15.07.2013 Aufrufe

Diplomarbeit zum Downloaden - cpe - Universität Kaiserslautern

Diplomarbeit zum Downloaden - cpe - Universität Kaiserslautern

Diplomarbeit zum Downloaden - cpe - Universität Kaiserslautern

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

2010<br />

Methodische und praktische Fundierung zur<br />

Etablierung des<br />

EmBaGIS<br />

Emotionales Barriere-GIS als neues Instrument zur<br />

Identifikation und Optimierung stadträumlicher Barrieren<br />

für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen<br />

Am Anwendungsbeispiel der Fußgängerzone in <strong>Kaiserslautern</strong><br />

Benjamin Bergner


TU <strong>Kaiserslautern</strong><br />

Lehrgebiet CPE - Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden<br />

Fachbereich Architektur | Raum- und Umweltplanung | Bauingenieurwesen<br />

Gebäude 1<br />

Pfaffenbergstraße 95<br />

67663 <strong>Kaiserslautern</strong><br />

Deutschland<br />

Tel.: +49 0631/ 205-3951<br />

Internet: http://<strong>cpe</strong>.arubi.uni-kl.de/<br />

In Kooperation mit:<br />

Dr. Georgios Papastefanou<br />

GESIS Leibniz Institute for the Social Sciences<br />

B2,1 - 68152 Mannheim<br />

Tel.: +49 0621/ 1246-0<br />

Internet : http://www.gesis.org<br />

Arbeitskreis „Barrierefreie Stadt <strong>Kaiserslautern</strong>”<br />

Ansprechpartner:<br />

Werner Rech<br />

Referat Stadtentwicklung<br />

Tel.: +49 0631/ 365-2574<br />

Internet : http://www.kaiserslautern.de<br />

<strong>Diplomarbeit</strong> zur Erreichung des akademischen Grades ‚Diplom-Ingenieur‘<br />

Benjamin Bergner (Matrikelnummer 355238)<br />

Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Betreuung:<br />

Prof. Dr.-Ing. Bernd Streich<br />

Dr.-Ing. Peter Zeile


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Verfassererklärung<br />

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und die Übernahme<br />

wörtlicher Zitate aus der Literatur sowie die Verwendung der Gedanken anderer Autoren an<br />

entsprechender Stelle innerhalb der Arbeit gewürdigt habe. Diese Arbeit ist bisher weder<br />

veröffentlicht, noch einer sonstigen Prüfungsbehörde vorgelegt worden.<br />

Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung das Aberkennen der Prüfungsleistung zur<br />

Folge haben kann.<br />

Benjamin Bergner<br />

<strong>Kaiserslautern</strong>, Oktober 2010


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

DANKSAGUNG<br />

An dieser Stelle möchte ich mich zunächst bei Herrn Prof. Dr.-Ing. Bernd Streich bedanken, der es<br />

über die Jahre immer wieder möglich gemacht hat, zu freien eigenen Ideen zu ermutigen und diese<br />

auch im Rahmen des Lehrgebietes zur Umsetzung zu bringen. Vielen herzlichen Dank auch an dieser<br />

Stelle an meinen <strong>Diplomarbeit</strong>sbetreuer Dr.-Ing. Peter Zeile. Er hat mir stets das Gefühl gegeben im<br />

planerischen Leben vollends angekommen zu sein und hat mich im Rahmen meiner Arbeit immer<br />

unterstützt, meine Gedanken und Ideen zu verwirklichen.<br />

Ich möchte mich auch insbesondere bei Herrn Dr. Georgios Papastefanou herzlich bedanken, der mir<br />

immer mit fachlichem und freundschaftlichem Rat zur Seite gestanden und mir die technischen Gerä-<br />

te zur Messung der mentalen Belastung zur Verfügung gestellt hat.<br />

Ein weiterer großer Dank geht an Herrn Werner Rech vom Arbeitskreis „Barrierefreie Stadt Kaisers-<br />

lautern“. Durch ihn wurde es mir ermöglicht, im Rahmen diverser Vorträge den konkreten Kontakt zu<br />

Interessensvertretern behinderter Menschen aufzubauen. Gleichzeitig gratuliere ich auch dem ge-<br />

samten Team des Arbeitskreises <strong>zum</strong> Gewinn des „Preis des Landesbeauftragten für die Belange be-<br />

hinderter Menschen für kommunale Behindertenbeiräte und –beauftragte“ des Landes Rheinland-<br />

Pfalz und danke gleichzeitig, dass ich mit meiner ersten Studie einen Beitrag hierzu leisten durfte.<br />

Somit gilt auch besonderer Dank an die Vertreter des Blinden- und Sehbehindertenbund Pfalz e.V.,<br />

des Mach Mit Mittwoch Club e.V., des Gemeinsam leben und lernen e.V., der Behindertenhilfe<br />

Westpfalz e.V., der Selbsthilfegruppe „Igel“ und den Westpfalz-Werkstätten sowie allen teilnehmen-<br />

den Probanden.<br />

Außerdem möchte ich meinen Kommilitonen danken, die mir im Studium freundschaftlich und mit<br />

großem Interesse zur Seite gestanden haben.<br />

Zu Ende danke ich ganz besonders meiner Familie, die mir es überhaupt ermöglicht hat, meinen frei-<br />

gewählten Weg im Studium zu gehen und mich frei zu entfalten.


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Kurzfassung<br />

Die vorliegende Arbeit „Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS“ be-<br />

fasst sich mit der Entwicklung eines innovativen Planungsinstrumentes zur Identifikation und Opti-<br />

mierung stadträumlicher Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen. Die kon-<br />

krete Zielsetzung beinhaltet eine bewusste Mischung von Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz. Nach<br />

einer breiten theoretischen Fundierung in den Bereichen stadträumlicher Barrieren, der subjektiven<br />

Lebensqualitätsforschung und der Emotionsforschung stellt sich die Arbeit der relevanten Zukunfts-<br />

herausforderung der Schaffung einer umfassenden Barrierefreiheit und damit einer gleichberechtig-<br />

ten Teilhabe behinderter Menschen am Lebensalltag. Zu diesem Zweck wird das Instrument „Emoti-<br />

onales Barriere-GIS“ (kurz EmBaGIS) entwickelt, das umfassend den klassisch planerischen Ansatz der<br />

barrierespezifischen Bestandsaufnahme und –Analyse, zusammen mit einer empirischen Teilkompo-<br />

nente, hin zu einer städtebaulichen Optimierung und der Formulierung eines Maßnahmenkatalogs<br />

führt.<br />

Während in der Vergangenheit die Barrierefreiheit, neben dem klassisch planerischen Ansatz, empi-<br />

risch durch retrospektive Selbstberichte festgestellt wurde, so ist insbesondere diese Art der Be-<br />

standsaufnahme nach heutigen Gesichtspunkten überholt. Zur Feststellung der Barrierefreiheit aus<br />

Sicht der Betroffenen wird in dieser Arbeit erstmals eine neue Methode zur empirischen Messung<br />

der Raumerfahrung und, damit einhergehend, der mentalen Belastung in Verbindung mit stadträum-<br />

lichen Barrieren angewandt. Die Methode des psychophysiologischen Monitorings zeichnet mit Hilfe<br />

technischer Geräte bei gleichzeitiger Verortung autonome Körperfunktionen auf, welche auf affekti-<br />

ve Moment-zu-Moment-Emotionen schließen lassen. Hiermit wird es möglich punktgenaue Stressre-<br />

aktionen, welche explizit mit baulichen und räumlichen Barrieren in Verbindung gebracht werden<br />

können, zu erfassen. Somit können objektive und valide Individualdaten der Stadtplanung zur Beur-<br />

teilung der Barrierefreiheit zu Verfügung gestellt werden. Dabei steht der Mensch als Messfühler im<br />

Vordergrund der Planung.<br />

In diesem Kontext werden innerhalb der Arbeit zwei empirische Studien zur Messung der Raumer-<br />

fahrung und mentalen Belastung behinderter Menschen durchgeführt – <strong>zum</strong> einen mit sehbehinder-<br />

ten und blinden Menschen, <strong>zum</strong> anderen mit gehbehinderten Menschen. Die Auswertung der ge-<br />

wonnen, individuellen Stressreaktionen der Probanden haben in Verbindung mit der kompletten<br />

Instrumentenanwendung zu einer argumentationsstützenden Feststellung und Optimierung stadt-<br />

räumlicher Barrieren geführt. Die Ergebnisse der Studien lassen den Schluss zu, dass der umfassende<br />

Instrumentenansatz des „EmBaGIS“ durchaus erfolgreich erprobt wurde. Es sind dennoch weitere<br />

Optimierungs- und Handlungsbedarfe im Kontext der Instrumentenentwicklung in Zukunft notwen-<br />

dig.<br />

Nicht zuletzt durch die erfolgreiche Anwendung des „EmBaGIS“ in der Praxis lassen sich konkrete<br />

Chancen und Perspektiven des Instrumenteneinsatz in der Stadtentwicklungsplanung als informelles<br />

Planungsinstrument ausmachen. Das „EmBaGIS“ bietet eine bisher nicht dagewesene Möglichkeit,<br />

objektive und valide Individualdaten betroffener Menschen für die Stadtplanung darzubieten und<br />

somit dem essentiell wichtigen Partizipationsgedanken in der Planung inhaltlich deutlich voran zu-<br />

bringen.


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

1.Einleitung ...................................................................................................................................... 1<br />

1.1 Problemstellung .............................................................................................................................1<br />

1.2 Zielsetzung und Leitthesen .........................................................................................................2<br />

1.3 Vorgehensweise und Methodik der Arbeit .............................................................................3<br />

1.4 Grenzen der Arbeit ........................................................................................................................6<br />

2. Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte<br />

Menschen ..................................................................................................................................... 8<br />

2.1 Begriffsdefinitionen.......................................................................................................................8<br />

2.1.1 Definition des öffentlichen Raums ..................................................................................................................................... 8<br />

2.1.2 Definition des privaten Raums ............................................................................................................................................. 9<br />

2.1.3 Was ist eine Barriere?............................................................................................................................................................... 9<br />

2.1.3.1 Barrierebegriff allgemein und im Kontext der physischen Umwelt ............................................. 9<br />

2.1.3.2 Ergänzungen der Barrieredefinition durch mentale Belastung und Stress ........................... 10<br />

2.1.3.3 Physische und mentale Barrieren als verschiedene Betrachtungsebenen ............................ 10<br />

2.1.4 Was ist Barrierefreiheit? ...................................................................................................................................................... 11<br />

2.1.5 Beeinträchtigungen in der Innenstadt aufgrund von Behinderungen ........................................................... 11<br />

2.1.5.1 Geh- und stehbehinderte Menschen (einschließlich Rollstuhlfahrer) ..................................... 15<br />

2.1.5.2 Blinde und sehbehinderte Menschen ....................................................................................................... 17<br />

2.1.5.3 Geistig behinderte Menschen ....................................................................................................................... 18<br />

2.1.5.4 Mobilitätseingeschränkte Menschen ........................................................................................................ 18<br />

2.1.6 Allgemeine Anforderungen und Raumbedarf behinderter und mobilitätseingeschränkter<br />

Menschen ..................................................................................................................................................................................... 18<br />

