbook_CPM.pdf.<br />
183 Vgl. Scherer, Klaus (2009): Emotions are emergent processes: they require a dynamic computational architecture, in:<br />
Biological Sciences, Philosophical Transactions of the Royal Society 2009, No. 364, S. 3467.<br />
184 Vgl. Scherer, Klaus (2001): Appraisal considered as a process of multilevel sequential checking, in: Appraisal process in<br />
emotion: theory, methods, research, Oxford University Press, New York, USA, S. 107. E-Paper: http://www.affectivesciences.org/system/files/2001_Scherer_Appbook_CPM.pdf.<br />
185 Vgl. Scherer, Klaus (2009): Emotions are emergent processes: they require a dynamic computational architecture, in:<br />
Biological Sciences, Philosophical Transactions of the Royal Society 2009, No. 364, S. 3462.<br />
186 Vgl. Scherer, Klaus (2001): Appraisal considered as a process of multilevel sequential checking, in: Appraisal process in<br />
emotion: theory, methods, research, Oxford University Press, New York, USA, S. 107. E-Paper: http://www.affectivesciences.org/system/files/2001_Scherer_Appbook_CPM.pdf.<br />
68
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
4.2.3 Subjektives Befinden<br />
Wenn die subjektive und gleich auch emotionale Erfahrung einer inneren Kontrollfunktion dient (sie-<br />
he Tabelle 6), so muss die Erfahrung alle Informationen eines regelmäßigen Musters der Situations-<br />
veränderung in einen logischen Zusammenhang mit allen Emotionskomponenten bringen und diesen<br />
zentral repräsentieren. Es findet also ein Monitoring des inneren Befindens in Interaktion mit der<br />
realen Umwelt statt. Jedoch gilt das Befinden als ein außergewöhnlich komplexes Konglomerat von<br />
Informationen verschiedener Nervensysteme. Der momentane Status dieser Nervensysteme und<br />
somit aller Emotionskomponenten geht in einer integrierten Art und Weise in die<br />
Befindenskomponente ein. Qualität, Intensität und Dauer des jeweiligen Befindens sind ausschließ-<br />
lich durch die anderen Emotionskomponenten als integrale Inputs definiert. Der bewusste Teil der<br />
Befindenskomponente reguliert daraufhin die kontrollierte Einschätzung eines Ereignisses. Es wird<br />
die Hypothese aufgestellt, dass der Grad der Synchronisierung der Komponenten, welcher wiederum<br />
durch die Bewertung der Relevanz eines Ereignisses durch den Organismus bestimmt wird, bewusste<br />
Erfahrung generiert. 187<br />
4.2.4 Autonome Physiologie<br />
Die autonome Physiologie des Organismus gilt als emotionale Reaktion des Körpers bei Auftreten<br />
eines Ereignisses. Wenn etwas Neues und Unerwartetes plötzlich auftritt, reagiert der Körper zu-<br />
nächst in Form einer Orientierungsreaktion, welche beispielsweise in einer Abwehrreaktion münden<br />
kann. Beide Reaktionsphasen bilden sich in verschiedenen Körperfunktionen ab. 188 Beispielhafte<br />
Ausformungen dieser reaktiven Körperfunktionen sind die Zu- oder Abnahme des Herzschlages, der<br />
elektrischen Leitfähigkeit der Haut (elektrodermale Aktivität EDA), der Muskelaktivität, der Augen-<br />
bewegung, der Gehirnaktivität oder der Veränderung der Hauttemperatur (siehe Anhang V, Emoti-<br />
onstabelle). 189 Der Organismus wird durch die Veränderung der Körperreaktion auf die jeweilige Situ-<br />
ation vorbereitet, damit eine schnelle Reaktion in Form von Kampf, Flucht oder Stillstand ausgelöst<br />
werden kann. Im Positivfall empfindet der Organismus durch das Eintreten einer bestimmten Situati-<br />
on Regeneration oder Wohlbefinden. Als Reaktion darauf nimmt er generell schädliche Aspekte phy-<br />
siologischer Aktivierung zurück (geringerer Blutdruck, geringerer Level von Stresshormonen, Verbes-<br />
serung des Immunsystems). Der Negativfall dagegen bedeutet für den Organismus Stress und er er-<br />
höht beispielsweise die Frequenz des Herzschlags, um die den Körper im Allgemeinen und die Extre-<br />
mitäten im Speziellen mit mehr Blut zu versorgen, damit eine schnelle Flucht oder ein Angreifen ein-<br />
geleitet werden kann. 190<br />
187<br />
Vgl. Scherer, Klaus (2009): Emotions are emergent processes: they require a dynamic computational architecture, in:<br />
Biological Sciences, Philosophical Transactions of the Royal Society 2009, No. 364, S.3467<br />
188<br />
Vgl. Scherer, Klaus (2001): Appraisal considered as a process of multilevel sequential checking, in: Appraisal process in<br />
emotion: theory, methods, research, Oxford University Press, New York, USA, S. 107. E-Paper: http://www.affectivesciences.org/system/files/2001_Scherer_Appbook_CPM.pdf.<br />
189<br />
Vgl. Calvo, Rafael (2010): Affect detection: An Interdisciplinary Review of Models, Methods, and Their Applications, in:<br />
IEEE Transactions on Affective Computing, Vol. 1, No. 1, S.25.<br />
190<br />
Vgl. Ulrich, Roger S. (1999). Effects of gardens on health outcomes: Theory and research, in: Healing Gardens: Therapeutic<br />
Benefits and Design Recommendations, John Wiley Verlag, New York, S. 51.<br />
69
Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />
4.3 Methoden des Ambulatorisches Assessment<br />
Das ‚Ambulatorische Assessment‘ versteht sich als Überbegriff eines Methodenkatalogs zur „Echt-<br />
zeitmessung und der objektiven Erfassung von physiologischen Markern durch die technische Ent-<br />
wicklung im Bereich von Taschencomputern (Ambulatorisches Assessment), [welches] in wachsen-<br />
dem Maße auch außerhalb von Laborsettings einsetzbar und damit auch für die empirische Sozialfor-<br />
schung interessant *ist+.“ 191 Der ‚Wearable Computer‘ als miniaturisierte Informationstechnik, auf<br />
welcher das ‚Ambluatorische Assessment‘ im Grunde beruht, kann u.a. in die alltägliche Kleidung<br />
integriert werden und ermöglicht somit eine unauffällige Datenaufzeichnung. 192 Durch diese Innova-<br />
tion wird den bisherigen verzerrungsanfälligen, retrospektiven Umfrageinstrumenten (siehe Kapitel<br />
3.3 und 3.4) ein schlagkräftiger Gegenpol entgegengestellt.<br />
Die Methoden des ambulatorischen Assessment, also die Instrumente der Emotionsforschung, lassen<br />
sich in die drei Dimensionen ‚experience sampling‘, ‚behaviour recordung‘ sowie ‚psychophysiologi-<br />
sches Monitoring gliedern. Im weiteren Verlauf wird die Frage beantwortet werden, ob und in wel-<br />
chem Umfang die Emotionsforschung eine geeignete Messmethode zur affektiven Moment-zu-<br />
Moment-Aufnahme von Emotionen als Rückschluss auf eine subjektive Lebensqualität liefern kann.<br />
4.3.1 ‚Experience sampling‘<br />
Innerhalb des ambulatorischen Assessment wird ebenfalls das ‚experience sampling‘ angewandt. Wie<br />
bereits in Kapitel 3.3.1.2 vorgestellt, werden Betroffene während ihres normalen Tagesablaufs mit<br />
Hilfe eines tragbaren Computers abgefragt. Es erfüllt die Ansprüche eines elektronischen Tagebuches<br />
und wird deshalb auch im ambulatorischen Bereich benutzt. Dadurch kann das durchführende Per-<br />
sonal zu bestimmten Zeiten die Betroffenen hinsichtlich ihrer momentanen Symptome, Emotionen,<br />
Wahrnehmungen und Situationen zu einer bestimmten Zeit messen. Eine Weiterentwicklung dieser<br />
tragbaren Computer (PDA) beinhaltet einen Soundrekorder, welcher es ermöglicht weitere Rück-<br />
schlüsse auf Emotionen zu bekommen, indem der Betroffene seine Situation verbal beschreibt (Mo-<br />
torischer Ausdruck). Obwohl die ‚experience sampling Methode‘ sehr anpassungsfähig an spezifische<br />
Forschungsfragen ist, muss beachtet werden, dass selbstberichtete Daten durch bestimmte<br />
Voreingenommenheiten mit der Art dieser Datenaufnahme verknüpft sind. Das heißt, dass die<br />
zwischenzeitliche Störung durch die Signalgebung des tragbaren Computers Einfluss auf momentane<br />
Emotionen und Wahrnehmungen nimmt und somit die Daten verzerrt. 193 Jedoch gibt es auch adä-<br />
quate Mittel dieser Problematik zu begegnen. Insbesondere im Fall der emotionalen Aufzeichnung<br />
und der Verhaltensbeobachtung können physiologische Aufnahmen (Autonome Physiologie) des<br />
191 Papastefanou, Georgios (2009): Ambulatorisches Assessment: Eine Methode (auch) für die empirische Sozialforschung,<br />
in: Umfrageforschung – Herausforderungen und Grenzen, Weichbold, Martin; Bacher, Johann; Wolf, Christof (Hrsg.), VS<br />
Verlag für Sozialwissenschaften, S. 443.<br />
192 Vgl. Ebenda, S. 445.<br />
193 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />
analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017,<br />
S.7.<br />
70
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Probanden relevante Informationen <strong>zum</strong> Verständnis dieser Emotionen und Verhalten im alltäglichen<br />
Leben beisteuern. 194<br />
Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der Verzerrung der Datenaufnahme durch den tragbaren Computer,<br />
welcher durch seine Art und Weise der Datenaufnahme in seinem normalen Tagesablauf stört und<br />
somit im Moment der Abfrage das Emotionsbild beeinflusst. Die Beschäftigung mit dem Gerät an sich<br />
rückt damit in den Vordergrund und überlagert die dieszeitigen Emotionen. Zudem liefert die Me-<br />
thode im Grunde keine Moment-zu-Moment-Aufnahme, welche bei der Erfahrung innerstädtischer<br />
Barrieren durch ihre Unregelmäßigkeit im Vorkommen unbedingt notwendig ist.<br />
4.3.2 Behavior recording<br />
Die Psychologie definiert sich als die Wissenschaft der menschlichen Erfahrung und Verhalten. Je-<br />
doch haben die Studien das Verhalten betreffend in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Dies gilt<br />
insbesondere für die Persönlichkeits- und Sozialpsychologie. 195 Trotz alledem gibt es mittlerweile eine<br />
Vielzahl von Technologien, welche es ermöglichen das Verhalten des Individuums in seinem norma-<br />
len Tagesablauf unauffällig einzufangen. Diese Technologien werden im Folgenden zusammenfas-<br />
send erläutert.<br />
Die am wenigsten aufdringliche Methode ist die Handgelenk-Actigraphie. Die Actigraphie beschreibt<br />
dabei, „das ambulante Erfassen von Motilität durch Uhren-ähnliche Einheiten (wrist<br />
actigraphy)*…+.“ 196 Sie „wird häufig in der biopsychologischen Forschung benutzt, z.B. um Aktivitäts-<br />
muster über längere Zeiträume zu beobachten oder um ein objektives Maß für Schlaf/Wach Rhyth-<br />
men zu gewinnen.“ 197<br />
Abb. 10: Actiwatch-Handgelenkgerät. Quelle: Internetauftritt für ‚Physiological Monitoring Devices‘, aufgerufen unter:<br />
http://www.bmedical.com.au/img/products/product_6.jpg, abgerufen am 31.08.2010.<br />
194 Wilhelm, Frank; Walton, Roth (2001): The somatic symptom paradox in DSM-IV anxiety disorders: suggestions for a<br />
clinical focus in psychophysiology, in: Biological Psychology 57 (1-3), S. 105 ff.<br />
195 Vgl. Baumeister, Roy F.; Vohs, Kathleen D.; Funder, David C. (2007): Psychology and the science of selfreports and finger<br />
movements, in: Perspectives on Psychological Science Vol.2 No.4, S. 396. E-Paper:<br />
http://www.csom.umn.edu/assets/95164.pdf.<br />
196 Internetauftritt der Technischen <strong>Universität</strong> Dresden, Fachrichtung Psychologie, Lehrstuhl für Biopsychologie, aufgerufen<br />
unter: http://p113367.typo3server.info/index.php?id=75, abgerufen am 31.08.2010.<br />
197 Ebenda.<br />
71
Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />
Vor allem der potenzielle Nutzen der Actigraphie als objektive Indikatorenanzeige für den physischen<br />
Dialog und die zyklische Tagesaufzeichnung in Verbindung mit dem Gemütszustand, der Emotion<br />
oder des situationsbedingten Kontextes, in welchem sich das Individuum befindet, ist fast komplett<br />
übersehen worden. Vorzugsweise gilt dies für die Nutzung innerhalb der ‚experience sampling Me-<br />
thode‘ (siehe Kapitel 3.3.1.2 und 4.3.1). Eine bisherige Verwendung zur Datenaufnahme grundsätzli-<br />
cher Emotionsfragen wurde bisher nicht vorgenommen. 198<br />
Eine weitere vielversprechende Methode des ambulatorischen Assessment ist die Datenaufnahme<br />
mittels ‚electronic activated recorder‘. 199 Dieses mobile Aufnahmegerät zeichnet die Frequenz und<br />
das Streuverhalten des Sprachverhaltens eines Individuums über den Tag auf (Motorische Aus-<br />
druckskomponente). Diese zwei Parameter gelten als eine offensichtliche und relevante Variable in<br />
der Emotionsforschung bedingt durch die Verknüpfung mit Gemütszuständen, sozialer Isolation und<br />
Depression eines Individuums. Dabei werden alle paar Minuten, in einem Zeitfenster von einigen<br />
Sekunden, alle Geräusche der Umwelt des Probanden aufgezeichnet. Der Rekorder hält sozusagen<br />
Moment-zu-Moment-Geräusche im natürlichen Tagesablauf des Menschen fest. 200 Nachdem die<br />
Aufnahmen in eine entsprechende Software eingelesen worden sind, können innerhalb der Auswer-<br />
tung der Sprachinhalt nach Emotionsparametern (bestimmte emotionsausdrückende Worte) analy-<br />
siert werden. Auch ein Rückschluss auf die jeweilige Persönlichkeit ist hierdurch möglich. 201<br />
Ein logische Erweiterung des ‚electronic activated recorder‘ ist die automatische Aufnahme von Fotos<br />
der jeweiligen Umgebung. Dies geschieht ebenfalls in einer Minutentaktung bedingt durch die Spei-<br />
cherkapazitäten der Kamera. Die Besonderheit dieser Methode liegt in der Kamera an sich, welche<br />
problemlos in einem speziellen Brillenrahmen oder der Kleidung positioniert werden kann, so dass<br />
sie den Tagesablauf nicht stört. 202<br />
198 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />
analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017,<br />
S.7.<br />
199 Vgl. Mehl et al. (2001): The Electronically Activated Recorder (EAR): A device for sampling naturalistic daily activities and<br />
conversations, in: Behavior Research Methods, Instruments & Computers, Vol. 33 No. 4, S.517-523. E-Paper:<br />
http://homepage.psy.utexas.edu/homepage/faculty/Pennebaker/Reprints/EAR.pdf.<br />
200 Vgl. Ebenda, S.518.<br />
201 Vgl. Mehl, Matthias R.; Gosling, Samuel D.; Pennebaker, James W. (2006): Personality in its natural habitat: manifestations<br />
and implicit folk theories of personality in daily life, in: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 90 No. 5,<br />
S.863 ff.<br />
202 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />
analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017,<br />
S.7.<br />
72
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Abb. 11: Beispiel einer integrierten Kamera im Brillenrahmen. Quelle: Internetauftritt von ‚I want one of those‘, aufgerufen<br />
unter: http://www.iwantoneofthose.com/new-arrivals/spy-camera-glasses/index.html, abgerufen am 31.08.2010.<br />
Zusätzlich bietet es sich an die Videoaufnahme als weitere technische Komponente zuzuführen. Sie<br />
erlaubt das Studieren dynamischer Sequenzen umweltbedingter Stimuli und Gesichtsausdrücke in<br />
Abhängigkeit der Kameraposition und –Orientierung. Die Videoaufnahme zählt als Grundvorausset-<br />
zung zur technischen Bemessung von emotionalen Gesichtsausrücken unter der Nutzung des ‚Facial<br />
Action Coding System‘. 203<br />
Im Rahmen der aktuellen Problemstellung zur Messung der Emotion im Kontext behinderter und<br />
bewegungseingeschränkter Menschen in der Innenstadt sind diese technischen Zusätze durchaus<br />
denkbar und praktikabel. Insbesondere besteht die Möglichkeit durch eine unauffällige Kamera am<br />
Körper oder eine dezent durchgeführte Videoaufnahme die Blickrichtung und Orientierung der Pro-<br />
banden aufzunehmen. Jedoch eine alleinige Nutzung dieser technischen Hilfsmittel lässt noch keine<br />
absolute emotionale Bewertung auf stadträumliche Barrieren zu, da diese in ihrer Ausformung unter-<br />
schiedlich bewusst und unbewusst registriert werden. Sie dienen vielmehr als ein Indikator für das<br />
Wahrnehmen einer Barriere, denn es können sich im Blickfeld des Betroffenen weitere Faktoren<br />
befinden, welche einen emotionalen Hinweis auf beispielsweise Ablehnung, Ekel oder Überraschung.<br />
Natürlich empfiehlt es sich die technischen Hilfsmittel in Verbindung mit der ‚experience sampling<br />
Methode‘ zu verwenden, jedoch wurden deren Grenzen bereits in Kapitel 3.3.1.2 diskutiert. Es muss<br />
also ein weiteres Hilfsmittel gefunden werden, welches objektive und valide Daten affektive und<br />
momentane emotionale Reaktionen auf Barrieren erzeugt.<br />
4.3.3. Psychophysiologisches Monitoring<br />
Moderne tragbare, elektronische Aufnahmegeräte sind mittlerweile fähig, den typischen Umfang an<br />
psychophysiologischen Kanälen, welche in klassischen Emotionslaborexperimenten verwendet wer-<br />
den, zu duplizieren. Die verschiedenen Messparameter sind organismusbezogene Biosignale (kardio-<br />
vaskuläre Messparameter, elektrodermale Hautleitfähigkeit etc.) und dienen der Datenbestimmung<br />
der autonomen Physiologie (siehe Kapitel 4.1.4). Messungen, welche insbesondere innerhalb des<br />
203 Vgl. Ekman, Paul; Friesen, Wallace V. (1978): Facial Action Coding System: A Technique for the Measurement of Facial<br />
Movement. Consulting Psychologists Press, Palo Alto.<br />
73
Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />
ambulatorischen Monitorings aufgezeichnet werden, visieren spezifisch die grundlegenden biologi-<br />
schen Emotions- und stressreagierende Systeme an. 204<br />
Der fortwährende, technische Fortschritt hat zur Entwicklung von Mehrkanalgeräten geführt, welche<br />
gleich mehrere physiologische Signale in unterschiedlichen Kombinationen aufzeichnen können.<br />
Durch viele klinische Studien unterbaut, besitzen diese Geräte dabei auch eine hohe Genauigkeit und<br />
Verwendbarkeit der Daten. Hervorhebend ist die Verwendung dieser Messgeräte außerhalb des La-<br />
bors. Dabei steht immer der ambulatorische Gedanke im Vordergrund. Die Messungen dienen der<br />
Gewinnung von Erkenntnissen zur Verbesserung des Gesundheitsgrades und des Wohlbefinden des<br />
Menschen. Dies gilt in besonderem Maße auch für das physiologische Konstrukt des Begriffs ‚Stress‘,<br />
der an späterer Stelle nochmals aufgegriffen wird. Physiologisch gesehen, sind viele Emotions- und<br />
Stressresonanzen in der Reflexion generalisierter Aktivierung und Erregung gleichartig. Folglich er-<br />
lauben sie eine objektive Quantifizierung der Emotions- und Stressintensität. Die Messung gleich<br />
mehrerer physiologischer Parameter parallel, garantiert die beste zu bestimmende Emotionsabgren-<br />
zung. Generell wirkt die Aggregation kombinierter Messparameter, hinsichtlich einer bestimmten<br />
Emotion, der Fehlervarianz, welche einer Einzelmessung prinzipiell anhaftet, entgegen und liefert<br />
damit eine souveräne Emotionsanzeige. 205 Jedoch ist an<strong>zum</strong>erken, dass auch die Interpretation die-<br />
ser physiologischen Daten sich nicht immer als ganz einfach darstellt. Emotionen sind generell <strong>zum</strong><br />
einen situationsabhängig, <strong>zum</strong> anderen vom betroffenen Individuum selbstbestimmt. Der Ausfor-<br />
mung und der Stärkegrad der Emotion steht in diesem Kontext in Abhängigkeit der psychischen und<br />
physischen Fitness des Betroffenen. Zudem können die allgemeine Gesundheit und die genetische<br />
Veranlagung als weitere Faktoren beeinflussend auf die empfundene Emotion wirken. Als Lösung<br />
dieser Problematik werden eine klare Definition der zu untersuchenden Parameter sowie der Gewinn<br />
von Zusatzinformationen, wie der Gesichts- oder Sprachausdruck, vorgeschlagen. Aktuell werden<br />
jedoch verstärkt Studien durchgeführt, welche unabhängig dieser beeinflussenden Faktoren und<br />
Zusatzinformationen auf eine bestimmte Emotion zurückschließen wollen. In Zukunft soll dies mittels<br />
geeigneter Algorithmen und neuer Sensoren in der Zukunft möglich sein. 206<br />
Somit ist nochmals zu unterstreichen, dass physiologische Informationen über Emotionen, die objek-<br />
tiv sind, für sich eine viel höhere Akzeptanz und Aussagekraft beanspruchen als dies bei selbstberich-<br />
teten, subjektiven Gefühlen der Fall ist. 207 Auch ist festzuhalten, dass die größte Herausforderung das<br />
Herausstellen der praktikabelsten Messmethode der physiologischen Körperreaktionen ist. Folgende<br />
Messparameter und Instrumente sollen über diese Fragestellung Aufschluss geben.<br />
204 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />
analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017,<br />
S.8.<br />
205 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />
analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017, S.<br />
8f.<br />
206 Vgl. Ebenda, S. 10.<br />
207 Vgl. Picard, Rosalind (2010): Affective Computing: From Laughter to IEEE, in: IEEE Transactions on Affective Computing,<br />
Vol. 1, No. 1, S. 11.<br />
74
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
4.4 Messparameter und -Methoden physiologischer Zustände und Stress<br />
Die häufigsten Messmethoden physiologische Zustände zu überwachen sind nicht-invasiv; sprich sie<br />
werden nicht im Körperinneren angewandt, sondern sind von außen messbar. Diese nicht-invasiven<br />
Messmethoden basieren auf elektrischen Signalen, welche durch das Gehirn, das Herz, der Muskeln<br />
und der Haut produziert werden. Darunter fallen beispielsweise das Elektromyogramm (EMG), wel-<br />
ches die Muskelaktivität misst oder die elektrodermale Aktivität der Haut (EDA), welche die elektri-<br />
sche Leitfähigkeit der Haut als eine Funktion der Schweißdrüse auf der Haut misst. 208 Genauer wird<br />
die Schweißproduktion durch die Aktivierung des sympathischen (als Teilkomponente des ANS) indu-<br />
ziert. Die Hautleitfähigkeit gilt damit als ein sensitiver Anzeiger für emotionale Erregung, gleich ob<br />
diese als positiv oder negativ wertbar ist. 209<br />
Als weitere Messungen gelten das Elektrokardiogramm (EKG oder ECG), dass die Herzaktivität fest-<br />
stellt, die Elektrookulogramm (EOG) zur Messung der Augenbewegung sowie die<br />
Elektroencephalographie (EEG) zur Beschreibung der Gehirnaktivität. 210 Zudem ist die Messung der<br />
Veränderung der Finger- und Hauttemperatur ein Messindikator physiologischer Zustände. Die Mes-<br />
sung der Temperaturveränderung zählt zu den kardiovaskulären Messmethoden. 211<br />
Integriert in eine Vielzahl von empirischen Studien zur physiologischen, peripheren Messung von<br />
negativen und positiven Emotionen wurde beispielsweise festgestellt, dass die Hautleitfähigkeit bei<br />
Ärger und Angst einen deutlichen Anstieg verzeichnet und die Hauttemperatur hierbei sich nach un-<br />
ten verschiebt (siehe Anhang V, Emotionstabelle). 212 Somit kann das Phänomen des kalten Angst-<br />
schweißes erklärt werden. Als elementares Konstrukt aus Ärger und Angst, zur Feststellung von Bar-<br />
rieren im innerstädtischen Lebensraum, wird an dieser Stelle der Begriff ‚Stress‘ eingeführt. Stress gilt<br />
nicht als grundlegender Definitionsbegriff einer negativen Emotion, ist aber aus dem Zusammenhang<br />
von Ärger und Angst abzuleiten. 213 Physische Barrieren lösen mentalen Stress aus (siehe Kapitel<br />
2.1.3.2 Ergänzungen der Barrieredefinition durch mentale Belastung und Stress) und haben somit den<br />
Anspruch reduziert zu werden. Es bietet sich also an die elektrodermale Aktivität der Haut als ersten<br />
Indikator für Erregung aufzunehmen und diesen mit der Messung der Hauttemperatur zu unterbau-<br />
en.<br />
208<br />
Vgl. Calvo, Rafael; D’Mello, Sydney (2010): Affect detection: An Interdisciplinary Review of Models, Methods, and Their<br />
Applications, in: IEEE Transactions on Affective Computing, Vol. 1, No. 1, S.25.<br />
209<br />
Vgl. Picard, Rosalind (2010): Affective Computing: From Laughter to IEEE, in: IEEE Transactions on Affective Computing,<br />
Vol. 1, No. 1, S.11.<br />
210<br />
Vgl. Calvo, Rafael; D’Mello, Sydney (2010): Affect detection: An Interdisciplinary Review of Models, Methods, and Their<br />
Applications, in: IEEE Transactions on Affective Computing, Vol. 1, No. 1, S.25.<br />
211<br />
Vgl. Kreibig, Sylvia (2010): Autonomic nervous system activity in emotion: A review, in: Biological Psychology, doi:<br />
10.1016/j.biopsycho.2010.03.010, S.8.<br />
212 Vgl. Ebenda.<br />
213 Papastefanou, Georgios (2010): Expertengespräch im August 2010.<br />
75
Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />
4.5 Zwischenfazit: Methodenfindung zur Identifikation stadträumlicher<br />
Barrieren auf Grundlage der Emotionsforschung<br />
Da die Methoden zur Messung der subjektiven Lebensqualität nicht zu einem befriedigendem Ergeb-<br />
nis geführt haben, wurden grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung zu Rate<br />
gezogen. In einem ersten Schritt ergab sich die Notwendigkeit den Begriff der Emotion zu definieren,<br />
um daraufhin die das Zusammenspiel der einzelnen Emotionskomponenten (Aktivitätstendenzen,<br />
motorischer Ausdruck, subjektives Befinden und autonome Physiologie) näher zu betrachten. Die<br />
Emotion, einschließlich ihrer Komponenten mussten als Ganzes verstanden werden, um den mögli-<br />
chen Bereich einer objektiven und validen Messmethode einzugrenzen. Die Messmethode muss da-<br />
bei die zuvor definierten Anforderungen erfüllen:<br />
Aufnahme der affektiven Moment-zu-Moment-Emotionen und Erfahrungen in Echtzeit und<br />
zu jedem Zeitpunkt muss gewährleistet sein, um bestimmte Barrieren identifizieren zu kön-<br />
nen.<br />
Von der Messung störungsfreie Entfaltung des Betroffenen in seiner Umwelt muss gewähr-<br />
leistet sein.<br />
Die Suche begann als wiederum bei den klassischen Messinstrumenten der Emotionsforschung. Die-<br />
se sind unter dem Überbegriff ‚Ambulatorisches Assessment‘ zusammengefasst. Die Instrumente<br />
wurden hauptsächlich im ambulatorischen Bereich zur Feststellung des Gesundheitsgrades und des<br />
Wohlbefindens eingesetzt. Die ‚experience sampling Methode‘ kannte bereits die subjektive Lebens-<br />
qualitätsforschung und wurde dort im Kontext der Arbeit als nicht-geeignet erachtet. Das ‚Behaviour<br />
recording‘ dagegen liefert bereits technische Möglichkeiten, um affektive Moment-zu-Moment-<br />
Emotionen zu identifizieren. Diese Instrumente wie unauffällige Brillenkameras, Videoaufnahmen<br />
des Probanden oder auch Stimmenaufnahmen, lassen jedoch noch keine hundertprozentige Aussage<br />
treffen, wie der Proband sich in diesem Moment innerlich füllt. Es werden vielmehr emotionale Aus-<br />
drücke erkennbar, die auf ein bestimmtes Empfinden schließlich lassen. Zudem ist der hohe techni-<br />
sche Aufwand im Kontext behinderter und mobilitätseingeschränkter Menschen selten praktikabel.<br />
Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen können diese technischen Hilfsmittel den Probanden wei-<br />
ter in seiner Bewegungsfreiheit einschränken oder störend wirken. Insbesondere behinderte Men-<br />
schen weisen auch hohe Sensibilität auf zusätzliche Belastungen auf. Ein weiterer Grund findet sich in<br />
der Verwertbarkeit des Video-, Bild- oder Stimmenmaterials. Die Behinderung eines Menschen geht<br />
nicht selten mit einer geistigen Behinderung einher. Durch die geistige Behinderung kann die Erken-<br />
nung von Gesicht- oder Stimmenausdrücken verfälscht oder gar nicht vorhanden sein.<br />
Somit bleibt das psychophysiologische Monitoring als nunmehr letztmögliche Messmethode übrig. In<br />
diesem Bereich wird durch die Messung der autonomen Physiologie des Organismus auf Emotionen<br />
geschlossen. Das psychophysiologische Monitoring stellt sich als die beste Methode heraus, unauffäl-<br />
lig affektive Moment-zu-Moment-Emotionen aufzuzeichnen. Dies unterstreicht auch die intensive<br />
76
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Forschung in diesem Themenfeld. 214 Dabei werden verschieden physiologische Körperreaktionen<br />
über eine bestimmte Zeit gemessen. Dies erfolgt beispielsweise durch die Messung der elektroder-<br />
malen Aktivität (EDA) oder der Hauttemperaturveränderung. Die Forschung liefert vor allem durch<br />
einen Erfahrungswert von Jahrzehnten und geeignete unauffällige Messinstrumente, welche bequem<br />
am Handgelenk getragen werden können, besonders objektive und valide Daten. Für die Messung<br />
stadträumlicher Barrieren ist es in diesem Zusammenhang besonders wichtig die mentale Belastung,<br />
also Stress, durch physiologische Indikatoren aufzuzeigen. Stress wird aus dem Konstrukt aus Ärger<br />
und Angst verstanden. Daher ist es logisch bei Auftreffen auf eine Barriere im innerstädtischen Raum<br />
aus Probandensicht von Stress zu sprechen. Ein weiterer Vorteil des psychophysiologischen Monito-<br />
rings ist es, dass kein Beobachter unmittelbar anwesend sein muss, sondern die Daten aus dem je-<br />
weiligen technischen Gerät nach Durchführung der Studie oder des Experimentes entnommen wer-<br />
den können. Dies empfiehlt das psychophysiologische Monitoring in sehr großem Maße für die An-<br />
wendung in der realen Welt und in Echtzeit.<br />
In der Konsequenz werden alle gestellten Anforderungen an die optimale Messmethode <strong>zum</strong> subjek-<br />
tiven Wohlbefinden erfüllt. Somit stellt sich das psychophysiologische Monitoring als Methode des<br />
ambulatorischen Assessments und damit der Emotionsforschung als geeignetes Instrument zur Mes-<br />
sung stadträumlicher Barrieren aus subjektiver Sicht der Betroffenen dar.<br />
214 Vgl. Kreibig, Sylvia (2010): Autonomic nervous system activity in emotion: A review, in: Biological Psychology, doi:<br />
10.1016/j.biopsycho.2010.03.010, S. 18-23.<br />
77
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Kapitel 5<br />
EmBaGIS<br />
Emotionales Barriere-GIS als ein<br />
neues Instrument zur Identifikation<br />
innerstädtischer Barrieren<br />
5.1. Rückschau auf bisherige Studien zur emotionalen Kartierung Seite 78<br />
5.2 EmBaGIS – mehr als nur eine Methode Seite 89<br />
5.3 Methodischer Aufbau zur Anwendung des EmBaGIS Seite 90<br />
5.4 Anforderungen an die Methodik <strong>zum</strong> EmBaGIS in Diskussion <strong>zum</strong><br />
methodischen Aufbau Seite 96<br />
5.5 Die Bedeutung von EmBaGIS für stadträumliche Planungsprozesse zur<br />
barrierefreien Stadt Seite 107<br />
5.6 Zwischenfazit Seite 109
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
Kapitel 5 – „Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instru-<br />
ment zur Identifikation und Optimierung stadträumlicher Barrieren<br />
Ein hohes subjektives Lebensqualitätsempfinden für mobilitätseingeschränkte und behinderte Men-<br />
schen im innerstädtischen Lebensraum setzt insbesondere eine Gewährleistung einer hohen Barrie-<br />
refreiheit in der Stadt voraus. Diese Barrierefreiheit als Bottom-Up-Ansatz zu erfassen und zu bewer-<br />
ten hat in der Vergangenheit nur mit selbst-berichteten und retrospektiven Umfrageinstrumenten<br />
stattgefunden. Die Nachteile dieser Methodiken wurden in den abgehandelten Kapiteln zur subjekti-<br />
ven Lebensqualitätsforschung und Emotionsforschung bereits intensiv diskutiert. Gemäß der Zielset-<br />
zung der Arbeit müssen der Stadtplanung valide und objektive Daten zur Bestimmung von innerstäd-<br />
tischen Barrieren zur Verfügung gestellt werden, um damit ein transparentes und nachvollziehbares<br />
Maß einer Bewertung innerstädtischer Räume festzulegen. Aus subjektiven, personenbezogenen<br />
Daten, objektive und gleichermaßen valide Daten in Form der Messmethode des psychophysiologi-<br />
schen Monitorings zu generieren, stellt eine komplett neue Herangehensweise für die Stadtplanung<br />
dar. Diese Herangehensweise ist nicht nur mit einem großen Potenzial hinsichtlich der Ergebnisorien-<br />
tierung behaftet, sondern bietet auch die Opportunität eine konzentrierte Beteiligung betroffener<br />
Menschen zu schaffen.<br />
Die bisher gewonnenen Erkenntnisse aus allen abgehandelten Wissenschaftsbereichen ermöglichen<br />
es nun ein weitgreifendes, neues Instrument zur Identifikation stadträumlicher Barrieren zu initiie-<br />
ren. Das hieraus resultierende ‚Emotionale Barriere-GIS‘, kurz EmBaGIS, erfährt im Verlauf dieses<br />
Kapitels eine umgreifend fundierte Basis.<br />
Des Weiteren gilt es den Einsatz des neuen Instrumentes in informellen Planungsprozessen zu disku-<br />
tieren. Zudem stellt sich die Frage, welche Chancen dieses innovative Messinstrument in einer integ-<br />
rativen Stadtentwicklung der Zukunft bieten kann.<br />
Zunächst werden jedoch bisherige Studien zur sogenannten ‚emotionalen Stadtkartierung‘ unter-<br />
sucht, welche das psychophysiologische Monitoring bereits in einem stadtplanerischen Kontext zur<br />
Anwendung gebracht haben. Hieraus sollen weitere wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung des<br />
EmBaGIS gewonnen werden.<br />
5.1 Rückschau auf bisherige Studien zur emotionalen Stadtkartierung<br />
Das psychophysiologische Monitoring hat sich in den letzten Jahren immer weiter auch in stadtplane-<br />
rischen Fragestellungen etabliert. Als erster Anwendungsfall dieses Novums gilt das ‚Bio Mapping‘<br />
nach Christian Nold, der das psychophysiologische Monitoring als partizipativen Bottom-Up-Ansatz<br />
zur Verbesserung des Gemeinschaftsgedankens und der eigenen Identifikation mit dem eigenen<br />
78
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Wohnumfeld einsetzt. Zudem möchte Christian Nold durch die erhaltenen Ergebnisse für eine näh-<br />
rende politische Diskussion sorgen.<br />
Aus der Motivation des ‚Bio Mapping‘ heraus hat sich das ‚Emotional Mapping‘ gebildet. Das ‚Emoti-<br />
onal Mapping‘ untersucht konkrete stadtplanerische Fragestellungen mit dem Ziel neue Denkweisen<br />
für stadtplanerische Planungsprozesse zu initiieren. Auch die hieraus gewonnenen Erkenntnisse fü-<br />
gen sich nahtlos in die darauffolgende Instrumentenentwicklung des EmBaGIS ein.<br />
5.1.1 Bio Mapping nach Nold<br />
Christian Nold gilt als Künstler, Designer und Pädagoge und entwickelt in seiner umgreifenden fachli-<br />
chen Kompetenz neue partizipative Modelle für kommunale Selbst- und Außendarstellungen. Der<br />
Kern seiner Forschung liegt dabei auf die Schaffung partizipativer Kartierungen vor dem Hintergrund<br />
politischer Akzeptanz und Meinungsbildung. Insbesondere sein Projekt des ‚Bio Mapping‘ hat für<br />
einen enormen, internationalen Bekanntheitsgrad geführt. So hat er dieses Projekt in 16 Ländern und<br />
mit über 1500 Beteiligten etabliert. Beispiele hierfür sind das ‚San Francisco Emotion Map‘ 215 , das<br />
‚Greenwich Emotion Map‘ 216 oder das ‚East Paris Emotion Map‘ 217 . Diese partizipative Projekte haben<br />
eine strake pädagogische Basis, welche sich aus Nolds universitären Tätigkeiten begründet. 218 So<br />
widmet er seine Forschungen der Entwicklung technischer Tools im Bereich der sozialen, politischen<br />
und umweltbezogener Innovation. Dabei möchte er die Lücke zwischen der Anwendung technologi-<br />
scher Hilfsmittel zur Feststellung der individuellen Wahrnehmung im Zusammenspiel mit gebauter,<br />
sozialer sowie politischer Umwelt schließen. Den Synergieeffekt zwischen dem Themenbereich der<br />
Kunst und des Design sowie der politischen Entscheidungsträger ist hierbei als primäres Ziel ent-<br />
scheidend. So treibt er den technischen Fortschritt durch die Entwicklung technischer Tools als sozial-<br />
konstruktive, Bottom-Up-Instrumente konzentriert voran. 219 Der thematische Hintergrund ist durch<br />
die Formulierung folgender forschungsleitenden Frage abgebildet:<br />
79<br />
Wie wird sich unsere Wahrnehmung einer Gemeinschaft oder einer Umwelt verändern, wenn wir<br />
uns unseren und anderer intimer, emotionaler Körperzustände bewusst werden? 220<br />
Das ‚Bio Mapping‘-Forschungsprojekt untersucht neue Wege wie <strong>zum</strong> einem, Individuen physiologi-<br />
sche Informationen über ihr Körper verarbeiten können und <strong>zum</strong> anderen, wie diese Informationen<br />
für politische Entscheidungsträger von Relevanz sind. Individuen sind damit befähigt in einem<br />
Bottom-Up-Ansatz ihre eigenen Biodaten selektiert an Behörden und Planungsinstanzen weiterzulei-<br />
215<br />
Vgl. Internetauftritt der San Francisco Emotion Map, aufgerufen unter: http://www.sf.biomapping.net/, abgerufen am<br />
216<br />
Vgl. Internetauftritt der Greenwich Emotion Map, aufgerufen unter: http://www.emotionmap.net/, abgerufen am<br />
14.09.2010.<br />
217<br />
Vgl. Internetauftritt der East Paris Emotion Map, aufgerufen unter: http://paris.emotionmap.net/ abgerufen am<br />
14.09.2010<br />
218 Vgl. Internetauftritt Christian Nolds, aufgerufen unter: http://www.softhook.com/resume.htm, abgerufen am<br />
14.09.2010.<br />
219 Vgl. Internetauftritt Christian Nolds, aufgerufen unter: http://www.softhook.com/about.htm, abgerufen am 14.09.2010.<br />
220 Vgl. Hope, Sophie (2009): Socially Engaged Art – The Conscience of Urban Development, in: Nold, Christian (Editor):<br />
Emotional Cartography – Technologies of the Self, London, United Kingdom, S. 75. E-Book:<br />
http://emotionalcartography.net/EmotionalCartography.pdf.