2.2 Der Demographische Wandel und seine Folgen in der aktuellen Diskussion zur<br />

Barrierefreiheit ........................................................................................................................... 19<br />

2.2.1 Der Demographische Wandel in Deutschland ........................................................................................................... 20<br />

2.2.2 Politische Diskussion zur Barrierefreiheit .................................................................................................................. 23<br />

2.2.3 Behindertenbericht der Bundesregierung 2009 ...................................................................................................... 23<br />

2.2.3.1 Zielvereinbarungen ........................................................................................................................................... 25<br />

2.2.3.2 Verkehr und Mobilität ..................................................................................................................................... 26<br />

2.2.3.3 Barrierefreies Bauen und Maßnahmen im Rahmen der Städtebauförderung ..................... 29<br />

2.3 Rechtliche Vorgaben .................................................................................................................. 30<br />

2.3.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen .................................................................................................................................... 31


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

2.3.1.1 UN Behindertenrechtskonvention ............................................................................................................. 31<br />

2.3.1.2 Europäische Union ............................................................................................................................................. 32<br />

2.3.1.3 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ................................................................................... 34<br />

2.3.2 Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz) ....................... 34<br />

2.3.3 Musterbauordnung ................................................................................................................................................................. 36<br />

2.4 Städtebauliche Vorgaben .......................................................................................................... 38<br />

2.4.1 Rahmenbedingungen zur Entwicklung des Städtebaus in den Kommunen ............................................... 38<br />

2.4.2 Barrierefreiheit in der Bauleitplanung, Stadt- und Verkehrsplanung ........................................................... 39<br />

2.4.3 Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der Stadtplanung ....................................................... 41<br />

2.4.3.1 Geltungsbereich der DIN 18024 Teil 1..................................................................................................... 43<br />

2.4.3.2 DIN 32984 „Bodenindikatoren im öffentlichen Raum“.................................................................... 44<br />

2.4.3.3 Diskussion zur Gestaltung barrierefreier Querungsanlagen ........................................................ 46<br />

2.5 Zwischenfazit ................................................................................................................................ 47<br />

3 Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität .......... 49<br />

3.1 Die zwei Dimensionen der Lebensqualitätsforschung .................................................... 50<br />

3.1.1 Objektive Lebensqualität ..................................................................................................................................................... 50<br />

3.1.2 Subjektive Lebensqualität ................................................................................................................................................... 51<br />

3.1.3 Objektive und subjektive Lebensqualität als Symbiose ........................................................................................ 52<br />

3.2 Das Konzept des ‘subjective well-being’............................................................................... 52<br />

3.2.1 Psychologisches Wohlbefinden ........................................................................................................................................ 52<br />

3.2.2 Subjektives Wohlbefinden................................................................................................................................................... 53<br />

3.2.3 Affektive und kognitive Komponenten des ‚subjective well-being‘ ................................................................ 54<br />

3.3 Messmethoden affektiven und kognitiven Wohlbefindens ............................................ 56<br />

3.3.1 Messung des affektiven Wohlbefindens ....................................................................................................................... 56<br />

3.3.1.1 Laborexperimente.............................................................................................................................................. 57<br />

3.3.1.2 ‘Experience Sampling-Methode’ (ESM) ................................................................................................... 58<br />

3.3.1.3 ‘Day-Reconstruction-Methode’ (DRM)..................................................................................................... 58<br />

3.3.2 Messung des kognitiven Wohlbefindens ...................................................................................................................... 59<br />

3.3.2.1 ‚Satisfaction with life scale‘ (SWLS) ............................................................................................................. 59<br />

3.3.2.2 Weitere Befragungen zur Lebenszufriedenheit .................................................................................. 60


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

3.4 Zwischenfazit: Grenzen der Instrumente zur Messung der subjektiven<br />

Lebensqualität .............................................................................................................................. 61<br />

4. Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung ...................... 64<br />

4.1 Emotionsdefinition ..................................................................................................................... 64<br />

4.2 Komponenten der Emotion ...................................................................................................... 66<br />

4.2.1 Aktivitätstendenzen ............................................................................................................................................................... 68<br />

4.2.2 Motorischer Ausdruck ........................................................................................................................................................... 68<br />

4.2.3 Subjektives Befinden.............................................................................................................................................................. 69<br />

4.2.4 Autonome Physiologie .......................................................................................................................................................... 69<br />

4.3 Methoden des ‚Ambulatorisches Assessments‘ .................................................................. 70<br />

4.3.1 Experience sampling .............................................................................................................................................................. 70<br />

4.3.2 Behavior recording ................................................................................................................................................................. 71<br />

4.3.3 Psychophysiologisches Monitoring ................................................................................................................................ 73<br />

4.4 Messparameter und –Methoden physiologischer Zustände und Stress ..................... 75<br />

4.5 Zwischenfazit: Methodenfindung zur Identifikation stadträumlicher Barrieren auf<br />

Grundlage der Emotionsforschung ........................................................................................ 76<br />

5. „Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation<br />

und Optimierung stadträumlicher Barrieren ............................................................... 78<br />

5.1. Rückschau auf bisherige Studien zur emotionalen Stadtkartierung ......................... 78<br />

5.1.1 Bio Mapping nach Nold ......................................................................................................................................................... 79<br />

5.1.2 Emotional Mapping ................................................................................................................................................................. 82<br />

5.1.3 Zentrale Erkenntnisse bisheriger Studien ................................................................................................................... 86<br />

5.2 EmBaGIS – mehr als nur eine Methode ................................................................................. 89<br />

5.3 Methodischer Aufbau zur Anwendung des EmBaGIS ....................................................... 90<br />

5.3.1 Mehrstufiges Phasenmodell zur methodischen Fundierung des EmBaGIS ................................................. 90<br />

5.3.2 Grundlegende Layerstruktur des EmBaGIS ................................................................................................................ 95<br />

5.4 Anforderungen an die Methodik <strong>zum</strong> EmBaGIS in Diskussion <strong>zum</strong> methodischen<br />

Aufbau ............................................................................................................................................. 96<br />

5.4.1 Allgemeine Anforderungen an die Methodik als Bewertungs- und Entscheidungsmethode ............. 96<br />

5.4.2 Basisanforderungen an das EmBaGIS als Geoinformationssystem ................................................................. 99<br />

5.4.3 Spezifische Anforderungen zur empirischen Identifikation stadträumlicher Barrieren .................. 100<br />

5.5 Die Bedeutung von EmBaGIS für stadträumliche Planungsprozesse zur<br />

barrierefreien Stadt..................................................................................................................107


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

5.6 Zwischenfazit: EmBaGIS als innovatives Produkt einer nachhaltigen<br />

Stadtentwicklung.......................................................................................................................109<br />

6. Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS ................................. 112<br />

6.1 EmBaGIS-Studie: „Innerstädtische Raumerfahrung und mentale Belastung in der<br />

Fußgängerzone von gehbehinderten Menschen“ .............................................................112<br />

6.1.1 Deskription und Design der Studie .............................................................................................................................. 112<br />

6.1.2 Planungsanlass und Ziel .................................................................................................................................................... 113<br />

6.1.3 Festlegung des Untersuchungsraums ......................................................................................................................... 114<br />

6.1.4 Städtebauliche Barriereverortung und Einteilung nach Barrieresektoren.............................................. 115<br />

6.1.5 Emotionale Barriereverortung ...................................................................................................................................... 120<br />

6.1.5.1 Stichprobe zur emotionalen Datenaufnahme .................................................................................... 121<br />

6.1.5.2 Einteilung von emotionalen Barrieresektoren ................................................................................. 122<br />

6.1.6 Gegenüberstellung der städtebaulichen und emotionalen Barrieresektoren ........................................ 124<br />

6.1.7 Städtebauliche Optimierung............................................................................................................................................ 128<br />

6.1.8 Maßnahmenkatalog und Empfehlungen ................................................................................................................... 130<br />

6.2 Zwischenfazit ..............................................................................................................................131<br />

7. Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS ................................................. 133<br />

7.1 Perspektiven und Chancen als integratives Planungsinstrument .............................133<br />

7.1.1 EmBaGIS als integratives, informelles Planungsinstrument ........................................................................... 133<br />

7.1.2 OpenSource-Technologien als logische Ergänzung ............................................................................................. 134<br />

7.1.3 Übertragbarkeit des Instrumentenansatzes des EmBaGIS auf andere planerische<br />

Untersuchungsgegenstände ............................................................................................................................................ 135<br />

7.2 Kritische Auseinandersetzung und weitere Handlungserfordernisse .....................136<br />

7.3 Zwischenfazit…………………………………………………………………………………………………..…140<br />

8. Abschließendes Gesamtbetrachtung ............................................................................. 141


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Anhang I, Literatur und Quellenverzeichnis…………………………………………………….…..…144<br />

Anhang II, Abbildungsverzeichnis…………………………………..…………………………………….…157<br />

Anhang III, Tabellenverzeichnis……………………………………………………………………….……….158<br />

Anhang IV, Ausgewählte Auszüge zur DIN 18024 Teil 1……………………………………………159<br />

Anhang V, Emotionstabelle……………………………………………………………………….……………..167<br />

Anhang VI, Erweiterte Pressemitteilung zur Vorstudie ..………………………………………….168<br />

Anhang VII, Barrierespezifische städtebauliche Bestandsaufnahme I ……………………….172<br />

Anhang VIII, Barrierespezifische städtebauliche Bestandsaufnahme II ..………….………...173<br />

Anhang IX, Städtebauliche Analyse nach städtebaulichen Barrieresektoren……………174<br />

Anhang X, Flyer zur Bürgeraktivierung ………………………………………………………………...175<br />

Anhang XI, Protokollblatt zur Studiendurchführung……………...………………………………...176<br />

Anhang XII, Vorgehensweise der empirischen 3-Level-Analyse ..……...………………………182<br />

Anhang XIII, Probanden-Einzelprofile………………………………………………………………...………188<br />

Anhang XIV, Städtebauliche Optimierung – Sektor 7 Frontportal Kirche St. Martin ......200


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Kapitel 1<br />

Einführung in die Thematik<br />

1.1 Problemstellung Seite 1<br />

1.2 Zielsetzung und Leitthesen Seite 2<br />

1.3 Vorgehensweise und Methodik der Arbeit Seite 3<br />

1.4 Grenzen der Arbeit Seite 6


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Einführung in die Thematik Kapitel 1<br />

Kapitel 1 – Einführung in die Thematik<br />

1.1 Problemstellung<br />

Der demographische Wandel ist einer der wichtigsten gegenwärtigen und zukünftigen gesellschaftli-<br />

chen Prozesse. Aufgrund der Alterung der Bevölkerung einerseits und der Schrumpfung der Gesell-<br />

schaft andererseits, gewinnt das Thema Barrierefreiheit zunehmend an Bedeutung. Der Anteil der<br />

Personen ab 65 Jahren beträgt bereits im Jahr 2008 20 % und wird im Jahre 2050 auf 37 % ansteigen<br />

(siehe Kapitel 2.2.1 Der demographische Wandel in Deutschland). Zudem sind statistisch gesehen im<br />

Jahr 2007 bereits ca. 9 % der Gesamtbevölkerung als schwerbehinderte Menschen festzustellen (sie-<br />

he Kapitel 2.1.5 Statistik zur Anzahl behinderter Menschen).<br />

„Gefordert ist vor allem eine sozial verträgliche Mobilität, die zu keiner Benachteiligung oder stärke-<br />

ren Belastung spezifischer Bevölkerungsgruppen führt. Quantitative und qualitative Mängel in der<br />

Ausgestaltung des Straßen- und Wegenetzes sowie der Angebotsstruktur im ÖPNV mindern die Teil-<br />

habechancen der Bevölkerung am öffentlichen und sozialen Leben. In körperlicher wie finanzieller<br />

Hinsicht in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen und Gruppen sind hiervon in besonderem Maße<br />

betroffen“ 1 . Viele körperliche Beeinträchtigungen treten erst im Alter auf. Schon im Jahr 2008 wird<br />

von einem Anteil von etwa 20 % mobilitätseingeschränkter Personen an der Gesamtbevölkerung<br />

ausgegangen. Dies macht deutlich, dass die Herstellung einer möglichst weitreichenden Barrierefrei-<br />

heit heute notwendiger Bestandteil der Verkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik ist. Die Bundes-<br />

regierung hat die Barrierefreiheit in der Infrastruktur und beim Personenverkehr immer als Quali-<br />

tätsgewinn für alle Menschen verstanden. 2<br />

Aus den beispielhaften Feststellungen des Statistischen Bundesamtes sowie dem Stadtentwicklungs-<br />

bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2008 stellt sich die Frage, wie eine städtische Barrierefrei-<br />

heit festgestellt und gemessen wird. Dies findet in der Regel durch Abgleich mit städtebaulichen Re-<br />

gelwerken (DIN-Normen) oder durch Befragung betroffener Bevölkerungsgruppen statt. Damit wird<br />

die Planung und Politik vordergründig der Mischung von Top-Down- und Bottom-Up-Prinzip gerecht.<br />

Jedoch sind insbesondere die durch Befragung gewonnenen Erkenntnisse vorwiegend subjektiver Art<br />

und spiegeln persönliche Eindrücke oder Situationen befindensabhängig wieder. Zudem stehen erst<br />

kürzlich stattgefundene, negative Situationen im Zusammenhang mit Barrieren stärker im Gedächtnis<br />

niedergeschrieben als diesbezüglich unbewusst wahrgenommene Reaktionen. Dieser Ansatz ist nach<br />

aktuellem Wissensstand nicht falsch, da es an einer Methode zur objektiven Messung des subjekti-<br />

ven Befindens und im weiteren Schluss von Barrieren in der Stadt, <strong>zum</strong> heutigen Stand der Technik,<br />

fehlt. Es ist bisher nicht möglich, effektiv und objektiv Barrieren für mobilitätseingeschränkte Men-<br />

1 Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2008): Stadtentwicklungsbericht der Bundesregierung<br />

2008 – Neue urbane Lebens- und Handlungsräume, Berlin, S. 114. E-Paper:<br />

http://www.bmvbs.de/Anlage/original_1075468/Stadtentwicklungs-bericht-der-Bundesregierung-2008.pdf.<br />

2 Vgl. Ebenda.<br />

1


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

schen aus deren unbewussten und bewussten Wahrnehmung zu erfassen und aufzuzeigen. Die Pla-<br />

nung stützt sich aber in erster Linie auf objektive und valide Daten zur Feststellung von Sachverhal-<br />

ten. Aus dieser Motivation heraus soll dieses Problem der Objektivierung und Validierung solcher<br />

zielgruppenspezifischen Daten <strong>zum</strong> Gewinn der Stadtplanung im Kontext der Barrierefreiheit behan-<br />

delt und ein konkreter methodischer Lösungsvorschlag erarbeitet werden.<br />

1.2 Zielsetzung und Leitthesen<br />

Die einschlägige Zielsetzung der Arbeit ist die Entwicklung eines innovativen, umfassenden Instru-<br />

ments zur Identifikation und Optimierung stadträumlicher Barrieren in einer Mischung von Top-<br />

Down- und Bottom-Ansatz. Der Name des Instrumentes ist EmBaGIS – emotionales Barriere-GIS.<br />

Aufbauend auf umfassenden theoretischen Grundlagen zur Barrierefreiheit und zur innerstädtischen<br />

Lebensqualität soll das genannte Instrument EmBaGIS zur Verbesserung der Barrierefreiheit, inklusi-<br />

ve einer neuen psycho-physiologischen, personenbezogenen Methode zur Messung innerstädtischer<br />

Barrieren, erfolgreich entwickelt und gleichsam erprobt werden. Es sollen somit objektive und valide<br />

Daten der Stadtplanung als „Bottom-Up-Ansatz“ zur Verfügung und in den Kontext eines klassisch<br />

planerischen Top-Down-Ansatzes gestellt werden. Dabei wird in einer empirischen Teilkomponente<br />

das Prinzip des Menschen als Messfühler verfolgt. 3<br />

Zur Messung der Erfahrungen in städtischen Teilräumen werden zunächst Umfrageinstrumente der<br />

selbst-berichteten Bewertung bzw. dem subjektiven Wohlbefinden behandelt und auf ihre Verwen-<br />

dungsmöglichkeit hinsichtlich der Zielsetzung diskutiert. Eine Möglichkeit Erfahrungen Betroffener zu<br />

messen ist die automatisch-unauffällige Aufzeichnungen psychophysiologischer Parameter (Psycho-<br />

physiologisches Monitoring) während der konkreten Bewegung in diesen räumlichen Zusammenhän-<br />

gen. Dabei muss geprüft werden, welche Erfassungsmethode am besten geeignet ist, innerstädtische<br />

Erfahrungen zielorientiert zu erfassen. Insbesondere das psychophysiologische Monitoring soll hier-<br />

bei als neuer Ansatz getestet werden.<br />

Nach einer anwendungs- und ortsbezogenen städtebaulichen Analyse nach DIN-Normen sollen, auf<br />

Grundlage der erzielten Ergebnisse über konkrete, implizit und explizit wirksame Barrieren im inner-<br />

städtischen Lebensraum von mobilitätseingeschränkten und behinderten Menschen, Vorschläge für<br />

die Stadtplanung zur Verbesserung der städtischen Lebensqualität erarbeitet werden. Damit wird die<br />

Schnittstelle zwischen der Gesundheitsforschung und der Stadtplanung im Kontext der Barrierefrei-<br />

heit geschlossen. Des Weiteren gilt es den Einsatz des so entstandenen Instrumentes in informellen<br />

Planungsprozessen zu diskutieren. Zudem stellt sich die Frage, welche Chancen die innovative Mess-<br />

methode des psychophysiologischen Monitorings in der Stadtentwicklung in Zukunft bieten kann.<br />

3<br />

Vgl. Zeile, Peter, Exner, Jan-Philipp, Höffken, Stefan, Streich, Bernd (2010): Menschen als Messfühler – die Kombination<br />

von Geowebmethoden und Sensorik, <strong>Kaiserslautern</strong>, aufgerufen unter:<br />

http://programm.corp.at/cdrom2010/papers2010/CORP2010_44.pdf, abgerufen am 10.04.2010.<br />

2


Einführung in die Thematik Kapitel 1<br />

Da die Messmethode erst in der Erprobung insbesondere durch diese Arbeit steht, werden folgende<br />

Leitthesen formuliert und am Ende der Arbeit erneut auf ihren Inhalt geprüft.<br />

Leitthesen:<br />

1. Es wird bewiesen, dass das psychophysiologische Monitoring die am besten geeignetste Me-<br />

thode ist, innerstädtische Raumerfahrung zu messen und valide sowie objektive Daten für<br />

die Stadtplanung zu liefern.<br />

2. Das psychophysiologische Monitoring identifiziert punktgenau und in ihrer Stärke variierende<br />

Barrieren im innerstädtischen Lebensraum und liefert konkrete Handlungsbedarfe für die<br />

Stadtplanung.<br />

3. Das psychophysiologische Monitoring kann als integrative Bottom-Up-Methode innerhalb<br />

der informellen Bürgerbeteiligung erfolgreich angewandt werden.<br />

4. Das letztendlich entwickelte Instrument des EmBaGIS umfasst alle planerischen und empiri-<br />

schen Aspekte zur konkreten Erfassung stadträumlicher Barrieren.<br />

5. Betroffene Zielgruppen fühlen sich durch das aktive Involvieren in Planungsprozesse durch<br />

das Instrument des EmBaGIS als ernstgenommen.<br />

1.3 Vorgehensweise und Methodik der Arbeit<br />

Die Arbeit „Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS“ wird klassisch mit<br />

einer Einleitung begonnen, welche die Punkte Problemstellung, Zielsetzung und Leitthesen, Vorge-<br />

hensweise und Methodik sowie Grenzen der Arbeit enthält (Kapitel 1).<br />

Theoretische Grundlagen<br />

Durch die Begebenheit der umfassenden und gesellschaftspolitisch wichtigen Thematik sind ein sys-<br />

tematischen Aufarbeiten und Abschichten der theoretischen Grundlagenkomponenten ‚Stadträumli-<br />

che Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen‘, ‚Konzepte und Instrumente<br />

zur Messung der subjektiven Lebensqualität‘ sowie ‚Grundlegende Konzepte und Instrumente der<br />

Emotionsforschung‘ innerhalb der Arbeit unabdingbar. So wird anhand einer Auswertung der rele-<br />

vanten Fachliteratur, Fachzeitschriften und Internetquellen der theoretische Teil inhaltlich ausgefüllt.<br />

Das Kapitel 2 ‚Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen‘<br />

behandelt zunächst allgemeine Begriffsdefinitionen zur Abgrenzung des Untersuchungsraums, zu<br />

Barrieren allgemein und der Barrierefreiheit im Speziellen sowie Beeinträchtigungen in der Innen-<br />

stadt aufgrund von Behinderungen. Damit werden in der Konsequenz allgemeine Anforderungen und<br />

der notwendige Raumbedarf mobilitätseingeschränkter und behinderter Menschen extrahiert. Des-<br />

weiteren werden der demographische Wandel und seine Folgen in der aktuellen Diskussion der Bar-<br />

rierefreiheit inhaltlich betrachtet, um die aktuellen gesellschafts- und behindertenpolitischen Grund-<br />

lagen im Verständnis der Barrierefreiheit in Deutschland zu erfassen. Die rechtlichen Vorgaben sind<br />

3


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

ein weiterer wichtiger Themenkomplex. Die Verankerung der Barrierefreiheit hat auf vielen politi-<br />

schen Ebenen stattgefunden. Dabei wurden zunächst gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen,<br />

welche sich von der UN-Behindertenrechtskonvention, über die Rahmenbedingungen der Europäi-<br />

schen Union, hin in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erstrecken. Die Aufgliederung<br />

erfolgt nicht in einer zeitlichen Perspektive, sondern getreu dem Grundsatz ‚vom großen in den klei-<br />

nen Maßstab‘. Letztendlich wird das Kapitel 2 durch die städtebaulichen Vorgaben zur Barrierefrei-<br />

heit abgeschlossen. Das hier behandelte Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der<br />