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
ten. Das ‚Bio Mapping’-Tool ermöglicht es dem Träger seine sogenannte galvanischen Hautreaktio-<br />
nen (Galvanic Skin Response GSR) aufzuzeichnen. Die Bewertung dieser galvanischen Hautreaktion ist<br />
ein einfacher Indikator für den Erregungszustand des Individuums. In der Fachliteratur kommt der<br />
galvanischen Hautreaktion die elektrodermale Aktivität gleich (siehe Kapitel 4.3.3. und 4.4.).<br />
Abbildung 12: Hautsensor (links) und Hautsensor und GPS-Logger (rechts). Quelle: (links) Internetauftritt des Bio Mapping,<br />
aufgerufen unter: http://www.biomapping.net/technical.htm, abgerufen am 14.09.2010. (rechts) Nold, Christian (2009):<br />
Emotional Cartography – Technologies of the Self, United Kingdom, S.2. E-Book:<br />
http://emotionalcartography.net/EmotionalCartography.pdf.<br />
Zudem kommen in den Forschungsstudien GPS-Logger <strong>zum</strong> Einsatz, welche es ermöglichen die ge-<br />
messenen Erregungszustände kartographisch zu verorten (siehe Abbildung 13). Die entstehenden<br />
Karten können so aggregiert werden, dass bestimmte Erregungspunkte über eine Anzahl mehrerer<br />
Messpersonen identifiziert werden können. Nold spricht dabei von einer Visualisierung von Orten,<br />
welche Stress oder Aufregung indizieren. 221 Jede Karte ist in diesem Sinne eine persönliche Aufzeich-<br />
nung einer emotionalen und gleichermaßen physischen Reise. 222 Ein weiteres Ziel des ‚Bio Mapping’<br />
ist es, die emotionalen Zustände einer bestimmten Bevölkerung innerhalb eines bestimmten Distrikts<br />
aufzuzeichnen. Es werden also Vor-Ort-Betroffene physiologisch gemessen. 223 Das ‚Bio Mapping‘<br />
lässt sich somit als Community-Projekt charakterisieren, welches die physiologischen Erregungszu-<br />
stände einzelner Individuen aufzeichnet, kartographisch verortet und diese in Einzel- oder aggregier-<br />
ten Profilen darstellt. Die kartographische Visualisierung wird dann unter dem Begriff ‚Emotion Map‘<br />
verstanden. Die Spitzen in der Visualisierung der Probandenroute beschreiben dabei Erregungsspit-<br />
zen, welche mit einer textlichen Information unterlegt sind.<br />
221 Vgl. Internetauftritt Christian Nolds, aufgerufen unter: http://www.softhook.com/bio.htm, abgerufen am 14.09.2010.<br />
222 Vgl. Davis, Stephen B. (2009): Mapping Unseen – Making Sense of the Subjective Image, in: Nold, Christian (Editor):<br />
Emotional Cartography – Technologies of the Self, London, United Kingdom, S. 47. E-Book:<br />
http://emotionalcartography.net/EmotionalCartography.pdf.<br />
223 Vgl. Internetauftritt Christian Nolds, aufgerufen unter: http://www.softhook.com/bio.htm, abgerufen am 14.09.2010.<br />
80
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Abbildung 13: Visualisierung biometrischer Daten (GSR) im Beispiel Greenwich Emotion Map. Quelle: Internetauftritt Chris-<br />
tian Nolds, aufgerufen unter: http://www.softhook.com/emot.htm, abgerufen am 14.09.2010.<br />
Der idealisierte Ablauf einer solchen Studie beschreibt zunächst die Ausstattung von Probanden mit<br />
dem Hautsensor und dem GPS-Logger (siehe Abbildung 12). Daraufhin werden die Probanden auf<br />
eine beliebige Route durch den zu untersuchenden Distrikt geschickt. Nach diesen Rundgängen wer-<br />
den die Daten ausgewertet und mit Hilfe von Google Earth oder auf georeferenzierten Karten visuali-<br />
siert (siehe Abbildung 13). Dabei erfolgt ein ‚Anfüttern‘ des kartographischen Materials mit Zusatzin-<br />
formation zu individuellen Örtlichkeiten. 224<br />
Das Instrument des ‚Bio Mapping‘ versteht sich somit als Spiegelung des allgemein bekannten Lü-<br />
gendetektors. Der Körper sagt immer die Wahrheit, wobei der Mensch mit dem gesprochen Wort<br />
Lügen kann. Durch die Aufzeichnung der körpereigenen Biosignale soll diese Wahrheit hervorge-<br />
bracht und auf stadträumliche Wahrnehmungsfragen angewandt werden. Das ‚Bio Mapping‘ zielt<br />
desweiteren darauf ab, dass die Menschen sich selbst mit ihren Erfahrungen und Emotionen ausei-<br />
nandersetzen und diese in die öffentliche Diskussion mit einbringen. Dadurch wird eine neue Art von<br />
Wissen generiert, welches objektive biometrische Daten sowie georeferenzierte Verortung zusam-<br />
menführt und zu einer neuartigen Psychogeographie führt. 225<br />
Christian Nold prägt damit den international bekannten Begriff des ‚Emotional Mapping‘ und gilt mit<br />
seinem Forschungsansatz, welcher physiologische und georeferenzierte Daten in einem logischen<br />
Kontext zusammenführt, als der Vorreiter in diesem bi-thematischen Feld der Forschung.<br />
5.1.2 Emotional Mapping<br />
Aus dem beschriebenen Ansatz des ‚Bio Mapping‘ von Nold haben sich eine Reihe weiterer Projekte<br />
und Studien ergeben, welche unter dem Begriff des ‚Emotional Mappings‘ zusammengefasst werden<br />
224<br />
Vgl. Internetauftritt der San Francisco Emotion Map, aufgerufen unter: http://www.sf.biomapping.net/background.htm,<br />
abgerufen am 14.09.2010.<br />
225<br />
Nold, Christian (2009): Emotional Cartography – Technologies of the Self, London, United Kingdom, S. 5. E-Book:<br />
http://emotionalcartography.net/EmotionalCartography.pdf.<br />
81
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
können. Diese Studien finden ihren Fokus in einer möglichen Verwendbarkeit der gewonnenen Er-<br />
kenntnisse für Planungsprozesse innerhalb der Stadtplanung. An dieser Stelle werden die Projekte<br />
‚Ein emotionales Kiezportrait“ und „Emomap Mannheim – ein emotionales Stadtporträt“ als Initial-<br />
zündung der Forschung zur emotionalen Stadtkartierung behandelt.<br />
„Ein emotionales Kiezportrait“ Berlin<br />
Im Gegensatz <strong>zum</strong> bisher vorgestellten ‚Bio Mapping‘ von Nold, welches eher ein künstlicher Hinter-<br />
grund begleitet, geht das hier dargelegte Projekt noch einen Schritt weiter. Die emotionale Datener-<br />
hebung und deren Verortung werden weiterführend in einen stadtplanerischen Kontext gebracht. 226<br />
„Explorativ versucht das Projekt, Gefühle und Emotionen der Bewohner zu messen, diese kartogra-<br />
fisch festzuhalten und zu visualisieren.“ 227<br />
Das emotionale Kiezportrait verfolgt als Ziel die Exploration der individuellen und in Echtzeit gesam-<br />
melten Erfahrungen eines Menschen. Die bekannten Schlagworte des ‚Fühlens‘ und der damit ver-<br />
bundenen ‚Physiologie‘ des Individuums bekommen einen hohen Stellenwert zugerechnet. Somit<br />
basiert die Studie ebenfalls auf Erkenntnissen der subjektiven Lebensqualitäts- und Emotionsfor-<br />
schung. „Zudem gilt es darzustellen, welche Aussage in Hinblick auf Stadtstruktur und Stadtgestalt<br />
die planende Disziplin jenseits der traditionellen Planungstechniken und -Methoden für eine qualita-<br />
tive, bürgernahe Bottom-Up Planung im formellen als auch informellen Planungsprozess heranziehen<br />
kann.“ 228<br />
Das emotionale Kiezportrait setzt verstärkt auf den Einsatz moderner Computer-Technologien zur<br />
Erfassung und Darstellung des emotionalen Befindens des Menschen. Zur Aufnahme der physiologi-<br />
schen Körperfunktionen wird das sogenannte ‚Smartband‘ eingesetzt, welches unauffällig am Hand-<br />
gelenk getragen werden kann und in seiner Funktion affektive Körperreaktionen von Moment zu<br />
Moment (1Sek.) aufzeichnet. Zu den genannten physiologischen Körperreaktionen gehören neben<br />
der elektrodermalen Aktivität auch der Puls und die Hauttemperatur. 229 Das bedeutende Maß für die<br />
vorliegende Studie ist die elektrodermale Aktivität als Indikator für die Erregung des Probanden. „Das<br />
Smartband ist eine neue, amtlich geschützte Erfindung, bei der Mikroprozessor und Sensoren unauf-<br />
fällig in einem bequem zu tragenden Armband eingearbeitet sind.“ 230 Dem Smartband beigefügt wird<br />
jeder Proband mit einem GPS-Logger ausgerüstet, welcher ebenfalls jede Sekunde die räumlichen<br />
Positionskoordinaten mit einer Genauigkeit von unter drei Metern aufzeichnet. Zusätzlich verfügt der<br />
GPS-Logger über eine Markierungsfunktion mittels eines Buttons (Markierung von ‚Highlights‘). Hier-<br />
durch können bestimmte Örtlichkeiten gesondert markiert werden. Letztendlich werden die gewon-<br />
226<br />
Vgl. Höffken, Stefan; Papastefanou, Georgios; Zeile, Peter (2008): Google Earth, GPS, Geotagging und neue Möglichkeiten<br />
für die Stadtplanung - Ein emotionales Kiezportrait, in: realcorp Tagungsband 2008, S. 279. E-Paper:<br />
http://www.corp.at/corp_relaunch/papers_txt_suche/CORP2008_64.pdf.<br />
227<br />
Ebenda.<br />
228<br />
Ebenda.<br />
229<br />
Papastefanou, Georgios (2010): Expertengespräch im August 2010.<br />
230<br />
Höffken, Stefan; Papastefanou, Georgios; Zeile, Peter (2008): Google Earth, GPS, Geotagging und neue Möglichkeiten für<br />
die Stadtplanung - Ein emotionales Kiezportrait, in: realcorp Tagungsband 2008, S. 279. E-Paper:<br />
http://www.corp.at/corp_relaunch/papers_txt_suche/CORP2008_64.pdf.<br />
82
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
nen Daten nach deren Auswertung und Zusammenführung mit Hilfe des Opensource-Tools Google<br />
Earth kartographisch visualisiert. 231<br />
Abbildung 14: Bewegungstracks zweier Probanden. Quelle: Höffken, Stefan; Papastefanou, Georgios; Zeile, Peter (2008):<br />
Google Earth, GPS, Geotagging und neue Möglichkeiten für die Stadtplanung - Ein emotionales Kiezportrait, in: realcorp<br />
Tagungsband 2008, S. 280. E-Paper: http://www.corp.at/corp_relaunch/papers_txt_suche/CORP2008_64.pdf.<br />
Die Durchführung der Studie umfasst zehn Bewohner des Kiezes, „die sich in einem festgelegten Ge-<br />
biet (z. B. einem Quartiersmanagement-Gebiet) eine Stunde frei (d. h. ohne Vorgaben, welche Orte<br />
sie aufzusuchen haben) bewegen können [(siehe Abbildung 14)+.“ 232 Zur Absolvierung der Aufgabe<br />
werden sie mit Smartband und GPS-Logger ausgerüstet.<br />
Zur weiteren Validierung der gewonnenen Messdaten durch das Smartband werden im Laufe der<br />
Spaziergänge die für die Probanden wichtigsten Punkte mit dem GPS-Logger markiert. Zusätzlich<br />
besteht die Möglichkeit Fotos von diesen wichtigen Punkten zu machen. In einem anschließenden<br />
Interview werden die Probanden hinsichtlich ihrer Wahl der ‚Highlights‘ befragt.<br />
Als Ergebnis der Studie „wird eine Ausstellung konzipiert, die einen Eindruck gibt, wie die Teilnehmer<br />
den Kiez sehen – das Kiezportrait. Dazu werden personenbezogene Plakate erstellt, die neben dem<br />
Foto der Personen, deren Routen, deren 10 Highlights sowie Zitate aus den Interviews beinhalten<br />
werden.“ 233 Eine weitere Möglichkeit der verwendeten Methode des ‚Emotional Mappings‘ besteht<br />
231 Vgl. Höffken, Stefan; Papastefanou, Georgios; Zeile, Peter (2008): Google Earth, GPS, Geotagging und neue Möglichkeiten<br />
für die Stadtplanung - Ein emotionales Kiezportrait, in: realcorp Tagungsband 2008, S. 279. E-Paper:<br />
http://www.corp.at/corp_relaunch/papers_txt_suche/CORP2008_64.pdf.<br />
232 Ebenda.<br />
233 Höffken, Stefan; Papastefanou, Georgios; Zeile, Peter (2008): Google Earth, GPS, Geotagging und neue Möglichkeiten für<br />
die Stadtplanung - Ein emotionales Kiezportrait, in: realcorp Tagungsband 2008, S. 280. E-Paper:<br />
http://www.corp.at/corp_relaunch/papers_txt_suche/CORP2008_64.pdf.<br />
83
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
darin, die Daten aller Probanden zu aggregieren und zu überlagern, um hierdurch Daten zu gewin-<br />
nen, welche eine bestimmte Masse an Personen repräsentieren. 234<br />
Das Projekt „Ein emotionales Kiezportrait“ nimmt den Gedanken Christian Nolds zur Etablierung die-<br />
ses neuen Kartographierens als Bottom-Up-Ansatz an und führt ihn hinsichtlich der Verwertbarkeit<br />
innerhalb von Planungsprozessen weiter aus. Mit Hilfe des ‚Emotional Mappings‘ kann eine neue Art<br />
der Beteiligung in informellen Planungsprozessen entstehen, welche in sich ein enorm großes Poten-<br />
zial aufweist. Zudem dient die Methode auch als Mittler zwischen dem eigenen Wohnumfeld und<br />
den damit verbundenen Erfahrungen. Das ‚Emotional Mapping‘ kann somit identitätsfördernd oder –<br />
mindert wirken. Zumindest wird eine emotionale Auseinandersetzung der Wohnbevölkerung mit<br />
ihrem Wohnumfeld erreicht. „Der Vergleich mit von Planern erkannten Missständen bzw. auf den<br />
Weg gebrachten Planungen einerseits und mit den realen Empfindungen des Bürgers vor Ort ande-<br />
rerseits, können neue Wege der Stadtplanung definieren.“ 235<br />
„Emomap Mannheim – ein emotionales Stadtporträt“<br />
Das Projekt ‚Emomap Mannheim‘ ist Rahmen des Studiums der Raum- und Umweltplanung an der<br />
TU <strong>Kaiserslautern</strong> entstanden. Es befasst sich, wie das ‚emotionale Kiezportrait‘, mit der Kartierung<br />
physiologischer Daten im städtischen Raum vor dem Hintergrund einer stadtplanerischen Verwend-<br />
barkeit. Damit wird auch der Richtung gefolgt, die Methode für die Anwendung als Bottom-Up-<br />
Ansatz zur georeferenzierten Lokalisierung der Gefühle/Emotionen von Menschen zu erproben. 236<br />
Das Projekt ‚Emomap Mannheim‘ hat die Erfassung und Visualisierung von Emotionen der jeweiligen<br />
Stadtraumnutzer <strong>zum</strong> Ziel. Daraus lässt sich ableiten „welche Aussage in Hinblick auf Stadtstruktur<br />
und Stadtgestalt die planende Disziplin jenseits der traditionellen Planungstechniken und -methoden<br />
für eine quantitative, bürgernahe Bottom-Up-Planung im formellen als auch informellen Planungs-<br />
prozess heranziehen kann.“ 237 Dabei kommen insbesondere neue Techniken wie das Geoinformati-<br />
onssystem Google Earth zur Visualisierung, GPS-Geräte zur Verortung von Emotionspunkten sowie<br />
Smartbänder zur Aufnahme physiologischer Biosignale <strong>zum</strong> Einsatz. Die Herangehensweise beruht<br />
auf dem ‚Bio Mapping‘ von Nold (siehe Kapitel 5.1.1) sowie der Methodik des ‚Mental Mapping‘.<br />
Zudem gelten das ‚Entwicklungskonzept Innenstadt Mannheim EKI.MA‘ und das Projekt ‚Wohlfühlen<br />
im öffentlichen Raum in der Innenstadt Mannheim‘ der TU Karlsruhe als rahmengebende Determi-<br />
nanten. 238<br />
234 Vgl. Ebenda, S.280.<br />
235 Ebenda, S. 281.<br />
236 Vgl. Internetauftritt des Lehrgebiet Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden CPE an der TU <strong>Kaiserslautern</strong>,<br />
aufgerufen unter: http://<strong>cpe</strong>.arubi.uni-kl.de/2008/03/27/ein-emotionales-stadtportrait-emomap-kleines-studienprojekt/,<br />
abgerufen am 15.09.2010.<br />
237 Internetauftritt des kleinen Studienprojekts ‚emomap Mannheim‘ Gruppe 1 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Computergestützte<br />
Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, aufgerufen unter: http://emomap-ma.blogspot.com/2008/05/kleinesstudienprojekt-emomap-einfhrung.html,<br />
abgerufen am 15.09.2010.<br />
238 Vgl. Internetauftritt des kleinen Studienprojekts ‚emomap Mannheim‘ Gruppe 2 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Computergestützte<br />
Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, aufgerufen unter: http://emomap-mannheim.blogspot.com/, abgerufen<br />
am 15.09.2010.<br />
84
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Der räumliche Umgriff der Untersuchung wird durch die Inhalte des EKI.MA abgegrenzt. Dabei wurde<br />
insbesondere auf die Spannungsfelder ‚Boulevard‘, ‚Integration‘, ‚Perspektive‘, ‚Rhein‘, ‚Metropole‘<br />
und ‚KulturQuadrate‘ eingegangen. Diese räumliche Abgrenzung wird vor dem Hintergrund der Ver-<br />
gleichbarkeit der Messergebnisse des ‚Emomap Mannheim‘ mit dem bereits bestehenden Projekte<br />
EKI.MA bestimmt. Der Ansatz ist notwendig, da das ‚Emotional Mapping‘ im Rahmen dieser Untersu-<br />
chung noch in der Erprobung stand. Zusätzlich wird das Projekt der TU Karlsruhe als weiterer Bewer-<br />
tungsmaßstab als Vergleichsbasis herangezogen.<br />
In einem Feldversuch haben sich Studierende der TU <strong>Kaiserslautern</strong> auf Spaziergänge durch be-<br />
stimmte Quartiere in die Innenstadt von Mannheim begeben. Dabei wird durch das Tragen des<br />
Smartbandes durch Veränderung der elektrodermalen Aktivität auf räumlich begrenzte Emotionen<br />
geschlossen, welche mit dem jeweiligen Umfeld in Zusammenhang stehen (siehe Abbildung 15). Zur<br />
Verortung dieser Erregungspunkte findet ebenfalls ein GPS-Logger seine Anwendung. Mit dem Pro-<br />
jekt ‚Emomap Mannheim‘ wird erprobt, „ob und wie sich emotionale Regungen von Menschen im<br />
Stadtraum messen lassen.“ 239 Maßgebliche Größe ist hierbei der Begriff ‚Stress‘, welcher aus den<br />
physiologischen Daten ausgelesen wird. 240 Zudem können auch in diesem Projekt einzelne besondere<br />
Erregungspunkte gemarkert werden, wie dies in Abbildung 15 ersichtlich ist.<br />
Abbildung 15: Hautwiderstandswerte eines Probanden. Quelle: Internetauftritt des Lehrgebiet Computergestützte Pla-<br />
nungs- und Entwurfsmethoden CPE an der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, aufgerufen unter: http://<strong>cpe</strong>.arubi.uni-kl.de/wp-<br />
content/uploads/2008/05/mannem.jpg, abgerufen am 15.09.2010.<br />
Als Ergebnis wird festgestellt, dass „sich aus der Analyse mehrere Abhängigkeiten zwischen räumli-<br />
chen Situationen und dem Hautwiderstand [(Widerstandsgröße der elektrodermale Aktivität)] her-<br />
aus[kristallisieren], auch wenn eine vollkommen klare Abgrenzung zwischen Stress- und<br />
239 Internetauftritt des Netzwerkes für urbane Kultur e.V. urbanophil, aufgerufen unter:<br />
http://www.urbanophil.net/index.php/digitale-kultur/emotionen-und-google-earth/, abgerufen am 15.09.2010.<br />
240 Vgl. Internetauftritt des kleinen Studienprojekts ‚emomap Mannheim‘ Gruppe 2 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Computergestützte<br />
Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, aufgerufen unter: http://emomap-mannheim.blogspot.com/, abgerufen<br />
am 15.09.2010.<br />
85
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
Wohlfühlbereichen nicht möglich war [(siehe Abbildung 16)]. Maßgebliche Zusammenhänge ergaben<br />
sich vor allem zwischen Lärmemissionen und Stress bzw. im Gegensatz dazu zwischen Freiräumen<br />
und Erholung.“ 241<br />
Abbildung 16: Stress- (rot) und Wohlfühlbereiche (grün) in der Mannheimer Innenstadt. Quelle: Studienprojekt ‚emomap<br />
Mannheim‘ Gruppe 3 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden CPE.<br />
5.1.3 Zentrale Erkenntnisse bisheriger Studien<br />
Das ‚Bio Mapping‘ von Nold sowie das ‚Emotional Mapping‘ sind erste Studien zur Verfestigung einer<br />
raumbezogenen, emotionalen Stadtkartierung. Diesbezüglich entstand der Ansatz von Nold zunächst<br />
aus einer künstlerischen und pädagogischen Motivation heraus, wohingegen nehmen sich nachfol-<br />
gende ‚Emotional Mapping‘-Studien dem stadtplanerischen Bezug der emotionalen Datenaufnahme<br />
in Verbindung mit einer adäquaten Visualisierung annehmen. Der Gedanke der Verfestigung eines<br />
Bottom-Up-Ansatzes als partizipatives Element zur Verbesserung der Identitätsschaffung und Ver-<br />
mittlung relevanter Gefühlszustände der jeweiligen Bewohner soll in beiden Fällen erfüllt werden.<br />
Somit wird ein erster und gleichsam neuer Schritt in der Analysemöglichkeit subjektiver Lebensquali-<br />
tät von Betroffenen beschritten, welcher insbesondere die Stadtplanung und deren Planungsprozes-<br />
se entscheidend verändern kann.<br />
Die durchgeführten Studien <strong>zum</strong> Thema ‚Bio Mapping‘ sowie ‚Emotional Mapping‘ stellen erste Ver-<br />
suche der Interpretation gesammelter Echtzeitdaten der autonomen Physiologie des Organismus<br />
ausgewählter Probanden (meist Bewohner des jeweiligen Untersuchungsraumes) dar. Eine gleichsa-<br />
me Kritik offenbart die Interpretation dieser gewonnenen Daten in Verbindung mit den visualisierten<br />
Kartographien. Die Studien haben gezeigt, dass sich ein eindeutiger, emotionaler Zustand nicht auf<br />
eine bestimmte Örtlichkeit präzise rückführen lässt. Dies liegt <strong>zum</strong> einen an der Interpretation der<br />
241 Internetauftritt des kleinen Studienprojekts ‚emomap Mannheim‘ Gruppe 2 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Computergestützte<br />
Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, aufgerufen unter: http://emomap-mannheim.blogspot.com/, abgerufen<br />
am 15.09.2010.<br />
86
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
elektrodermalen Aktivität der untersuchten Probanden. Die elektrodermalen Aktivität ist Indikator<br />
für gleichwohl viele Emotionen (siehe Kapitel 4.4 Messparameter und –Methoden physiologischer<br />
Zustände und Stress i.V.m. Anhang V, Emotionstabelle) und ermöglichen es lediglich Erregungen an<br />
bestimmten Punkten zu identifizieren. Zum anderen liegen nur bedingt weitere Informationen zu<br />
diesen gemessenen Erregungspunkten vor, sofern sie nicht durch eine Vor-Ort-Notiz <strong>zum</strong> subjektiven<br />
Befinden oder einer nachfolgenden Evaluation erhoben werden. Die Nachteile einer zusätzlichen,<br />
gleichwohl emotionsbeeinflussenden Datenerhebung am Ort des Geschehens wurden bereits disku-<br />
tiert (siehe Kapitel 3.3.1.2 und 4.3.1 ‚experience sampling‘).<br />
„Es wurde deutlich, dass *ein+ subjektives Urteil – also die bewusste Bewertung eines Ortes bzw. ei-<br />
ner Situation – nicht zwangsläufig mit den autonomen physiologischen Reaktionen einhergehen<br />
muss. Die bewusst gesetzten subjektiven Urteile können damit nur eingeschränkt zur Interpretation<br />
der physiologischen Reaktionen herangezogen werden, womit weitere Methoden zur Interpretation<br />
(z.B. Videobeobachtung) entwickelt werden müssen. Gleichzeitig lässt sich aber vermuten, dass mit-<br />
tels der Methoden der emotionalen Stadtkartierung Orte und Situationen identifiziert werden kön-<br />
nen, die bei den Probanden unbewusste Reaktionen auslösen, ohne bewusst als besondere Momen-<br />
te wahrgenommen zu werden.“ 242<br />
Ein weiterer Kritikpunkt ist sicherlich durch den definierten, räumlichen Umgriff bestimmt. Um Indi-<br />
katoren für valide und objektive Daten zu generieren, müssen innerhalb dieses abgegrenzten Raumes<br />
vorher festgelegte Routen, welche die Probanden abzulaufen haben, vorgegeben werden. Hierdurch<br />
lässt sich über eine kritische Masse an Probanden auch auf bestimmte Örtlichkeiten zurückschließen,<br />
insofern sich an diesen Punkte eine hohe Prozentzahl der Erregungsspitzen überlagern oder, im Ge-<br />
genteil, nicht überlagern. Zudem sind einige Punkte in der methodischen Vorgehensweise der vorge-<br />
stellten Studien <strong>zum</strong>indest diskussionswürdig oder vielleicht auch nicht bedacht worden. Es ist<br />
nochmals besonders zu betonen, dass die emotionale Stadtkartierung noch in ihren Kinderschuhen<br />
steckt.<br />
So ist eine Beteiligung ortskundiger Probanden insofern in Frage zu stellen, dass diese bereits an ih-<br />
nen bekannten Orte innerhalb des jeweiligen Quartiers emotional geprägt sind. Somit sind bereits<br />
bestimmte Erfahrungen und damit auch Emotionen mit determinierten, bekannten Lokalitäten ver-<br />
bunden. Hierdurch ist eine valide und objektive Wertung der gewonnenen Messergebnisse <strong>zum</strong>in-<br />
dest in Frage zu stellen.<br />
Zudem wird, zu Recht, Kritik an der Wertung der elektrodermalen Aktivität (oder Hautwiderstand) als<br />
alleiniger Indikator für Stress geübt. Zur Erfassung von Erregungszuständen ist die elektrodermale<br />
Aktivität durchaus geeinigt, was eine Unmenge von wissenschaftlichen Studien bewiesen hat (siehe<br />
Anhang V, Emotionstabelle). Jedoch kann die Veränderung der elektrodermalen Aktivität viele ver-<br />
schiedene emotionale Empfindungen ausdrücken.<br />
242 Höffken, Stefan (2010): Biosensorik und emotionale Stadtkartierung - Die Erfassung physiologischer Daten im Stadtraum,<br />
in: Lingner, St.; Lutterbeck, B.; Pallas, Fr. (Hrsg.): Die Zukunft der Räume. Gesellschaftliche Fragen auf dem Weg zur Ambient<br />
Intelligence, Graue Reihe, Bd. 50. European Academy Neuenahr-Ahrweiler GmbH, unveröffentlichtes Dokument.<br />
87
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
„Zwar besteht eine Korrelation zwischen Hautwiderstand und Emotionalität, jedoch ist die Emotiona-<br />
lität ein komplexes Phänomen, das von vielerlei äußeren Einflüssen und inneren Gefühlen und Ge-<br />
danken beeinflusst wird. Der Hautwiderstand gibt Hinweise auf die Erregung des Menschen – welche<br />
Emotion hierfür der Auslöser war, ist aufgrund der Komplexität jedoch nicht ableitbar.“ 243<br />
Eine bisher eindeutige Mustererkennung im Verlaufsniveau der elektrodermalen Aktivität oder des<br />
Hautwiderstandes über die Zeit, ist eine Zukunftsaufgabe im Bereich der Emotionsforschung und der<br />
Biosensorik (siehe Kapitel 4.2.4, 4.3 und 4.4). Zur Ermittlung des emotionalen Konstrukts ‚Stress‘<br />
reicht somit die Analyse der elektrodermalen Aktivität bzw. des Hautwiderstandes nicht aus. Es wird<br />
daher empfohlen <strong>zum</strong>indest einen weiteren physiologischen Indikator zu Rate zu ziehen.<br />
„Mit genaueren Messverfahren, die mehr Daten einbeziehen, beispielsweise auch den Puls, die Ge-<br />
hirnströme (EEG) oder die Blickrichtung, ließen sich auch genauere Aufschlüsse über die Erlebnisbe-<br />
schaffenheit von Orten gewinnen, die beispielsweise für Architekten und Urbanisten, aber auch für<br />
Designer von virtuellen Räumen sehr interessant sein könne.“ (Rötzer 2006). 244<br />
Zusammenfassend sind folgende zentrale Kritikpunkte und Empfehlungen aus<strong>zum</strong>achen:<br />
- Die elektrodermale Aktivität bzw. der Hautwiderstandes ist als alleiniger Indikator zur Mes-<br />
sung von Erregung zwar geeignet, jedoch ist hierdurch ein Rückschluss auf emotionale Kon-<br />
strukte, wie Stress, nicht möglich. Durch Hinzunahme eines weiteren physiologischen Mess-<br />
indikators würde eine höhere Aussagekraft der Daten entstehen und sich eingrenzt auf be-<br />
stimmte Basisemotionen zurückführen lassen.<br />
- Kritisch anzusehen ist die Störung der physiologischen Emotionsmessung durch zwischenzeit-<br />
liche, subjektive Urteile. Diese Problematik kann durch die Vermeidung subjektiver Urteile<br />
während der Routenabsolvierung gelöst werden. Eine möglichst gering gehaltene Beeinflus-<br />
sung des Probanden in seinem normalen Gang führt zu einer höheren Objektivität der Daten.<br />
- Die Ortskunde der Probanden führt zur Infragestellung valider und objektiver Datenerhebung<br />
durch die physiologische Messung, da bereits Emotionen und Erfahrungen mit bekannten<br />
Örtlichkeiten vorhanden sind. Bestehen beispielsweise gewisse Vorurteile, wie schlechte Er-<br />
fahrungen an einem bestimmten Ort, die das Emotionsbild des Probanden beeinflussen kön-<br />
nen, kann somit nicht auf Emotionen, die durch die bauliche Ausprägung eines Ortes ent-<br />
standen sind, geschlossen werden.<br />
- Die Offenheit des räumlichen Umgriffs eines Untersuchungsraumes führt dazu, dass eine<br />
Verbindung der physiologischen Daten mit einer bestimmten Örtlichkeit nicht automatisch<br />
243 Höffken, Stefan (2010): Biosensorik und emotionale Stadtkartierung - Die Erfassung physiologischer Daten im Stadtraum,<br />
in: Lingner, St.; Lutterbeck, B.; Pallas, Fr. (Hrsg.): Die Zukunft der Räume. Gesellschaftliche Fragen auf dem Weg zur Ambient<br />
Intelligence, Graue Reihe, Bd. 50. European Academy Neuenahr-Ahrweiler GmbH, unveröffentlichtes Dokument.<br />
244 Rötzer, Florian (2006): Emotionale Stadtkartierung, aufgerufen unter:<br />
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22591/1.html, abgerufen am 16.09.2010.<br />
88
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
89<br />
anzunehmen und zu belegen ist. Es ist daher unabdingbar den Untersuchungsgegenstand<br />
(bspw. Barrieren) klar zu definieren und eine klare Route abzustecken, welche Probanden zu<br />
absolvieren haben.<br />
Letztendlich ist als Anmerkung festzuhalten, dass von Kritik an auftretenden, technischen Probleme<br />
in der Datenerhebung an dieser Stelle abgesehen wird. Diese sind zwar vorhanden, jedoch nicht in<br />
dem Maße, dass eine grundlegende, technische Fehlfunktion vorgelegen hätte.<br />
Es gilt nun die genannten Kritikpunkte und Erkenntnisse der bisherigen Studien zur emotionalen Kar-<br />
tierung in der folgenden Instrumentenentwicklung zu verarbeiten.<br />
5.2 EmBaGIS – mehr als nur eine Methode<br />
Das ‚Emotionale Barriere-GIS‘ hält mehr als der Name verspricht. Die Emotionalität des Titels drückt<br />
sich in der Implementierung empirischer Studien als dem Zeitgeist entsprechendem Bottom-Up-<br />
Ansatz aus. Gemäß dem planerischen Gegenstromprinzip leistet es ebenfalls die Ansprüche des Top-<br />
Down-Ansatzes, welchem durch eine klassisch städtebauliche Analyse hinsichtlich stadträumlicher<br />
Barrieren Rechnung getragen wird. Durch eine umfassende Georeferenzierung der Ergebnisse des<br />
Top-Down- und Bottom-Up-Ansatzes steht einer instrumentalen Implementierung in ein geographi-<br />
sches Informationssystem Nichts im Wege. Hierzu werden alle notwendigen Anforderungen erfüllt.<br />
Über diesen Rahmen hinaus liefert das EmBaGIS elementare, barrierespezifische Indizien, die als<br />
Optimierungsgrundlage des jeweils untersuchten Stadtraumes dienen.<br />
Somit ist das EmBaGIS mehr als nur eine Methode. Es vereinigt in sich gar mehrere neue Methoden-<br />
ansätze und liefert weitere Vorgehensweisen über das bisher bekannte Maß hinaus. Das ‚Emotionale<br />
Barriere-GIS‘ stellt ein Novum in der integrativen Stadtentwicklung dar und verdient sich die Qualität<br />
eines umfassenden Instruments zur Identifikation und gleichermaßen Bewertung innerstädtischer<br />
Barrieren. Durch die Vereinigung des klassischen planerischen Ansatzes und der konzentrierten Be-<br />
teiligung Betroffener, offenbart das EmBaGIS auch besondere Qualitäten zur Förderung der Identität<br />
mit dem Stadtraum und kann einen wichtigen Beitrag <strong>zum</strong> Eigenimage der zukunftsorientierten Stadt<br />
verrichten.<br />
Diese an dieser Stelle doch recht forschen Aussagen, gilt es in den kommenden Abschnitten transpa-<br />
rent und nachvollziehbar zu belegen.<br />
5.3 Methodischer Aufbau zur Anwendung des EmBaGIS<br />
Der methodische Aufbau zur Anwendung des EmBaGIS wird bewusst den grundlegenden Anforde-<br />
rung an Bewertungs- und Entscheidungsverfahren, den Anforderungen an den Einsatz eines geogra-<br />
phischen Informationssystems (GIS) in der Stadtentwicklungsplanung sowie den spezifischen Anfor-<br />
derungen an die beinhaltete Empirik des Instrumentes vorweggenommen, um diese dann im An-<br />
schluss effizient diskutieren zu können. Zunächst wird jedoch der methodische Aufbau des Instru-
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
mentes aufgezeigt. Im Anschluss daran erfolgt die beispielhafte Darstellung der grundlegenden<br />
Layerstruktur des EmBaGIS zur Implementierung in eine GIS-Software.<br />
5.3.1 Mehrstufiges Phasenmodell zur methodischen Fundierung des EmBaGIS<br />
Das Instrument des EmBaGIS beinhaltet ein mehrstufiges Phasenmodell von Planungsanlass bis hin<br />
zu einem Maßnahmenkatalog zur Eliminierung oder Verminderung stadträumlicher Barrieren (siehe<br />
Abbildung 17).<br />
Phase 1<br />
Phase 2<br />
Phase 3<br />
Phase 4<br />
Phase 5<br />
im Parallelverfahren durchzuführen<br />
Planungsanlass<br />
Planungsziel(e)<br />
Städtebauliche Bestandsaufnahme nach DIN-Norm<br />
Städtebauliche Analyse nach Barrieresektoren<br />
Empirische Studie<br />
Probandengruppendefinition<br />
Stichprobe<br />
Auswertung der Einzelprofile<br />
Aggregation der Einzelprofile<br />
Vergleich der Ergebnisse der Phasen 2 und 3<br />
Entscheidung über Ergebnisse<br />
Städtebauliche Optimierung<br />
Abbildung 17: Mehrstufiges Phasenmodell zur methodischen Fundierung des EmBaGIS. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Im folgenden Verlauf wird auf die einzelnen Phasen inhaltlich sowie methodisch eingegangen. Die<br />
Phaseneinteilung dient gleichermaßen für eine spätere GIS-orientierte Entwicklung einer grundsätzli-<br />
chen Layerstruktur zur technischen Umsetzung des EmBaGIS in die entsprechende Software (siehe<br />
Kapitel 5.3.2 Grundlegende Layerstrukur des EmBaGIS).<br />
Verortung<br />
Verortung<br />
Einteilung emotionaler Barrieresektoren<br />
Maßnahmenkatalog<br />
90
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Phase 1 – Vorbereitende Planungsphase<br />
Abbildung 18: Phase 1 - Vorbereitende Städtebauliche Planungsphase. Bestandsaufnahme Quelle: Eigene nach Darstellung. DIN-Norm<br />
Phase 2<br />
Verortung<br />
In der vorbereitenden Planungsphase werden der Planungsanlass und das Planungsziel auf einen<br />
Städtebauliche Analyse nach Barrieresektoren<br />
bestimmten Untersuchungsraum als Anstoß <strong>zum</strong> Vollzug des EmBaGIS definiert. Grundsätzlich lassen<br />
sich als Planungsanlass alle barrierebezogenen Problemzonen in der Stadt anführen. Diese Zonen<br />
ergeben sich entweder aus Empirische bereits Studie durchgeführten Stadtraumanalysen oder lassen sich aus dem<br />
Meinungsbild der Bevölkerung Probandengruppendefinition<br />
als erster Indikator für eine mögliche Untersuchung ableiten. Das Planungsziel<br />
ist generell als Verbesserung der objektiven Lebensqualität, welche erst durch ein subjekti-<br />
Phase 3<br />
Stichprobe<br />
ves Lebensqualitätsempfinden entsteht, zu identifizieren (siehe Kapitel 3). Zudem können Identitäts-<br />
und Imageargumente als Planungsziel Auswertung der vorgetragen Einzelprofile werden. Verortung<br />
Aggregation der Einzelprofile Einteilung emotionaler Barrieresektoren<br />
Planungsanlass<br />
Phase 1<br />
Phase 2 – Städtebauliche Analyse als Planungsziel(e) Top-Down-Ansatz<br />
Abbildung 19: Phase 2 - Städtebauliche<br />
Empirische<br />
Analyse<br />
Studie<br />
als Top-Down-Ansatz. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Nach Klärung des Planungsanlasses Probandengruppendefinition<br />
und des Planungsziels können die Phasen 2 und 3 zur wichtigen<br />
Zeitersparnis im Parallelverfahren durchgeführt werden. Die Phase 2 folgt dem klassisch planerischen<br />
Phase 3<br />
Stichprobe<br />
Ansatz der städtebaulichen Bestandsaufnahme und Analyse (Top-Down-Ansatz), welche auf Grundla-<br />
Auswertung der Einzelprofile Verortung<br />
ge georeferenzierten Kartenmaterials vorgenommen werden können. Die einzelnen Barrieren im<br />
festgelegten Untersuchungsraum Aggregation werden der Einzelprofile anhand bestehender Einteilung DIN-Normen emotionaler <strong>zum</strong> Barrieresektoren<br />
barrierefreien Bau-<br />
en bestimmt (siehe Kapitel 2.4.3 Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der Stadtplanung)<br />
und zu sogenannten städtebaulichen Barrieresektoren zusammengefasst. Diese Barrieresektoren<br />
beinhalten möglichst homogene Vergleich Einzelbarrieren der Ergebnisse der (bspw. Phasen Laternenmasten) 2 und 3 oder eine Flächenbarriere<br />
Phase 4<br />
(bspw. Kopfsteinpflaster). Die Größe dieser Sektoren ist beliebig zu fassen und hat keine Mindestgrö-<br />
Entscheidung über Ergebnisse<br />
ße als Anspruch. Die Visualisierung der Barrieresektoren kann als eine plakative, kartografische An-<br />
sicht (einem Plan) oder als Darstellung in einer GIS-Software geschehen. Auf Basis der städtebauli-<br />
Phase 5<br />
Städtebauliche Optimierung<br />
Maßnahmenkatalog<br />
chen Barrieresektoren erfolgt in Phase 3 die Überlagerung mit physiologischen Aggregations- oder<br />
Individualaufnahmen des emotionalen Befindens. Die Überlagerung hat eine Wertgebung der Barrie-<br />
resektoren in Form von Emotionalität zur Folge.<br />
91<br />
Phase 1<br />
Phase 4<br />
Phase 2<br />
Phase 5<br />
im Parallelverfahren durchzuführen<br />
im Parallelverfahren durchzuführen<br />
Planungsanlass<br />
Planungsziel(e)<br />
Vergleich der Ergebnisse der Phasen 2 und 3<br />
Städtebauliche<br />
Entscheidung über<br />
Bestandsaufnahme<br />
Ergebnisse<br />
nach DIN-Norm<br />
Städtebauliche Analyse nach Barrieresektoren<br />
Städtebauliche Optimierung<br />
Verortung<br />
Maßnahmenkatalog
Planungsanlass<br />
Phase 1<br />
Planungsziel(e)<br />
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
Phase 2<br />
Städtebauliche Analyse nach Barrieresektoren<br />
Phase 3 – Empirische Studie als Bottom-Up-Ansatz<br />
Phase 3<br />
im Parallelverfahren durchzuführen<br />
Städtebauliche Bestandsaufnahme nach DIN-Norm<br />
Empirische Studie<br />
Probandengruppendefinition<br />
Stichprobe<br />
Auswertung der Einzelprofile<br />
Aggregation der Einzelprofile<br />
Verortung<br />
Abbildung 21: Phase 3 - Empirische Vergleich Studie der als Ergebnisse Bottom-Up-Ansatz. der Phasen Quelle: 2 Eigene und 3Darstellung.<br />
Verortung<br />
Einteilung emotionaler Barrieresektoren<br />
Phase 4<br />
Parallel zur Phase 2 kann Entscheidung die empirische über Studie Ergebnisse zur innerstädtischen Raumerfahrung und mentalen<br />
Belastung der jeweiligen Zielgruppe durchgeführt werden. Zunächst wird, abgeleitet aus dem Pla-<br />
nungsziel, Phase die 5 Zielgruppe Städtebauliche der mobilitätseingeschränkten Optimierung und behinderten Menschen Maßnahmenkatalog ausgewählt,<br />
welche im Fokus der Untersuchung stehen sollen. Hierbei ist es auch möglich mehrere Zielgruppen<br />
mit unterschiedlichen Arten von Behinderung in die Studie aufzunehmen. Lediglich deren Ergebnisse<br />
müssen getrennt behandelt werden, um zielgruppenspezifische Aussagen zu erhalten. Die Zielgrup-<br />
pen definieren sich nach der Einteilung der Arten von Behinderung aus der Fachliteratur (siehe Kapi-<br />
tel 2.1.5 Beeinträchtigungen in der Innenstadt aufgrund von Behinderungen). In Vorbereitung zur<br />
eigentlichen Durchführung der Studie werden nach der Akquirierung der Probanden deren perso-<br />
nenbezogenen Daten, wie beispielsweise Art der Behinderung, Alter, Geschlecht, Körpergröße, Ge-<br />
wicht etc. auf einem Datenblatt gesondert aufgenommen, um diese Daten zu Ende mit den konkre-<br />
ten Ergebnissen der Studie zu vergleichen. Dies dient der weiteren Validierung der erhaltenen Daten<br />
der Studie. Der Vorgang des Zusammenfassens der personenbezogener Daten wird unter ‚Stichpro-<br />
be‘ verstanden. Zudem wird hierbei die Anzahl der teilgenommenen Betroffenen aggregiert.<br />
In Anschluss dessen findet die eigentliche empirische Studie statt, in welcher die Probanden sich auf<br />
eine festgelegte Route durch den Untersuchungsraum begeben müssen. Die Route wird deshalb<br />
festgelegt, um <strong>zum</strong> einen bestimmte Barrieren, welche sich aus der städtebaulichen Analyse ergeben<br />
haben, aufzunehmen, und um <strong>zum</strong> anderen valide Ergebnisse für jeden definierten Punkt der Strecke<br />
zu erhalten. Diese Routenfestlegung macht insbesondere dann Sinn, wenn nur eine geringe Anzahl<br />
von Betroffenen akquiriert werden kann. Dabei ist auf eine reduzierte Komplexität der Route zu ach-<br />
ten. Eine mögliche Varianz dieses Vorgehens ist die Vorgabe des Start- und des Endpunktes der Rou-<br />
te. In diesem Kontext können die Probanden zwischen beiden Punkten ihre Route frei wählen. Dieser<br />
Vorgang ist nur möglich, wenn ausreichend Probanden zur Verfügung stehen. Dies hat natürlich den<br />
Vorteil der geringstmöglichen Beeinflussung der Probanden in ihrem normalen Gang durch die Stadt.<br />
Es sollte darauf geachtet werden, das Zeitfenster zur Durchführung der Studie zu einem determinier-<br />
ten Tagesabschnitt festzulegen, um gleiche äußere Bedingungen und hierdurch einheitliche Ergebnis-<br />
92
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
se herbeizuführen. Von einer Wiederholung der Durchführung der Studie mit den gleichen Proban-<br />
den wird indes abgeraten, da die Betroffenen hierdurch bereits gesammelte Erfahrungen mit dem<br />
Untersuchungsraum verbinden und die Gefahr besteht, verfälschte Ergebnisse durch<br />
Voreingenommenheiten abzuliefern (siehe Kapitel 5.1.3 Zentrale Erkenntnisse bisheriger Studien).<br />
Zu Beginn der Studiendurchführung wird den Probanden das Smartband zur Aufzeichnung der Vital-<br />
daten angelegt sowie der GPS-Logger übergeben. Hierbei ist dringlichst darauf zu achten den GPS-<br />
Logger frühzeitig einzuschalten, damit er die jeweiligen Satellitensignale einloten kann. Kurz vor Be-<br />
ginn der Routenabsolvierung muss dann der GPS-Logger einmal gemarkert (durch Buttondruck) und<br />
gleichzeitig das Smartband eingeschaltet werden. Dies garantiert eine sekundengenaue, problemlose<br />
Verknüpfung der Smartband- und GPS-Logger-Daten in der anschließenden empirischen Drei-Level-<br />
Analyse zur Auswertung der personenbezogenen kinetischen und physiologischen Daten.<br />
Nach Beendigung der Studiendurchführung wird das Smartband direkt am Handgelenk des Proban-<br />
den ausgeschaltet. Die geographische Position und der Zeitpunkt werden parallel mit dem GPS-<br />
Logger wiederum gemarkert.<br />
Die technischen Geräte können im Anschluss an die Studie am PC ausgelesen und der genannten<br />
Drei-Level-Analyse unterzogen werden. Hier werden zunächst die Bewegungsgeschwindigkeit als<br />
kinetische Daten aus dem GPS-Logger entnommen und beispielsweise in ein Tabellenkalkulations-<br />
oder Datenbankprogramm importiert. Zudem werden die Smartbanddaten in ein gewähltes Statis-<br />
tikprogramm importiert. Der gleiche Vorgang geschieht für die kinetischen Daten. Innerhalb der Ana-<br />
lyse müssen die gewonnenen physiologischen Daten bereinigt und geglättet werden. Dies geschieht<br />
mit einem Softwareprogramm zur deskriptiven Statistik (bspw. STATA 10 - siehe Kapitel 5.4.3 Tech-<br />
nik). Aus diesen Daten lassen sich nun drei Barriereindikatoren identifizieren, nämlich die Bewe-<br />
gungsgeschwindigkeit sowie die elektrodermale Aktivität und die Hauttemperatur (siehe Kapitel<br />
5.4.3 Empirische Drei-Level-Analyse). Letztendlich lassen sich die gewonnenen Ergebnisse in Einzel-<br />
profile und darauffolgend in der Aggregation dieser Einzelprofile visualisieren. Die Ergebnisse der<br />
Einzelprofile können auf einfache Weise mittels des Webprogramms GPS-Visualizer (siehe Kapitel<br />
5.4.3 Technik) stichprobenartig überprüft werden. Die Aggregation und gleichermaßen die Visualisie-<br />
rung findet im Idealablauf durch Einlesen der verknüpften Daten in eine GIS-Software statt, welche<br />
es ermöglicht die Dichtewerte der aufgetretenen Stressreaktionen aus der Drei-Level-Analyse gra-<br />
phisch aufzuzeigen.<br />
Nach der Aggregation der Einzelprofile lassen sich die Ergebnisse in Rückkopplung mit der in Phase 2<br />
festgelegten städtebaulichen Barrieresektoren vergleichen. Hieraus kann eine Einteilung und<br />
Wertgebung der empirischen Ergebnisse, sprich der georeferenzierte Stressreaktionen, in emotionale<br />
Barrieresektoren erfolgen.<br />
93
Phase 3<br />
Emotionales Barriere-GIS“ Auswertung EmBaGIS – der ein Einzelprofile neues Instrument Verortung zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
Aggregation der Einzelprofile Einteilung emotionaler Barrieresektoren<br />
Phase 4 – Vergleichende Ergebnisphase<br />
Planungsanlass<br />
Phase 1<br />
Vergleich der Planungsziel(e)<br />
Ergebnisse der Phasen 2 und 3<br />
Phase 4<br />
Phase 2<br />
Abbildung Phase 21: 5Phase<br />
4 - Vergleichende Städtebauliche Ergebnisphase. Optimierung Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Städtebauliche Analyse nach Barrieresektoren<br />
In der vergleichenden Ergebnisphase werden die Erkenntnisse aus Phase 2 (städtebauliche Barriere-<br />
sektoren nach DIN-Norm) und Phase 3 (emotionale Barrieresektoren) überlagert und analysiert.<br />
Empirische Studie<br />
Durch diesen Vergleich können Rückschlüsse auf die Gültigkeit und Qualität der bestehenden DIN-<br />
Probandengruppendefinition<br />
Normen gewonnen werden. Zudem werden wichtige empirische Einschätzungen zur Wirkung von<br />
vordefinierten Phase 3 Barrieren auf Stichprobe das subjektive Befinden erworben. Durch die durchgeführte Dichtebe-<br />
rechnung der Stresspunkte lässt sich im Optimalfall auf den Stärkegrad der jeweiligen Barrieren<br />
Auswertung der Einzelprofile Verortung<br />
schließen. Innerhalb eines Entscheidungsprozesses zur Beurteilung und Abwägung über die Symbiose<br />
der Ergebnisse der städtebaulichen Aggregation (Top-Down-Ansatz) der Einzelprofile und Einteilung emotionalen emotionaler Barrieresektoren (Bottom-<br />
Up-Ansatz) werden Empfehlungen zur Verbesserung der Barrierefreiheit erarbeitet.<br />
Phase 4<br />
Phase 5 – Städtebauliche Entscheidung Optimierung über Ergebnisse<br />
Phase 5<br />
im Parallelverfahren durchzuführen<br />
Abbildung 22: Phase 5 - Städtebauliche Optimierung. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Basierend auf dem Entscheidungsprozess aus Phase 4 kann in Rückkopplung mit den bestehenden<br />
Vorgaben der DIN-Normen (siehe Kapitel 2.4.3 Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der<br />
Stadtplanung) eine städtebauliche Optimierung konzentriert angegangen und ein Maßnahmenkata-<br />
log vorgeschlagen.<br />
Stichprobe<br />
Entscheidung über Ergebnisse<br />
Städtebauliche Bestandsaufnahme nach DIN-Norm<br />
Vergleich der Ergebnisse der Phasen 2 und 3<br />
Städtebauliche Optimierung<br />
Verortung<br />
Maßnahmenkatalog<br />
Maßnahmenkatalog<br />
94
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
5.3.2 Grundlegende Layerstrukur des EmBaGIS<br />
Orientiert am mehrstufigen Phasenmodell zur methodischen Etablierung des EmBaGIS ergibt sich die<br />
Basisstruktur des layerorientierten Aufbaus, wie er zu einer Implementierung in eine GIS-Software zu<br />
empfehlen ist (siehe Abbildung 23).<br />
Abbildung 23: Phasenorientierte Layerstruktur des EmBaGIS. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Zunächst wird in einem ersten Layer, gemäß der Phase 1, Planungsanlass und Planungsziel in Form<br />
eines abgesteckten Untersuchungsraums abgegrenzt, welcher maßgeblich für die folgenden Schritte<br />
als Arbeitsgrundlage dient. Das kartographische Material des Untersuchungsraums liegt in der Regel<br />
als georeferenzierte Rasterkarte vor. Daraufhin erfolgt die städtebauliche Bestandsaufnahme, die<br />
durch Analysevorgang zur Bildung städtebaulicher Barrieresektoren führt. Somit sind die Arbeits-<br />
schritte der Phase 2 erfüllt. Parallel zur Bildung der städtebaulichen Barrieresektoren geschieht die<br />
Ausformung der emotionalen Barrieresektoren, welche ihre inhaltliche Wertgebung durch die vorge-<br />
95<br />
Phase 1<br />
Phase 2<br />
Top-Down-Ansatz<br />
Untersuchungsraum<br />
Städtebauliche Bestandsaufnahme<br />
Analysevorgang<br />
Phase 2 Phase 3<br />
Städtebauliche Barrieresektoren Emotionale Barrieresektoren<br />
Phase 4<br />
Phase 4<br />
Phase 5<br />
Überlagerungslayer<br />
adjunktive Verschneidung<br />
mehrkriterielle Bewertung<br />
Stress- und DIN-bewerte Barrieresektoren<br />
Entscheidungsvorgang<br />
Städtebauliche Optimierung<br />
Bottom-Up-Ansatz<br />
Maßnahmenkatalog
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
nommene empirische Studie erhält (Phase 3). Beide Barriersektoren werden zur Anlage des Untersu-<br />
chungsraums georeferenziert eingezeichnet. Nach der Ergebnisbildung beider Barriersektoren wer-<br />
den die so entstandenen Einzellayer adjunktiv verschnitten, das heißt, dass die Resultate der städte-<br />
baulichen Barrieresektoren und der emotionalen Barrieresektoren in einem ersten zusammenfas-<br />
senden Ergebnislayer überlagert werden (Phase 4). Durch mehrkriterielle Bewertung, welche die<br />
Entscheidung über die planerische Konsequenz der bisherigen Schlüsse beinhaltet, resultiert der<br />
endgültige analytische Ergebnislayer der Stress- und DIN-bewerteten Barrieresektoren (Phase 4). Der<br />
Abschluss zeichnet sich durch eine mögliche städtebauliche Optimierung in der Phase 5 ab. Innerhalb<br />
eines GIS-Systems ist es analytisch und graphisch möglich, Optimierungsvorgänge zu vollziehen und<br />
diese direkt auf den Arbeitsgrundlagen georeferenziert festzulegen. Aus der städtebaulichen Opti-<br />
mierung kann in einem letzten Schritt ein Maßnahmenkatalog erarbeitet werden, der als schriftliches<br />
Informationsmaterial dem GIS-System hinzugefügt werden kann.<br />
5.4 Anforderungen an die Methodik <strong>zum</strong> EmBaGIS in Diskussion <strong>zum</strong> methodischen<br />
Aufbau<br />
Das neue Instrument zur Erfassung und Identifikation stadträumlicher Barrieren muss sich natürlich<br />
auch den üblichen Anforderungen von Bewertungs- und Entscheidungsmethoden sowie den Anfor-<br />
derungen an den Einsatz eines geographischen Informationssystems (GIS) in der Stadtentwicklungs-<br />
planung, zu welchem Zweck es entwickelt wird, stellen. Zudem sind spezifische Anforderungen an die<br />
empirische Teilkomponente, welche nur im Kontext dieses Instruments vorliegen, zu erfüllen.<br />
5.4.1 Allgemeine Anforderungen an die Methodik als Bewertungs- und Entscheidungsmethode<br />
Planungsprozesse basieren immer auf einer angewandten wissenschaftliche Methodik im Themen-<br />
feld der Bewertungs- und Entscheidungsverfahren. Dies ist natürlich auch im EmBaGIS der Fall. So gilt<br />
es zunächst allgemeine Anforderungen an diese Methodik zu erläutern, um diese auf das Instrument<br />
des EmBaGIS zurückzuführen und diskutieren zu können.<br />
Objektivität<br />
Der Aspekt einer grundsätzlichen Objektivität von Bewertungsmethoden ist aus fachlicher Sicht in<br />
höchstem Maße in Frage zu stellen. Dies gilt jedoch nicht nur im Speziellen für das hier entwickelte<br />
Instrument, sondern ist eine feststehende Beobachtung, die sich in den letzten Jahren generell zu<br />
Bewertungsverfahren durchgesetzt hat. „Bewertungsvorgängen haftet immer eine subjektive Kom-<br />
ponente an. In jede Bewertung gehen subjektive Präferenzen des Planers, des Entscheidungsträgers<br />
oder der durch die Planung involvierten gesellschaftlichen Gruppen ein.“ 245<br />
245 Schwarz-von Raumer (1999): Bewertungsverfahren: Bedeutung in der raumbezogenen Planung, Methodik und GIS-<br />
Einsatz, Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und Fallbeispiele,<br />
Springer-Verlag, Berlin – Heidelberg, S. 38.<br />
96
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Im vorliegenden Fall der Erfassung und Identifikation stadträumlicher Barrieren wird der Annäherung<br />
an die Objektivität eine besondere Bedeutung zu teil. Dies drückt sich bereits durch den Sachverhalt<br />
der objektiven Erfassung des subjektiven Wohlbefindens/ der subjektiven Lebensqualität mittels<br />
physiologischer Messung aus. Durch die spezielle Methodik der physiologischen Aufnahme der Vital-<br />
werte Betroffener zur Interpretation des Gemütszustandes wird ein subjektives Selbst- und Werteur-<br />
teil nahezu ausgeschlossen. Trotzallem steht der Mensch als Individuum, also als Subjekt, in der em-<br />
pirischen Erhebung im Vordergrund und gilt in seinem Verhalten als subjektiv individuell. Es kann<br />
also von einer Subjektivierung von Individualprofilen gesprochen werden, welche auf einer objekti-<br />
ven Datenerfassung subjektiven Befindens basiert.<br />
Um eine möglichst hohe Objektivität zu gewährleisten, muss eine höhere Rationalität der letztendli-<br />
chen Bewertungsergebnisse zu Grunde gelegt werden. 246 Die Ergebnisbildung im vorliegenden In-<br />
strument wird zusätzlich durch die Aufnahme durch DIN-normierte Barrieren im Stadtraum in Ver-<br />
bindung mit physiologischen Individualwerten, welche nochmals zu einem Datensatz aggregiert wer-<br />
den, gestützt. Die genannte Rationalität beruht auf dem Wertesystem und Präferenzen des<br />
Bewerters. Nur durch eine transparente Offenlegung dieses Wertesystems ist es möglich, eine hohe<br />
Objektivität zu erreichen. 247<br />
Intersubjektivität<br />
„Nach der Festlegung von Zielsystem und Bewertungsregeln sollen die Ergebnisse von der Person des<br />
Anwenders unabhängig sein.“ 248<br />
Die Intersubjektivität entspricht im Endeffekt der genannten Kritik der geforderten Objektivität an<br />
die Bewertungsmethode. Zielsystem sowie Bewertungsregeln unterliegen der Subjektivität des Pla-<br />
ners oder Entscheidungsträgers. Die Ergebnisse nach Festlegung dieser Vorgaben sollen jedoch un-<br />
abhängig sein. Dies ist auch in der vorliegenden Methode der Fall. Eine Entscheidung über erzielte<br />
Ergebnisse aus der normierten Barriereindentifikation und empirischen Studie muss zwar durch den<br />
Anwender getroffen werden, aber durch normierte Vorgaben und vom Anwender nicht zu beeinflus-<br />
sende, individuelle Körperreaktionen wird eine Einflussnahme auf die Ergebnisse nicht ermöglicht.<br />
Reliabilität<br />
„Ein wiederholter Durchlauf der Methode unter gleichen Rahmendbedingungen muss zu den glei-<br />
chen Ergebnissen führen.“ 249<br />
Da sich das Instrument <strong>zum</strong> emotionalen Barriere-GIS noch in der Erprobung befindet, kann <strong>zum</strong><br />
jetzigen Zeitpunkt keine gesamtumfassende Aussage zur Reliabilität getroffen werden. Die erreichten<br />
246 Vgl. Schwarz-von Raumer (1999): Bewertungsverfahren: Bedeutung in der raumbezogenen Planung, Methodik und GIS-<br />
Einsatz, Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und Fallbeispiele,<br />
Springer-Verlag, Berlin – Heidelberg, S. 39.<br />
247 Vgl. Ebenda, S. 39.<br />
248 Scholles, Frank (2005): Bewertungs- und Entscheidungsmethoden, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung<br />
(Hrsg.): Handwörterbuch der Raumplanung, VSB Verlagsservice Braunschweig GmbH, Hannover, S. 103.<br />
249 Ebenda.<br />
97
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
empirischen Ergebnisse können vorerst nur als Indizien zur Identifikation von Barrieren gewertet<br />
werden. Die normierte Identifikation von Barrieren mittels DIN-Normen befindet sich jedoch seit<br />
geraumer Zeit in der Anwendung.<br />
Transparenz und Nachvollziehbarkeit<br />
„Der Ablauf der Bewertung soll für Entscheidungsträger und Öffentlichkeit durchschaubar sein.“ 250<br />
Durch eine offene Darlegung der Vorgehensweise und einem einfach nachvollziehbaren Ablaufsche-<br />
mas des Instrumentes EmBaGIS ist eine Transparenz und Nachvollziehbarkeit für Außenstehende<br />
gewährleistet. Es finden sich innerhalb des Instrumentes bekannte Elemente üblicher Planungsabläu-<br />
fe wie der Planungsanlass und das/die Planungsziel(e), städtebauliche Bestandsaufnahme und –<br />
Analyse sowie nachvollziehbare empirische Teilkomponenten und letztendlich die Entscheidungsfin-<br />
dung und die städtebauliche Optimierung wieder. Lediglich die Verknüpfung der einzelnen Phasen-<br />
komponenten und die Vorgehensweise innerhalb der empirischen Studie bedürfen einer klaren<br />
transparenten und nachvollziehbaren Struktur. Diese wird wiederum durch eine breite theoretische<br />
Fundierung der angewandten Analyseschritte gewährleistet.<br />
Im Rahmen der Transparenz und Nachvollziehbarkeit ist der Anspruch der Vollständigkeit zu erfüllen.<br />
Dabei soll die „Lückenlosigkeit des Systems durch Übersichtlichkeit“ 251 sichergestellt werden. Dies<br />
wird im EmBaGIS durch die klare Struktur des mehrstufigen Phasenmodells zur methodischen Fun-<br />
dierung, die grundlegende Layerstruktur zur Implementierung in eine GIS-Software sowie die wissen-<br />
schaftlich fundierte empirische Drei-Level-Analyse gewährleistet.<br />
Validität<br />
„In den Werturteilen müssen sich die Inhalte und Prioritäten des zugrunde gelegten Zielsystems wi-<br />
derspiegeln.“ 252<br />
Die Validität der angewandten Methodik ist insbesondere in der Datenerhebung und –Analyse der<br />
physiologischen Körperreaktionen (psychophysiologisches Monitoring), welche das Novum des In-<br />
strumentes ausmachen, von enormer Bedeutung. Die theoretische Fundierung zur geeigneten Me-<br />
thodenfindung des subjektiven Wohlbefindens / der subjektiven Lebensqualität bildet dabei die<br />
elementare Voraussetzung zur Schaffung valider Forschungsergebnisse. Die gewonnen Daten der<br />
Individualanalyse sollen der Erkennung von Stressreaktion hinsichtlich einzelner Barrieren in der In-<br />
nenstadt dienen. Die angewandte Drei-Level-Analyse (siehe Kapitel 5.4.3 Empirische Drei-Level-<br />
Analyse), sprich Bewegungsgeschwindigkeit, elektrodermale Aktivität und Hauttemperaturverände-<br />
rung gemessen über die Zeit, beschreibt drei Indikatoren zur Identifikation von Barrieren und indivi-<br />
250<br />
Scholles, Frank (2005): Bewertungs- und Entscheidungsmethoden, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung<br />
(Hrsg.): Handwörterbuch der Raumplanung, VSB Verlagsservice Braunschweig GmbH, Hannover, S. 104.<br />
251<br />
Streich, Bernd (2005): Stadtplanung in der Wissensgesellschaft – Ein Handbuch, VS Verlag für Sozialwissenschaften,<br />
Wiesbaden, S. 157.<br />
252<br />
Scholles, Frank (2005): Bewertungs- und Entscheidungsmethoden, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung<br />
(Hrsg.): Handwörterbuch der Raumplanung, VSB Verlagsservice Braunschweig GmbH, Hannover, S. 105.<br />
98
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
duellem Stress. Die georeferenzierte Verortung dieser Indikatoren lässt eine endgültige Erkennung<br />
stadträumlicher Barrieren zu.<br />
5.4.2 Basisanforderungen an das EmBaGIS als Geoinformationssystem<br />
Der Einsatz geographischer Informationssysteme (GIS) erfolgt „nunmehr seit *über+ einem Jahrzehnt<br />
als Schlüsseltechnologie für die Bewältigung raumbezogener Analyse- und Planungsaufgaben *…+.“ 253<br />
Erste Grundanforderung an ein GIS ist die Verarbeitung aktueller und zuverlässiger Informationen,<br />
welche in „graphischer Form, übersichtlich, möglichst umfassend, wirtschaftlich und problembezo-<br />
gen darstellbar sein [müssen]. Das Spektrum kann dabei von einem relativ einfachen interaktiven<br />
graphischen System zur Digitalisierung und Kartenerstellung bis hin zu mächtigen, weitgehend offe-<br />
nen und erweiterbaren Systemen mit umfangreichen Analysefunktionalitäten reichen.“ 254<br />
Grundsätzlich lassen sich folgende Basisanforderungen an ein GIS und spezifisch an das EmBaGIS<br />
ausmachen:<br />
Die Aufnahme der Geometrie und Topologie mit zugehörigen Information (Attributen) muss<br />
99<br />
gewährleisten sein werden.<br />
Die Verwaltung und Pflege von Datenbeständen muss möglich sein.<br />
Die Harmonisierung von Daten unterschiedlicher Herkunft mittels Maßstabs- und Koordina-<br />
tentransformation muss vornehmbar sein. Im Falle des EmBaGIS bedeutet dies, dass die geo-<br />
referenzierten Ergebnisse der städtebaulichen Barrieresektoren nach DIN-Normen mit den<br />
emotionalen Barrieresektoren in Einklang gebracht werden müssen.<br />
Die Überlagerung bzw. das Zusammenzeichnen von Karten oder Kartenauszügen, die logi-<br />
sche Verknüpfung von Karteninhalten (z.B. die Verschneidung von Strukturen, Interpolation<br />
zwischen Punkt- und Linieninformationen in die Fläche) müssen möglich sein. Für das EmBa-<br />
GIS gelten in diesem Zusammenhang das Verknüpfen und Verschneiden von Routen (als Li-<br />
nien) sowie punktgenaue Barrieren und Barrieresektoren (als Flächen).<br />
Modelle zur Dateninterpretation, Berechnung von bspw. Stresszonen, Abfrage von Datenin-<br />
halten sowie die Möglichkeit einer deskriptiven Raumstatistik zu erstellen, können als Ausbli-<br />
cke in der zukünftigen Entwicklung des EmBaGIS gegeben werden.<br />
Die flexible Gestaltung der Darstellungen von Eingangsdaten und Ergebnissen, insbesondere<br />
die Herstellung von thematischen Karten ist derzeit nur bedingt möglich. Thematische Karten<br />
253 Schwarz-von Raumer (1999): Bewertungsverfahren: Bedeutung in der raumbezogenen Planung, Methodik und GIS-<br />
Einsatz, Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und Fallbeispiele,<br />
Springer-Verlag, Berlin – Heidelberg, S. 35.<br />
254 Internetauftritt von GISCO Informationssysteme, aufgerufen unter: http://www.gisco.de/DeuInternet/gis.html, abgeru-<br />
fen am 25.09.2010.