Stadtplanung (DIN-Normen) wird im Verlauf der späteren Instrumentenentwicklung und der prakti-<br />

schen Umsetzung erneut aufgefasst und verarbeitet werden.<br />

In der Zielsetzung ist definiert, dass eine Methode gefunden werden soll, welche objektiven und vali-<br />

de Daten zur subjektiven Lebensqualität für stadtplanerische Fragestellungen bereitstellt. Das Kapitel<br />

3 ‚Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität‘ dient der ersten Annähe-<br />

rung an diese Zielsetzung. Die Suche beginnt in der klassischen Lebensqualitätsforschung, welche<br />

eine Reihe von Instrumenten zur Messung des subjektiven Wohlbefindens (‚subjective well-being‘) zu<br />

verschiedenen Konzepten liefert. Dabei wird zwischen Messmethoden des affektiven und kognitiven<br />

Wohlbefindens unterschieden. Nach der Entscheidung die affektiven Moment-zu-Moment-<br />

Emotionen als geeignete Grunddeterminante zur Erfassung des subjektiven Wohlbefindens weiter zu<br />

untersuchen, werden diesbezügliche Messmethoden analysiert. Dabei kristallisiert sich das Ergebnis<br />

heraus, dass die subjektive Lebensqualitätsforschung keine geeignete Methode zur Messung der<br />

mentalen Belastung in Verbindung mit stadträumlichen Barrieren darbieten kann.<br />

Als Konsequenz des Nicht-Greifens der klassischen Instrumente hinsichtlich des Untersuchungsge-<br />

genstandes kann nun wissensbasiert die Emotionsforschung als weiteres Forschungsfeld in die Suche<br />

nach der geeigneten Messmethode mit einbezogen werden (Kapitel 4). Um den Begriff der Emotion<br />

richtig zu verstehen und deuten zu können, wird dieser zunächst definiert und in seine Komponenten<br />

zerlegt. Nach der Untersuchung konkreter Messinstrumente der einzelnen Emotionskomponenten<br />

hat sich das psychophysiologische Monitoring durch die Messung der autonomen Physiologie des<br />

Körpers als geeignete Messmethode für das spätere Planungsinstrument EmBaGIS herausgestellt. So<br />

können mit Hilfe des psychophysiologischen Monitorings affektive Moment-zu-Moment-Emotionen<br />

unauffällig gemessen werden.<br />

Instrumentenentwicklung<br />

Auf Basis der umfassend gewonnenen Erkenntnisse des theoretischen Teils kann nun ein neues, um-<br />

fassendes Instrument zur Identifikation und Optimierung stadträumlicher Barrieren – mit dem Na-<br />

men EmBaGIS - entwickelt werden. Hierbei werden zunächst bisherige Studien zur emotionalen<br />

Stadtkartierung behandelt, welche bereits die Methode des psychophysiologischen Monitorings im<br />

Kontext Stadt angewandt haben. Diese Studien liefern erste Indizien, wie praktikabel die Messme-<br />

thode ist und welche Schlüsse aus der hier verwendeten Vorgehensweise gezogen werden können.<br />

Als Überleitung zur eigentlichen Instrumentenentwicklung wird die Begriffswahl des EmBaGIS erläu-<br />

tert und erste zielorientierte Leistungsmerkmale definiert. Der Mischungsansatz von planerischem<br />

4


Einführung in die Thematik Kapitel 1<br />

Top-Down- und Bottom-Up-Prinzip ist als Grundvoraussetzung des EmBaGIS an dieser Stelle noch-<br />

mals zu betonen. Nach der Begriffsdefinition erfolgt der methodische Aufbau des EmBaGIS mittels<br />

eines mehrstufigen Phasenmodells, welches den Planungsablauf protokolliert. Die unterschiedlich<br />

verwendeten Methodenansätze in den einzelnen Phasen werden im jeweiligen Unterkapitel noch-<br />

mals aufgefasst und explizit erläutert werden. Aus dem mehrstufigen Phasenmodell heraus wird im<br />

Anschluss eine grundlegende Layerstruktur entworfen, um das Instrument EmBaGIS auch in der Pra-<br />

xis für die Implementierung in eine Geoinformations-Software vorzubereiten. Als nächster großer<br />

Schritt gilt es, allgemeine Anforderungen an die Methodik als Bewertungs- und Entscheidungsme-<br />

thode, Basisanforderungen an das EmBaGIS als Geoinformationssystem sowie spezifischen Anforde-<br />

rungen zur empirischen Identifikation stadträumlicher Barrieren auf Grundlage des erarbeiteten Pha-<br />

senmodells zu diskutieren. Die Messmethode des psychophysilogischen Monitorings findet in der<br />

empirischen Teilkomponente des EmBaGIS seine Anwendung. Das Kapitel wird mit der Bedeutungs-<br />

erklärung des EmBaGIS für stadtplanerische Prozesse und als innovatives Produkt für eine nachhalti-<br />

ge Stadtentwicklung abgeschlossen.<br />

Praktische Umsetzung<br />

Nach dem die theoretische Entwicklung des EmBaGIS abgeschlossen ist, soll das Instrument in einem<br />

ersten Test umfassend erprobt werden (Kapitel 6). Hierzu wird eigens eine sogenannte EmBaGIS-<br />

Studie initiiert, welche als Untersuchungsgegenstand die innerstädtische Raumerfahrung und menta-<br />

le Belastung von gehbehinderten Menschen determiniert. Gemäß des entwickelten Phasenmodells<br />

wird das EmBaGIS von der Definition des Planungsanlasses und –Ziels, über eine barrierespezifische<br />

städtebauliche Analyse und einer empirischen Vorortstudie, hin zu einer städtebaulichen Optimie-<br />

rung und der Definition eines konkreten Maßnahmenkatalogs durchdekliniert. Auf den Aspekt der<br />

GIS-Implementierung wird jedoch in dieser ersten Erprobung verzichtet. Dieser Themenkomplex wird<br />

als zielgerichtete Weiterentwicklung in Zukunft in Aussicht gestellt.<br />

Zukünftige Entwicklung<br />

Aus den Erfahrungen der praktischen Umsetzung und den umfassend erarbeiteten Grundlagen in-<br />

nerhalb der Instrumentenentwicklung lassen sich nun Perspektiven der Weiterentwicklung aufzeigen.<br />

Einen hohen Stellenwert bekommt in diesem Zusammenhang die Diskussion, welche enormen Neue-<br />

rungen das EmBaGIS als informelles Planungsinstrument für zukünftige Planungsprozesse beisteuern<br />

kann. Es gilt aber auch, sich kritisch mit erkannten Fehlerquellen, Optimierungsbedarfen und weite-<br />

ren Handlungserfordernissen auseinanderzusetzen.<br />

In einer abschließenden Gesamtbetrachtung wird die Arbeitsleistung nochmals Revue passieren ge-<br />

lassen. Dabei erfolgt eine Überprüfung der zu Beginn definierten Zielsetzung sowie der Leitthesen<br />

und ob diese erfüllt wurden oder nicht.<br />

Schlussendlich lässt sich die Vorgehensweise der Arbeit in einer graphischen Übersicht (siehe Abbil-<br />

dung 1) nochmals zusammenfassen.<br />

5


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

6<br />

Abbildung 1: Vorgehensweise der Arbeit. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

1.4 Grenzen der Arbeit<br />

Das Zusammenführen der umfassenden Grundlagen im theoretischen Teil setzt für die Arbeit eine<br />

zielorientierte und abgeschichtete Vorgehensweise voraus. Nach einer allgemeinen Rahmengebung,<br />

welche in sich aufgrund der komplexen Themen sehr umfassend ist, werden insbesondere für die<br />

empirischen Studien relevante Sachverhalte der Theorie vertieft. Zudem wird nicht nur ein neues,<br />

umfassendes Instrument entwickelt, sondern dieses auch in einer praktischen Umsetzung direkt er-<br />

probt. Dementsprechend spielt das vorgegebene Zeitbudget eine große Rolle in der Ausführung der<br />

einzelnen Kapitel. Trotz einer zielorientierten Vorgehensweise können noch viele Aspekte der Arbeit<br />

weiter vertieft werden, wie die weiteren Optimierungsbedarfe und Handlungserfordernisse in Kapitel


Einführung in die Thematik Kapitel 1<br />

7 beschreiben. Aus dem Grund eine möglichst breite theoretische Fundierung, eine umfassende In-<br />

strumentenentwicklung und eine konkrete praktische Umsetzung in der Arbeit hochqualitativ garan-<br />

tieren zu können, wurde beispielsweise die Implementierung des Instruments in eine Geoinformati-<br />

ons-Software zu diesem Zeitpunkt nicht vorgenommen.<br />

Als weitere Grenze der Arbeit gilt die Akquise der Probanden. Diese findet durch die Präsentation<br />

und Kommunikation der Arbeitsziele im ‚Arbeitskreis Barrierefreie Stadt <strong>Kaiserslautern</strong>‘ statt und<br />

ermöglicht hierdurch den Zugang über Interessensvertreter zu Heimen und Institutionen mit Men-<br />

schen mit Behinderung. Diese Art der Akquise hat nicht ausgereicht, eine genügend große Zahl an<br />

Probanden bereitzustellen, um der ersten EmBaGIS-Studie einen repräsentativen Charakter zu ver-<br />

leihen. Durch eine möglichst hohe Probandenzahl kann durch das statistische Bilden von Mittelwer-<br />

ten in den physiologischen personenbezogenen Daten, Fehler, sogenannte Artefakte, beseitigt wer-<br />

den. Somit bleibt in der angewandten EmBaGIS-Studie nicht aus, dass einzelne besonders stressanfäl-<br />

lige Probanden das Ergebnis eventuell verfälschen könnten. Jedoch ist an<strong>zum</strong>erken, dass eine geringe<br />

Zahl an Probanden vor dem Hintergrund des begrenzten Zeitbudgets, die korrekte Auswertung der<br />

EmBaGIS-Studie begünstigt hat.<br />

Im Vorlauf der ersten tatsächlichen EmBaGIS-Studie hat bereits eine Vorstudie mit sehbehinderten<br />

und blinden Menschen in der Fußgängerzone von <strong>Kaiserslautern</strong> stattgefunden. Diese Vorstudie be-<br />

sitzt noch umfassendes Datenmaterial, welches die Vorstudie zu einer echten EmBaGIS-Studie entwi-<br />

ckeln könnte. Da jedoch <strong>zum</strong> Zeitpunkt der Durchführung der Vorstudie noch keine optimierte Vor-<br />

gehensweise zur Durchführung einer solchen Studie vorgelegen hat und die Datenauswertung sich<br />

deshalb als ganz besonders aufwendig darstellt, ist diese nur exemplarisch zu weiteren<br />

Akquisezwecken aufbereitet worden.<br />

7


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Kapitel 2<br />

Stadträumliche Barrieren für<br />

behinderte und mobilitätseinge-<br />

schränkte Menschen<br />

2.1 Begriffsdefnition Seite 8<br />

2.2 Der Demographische Wandel und seine Folgen in der aktuellen<br />

Diskussion zur Barrierefreiheit Seite 19<br />

2.3 Rechtliche Vorgaben Seite 30<br />

2.4 Städtebauliche Vorgaben Seite 38<br />

2.5 Zwischenfazit Seite 47


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

Kapitel 2 – Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte<br />

und behinderte Menschen<br />

Das zweite Kapitel, gleichzeitig der erste inhaltliche Baustein der Arbeit, wendet sich als Einstieg dem<br />