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
können <strong>zum</strong> jetzigen Zeitpunkt nur in der Darstellung von städtebaulichen und emotionalen<br />
Barrieresektoren verwirklicht werden.<br />
Die Unterstützung von raumbezogenen Planungen mit hoher informativer Verflechtung ist<br />
bereits möglich. So können die Ergebnisse in aktuelle Planungen problemlos integriert wer-<br />
den und sorgen für eine bisher nicht da gewesene Bereicherung der Stadtentwicklungspla-<br />
nung. 255<br />
Das EmBaGIS besitzt zudem eine hybride Datenstruktur, welche es ermöglicht eine integrierte Vek-<br />
tor-, Rasterzellen- und Sachdatenverarbeitung zu gewährleisten. Die Vektorverarbeitung kann hierbei<br />
durch die Auswahl und Abfrage von Barrieresektoren sowie die Verknüpfung von Routenläufen ge-<br />
schehen. Rasterdaten können gleichermaßen unterlegt werden und dienen beispielsweise in Form<br />
eines Luftbildes oder Katasterplans als Verortungsgrundlage. Sachdaten werden in relationalen Da-<br />
tenbanken gehalten, das heißt, dass im vorliegenden Instrument georeferenzierte Barrieren nach<br />
DIN-Normen mit kinetischen und physiologischen Dateninhalten überlagert und angeglichen werden<br />
können.<br />
Das EmBaGIS verwendet als Hardware zur Georeferenzierung der emotionalen Barrieresektoren ei-<br />
nen GPS-Logger (siehe Kapitel 5.4.3 Technik), welcher für jede Sekunde ein Koordinatenpaar sowie<br />
die daraus errechnete Bewegungsgeschwindikeit aufzeichnet. Diese Daten können dann mittels pas-<br />
sender Software auf den PC übertragen und ausgelesen werden.<br />
5.4.3 Spezifische Anforderungen zur empirischen Identifikation stadträumlicher<br />
Barrieren<br />
Das Instrument des EmBaGIS enthält neben genannten Anforderungen auch spezifische, instrumen-<br />
teneigene Anforderungen, welche innerhalb der empirischen Studie zu erfüllen sind. Diese Anforde-<br />
rungen haben <strong>zum</strong> Ziel, das Instrument und die Vorgehensweise zur Ermittlung von individuellen<br />
Stressreaktionen objektiver und valider zu gestalten. Zudem werden die gewonnenen Erkenntnisse<br />
aus der subjektiven Lebensqualitätsforschung, der Emotionsforschung und nicht zuletzt des ‚Bio<br />
Mapping‘ sowie ‚Emotional Mapping‘ verarbeitet.<br />
Probandengruppendefinierung<br />
Die Definition der Probandengruppe nimmt im EmBaGIS eine bedeutende Rolle ein. Schließlich kann<br />
nur auf diejenigen Barrieren geschlossen werden, welche für die jeweilige Zielgruppe physische und<br />
mentale Barrieren bedeuten. Im Sinne einer validen und klaren Ergebnisorientierung wäre es not-<br />
wendig, die physischen Merkmale, sprich die Art der Behinderung, in der Auswahl der Probanden<br />
möglichst homogen zu halten und dabei eine große Anzahl von Probanden zu gewinnen, damit die<br />
vorgenommene empirische Studie einen repräsentativen Charakter erhält. Hierzu müsste jedoch eine<br />
hohe Anzahl der Personen mit der jeweiligen Behinderung in der untersuchten Lokalität vorhanden<br />
255 Vgl. Internetauftritt von GISCO Informationssysteme, aufgerufen unter: http://www.gisco.de/DeuInternet/gis.html,<br />
abgerufen am 25.09.2010.<br />
100
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
sein. Dies ist sicherlich in größeren Städten möglich, aber nicht in für die Allgemeinheit der Städte als<br />
feststehende Aussage zu treffen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob diese kleinteilige Betrachtung<br />
im Kontext behinderter Menschen sinnvoll ist. Letztendlich muss die Anwendung der Methode auf<br />
einen größeren Kreis von behinderten Menschen zutreffen. Eine Unterscheidung, beispielsweise<br />
zwischen manuellen Rollstuhlfahrern und Elektro-Rollstuhlfahrern, erscheint in der Anwendung des<br />
EmBaGIS wenig sinnvoll. Die jeweiligen DIN-Normen richten sich ebenfalls nach einem gröberen Ras-<br />
ter. So werden allgemeingültige Aussagen für Rollstuhlfahrer getroffen, nicht jedoch für mögliche<br />
Unterschiede in deren technischer Ausstattung. Vor dem Hintergrund des Vergleiches zwischen städ-<br />
tebaulichen Barrieren nach DIN-Normen und emotionalen Barrieren muss hierzu ein Konsens gefun-<br />
den werden. Dieser Konsens lässt sich aus den vorgegebenen Definitionen zu den Arten von Behinde-<br />
rung, wie sie in der Fachliteratur vorgenommen wurden, herleiten (siehe Kapitel 2.1.5 Arten von Be-<br />
hinderung).<br />
Diese Einigung spricht eine heterogenere Gruppe von behinderten Menschen an, welche eine ähnli-<br />
che Behinderung aufweisen und somit auf ähnliche Barrieren im Stadtraum treffen können. Der Kon-<br />
sens befindet sich demnach im Schnittpunkt zwischen allen Arten von Behinderungen und physisch<br />
spezifischen Behinderungen. Zudem ist die Wahl einer heterogeneren Probandengruppe der Realsi-<br />
tuation in den Städten angepasst und setzt sich damit auch vom Anwendungsprofil bisheriger Labor-<br />
experimente ab.<br />
Ortskunde der Probanden<br />
Eine bereits zuvor geübte Kritik am ‚Bio Mapping‘ und ‚Emotional Mapping‘ (siehe Kapitel 5.1.3 Zent-<br />
rale Erkenntnisse bisheriger Studien) ist die Beteiligung ortskundiger Probanden. Hierbei ist die Dis-<br />
kussion zu führen, ob die bereits vorhandenen Erfahrungen und Emotionen mit dem jeweiligen<br />
Untersuchungsraum zu einer Verfälschung der physiologischen Messergebnisse führen können. Es ist<br />
nicht auszuschließen, dass ein negatives oder positives Erlebnis mit einer bestimmten Örtlichkeit<br />
innerhalb des abgegrenzten Untersuchungsraums sich auch auf die individuellen Vitalwerte nieder-<br />
schlägt. Es ist deshalb zu empfehlen, möglichst ortsfremde Probanden in die Studie aufzunehmen,<br />
um voreingenommenen Ergebnissen vorzubeugen.<br />
Die Problematik der grundsätzlichen Akquirierungsmöglichkeiten von Probanden ist in diesem Sinne<br />
zu diskutieren. In der Theorie ist es notwendig Probanden zu erhalten, welche das Untersuchungsge-<br />
biet nicht kennen. In der Praxis stellt sich dieser Sachverhalt als schwierig dar, da in der Planung be-<br />
sonders Wert auf eine Beteiligung lokaler Betroffener gelegt wird. Im Falle der Untersuchungen in<br />
der Fußgängerzone von <strong>Kaiserslautern</strong> sind aus diesem Grund vor allem Probanden aus der Umge-<br />
bung von <strong>Kaiserslautern</strong> akquiriert worden, welche selbst ein Hemmnis geäußert haben, sich generell<br />
in die Fußgängerzone von <strong>Kaiserslautern</strong> selbstständig zu bewegen. Dennoch ist eine umfassende<br />
Unvoreingenommenheit der Probanden nicht auszuschließen. Ob sich diese Problematik auf die Vali-<br />
dität und Objektivität auswirkt, ist aufgrund des Umfangs der hypothetisch bestehenden<br />
Voreingenommenheiten zu diesem Zeitpunkt nicht endgültig zu klären.<br />
101
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
Empirische Drei-Level-Analyse<br />
Die empirische Drei-Level-Analyse hat zur Aufgabe stadträumliche Barrieren anhand eines drei-<br />
stufigen Systems kinetischer und physiologischer Individualdaten in Verbindung mit einer georefe-<br />
renzierten Verortung zu identifizieren (siehe Abbildung 24). Dabei werden schrittweise die Bewe-<br />
gungsgeschwindigkeitsdaten, abgeleitet aus der positionellen Veränderung von Sekunde zu Sekunde,<br />
die elektrodermale Aktivität und letztendlich die Veränderung der Hauttemperatur der Betroffenen<br />
als einzelne Barriereindikatoren übereinandergelegt und analysiert. Die beiden letzten<br />
Barriereindikatoren werden mittels Smartband als physiologische Biosignale aufgezeichnet.<br />
Abbildung 24: Empirische Drei-Level-Analyse. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Kinetische Daten<br />
Unter der kinetischen Datenanalyse wird die Auswertung der Bewegungsgeschwindigkeit verstanden,<br />
welche mit Hilfe des GPS-Loggers aufgenommen wird. Dabei berechnet sich die Bewegungsge-<br />
schwindigkeit aus der geographischen Positionsveränderung des Probanden von Sekunde zu Sekun-<br />
de. Es kann also die Hypothese aufgestellt werden, dass eine Verringerung der Bewegungsgeschwin-<br />
digkeit oder gar ein Stehenbleiben des Probanden, auf ein Auftreffen auf eine Barriere, welche für<br />
ihn ein Hindernis darstellt, schließen lässt. Jedoch sagt dieser Sachverhalt noch nichts über die Art<br />
der Barriere aus. Es kann zwar durch die Verortung bestimmt werden, wo der Proband langsamer<br />
wurde oder stehen geblieben ist, jedoch ist dieser erste Barriereindikator nicht in Lage auf eine<br />
Stresssituation rückzuschließen. Zudem kann es auch ein anderer äußerer Einfluss sein, welcher den<br />
Probanden <strong>zum</strong> langsamer werden oder Stehenbleiben veranlasst hat, wie beispielsweise ein lautes<br />
Geräusch oder trivialerweise ein Anruf auf dem Handy.<br />
Elektrodermale Aktivität<br />
Die elektrodermale Aktivität beschreibt die elektrische Leitfähigkeit der Haut. Durch die Messung der<br />
elektrischen Leitfähigkeit der Haut lässt sich die unterschiedliche Produktion von Schweiß durch die<br />
betreffende Drüse feststellen (siehe Kapitel 4.4 Messparameter und -Methoden physiologischer Zu-<br />
stände und Stress). Je mehr Schweiß produziert wird, desto höher ist Leitfähigkeit der Haut für einen<br />
elektrischen Impuls, welcher durch einen Sensor im Smartband ausgelöst wird. Auslöser für die<br />
Schweißproduktion ist die Aktivierung des sympathischen Nervensystems (Als Teilkomponenten des<br />
ANS). Dieses Nervensystem wird dann aktiviert, wenn durch Eintreten eines bestimmten Ereignisses<br />
eine positive oder negative Emotion ausgelöst wird. Das sympathische Nervensystem wird bereits bei<br />
102
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
der geringsten emotionalen Veränderung aktiv und gilt damit als sensitiver Anzeiger für emotionale<br />
Erregung. Eine mathematische Abwandlung des absoluten elektrischen Leitfähigkeitsniveaus (toni-<br />
sches Niveau) der Haut ist die phasische Betrachtung der elektrischen Hautleitfähigkeit (siehe Abbil-<br />
dung 25).<br />
Letztere beschreibt dabei die Steigung, ob positiv oder negativ, des Feuchtigkeitsniveaus der<br />
Schweißdrüsen in der Haut. Durch die Einführung der phasischen Betrachtung der Hautleitfähigkeit<br />
kann eine eindeutigere Zuordnung von Erregung (Amplitudenspitzen im positiven Bereich über 0),<br />
Erholung von Erregung (Amplitudenspitzen im negativen Bereich unter 0) und Balance (als Band im<br />
Bereich um 0) geschehen.<br />
100 200 300 400<br />
Abbildung 25: (links) tonisches Niveau der elektrischen Hautleitfähigkeit, (rechts) phasische Betrachtung der elektrischen<br />
Hautleitfähigkeit. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Die elektrische Hautleitfähigkeit, gleich ob tonische oder phasisch betrachtet, ist in der Fachliteratur<br />
als Messindikatoren für Ärger und Angst identifiziert (siehe Anhang V, Emotionstabelle), welche das<br />
emotionale Konstrukt um den Begriff ‚Stress‘ bilden.<br />
Die Messung der elektrodermalen Aktivität ermöglicht es also die kinetische Datenanalyse durch eine<br />
physiologische Komponente, welche einen Rückschluss auf emotionale Erregung liefert, zu unterbau-<br />
en und damit einen weiteren Barriereindikator zu verifizieren. Auch an dieser Stelle reichen beide<br />
überlagerten Barriereindikatoren noch nicht aus, um ausschließlich auf den Faktor Stress, also eine<br />
negative Emotion, zu schließen. Hierzu muss ein dritter Barriereindikator zur genauen Feststellung<br />
einer stressauslösenden, mentalen Barriere hinzugezogen werden.<br />
103<br />
0<br />
250 300 350 400 450 500<br />
Dauer (in Sekunden)<br />
Hauttemperaturveränderung<br />
Hautwiderstand (Niveau)<br />
Als letzter Barriereindikator gilt die Hauttemperatur als harter, kardiovaskulärer Indikator für emoti-<br />
onalen Stress. Im Gegensatz zur elektrodermalen Aktivität verringert sich der tonische und phasische<br />
Wert der Hauttemperatur, wenn Ärger und Angst empfunden werden (Anhang V, Emotionstabelle).<br />
Dabei ist eine leichte Zeitverzögerung im Gegensatz zur elektrodermalen Aktivität zu konstatieren.<br />
Gemeinsam mit den beiden ersten Barriereindikatoren können im Idealfall wechselseitige Rück-<br />
schlüsse zwischen allen Barriereindikatoren gezogen werden. Es ist daher ein kausales Wirkungsge-<br />
flecht zwischen der Verringerung der Bewegungsgeschwindigkeit, der Zunahme der elektrischen Leit-<br />
-200 -100<br />
100 200<br />
0<br />
250 300 350 400 450 500<br />
Dauer (in Sekunden)
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
fähigkeit der Haut und der Verringerung der Hauttemperatur erkennbar. In Verbindung mit der zu-<br />
sätzlichen Verortung der so errechneten Stresspunkte, kann in der Regel auf mentale und somit<br />
räumliche Barrieren geschlossen werden. Die städtebauliche Analyse nach DIN-Normen kann diese<br />
räumliche Barriere dann entweder verifizieren oder erkennen lassen, dass außerhalb der DIN-<br />
Normen <strong>zum</strong>indest mentale Barrieren bestehen, welche es notwendig machen, den betreffenden<br />
Raum nochmals näher zu untersuchen.<br />
Weitere wichtige Anmerkungen zur Messung und der späteren Datenauswertung der Hauttempera-<br />
turveränderung werden im folgenden Abschnitt Technik - Smartband getätigt.<br />
Trotz der sehr großen Potenziale der Drei-Level-Analyse zur empirischen Identifikation stadträumli-<br />
cher Barrieren können dennoch Fehlerquellen ausgemacht werden. So können beispielsweise einma-<br />
lige externe Einflüsse wie beispielsweise spielende Kinder oder ein Anrempeln eines Passanten <strong>zum</strong><br />
Verharren des jeweiligen Probanden führen. Die Lösung dieses Problems stellt <strong>zum</strong> einen eine größe-<br />
re Probandenzahl zur statistischen Eliminierung dieser einmaligen Ereignisse oder eine zusätzlich<br />
Videoaufnahme durch eine unauffällige Kamera, welche das Blickfeld des Probanden aufnimmt, dar.<br />
Somit wäre eine vollkommen objektive und verbindliche Aussage auf Basis der empirischen Drei-<br />
Level-Analyse problemlos zu vollziehen.<br />
Technik<br />
Smartband<br />
Zur Aufzeichnung der autonomen Physiologie des menschlichen Organismus dient ein sogenanntes<br />
Smartband, welches eigens zur Datenaufnahme der Biosignale in Echtzeitstudien aus dem ambulato-<br />
rischen Assessment entwickelt wurde. Durch dessen Design und technischer Konstruktion erlaubt<br />
das Smartband multiple, zeitgleiche Aufzeichnungen der Änderungen der Körperfunktionen im Kon-<br />
text folgender Parameter:<br />
Elektrodermale Aktivität<br />
Hauttemperatur<br />
Pulsvolumen<br />
Triaxiale Beschleunigung<br />
Als wichtige Anmerkung zur späteren Messung der Hauttemperaturveränderung gilt folgender Sach-<br />
verhalt. „In seiner technischen Verschaltung verwendet das Smartband einen Thermistor, der auf<br />
Basis eines keramischen Widerstandes arbeitet. Dementsprechend führen höhere Temperaturen zu<br />
niedrigeren, elektrischen Widerstandswerten. Bei niedriger Temperatur steigt der elektrische Wider-<br />
stand des elektrischen Thermistors. Aufgrund dieser Verschaltung sind fallende Spannungsausgebe-<br />
werte als Indikator für wachsende Temperaturwerte anzusehen, wohingegen steigende Ausgabewer-<br />
te eine fallende Hauttemperatur anzeigen.“ 256 Dies bedeutet für die phasische Betrachtungsweise<br />
256 Papastefanou, Georgios (2010): Expertengespräch im August 2010.<br />
104
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
der Hauttemperatur, dass Werte über 0 ein Temperaturabfall, Werte unter 0 ein Temperaturanstieg<br />
bedeuten.<br />
Dieser Sachverhalt ist insbesondere bei der späteren Datenauswertung im Kontext der Teilkompo-<br />
nente der empirischen Raumbeobachtung im Rahmen der durchgeführten EmBaGIS-Studie von gro-<br />
ßer Bedeutung.<br />
Das Smartband wurde so konzipiert, dass es komfortabel und nahezu vom Anwender unauffällig eine<br />
lange Zeit am Handgelenk getragen werden kann. Zu diesem Zweck ist es aus elastischem Naturtextil<br />
besonders leicht konstruiert (siehe Abbildung 26).<br />
Abbildung 26: Smartband. Quelle: Eigene Aufnahme.<br />
Die einzelnen Biosensoren sind zwischen einem und 1500 Hertz frei einstellbar. Zudem ist eine 1-<br />
Gigabyte SD-Karte zur Datenaufzeichnung installiert, welche bequem durch nahezu jeden PC prob-<br />
lemlos eingelesen werden kann. Das Ausgabeformat des Smartbandes ist das gängige ASCII-Format.<br />
Dies ermöglicht die weitere Verarbeitung der Daten in vielen Softwareprogrammen. 257<br />
105<br />
GPS-Logger<br />
Der GPS-Logger ist die elementare Hardware zur Georeferenzierung der Ergebnisdaten der empiri-<br />
schen Drei-Level-Analyse. Der Proband kann den GPS-Logger während des Absolvierens der Route<br />
bequem in der Tasche tragen und liefert somit ebenfalls unauffällige kinetische sowie Ortungsdaten.<br />
Der GPS-Logger verfügt über verschiedene Berechnungsalgorithmen, die es ermöglichen aus den<br />
aufgezeichneten Koordinatendaten beispielsweise die Bewegungsgeschwindigkeit zu errechnen. Das<br />
Gerät kann eine Aufzeichnung der Datensätze in einem 1-Sekunden-Intervall darbieten. Hierdurch<br />
können GPS-Daten und Smartband sekundengenau verknüpft werden, um letztendlich für jedes Ko-<br />
ordinatenpaar die physiologische Reaktion aufzuzeigen. Der GPS-Logger liefert <strong>zum</strong> einen den 1.<br />
Barriereindikator in Form der Bewegungsgeschwindikeit und ermöglicht es zugleich die physiologi-<br />
schen Biosignale punktgenau zu verorten.<br />
257 Vgl. Internettaufritt von bodymonitor.de, aufgerufen unter: http://bodymonitor.de/pageID_5722318.html, abgerufen<br />
am 26.09.2010.
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
Abbildung 27: GPS-Logger. Quelle: Eigene Aufnahme.<br />
Das Ausgabeformat des GPS-Loggers ist das csv-Format. Dieses Format kann problemlos in Microsoft<br />
Excel oder ein Datenbanksystem zur weiteren Verarbeitung importiert werden. Die Daten gelangen<br />
über USB-Anschluss vom technischen Gerät <strong>zum</strong> PC.<br />
Software<br />
Zur Informationsverarbeitung der Smartband- und GPS-Logger-Daten bieten sich verschiedene Soft-<br />
wareprodukte an. Für die später durchgeführten Studien finden insbesondere die drei folgenden<br />
Programme ihre Anwendung:<br />
Datenanalyse-Tool<br />
STATA 10 ist ein Datenanalyse-Tool zur deskriptiven und induktiven Statistik. 258 Im Zusammenhang<br />
des EmBaGIS dient das Programm zur Bereinigung und Glättung der physiologischen Datensätze.<br />
Zudem stellt es die Datenverknüpfung zu den personenbezogenen GPS-Daten her. STATA 10 ermög-<br />
licht es in Verbindung mit der Festlegung der Barrieresektoren, diese den physiologischen und GPS-<br />
Daten zuzuordnen und zeitlich festzulegen, wann sich der Proband in welchem Sektor befunden hat.<br />
Durch statistische Auswertung können hierdurch Erkenntnisse zur Anzahl und Intensität der Stress-<br />
spitzen im jeweiligen Sektor gewonnen werden.<br />
Webprogramm zur Visualisierung von GPS-Daten<br />
Der GPS-Visualizer ist in erster Linie eine Webanwendung zur einfach Visualisierung eingegebener,<br />
georeferenzierte Daten. 259 Das Softwareprogramm ermöglicht es die physiologischen Individualda-<br />
ten, sofern sie bereits georeferenziert sind, in einer Google Earth Karte im 2D- oder 3D-Format zu<br />
visualisieren. Somit können stichprobenartig erste Eindrücke der voraussichtlichen Ergebnisse erzielt<br />
werden.<br />
258 Vgl. Internetauftritt von STATA, aufgerufen unter: http://www.stata.com/, abgerufen am 27.09.2010.<br />
259 Vgl. Internetauftritt des GPS-Visualizers, aufgerufen unter: http://www.gpsvisualizer.com/, abgerufen am 27.09.2010.<br />
106
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
107<br />
Geoinformationssoftware<br />
ArcGIS ist eine Standardsoftware zur Erstellung eines geographischen Informationssystems. Das Sys-<br />
tem bietet von der Datenbearbeitung, der Erstellung kartographischen Materials bis hin zur Erstel-<br />
lung von Modellen eine große Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten. 260<br />
Im EmBaGIS findet es seine Anwendung in der Aggregation der empirischen Einzelprofile. Hieraus<br />
kann eine Dichteberechnung der Stressreaktionen über alle Probanden generiert werden. ArcGIS<br />
dient ebenfalls der kompletten Darstellung sowie Erarbeitung aller beschriebenen Layer (siehe Kapi-<br />
tel 5.3.2 Grundlegende Layerstrukur des EmBaGIS) und kann in seiner technischen Ausgestaltung<br />
allen gestellten Basisanforderungen an das EmBaGIS als Geoinformationssystem (siehe Kapitel 5.4.2)<br />
entsprechen.<br />
5.5 Die Bedeutung des EmBaGIS für stadträumliche Planungsprozesse zur<br />
barrierefreien Stadt<br />
Das EmBaGIS als umfassendes Instrument sowie als aufgabenspezifisches, spezielles geographisches<br />
Informationssystem mit entsprechenden Sach- und Geometriedatenbanken soll die Bewertung von<br />
Flächen erleichtern und somit wichtige Entscheidungshilfen für die Stadtentwicklungsplanung liefern.<br />
Zum Einsatz in der Stadtentwicklungsplanung unterliegt ein geographisches Informationssystem be-<br />
stimmten Einsatzgebieten und damit verbunden bestimmten Anforderungen.<br />
Die Einsatzgebiete des emotionalen Barriere-GIS lassen sich in der Stadtentwicklungsplanung in ein<br />
4-Stufen-System einteilen: 261<br />
Stufe 1: Vorhaltung und Präsentation raumbezogener Informationen durch georeferenzierte<br />
Datenhaltung und kartographische Visualisierung<br />
a) Analytisch-konzeptionelles Arbeiten<br />
Durch das EmBaGIS lassen sich neue Konzepte und Strategien zur integrativen Stadtentwicklung vor-<br />
bereiten und durchführen. Zudem ist das Instrument fähig eine problembezogene, kleinräumige<br />
Struktur- und Standortanalyse zu vollziehen. Zusätzlich dient das EmBaGIS als Grundlage einer neuen<br />
innovativen Aufgabenstellung zur Verbesserung der Barrierefreiheit und somit auch der objektiven<br />
und subjektiven Lebensqualität.<br />
260<br />
Vgl. Internetauftritt von ESRI, aufgerufen unter: http://www.esri.com/products/index.html#arcgis_panel, abgerufen am<br />
27.09.2010.<br />
261<br />
Vgl. Schwarz-von Raumer (1999): GIS in der Stadtentwicklung: Stadtgeschichte und Stadtplanung als Kontext,<br />
Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und Fallbeispiele, Springer-<br />
Verlag, Berlin – Heidelberg, S. 8.
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
b) Strategisches Controlling<br />
Das Themenfeld des strategischen Controllings wird vor dem Hintergrund der Überprüfung der Ziel-<br />
erreichung immer bedeutender. Das EmBaGIS dient hier <strong>zum</strong> Controlling der stadtentwicklungspoli-<br />
tisch relevanten Zielvorstellung der Schaffung und Verbesserung der Barrierefreiheit im innerstädti-<br />
schen Lebensraum. Ebenfalls ist es durch das Instrument möglich, die rechtlich vorgegebenen DIN-<br />
Normen zur Schaffung von Barrierefreiheit in ihrer Qualität zu überprüfen. Es bietet sich zudem die<br />
Opportunität dar, die Folgewirkungen bestehender und durchgeführter Maßnahmen stichprobenar-<br />
tig abzufragen.<br />
c) Beratung, Betreuung und Begleitung<br />
Das EmBaGIS betreibt in diesem Zusammenhang auch ein Informationsmanagement. Inhaltlich heißt<br />
dies, dass hiermit dem Anspruch des Aufbaus, der Pflege und der Bereitstellung von Methoden und<br />
Instrumenten zur Informationsbeschaffung von Planungsinformationen Rechnung getragen wird.<br />
Dies wird durch die Bereitstellung fachlich-inhaltlicher und methodischer Planungsgrundlagen <strong>zum</strong><br />
Thema Barrierefreiheit und subjektives Wohlbefinden sinnvoll ergänzt. Zudem ist durch das EmBaGIS<br />
die Erarbeitung von Erhebungs- und Analysekonzepten zur barrierefreien Stadt bereits beinhaltet.<br />
Hierzu werden im Sinne von Barriereindikatoren sowie -Sektoren räumlich verortete Kennziffern<br />
geliefert.<br />
d) Koordination<br />
Die Koordinierungsfunktion innerhalb der Stadtentwicklungsplanung ist ebenfalls eine insbesondere<br />
prozesshafte Bedeutung zuzusprechen. Das EmBaGIS kann hierbei einen wichtigen Beitrag zur Koor-<br />
dination „der Raumbeobachtung bei EDV-mäßiger Aufbereitung, Fortführung und graphischer Um-<br />
setzung von Basisdaten sowie über die Verknüpfung von Geometrie und Katasterdaten mit Sachda-<br />
ten“ 262 leisten.<br />
Stufe 2 - Gezielte Nutzung der Verknüpfungs- und Analysemöglichkeiten von GIS<br />
„Die Verschneidung und die Puffergenerierung, aber auch die distanzbezogene, statistische und geo-<br />
statistische Auswertung der vorgehaltenen Informationen gehören zu den <strong>zum</strong> Einsatz kommenden<br />
GIS-Funktionalitäten.“ 263 Das EmBaGIS ist in seiner Ausstattung befähigt, verschiedene Analysestufen<br />
miteinander zu verschneiden. Dies geschieht beispielsweise bei der Festlegung und Ermittlung der<br />
georeferenzierten städtebaulichen und emotionalen Barrieresektoren. Eine individuelle Puffergene-<br />
rierung kann zusätzlich den Wahrnehmungsbereich einer Barriere sinnvoll erweitern. Zudem wird es<br />
durch Abfrage möglich sein, statistische Auswertungen beispielsweise der Stresspunkte je Sektor zu<br />
262 Schwarz-von Raumer (1999): GIS in der Stadtentwicklung: Stadtgeschichte und Stadtplanung als Kontext, Kilchenmann,<br />
André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und Fallbeispiele, Springer- Verlag, Berlin –<br />
Heidelberg, S.9.<br />
263 Ebenda.<br />
108
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
generieren. Diese Sachverhalte gelten im Sinne des EmBaGIS insbesondere für den Bereich der Pla-<br />
nungsvorbereitung.<br />
Stufe 3 - Externe Datenmodule zur Erweiterung der Informationsgewinnung innerhalb des<br />
geographischen Informationssystems<br />
Die Informationsgewinnung kann zusätzlich durch externe Module die komplette Datengrundlage<br />
deutlich bereichern. Im EmBaGIS ist das Verwenden externer Module in Form des Smartbandes und<br />
des GPS-Logger nicht wegzudenken. Das geographische Informationssystem dient vielmehr als Da-<br />
tenspeicher, -Verarbeiter sowie –Visualisierer und Benutzerschnittstelle für externe Module. 264<br />
Stufe 4 - Herbeiführung einer aktiven Planungsunterstützung als Ziel des GIS-Einsatzes<br />
Die nunmehr letzte Stufe des GIS-Einsatzes in der Stadtentwicklungsplanung ist dann erreicht, wenn<br />
das verwendete geographische Informationssystem nicht nur zur Planungsvorbereitung eingesetzt<br />
wird, sondern eine entscheidende Rolle in der direkten Planungsunterstützung einnimmt. Dieser<br />
Anspruch trifft auf das EmBaGIS voll zu und stellt den wichtigsten Punkt in der Anwendung des In-<br />
struments dar. Die inhärente Entscheidungsfindung hinsichtlich der Verbesserung der Barrierefreiheit<br />
wird durch das EmBaGIS konkret herbeigeführt. Der Realisierung dieser Stufe sind logischerweise die<br />
Ansprüche an die Raumbeobachtung und –Bewertung vor dem Hintergrund von Nachhaltigkeitszie-<br />
len in der Stadtentwicklungsplanung vorausgesetzt. 265 Das EmBaGIS erfüllt auch diese Kriterien, in-<br />
dem es für eine nachhaltige Stadtentwicklung in der Thematik der barrierefreien Stadt Sorge trägt.<br />
Als weiteres nachhaltiges Herausstellungsmerkmal offenbart sich hierbei die Verknüpfung von Top-<br />
Down- und Bottom-Up-Ansatz und in diesem Sinne die aktive Beteiligung betroffener Bürger durch<br />
den Instrumenteneinsatz des EmBaGIS. Somit empfiehlt es sich, das Instrument im Bereich der in-<br />
formellen Planung logisch einzubinden.<br />
5.6 Zwischenfazit: EmBaGIS als innovatives Produkt einer nachhaltigen<br />
Stadtentwicklung<br />
Zusammenfassend hat sich das emotionale Barriere-GIS allen Anforderungen, gleichwohl den grund-<br />
sätzlichen Anforderungen an Bewertungs- und Entscheidungsmethoden, den Basisanforderungen an<br />
die Etablierung eines geographischen Informationssystem sowie den spezifischen Anforderungen zur<br />
264 Vgl. Schwarz-von Raumer (1999): GIS in der Stadtentwicklung: Stadtgeschichte und Stadtplanung als Kontext,<br />
Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und Fallbeispiele, Springer-<br />
Verlag, Berlin – Heidelberg, S.10.<br />
265 Vgl. Ebenda.<br />
109
Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />
Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />
empirischen Identifikation stadträumlicher Barrieren, gestellt. Zudem profitiert es von zentralen Er-<br />
kenntnissen und Kritiken bisheriger Studien zur emotionalen Stadtkartierung.<br />
Neue Denkweisen und die entscheidende Verknüpfung von subjektiver Lebensqualitätsforschung<br />
sowie der Emotionsforschung haben es erst ermöglicht, ein vielschichtiges Instrument zur Identifika-<br />
tion und Bewertung stadträumlicher Barrieren zu entwickelt. Der Rahmen der einzelnen Methoden-<br />
ansätze innerhalb des EmBaGIS bildet das mehrstufige Phasenmodell, welches einen idealisierten<br />
Planungsablauf von Planungsanlass und Planungsziel über spezifische Top-Down- und Bottom-Up-<br />
Ansätze hin zu einer möglichen Optimierung des festgelegten Untersuchungsraumes darstellt. In der<br />
Entwicklung des mehrstufigen Phasenmodells zur methodischen Fundierung des EmBaGIS wird indes<br />
Wert auf eine klare, transparente und nachvollziehbare Struktur gelegt.<br />
Der klassisch planerische Top-Down-Ansatz wird durch die städtebauliche Bestandsaufnahme und –<br />
Analyse verwirklicht, welche in städtebauliche Barrieresektoren nach DIN-Norm münden. Eine neue<br />
Herangehensweise ist durch die Integrierung der empirischen Studie zur mentalen Belastung der<br />
jeweiligen Betroffenengruppe durch die Anwendung des psychophysiologischen Monitorings, der<br />
geeignetsten Methode zur Feststellung von affektiven Moment-zu-Moment Emotionen, zu Tage ge-<br />
treten. In diesem Kontext ist ein weiteres Novum des Instrumentes die empirische Drei-Level-<br />
Analyse, welche es ermöglicht, kinetische, elektrodermale und kardiovaskuläre Daten zu einem drei-<br />
stufigen System von Barriereindikatoren zusammenzufassen. Diese Drei-Level-Analyse gibt bei<br />
gleichzeitiger Positionsverortung des Probanden einen entscheidenden Hinweis auf stadträumliche<br />
Barrieren, welche durch den Begriff der emotionalen Barrieresektoren als Ergebnis gekennzeichnet<br />
sind. Zur letztendlichen Validierung der gewonnenen Daten findet eine Vergleichsanalyse des klassi-<br />
schen Top-Down-Ansatzes und des empirischen Bottom-Up-Ansatzes statt, um daraus Schlüsse auf<br />
die vorhandene, barrierespezifische Ausstattung des Untersuchungsraums zu schließen. Die hieraus<br />
resultierende städtebauliche Optimierung ist in Verbindung mit behandelten DIN-Normen nahezu<br />
Formsache.<br />
Die klare Struktur des methodischen Aufbaus des EmBaGIS befähigt indes, eine grundlegende<br />
Layerstruktur zur Implementierung des Instruments in eine GIS-Software zu vollziehen. Auch dieser<br />
Aspekt ist auf theoretischer Basis abgehandelt worden.<br />
Das emotionale Barriere-GIS liefert somit einen vielschichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung<br />
einer barrierenfreien Stadt. Dies stellen die weitreichenden Einsatzgebiete des EmBaGIS in der integ-<br />
rativen Stadtentwicklungsplanung im Vollzug von Planungsvorbereitung und der konkreten Entschei-<br />
dungsebene sicher. Das Instrument siedelt sich demnach im Bereich der informellen Planungsprozes-<br />
se an, da eine formelle Verpflichtung zur allgemeinen Methodenwahl in der Planung nicht besteht.<br />
Besonders hervorzuheben ist die nachhaltige Befähigung einer aktiven Beteiligung mobilitätseinge-<br />
schränkter und behinderter Menschen durch das Instrument. Dies genügt nicht nur dem Trend des<br />
demographischen Wandels einer immer älter werdenden Bevölkerung, sondern auch der konzen-<br />
trierten politischen Forderung nach mehr Barrierefreiheit in den Innenstädten als wichtigster urbaner<br />
Lebens- und Begegnungsraum.<br />
110
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
EmBaGIS – mehr als nur eine Methode – leistet in diesem Sinne einen wichtigen Beitrag zur integrati-<br />
ven Stadtentwicklung und bietet neue Chancen zur Verbesserung der subjektiven Lebensqualität<br />
mobilitätseingeschränkter und behinderter Menschen.<br />
111
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Kapitel 6<br />
Empirische Untersuchungen zur<br />
Anwendung des EmBaGIS<br />
EmBaGIS-Studie<br />
„Innerstädtische Raumerfahrung und mentale<br />
Belastung in der Fußgängerzone von gehbehin-<br />
derten Menschen“
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />
Kapitel 6 - Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS<br />
Die Entwicklung des Instrumentes des EmBaGIS bildet zunächst die theoretische Basis stadträumliche<br />
Barrieren punktgenau identifizieren und bewerten zu können. Das EmBaGIS sieht sich nun der Her-<br />
ausforderung gegenüber, praktisch erprobt zu werden. Im Rahmen der Forschungsarbeit sind daher<br />
zwei empirische Studien durchgeführt worden. Die erste umfassende Studie zur praktischen Erpro-<br />
bung des EmBaGIS wird im folgenden Verlauf des Kapitels durchgehend vorgestellt.<br />
Im Vorfeld der ersten tatsächlichen EmBaGIS-Studie wurde anlässlich des „Europaweiten Aktionsta-<br />
ges der Menschen mit Behinderung“ <strong>zum</strong> 08. Mai 2010 eine Vorstudie durchgeführt. Diese Vorstudie<br />
hatte <strong>zum</strong> Zweck, den Einsatz des psychophysiologischen Monitorings erstmals im Kontext behinder-<br />
ter Menschen zu testen. Die sogenannte Vorstudie „Innerstädtische Raumerfahrung und mentale<br />
Belastung von blinden Menschen in der Fußgängerzone“ wurde vom Leibniz-Institut GESIS in Mann-<br />
heim in Kooperation mit dem Referat für Stadtentwicklung der Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> und in Unterstüt-<br />
zung des Lehrstuhls „Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden (CPE)“ der Technischen<br />
<strong>Universität</strong> <strong>Kaiserslautern</strong> durchgeführt. Im Rahmen dieser Vorfeldaktion wurde ebenfalls eine Pres-<br />
semitteilung mit ersten Ergebnissen angefertigt, welche der Fachpresse zur weiteren Verwendung an<br />
die Hand gegeben wurde. (siehe Anhang VI).<br />
Hieraus wurden insbesondere Erkenntnisse <strong>zum</strong> Ablauf und zur Organisation einer solchen Studie<br />
gewonnen, welche in die eigentlich erste umfassende Studie des EmBaGIS mit eingegangen sind.<br />
6.1 EmBaGIS-Studie: „Innerstädtische Raumerfahrung und mentale Belastung<br />
in der Fußgängerzone von gehbehinderten Menschen“<br />
Die Wahrnehmung und Raumerfahrung behinderter Menschen im innerstädtischen Lebensraum<br />
dient für die Stadtplanung im Rahmen der Barrierefreiheit als empirische Grundlage, entweder eine<br />
Veränderung der vorherrschenden Situation vorzunehmen oder sie zu belassen. Die Studie zur inner-<br />
städtischen Raumerfahrung gehbehinderter Menschen in der Fußgängerzone wird eigens zur Erpro-<br />
bung des EmBaGIS initiiert und soll diese Aspekte der mutmaßlichen Veränderung auffassen und<br />
begründen.<br />
6.1.1 Deskription und Design der Studie<br />
Die Studie verfolgt die Zielrichtung, die mentale Belastung, sprich den Stress, von gehbehinderten<br />
Menschen beim Weg durch die Fußgängerzone zu testen und dabei die Methodik des EmBaGIS in<br />
einer ersten Erprobung umfassend anzuwenden.<br />
Als Zielgruppe wird die Gruppe der gehbehinderten Menschen definiert. Sie stellt vordergründig die<br />
zahlreichste Zielgruppe der Menschen mit Behinderung in der Innenstadt dar. Nicht nur die Anzahl<br />
112
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
der gehbehinderten Menschen ist unter allen Behinderungstypen am größten. Sie treffen auch auf<br />
eine Vielzahl baulicher Barrieren, die es zu identifizieren gilt. Es sollten daher Aspekte wie Bodenbe-<br />
läge, Ampel-Querungsanlagen, Steigungen und Gefälle sowie Rampen und Treppen als Barrieren in<br />
die Studie eingehen.<br />
Bewusst wurde auch die Fußgängerzone als Untersuchungsraum gewählt. Die Fußgängerzone ist<br />
jener innerstädtische Lebensraum, in welchem eine hohe soziale Interaktion vollzogen, der tägliche<br />
Einkauf getätigt, die Freizeit verbracht, gearbeitet oder Kultur genossen wird. Um diese Ansprüche<br />
auch für behinderte Menschen erfüllen zu können, muss insbesondere die Fußgängerzone als ver-<br />
kehrsberuhigter Bereich barrierefrei gestaltet werden.<br />
Das Design der Studie lässt sich ganz von der Methodik des EmBaGIS leiten. Nach Klärung des Pla-<br />
nungsanlasses und des –Ziels wird der Untersuchungsraum festgelegt. Daraufhin erfolgt der klassisch<br />
planerisch Top-Down-Ansatz zur Identifikation stadträumlicher Barrieren durch eine städtebauliche<br />
Bestandsaufnahme und –Analyse. Die gewonnenen Ergebnisse münden in städtebaulichen Barriere-<br />
sektoren innerhalb des Untersuchungsraumes. Parallel hierzu wird die empirische Studie zur inner-<br />
städtischen Raumerfahrung und mentalen Belastung von gehbehinderten Menschen in der Fußgän-<br />
gerzone als Bottom-Up-Ansatz durchgeführt. Die akquirierten Probanden gehen dabei eine festgeleg-<br />
te Route im Untersuchungsraum ab, wobei ihre Emotionen von Moment-zu-Moment durch das<br />
Smartband aufgezeichnet sowie durch den GPS-Logger verortet werden (siehe Kapitel 5.4.3 Technik).<br />
In der späteren Datenauswertung erfolgt die Durchführung der empirischen Drei-Level-Analyse zur<br />
personenbezogenen Identifikation von verorteten Stressreaktionen auf der Route. Diese Ergebnisse<br />
münden wiederum in Barrieresektoren; in diesem Fall den emotionalen Barrieresektoren. Nach Ver-<br />
gleich der Ergebnisse des Top-Down- und Bottom-Up-Ansatzes wird in der Entscheidungsphase die<br />
gewonnenen Barriereaussagen abschließend bewertet und einer städtebaulichen Optimierung zuge-<br />
führt, wodurch ein Maßnahmenkatalog zur Schaffung der Barrierefreiheit erstellt werden kann.<br />
6.1.2 Planungsanlass und –Ziel<br />
Zum einen lässt sich der Planungsanlass durch die stetig voranschreitende Überalterung im Zuge des<br />
demographischen Wandels herleiten. Die Bevölkerung wird mit zunehmendem Alter mobilitätseinge-<br />
schränkter werden und weist daher oftmals die gleichen Eigenschaften wie gehbehinderte Menschen<br />
auf. Zum anderen ist die Zielgruppe der gehbehinderten Menschen die stärkste vertretene Gruppe<br />
unter allen Menschen mit Behinderung, gleichwohl diese Behindertengruppe verschiedenste Aus-<br />
formungen enthält und technischer Hilfsmittel, wie Rollstuhl oder Gehhilfen, bedarf. Insbesondere<br />
der Raum Innenstadt und konkret die Fußgängerzone, wie eingangs beschrieben, befindet sich in der<br />
Schnittstelle der alltäglichen Lebensabläufe, wie Einkaufen, Wohnen, Freizeit, Arbeiten sowie soziale<br />
Interaktion. Daher ist es auch in diesem Sinne Planungsanlass, auf die besonderen Ansprüche an die-<br />
sen Raum einzugehen. Dabei spielt natürlich die Barrierefreiheit eine enorm große Rolle.<br />
113
Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />
Diese vielschichtigen Planungsanlässe lassen sich auf ein Planungsziel hinführen – die Schaffung von<br />
Barrierefreiheit und somit auch die Verbesserung des Lebensqualitätsempfindens betroffener Men-<br />
schen.<br />
6.1.3 Festlegung des Untersuchungsraums<br />
Das Instrument des EmBaGIS ist im Kontext der Barrierefreiheit insbesondere auf innerstädtische<br />
Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen spezialisiert. Zu diesem Anlass<br />
wird als Untersuchungsraum ein Teil der Fußgängerzone der Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> gewählt (siehe Ab-<br />
bildung 28). Der Untersuchungsraum erfüllt determinierte Anforderungen. Er beinhaltet vielerlei<br />
offensichtliche Barrieren, welche ebenfalls durch die DIN-Normen erfasst werden können (siehe Ka-<br />
pitel 2.4.3 Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der Stadtplanung), sich aber auch durch<br />
das menschliche Auge als Barrieren leicht erschließen lassen. Dazu zählen sich verändernder Boden-<br />
belag, eine Ampel-Querungsanlage, Steigungen, Gefälle, Treppen und eine Rampe. Diese Barrieren<br />
bieten sich vor allem im Zusammenhang gehbehinderter Menschen an. In der Regel haben diese<br />
Barrieren einen flächenhaften Charakter; wie etwa Kopfsteinpflaster, welcher sich über eine be-<br />
stimmte Länge innerhalb des Untersuchungsraums erstreckt und von den Probanden auf einer aus-<br />
gesuchten Wegestrecke zu bewältigen ist (siehe Abbildung 28).<br />
Abbildung 28: Untersuchungsraum und Wegestrecke der Probanden zur Studie. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
114
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
6.1.4 Städtebauliche Barriereverortung und Einteilung nach Barrieresektoren<br />
Zur Verfestigung des Top-Down-Ansatzes wird in einem ersten Schritt der festgelegte Untersu-<br />
chungsraum einer zielgruppenorientierten, barrierespezifischen städtebaulichen Bestandsaufnahme<br />
und Analyse unterzogen. Die Bestandsaufnahme erfolgt zunächst visuell, sprich vor Ort und mit Bil-<br />
dern belegt. Im weiteren Vorgehen wird der Untersuchungsraum in Verbindung mit den behandelten<br />
DIN-Normen <strong>zum</strong> barrierefreien Bauen abgeglichen und kartographisch verortet. Es ist die Zielrich-<br />
tung vorgegeben, aus den gewonnenen Erkenntnissen der Bestandsaufnahme, erkannte stadträumli-<br />
che Barrieren innerhalb einer darauffolgenden Analyse städtebaulichen Barrieresektoren zuzuführen.<br />
Die Verortung der Barrieren und Barrieresektoren erfolgt in dieser ersten Erprobung des EmBaGIS<br />
rein kartographisch, kann aber problemlos in ein Geoinformationssystem durch Georeferenzieren<br />
des Kartenmaterials übertragen werden.<br />
Die städtebauliche Bestandsaufnahme und –Analyse ist wie bereits berichtet auf kartographischem<br />
Wege geschehen. Die ausführlichen Darstellungen sind in Anhang VII, VIII und IX enthalten. An dieser<br />
Stelle werden die Inhalte der barrierespezifischen Bestandsaufnahme in Auszügen kurz zusammenge-<br />
fasst und mit Bildern belegt. Gleichzeitig erfolgt eine Einteilung in städtebauliche Barrieresektoren<br />
(siehe Abbildung 29 und Anhang IX), welche in einem späteren Schritt mit den zu bildenden emotio-<br />
nalen Barrieresektoren überlagert werden.<br />
Abbildung 29: Städtebauliche Analyse nach städtebaulichen Barrieresektoren. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
115
Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />
Sektor 1 – Westfront Stiftskirche<br />
Abbildung 30: Untersuchungsraum in westlicher Front der Stiftskirche und Gesamtaufnahme Sektor 1. Quelle: Eigene Dar-<br />
stellung und eigene Aufnahme.<br />
Der erste Bereich (siehe Abbildung 30) in westlicher Front der Stiftskirche markiert auch zugleich den<br />
Startpunkt der Wegestrecke der empirischen Studie. Der Untersuchungsraum (hier durch gestrichelte<br />
Linie umrandet) beinhaltet eine großflächig braune Schraffur und eine kleinflächig gelbe Schraffung.<br />
Erste Schraffur beschreibt einen heterogenen Bodenbelag, welcher sich abwechselnd als flächigen<br />
Kopfsteinpflaster, sowie flächigen Betonpflasterstein definiert. Insbesondere der Kopfsteinpflaster-<br />
belag ist im Sinne der DIN 18024 Teil 1 (siehe Anhang IV Oberflächenbeschaffenheit von Bewegungs-<br />
und Begegnungsflächen) als Barriere diskutiert. Demnach muss die Oberflächenbeschaffenheit bei<br />
„jeder Witterung leicht, erschütterungsarm und gefahrlos begeh- und befahrbar sein.“ 266 Diese Vor-<br />
gaben sind jedoch bei traditionellem Kopfsteinpflaster selten zutreffend, da es meist durch zu große<br />
Zwischenfugen schwerlich zu überwinden sowie durch die kleinteilige Steinbesetzung bei Überfahrt<br />
mit dem Rollstuhl kaum erschütterungsfrei ist und selbst bei schlechter Witterung Rutschgefahr<br />
durch glatte, abgelaufene Oberflächen droht.<br />
Die gelbe Schraffur stellt dagegen die gastronomische Außenbestuhlung dar, welche von gehbehin-<br />
derten als erkannte Barriere zu umfahren ist.<br />
266 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din18024-1-<br />
flaechen.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />
116
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Sektor 2 – Oberer Bereich der Marktstraße bis Ampel-Querungsanlage Spittelstraße<br />
Abbildung 31: Untersuchungsraum oberer Bereich der Marktstraße bis Spittelstraße und Detailaufnahme von Süden. Quel-<br />
le: Eigene Darstellung und eigene Aufnahme.<br />
Der nächste Bereich (siehe Abbildung 31), welcher sich in nördlicher Richtung anschließt, unter-<br />
scheidet in einem Gesichtspunkt vom ersten Bereich. Zu dem abwechselnden Bodenbelag und den<br />
Negativeigenschaften des Kopfsteinpflasters fügen sich großflächige Bodenwellen hinzu, welche für<br />
noch mehr Erschütterung und unvorteilhaften Schwerpunktverlagerungen von Rollstuhlfahrern und<br />
anderen gehbehinderten Menschen sorgen. Dieser Sachverhalt kollidiert ebenfalls mit dem vorgege-<br />
benen Quergefälle von Gehwegen (siehe Anhang IV Gefälle und Fußgängerüberweg), welches nicht<br />
mehr als 2% betragen darf. Dieser Wert wird kleinteilig, aber spürbar, überschritten.<br />
Sektor 3 - Ampel-Querungsanlage Spittelstraße<br />
Abbildung 32: Ampel-Querungsanlage Spittelstraße und Gesamtaufnahme Sektor 3 von Südwest. Quelle: Eigene Darstel-<br />
lung und eigene Aufnahme<br />
Als dritten Teilbereich lässt sich die Ampel-Querungsanlage der Spittelstraße definieren. Die Ampel-<br />
Querung ist eine Doppelampelanlage mit mittig befindlicher Verkehrsinsel. Die Spittelstraße ist 4-<br />
spurig und gleichzeitig als Bundestraße deklariert. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Grö-<br />
ße der Verkehrsinsel. Laut DIN-Norm muss die Verweilfläche auf Schutzinseln oder Fahrbahnteilen<br />
117
Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />
von Hauptverkehrsstraßen mindestens 400cm Breite und 250cm Tiefe vorweisen (siehe Anhang IV<br />
Flächen). Dies ist im Fall der Verkehrsinseln auf der Bundesstraße 37 zutreffend. Die Verweilfläche<br />
auf der Verkehrsinsel ist 10,20m breit und 3,50m tief.<br />
Ein weiteres Kriterium zur Barrierefreiheit ist der abgesenkte Bordstein (mind. 3cm zur Straßenober-<br />
fläche), welcher sich noch wahrnehmbar an das Niveau der Straße anpasst, aber nicht komplett auf<br />
ein Nullniveau abgesenkt ist.<br />
Zudem erscheint die Dauer der Ampelschaltung bereits für Normal-Gehende recht kurz. Die Ampel-<br />
Querungsanlage verfügt über ein akustisch wahrnehmbares Signal für Rot- und Grünphasen, besitzt<br />
jedoch keine Bodenindikatoren und Aufmerksamkeitsfelder für sehbehinderte und blinde Menschen<br />
(siehe 2.4.3.2 DIN 32984 Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum).<br />
Sektor 4 - Martinsplatz – Steinstraße (bis Kreuzung Engelsgasse)<br />
Abbildung 33: Bereich Martinsplatz - Steinstraße und Aufnahme Sektor 4 mit Blick auf den Martinsplatz von Südwest. Quel-<br />
le: Eigene Darstellung und eigene Aufnahme.<br />
Die Rückkopplung mit der parallel durchgeführten emotionalen Barriereverortung hat aufgrund der<br />
stark von der Wegestrecke abweichenden GPS-Signale ergeben, dass der Sektor 2 von der Ampel-<br />
Querungsanlage Spittelstraße bis zur Kreuzung Steinstraße-Engelsgasse zu definieren ist. Ähnlich wie<br />
in Sektor 2 wechseln sich hier Kopfsteinpflaster und Betonpflastersteine ab. Im oberen Bereich des<br />
Sektors 4 sind zudem kleinere Flächen komplett mit Asphalt belegt.<br />
Das Gelände steigt von der Ampel-Querungsanlage bis hin zur Kreuzung Steinstraße-Engelsgasse<br />
leicht an, befindet sich aber noch klar in der Norm, sodass keine ebenen Verweilflächen <strong>zum</strong> Ausru-<br />
hen von gehbehinderten Menschen geschaffen werden müssen.<br />
Im Bereich des Martinsplatzes und dem Beginn der Steinstraße gliedert sich zusätzlich Außenbestuh-<br />
lung verschiedener Gastronomie an, was eine bedingte Verengung der Fußgängerzone zur Folge hat.<br />
118
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Sektor 5 - Engelsgasse<br />
Abbildung 34: Bereich Engelsgasse und Gesamtaufnahme Sektor 5 von Norden. Quelle: Eigene Darstellung und eigene<br />
Aufnahme.<br />
Die Engelsgasse weist ein durchgehendes Kopfsteinpflaster (flächiges braun in Abbildung 34) auf,<br />
welches bereits in Sektor 1 diskutiert wurde. Das Gelände steigt in diesem Bereich zudem deutlich an<br />
und besitzt auf einer Länge von 50m ein Höhenunterschied von ca. 2m (durch Steigungssymbol dar-<br />
gestellt). Dies spricht für einen Steigungsgrad von ca. 4% und ist somit eine für gehbehinderte Men-<br />
schen noch akzeptable Steigung.<br />
Sektor 6 - Klosterstraße bis Kirche St. Martin<br />
Abbildung 35: Bereich Klosterstraße bis Martinsplatz und Gesamtaufnahme Sektor 6 von Osten. Quelle: Eigene Darstellung<br />
und eigene Aufnahme.<br />
Der Sektor 6 stellt sich ähnlich wie Sektor 5 dar, nur mit dem Unterschied, dass dieser Sektor diesmal<br />
ein Gefälle von ebenfalls ca. 4% aufweist. Das Gefälle ist für gehbehinderte Menschen sicherlich<br />
problematischer als die vorhergehende Steigung, da sie in diesem Bereich einer stetigen Beschleuni-<br />
gung ausgesetzt sind. Sie müssen bevor sie zu schnell gehen oder zu schnell mit dem Rollstuhl fahren,<br />
was beides zu Sturzgefahr führen kann, stetig abbremsen. Zudem ist das Kopfsteinpflaster auch in<br />
diesem Bereich durch jahrelange Bodenbewegungen wellig veranlagt.<br />
119
Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />
Sektor 7 - Frontportal Kirche St. Martin<br />
Abbildung 36: Frontportal der Kirche St. Martin und Gesamtaufnahme Sektor 7 von Norden. Quelle: Eigene Darstellung und<br />
eigene Aufnahme.<br />
Um den Zugang zur Kirche St. Martin auch für behinderte Menschen zu gewährleisten, wurden eine<br />
Rampe einerseits sowie abgesenkte Treppenstufen andererseits installiert. Die Rampe darf gemäß<br />
der DIN-Norm maximal ein Steigungsgrad von 6% besitzen (siehe Anhang IV Treppen, Rampen, Auf-<br />
zug). Dies ist für die vorliegende Rampe nicht der Fall. Die Rampe weist auf einer Länge von 2,50m<br />
ein Höhenunterschied von ca. 42cm auf. Daraus folgt, dass der Steigungsgrad ca. 16% beträgt und die<br />
Rampe, gemäß der Norm, 7m lang sein müsste. Aus eigener Kraft dürfte diese Rampe also nicht von<br />
Rollstuhlfahrern zu bewältigen sein. Hierdurch ist keine Bremssicherheit, geschweige denn ein aus-<br />
reichender Schutz vor Umkippen, gegeben.<br />
Die Treppenanlage verfügt für gehbehinderte Menschen, welche nicht auf den Rollstuhl angewiesen<br />
sind, über einen ausreichenden Handlauf, welcher aber auch für die Gegenseite empfohlen wird, um<br />
auch ein Abstieg der Treppen sicher zu gewährleisten. Die Treppenhöhe ist mit 13cm im Gegensatz<br />
zu normalen Treppen mit ca. 17cm Höhe schon deutlich abgesenkt. Auch der Auftritt mit über 80cm<br />
ist barrierefrei gestaltet, sodass ein sicheres Stehen zwischen den Einzeltreppen gewährleistet ist.<br />
6.1.5 Emotionale Barriereverortung<br />
Die emotionale Barriereverortung beschreibt sinngemäß die eigentliche empirische Studie zur Erfas-<br />
sung der mentalen Belastung im Kontext stadträumlicher Barrieren. Nach Entscheid zur Anwendung<br />
des Instruments EmBaGIS müssen zielgruppenspezifisch Probanden akquiriert werden. Im Zusam-<br />
menhang der vorliegenden Studie betrifft dies gehbehinderte und mobilitätseingeschränkte Men-<br />
schen, gleich ob diese an den Rollstuhl gebunden sind, eine Gehhilfe benötigen oder aufgrund ihres<br />
höheren Alters mobilitätseingeschränkt sind. Die Probandenakquise ist in der vorliegenden Studie<br />
durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit geschehen. Dies umfasst eine enge Kooperation mit dem<br />
Referat für Stadtentwicklung der Stadt <strong>Kaiserslautern</strong>, dem Arbeitskreis „Barrierefreie Stadt Kaisers-<br />
lautern“ und Öffentlichkeitsauftritte in weiteren Institutionen und Interessensverbänden. Zu diesem<br />
Anlass ist es notwendig, entsprechendes Präsentationsmaterial zur Zielsetzung der Studie zusam-<br />
120
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
menzutragen und vorzustellen. Zur konkreten Betroffenenaktivierung und –Motivation wird eigens<br />
ein Flyer mit wichtigen Informationen zur Studie, einem Aktivierungsschreiben und Kontaktdaten<br />
geliefert (siehe Anhang X Flyer zur Bürgeraktivierung).<br />
Konkrete Aussagen zur Durchführung der Studie sowie alle personenbezogenen Daten der teilneh-<br />
menden Probanden werden in der Stichprobe zur emotionalen Datenaufnahme gesammelt und dar-<br />
gestellt. Die während der Studie durch Smartband und GPS-Logger gesammelten kinetischen und<br />
physiologischen Individualdaten werden dann einer Auswertung nach georeferenzierten Stressreak-<br />
tionen unterzogen. Dabei werden in dieser ersten Erprobung des EmBaGIS zunächst auf Grundlage<br />
der städtebaulichen Barrieresektoren (siehe Kapitel 6.1.4 Städtebauliche Barriereverortung und Ein-<br />
teilung nach Barrieresektoren) die Ergebnisse in emotionalen Barrieresektoren festgehalten. Die Ver-<br />
ortung der Stressreaktion erfolgt demnach flächenbezogen und nicht punktgenau, da auch die Barri-<br />
eren für gehbehinderte Menschen meist einen flächenhaften Charakter besitzen (siehe Kapitel 6.1.3<br />
Festlegung des Untersuchungsraums).<br />
6.1.5.1 Stichprobe zur emotionalen Datenaufnahme<br />
Die Stichprobe dient der Aufnahme stressbezogener Individualdaten zur Verwirklichung des Bottom-<br />
Up-Ansatzes innerhalb des EmBaGIS. An der EmBaGIS-Studie „Innerstädtische Raumerfahrung und<br />
mentale Belastung in der Fußgängerzone von gehbehinderten Menschen“ haben insgesamt 21 Pro-<br />
banden aus dem Umkreis von <strong>Kaiserslautern</strong> teilgenommen. Die Ortskenntnis der Probanden war<br />
dabei größtenteils begrenzt, sodass mit einem geringen Grad an Voreingenommenheit der vorgege-<br />
bene Untersuchungsraum begangen werden konnte.<br />
Die EmBaGIS-Studie ist an zwei sonnigen Wochentagen, jeweils über den ganzen Tag, durchgeführt<br />
worden.<br />
Die Probanden waren zu 66,7% männlich (n=14) und zu 33,3% weiblich (n=7). Das Durchschnittsalter<br />
aller Probanden beträgt 47,2 Jahre. 14,3% (n=3) der Probanden waren aufgrund ihres höheren Alters<br />
mobilitätseingeschränkt. 19% (n=4) wiesen eine Gehbehinderung auf. Einen konventionellen Roll-<br />
stuhl nutzten 42,9% (n=9) aller Probanden. Einen Rollstuhl mit Elektroantrieb wurde von 23,8% (n=5)<br />
in Anspruch genommen. 52,4% (n=11) der Probanden wiesen zu ihrer Körperbehinderung zudem<br />
eine geistige Behinderung auf.<br />
Die Probanden wurden in der Regel nach der Ausgabe eines Handouts mit Wegbeschreibung (siehe<br />
Anhang XI Protokollblatt zur Studiendurchführung) selbstständig auf die Wegstrecke geschickt, sodass<br />
eine äußere Emotionsbeeinflussung und künstliches Sicherheitsgefühl von Begleitpersonal umgangen<br />
werden konnte. Das ausgegebene Protokollblatt enthielt neben der Wegbeschreibung, ebenfalls ein<br />
Blatt zur Aufnahme personenbezogener Daten sowie <strong>zum</strong> Festhalten der verwendeten Gerätenum-<br />
mern. Das Protokollblatt beinhaltete zudem einen Fragebogen <strong>zum</strong> momentanen Befinden, welcher<br />
zur weiteren Datenvalidierung dienen sollte. Ein Suchbildtest mit gleichem Schwierigkeitsgrad sollte<br />
zusätzlich Aufschluss über eine mögliche mentale Ermüdung, welche durch das Absolvieren der Weg-<br />
strecke erlitten wird, Aufschluss geben. Der Befindlichkeitsfragebogen sowie der Suchbildtest waren<br />
121
Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />
von den Probanden aufgrund oftmals vorhandener geistiger Behinderung nicht selbst ausgefüllt wor-<br />
den und wurden somit in der Datenauswertung nicht weiter berücksichtigt. Letztendlich war dem<br />
Protokollblatt die Frage angefügt, ob dem Probanden für ihn besonders schwierige Stellen in Erinne-<br />
rung geblieben sind. Dieser Befragungsansatz wurde zur Validierung der Ergebnisse verwendet, soll<br />
aber in späteren Studien aufgrund der grundsätzlichen Nachteile der Selbstberichtung (siehe Kapitel<br />
3 und 4) wegfallen.<br />
Die Abfrage nach besonders schwierigen Stellen auf der Wegstrecke hat ergeben, dass vor allem der<br />
Bodenbelag insgesamt (n=4), die Treppenanlage (n=3) und die Rampe (n=2) in Sektor 7, die heraus-<br />
stehenden Gullydeckel in Sektor 2 (n=2), die Ampel-Querungsanlage in Sektor 3 (n=2) sowie, jeweils<br />
mit einer Nennung, die unebene Strecke (Sektor 2), die Bordsteine (Sektor 3) und das Geländer (Sek-<br />
tor 7), als schwierig empfunden wurden.<br />
Der Idealablauf des selbstständigen Absolvierens der Wegstrecke stellte sich in der Praxis in abhängig<br />
der akquirierten Probanden problematisch dar, da sich einige der Probanden aus Sicherheitsgründen<br />
nur mit Begleitpersonal in die freie Umwelt begeben durften. Dies war auch in dieser ersten Erpro-<br />
bung der Fall. Das Begleitpersonal wurde daher angehalten, den Probanden möglichst wenig zu be-<br />
einflussen.<br />
Die Durchführung der EmBaGIS-Studie konnte von mindestens drei studienbegleitenden Personen<br />
problemlos durchgeführt werden. Die anschließende Datenverarbeitung war von einer Person mit<br />
einem Zeitaufwand von ca. 30-40min je Proband zu bewältigen.<br />
6.1.5.2 Einteilung von emotionalen Barrieresektoren<br />
Bevor eine Einteilung von emotionalen Barrieresektoren erfolgen kann, muss die Datenauswertung<br />
der gewonnenen kinetischen und physiologischen Individualdaten erfolgen. Hierzu dient die Metho-<br />
de der eigens für das EmBaGIS entwickelten empirischen Drei-Level-Analyse (siehe Kapitel 5.4.3 Em-<br />
pirische Drei-Level-Analyse). Neben der Drei-Level-Analyse wird zusätzlich eine Zwei-Level-Analyse<br />
durchgeführt, welche nur die physiologischen Individualdaten, sprich elektrodermale Aktivität (elekt-<br />
rische Hautleitfähigkeit) und Hauttemperaturveränderung, der Probanden. Hintergrund dieses Vor-<br />
gehens ist das Aufzeigen von Abhängigkeiten der angetroffenen Barrieren und der Bewegungsge-<br />
schwindigkeit. Das systematische Vorgehen, welches in der vorliegenden EmBaGIS-Studie angewandt<br />
wird, ist in Anhang XII Vorgehensweise der empirischen 3-Level-Analyse nachzuvollziehen.<br />
Zunächst werden die Daten jedes Probanden einzeln ausgewertet und dann zu einer Gesamtbewer-<br />
tung der aufgetretenen Stressreaktionen nach städtebaulichen Barrieresektoren aggregiert. Die Da-<br />
tenverwertung liegt bei 57,1% (n=12). Aufgrund des technischen Ausfalls zweier Smartbänder kön-<br />
nen 9 Probanden nicht ausgewertet werden.<br />
In der Auswertung der Stressreaktionen je Sektor (siehe Tabelle 7) ist insbesondere auffällig, dass das<br />
Verhältnis zwischen 3-Level- und 2-Level-Stressreaktionen in den Sektoren 1,2 sowie 4-7 bei ca. 73%<br />
liegt. Das heißt übertragen, dass in 73% der Fälle einer Stressreaktion eine Verminderung der Bewe-<br />
122
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
gungsgeschwindigkeit voraus geht. Dies spricht für das Auftreffen auf eine stadträumliche Barriere,<br />
welche die normale Bewegungsgeschwindigkeit verringert und somit als stresserregend wahrge-<br />
nommen wird. Ausgenommen von diesem Sachverhalt ist das entsprechende Verhältnis in Sektor 3.<br />
Hier stehen 26 3-Level-Stressreaktionen, 53 2-Level-Stressreaktionen gegenüber. Das ergibt ein signi-<br />
fikantes Verhältnis von ca. 49% von 3-Level-Stressreaktionen zu 2-Level-Stressreaktionen. Sektor 3 ist<br />
durch die Ampel-Querungsanlage charakterisiert. Die gewonnenen Erkenntnisse sprechen dafür, dass<br />
in diesem Zusammenhang 51% der Stressreaktionen eine Beschleunigung oder <strong>zum</strong>indest eine<br />
gleichbleibende Geschwindigkeit einhergeht. Dieses Ergebnis wird weiter durch die oftmals geäußer-<br />
ten Aussagen der Probanden gestützt, dass die Lichtsignalanlage in Sektor 3 zu kurz geschaltet ist.<br />
Dies bedeutet, dass eine Verminderung der Bewegungsgeschwindigkeit nicht unmittelbar mit einer<br />
wahrgenommenen Barriere, wie eine zu kurz geschaltete Lichtsignalanlage, einhergeht. Es gibt also<br />
Ausnahmefälle der Regel.<br />
Proband<br />
123<br />
Sektor 1<br />
3 Level<br />
2 Level<br />
Sektor 2<br />
3 Level<br />
2 Level<br />
Sektor 3<br />
3 Level<br />
2 Level<br />
Nr. 1 3 4 5 12 5 7 8 13 2 3 5 9 5 9<br />
Nr. 2 1 1 0 0 0 2 1 2 4 4 5 7 1 1<br />
Nr. 3 1 3 1 1 0 1 8 10 0 0 2 3 1 1<br />
Nr. 4 7 10 1 1 3 8 6 6 0 0 0 0 1 1<br />
Nr. 5 1 2 4 6 5 7 6 7 2 3 1 1 8 9<br />
Nr. 6 3 5 7 10 3 5 28 37 3 5 8 9 2 6<br />
Nr. 7 2 3 3 5 2 2 7 9 0 0 2 2 4 5<br />
Nr. 8 3 4 3 3 2 4 12 15 2 3 2 2 2 2<br />
Nr. 9 3 3 3 5 1 4 5 7 1 2 2 2 2 2<br />
Nr. 10 6 9 6 8 0 2 4 4 - - - - - -<br />
Nr. 11 6 7 6 10 1 3 2 4 5 5 2 5 1 1<br />
Nr. 12 4 4 6 7 4 8 2 2 2 3 5 6 1 1<br />
Sektor 4<br />
3 Level<br />
Summe 40 55 45 68 26 53 89 116 21 28 34 46 28 38<br />
Tabelle 7: Zusammengefasste Stressreaktion in der empirischen 3- und 2-Level-Analyse nach Barrieresektoren. Quelle:<br />
Eigene Erhebung.<br />
Die meisten Stressreaktionen hat der Sektor 4 vorzuweisen. Dies liegt mit hoher Sicherheit an seiner<br />
größeren Länge im Gegensatz zu den anderen Sektoren. Bei Proband Nr. 10 ist eine Stressauswer-<br />
tung nach Sektoren 4 nicht mehr möglich, da der Proband von der vorgegebenen Wegstrecke abge-<br />
wichen ist und die letzten Sektoren nicht absolviert hat. Eine weitere Auffälligkeit beschreibt der<br />
Sektor 7, welcher durch die Rampe und Treppenanlage definiert ist. Mit Ausnahme von Proband Nr.<br />
2 Level<br />
Sektor 5<br />
3 Level<br />
2 Level<br />
Sektor 6<br />
3 Level<br />
2 Level<br />
Sektor 7<br />
3 Level<br />
2 Level
Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />
1 und Nr. 6 decken sich die 3-Level-Stressreaktionen fast genau mit den 2-Level-Reaktionen. Dieser<br />
Sachverhalt ist sicherlich der Art der Barriere zu verschulden.<br />
140<br />
120<br />
100<br />
Abbildung 37: Vergleich der absoluten 3-Level- und 2-Level-Stressreaktionen nach Barrieresektoren. Quelle: Eigene Erhe-<br />
bung.<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Sektor 1 Sektor 2 Sektor 3 Sektor 4 Sektor 5 Sektor 6 Sektor 7<br />
Die genauen Ergebnisse der Gesamtaggregation der Stressreaktionen sowie der selbstberichteten<br />
Erfahrung in Form der Erinnerungsfrage werden im Vergleich zu den städtebaulichen Barrieresekto-<br />
ren im nachfolgenden Kapitel kenntlich gemacht und diskutiert.<br />
6.1.6 Gegenüberstellung der städtebaulichen und emotionalen Barrieresektoren<br />
Mit der Gegenüberstellung der städtebaulichen und emotionalen Barrieresektoren wird die Ver-<br />