Themenkomplex der stadträumlichen Barrieren für behinderte und bewegungseingeschränkte Men-<br />

schen zu. Eine Schrittweise Annäherung an das Thema bestimmt die Vorgehensweise. Zunächst wer-<br />

den für das Verständnis grundlegend wichtige Begriffe, wie beispielsweise „Barriere“, „Barrierefrei-<br />

heit“ und der Kreis der Betroffenen, definiert und erläutert. Der demographische Wandel und seine<br />

Folgen geben weiteren Aufschluss über die Brisanz und Aktualität der Thematik in und für Deutsch-<br />

land und führen in der Konsequenz zu einer komplexen, politischen Diskussion. Das Kapitel umfasst<br />

damit alle grundlegenden Wirkungsbereiche des Themas der Barrierefreiheit. Die städtebaulichen<br />

Vorgaben runden letztendlich das Kapitel ab und liefern in Form von technischen Regelwerken im<br />

baulichen Bereich zu einem breiten Instrumentarium zur Bewältigung stadträumlicher Barrieren.<br />

Dieses Instrumentarium dient gleichermaßen dem Zweck eines planerischen Top-Down-Ansatzes,<br />

welcher insbesondere in der späteren Methodenentwicklung wiederum <strong>zum</strong> Einsatz kommt.<br />

2.1 Begriffsdefinitionen<br />

Zu einem sicheren Verständnis des Themas Barrieren und Barrierefreiheit im innerstädtischen Le-<br />

bensraum ist es zunächst notwendig den innerstädtischen öffentlichen vom privaten Raum zu unter-<br />

scheiden. Das Credo liegt innerhalb der Studien auf dem öffentlichen unbebauten Raum, welcher von<br />

jedem Mensch frei begangen werden kann und somit auch „barrierefrei“ gestalten werden muss. Es<br />

stellt sich die daraufhin die Frage: Was wird überhaupt unter einer Barriere verstanden? Und was ist<br />

in diesem Zusammenhang unter „Barrierefreiheit“ zu verstehen? Diese Fragestellungen werden im<br />

Folgenden behandelt.<br />

2.1.1 Definition des öffentlichen Raumes<br />

„Unter dem Begriff des öffentlichen Raumes ist der Zusammenschluss aller öffentlich zugänglichen<br />

Lokalitäten zu verstehen. Öffentlich zugänglich bedeutet hierbei, dass ein Gelände oder Gebäude von<br />

jeder Person betreten werden darf, ohne dass diese bestimmte Voraussetzung zu erfüllen hat. Zu<br />

diesen zählen im Allgemeinen folgende: Angehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht, Verfüg-<br />

barkeit von finanziellen Mitteln, Verbindungen zu bestimmten Personen, ein Arbeitnehmerverhältnis<br />

oder eine Mitgliedschaft.<br />

Der öffentliche Raum [in diesem Zusammenhang der öffentliche Stadtraum] setzt sich zusammen aus<br />

Verkehrsflächen, Grünanlagen und öffentlich zugänglichen Gebäuden und Grundstücken wie z.B.<br />

8


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Kindergärten, Schulen, Ämter, Postfilialen, Bahnhöfe, Krankenhäuser, Schwimmbäder, Museen und<br />

Kirchen.“ 4<br />

2.1.2 Definition des privaten Raumes<br />

Der private Raum grenzt sich dagegen vom öffentlichen Raum ab. Im privaten Raum ist die Zugäng-<br />

lichkeit auf die Personen beschränkt, welche sich in dessen Eigentum (auch durch Miete) befinden<br />

und diesen Raum ausschließlich für sich nutzen. Die exklusive Privatsphäre ist hier die ausschlagge-<br />

bende Eigenschaft dieses Raumtypes.<br />

2.1.3 Was ist eine Barriere?<br />

Der Begriff „Barriere“ ist ein facettenreicher Begriff, der aus unterschiedlichen Gesichtspunkten be-<br />

trachtet werden kann. Für die Planung spielt nicht nur die physische Barriere, sondern auch die per-<br />

sonenbezog wahrgenommene Barriere eine Rolle. Es gilt die Verbindung zwischen Mensch und Pla-<br />

nung zur erfolgreichen Bewältigung des Themas „Barrieren im innerstädtischen Lebensraum“ und<br />

damit einhergehend auch der Lebensqualität für Menschen mit Behinderung herzustellen.<br />

2.1.3.1 Barrierebegriff allgemein und im Kontext der physischen Umwelt<br />

Der Begriff der Barriere beschreibt in erster Linie etwas Negatives, das auf den Menschen einschrän-<br />

kend wirkt. Diese Einschränkung kann einen materiellen, aber auch einen ideellen Charakter tragen. 5<br />

Der Begriff „Barriere“ wird meist als „Synonym für ein Hindernis, das ein Individuum, eine Gruppe<br />

oder Organisation, aber auch eine ganze Gesellschaft am Erreichen eines bestimmten Ziels<br />

*ge+hindert“ 6 bestimmt. Im Kontext von Stadt wird insbesondere von physikalischen Barrieren ge-<br />

sprochen. Barrieren, welche nur mit physikalischem Kraftaufwand zu bewältigen sind, sind somit als<br />

eigentliche Behinderung der betroffenen Menschen anzusehen. Hierdurch sind für Menschen mit<br />

Behinderung gleichwohl Mobilitätseinschränkungen in unterschiedlichen Ausformungen gegeben.<br />

Dies können beispielweise Barrieren bei motorischen Behinderungen wie Bordsteinkanten, nicht-<br />

verfugte und ungleichmäßige Bodenbeläge oder auch vertikale Höhenunterschiede und damit ver-<br />

bunden Steigungen und Gefälle für steh- und gehbehinderte Menschen sein. Sensorische Behinde-<br />

rungen bei blinden und sehbehinderten sowie tauben und hörbehinderte Menschen müssen dage-<br />

gen durch akustische oder visuelle Informationen, welche die intakten Sinnesfunktionen ansprechen,<br />

4 Internetauftritt des Instituts für Baubetriebslehre der <strong>Universität</strong> Stuttgart, aufgerufen unter: http://www.ibl.unistuttgart.de/wiki/index.php/Barrierefreies_Bauen_im_%C3%B6ffentlichen_Raum,<br />

abgerufen am 08.04.2010.<br />

5 Vgl. Ebenda.<br />

6 Leidner, Rüdiger; Neumann, Peter; Rebstock, Markus (2006): Leben ohne Barrieren in Design für Alle und Barrierefreiheit<br />

als Herausforderung für Kommunen, EUROPA kommunal Heft 6/2006, S.204.<br />

9


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

ausgeglichen werden. 7 „Barrieren können jedoch auch Schutzfunktionen erfüllen. Dies könnte z.B. in<br />

Form einer Absturzsicherung vorliegen. Hierbei spricht man häufig von "positiven Barrieren".“ 8<br />

2.1.3.2 Ergänzung der Barrieredefinition durch mentale Belastung und Stress<br />

Der Begriff der „Barriere“ wird im Kontext der Arbeit um eine weitere Komponente ergänzt. Barrie-<br />

ren, je nach ihrem Stärkegrad, lösen beim betroffenen Menschen auch unterschiedlich starke menta-<br />

le Belastung aus; d.h. die Information beim Auftreffen und Begreifen einer Barriere löst ein mentales,<br />

sprich psychisches Signal im Kopf des Betroffenen aus, was automatisch zu Stress führt. Folgende<br />

Definitionen von Stress unterstreichen diese Aussage zusätzlich. Stress wird unter anderem durch<br />

„Situationen, in denen eine Diskrepanz zwischen den persönlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten<br />

und den Anforderungen von außen herrscht, z. B. in Bezug auf Qualifikation, Zeit und Energie, und<br />

Situationen, in denen man sich überfordert oder unzulänglich fühlt,“ 9 ausgelöst. Der Körper reagiert<br />

in diesem Zusammenhang dann mit Stressreaktionen wie beispielsweise Schweißbildung, Hauttem-<br />

peratur- und Pulsveränderung. 10<br />

Dies lässt den Schluss zu, dass eine kausale Wirkungskette zwischen mentalen und physischen Barrie-<br />

ren besteht. Das Auftreffen auf eine physische Barriere löst eine mentale Belastung aus, welche zu<br />

Stress führt. Dieser Stress ist als Hindernis in der städtischen Lebensqualität von Menschen mit Be-<br />

hinderung anzusehen.<br />

2.1.3.3 Physische und mentale Barrieren als verschiedene Betrachtungsebenen<br />

Physische Barrieren werden im planerischen Kontext durch bestimmte Regelwerke (DIN-Normen)<br />

definiert und von betroffenen Menschen erfahren. Mentale Barrieren dagegen sind nur durch die<br />

Wahrnehmung betroffener Menschen festzustellen und durch die Veränderung der Körperfunktio-<br />

nen zu messen. Im Planungsprozess kann diese Mischung beider Gesichtspunkte (Planung und<br />

Mensch) als Mischung des „Top-Down-Prinzips“ und „Bottom-Up-Prinzips“ angesehen werden.<br />

Die getroffenen Aussagen zur Ergänzung des Barrierebegriffs durch die Erfahrung mentaler Belastung<br />

und somit auch Stress ist ein Kernthema dieser Arbeit und wird in besonderem Maße untersucht<br />

werden. Es ist deshalb notwendig für die folgenden Kapitel diesem Aspekt weiter Rechnung zu tra-<br />

gen.<br />

7 Vgl. Leidner, Rüdiger; Neumann, Peter; Rebstock, Markus (2006): Leben ohne Barrieren in Design für Alle und Barrierefreiheit<br />

als Herausforderung für Kommunen, EUROPA kommunal Heft 6/2006, S.205.<br />

8 Internetauftritt des Instituts für Baubetriebslehre der <strong>Universität</strong> Stuttgart, http://www.ibl.unistuttgart.de/wiki/index.php/Barrierefreies_Bauen_im_%C3%B6ffentlichen_Raum,<br />

abgerufen am 08.04.2010.<br />

9 Internettauftritt zu Burnout und chronischer Erschöpfung, aufgerufen unter: http://www.burnouterschoepfung.com/burn-out/phasen/akute-stressbe-ueberlastung,<br />

abgerufen am 25.06.2010.<br />

10 Vgl. Internetauftritt des Zentrums für ambulante Medizin in VS-Schwenningen, aufgerufen unter:<br />

http://www.aerztehaus-vs.de/stressbelastungstest.html, abgerufen am 25.06.2010.<br />

10


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

2.1.4 Was ist Barrierefreiheit?<br />

Der Begriff der Barrierefreiheit ist vielseitig geprägt und durch seine Wichtigkeit in der heutigen Le-<br />

benswelt gesetzlich definiert:<br />

a) Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen § 4:<br />

„Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände,<br />

Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommuni-<br />

kationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in<br />

der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe<br />

zugänglich und nutzbar sind.“ 11<br />

b) DIN Fachbericht 124 - Leitsätze zur Gestaltung barrierefreier Produkte:<br />

„Die Eigenschaft eines Produktes, das von möglichst allen Menschen in jedem Alter mit unterschied-<br />

lichen Fähigkeiten weitgehend gleichberechtigt und ohne Assistenz bestimmungsgemäß benutzt<br />

werden kann. (Barrierefrei ist nicht allein mit hindernisfrei im physikalischen Sinne gleichzusetzen<br />