schmelzung von Bottom-Up- und Top-Down-Ansatz vollzogen. Insgesamt lassen sich die Ergebnisse<br />
der emotionalen Barriereverortung im Vergleich mit den städtebaulichen Barrieresektoren kartogra-<br />
phisch, wie in Abbildung 38 dargelegt, darstellen (Erläuterungsbeispiel: Sektor 5: 21/28 heißt, dass in<br />
Sektor 5 21 3-Level-Stressreaktionen und 28 2-Level-Stressreaktionen stattgefunden haben).<br />
Nun besteht die Aufgabe, die alle gewonnenen Befunde zu den einzelnen Sektoren zusammenzutra-<br />
gen und rückblickend zu reflektieren.<br />
3-Level-Stressreaktionen 2-Level-Stressreaktionen<br />
124
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Abbildung 38: Emotionale 3-Level- und 2-Level-Stressreaktionen je Sektor. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Sektor 1 – Westfront Stiftskirche<br />
Eine Vielzahl der Stressreaktionen in Sektor 1 ist der ortsgebundenen Vorbereitungsphase der Pro-<br />
banden zu schulden. Demnach können die Ergebnisse des Sektors 1 nur unter Vorbehalt einer plau-<br />
siblen Stressargumentation zugeführt werden. Zudem befinden sich die Probanden in Sektor 1 in<br />
einer allgemeinen Orientierungsphase. Dies kann ebenfalls zu einem erhöhten Stressaufkommen<br />
führen. Eine inhaltliche Verbindung zu stadträumlichen Barrieren ist hierdurch vorerst nicht möglich.<br />
Sektor 2 – Oberer Bereich der Marktstraße bis Ampel-Querungsanlage Spittelstraße<br />
Dieser Bereich ist aus städtebaulicher Sicht nach DIN-Norm <strong>zum</strong>indest teilweise problematisch. Bo-<br />
denwellen in abwechselnden Kopfsteinpflaster- und Betonpflastersteinen sowie nicht ebenversenkte<br />
Gullydeckel (durch Selbstbericht erkannt) führen zu regelmäßigem Verringern der Bewegungsge-<br />
schwindigkeit in Verbindung mit mentalem Stress. Zudem besteht für behinderte Menschen immer<br />
die Gefahr des Hängenbleibens, oder gar im Fall von gehbehinderten Menschen, welche nicht auf<br />
den Rollstuhl angewiesen sind, Sturzgefahr. Insgesamt weist Sektor 2 45 3-Level-Stressreaktionen<br />
und 68 2-Level-Stressreaktionen auf und ist im Ranking aller Sektoren der 2. stressigste Sektor.<br />
125
Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />
Sektor 3 - Ampel-Querungsanlage Spittelstraße<br />
Die Wahrnehmung der Ampel-Querungsanlage über die B37 (Spittelstraße) zeigt ein anderes Stress-<br />
muster als die anderen Sektoren. Es sind zwei Lichtsignalanlagen mit jeweils zwei abgesenkten Bord-<br />
steinen zu überwinden. Die 3-Level-Analyse lässt den Schluss zu, dass das Warten an der Ampel bis<br />
sie grün wird, aber auch das Bewältigen der Straßen-zu-Bordstein-Übergänge, als Stress empfunden<br />
wird. Dies ist ausnahmslos bei jedem Probanden der Fall. Zu diesen baulichen Barrieren schließt sich<br />
ein ganz anderes Stressmuster an, wie durch die 2-Level-Analyse bewiesen wird. In 51% Prozent der<br />
erkannten Stressreaktionen ist eine Beschleunigung oder <strong>zum</strong>indest ein Gleichbleiben der Bewe-<br />
gungsgeschwindigkeit der Probanden offensichtlich. Dies hängt ganz konkret mit der zu kurzen Grün-<br />
phase der doppelten Lichtsignalanlage zusammen. Dies wird durch Mehrfachnennung im Selbstbe-<br />
richt der Probanden ebenfalls verdeutlicht. Behinderte Menschen weisen generell eine geringere<br />
Bewegungsgeschwindigkeit auf und lösen bei einem Umspringen der Ampel von Grün auf Rot relativ<br />
schnell Stress aus, weil sie die Erwartung schwerlich erfüllen können, die Ampel rechtzeitig hinter<br />
sich zu lassen. Somit wird die formulierte Hypothese, dass eine Verringerung der Bewegungsge-<br />
schwindigkeit beim Auftreffen auf eine empfundene Barriere gleichzeitig mit Stress einhergeht, zwar<br />
in seiner Grundaussage belegt, aber durch die Art der hier angetroffene Barriere (Ampel-<br />
Querungsanlage) gleichbedeutend logisch ergänzt. Es gibt also auch Barrieren, welche eine Be-<br />
schleunigung in der Bewegungsgeschwindigkeit nach sich ziehen.<br />
Sektor 4 - Martinsplatz – Steinstraße (bis Kreuzung Engelsgasse)<br />
Nachdem die Ampel-Querungsanlage absolviert ist, begeben sich die Probanden auf den Martins-<br />
platz und bewegen sich hin zur Steinstraße. Dieser nun größte Sektor weist auch die meisten Stress-<br />
reaktionen auf. Aufgrund des doch teilweise enorm abweichenden GPS-Signals lassen sich die Stress-<br />
reaktionen nur bedingt auf einzelne Elemente des Gesamtraumes rückführen. Da der Martinsplatz in<br />
der Regel sehr belebt ist, sind einige der Stressreaktionen auf ungewollte, indirekte Interaktionen mit<br />
anderen Menschen zurückzuführen. Als Beispiel ist das punktuelle Ausweichen der Probanden im<br />
Begegnungsfall mit anderen Menschen zu nennen. Jedoch ist auch dieser Sektor nicht gänzlich bar-<br />
rierefrei gestaltet, wie die barrierespezifische Analyse erkennen lässt. Der abwechselnde Bodenbelag<br />
führt immer wieder zu Beschleunigung und Abbremsen. Zudem ist das Kopfsteinpflaster bei leicht<br />
ansteigendem Höhenniveau hin zur Steinstraße nicht generell als grifffest zu bezeichnen.<br />
Ein weiteres Indiz für eine stress-auslösende Situation ist die Zunahme der Stressreaktionen in der<br />
Verengung zu Beginn der Steinstraße nach Ende des Martinsplatzes. Zum einen verengt sich der<br />
Raum deutlich, da der Platz verlassen wird und es in die schmalere Steinstraße geht. Zum anderen<br />
wird dieser Sachverhalt durch links und rechts befindliche Außenbestuhlung der Gastronomie ver-<br />
stärkt. Das vorher erfahrene Offenheitsgefühl des Raumes ist verloren gegangen und die Probanden<br />
müssen sich nun eine kleinere Bewegungsfläche mit den übrigen Passanten teilen.<br />
126
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Sektor 5 - Engelsgasse<br />
Die Engelsgasse ist relativ frei von Personenverkehr und gewerblicher Randnutzung. In diesem Be-<br />
reich ist demnach ein Begegnungsfall mit anderen Passanten selten. In den Stressreaktionen finden<br />
sich in diesem Abschnitt der Wegstrecke nur wenige Abweichungen der 3-Level-Stressreaktionen von<br />
den 2-Level-Stressreaktionen. Dies geht sicherlich mit der baulichen Situation der Fußgängerzone<br />
einher. Das Höhenniveau steigt auf der Strecke in der Engelsgasse um ca. 2m von Beginn zu Ende an.<br />
Der Steigungsgrad beträgt 4%. Dennoch wird der Anstieg insbesondere in Verbindung mit dem<br />
durchgehenden Kopfsteinpflaster als stress-auslösend Empfunden. Der Selbstbericht validiert hier<br />
wieder das emotionale Individualergebnis. Es wird festgestellt, dass sich die Probanden in der En-<br />
gelsgasse zwischenzeitlich ausruhen mussten. Vor allem die geringere Grifffestigkeit und ein ver-<br />
mehrtes Hängenbleiben an den Fugen zwischen den einzelnen Elementen des Kopfsteinpflasters<br />
führen zu einem nochmaligen Abbremsen in Verbindung mit Stress. Dennoch ist der Sektor 5 in sei-<br />
ner Gesamtheit der ruhigste Abschnitt der Wegstrecke. Hier zeigen die Probanden die geringste men-<br />
tale Belastung mit insgesamt 21 3-Level-Stressreaktionen und 28 2-Level-Stressreaktionen.<br />
Sektor 6 - Klosterstraße bis Kirche St. Martin<br />
Die Klosterstraße im Abschnitt zwischen der Kreuzung zur Engelsgasse bis hin <strong>zum</strong> Martinsplatz weist<br />
die gleichen Merkmale den Bodenbelag betreffend auf, wie der vorhergehende Sektor. Der Unter-<br />
schied liegt nun im Gefälle. Das Höhenniveau senkt sich um ca. 2m <strong>zum</strong> Martinsplatz hin ab. Da die<br />
Bedingungen dem Sektor 5 entsprechen, können die erfahrenen Stressreaktion eindeutig auf das<br />
Gefälle schließen lassen. Die Stressreaktionen sind insgesamt 50% höher als in der Engelsgasse. Mit<br />
34 3-Level- und 46 2-Level-Stressreaktionen ist dieser Sektor am drittstärksten anhand seiner menta-<br />
len Belastung vertreten (Sektor 1 ausgenommen). Durch das Gefälle spielt sich ein stetiger Vorgang<br />
des Beschleunigens und des Abbremsen ab. Besonders für Rollstuhlfahrer stellt sich dieser Sachver-<br />
halt als schwierig dar, da sie durch das Eigengewicht des Rollstuhls durch die Erdanziehungskraft<br />
automatisch stärker an Geschwindigkeit zunehmen. Dies führt unweigerlich zu Stress.<br />
Sektor 7 - Frontportal Kirche St. Martin<br />
Der Sektor 7 ist ausschließlich der Rampen- und Treppenanlage hin <strong>zum</strong> Frontportal der Kirche St.<br />
Martin gewidmet. Dieser Sektor beschreibt die einzige punktgenaue Barriere auf der gesamten Weg-<br />
strecke, welche auch als solches erfasst wird. Ausgenommen von zwei Probanden decken sich an<br />
dieser Stelle die 3-Level-Stressreaktionen mit den 2-Level-Stressreaktionen fast genau. Die Gründe<br />
liegen hierbei klar auf der Hand und werden durch die Selbstberichte der Probanden weiter validiert.<br />
Die Rampe ist aus städtebaulicher Sicht viel zu steil, um von Rollstuhlfahreren selbstständig bewältigt<br />
zu werden. Auch die Elektro-Rollstuhlfahrer kommen die Rampe nicht hoch. Maßgeblich hierzu ist die<br />
Schwerpunktveränderung der Rumpffestigkeit der Rollstuhlfahrer. Durch eine enorme Steigung ver-<br />
127
Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />
lagert sich der Schwerpunkt deutlich nach hinten, was im schlimmsten Fall zu einem Umkippen füh-<br />
ren kann. Wenn die Rampe entgegen der vorgegebenen Wegstrecke genommen wird, sprich in ei-<br />
nem Gefälle, ist eine sehr hohe Sturzgefahr durch das zu starke Gefälle gegeben. Ein Abbremsen ist<br />
hier nur noch bedingt möglich. Ein weiterer Negativaspekt ist die Auskleidung der Rampe mit Kopf-<br />
steinpflaster. Insbesondere bei schlechtem Wetter ist hier eine große Rutschgefahr gegeben. Die<br />
Rampe wurde durch diese Bedingungen nur von einem von insgesamt 14 Rollstuhlfahrern überwun-<br />
den.<br />
Die Treppenanlage vor der Kirche St. Martin dagegen ist weitgehend barrierefrei gestaltet. Eine ab-<br />
gesenkte Stufenhöhe und ein ausreichend breiter Auftritt lassen gehbehinderte Menschen diese<br />
Barriere <strong>zum</strong>indest aufwärts leicht bewältigen. Ein Handlauf ist durch ein Geländer auf einer Seite<br />
gegeben. Auf der anderen Seite fehlt jedoch der Handlauf. Dies führt ebenfalls zu einer Sturzgefahr in<br />
Abhängigkeit der Händigkeit des Betroffenen.<br />
6.1.7 Städtebauliche Optimierung<br />
Die Ergebnisse der Symbiose von Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz lassen nun eine beiderseits be-<br />
gründete, städtebauliche Optimierung zu. An dieser Stelle wird beispielhaft Sektor 7 nach Aspekten<br />
der Barrierefreiheit bestmöglich gestaltet (siehe Abbildung 39, Anhang XIV). Der Gestaltungskatalog<br />
liefert hierbei DIN-orientierte, bauliche Lösungsvorschläge. Die notwendigen Maßnahmen für alle<br />
Sektoren werden in Kapitel 6.1.8 Maßnahmenkatalog und Empfehlungen behandelt.<br />
Abbildung 39: Städtebauliche Optimierung – Sektor 7 Frontportal Kirche St. Martin. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
128
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Aufbauend auf den Ergebnissen der barrierespezifischen städtebaulichen Analyse und der diesbezüg-<br />
lichen Untermauerung der erlangten Erkenntnisse mit den Stressreaktionen gehbehinderter Men-<br />
schen, wird der sozial wichtige Bereiche <strong>zum</strong> Eingangsportal der Kirche St. Martin gestalterisch auf-<br />
gewertet. Dabei wird das traditionelle Kopfsteinpflaster durch eine barrierefreie Kopfsteinpflaste-<br />
rung mit einer Mindestbreite von 1,50m in nostalgischer Ausführung (Detail 2) an allen relevanten<br />
Zuwegungen sinnvoll ergänzt. Das verwendete Pflaster hat folgende Eigenschaften 267 :<br />
Gute Begehbarkeit<br />
Gute Befahrbarkeit<br />
Erschütterungsfreiheit<br />
Gute taktile Wahrnehmung<br />
Guter Wasserablauf<br />
Geringer Fugenabstand<br />
Ausreichende Farbkontraste<br />
Die Rampenanlage wird barrierefrei optimiert. Hierzu ist es notwendig die Länge der Rampe auf ca.<br />
sieben Meter zu verlängern, um dem Anspruch der Maximalsteigung von 6% nach DIN-Norm gerecht<br />
zu werden. Zur Bewegungsbegünstigung werden zusätzlich Handläufe in geeigneter Höhe ange-<br />
bracht.<br />
Generell reicht es nicht aus, einen Optimierungsraum nur für eine Behindertengruppe barrierefrei zu<br />
gestalten. Aus dieser Motivation heraus, werden für ein umfassendes Konzept auch barrierefreie<br />
Elemente und Vorgaben für sehbehinderte und blinde Menschen zu Rate gezogen und im Konzept<br />
verinnerlicht.<br />
Die Treppenanlage (Detail 1) wird im oberen Bereich und den Auftritten der einzelnen Treppenstufen<br />
mit gelben Kontraststreifen versehen, so dass auch sehbehinderte Menschen diese leicht wahrneh-<br />
men können (siehe Anhang IV, Ausgewählte Auszüge zur DIN 18024 Teil 1 – Treppen, Rampen, Auf-<br />
zug). Auch hier werden Handläufe <strong>zum</strong> sicheren Gehen in der vorgegebenen Höhe angebracht.<br />
Des Weiteren gilt es die Zugänglichkeit des sozialen Begegnungsraums der Kirche St. Martin auch für<br />
sehbehinderte und blinde Menschen zu gewährleisten. Deshalb werden Bodenindikatoren nach DIN<br />
32984 (siehe Kapitel 2.4.3.2 DIN 32984 „Bodenindikatoren im öffentlichen Raum“) installiert. Dabei<br />
wird sich an der Wegeleitung für Rollstuhlfahrer (barrierefreies Kopfsteinpflaster) orientiert und die-<br />
se mit Leitstreifen versehen, welche sich visuell, taktil sowie akustisch vom umgebenden Bodenbelag<br />
abgrenzen. Zusätzlich wird an jeder Wegekreuzung und –Abknickung sowie zu Beginn und Ende der<br />
Rampe ein Aufmerksamkeitsfeld in den Bodenbelag eingelassen, welches auf eine Veränderung der<br />
Laufrichtung sowie des Höhenniveaus hinweist.<br />
Zuletzt werden barrierefreie Sitzbänke (Detail 3) errichtet, die in der Aufständerung abgerundete<br />
Kanten nach vorne aufweisen, um die Verletzungsgefahr für behinderte Menschen zu reduzieren.<br />
267 Internetauftritt von RINN-Betonbaustein, aufgerufen unter:<br />
www.rinn.net/index.php?action=download&file=./mediafactory/download/ag003pflaster.pdf, S. 8, abgerufen am:<br />
15.10.2010.<br />
129
Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />
6.1.8 Maßnahmenkatalog und Empfehlungen<br />
Der Maßnahmenkatalog ist der Aufgabe dienlich, alle Sektoren auf notwendige Maßnahmen zur Ge-<br />
währleistung der Barrierefreiheit nach DIN-Normen entsprechend zu verifizieren. Hierbei werden<br />
sektorspezifische Empfehlungen ausgegeben, die den Anspruch der Barrierefreiheit verwirklichen<br />
sollen.<br />
Sektor 1 – Westfront Stiftskirche<br />
Bodenbelag-Korridor mit nostalgischer, barrierefreier Kopfsteinpflasterung auf den Haupt-<br />
wege-Verbindungen<br />
Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen einrichten (inklusive Aufmerksam-<br />
keitsfelder)<br />
Sektor 2 – Oberer Bereich der Marktstraße bis Ampel-Querungsanlage Spittelstraße<br />
Bodenbelag-Korridor mit nostalgischer, barrierefreier Kopfsteinpflasterung auf den Haupt-<br />
wege-Verbindungen<br />
Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen einrichten (inklusive Aufmerksam-<br />
keitsfelder)<br />
Ebene Bodenoberfläche schaffen<br />
Sektor 3 - Ampel-Querungsanlage Spittelstraße<br />
Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen (inklusive Aufmerksamkeitsfelder)<br />
Dauer der Ampelschaltung barrierefrei gestalten<br />
Sektor 4 - Martinsplatz – Steinstraße (bis Kreuzung Engelsgasse)<br />
Bodenbelag-Korridor mit nostalgischer, barrierefreier Kopfsteinpflasterung auf den Haupt-<br />
wege-Verbindungen<br />
Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen einrichten (inklusive Aufmerksam-<br />
keitsfelder)<br />
Sektor 5 - Engelsgasse<br />
Bodenbelag-Korridor mit nostalgischer, barrierefreier Kopfsteinpflasterung auf den Haupt-<br />
wege-Verbindungen<br />
Im Streckenbereich ebene Zwischenfelder zur Geh- oder Fahrerholung einrichten<br />
Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen einrichten (inklusive Aufmerksam-<br />
keitsfelder)<br />
Sektor 6 - Klosterstraße bis Kirche St. Martin<br />
Bodenbelag-Korridor mit nostalgischer, barrierefreier Kopfsteinpflasterung auf den Haupt-<br />
wege-Verbindungen<br />
130
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
131<br />
Im Streckenbereich ebene Zwischenfelder zur Geh- oder Fahrerholung einrichten<br />
Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen einrichten (inklusive Aufmerksam-<br />
keitsfelder)<br />
Sektor 7 - Frontportal Kirche St. Martin<br />
Bodenbelag-Korridor mit nostalgischer, barrierefreier Kopfsteinpflasterung auf den Haupt-<br />
wege-Verbindungen<br />
Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen einrichten (inklusive Aufmerksam-<br />
keitsfelder)<br />
Rampenanlage auf sieben Meter verlängern (Steigungsgrad 6%) und beidseitig mit Handläu-<br />
fen versehen<br />
Treppenanlage zu beiden Seiten mit Handläufe ausstatten und gelbe Kontraststreifen an<br />
Treppenoberkante und –Auftritt versehen<br />
Barrierefreie Sitzbänke zur zwischenzeitlichen Erholung aufstellen<br />
6.2 Zwischenfazit<br />
Die erste Erprobung des EmBaGIS ist in seinem ganzheitlichen Ansatz mehr als zufriedenstellend. Die<br />
Ergebnisse der 3- und 2–Level-Analyse innerhalb empirischen Teilkomponente decken sich zu einem<br />
mit den Selbstberichten der Betroffenen, <strong>zum</strong> anderen mit den Ergebnissen der barrierespezifischen<br />
städtebaulichen Analyse nach DIN-Normen. Das psychophysiologische Monitoring hat sich somit als<br />
geeignet herausgestellt, unauffällig affektive Moment-zu-Moment-Emotionen ohne äußere Beein-<br />
flussung aufzuzeichnen.<br />
Es kann in diesem Zusammenhang von einer klaren Argumentationsunterstützung für Optimie-<br />
rungsmaßnahmen zur Barrierefreiheit gesprochen werden. Ziel dieser ersten EmBaGIS-Studie ist ne-<br />
ben der konkreten Anwendung des Instrumentenansatzes und der breiten theoretischen Fundierung,<br />
auch die Erarbeitung qualitätsbezogener Lösungsansätze für den gegebenen Untersuchungsraum.<br />
Damit wird die Arbeit nicht nur der Durchführung einer empirischen Studie gerecht, sondern auch<br />
dem planerisch handwerklichen Anspruch der konsequenten Verknüpfung von Top-Down- und<br />
Bottom-Up-Ansatz hin zu einem greifbaren Konzept für Sektor 7 und einem Maßnahmenkatalog für<br />
alle Sektoren. Die Arbeit steht zudem in der Verantwortung für die beteiligten Kooperationspartner<br />
Resultate zu liefern. Dies ist für die Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> und den Arbeitskreis ‚Barrierefreie Stadt<br />
<strong>Kaiserslautern</strong>‘ durch den vollendeten Maßnahmenkatalog und, <strong>zum</strong>indest für Sektor 7, in einem<br />
umfassenden Konzept gelungen. Die Probanden profitieren durch erarbeitete Einzelprofile in Form<br />
individueller Erkenntnisse zur persönlichen Raumerfahrung und mentalen Belastung in der Fußgän-<br />
gerzone von <strong>Kaiserslautern</strong>.
Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />
Methodisch sind insbesondere in der Empirik noch diverse Fehlerquellen, Optimierungs- und zukünf-<br />
tige Handlungsbedarfe bei der Bearbeitung aufgefallen. Diese Aspekte sowie das große Potenzial,<br />
bestätigt durch die erfolgreiche Erprobung, werden im folgenden Kapitel im Detail ausgeführt.<br />
132
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Kapitel 7<br />
Perspektiven zur<br />
Weiterentwicklung des<br />
Instruments EmBaGIS<br />
7.1 Perspektiven und Chancen als integratives Planungsintrument Seite 133<br />
7.2 Opensource-Technologien als logische Ergänzung Seite 136<br />
7.3 Übertragbarkeit des Instrumentenansatzes des EmBaGIS auf andere<br />
planerische Untersuchungsgegenstände Seite 140
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS Kapitel 7<br />
Kapitel 7 – Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS<br />
Die erste Erprobung des EmBaGIS in einer umfassenden Studie zur Erfassung der mentalen Belastung<br />
sowie der konkreten Identifikation stadträumlicher Barrieren hat durchaus das enorme Potenzial des<br />
Instrumentes aufzeigen können. Es hat sich nicht nur gezeigt, dass die Ergebnisse valide sind, son-<br />
dern auch wie sie entscheidungsunterstützend auf barrierespezifische Planungsprozesse einwirken<br />
können. Jedoch haben sich auch Fehlerquellen, Optimierungsbedarfe und weitere Handlungserfor-<br />
dernisse, die zukünftig bewältigt werden müssen, herauskristallisiert. Diese Kapitel gibt Einblick über<br />
zukünftige Perspektiven und Chancen des EmBaGIS als integratives Planungsinstrument, behandelt<br />
aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem bisher Erreichten und definiert weitere Opti-<br />
mierungs- und Handlungserfordernisse. Desweiteren wird diskutiert werden, wie die Systematik des<br />
EmBaGIS auch auf andere Bereiche mit planerischem Kontext übertragen werden kann.<br />
7.1 Perspektiven und Chancen als integratives Planungsinstrument<br />
Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der aktuellen Behindertenpolitik kann das<br />
Instrument EmBaGIS einen hohen Stellenwert in zukünftigen Planungen zur barrierefreien Stadt ein-<br />
nehmen. Das EmBaGIS weist ist seinem Umgriff von Bottom-Up- und Top-Down-Ansatz, mit spezifi-<br />
schen Inhalten zur Ermittlung von Stressreaktionen Betroffener in Zusammenhang mit stadträumli-<br />
chen Barrieren, eine bisher nicht dagewesene Symbiose von Altbewährtem und neuen Technologien<br />
in der Stadtplanung auf. So werden folgernd zunächst positive Aspekte des EmBaGIS aufgefasst und<br />
erläutert.<br />
7.1.1 EmBaGIS als integratives, informelles Planungsinstrument<br />
Das Instrument des EmBaGIS hat sich zur Aufgabe gemacht, neben dem klassisch planerischen Top-<br />
Down-Ansatz, valide und objektive personenbezogene Daten zur mentalen Belastung (Stress) in der<br />
Stadt für die Stadtplanung zu liefern.<br />
Es bietet insgesamt einen integrativen Ansatz zur konkreten Verbesserung der Lebensqualität. Das<br />
EmBaGIS als informelles Planungsinstrument weist zudem Charakteristika eines Monitoringssystems<br />
auf. Diesem Aspekt wird durch die unmittelbare systematische Erfassung und Beobachtung der men-<br />
talen Belastung Betroffener mit Hilfe der Methode des psychophysiologischen Monitorings in der<br />
empirischen Studie Rechnung getragen. Die technische Unterstützung leistet hierbei das Smartband<br />
mit gekoppelten Positionsdaten durch den GPS-Logger. Das EmBaGIS kann zudem als<br />
Controllinginstrument zur Überprüfung barrierefreier Bautätigkeiten angewandt werden.<br />
133
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Desweiteren bietet sich das EmBaGIS zur Integration in bauleitplanerische Prozesse an. Die Bauleit-<br />
planung verfolgt das Ziel die Nachhaltigkeit durch städtebauliche Ordnung zu fördern. Im Rahmen<br />
beispielsweise städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen kann das EmBaGIS bezüglich der Barrieref-<br />
reiheit eine enorme Planungssicherheit durch den Vorschlag barrierefreier Konzepte in der Planungs-<br />
vorbereitung schaffen. Dem schließen sich auch die umfassenden Einsatzgebiete des GIS-Aspektes in<br />
der Stadtentwicklungsplanung an. Durch das EmBaGIS kann zukünftig konzeptionelles, analytisches<br />
und damit verbunden empirisches Arbeiten zur Planungsvorbereitung sowie -Durchführung und Ent-<br />
scheidungsfindung auf Basis der Implementierung in eine Geoinformationssystems-Software statt-<br />
finden.<br />
Durch die konkrete Einbindung betroffener Menschen erfolgt eine verstärkte Planungspartizipation.<br />
Eine konzentrierte Öffentlichkeitsarbeit trägt zur Schaffung von Identifikation sowie von Eigen- und<br />
Fremdimage bei.<br />
Das EmBaGIS liefert demnach viele Perspektiven und Chancen als informelles Planungsinstrument<br />
Einzug in die Stadtentwicklung und Stadtplanung zu finden. Die Grundbausteine dieser möglichen<br />
Entwicklungen wurden bereits durch eine breite theoretische Fundierung in der Stadtplanung, der<br />
Lebensqualitäts- sowie Emotionsforschung gelegt. Durch eine erste praktische Erprobung wurden<br />
auch konkrete Zusammenhänge der verwendeten Instrumentenkomponenten und Methodenansätze<br />
gebildet. Um das Instrument EmBaGIS weiter zu etablieren, muss jedoch die Bedingung erfüllt wer-<br />
den, das Instrument konzentriert weiter zu entwickeln und später genannte Fehlerquellen und Opti-<br />
mierungsbedarfe engagiert anzugehen.<br />
7.1.2 Opensource-Technologien als logische Ergänzung<br />
Neue Technologien finden auch in Form von Opensource-Technologien im Internet statt.<br />
‚Opensource‘ - das bedeutet in diesem Kontext eine offene Plattform, welche es ermöglicht soziale<br />
Metadaten von Jedermann für Jedermann nutzbar zu machen. Der zukünftige Trend geht hin zu der<br />
Datenproduktion und deren Visualisierung auf offenen Benutzerplattformen. Ein durchaus denkbarer<br />
Ansatz wäre beispielsweise auf Grundlage einer solchen Opensource-Plattform Daten zu personen-<br />
bezogenen Stressreaktionen in Verbindung mit stadträumlichen Barrieren abzurufen. Dazu müssten<br />
betroffene mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen mit Hilfe ihres Smartphones im Mo-<br />
ment des Stresserlebnisses diese Information auf eine betreffende Opensource-Plattform hochladen.<br />
Die Georeferenzierung dieser Stresspunkte erfolgt in diesem Zusammenhang automatisch. So ist es<br />
möglich, Betroffenen die Möglichkeit zu bieten, ihre Erfahrungswerte über das Internet auszutau-<br />
schen und erste Indizien auf eine mangelnde Barrierefreiheit zu liefern. Dies kann nach Überschrei-<br />
134
Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS Kapitel 7<br />
ten einer kritischen Masse an affektiven Selbstberichten als Planungsanlass für zukünftige EmBaGIS-<br />
Studien dienen.<br />
Eine dieser möglichen Plattformen ist das aktuelle Projekt ‚ALOE‘, welches es unter anderem ermög-<br />
licht, Nutzern von Smartphones ihre personenbezogene Daten freiwillig einer weiteren Verwendung<br />
zur Verfügung zu stellen und mit entsprechenden Kommentaren zu versehen. Die Plattform ‚ALOE‘<br />
kombiniert hierzu logisch traditionelle Herangehensweisen, um Ressourcen, wie beispielsweise Geo-<br />
informationen, mit nutzergenerierten Inhalten zu verknüpfen. 268<br />
Es stellt sich zu Recht die Frage, ob diese neuen Opensource-Ansätze nicht sehr manipulationsanfällig<br />
sind, da die Glaubwürdigkeit der hochgeladenen Daten nicht unmittelbar prüfbar ist. Die Datengene-<br />
rierung durch das Internet sowie deren Verarbeitung in planerischen Prozessen stellt bisweilen prob-<br />
lematisch dar. Eine absolut zuverlässige Aussagekraft dieser Daten als Argumentationsbasis <strong>zum</strong> An-<br />
trieb eines Planungsprozesses, auch im Kontext des EmBaGIS, ist aufgrund der nichtkontrollierten<br />
und manipulationsfähigen Datenbeschaffung <strong>zum</strong>indest zu diskutieren. Dennoch steckt in<br />
Opensource-Technologien ein sehr hohes Informationspotenzial, welches unter entsprechenden<br />
Voraussetzungen nur abgerufen und ausgewertet werden muss. Die Zukunft der einfachen Datenbe-<br />
schaffung liegt sicherlich auch in der sinnvollen Nutzung dieser Plattformen.<br />
Dem schließt sich auch sinngemäß das derzeitige Projekt ‚NextHamburg‘ an, welches sich „mit (mobi-<br />
len) Partizipationsmöglichkeiten in der Stadtplanung auseinander[setzt], und zwar unter dem Motto<br />
Beteiligung „on demand”. Die Vorstellung der Projektmitarbeiter ist, dass in Zukunft die Bürger einer<br />
Stadt jederzeit (via Handy) äußern können, was sie über ihre Stadt denken.“ 269 Die Äußerung der<br />
Bürger erfolgt via Applikation auf dem Smartphone zur Verortung der momentanen Position. Hier-<br />
durch können durch Text und Bild eigene Gedanken festgehalten und georeferenziert in eine Daten-<br />
bank hochgeladen werden. 270 Das App kann logischerweise auch dazu genutzt werden, affektive<br />
Momentan-Emotionen in Verbindung mit einer bestimmten Örtlichkeit datentechnisch zur Verfü-<br />
gung zu stellen.<br />
7.1.3 Übertragbarkeit des Instrumentenansatzes des EmBaGIS auf andere planerische<br />
Untersuchungsgegenstände<br />
Der Vorteil der Systematik des EmBaGIS ist es, dass der Planungsgegenstand sowie die Zielgruppe<br />
durch wenig inhaltlichen Änderungsaufwand beliebig austauschbar sind. Der generelle Instrumen-<br />
tenaufbau allgemein und speziell das methodische Phasenmodell, die grundsätzliche Layerstruktur<br />
268 Vgl. Internetauftritt des Projekts ‚ALOE‘, aufgerufen unter: http://aloe-project.de/idea.html, abgerufen am 12.10.2010.<br />
269 Internetauftritt von twittwoch.de <strong>zum</strong> deutschen Social Media Preis 2010, aufgerufen unter:<br />
http://socialmediapreis.twittwoch.de/next-hamburg/, abgerufen am 12.10.2010.<br />
270 Vgl. Internetauftritt des Projeks ‚NextHamburg‘, aufgerufen unter:<br />
http://www.nexthamburg.de/mobile.php?artikelid=2848, abgerufen am 12.10.2010.<br />
135
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
zur Implementierung in eine GIS-Software sowie die empirische 3-Level-Analyse können in ihrer<br />
Grundstruktur erhalten bleiben. Lediglich die themenbezogene theoretische Fundierung müsste ge-<br />
genstandsabhängig neu erarbeitet werden.<br />
Das Novum und gleichzeitig die Schlüsselposition nimmt die Methode des psychophysiologischen<br />
Monitorings als Bottom-Up-Ansatz zur Klärung emotionsbezogener stadtplanerischer Fragestellun-<br />
gen ein. Nicht nur die Messung von Stress ist durch diese Methode möglich, sondern gleichwohl jede<br />
Emotion, unabhängig ob dies Freude, Ärger, Angst etc. ist. Dies eröffnet enorme Potenziale zur Über-<br />
tragbarkeit in weitere planerische Untersuchungsgegenstände.<br />
Im Folgenden werden mögliche weitere Einsatzfelder der Instrumentensystematik des EmBaGIS kurz<br />
und plakativ aufgeführt:<br />
136<br />
Im Bereich der Verkehrsplanung zur Erfassung von Stresssituationen im Straßenverkehr von<br />
motorisierten und nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmern.<br />
Im Bereich der Freiraumplanung zur Messung der emotionalen Wahrnehmung von Frei- und<br />
Erholungsbereichen im Gegensatz zur vollversiegelten Stadtlandschaft. Hierdurch können<br />
Fragen der Landschaftsästhetik in neuem Licht bewertet werden.<br />
Im Bereich der Stadtplanung zur Feststellung von Angsträumen und deren Wirkungen auf das<br />
Individuum.<br />
Im Bereich von Einzelhandelsuntersuchungen <strong>zum</strong> Informationsgewinn über die Attraktivität<br />
von Schaufenstern und Innenbereichen von Geschäften.<br />
7.2 Kritische Auseinandersetzung und weitere Handlungserfordernisse<br />
Die folgenden Erkenntnisse haben einen sehr hohen Stellenwert und eine bedeutende Gewichtung in<br />
der Beurteilung des EmBaGIS. Nur eine äußerst kritische Auseinandersetzung und ein erkannter Op-<br />
timierungsbedarf sowie weitere Handlungserfordernisse tragen zu einem nicht unwesentlichen Zu-<br />
wachs an Glaubwürdigkeit der gewonnenen Ergebnisse im Speziellen sowie der Instrumentenent-<br />
wicklung im Allgemeinen bei.<br />
Aus diesem Grund können erkannte Fehlerquellen sowie Optimierungs- und Handlungsbedarfe nur<br />
als Gewinn der ersten Erprobung des EmBaGIS konstatiert werden. Generell stellen diese Folgerun-<br />
gen das Instrument in seiner theoretischen Fundierung und planerischen sowie technischen Ausfüh-<br />
rung nicht Frage, sondern leisten einen wichtigen Beitrag zur zukünftigen Weiterentwicklung des<br />
EmBaGIS.
Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS Kapitel 7<br />
Fehlerquellen<br />
Eine bedeutende Fehlerquelle ist die starke Abweichung der GPS-Daten von der Realsituation. Zuwei-<br />
len sind insbesondere im Übergang von einem offenen Raum in eine Straßenschlucht Abweichungen<br />
von bis zu 20m festzustellen (siehe Abbildung 40).<br />
Abbildung 40: Stark abweichende GPS-Daten von der Realsituation. Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von GPS-<br />
Visualizer und Google Earth.<br />
Somit ist mit den verwendeten Geräten nur eine barrierespezifische Sektoreneinteilung möglich ge-<br />
wesen, welche durch die Bildung eines Puffers um die aufgezeichneten Positionsdaten erfolgt ist. Die<br />
gebildeten städtebaulichen Barrieresektoren ließen sich glücklicherweise durch Richtungsänderun-<br />
gen am Ende der jeweiligen Sektoren auch in den GPS-Daten klar voneinander abgrenzen. Nur<br />
punktgenaue Aussagen innerhalb der Sektoren können durch diese Fehlerquelle nicht getroffen wer-<br />
den (Ausnahme Sektor 7).<br />
Um jedoch das EmBaGIS auch für andere Behindertengruppen, wie beispielsweise blinde Menschen,<br />
zu etablieren, ist eine punktgenaue Verortung der Stressreaktionen von großer Wichtigkeit. Die Ziel-<br />
gruppe der gehbehinderten Menschen begünstigt zwar eine flächenhafte Einteilung der Stressreakti-<br />
onen, aufbauend auf der städtebaulichen Analyse nach Barrieresektoren, jedoch besteht für eine<br />
137
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
schärfere und punktgenaue Identifizierung stadträumlicher Barrieren die Notwendigkeit, geeignete<br />
GPS-Daten zu erhalten. Hierdurch kann noch genauer abgegrenzt werden, welcher Teil des Kopf-<br />
steinpflaster oder welcher Gullydeckel stress-auslösend ist. Die Erfahrungen der Vorstudie zur Erfas-<br />
sung der mentalen Belastung von blinden Menschen haben gezeigt, dass in deren Falle eine flächen-<br />
hafte Aufnahme von Barrieren nicht zielführend ist. Hier sind insbesondere punktgenaue Barrieren,<br />
wie bestimmte Werbeaufsteller oder andere Hindernisse, auf die ein blinder Mensch treffen kann, zu<br />
erfassen. Dies kann aber problemlos durch neuere und empfangsstärkere GPS-Geräte mit geringeren<br />
Ortungsabweichungen gelöst werden.<br />
Eine weitere Fehlerquelle ist das Nicht-Erkennen von Stressreaktionen, die durch externe Einflüsse,<br />
wie beispielsweise das Registrieren eines unangenehmen Anrufs auf dem Mobiltelefon, bedingt sind.<br />
Rein durch die kinetische und physiologische Datenanalyse können diese besonderen Stressreaktio-<br />
nen nicht von anderen Stressreaktionen unterschieden werden. Erwähnenswert ist in diesem Kon-<br />
text die bisher nicht-mögliche Erfassung der Körperorientierung und Blickrichtung, welche sich nur<br />
annähernd durch die Gehrichtung bestimmen lässt, aber nicht im Moment des Stehenbleibens er-<br />
kannt werden kann. So könnten beispielsweise spielende Kinder als externer Stressauslöser aus der<br />
barrierebezogenen Datenanalyse ausgeschlossen werden. Es ist anzunehmen, dass diese bestimmten<br />
Stressreaktionen jedoch nur selten vorkommen und durch die Gesamtzahl der Stressreaktionen aller<br />
Probanden generell bereinigt werden.<br />
Stressreaktionen durch externe Einflüsse, welche nicht mit einer stadträumlichen Barriere zusam-<br />
menhängen, können durch Verwendung einer unauffälligen Kamera, welche beispielsweise umge-<br />
hängt werden kann, endgültig eliminiert werden.<br />
Optimierungsbedarfe<br />
Optimierungsbedarfe bestehen insbesondere in der empirischen Teilkomponente des EmBaGIS. Zur<br />
Erleichterung der notwendigen Analysevorgänge fällt hierunter zunächst die Verbesserung der tech-<br />
nischen Einheiten zur Messung der mentalen Belastung bei gleichzeitiger Verortung.<br />
Die Smartbänder müssen mit den GPS-Geräten zeitlich synchronisiert werden, um die sekundenge-<br />
naue Überlagerung einfacher deckungsgleich vollziehen zu können. Durch das Markern mit Hilfe des<br />
GPS-Geräts bei Beginn sowie Ende der Wegstrecke und dem Erkennen des Anstiegs der physiologi-<br />
schen Werte bei Anlegen des Smartbandes können die Daten nahezu deckungsgleich angepasst wer-<br />
den. Damit sind eventuell auftretende Abweichungen weitesgehend minimiert. Hier besteht noch<br />
technischer Handlungsbedarf.<br />
138
Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS Kapitel 7<br />
Ein weiteres Optimierungsthema ist die grundsätzliche Automatisierung der empirischen Analysevor-<br />
gänge, sprich der 3- und 2-Level-Analyse durch geeignete Algorithmen zur statistischen Auswertung<br />
der Abfragebedingungen.<br />
Zur weiteren Validierung der Daten wird zudem empfohlen eine Kontrollgruppe mit nicht-<br />
behinderten Menschen in die empirische Studie einführen, um die Ergebnisse noch nachvollziehbarer<br />
zu gestalten.<br />
Weitere Handlungserfordernisse<br />
In der ersten Erprobung der EmBaGIS-Studie zur mentalen Belastung mobilitätseingeschränkter und<br />
gehbehinderter Menschen im innerstädtischen Lebensraum erfolgte noch keine Implementierung in<br />
eine GIS-Software gemäß des phasenorientierten Layeraufbaus des EmBaGIS (siehe Kapitel 5.3.2<br />
Grundlegende Struktur des EmBaGIS). Im Rahmen der Arbeit war dieser weiterführende Schritt auf-<br />
grund des vorgegebenen Zeitbudgets nicht möglich. Für die vielseitigen Analyse- und Visualisierungs-<br />
potenziale ist dies unmittelbar anzugehen. Hierbei kann das idealisierte Ziel definiert werden, ein<br />
möglichst zusammenhängendes, flächendeckendes emotionales Barriere-GIS für Innenstadträume zu<br />
erstellen.<br />
Die vorliegende EmBaGIS-Studie liefert bereits wichtige Indizien zur Erfassung der mentalen Belas-<br />
tung, welche durch stadträumliche Barrieren ausgelöst wird. Jedoch ist die Studie durch die geringe<br />
Anzahl der Probanden nicht repräsentativ. Es ist unbedingt ratsam, einen größeren Probandenstamm<br />
zu akquirieren, um eine repräsentative, aussagekräftige barriere- und stressbezogene Raumbeobach-<br />
tung zu erreichen.<br />
Weiterhin ist die Diskussion zu führen, was die einzelnen Stressreaktionen in der Gesamtaggregation<br />
in ihrer Anzahl aussagen. Es kann nicht die quantitative Aussage getroffen werden, dass der Sektor<br />
mit den meisten Stressreaktionen automatisch der barrierebehafteste Sektor ist, da die Sektoren<br />
unterschiedlich lang sind. Vielmehr gibt eine hohe Anzahl von Stressreaktionen ein Indiz für eine flä-<br />
chenbedingt wiederkehrende Barriere. Die Ergebnisse sind immer im Kontext der tatsächlichen Bar-<br />
riere zu sehen. Deshalb ist ein qualitativer Analysevorgang, so wie er in der EmBaGIS-Studie in Ver-<br />
bindung mit der gleichzeitigen Verortung vorgenommen wurde, der richtige Ansatz zur Bewertung<br />
der einzelnen Sektoren. Das Ziel einer barrierespezifischen städtebaulichen Optimierung muss daher<br />
die konkrete Reduzierung oder gar die Eliminierung der Stressreaktionen bezogen auf die jeweilige<br />
Barriere sein.<br />
Ein weiterer zukünftiger Untersuchungsgegenstand kann die zusätzliche Analyse von<br />
Wohlfühlbereichen innerhalb einer EmBaGIS-Studie sein, um <strong>zum</strong> einen das Gefühl für das örtliche<br />
139
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
und inhaltliche Verhältnis von Stress und Erholung zu bekommen und um <strong>zum</strong> anderen eine höhere<br />
Validität der Daten durch den empirischen und städtebaulichen Vergleich zwischen Stress- sowie<br />
Wohlfühlbereichen zu erlangen. Hieraus kann ein neuer Bewertungsansatz für das EmBaGIS entwi-<br />
ckelt werden, der es ermöglicht betreffende DIN-Normen auch mit Wohlfühlbereichen abzugleichen<br />
und hierdurch ihre Wertigkeit weiter überprüfen zu können. Des Weiteren können auch diese Berei-<br />
che konkret, frei nach dem Motto ‚Stärken stärken‘, weiter ausgebaut werden.<br />
7.3 Zwischenfazit<br />
Das Kapitel zur Darlegung der Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS sowie die kritische<br />
Auseinandersetzung mit dem Instrument zeigen, dass enormes Potenzial durch die aktive Beteiligung<br />
Betroffener sowie die logische Verschneidung von Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz als Planungs-<br />
basis und Konzepterarbeitung freigemacht werden kann. Die vielfältig möglichen Einsatzgebiete<br />
sprechen weiter für die konzentrierte Weiterentwicklung und Studienerprobung des EmBaGIS.<br />
Das EmBaGIS steckt allerdings noch in seinen „Kinderschuhen“. Fehlerquellen waren somit in der<br />
ersten Erprobung zu erwarten, aber auch nicht zwangsläufig unerwünscht. Die erkannten Fehlerquel-<br />
len stellen das Instrument in seiner breiten theoretischen Fundierung keineswegs in Frage, sondern<br />
bereichern das Instrument für eine zukünftige Schaffung noch validerer Daten. Die genannten Opti-<br />
mierungs- und Handlungsbedarfe knüpfen nahtlos an diesen Sachverhalt an.<br />
Zusätzlich werden weitere Planungsgegenstände genannt, auf welche der flexible Instrumentenan-<br />
satz des EmBaGIS übertragen werden kann. Dies ist in erster Linie dem psychophysiologischen Moni-<br />
toring als Messmethode autonom physiologischer Individualemotionen zu verdanken, welche auch<br />
problemlos <strong>zum</strong> Inhalt anderer Planungsgegenstände, die eine Verbindung zu einer empirischen<br />
Komponente beinhalten, überantwortet werden können.<br />
Generell kann an dieser Stelle von einer insgesamt erfolgreichen Erprobung des EmBaGIS gesprochen<br />
werden. Nach Bereinigen der Fehlerquellen sowie der Verinnerlichung und Fortschreibung der Opti-<br />
mierungs- und Handlungsbedarfe steht bereits zu diesem Zeitpunkt einem Einsatz in der informellen<br />
Planung nichts im Wege.<br />
140
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Kapitel 8<br />
Abschließende Gesamtbetrachtung
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Abschließende Gesamtbetrachtung Kapitel 8<br />
Kapitel 8 – Abschließende Gesamtbetrachtung<br />
In dieser abschließenden Gesamtbetrachtung soll die Arbeit hinsichtlich der ursprünglichen Zielset-<br />
zung, ein innovatives, umfassendes Instrument zur Identifikation und Optimierung stadträumlicher<br />
Barrieren in einer Mischung von Top-Down- und Bottom-Ansatz zu entwickeln, retrospektiv bewertet<br />
werden. Zudem stehen die zu Beginn formulierten Leitthesen zur Diskussion.<br />
Zielsetzung<br />
Die systematische, zielorientierte Aufarbeitung verschiedenster theoretischer Themengebiete hat zu<br />
der Entwicklung des Instruments EmBaGIS geführt, das insbesondere durch seinen interdisziplinären<br />
Charakter neue und innovative Vorgehensweisen zur Verwirklichung der Zielsetzung liefert. Die kon-<br />
krete Umsetzung des EmBaGIS in einer eigens initiierten Studie zur innerstädtischen Raumerfahrung<br />
und mentalen Belastung gehbehinderter Menschen hat bewiesen, dass das EmBaGIS auch in der<br />
Praxis umsetzbar ist. Jedoch hat die praktische Umsetzung auch gezeigt, dass das EmBaGIS am An-<br />
fang einer neuen stadtplanerischen und technischen Entwicklung steht. Zu diesem Zeitpunkt ist be-<br />
reits feststellbar, dass auch mit wenigen Probanden Indizien auf objektive und valide Daten der<br />
Stadtplanung zur Verfügung gestellt werden können. Dies bestätigt die Gegenüberstellung der erfah-<br />
renen Stressreaktionen der Probanden mit der barrierespezifischen städtebaulichen Analyse nach<br />
DIN-Normen.<br />
Durch die Arbeit werden auch die enormen Potenziale und Chancen zu einer wirksamen Verbesse-<br />
rung der Barrierefreiheit und somit auch der Lebensqualität durch die Anwendung und Berücksichti-<br />
gung des EmBaGIS in Planungsprozessen aufgezeigt. Zudem verfolgt das EmBaGIS auch einen<br />
parizipativen Ansatz, indem betroffene Menschen durch das Instrument aktiv in Planungsprozesse<br />
einbezogen werden. Dies schafft <strong>zum</strong> einen ein Identifikationsgefühl der Betroffenen mit ihrem<br />
Stadtraum, <strong>zum</strong> anderen sind auch Effekte für das Eigenimage der jeweiligen Stadt durchaus vor-<br />
stellbar.<br />
Im Laufe der Arbeit hat sich, neben der Instrumentenentwicklung, auch die Zielsetzung entwickelt,<br />
für die Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> sowie die Kooperationspartner und teilnehmenden Probanden konkrete<br />
Handlungsempfehlungen in Form einer städtebaulichen Optimierung und Formulierung eines Maß-<br />
nahmenkataloges zu produzieren. Zusätzlich profitieren die teilnehmenden Probanden von Einzel-<br />
profilen zu ihren individuellen Stressreaktionen im festgelegten Untersuchungsraum.<br />
141
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Leitthesen<br />
Abschließend werden folglich die zu Beginn der Arbeit formulierten Leitthesen nochmals aufgegriffen<br />
und bewertet:<br />
1. Es wird bewiesen, dass das psychophysiologische Monitoring die am besten geeignetste Me-<br />
142<br />
thode ist, innerstädtische Raumerfahrung zu messen und valide sowie objektive Daten für die<br />
Stadtplanung zu liefern.<br />
Durch eine breite theoretische Analyse wurde bewiesen, dass die klassischen Instrumente der sub-<br />
jektiven Lebensqualitätsforschung keine geeignete Methode zur Messung der innerstädtischen<br />
Raumerfahrung und mentalen Belastung im Kontext behinderter Menschen liefern. Die subjektive<br />
Lebensqualitätsforschung hat aber Indizien aufgezeigt, dass die Emotionsforschung die richtige Me-<br />
thode darbieten kann. Nur das psychophysiologische Monitoring als Messmethode der autonomen<br />
Physiologie des Körpers kann unauffällig Moment-zu-Moment-Emotionen aufzeichnen und in Ver-<br />
bindung mit der GPS-Verortung valide und objektive Individualdaten für die Stadtplanung zur Verfü-<br />
gung stellen.<br />
2. Das psychophysiologische Monitoring identifiziert punktgenau und in ihrer Stärke variierende<br />
Barrieren im innerstädtischen Lebensraum und liefert konkrete Handlungsbedarfe für die<br />
Stadtplanung.<br />
Die praktische Erprobung des EmBaGIS hat ergeben, dass mit genaueren GPS-Geräten bei sekunden-<br />
genauer Überlagerung mit den Smartband-Daten, als technisches Aufzeichnungsgerät der autono-<br />
men Physiologie des Organismus, eine punktgenaue Identifikation stadträumlicher Barrieren durch-<br />
aus möglich ist. Ein Festhalten der Stärke der jeweiligen Barriere wurde in der Erprobung allerdings<br />
noch nicht versucht. Hier besteht noch weiterer Forschungsbedarf. Jedoch ist zu diskutieren, ob nicht<br />
das generelle Auftreten einer Stressreaktion bereits ausreicht, um eine objektive Bewertung einer<br />
Barriere zu vollziehen.<br />
3. Das psychophysiologische Monitoring kann als integrative Bottom-Up-Methode innerhalb der<br />
informellen Bürgerbeteiligung erfolgreich angewandt werden.<br />
Betrachtet man nur die empirische Teilkomponente, so kann das psychophysiologische Monitoring<br />
durchaus als Bottom-Up-Methode in der informellen Bürgerbeteiligung eingesetzt werden. Jedoch<br />
muss an dieser Stelle einen Schritt weiter gedacht werden. Wenn nur das psychophysiologische Mo-<br />
nitoring verwendet werden sollte, muss trotzallem parallel eine informelle Planung betrieben wer-<br />
den, um die gewonnenen Daten auch dementsprechend zu verarbeiten. Zu diesem Zweck ist das<br />
umfassende Instrument EmBaGIS entwickelt worden, welches ganzheitlich die Ansprüche an ein in-
Abschließende Gesamtbetrachtung Kapitel 8<br />
formelles Planungsinstrument erfüllt. Das EmBaGIS bringt das psychophysiologische Monitoring in<br />
einer empirischen 3-Level-Analyse in einen konkreten Raumbezug und liefert gar einen weiteren<br />
Indikator zur Identifikation stadträumlicher Barrieren; nämlich die kinetischen Individualdaten der<br />
Betroffenen. Desweiteren wird der klassisch planerische Top-Down-Ansatz mittels einer<br />
barrierespezifischen städtebaulichen Analyse in konkreten Zusammenhang zu den gemessenen indi-<br />
viduellen Stressreaktionen verwirklicht.<br />
4. Das letztendlich entwickelte Instrument des EmBaGIS umfasst alle planerischen und empiri-<br />
schen Aspekte zur konkreten Erfassung stadträumlicher Barrieren.<br />
Wie bereits durch die argumentative Weiterführung der dritten Leitthese erläutert, umfasst das Em-<br />
BaGIS durch die sinnvolle Verknüpfung von Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz eine Vielzahl planeri-<br />
scher und empirischer Aspekte zur konkreten Erfassung stadträumlicher Barrieren. Das EmBaGIS<br />
scheut sich aber nicht für weitere sinnvolle Ergänzungen und Verbesserungen, welche das Instru-<br />
ment methodisch und inhaltlich bereichern können. So können beispielsweise unauffällige Kameras<br />
am Körper des Probanden stadträumliche Barrieren noch genauer identifizieren und ungewollte ex-<br />
terne Einflüsse als Fehlerquellen kenntlich machen.<br />
5. Betroffene Zielgruppen fühlen sich durch das aktive Involvieren in Planungsprozesse durch<br />
das Instrument des EmBaGIS als ernstgenommen.<br />
Die Erfahrung bei der Probandenakquise und der Präsentation erster Ergebnisse im Arbeitskreis ‚Bar-<br />
rierefreie Stadt <strong>Kaiserslautern</strong>‘ haben gezeigt, dass Beteiligte und Betroffene dem neuen und innova-<br />
tiven Instrumentenansatz offen und interessiert begegnen. Auch die Durchführung der Vorstudie und<br />
der eigentlichen EmBaGIS-Studie offenbarten eine großes Begeisterungspotenzial und Interesse für<br />
das Instrument EmBaGIS.<br />
Schlusswort<br />
Abschließend ist festzuhalten, dass das EmBaGIS sich nur in der Planung etablieren kann, wenn das<br />
Instrument konzentriert weiter entwickelt und die Akquise weiterer EmBaGIS-Studien zur Verfesti-<br />
gung der gewonnenen Erkenntnisse motiviert und engagiert angegangen wird. Der Grundstein zur<br />
aktiven Teilhabe an der Verbesserung der Barrierefreiheit und gleichzeitig der subjektiven Lebens-<br />
qualität wurde durch den hohen wissenschaftlichen und zielorientierten Anspruch innerhalb der Ar-<br />
beit bereits gelegt. Nun gilt es, das hier erarbeitete, innovative Instrument EmBaGIS für eine barrie-<br />
refreie und nachhaltige Stadt, in der Zukunftsaufgabe des demographischen Wandels, aktiv und ve-<br />
rantwortungsbewusst künftig zu forcieren.<br />
143
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Anhänge<br />
Anhang I, Literatur und Quellenverzeichnis S.144<br />
Anhang II, Abbildungsverzeichnis S.157<br />
Anhang III, Tabellenverzeichnis S.158<br />
Anhang IV, Ausgewählte Auszüge zur DIN 18024 Teil 1 S.159<br />
Anhang V, Emotionstabelle S.167<br />
Anhang VI, Erweiterte Pressemitteilung zur Vorstudie S.168<br />
Anhang VII, Barrierespezifische städtebauliche Bestandsaufnahme I S.172<br />
Anhang VIII, Barrierespezifische städtebauliche Bestandsaufnahme II S.173<br />
Anhang IX, Städtebauliche Analyse nach städtebaulichen Barrieresektoren S.174<br />
Anhang X, Flyer zur Bürgeraktivierung S.175<br />
Anhang XI, Protokollblatt zur Studiendurchführung S.176<br />
Anhang XII, Vorgehensweise der empirischen 3-Level-Analyse S.182<br />
Anhang XIII, Probanden-Einzelprofile S.188<br />
Anhang XIV, Städtebauliche Optimierung – Sektor 7 Frontportal Kirche St. Martin S.200
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS
Anhang I, Literatur- und Quellenverzeichnis<br />
Printmedien<br />
Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele: Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Pla-<br />
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Bundesregierung 2008 – Neue urbane Lebens- und Handlungsräume, Berlin, 2008.<br />
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Schriftenreihe Nr. 54_2000, Berlin, 2000.<br />
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Hinweise: Barrierefreiheit im<br />
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Deutsches Institut für Normung e.V. DIN: DIN Fachbericht 124 - Gestaltung barrierefreier Produkte,<br />
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Schwarz-von Raumer: GIS in der Stadtentwicklung: Stadtgeschichte und Stadtplanung als Kontext,<br />
Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und<br />
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Stemshorn, Axel (Hrsg.): Barrierefrei – Bauen für Behinderte und Betagte, 4. überarbeitete Auflage,<br />
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Weidert, Jean-Luc: Behindertengerechter öffentlicher Straßenraum unter besonderer Berücksichti-<br />
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Gemeindefinanzierungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland, zuletzt geändert durch Artikel 4 G.<br />
v. 22.12.2008 (BGBl. I S. 2986).<br />
Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen bzw. Behinderungsgleichstellungsgesetz der Bun-<br />
desrepublik Deutschland, letzte Änderung durch: Art. 12 G vom 19. Dezember 2007<br />
(BGBl. I S. 3024, 3034).<br />
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, letzte Änderung durch: Art. 2 ÄndG vom 29. Juli 2009<br />
vom 1. August 2009.<br />
Landesbauordnung Rheinland-Pfalz (LBauO), Fassung vom 24. November 1998 (GVBl. S. 365), zuletzt<br />
geändert durch Gesetz vom 4.7.2007, (GVBl. S. 105).<br />
Personenbeförderungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland, letzte Änderung durch: BVerfGE<br />
vom 8. Dezember 2009– 2 BvR 758/07 – (BGBl. 2010 I S. 68).<br />
Sozialgesetzbuch IX der Bundesrepublik Deutschland, letzte Änderung durch: Art. 2 G vom 30. Juli<br />
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ESRI – GIS-Software, aufgerufen unter:<br />
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Eurolexikon, der Zugang <strong>zum</strong> EU-Recht, aufgerufen unter:<br />
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http://emomap-ma.blogspot.com/<br />
Kleinen Studienprojekt ‚emomap Mannheim‘ Gruppe 2 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Compu-<br />
tergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, aufgerufen unter:<br />
http://emomap-mannheim.blogspot.com/<br />
Lehrgebiet Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden CPE an der TU <strong>Kaiserslautern</strong>,<br />
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http://<strong>cpe</strong>.arubi.uni-kl.de/<br />
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http://www.urbanophil.net/<br />
Nullbarriere - barrierefrei behindertengerecht planen - bauen – wohnen, aufgerufen unter:<br />
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http://www.bmedical.com.au/<br />
Planet Happiness Index HPI, aufgerufen unter:<br />
http://www.happyplanetindex.org/
Portal für Barrierefreiheit, aufgerufen unter:<br />
http://www.barrierefrei-portal.de/<br />
Presseportal, ein Tochterunternehmen der Deutschen Presse Agentur dpa, aufgerufen unter:<br />
http://www.presseportal.de/<br />
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Profilbeton – bauliche Einrichtungen zur Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, aufgerufen unter:<br />
http://www.profilbeton.de/<br />
Projekt ‚ALOE‘, aufgerufen unter:<br />
http://aloe-project.de/<br />
Projekt ‚NextHamburg‘, aufgerufen unter:<br />
http://www.nexthamburg.de/<br />
RINN-Betonbaustein, aufgerufen unter:<br />
www.rinn.net/<br />
Reha Team Neumarkt, aufgerufen unter:<br />
http://reha-team-neumarkt.de/<br />
Rotec-Leipzig, Gesellschaft für technische Rehabilitation, aufgerufen unter:<br />
http://www.rotec-leipzig.de/<br />
Sozialverband Vdk Deutschland, aufgerufen unter:<br />
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Stadt Wien, aufgerufen unter:<br />
http://www.wien.gv.at/<br />
STATA -Software, aufgerufen unter:<br />
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Expertengespräche<br />
Papastenfanou, Georgios: Expertengespräch, GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften,<br />
Mannheim im Juli 2010.<br />
Papastenfanou, Georgios: Expertengespräch, GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften,<br />
Mannheim im August 2010.<br />
156
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Anhang II, Abbildungsverzeichnis<br />
Abb. 1: Vorgehensweise der Arbeit…………………………………………………………………………………………………………………………………...............................6<br />
Abb. 2: Greifreifenantrieb (links), Hebelantrieb (mitte), Elektroantrieb (rechts) ............................................................................................... 16<br />
Abb. 3: (links) Gebrauch eine Blindenlangstocks, (rechts) Blindenhund ............................................................................................................ 17<br />
Abb. 4: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland nach der 12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2009 ................................... 21<br />
Abb. 5: Bevölkerung nach Altersgruppen in Deutschland .................................................................................................................................. 22<br />
Abb. 6: Verhältnis der Normen des barrierefreien Bauens ................................................................................................................................. 42<br />
Abb. 7: Nullabsenkung des Bordsteins ................................................................................................................................................................ 46<br />
Abb. 8: Schematischer Aufbau der Lebensqualitätsforschung ........................................................................................................................... 49<br />
Abb. 9: Systemmechanismus der Emotionskomponenten ......................................................................................... 67<br />
Abb. 10 Actiwatch-Handgelenkgerät................................................................................................................................................................... 71<br />
Abb. 11: Beispiel einer integrierten Kamera im Brillenrahmen .......................................................................................................................... 73<br />
Abb. 12: Hautsensor und Hautsensor und GPS-Logger ....................................................................................................................................... 80<br />
Abb. 13: Visualisierung biometrischer Daten (GSR) im Beispiel Greenwich Emotion Map ................................................................................ 81<br />
Abb. 14: Bewegungstracks zweier Probanden .................................................................................................................................................... 83<br />
Abb. 15: Hautwiderstandswerte eines Probanden ............................................................................................................................................. 85<br />
Abb. 16: Stress- und Wohlfühlbereiche in der Mannheimer Innenstadt............................................................................................................ 86<br />
Abb. 17: Mehrstufiges Phasenmodell zur methodischen Fundierung des EmBaGIS .......................................................................................... 90<br />
Abb. 18: Phase 1 - Vorbereitende Planungsphase .............................................................................................................................................. 91<br />
Abb. 19: Phase 2 - Städtebauliche Analyse als Top-Down-Ansatz ...................................................................................................................... 91<br />
Abb. 20: Phase 3 - Empirische Studie als Bottom-Up-Ansatz .................................................................................... 92<br />
Abb. 21: Phase 4 - Vergleichende Ergebnisphase ............................................................................................................................................... 94<br />
Abb. 22: Phase 5 - Städtebauliche Optimierung ................................................................................................................................................. 94<br />
Abb. 23: Phasenorientierte Layerstruktur des EmBaGIS ..................................................................................................................................... 95<br />
Abb. 24: Empirische Drei-Level-Analyse ............................................................................................................................................................ 102<br />
Abb. 25: Niveau der elektrischen Hautleitfähigkeit und Niveau des Hautwiderstandes .................................................................................. 103<br />
Abb. 26: Smartban ............................................................................................................................................................................................. 105<br />
Abb. 27: GPS-Logger .......................................................................................................................................................................................... 106<br />
Abb. 28: Untersuchungsraum und Wegestrecke der Probanden zur Studie .................................................................................................... 114<br />
Abb. 29: Städtebauliche Analyse nach städtebaulichen Barrieresektoren ..................................................................................................... 115<br />
Abb. 30: Untersuchungsraum in westlicher Front der Stiftskirche und Gesamtaufnahme Sektor 1 .............................................................. 116<br />
Abb. 31: Untersuchungsraum oberer Bereich der Marktstraße bis Spittelstraße und Detailaufnahme von Süden ........................................ 117<br />
Abb. 32: Ampel-Querungsanlage Spittelstraße und Gesamtaufnahme Sektor 3 von Südwest........................................................................ 117<br />
Abb. 33: Bereich Martinsplatz - Steinstraße und Aufnahme Sektor 4 mit Blick auf den Martinsplatz von Südwest ....................................... 118<br />
Abb. 34: Bereich Engelsgasse und Gesamtaufnahme Sektor 5 von Norden..................................................................................................... 119<br />
Abb. 35: Bereich Klosterstraße bis Martinsplatz und Gesamtaufnahme Sektor 6 von Osten .......................................................................... 119<br />
Abb. 36: Frontportal der Kirche St. Martin und Gesamtaufnahme Sektor 7 von Norden ................................................................................ 120<br />
Abb. 37: Vergleich der absoluten 3-Level- und 2-Level-Stressreaktionen nach Barrieresektoren ................................................................... 124<br />
Abb. 38: Emotionale 3-Level- und 2-Level-Stressreaktionen je Sektor ............................................................................................................. 125<br />
Abb. 39: Städtebauliche Optimierung – Sektor 7 Frontportal Kirche St. Martin .............................................................................................. 128<br />
Abb. 40: Stark abweichende GPS-Daten von der Realsituation ........................................................................................................................ 137<br />
157
Anhang III, Tabellenverzeichnis<br />
Anhänge<br />
Tab. 1: Schwerbehinderte Menschen mit Ausweis nach Altersgruppen .............................................. 13<br />
Tab. 2: Komponenten und typische Faktoren des „Level of living-approach“ zur Feststellung der<br />
objektiven Lebensqualität ....................................................................................................... 51<br />
Tab. 3: Definitionsklassifikationen nach Veenhoven ............................................................................ 53<br />
Tab. 4: Komponenten des „Subjective Well-being“ (Subjektives Wohlbefinden): Defintionen,<br />
alternative Begrifflichkeiten, Datenerfassung ......................................................................... 55<br />
Tab. 5: Messmethoden des affektiven und kognitiv-evaluativen Wohlbefindens ............................... 56<br />
Tab. 6: Beziehung zwischen organischen Subsystemen sowie Funktionen und Komponenten der<br />
Emotion ................................................................................................................................... 67<br />
Tab. 7: Zusammengefasste Stressreaktion in der empirischen 3- und 2-Level-Analyse nach<br />
Barrieresektoren .................................................................................................................... 123<br />
158
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Anhang IV - Ausgewählte Auszüge zur DIN 18024 Teil 1<br />
a) Flächen<br />
Bei den Bewegungsflächen ist die Grundbemaßung an der Nutzung mit dem Rollstuhl orientiert. Die<br />
Flächen, welche zur Festlegung von Ausstattungen und Einrichtungen erforderlich sind, sind hiervon<br />
eingeschlossen. Die Bewegungsflächen unterliegen verschiedenen Kriterien. Zum einen dürfen sie<br />
sich nicht gegenseitig überlagern und <strong>zum</strong> anderen dürfen sie nicht in ihrer Funktion eingeschränkt<br />
sein. Im Detail heißt dies beispielsweise, dass keine Mauervorsprünge, Ausstattungen, geöffnete<br />
Türen und Bepflanzungen in die Flächen rein ragen dürfen. Zudem muss der Kopffreiraum mindes-<br />
tens 2.30 m betragen. Es muss die Möglichkeit bestehen mit dem Rollstuhl externen Faktoren aus-<br />
zuweichen und falls notwendig zu wenden. 271<br />
Die DIN 18024 Teil 1 gibt hierzu für verschiedene Flächenansprüche und –Kategorien konkrete Maße<br />
vor:<br />
„mind. 400 cm breit und 250 cm tief:<br />
159<br />
- als Verweilfläche auf Schutzinseln oder Fahrbahnteilen von Hauptverkehrsstraßen.<br />
mind. 300 cm breit:<br />
- auf Gehwegen im Umfeld z. B. von Kindergärten und Schulen, Freizeiteinrichtungen, Einkaufs-<br />
zentren, Pflegeeinrichtungen,<br />
- auf Fußgängerüberwegen und Furten.<br />
mind. 300 cm breit und 200 cm tief:<br />
- als Verweilfläche auf Fußgängerüberwegen und Furten von Erschließungsstraßen.<br />
mind. 200 cm breit:<br />
- auf Gehwegen an Sammelstraßen.<br />
mind. 150 cm breit und 150 cm tief:<br />
- als Wendemöglichkeiten<br />
- als Ruhefläche, Verweilplatz,<br />
- am Anfang und am Ende einer Rampe,<br />
- vor Haus- und Gebäudeeingängen,<br />
- vor Fernsprechstellen und Notrufanlagen,<br />
271 Vgl. Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />
http://nullbarriere.de/din18024-1-flaechen.htm 06.08.2010.
- vor Serviceschaltern,<br />
- vor Dienstleistungsautomaten, Briefeinwürfen, Ruf- und Sprechanlagen,<br />
- vor Durchgängen, Kassen und Kontrollen,<br />
- vor und neben Ruhebänken,<br />
- vor Bedienungsvorrichtungen,<br />
- vor und nach Fahrtreppen und Fahrsteigen,<br />
- vor Rahmensperren und Umlaufschranken.<br />
mind. 150 cm breit:<br />
- auf Gehwegen (ausgenommen Gehwege mit 300 cm und 200 cm Breite)<br />
- auf Hauptgehwegen<br />
Anhänge<br />
- neben Treppenauf- und -abgängen; die Auftrittsfläche der obersten Stufe ist auf die Bewegungs-<br />
fläche nicht anzurechnen.<br />
mind. 150 cm tief:<br />
- neben der Längsseite des Kraftfahrzeuges des Rollstuhlbenutzers auf Pkw-Stehplätzen, Borde<br />
müssen in ganzer Breite auf einer Höhe von 3 cm abgesenkt, taktil und optisch kontrastierend<br />
wahrnehmbar gekennzeichnet sein.<br />
mind. 130 cm breit:<br />
- zwischen Umlaufschranken.<br />
mind. 120 cm breit:<br />
- zwischen Radabweisem einer Rampe,<br />
- situationsbedingt auf Hauptgehwegen<br />
mind. 90 cm breit:<br />
- in Durchgängen an Kassen und Kontrollen,<br />
- auf Nebengehwegen<br />
mind. 250 cm tief:<br />
- entlang von Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel.<br />
vor Fahrschachttüren:<br />
Die Bewegungsfläche vor Fahrschachttüren muss so groß sein wie die Grundfläche des Fahrkorbs,<br />
mindestens jedoch 150 cm breit und 150 cm tief. Sie darf sich mit anderen Bewegungsflächen<br />
nicht überlagern. Sie darf nicht gegenüber abwärts führenden Treppen und Rampen angeordnet<br />
sein.<br />
160
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Begegnungsflächen für Rollstuhlbenutzer<br />
Begegnungsflächen bei barrierefreiem Bauen sind die <strong>zum</strong> Ausweichen mit dem Rollstuhl zusätzlich<br />
notwendigen Flächen.<br />
mind. 200 cm breit und 250 cm tief:<br />
161<br />
- Verweilplatz<br />
- Hauptgehwege in Sichtweite, höchstens in Abständen von 18 m<br />
- Geh- und Nebengehwege in Sichtweite.<br />
mind. 180 cm breit und 180 cm tief:<br />
- neben Baustellensicherungen in Sichtweite.<br />
Oberflächenbeschaffenheit von Bewegungs- und Begegnungsflächen<br />
müssen bei jeder Witterung leicht, erschütterungsarm und gefahrlos begeh- und befahrbar<br />
sein.“ 272<br />
Die Oberflächenbeschaffenheit spielt insbesondere in Fußgängerzonen für gehbehinderte Menschen<br />
eine enorm wichtige Rolle. Das klassisch-traditionell vorhandene Kopfsteinpflaster ist demnach eine<br />
Barriere, welche oftmals nicht leicht und in ihrer Masse durch offene, meist zu große Fugen schwer-<br />
lich überwindbar ist. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere hier eine mentale Belastung ent-<br />
stehen kann. Außerdem betrifft diese Problematik auch blinde und sehbehinderte Menschen, welche<br />
mit ihrem Blindenstock oftmals im Kopfsteinpflaster hängen bleiben und somit in ihrer Bewegung<br />
gebremst werden. So sprechen auch viele Untersuchungen und Initiativen gehbehinderter Menschen<br />
und titulieren gar recht plakativ: „Kopfsteinpflaster ist Stolperfalle“. 273<br />
272 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />
http://nullbarriere.de/din18024-1-flaechen.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />
273 Internetauftritt der Presseseite „DERWESTEN“, aufgerufen unter:<br />
http://www.derwesten.de/staedte/hilchenbach/Kopfsteinpflaster-ist-Stolperfalle-id3406011.html, abgerufen<br />
am 06.08.2010.
Anhänge<br />
Abbildung: Stolperfalle Kopfsteinpflaster. Quelle: Internetauftritt der Bilder-Plattform Designerzone.de, aufgerufen unter:<br />
http://www.designerzone.de/fotos/vorschau/kopfsteinpflaster.jpg, abgerufen am 09.08.2010.<br />
Türen<br />
„lichte Breite mindestens 90 cm<br />
lichte Höhe mindestens 210 cm<br />
Der Rollstuhlfahrer muss vor- und zurück fahren sowie die Richtung ändern können, um die Bedie-<br />
nungsvorrichtungen zu erreichen und die entsprechenden Bewegungen ausführen zu können.“ 274<br />
b) Fußgängerverkehrsfläche<br />
Auch in diesem Bereich macht die Din18024 Teil 1 genaue Maßvorgaben, die in der städtebaulichen<br />
Planung beachtet werden müssen:<br />
„mindestens 75 cm breiter Schutzstreifen:<br />
für Gehwege an anbaufreien Hauptverkehrsstraßen<br />
Höhenunterschied der Kanten zwischen Fahrbahn und Gehweg:<br />
In Anlieger- und Sammelstraßen nicht niedriger als 3 cm<br />
Rad- und Gehwege (auf gleichem Niveau):<br />
Trennung durch einen mindestens 50 cm breiten Begrenzungsstreifen. Dieser muss sich taktil und<br />
optisch kontrastierend von den Rad- und Gehwegbelägen unterscheiden.<br />
Muldenrinnen dürfen nicht tiefer als 1/30 ihrer Breite sein.<br />
Gefälle, Fußgängerüberweg<br />
Gehwege ohne Verweilplätze sollten nicht mehr als 3% Längsgefälle aufweisen, ist dieses jedoch zwi-<br />
schen 3% und 6%, müssen in Abständen von max. 10 m Verweilplätze mit weniger als 3% eingerichtet<br />
sein.<br />
274 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />
http://nullbarriere.de/din18024-1-flaechen.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />
162
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Das Quergefälle von Gehwegen darf nicht mehr als 2%, im Bereich von Grundstückszufahrten max.<br />
6% betragen. Lässt die topografische Lage keine günstige Korrektur des vorhandenen Gefälles zu,<br />
sollten ausgeschilderte Umgehungen oder andere Alternativen angeboten werden. Richtungsände-<br />
rungen müssen taktil und optisch kontrastierend wahrnehmbar sein. Borde müssen in ganzer Breite<br />
auf einer Höhe von 3 cm abgesenkt, taktil und optisch kontrastierend wahrnehmbar gekennzeichnet<br />
sein. Der verkehrsberuhigte Straßenraum erfordert Leitsysteme nach DIN 32984 (siehe Kapitel<br />
2.5.3.2).<br />
In Bereichen, z. B. von Gehwegen, Treppen- und Rampenanlagen, sollten überdachte Verweilplätze<br />
(Ruheflächen und -bänke) verfügbar sein. Sie müssen taktil und optisch kontrastierend auffindbar<br />
sein.<br />
Übergangsstellen an Fußgängerüberwegen und Furten müssen rechtwinklig zur Fahrbahn angeord-<br />
net und so gestaltet sein, dass wartende Personen vom fließenden Verkehr her wahrgenommen<br />
werden können. Im Bereich von Sichtdreiecken dürfen Sichthindernisse, wie Bepflanzungen nicht<br />
höher als 50 cm sein. Keine Abdeckungen von Entwässerungs- und Revisionsschächten u. ä. im Über-<br />
querungsbereich.<br />
Straßenverkehrs-Signalanlagen<br />
sind nach DIN 32981 und RiLSA (Richtlinie für Lichtsignalanlagen) akustisch, optisch kontrastierend<br />
und taktil auffindbar und benutzbar zu installieren. Die max. Querungsgeschwindigkeit darf 80 cm/s<br />
nicht überschreiten.“ 275<br />
Weitere relevante Normen <strong>zum</strong> Bereich „Fußgängerverkehrsfläche“ sind die DIN 18024-1 „Haltestel-<br />
le, Bahnsteig“, die DIN 32984 „Aufmerksamkeitsfelder, Leitstreifen“ sowie die DIN 32981 „Zusatzein-<br />
richtungen für Blinde und Sehbehinderte an Straßenverkehrssignalanlagen (SVA)“.<br />
c) Treppen, Rampen, Aufzug<br />
In diesem Teilbereich der DIN 18024 Teil 1 sind besonders Treppen- und Rampenvorgaben für die<br />
späteren Untersuchungen von Interesse. Aufzüge sind in diesem Zusammenhang nicht vorhanden.<br />
275 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />
http://nullbarriere.de/din18024-1-fussgaenger.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />
163
Die DIN gibt für diese Teilkategorie folgendes vor:<br />
Anhänge<br />
„Unterschiedliche Ebenen sind außer über Treppen und Fahrtreppen auch über Rampen oder Aufzü-<br />
ge zugängig zu machen. Treppen und Aufzüge werden nicht durch Fahrsteige und Fahrtreppen er-<br />
setzt. Bewegungs- und Begegnungsflächen (siehe Kapitel 2.5.3.1 b) müssen bei jeder Witterung<br />
leicht, erschütterungsarm und gefahrlos begeh- und befahrbar sein.<br />
Treppen<br />
Treppen dürfen nicht gewendelt sein.<br />
Beidseitig sind Handläufe (Durchmesser 3-4,5 cm) in 85 cm Höhe anzubringen. Anfang und Ende<br />
des Treppenlaufs sind rechtzeitig und deutlich erkennbar zu machen (z. B. durch taktile Kenn-<br />
zeichnung an den Handläufen).<br />
Der äußere Handlauf muss 30 cm waagerecht über Anfang und Ende der Treppe hinausragen, der<br />
innere Handlauf am Treppenauge darf nicht unterbrochen werden. Orientierungssicherheit muss<br />
durch taktile Geschoss- und Wegebezeichnungen gegeben sein.<br />
Treppenläufe mit mehr als 3 Stufen müssen auf der ersten und letzten Stufe über die gesamte<br />
Trittbreite durch einen 50 mm bis 80 mm breiten kontrastierenden Streifen gekennzeichnet wer-<br />
den. Bei Treppen bis zu 3 Stufen gilt dies für alle Stufen. Stufenunterschiede sind nicht zulässig.<br />
Stufenunterschneidungen sind unzulässig. An freien seitlichen Stufen ist eine 2 cm hohe Aufkan-<br />
tung nötig.<br />
Die Durchgangshöhe unter Treppen beträgt 230 cm. Die Unterseite des untersten Treppenlaufes<br />
muss bis zu einer Höhe von mindestens 230 cm geschlossen sein.<br />
Rampen<br />
ohne Quergefälle mit maximal 6% Steigung<br />
Zwischenpodest von mindestens 150 cm ab 600 cm Rampenlänge.<br />
Radabweiser beiderseits 10 cm hoch bei Rampen und Zwischenpodesten.<br />
164
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
beidseitige Handläufe, Durchmesser 3 bis 4,5 cm, 85 cm hoch, Handläufe und Radabweiser 30 cm<br />
165<br />
in den Plattformbereich hineinragend.<br />
Bewegungsflächen von 150 cm x150 cm sind am Anfang und Ende der Rampe anzuordnen.<br />
In der Verlängerung einer Rampe darf keine abwärtsführende Treppe angeordnet werden.<br />
Abbildung: Grundriss und Querschnitt einer Rampenanlage. Quelle: Internetauftritt der Nullbarriere.de - barrierefrei be-<br />
hindertengerecht planen - bauen – wohnen, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/rampenlaenge-steigung.htm,<br />
abgerufen am 09.08.2010.<br />
Rampen ermöglichen keine nennenswerten Höhenunterschiede. Mit zwei Längen (einschließlich der<br />
Bewegungsflächen erreicht man eine Gesamtlänge von 16,50 m) sind maximal 72 cm Höhenunter-<br />
schied zu überwinden. Rampen lassen sich ansprechend gestalten. Die Einhaltung der maximalen<br />
Steigungen bzw. Gefälle sowie der Längenbegrenzungen der Rampen ist wichtig, um die Steigung zu<br />
überwinden. Auch geht es um die Bremssicherheit und den Schutz vor Umkippen.“ 276<br />
Weitere relevante Normen <strong>zum</strong> Bereich „Rampen, Treppen, Aufzug“ sind die DIN 32984 „Aufmerk-<br />
samkeitsfelder, Leitstreifen“, die DIN 18065 „Treppen“ sowie Aufzüge nach der DIN EN 81-70.<br />
d) Ausstattung, Orientierung, Beschilderung und Beleuchtung<br />
Die Ausstattung umfasst innerhalb des unbebauten öffentlichen Raums Funktionselemente, wie<br />
Orientierungshilfen, Straßenverkehrs- Signalanlagen, Aufzüge, Fahrtreppen, Hinweis- und Warnschil-<br />
der, Geräte, Automaten, Telefonhauben, Poller, Papierkörbe, Abfallbehälter, Fahrradständer, Werbe-<br />
träger und Abschrankungen.<br />
276 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />
http://nullbarriere.de/din18024-1-ebenen.htm, abgerufen am 06.08.2010.