(siehe auch DIN 33942), sondern bedeutet auch zugänglich, erreichbar und nutzbar.)“ 12<br />

Die gesetzlichen Definitionen beinhalten nicht direkt den Aspekt der Verhinderung mentaler Belas-<br />

tung. Jedoch wird im indirekten Sinne der Stressvermeidung Rechnung getragen. Durch die Formulie-<br />

rungen „ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar<br />

sind“ *BGG §4+ oder „möglichst allen Menschen in jedem Alter mit unterschiedlichen Fähigkeiten“<br />

sowie „ohne Assistenz bestimmungsgemäß benutzt werden kann“ *beides DIN Fachbericht 124+ wirkt<br />

der Stressdefinition aus Kapitel 2.1.3.3 entgegen.<br />

2.1.5 Beeinträchtigungen in der Innenstadt aufgrund von Behinderungen<br />

Der Begriff der Behinderung wurde bisher als selbstverständlich verwendet. Jedoch ist es notwendig<br />

den Begriff im städtischen Kontext nochmals aufzunehmen und weiter zu erläutern.<br />

Die Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organisation) kennt definitionsgemäß drei<br />

verschiedene Begriffsbestimmungen und Interpretationen von Behinderung:<br />

1. Schädigung (impairment) = Jeder permanenter oder zeitlicher Verlust oder Abnormität der Funkti-<br />

onen oder Strukturen des Körpers in psychischer oder physiologischer Ausprägung. Eine Schädigung<br />

ist eine Störung, welche Funktionen des Körpers essentiell mental oder anatomisch angreift.<br />

11 Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen bzw. Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) der Bundesrepublik<br />

Deutschland §4, letzte Änderung durch: Art. 12 G vom 19. Dezember 2007<br />

(BGBl. I S. 3024, 3034).<br />

12 Deutsches Institut für Normung e.V. DIN (2002): DIN Fachbericht 124 - Gestaltung barrierefreier Produkte, Beuth-Verlag<br />

(Hrsg.), Berlin, Punkt 2.3.<br />

11


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

2. Beeinträchtigung (disability) = Gilt als Restriktion oder Unfähigkeit eine Aktivität durchzuführen,<br />

welche für nicht-beeinträchtigte Menschen problemlos möglich ist und in der Regel aus einer Schädi-<br />

gung resultiert.<br />

3. Behinderung (handicap) = Wird als körperliche oder mentale Benachteiligung einer Person, resul-<br />

tierend aus einer Schädigung oder Beeinträchtigung, gewertet. 13<br />

In diesem Sinne gibt es einige Faktoren, welche von einer Schädigung oder Beeinträchtigung zu einer<br />

Behinderung führen. Diese Faktoren werden <strong>zum</strong> einen vom Individuum selbst bestimmt. Hier zählen<br />

physische und psychische Disposition, die Art und Schwere der Beeinträchtigung, aber auch das ge-<br />

sellschaftliche und soziale Umfeld eine entscheidende Rolle. Letzteres gibt Aufschluss in welchem<br />

Maß eine Unterstützung und Hilfestellung geboten und von Nöten ist. 14<br />

Eine weitere Definition von Behinderung ist die sozialrechtliche Definition gemäß SGB IX § 2 Abs. 1<br />

Satz 1 und lautet wie folgt:<br />

„Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Ge-<br />

sundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typi-<br />

schen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie<br />

sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.“ 15<br />

Auch das Sozialgesetzbuch stellt einen Bezug zur Gesellschaft her. Damit wird deutlich, dass eine<br />

Behinderung, nebst den körperlichen und mentalen Merkmalen, auch eine soziale Komponenten,<br />

nämlich die der Ausgrenzung in der Gesellschaft, enthält.<br />

„Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung [auf die Teilhabe am Leben] werden durch den<br />

Grad der Behinderung (GdB) ausgedrückt, abgestuft nach Zehnergraden von 50 bis 100. Die Art der<br />

Behinderung wird anhand eines umfangreichen Kataloges von insgesamt 55 verschiedenen Behinde-<br />

rungen erfasst.“ 16<br />

Schwerbehinderte Menschen sind jene Personen, die einen Grad der Behinderung von 50 oder mehr<br />

besitzen und dieser von den Versorgungsämtern zuerkannt worden ist. 17<br />

Statistik zur Anzahl behinderter Menschen<br />

Aufgrund der Anzahl vieler unterschiedlicher Behinderungen gestaltet es sich sehr schwierig verläss-<br />

liche Zahlen über die Häufigkeit und die verschiedenen Ausprägungen von Behinderungen zu erhal-<br />

13<br />

Vgl. Barbotte, Eric; Guillemin, Francis; Chau, Nearkasen; The Lorhandicap Group (2001): Prevalence of impairments, disabilities,<br />

handicaps and quality of life in the general population: a review of recent literature, in: Bulletin of the World<br />

Health Organization, 2001, 79 (11), S. 1047. E-Paper: http://www.who.int/bulletin/archives/79%2811%291047.pdf, abgerufen<br />

am 13.07.2010.<br />

14<br />

Vgl. Mönch-Kalina, Sabine; Mahnke, Stephanie (2007): Behinderung – was ist das?, Hochschule Wismar, S.1. E-Paper:<br />

http://www.kita-portal-mv.de/documents/behinderung._begriff.1pdf.pdf, abgerufen am 13.07.2010.<br />

15<br />

Sozialgesetzbuch IX der Bundesrepublik Deutschland § 2 Abs. 1 Satz 1, letzte Änderung durch: Art. 2 G vom 30. Juli 2009<br />

(BGBl. I S. 2495).<br />

16<br />

Mönch-Kalina, Sabine; Mahnke, Stephanie (2007): Behinderung – was ist das?, Hochschule Wismar, S.3. E-Paper:<br />

http://www.kita-portal-mv.de/documents/behinderung._begriff.1pdf.pdf, abgerufen am 13.07.2010.<br />

17<br />

Vgl. Statistischen Bundesamt (Hrsg.) (2009): Sozialleistungen – Schwerbehinderte Menschen, in: Fachserie 13 Reihe 5.1,<br />

Wiesbaden, S. 5.<br />

12


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

ten. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine staatliche Meldepflicht für körperliche oder<br />

geistige Behinderung, da dies Privatsache ist. Daher sind Zahlen der Leistungsträger wie Krankenkas-<br />

sen und Rentenversicherungen sowie wissenschaftliche Untersuchungen einer Gesamterfassung<br />

dienlich. Letztere begrenzen sich jedoch in der Regel auf eine bestimmte Behinderungsform und eine<br />

bestimmte Untersuchungsregion. 18 „Ein anderes Problem liegt in der Art der objektiven Zuschrei-<br />

bung. Eine Kategorisierung unter dem Begriff „Gehbehinderung“ kann für den einzelnen eine höchst<br />

unterschiedliche Ausprägung der Beeinträchtigung bedeuten, von der problemlosen Bewältigung des<br />

Alltags bis zur vollständigen Immobilität.“ 19<br />

13<br />

Alter Jahr<br />

Alle Alters-<br />

gruppen<br />

Unter 18 Jah-<br />

re<br />

18 bis unter<br />

25 Jahre<br />

25 bis unter<br />

35 Jahre<br />

35 bis unter<br />

45 Jahre<br />

46 bis unter<br />

55 Jahre<br />

55 bis unter<br />

60 Jahre<br />

60 bis unter<br />

62 Jahre<br />

62 bis unter<br />

65 Jahre<br />

65 Jahre und<br />

älter<br />

1985 1993 2001 2003 2005 2007<br />

5.371.634 6.384.348 6.711.797 6.638.892 6.765.355 6.918.172<br />

117.353 144.869 164.901 164.456 161.555 160.145<br />

12.163 100.861 101.247 106.209 111.722 117.157<br />

192.559 275.719 227.247 210.406 200.061 200.510<br />

279.408 359.191 464.455 476.492 468.581 447.270<br />

712.432 735.750 734.219 770.516 794.660 826.264<br />

674.518 746.026 591.238 568.325 607.467 650.827<br />

352.528 307.771 390.301 319.984 282.040 286.327<br />

569.016 535.228 570.797 596.952 535.298 473.602<br />

2.348.595 3.178.933 3.467.392 3.425.552 3.603.971 3.756.070<br />

Tabelle 1: Schwerbehinderte Menschen mit Ausweis nach Altersgruppen. Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der<br />

Gesundheitsberichtserstattung des Bundes, www.gbe-bund.de, auf Datengrundlage des Statistischen Bundesamtes.<br />

Eine Möglichkeit eine annähernde Gesamtschau statistischer Daten zu ermöglichen, liefert das Statis-<br />

tische Bundesamt sowie die Gesundheitsberichterstattung des Bundes, welche ihre Veröffentlichun-<br />

18 Englisch, Andrea (2008): Barrierefreie Stadtplanung – Anforderungen, Gesetzesgrundlagen, Gestaltungsvorschläge, Leip-<br />

zig, S. 7.<br />

19 Ebenda, S.7.


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

gen auf Zahlen der Versorgungsämter stützt. 20 Dabei werden leicht behinderte und Schwerbehinder-<br />

te mit einem Behinderungsgrad von mindestens 50 erfasst.<br />

Das Statistische Bundesamt konstatiert <strong>zum</strong> 21. Dezember des Jahres 2007 ca. 6.9 Millionen schwer-<br />

behinderte Menschen, welche bei den Versorgungsämtern amtlich anerkannt sind (siehe Tabelle 1).<br />

Zu diesem Zeitpunkt ist dies ein Anteil von rund 8,4 % der Gesamtbevölkerung. 51,9 % der Betroffe-<br />

nen sind Männer. Zudem ist festzustellen, dass über drei Viertel des Personenkreises älter als 55<br />

Jahre sind. Dies ist ein erwartungsgemäßer Wert, der einer Fortschreitung im Alter eine immer grö-<br />

ßer werdende Zahl von Schwerbehinderten gegenüberstellt. Genauere Statistiken des Bundes geben<br />

derweil an, dass 28,4 % aller Schwerbehinderten 75 Jahre und älter sind, knapp die Hälfte, sprich 46,3<br />

%, bewegen sich in der Altersgruppe zwischen 55 und 75 Jahren. Der Anteil der unter 25-jährigen fiel<br />

mit 4,0 % dagegen gering aus. 21<br />

„Am Häufigsten litten schwerbehinderte Menschen unter körperlichen Behinderungen (64,3 %): Bei<br />

25,3 % der Personen waren hauptsächlich die inneren Organe bzw. Organsysteme betroffen. Bei 13,8<br />

% waren Arme und Beine in ihrer Funktion eingeschränkt, bei weiteren 12,6 % Wirbelsäule und<br />

Rumpf. In 5,0 % der Fälle lag Blindheit oder Sehbehinderung vor. 3,8 % litten unter Schwerhörigkeit,<br />

Gleichgewichts- oder Sprachstörungen.<br />

Auf geistige oder seelische Behinderungen entfielen zusammen 9,9% der Fälle, auf zerebrale Störun-<br />

gen 9,0 %. Bei den übrigen Personen (16,8 %) war die Art der schwersten Behinderung nicht ausge-<br />

wiesen.“ 22<br />

Diese insgesamt festzustellende steige Tendenz der Schwerbehindertenzahlen wird sich höchstwahr-<br />

scheinlich aufgrund des demographischen Wandels und der zunehmenden Überalterung der Men-<br />

schen weiter verfestigen. Die wachsende Gruppe der Seniorinnen und Senioren erfahren altersbe-<br />

dingt zunehmend körperliche Einschränkungen, welche sich auch in deren Mobilitätsverhalten nie-<br />

derschlagen. 23 Damit rückt das Thema Barrierefreiheit zukünftig immer weiter in den Fokus der Ge-<br />

sellschaft.<br />

Arten von Behinderung<br />

Anforderungen an die barrierefreie Stadtplanung und somit auch barrierefreies Bauen sind in Abhän-<br />

gigkeit der verschiedenen Arten von Behinderung zu identifizieren und zu bewerten. Zusätzlich wird<br />

darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Arten von Behinderung kumulativ wirken, sprich einer<br />

körperlichen Behinderung geht oftmals eine geistige Behinderung voraus.<br />

20<br />

Vgl. Internetauftritt der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, aufgerufen unter: http://www.gbebund.de/gbe10/hrecherche.prc_datenquellen?p_aid=92183231&p_uid=gast&p_sprache=D&p_knoten=STBA&tk=51310&tk<br />

2=51311&cnt_ut=1&ut=51311, abgerufen am 13.07.2010.<br />

21<br />

Vgl. Statistischen Bundesamt (2009): Sozialleistungen – Schwerbehinderte Menschen, in: Fachserie 13 Reihe 5.1, Wiesbaden,<br />

S. 7.<br />

22<br />

Statistischen Bundesamt (2009): Sozialleistungen – Schwerbehinderte Menschen, in: Fachserie 13 Reihe 5.1, Wiesbaden,<br />

S. 7.<br />

23<br />

Vgl. Haustein, Sonja; Stiewe, Mechthild (2010): Mobilitätsverhalten von Seniorinnen und Senioren – zur Entwicklung<br />

zielgruppenspezifischer Mobilitätsangebote, in: trends 1/10, ILS - Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung,<br />

Dortmund, S. 1. E-Paper: http://www.ils-forschung.de/down/trends_1_2010.pdf.<br />

14


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Aufgrund der vielen verschiedenen Arten von Behinderungen ist es erforderlich Hauptkategorien zu<br />

spezifizieren und deren Einschränkungen aufzuzeigen. Die betreffende Fachliteratur 24 setzt folgende<br />

Kategorisierungen ein:<br />

Geh- und Stehbehinderte (einschließlich Rollstuhlfahrer)<br />

Greifbehinderte<br />

Kleinwüchsige<br />

Blinde und Sehbehinderte<br />

Gehörlose und Hörbehinderte<br />

Geistig Behinderte<br />

Psychisch Behinderte<br />

Im weiteren Sinne werden planungsbezogen ebenfalls Senioren, Schwangere, Kinder, Kranke und<br />

Personen mit Kinderwagen oder Gepäck als Mobilitätseingeschränkte gezählt. 25<br />

Die genannten Hauptkategorien werden im Folgenden zielorientiert ausgewählt und analysiert. Der<br />

Fokus liegt hierbei auf Geh- und Stehbehinderte (einschließlich Rollstuhlfahrer), Blinde und Sehbe-<br />

hinderte sowie geistig Behinderte, welche zu ihrer kognitiven Einschränkung oftmals auch körperli-<br />

che Einschränkungen erfahren. Diese drei Gruppen spielen im innerstädtischen Kontext in Verbin-<br />

dung mit der späteren Analyse der Fußgängerzone von <strong>Kaiserslautern</strong> die größte Rolle.<br />

2.1.5.1 Geh- und stehbehinderte Menschen(einschließlich Rollstuhlfahrer)<br />

Die Gruppe der Gehbehinderten trifft im alltäglichen Leben im innerstädtischen Raum auf etliche<br />

Barrieren, da sie sich meistens nur mit Hilfsmittel fortbewegen können. Insbesondere das Bewältigen<br />

langer Wege, beispielweise durch die Innenstadt, bringt eine hohe körperliche und mentale Ermü-<br />

dung mit sich. Höhenunterschiede, gleich ob diese über Treppen oder Rampen zu bewältigen sind,<br />

stellen meist unüberwindliche Barrieren dar, auf welche baulich reagiert werden muss. Auch Boden-<br />

beläge müssen eben und zugleich griffig gestaltet sein, um ein leichtes Gehen zu ermöglichen. Geh-<br />

behinderte brauchen zur sicheren Fortbewegung deutlich mehr Raum als Nichtbehinderte. 26 Zusätz-<br />

lich ist die geringere Bewegungsgeschwindigkeit von Bedeutung. Sie können deshalb plötzlich auftre-<br />

tenden Gefahren oft nicht schnell genug ausweichen. „Dadurch kann die Verkehrssicherheit beein-<br />

24<br />

Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />

Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 7.<br />

und<br />

Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.)(2000): Bürgerfreundliche und behindertengerechte<br />

Gestaltung des Straßenraums: Ein Handbuch für Planer und Praktiker, in: „direkt“-Schriftenreihe Nr. 54_2000, Berlin, S. 11.<br />

25<br />

Vgl. Englisch, Andrea (2008): Barrierefreie Stadtplanung – Anforderungen, Gesetzesgrundlagen, Gestaltungsvorschläge,<br />

Leipzig, S. 9.<br />

26<br />

Vgl. Weidert, Jean-Luc (2000): Behindertengerechter öffentlicher Straßenraum unter besonderer Berücksichtigung Gehund<br />

Sehbehinderter, in: IVS-Schriften Band 8, TU Wien – Institut für Verkehrssystemplanung, Wien, S.11.<br />

15


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

trächtigt werden. Derartige Probleme entstehen besonders bei der Überquerung von Straßen. Au-<br />

ßerdem sind Gehbehinderte stark umwegempfindlich.“ 27<br />

Die Bezugsgruppe der Rollstuhlfahrer ist differenzierter anzusehen. Deren Schwierigkeiten und Ver-<br />

haltensweisen resultieren im Wesentlichen aus der Art der Behinderung und den unterschiedlichen<br />

Rollstuhltypen. 28 Diese Rollstuhltypen unterscheiden sich in ihren Antriebsarten:<br />

1. Greifreifenantrieb: Die an den großen Rädern seitlich angebrachten Greifreifen sind die häu-<br />

figste Antriebsart.<br />

2. Hebelantrieb: Mit Hilfe eines Hebels, welcher an den großen Rädern angebracht ist, wird<br />

mittels Armkraft die Fortbewegung gewährt.<br />

3. Elektroantrieb: Betroffene, welche keinen Greifreifen- oder Hebelantrieb mehr bedienen<br />

können, sind auf einen Elektroantrieb angewiesen, welcher mit einer elektrischen Steuerung<br />

für die Fahrtrichtung und Geschwindigkeit ausgestattet ist. Der Elektroantrieb ist oftmals<br />

auch das letzte Hilfsmittel für diejenige Behinderte, welche aufgrund zerebraler und geistiger<br />

Behinderung massive Funktionsstörungen des Körpers erlitten haben. 29<br />

Für Rollstuhlfahrer sind insbesondere Höhenunterschiede problematisch, da sie in der Regel nur mit<br />

Hilfe Dritter zu überwinden sind. Dies gilt auch für Rampen, da sich hier der Schwerpunkt des Roll-<br />

stuhlfahrers extrem nach hinten verlagert und er dadurch kaum in der Lage ist Anrampungen oder<br />

Steigungen selbständig zu bewältigen. Treppenstufen stellen für sie ein unüberwindliches Hindernis<br />

dar. Sie „haben auch häufig Schwierigkeiten, wichtige Bedienungsvorrichtungen, z.B. an Lichtsignal-<br />

anlagen, zu erreichen.“ 30<br />

Abbildung 2: Greifreifenantrieb (links), Hebelantrieb (mitte), Elektroantrieb (rechts). Quelle: Eigene Zusammenstellung. 31<br />

27<br />

Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />

Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 7.<br />

28<br />

Vgl. Ebenda S. 8.<br />

29<br />

Vgl. Stemshorn, Axel (1999): Bewegungshilfen, Rollstühle, in: Barrierefrei – Bauen für Behinderte und Betagte;<br />

Stemshorn, Axel (Hrsg.), Leinfelden-Echterdingen, S.64 f.<br />

30<br />

Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />

Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 8.<br />

31<br />

(links) Internetauftritt der Firma Home of care, aufgerufen unter:<br />

http://www.homeofcare.de/images/product_images/original_images/050085.jpg,<br />

(mitte) Internetauftritt der Firma Rotec, aufgerufen unter:<br />

16


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Stehbehinderte Menschen haben dagegen aufgrund von Rückenschmerzen die Erschwernis bei lan-<br />

gen Wartevorgängen, bspw. an Haltestellen oder dem Stehen in Verkehrsmitteln.<br />

Wird wiederum die Statistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2007 herangezogen, lassen<br />

sich bei den Schwerbehinderten ca. 26 % der Betroffenen ausmachen, welche dieser Kategorie der<br />

Geh- und Stehbehinderten entsprechen. Im Detail sind dies zu Ende 2007 13,8 % mit einer Funkti-<br />

onseinschränkung der Arme und Beine und 12,6 % der Wirbelsäule und Rumpf. 32<br />

2.1.5.2 Blinde und sehbehinderte Menschen<br />

Blinde und sehbehinderte Menschen unterscheiden sich im Grad des Sehrests. „Blinde Menschen<br />

haben keinen verwendbaren Sehrest.“ 33 Die fehlende visuelle Wahrnehmung bedarf ausreichend<br />

akustischen und taktilen Informationen und Signalen zur Orientierung. Dies wird in der Regel über<br />

Leitsysteme für blinde und sehbehinderte Menschen gewährleistet (siehe Kapitel 2.4.3.1 und<br />

2.4.3.2). Straßen können beispielsweise nur an Übergängen mit speziellen Signalanlagen überwun-<br />

den werden oder es bedarf Hilfe Dritter. Gefahrenobjekte und Hindernisse werden mit Hilfe des<br />

Langstocks ertastet und wahrgenommen. Es kann aber auch ein begleitender ausgebildeter Blinden-<br />

hund zur Seite gestellt werden.<br />

Abbildung 3: (links) Gebrauch eine Blindenlangstocks, (rechts) Blindenhund. Quelle: (links) Eigene Aufnahme, (rechts) Blin-<br />

denhund 34<br />

http://www.rotec-leipzig.de/standardrollstuehle_1_406_faltrollstuhl_mit_hebelantrieb.html,<br />