Anhänge<br />
Allgemein gilt, dass Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrsanlagen und Grünanlagen sowie Zu-<br />
gänge zu öffentlichen Verkehrsmitteln und Grünanlagen mit Orientierungshilfen ausgestattet sein<br />
müssen. Die DIN 18024 Teil 1 bleibt hier recht allgemein und verweist im Besonderen auf die DIN<br />
32984, in welcher Orientierungshilfen mit Bodenindikatoren für blinde und sehbehinderte Menschen<br />
konkretisiert sind. Jedoch trifft auch die vorliegende DIN hierzu bestimmte Aussagen. So müssen<br />
etwa Ausstattungen optisch kontrastierend wahrnehmbar und ohne Unterschneidungen ausgebildet<br />
sein. 277<br />
Für blinde Menschen gilt in diesem Kontext:<br />
„Ausstattung auf einem 3 cm hohen Sockel entsprechend den Außenmaßen der Ausstattung<br />
(z. B. Telefonhaube) oder<br />
ohne Unterschneidung bis 10 cm über den Boden herunterreichend oder<br />
mit Unterschneidungen mit einer 15 cm breiten Tastleiste mit der Oberkante in 25 cm Höhe<br />
über dem Boden entsprechend den Außenmaßen der Ausstattung<br />
Für Blinde, Sehbehinderte und Menschen mit anderen sensorischen Einschränkungen müssen Hin-<br />
weise optisch kontrastierend durch Hell-/Dunkelkontrast und taktil oder akustisch frühzeitig erkenn-<br />
bar sein. Bei Richtungsänderungen oder Hindernissen sind besondere Markierungen vorzusehen.<br />
Größe und Art der Schriftzeichen haben eine gute, blendfreie Lesbarkeit zu garantieren.<br />
Haltestelleninformationen und andere Orientierungshilfen sind so zu gestalten und zu montieren,<br />
dass sie auch durch Blinde (taktil oder akustisch), Sehbehinderte (Großschrift), Rollstuhlbenutzer und<br />
Kleinwüchsige (Höhe der Anbringung) erkenn- und nutzbar sind. Sie sind ausreichend hell zu beleuch-<br />
ten.<br />
Die Beleuchtung von Verkehrsflächen und Treppen mit künstlichem Licht ist blend- und schattenfrei<br />
auszuführen (erhöhte Anforderungen).“ 278<br />
277 Vgl. Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />
http://nullbarriere.de/din18024-1-ausstattung.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />
278 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />
http://nullbarriere.de/din18024-1-ausstattung.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />
166
167<br />
Anhang V, Emotionstabelle Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Kardiovaskulär:<br />
Messparameter<br />
Ärger<br />
Ängstlichkeit<br />
Ekel<br />
Belastung<br />
Ekel<br />
Veränderung<br />
Verlegenheit<br />
Angst<br />
Angst<br />
imminente<br />
Bedrohung<br />
Herzfrequenz ↑ ↑ ↑- ↓ ↑ ↑ ↓ ↑ ↓ ↑ ↓ ↓ ↑↓ ↓ ↑ ↑ ↑↓ ↑- ↑<br />
Herzfrequenzveränderungen ↓ ↓ ↑ - (↓) ↓ (-) - ↓ (↓) ↑- ↑ ↑↓ ↓ (↑) (-)<br />
Herzvolumen ↑↓ (↑) (↓) (↓) (-) ↑ ↑- (↓) (-) - (-)<br />
Systolische Blutdruck ↑ ↑ ↑ ↑ (↑) ↑ ↑ (↓) ↑- (↓) ↑ ↑<br />
Diastolischer Blutdruck ↑ ↑ ↑ ↑ (↑) ↑ ↑ ↓- ↑- (↓) ↑ -<br />
Mittlerer aterieller Druck ↑ ↑ ↑ ↓- ↑- (↓) ↑<br />
Fingerpulsamplitude ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ (↓) ↓ ↓ (↑) ↓ (↓) (-) ↑↓ (↑)<br />
Fingerpulsdurchgangszeit ↓ (↓) ↑↓ ↑↓ ↓ (-) (↓) ↑ ↑<br />
Ohrpulsdurchgangszeit (↓) ↑↓ ↑↓ ↓ (↓) ↑ ↑<br />
Finger-/Hauttemperatur ↓ (↓) ↑↓ ↑↓ ↓ ↓ ↓ ↑↓ ↓ (-) ↑ ↑↓<br />
Stirntemperatur ↑↓ (↑) (↓) (↓) ↓ (↑)<br />
Elektrodermale Aktivität:<br />
Hautleitfähigkeit (phasisches<br />
Niveau)<br />
nichtsspezifisches<br />
Hautleitfähigkeitsrate<br />
Hautleitfähigkeit (tonisches<br />
Niveau)<br />
Respiratorisch:<br />
Tabelle: Emotionstabelle. Quelle: Vgl. Kreibig, Sylvia (2010): Autonomic nervous system activity in emotion: A review, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.03.010, S.8.<br />
Traurigkeit<br />
Weinen<br />
Traurigkeiten<br />
Nichtweinen<br />
↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↓ ↑ (-) ↓<br />
↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↓ ↑ ↑- ↑ ↑ ↑ (↓)<br />
↑ ↑ ↑ ↑ (↑) ↑ ↓ ↑ ↓ ↑ ↓ (↑) ↑ ↓ ↑- - ↑ ↓ (↑)<br />
Respirationsrate ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑↓ ↑↓ ↑ ↑↓ ↑ (↑) (↓) ↓-<br />
Insparatorische Zeit (↓) ↓ ↓ - ↓- (↓) (↓) (↑) ↓ (↑)<br />
Expiratorische Zeit (↓) ↓ ↑ - ↓ (↓) (↑) ↓ (↑)<br />
Post-insparatorische Pausenzeit (↑) (↑) (↓) (↑)<br />
Post-exparatorische Pausenzeit (↓)<br />
Atemvolumen ↑↓ ↓ ↓ (↓) ↑↓ ↓ ↑ ↑↓ ↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ (↑) ↑-<br />
seufzen ↑↓ ↑↓<br />
ANS Aktivierungskomponenten<br />
α-adrenergisch ↑ (↑) ↑ (-) (↑) ↑ (↑) (↑) (↑) ↑- (↓) (↑)<br />
β-adrenergisch ↑ (↑) (↑) (↑) (↑) ↑ ↑↓ ↓ (↓) (↓) ↓ ↑↓ -<br />
cholinergisch ↑ ↑ ↑ ↑ (↑) ↑ ↑ ↓ ↑ ↓ (↑) ↑ ↓ ↑- ↑- (↑) ↓ (↑)<br />
Vagal (10. Hirnnerv betreffend) ↓ ↓ ↑ - (↓) ↓ - ↓ (↓) ↑- ↑ ↑↓ ↓ (↑) (-)<br />
Anmerkung: Die Veränderungsrichtung ausgedrückt durch Pfeile bedeutet eine Veränderung der Parameter, was durch mindestens drei Studien bewiesen wird. Pfeile nach oben sprechen für eine Zunahme, Pfeile nach<br />
untern für eine Abnahme, - spricht für keine Veränderung. Symbole in Klammern bedeuten eine Emotionstendenz, bei weniger als Studien, die dies Beweisen.<br />
Traurigkeit<br />
erwartend<br />
Traurigkeit<br />
akut<br />
Affektion<br />
amüsiert sein<br />
Zufriedenheit<br />
Glücksgefühl<br />
Freude<br />
stolz sein<br />
Erleichterung<br />
überrascht sein
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Anhang VI – Erweiterte Pressemitteilung zur Vorstudie<br />
Vorstudie „Innerstädtische Raumerfahrung und mentale Belastung von blinden und<br />
sehbehinderten Menschen in der Fußgängerzone“<br />
im Rahmen der <strong>Diplomarbeit</strong><br />
EmBaGIS<br />
Emotionales Barriere-GIS als neue Methode zur Identifikation stadträumlicher Barrieren<br />
für behinderte und mobilitätseingeschränkte Menschen<br />
Eine Feldstudie in Kooperation mit GESIS, dem Referat Stadtentwicklung der Stadt<br />
<strong>Kaiserslautern</strong> und in Unterstützung des Lehrstuhles ‚Computergestützte Planungs- und<br />
Entwurfsmethoden‘ (CPE) der Technischen <strong>Universität</strong> <strong>Kaiserslautern</strong>.<br />
GESIS ist die führende Infrastruktureinrichtung für Sozialwissenschaften. Als Service- und<br />
Forschungseinrichtung erbringt GESIS grundlegende, national und international bedeutsame<br />
Infrastrukturleistungen und ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.<br />
Die Studie hat <strong>zum</strong> Ziel die mentale Belastung (Anspannung/Stress) zu messen, die seh- und<br />
andere behinderte Menschen beim Weg durch die Stadt erfahren. Erstmals kommt ein<br />
Sensor-Armband <strong>zum</strong> Einsatz, das bei GESIS entwickelt worden ist. Mit diesem Armband als<br />
Instrument der Biosensorik werden unterschwellige körperliche Reaktionen aufgezeichnet,<br />
die die momentane emotionale Befindlichkeit signalisieren. Kombiniert mit einem<br />
Taschenrekorder, der gleichzeitig die GPS-Koordinaten des Wegepfades aufzeichnet, wird es<br />
möglich, genau jene Punkte in der Stadt zu identifizieren, die für körperlich eingeschränkte<br />
Menschen eine besondere mentale Belastung bedeuten.<br />
168
Exemplarische Ergebnisse:<br />
Abbildung: Routenbestimmung der Probanden. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
169<br />
Anhänge<br />
Abbildung: Schrittgeschwindigkeit eines Blinden während eines Weges in der Fußgängerzone. Quelle: Eigene Darstellung.
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Abbildung: Stressreaktion eines Blinden während eines Weges in der Fußgängerzone. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Abbildung: Schrittgeschwindigkeit und Stressreaktion eines Blinden während eines Weges in der Fußgängerzone. Quelle:<br />
Eigene Darstellung.<br />
170
Abbildung: 3D-Visualisierung der mentalen Belastungspunkte eines Blinden mittels Google Earth. Quelle: Eigene<br />
Darstellung.<br />
Abbildung: Mentale Belastungspunkte eines Blinden während eines Weges in der Fußgängerzone der Innenstadt<br />
<strong>Kaiserslautern</strong>. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
171<br />
Anhänge
Anhang VII: Barrierespezifische städtebauliche Bestandsaufnahme I<br />
Pfalztheater<br />
Burgstraße<br />
Fruchthalle<br />
Schillerplatz<br />
Fruchthallstraße<br />
Schillerplatz<br />
Marktstraße<br />
Stiftskirche<br />
Schule<br />
Bismarckstraße<br />
Martinsplatz<br />
Spittelstraße<br />
St. Martin<br />
Stiftsplatz<br />
Steinstraße<br />
Klostertraße<br />
ohne Maßstab<br />
Legende<br />
Flächen<br />
Untersuchungsraum<br />
Gebäudeflächen<br />
Fußgängerzone<br />
Straße<br />
Gehweg<br />
Parkplatz<br />
öffentlicher Freiraum<br />
privater Freiraum S. 172
Anhang VIII: Barrierespezifische städtebauliche Bestandsaufnahme II<br />
Legende<br />
Pfalztheater<br />
Burgstraße<br />
Fruchthalle<br />
Schillerplatz<br />
Fruchthallstraße<br />
Schillerplatz<br />
Marktstraße<br />
Stiftskirche<br />
Schule<br />
Bismarckstraße<br />
Martinsplatz<br />
Spittelstraße<br />
St. Martin<br />
Stiftsplatz<br />
Steinstraße<br />
Engelsgasse<br />
Klostertraße<br />
ohne Maßstab<br />
Barriere-Symbole<br />
Rampe<br />
Treppen<br />
Steigung<br />
Gefälle<br />
Ampel-Querungsanlage mit abgesenktem Bordstein<br />
Flächenbarrieren<br />
Flächen<br />
Untersuchungsraum<br />
Bodenwellen<br />
Kopfstein- und Betonpflaster<br />
Kopfsteinpflaster<br />
Außenbestuhlungsfläche<br />
Gebäudeflächen<br />
Fußgängerzone<br />
Straße<br />
Gehweg<br />
Parkplatz<br />
öffentlicher Freiraum<br />
privater Freiraum<br />
S. 173
Anhang IX: Städtebauliche Analyse nach städtebaulichen Barrieresektoren<br />
Legende<br />
Pfalztheater<br />
Burgstraße<br />
Fruchthalle<br />
Schillerplatz<br />
Fruchthallstraße<br />
Schillerplatz<br />
Marktstraße<br />
Stiftskirche<br />
Schule<br />
Bismarckstraße<br />
Martinsplatz<br />
Spittelstraße<br />
St. Martin<br />
Stiftsplatz<br />
Steinstraße<br />
Klostertraße<br />
ohne Maßstab<br />
Symbole<br />
Rampe<br />
Treppen<br />
Steigung<br />
Gefälle<br />
Ampel-Querungsanlage mit abgesenktem Bordstein<br />
Bodenwellen<br />
Städtebauliche Barrieresektoren<br />
Barrieresektor 1<br />
Barrieresektor 2<br />
Barrieresektor 3<br />
Barrieresektor 4<br />
Barrieresektor 5<br />
Barrieresektor 6<br />
Barrieresektor 7<br />
Flächen<br />
Gebäudeflächen<br />
Fußgängerzone<br />
Straße<br />
Gehweg<br />
Parkplatz<br />
öffentlicher Freiraum<br />
privater Freiraum<br />
S. 174
Anhang X, Flyer zur Bürgeraktivierung<br />
Abbildung: Flyer zur Bürgeraktivierung. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Anhänge<br />
175
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Anhang XI, Protokollblatt zur Studiendurchführung<br />
Feldstudie zur Barrierefreiheit in der Innenstadt<br />
im Rahmen der <strong>Diplomarbeit</strong> zur Messung von mentalen Belastungspunkten in der Stadt, TU<br />
<strong>Kaiserslautern</strong>, Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, Benjamin Bergner<br />
176<br />
Zu absolvierende Wegstrecke im Untersuchungsraum
Ziel der Feldstudie<br />
Anhänge<br />
Das Ziel der Feldstudie ist die Messung der mentalen Belastung (Stress) von gehbehinderten<br />
Menschen und Rollstuhlfahrern in der Innenstadt von <strong>Kaiserslautern</strong>. Hierbei spielen insbesondere<br />
unterbewusst wahrgenommene Barrieren eine Rolle, welche auf dem Weg durch<br />
die Stadt bewältigt werden müssen.<br />
Die aus der Studie gewonnenen Erkenntnisse identifizieren städtebauliche Barrieren für<br />
gehbehinderte Menschen und Rollstuhlfahrer und werden innerhalb der <strong>Diplomarbeit</strong> behandelt.<br />
Hieraus werden Handlungsempfehlungen sowie Gestaltvorschläge erarbeitet, welche<br />
zur Barrierefreiheit in der Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> führen sollen.<br />
Protokollblatt (von Helfer auszufüllen)<br />
Proband-Name:<br />
Geschlecht:<br />
Alter:<br />
Art der Behinderung:<br />
Dauer der Behinderung:<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
Smartband-Nummer:<br />
GPS-Logger-Nummer:<br />
Startzeit:<br />
Ankunftszeit:<br />
Smartband- und GPS-Logger-Nummer überprüft?<br />
Ja / Nein<br />
177
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Kurzfragebogen STAI-S (von Proband auszufüllen)<br />
Anleitung:<br />
Im folgenden Fragebogen finden Sie eine Reihe von Feststellungen, mit denen man sich<br />
selbst beschreiben kann. Bitte lesen Sie jede Feststellung durch und wählen Sie aus den vier<br />
Antworten diejenige aus, die angibt, wie Sie sich jetzt, d.h. in diesem Moment fühlen.<br />
Kreuzen Sie bitte bei jeder Feststellung die Zahl der unter der von Ihnen gewählten Antwort<br />
an.<br />
Es gibt keine richtigen und falschen Antworten. Überlegen Sie bitte nicht lange und denken<br />
Sie daran, diejenigen Antworten auszuwählen, die Ihren augenblicklichen Gefühlszustand am<br />
besten beschreibt.<br />
178<br />
Trifft<br />
nicht<br />
zu<br />
Trifft<br />
etwas zu<br />
Trifft einigermaßen<br />
zu<br />
Trifft genau<br />
zu<br />
1. Ich bin ruhig. 1 2 3 4<br />
2. Ich fühle mich geborgen. 1 2 3 4<br />
3. Ich fühle mich angespannt. 1 2 3 4<br />
4. Ich bin bekümmert. 1 2 3 4<br />
5. Ich bin gelöst. 1 2 3 4<br />
6. Ich bin aufgeregt. 1 2 3 4<br />
7. Ich bin besorgt, dass etwas 1 2 3 4<br />
schiefgehen könnte.<br />
8. ich fühle mich ausgeruht. 1 2 3 4<br />
9. Ich bin beunruhigt. 1 2 3 4<br />
10. Ich fühle mich wohl. 1 2 3 4<br />
11. Ich fühle mich selbstsi- 1 2 3 4<br />
cher.<br />
12. Ich bin nervös. 1 2 3 4<br />
13. Ich bin zappelig. 1 2 3 4<br />
14. Ich bin verkrampft. 1 2 3 4<br />
15. Ich bin entspannt. 1 2 3 4<br />
16. Ich bin zufrieden. 1 2 3 4<br />
17. ich bin besorgt. 1 2 3 4<br />
18. ich bin überreizt. 1 2 3 4<br />
19. Ich bin froh. 1 2 3 4<br />
20. Ich bin vergnügt. 1 2 3 4
Anhänge<br />
Suchbild <strong>zum</strong> Start (von Proband auszufüllen)<br />
Zeitvorgabe: 30 Sekunden<br />
Das obere Bild unterscheidet sich vom unteren Bild in 7 Punkten<br />
179
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Suchbild <strong>zum</strong> Ende (von Proband auszufüllen)<br />
Zeitvorgabe: 30 Sekunden<br />
Das obere Bild unterscheidet sich vom unteren Bild in 7 Punkten<br />
180
Frage <strong>zum</strong> Ende<br />
Anhänge<br />
Ist Ihnen ein besonderer Ort im Gedächtnis geblieben, an dem Sie sich gestresst<br />
gefühlt haben?<br />
Vielen Dank für Ihre Mitarbeit!<br />
Ihr Benjamin Bergner<br />
Smartband- und GPS-Logger-Nummer überprüft?<br />
Ja / Nein<br />
181
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Anhang XII – Vorgehensweise der empirischen Drei-Level-Analyse<br />
1.Schritt: Einlesen der GPS-Daten in Microsoft Excel.<br />
Abbildung: GPS-Datensätze in Microsoft Excel. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
2.Schritt: Beschneiden der GPS-Daten auf Grundlage der Markierungen zu Routenstart und –<br />
Ende.<br />
Abbildung: Beschneiden GPS-Datensätze in Microsoft Excel. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
3.Schritt: Einlesen der GPS-Daten in GPS-Visualizer und anschließende Visualisierung in Google<br />
Earth zur Überprüfung der Route und <strong>zum</strong> Festhalten der Zeitpunkte des Aufenthalts<br />
im jeweiligen Sektor.<br />
182
Anhänge<br />
Abbildung: Routenverlauf mit sekundengenauen Bewegungskoordinaten eines Probanden in Google Earth . Quelle: Eigene<br />
Darstellung.<br />
4.Schritt: Einlesen der GPS-Daten in STATA 10. Daraufhin Glätten und Bereinigen der Bewegungsgeschwindigkeit<br />
aus den GPS-Daten. Ableiten der Bewegungsgeschwindigkeit<br />
als mathematische Funktion. Bilden eines Scorings:<br />
- Bewegungsgeschwindikeit nimmt zu = Wert +1;<br />
- Bewegungsgeschwindikeit nimmt ab = Wert -1;<br />
- Bewegungsgeschwindikeit bleibt gleich = Wert 0;<br />
Abbildung: Bilden, Glätten, Bereinigen und Scoren der Bewegungsgeschwindikeit. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
183
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
5.Schritt: Einlesen der Smartband-Daten in STATA 10. Beschneiden der Smartbanddaten auf die<br />
gleiche Zeit wie die GPS-Daten. Daraufhin Bereinigen der elektrodermalen Aktivität<br />
(elektrische Hautleitfähigkeit) und der Hauttemperatur. Ausschlaggebender Faktor<br />
für das Bereinigungsverfahren ist der Andruck des Hautleitfähigkeitssensors auf der<br />
Haut. Es werden lediglich die Werte zur Analyse hinzugezogen, bei welchen ein<br />
gleichmäßiger Sensorandruck auf der Haut stattfindet. So können offensichtlich falsche<br />
Werte, welche durch einen veränderten Sensorandruck entstanden sind, aus der<br />
Datenanalyse ausgeschlossen werden.<br />
In Anschluss dessen werden elektrische Hautleitfähigkeit und Hauttemperatur geglättet.<br />
Dann folgt das Ableiten der elektrischen Hautleitfähigkeit als mathematische Funktion.<br />
Somit wird der Steigungswert auf einem Niveau über und unter null dargestellt<br />
(aus tonischem Niveau der elektrischen Hautleitfähigkeit wird phasisches Niveau der<br />
elektrischen Hautleitfähigkeit). Der gleiche Vorgang wird für die Hauttemperatur<br />
vorgenommen (Das Smartband misst mit Hilfe eines elektrischen Widerstandes die<br />
Hauttemperatur (siehe Kapitel 5.4.3 Technik - Smartband).<br />
Bilden eines Scorings:<br />
- elektrische Hautleitfähigkeit nimmt zu = Wert +1;<br />
- elektrische Hautleitfähigkeit nimmt ab = Wert -1;<br />
- elektrische Hautleitfähigkeit bleibt gleich = Wert 0;<br />
184<br />
- Hauttemperatur nimmt zu = Wert -1;<br />
- Hauttemperatur nimmt ab = Wert +1;<br />
- Hauttemperatur bleibt gleich = Wert 0;<br />
Abbildung: Bilden, Glätten, Bereinigen und Scoren des Hautwiderstandes und der Hauttemperatur. Quelle: Eigene Darstellung.
Anhänge<br />
6.Schritt: Verschneiden der kinetischen Daten (Bewegungsgeschwindigkeit) mit den physiologischen<br />
Daten (Hautwiderstand und Hauttemperatur).<br />
Abbildung: Verschneiden der physiologischen mit den kinetischen Daten. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
7.Schritt: Bilden von Sektorvariablen nach den in Schritt 3 ermittelteten Aufenthaltszeiträumen<br />
des Probanden im jeweiligen Sektor.<br />
Abbildung: Bilden der Sektorvariablen nach vordefinierten Zeitabschnitten. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
185
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
8.Schritt: Durchführen der eigentlichen empirischen Drei-Level-Analyse zur Ermittlung von<br />
konkreten Stressreaktionen durch sekundengenaue Abfrage folgender Indikatoren:<br />
- 1. Barriereindikator: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab – Scoringwert = -1<br />
- 2. Barriereindikator: elektrische Hautleitfähigkeit nimmt zu – Scoringwert = +1<br />
- 3. Barriereindikator: Hauttemperatur nimmt ab – Scoringwert = +1<br />
Visuell-mechanische Ermittlung der einzelnen 3- und 2-Level-Stressreaktion in Microsoft-Excel nach<br />
Export der Daten aus STATA10, da kein passender Algorithmus gefunden wurde, welcher die Zeitverzögerung<br />
der Hauttemperatur zur elektrischen Hautleitfähigkeit geeignet aufzeigen kann (Hauttemperatur<br />
verändert sich bei einer Stressreaktion zwischen ein und mehreren Sekunden zeitverzögert<br />
zur elektrischen Hautleitfähigkeit). 3-Level-Analyse heißt in diesem Falle, dass die Bedingungen aller<br />
dreiBarriereindikatoren erfüllt sein müssen. 2-Level-Analyse sind die rein physiologischen Stressreaktionen<br />
(2. und 3. Barriereindikator).<br />
Abbildung: Typische 3-Level-Stressreaktion (links) und alleinige 2-Level-Stressreaktion (rechts). Quelle: Eigene Darstellung.<br />
186
Anhänge<br />
9.Schritt: Bilden einer Auswertungsmatrix zur weiteren Analyse mit der Aggregation der Probanden-Einzelprofile<br />
und den gebildeten Barrieresektoren (siehe Kapitel 6.1.5 Emotionale<br />
Barriereverortung).<br />
Proband<br />
Sektor 1<br />
3 Level<br />
2 Level<br />
Sektor 2<br />
3 Level<br />
2 Level<br />
Sektor 3<br />
3 Level<br />
2 Level<br />
Nr. 1 3 4 5 12 5 7 8 13 2 3 5 9 5 9<br />
Nr. 2 1 1 0 0 0 2 1 2 4 4 5 7 1 1<br />
Nr. 3 1 3 1 1 0 1 8 10 0 0 2 3 1 1<br />
Nr. 4 7 10 1 1 3 8 6 6 0 0 0 0 1 1<br />
Nr. 5 1 2 4 6 5 7 6 7 2 3 1 1 8 9<br />
Nr. 6 3 5 7 10 3 5 28 37 3 5 8 9 2 6<br />
Nr. 7 2 3 3 5 2 2 7 9 0 0 2 2 4 5<br />
Nr. 8 3 4 3 3 2 4 12 15 2 3 2 2 2 2<br />
Nr. 9 3 3 3 5 1 4 5 7 1 2 2 2 2 2<br />
Nr. 10 6 9 6 8 0 2 4 4 - - - - - -<br />
Nr. 11 6 7 6 10 1 3 2 4 5 5 2 5 1 1<br />
Nr. 12 4 4 6 7 4 8 2 2 2 3 5 6 1 1<br />
Sektor 4<br />
3 Level<br />
Summe 40 55 45 68 26 53 89 116 21 28 34 46 28 38<br />
Tabelle: Zusammengefasste Stressreaktion in der empirischen 3- und 2-Level-Analyse nach Barriere-<br />
sektoren. Quelle: Eigene Erhebung.<br />
2 Level<br />
Sektor 5<br />
3 Level<br />
2 Level<br />
Sektor 6<br />
3 Level<br />
2 Level<br />
Sektor 7<br />
3 Level<br />
2 Level<br />
187
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Anhang XIII, Probanden-Einzelprofile<br />
Datenblatt – Proband Nr. 1<br />
Grundinformationen:<br />
Datenpaar: GPS02/SB57<br />
Geschlecht: männlich<br />
Alter: 58<br />
Art der Behinderung: geistige Behinderung mit körperlicher Beeinträchtigung<br />
Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />
Technische Hilfsmittel: E-Rollstuhl<br />
Stressauswertung:<br />
188<br />
3-Level-Analyse 1 2-Level-Analyse<br />
Sektor 1 3 4<br />
Sektor 2 5 12<br />
Sektor 3 5 7<br />
Sektor 4 8 13<br />
Sektor 5 2 3<br />
Sektor 6 5 9<br />
Sektor 7 5 9<br />
Summe 33 57<br />
Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 1. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
Keine<br />
1 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />
nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />
Empirische Drei-Level-Analyse.
Datenblatt – Proband Nr. 2<br />
Grundinformationen:<br />
Datenpaar: GPS02/SB57<br />
Geschlecht: männlich<br />
Alter: 47<br />
Art der Behinderung: schwerstkörperbehindert<br />
Dauer der Behinderung: seit Alter 23<br />
Technische Hilfsmittel: E-Rollstuhl<br />
Stressauswertung:<br />
3-Level-Analyse 2 2-Level-Analyse<br />
Sektor 1 1 1<br />
Sektor 2 0 0<br />
Sektor 3 0 2<br />
Sektor 4 1 4<br />
Sektor 5 4 4<br />
Sektor 6 5 7<br />
Sektor 7 1 1<br />
Summe 12 17<br />
Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 4. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
keine<br />
Anhänge<br />
2 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />
nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />
Empirische Drei-Level-Analyse.<br />
189
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Datenblatt – Proband Nr. 3<br />
Grundinformationen:<br />
Datenpaar: GPS02/SB57<br />
Geschlecht: männlich<br />
Alter: 49<br />
Art der Behinderung: schwerstkörperbehindert<br />
Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />
Technische Hilfsmittel: E-Rollstuhl<br />
Stressauswertung:<br />
190<br />
3-Level-Analyse 3 2-Level-Analyse<br />
Sektor 1 1 3<br />
Sektor 2 1 1<br />
Sektor 3 0 1<br />
Sektor 4 8 10<br />
Sektor 5 0 0<br />
Sektor 6 2 3<br />
Sektor 7 1 1<br />
Summe 13 19<br />
Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 3. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
keine<br />
3 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />
nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />
Empirische Drei-Level-Analyse.
Datenblatt – Proband Nr. 4<br />
Grundinformationen:<br />
Datenpaar: GPS05/SB21<br />
Geschlecht: männlich<br />
Alter: 53<br />
Art der Behinderung: gehbeeinträchtigt<br />
Dauer der Behinderung: seit Alter 18<br />
Technische Hilfsmittel: Gehstock<br />
Stressauswertung:<br />
3-Level-Analyse 4 2-Level-Analyse<br />
Sektor 1 7 10<br />
Sektor 2 1 1<br />
Sektor 3 3 8<br />
Sektor 4 6 6<br />
Sektor 5 0 0<br />
Sektor 6 0 0<br />
Sektor 7 1 1<br />
Summe 18 26<br />
Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 4. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
keine<br />
Anhänge<br />
4 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />
nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />
Empirische Drei-Level-Analyse.<br />
191
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Datenblatt – Proband Nr. 5<br />
Grundinformationen:<br />
Datenpaar: GPS06/SB46<br />
Geschlecht: weiblich<br />
Alter: 46<br />
Art der Behinderung: geistige Behinderung mit starker körperlicher Beeinträchtigung<br />
Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />
Technische Hilfsmittel: Rollstuhl<br />
Stressauswertung:<br />
192<br />
3-Level-Analyse 5 2-Level-Analyse<br />
Sektor 1 1 2<br />
Sektor 2 4 6<br />
Sektor 3 5 7<br />
Sektor 4 6 7<br />
Sektor 5 2 3<br />
Sektor 6 1 1<br />
Sektor 7 8 9<br />
Summe 27 35<br />
Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 5. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
keine<br />
5 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />
nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />
Empirische Drei-Level-Analyse.
Datenblatt – Proband Nr. 6<br />
Grundinformationen:<br />
Datenpaar: GPS06/SB46<br />
Geschlecht: weiblich<br />
Alter: 60<br />
Art der Behinderung: schwerstbehindert aufgrund Schlaganfall<br />
Dauer der Behinderung: seit Alter 49<br />
Technische Hilfsmittel: Rollstuhl<br />
Stressauswertung:<br />
3-Level-Analyse 6 2-Level-Analyse<br />
Sektor 1 3 5<br />
Sektor 2 7 10<br />
Sektor 3 3 5<br />
Sektor 4 28 37<br />
Sektor 5 3 5<br />
Sektor 6 8 9<br />
Sektor 7 2 6<br />
Summe 54 77<br />
Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 6. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
keine<br />
Anhänge<br />
6 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />
nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />
Empirische Drei-Level-Analyse.<br />
193
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Datenblatt – Proband Nr. 7<br />
Grundinformationen:<br />
Datenpaar: GPS05/SB100<br />
Geschlecht: weiblich<br />
Alter: 20<br />
Art der Behinderung: schwerstbehindert aufgrund Ataxie<br />
Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />
Technische Hilfsmittel: Rollstuhl<br />
Stressauswertung:<br />
194<br />
3-Level-Analyse 7 2-Level-Analyse<br />
Sektor 1 2 3<br />
Sektor 2 3 5<br />
Sektor 3 2 2<br />
Sektor 4 7 9<br />
Sektor 5 0 0<br />
Sektor 6 2 2<br />
Sektor 7 4 5<br />
Summe 20 26<br />
Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 7. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
keine<br />
7 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />
nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />
Empirische Drei-Level-Analyse.
Datenblatt – Proband Nr. 8<br />
Grundinformationen:<br />
Datenpaar: GPS06/SB46<br />
Geschlecht: männlich<br />
Alter: 40<br />
Art der Behinderung: gehbehindert aufgrund motorischer Störungen<br />
Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />
Technische Hilfsmittel: Gehstock<br />
Stressauswertung:<br />
3-Level-Analyse 8 2-Level-Analyse<br />
Sektor 1 3 4<br />
Sektor 2 3 3<br />
Sektor 3 2 4<br />
Sektor 4 12 15<br />
Sektor 5 2 3<br />
Sektor 6 2 2<br />
Sektor 7 2 2<br />
Summe 26 33<br />
Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 8. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
Proband hat den Routengang als einfach empfunden.<br />
Anhänge<br />
8 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />
nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />
Empirische Drei-Level-Analyse.<br />
195
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Datenblatt – Proband Nr. 9<br />
Grundinformationen:<br />
Datenpaar: GPS08/SB23<br />
Geschlecht: männlich<br />
Alter: 30<br />
Art der Behinderung: geistige und körperliche Beeinträchtigung aufgrund Hydrozephalus<br />
Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />
Technische Hilfsmittel: keine<br />
Stressauswertung:<br />
196<br />
3-Level-Analyse 9 2-Level-Analyse<br />
Sektor 1 3 3<br />
Sektor 2 3 5<br />
Sektor 3 1 4<br />
Sektor 4 5 7<br />
Sektor 5 1 2<br />
Sektor 6 2 2<br />
Sektor 7 2 2<br />
Summe 17 25<br />
Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 9. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
Proband gibt als Problemstellen Bodenbelag und Stufen an.<br />
9 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />
nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />
Empirische Drei-Level-Analyse.
Datenblatt – Proband Nr. 10<br />
Grundinformationen:<br />
Datenpaar: GPS07/SB53<br />
Geschlecht: weiblich<br />
Alter: 65<br />
Art der Behinderung: mobilitätseingeschränkt<br />
Dauer der Behinderung: im Alter<br />
Technische Hilfsmittel: keine<br />
Stressauswertung:<br />
3-Level-Analyse 10 2-Level-Analyse<br />
Sektor 1 6 9<br />
Sektor 2 6 8<br />
Sektor 3 0 2<br />
Sektor 4 4 4<br />
Sektor 5<br />
Sektor 6<br />
Sektor 7<br />
Summe 16 23<br />
Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 10. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
Anhänge<br />
Probandin hat sich nach Sektor 4 verlaufen. Als Problemstellen beschreibt die Probandin<br />
Bodenbelag, Bodenwellen und kurze Grünphase Ampel.<br />
10 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />
nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />
Empirische Drei-Level-Analyse.<br />
197
Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />
Datenblatt – Proband Nr. 11<br />
Grundinformationen:<br />
Datenpaar: GPS06/SB46<br />
Geschlecht: männlich<br />
Alter: 38<br />
Art der Behinderung: gehbehindert durch Körperbeeinträchtigung<br />
Dauer der Behinderung: keine Angabe<br />
Technische Hilfsmittel: keine<br />
Stressauswertung:<br />
198<br />
3-Level-Analyse 11 2-Level-Analyse<br />
Sektor 1 6 7<br />
Sektor 2 6 10<br />
Sektor 3 1 3<br />
Sektor 4 2 4<br />
Sektor 5 5 5<br />
Sektor 6 2 5<br />
Sektor 7 1 1<br />
Summe 23 35<br />
Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 11. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
Proband gibt als Problemstelle zu steile Rampe gegen Ende der Route an.<br />
11 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />
nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />
Empirische Drei-Level-Analyse.
Datenblatt – Proband Nr. 12<br />
Grundinformationen:<br />
Datenpaar: GPS07/SB57<br />
Geschlecht: männlich<br />
Alter: 42<br />
Art der Behinderung: schwerstkörperbehindert aufgrund Tetraspastik mit Beinbetonung<br />
Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />
Technische Hilfsmittel: Rollstuhl<br />
Stressauswertung:<br />
3-Level-Analyse 12 2-Level-Analyse<br />
Sektor 1 4 4<br />
Sektor 2 6 7<br />
Sektor 3 4 8<br />
Sektor 4 2 2<br />
Sektor 5 2 3<br />
Sektor 6 5 6<br />
Sektor 7 1 1<br />
Summe 24 31<br />
Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 12. Quelle: Eigene Darstellung.<br />
Weitere Anmerkungen:<br />
Anhänge<br />
Proband gibt als Problemstellen schräge Gully-Deckel, Kopfsteinpflaster, zu kurze Grünphase<br />
Ampel, unzureichende Bordsteinabsenkung an.<br />
12 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />
nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />
Empirische Drei-Level-Analyse.<br />
199
Anhang XIV: Städtebauliche Optimierung Sektor 7 - Frontportal Kirche St. Martin<br />
Rampe<br />
Steigung 6%<br />
Detail 3<br />
Detail 1<br />
Detail 2<br />
Kirche St. Martin<br />
Maßstab 1:100<br />
Beispiel einer barrierenfreien Kopfsteinpflasterspur<br />
Detail 1 - Visuell betonte Treppenanlage<br />
Detail 2 - Barrierefreies Kopfsteinpflaster<br />
Detail 3 - Barrierefreie Sitzbank<br />
S. 200