(rechts) Internetauftritt des Reha Team Neumarkt, aufgerufen unter:<br />

http://reha-team-neumarkt.de/nathus/fdserver/226/image_28320_3.jpg,<br />

alle abgerufen am 09.08.2010.<br />

32 Vgl. Statistischen Bundesamt (2009): Sozialleistungen – Schwerbehinderte Menschen, in: Fachserie 13 Reihe 5.1, Wiesba-<br />

den, S. 7.<br />

33 Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />

Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 8.<br />

34 (links) Eigene Aufnahme <strong>zum</strong> europaweiten Aktionstag für Menschen mit Behinderung am 05.05.2010. (rechts) Internetauftritt<br />

des schweizer Vereins für Blindenhunde und Mobilitätshilfen VBM, aufgerufen unter: http://www.blindenhund.ch/,<br />

abgerufen am 09.08.2010.<br />

17


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

Hochgradig sehbehinderte Menschen dagegen verfügen noch über einen gewissen Sehrest. Die Seh-<br />

schärfe beträgt zwischen 1/20 und 1/50 des normalen Sehvermögens. Orientierungsschwierigkeiten,<br />

niedrige Hindernisse, schlechte Ausleuchtungen und schwach markierte Gefahrenpunkte sind die<br />

alltäglichen Problemlagen, mit denen sehbehinderte Menschen kämpfen müssen. Aus diesem Grund<br />

sind sehbehinderte Menschen auf eine kontrastreiche Farbgebung und eine helle und blendfreie<br />

Ausleuchtung angewiesen. 35<br />

Beide Gruppen, welche zusammen im Jahre 2007 5,0 % aller Schwerbehinderten 36 ausmachten, sind<br />

in der Innenstadt zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Schlecht verfugte und unebene Bodenbeläge,<br />

unerwartete Treppen, Glaselemente im Verkehrsraum und unzählige weitere Hindernisse stellen ein<br />

großes Gefahrenpotenzial dar. 37<br />

2.1.5.3 Geistig behinderte Menschen<br />

Geistig behinderte Menschen sind in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt. Sie sind in ihrer<br />

Umwelt oft orientierungslos und können nur erschwert Gefahren im Straßenraum wahrnehmen. Eine<br />

selbstständige Lebensführung ist in den meisten Fällen nicht möglich und somit ist ihr tägliches Um-<br />

feld an einen engen Personenkreis gebunden. Innerhalb der Stadt- und Verkehrsplanung ist es Ziel,<br />

Gefahrenquellen wie sie beispielsweise im Straßenverkehr vorzufinden sind, zu beseitigen und In-<br />

formationen besser verständlich und sichtbar zu machen. 38<br />

2.1.5.4 Mobilitätseingeschränkte Menschen<br />

Der letzte Betrachtungsgegenstand ist die Bezugsgruppe der mobilitätseingeschränkten Menschen.<br />

Hierzu zählen Senioren, welche aufgrund „nachlassender Körperkraft und sensorischer Wahrneh-<br />

mung in ihrer Mobilität eingeschränkt“ 39 sind, aber auch Personen mit Kinderwagen und mit vorü-<br />

bergehender körperlicher Beeinträchtigung, welche in ihrer Bewegungsfähigkeit Restriktionen erfah-<br />

ren. Insbesondere die Gruppe der Senioren wird bedingt durch den demographischen Wandel wei-<br />

terhin zunehmen. Es gilt also auch und besonders auf deren Bedürfnisse zur Bewältigung des Alltags<br />

in der Stadt einzugehen und eine möglichst barrierefreie Umwelt zu schaffen<br />

2.1.6 Allgemeine Anforderungen und Raumbedarf behinderter und mobilitätseinge-<br />

schränkter Menschen<br />

Aus den Ansprüchen der unterschiedlichen vertieften Hauptkategorien der Menschen mit Behinde-<br />

rung ergeben sich differenzierte Ansprüche an den innerstädtischen Lebensraum, welcher mit dem<br />

35<br />

Vgl. Internetauftritt der Blindenschule Friedberg, aufgerufen unter: http://www.blindenschule-friedberg.de/lowvision/definition-und-fakten.html,<br />

abgerufen am 14.07.2010.<br />

36<br />

Vgl. Statistischen Bundesamt (2009): Sozialleistungen – Schwerbehinderte Menschen, in: Fachserie 13 Reihe 5.1, Wiesbaden,<br />

S. 7.<br />

37<br />

Vgl. Englisch, Andrea (2008): Barrierefreie Stadtplanung – Anforderungen, Gesetzesgrundlagen, Gestaltungsvorschläge,<br />

Leipzig, S. 10.<br />

38<br />

Vgl. Internetauftritt zu barrierefrei.de – das Portal für barrierefreies Bauen und Leben, aufgerufen unter:<br />

http://barrierefrei.de/information/Handicaps/Geistige_Behinderung.html, abgerufen am 15.07.2010.<br />

39<br />

Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />

Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 8 f.<br />

18


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

öffentlichen Raum gleichzusetzen ist. Der öffentliche Raum muss daher eine Ausstattung besitzen,<br />

die behinderten sowie mobilitätseingeschränkten Menschen trotz deren Funktionseinschränkung<br />

eine selbstständige Nutzbarkeit bietet. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass „eine Optimierung<br />

zugunsten einzelner Behindertengruppen zu vermeiden“ 40 ist. Entwurfselemente im Straßenraum<br />

sind von komplexer Natur und müssen den Ansprüchen der Allgemeinheit Rechnung tragen. Aus<br />

diesem Grund und den Aspekten der räumlich-baulichen und finanziellen Machbarkeiten, muss der<br />

öffentliche Raum nach Prinzipien gestaltet werden, welche der Allgemeinheit aber auch behinderten<br />

und mobilitätseingeschränkten Menschen genügen. Somit stellen sich in der Fachliteratur 41 folgende<br />

Anforderungen und Bedürfnisse behinderter Menschen an den innerstädtischen Lebensraum dar:<br />

19<br />

Wege in der Innenstadt müssen selbstständig bewältigbar sein, um elementare Lebensbe-<br />

dürfnisse, wie Einkaufen, Erholen und Verwaltungsaufgaben erledigen zu können.<br />

Informationen müssen klar und verständlich präsentiert werden und leicht auffindbar sein.<br />

Öffentliche Verkehrsmittel müssen selbstständig benutzt werden können.<br />

Ein gefahrenloses und angstfreies Aufhalten im Straßenraum muss gewährleistet werden.<br />

Diese Anforderungen und Bedürfnisse müssen ein Anliegen der Stadtplanung sein, um eine inner-<br />

städtische Lebenswelt zu schaffen, welche allen Ansprüchen Rechnung trägt.<br />

2.2 Der Demographische Wandel und seine Folgen in der aktuellen Dis-<br />

kussion zur Barrierefreiheit<br />

Nach der inhaltlichen Bestimmung der wichtigen Begriffsdefinitionen zu stadträumlichen Barrieren<br />

für behinderte und bewegungseingeschränkte Menschen, wird sich nun dem demographischen<br />

Wandel und seine Folgen gewidmet. Das vorhergegangene Thema hat bereits beschrieben, welche<br />

Barrieren es gibt, wie viele Menschen davon betroffen sind, was es für Arten von Behinderung gibt<br />

und letztendlich welche allgemeine Anforderungen und Raumbedarf behinderter und mobilitätsein-<br />

geschränkter Menschen abzuleiten sind.<br />

Im weiteren Verlauf werden aktuelle gesellschaftliche Rahmenbedingungen und politische Diskussio-<br />

nen zielführend auf die bestehende Problematik von Barrieren im Innenstadtraum, genauer in der<br />

Fußgängerzone, rückgeführt. Der Behindertenbericht der Bundesregierung 2009 nimmt hierbei eine<br />

wichtige Schlüsselstellung zwischen allgemeinen Rahmenbedingungen und dem späteren Geltungs-<br />

bereich ein und wird dementsprechend ausgeführt beschrieben. Das Thema wird den rechtlichen<br />

Vorgaben zur Barrierefreiheit vorgezogen, da die nun genannten Inhalte sich in aktuellen Gesetzen<br />

niedergeschlagen haben. Hierzu gilt es nun die theoretischen Grundlagen zu bilden.<br />

40<br />

Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />

Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 10.<br />

41<br />

Vgl. Ebenda, S.10 f.<br />

und<br />

Vgl. Stemshorn, Axel (1999): Bewegungshilfen, Rollstühle, in: Barrierefrei – Bauen für Behinderte und Betagte; Stemshorn,<br />

Axel (Hrsg.), Leinfelden-Echterdingen, S.23 ff.


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

2.2.1 Der Demographische Wandel in Deutschland<br />

Der demographische Wandel ist ein durchaus allgegenwärtiges Thema, welches die Politik auf natio-<br />

naler Ebene in den letzten Jahren prägt. Er beschreibt die absehbaren Auswirkungen einer sich ver-<br />

ändernden Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und die damit verbundene Veränderung der<br />

Altersstruktur. „Insbesondere das stabil niedrige Geburtenniveau und die ansteigende Lebenserwar-<br />

tung der Menschen führen zur Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung. Der aktuelle Altersauf-<br />

bau mit einem hohen Anteil der Menschen im mittleren Alter verschärft diese Entwicklung in<br />

Deutschland zusätzlich.“ 42<br />

Geburtenrückgang, Alterung und schrumpfende Bevölkerung charakterisieren die Hauptfaktoren des<br />

demographischen Wandels.<br />

Der Geburtenrückgang ist mit einigen Trends der heutigen Zeit verbunden. Zum einen werden Frau-<br />

en immer später Mutter. Dies hängt unter anderem mit der Entwicklung des längeren Bildungswegs<br />

zusammen, welchen immer mehr Frauen einschlagen, um auf eine gleichberechtigte Karriereleiter<br />

wie der Mann zu gelangen. Eine weitere Rolle spielen soziale Zusammenhänge und die Aussicht des<br />

Erhalts eines bestimmten Lebensniveaus, welche durch die Geburt eines Kindes gestört werden<br />

könnte. Der zweite entscheidende Faktor ist der allgemeine Rückgang potenzieller Mütter bei einer<br />

geringen Fertilitätsrate von 1,4 Kindern je Frau. Diese Rate, auch Geburtenziffer genannt, reicht<br />

nicht aus langfristig eine Bevölkerung stabil zu halten. 43<br />

Die Alterung, genauer die zukünftige Überalterung, der Bevölkerung hängt dabei von einer gestiege-<br />

nen Lebenserwartung ab, welche bedingt durch den medizinischen Fortschritt, die letzten Jahrzehnte<br />

deutlich zugenommen hat. Zum anderen erfolgt eine Überalterung der Bevölkerung durch einen<br />

stark wachsenden Anteil alter Menschen an der Gesamtbevölkerung. Dies hängt wiederum mit dem<br />

Rückgang der Geburtenziffer zusammen. 44<br />

Damit stehen die Signale auf eine zukünftig schrumpfende Bevölkerung (vgl. Bevölkerungspyramiden<br />

Abb. 4). In welchem Ausmaß die Bevölkerung schrumpft ist neben dem Geburtenrückgang und der<br />

Alterung von Wanderungssaldo in und aus der Bundesrepublik abhängig. Deutschland ist auf eine<br />

konstant hohe Zahl in den hunderttausender Bereichen von Einwanderern angewiesen, um die Be-<br />

völkerungsschrumpfung insgesamt zu verlangsamen. 45<br />

42 Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes destatis, Pressemitteilung zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis<br />

2060 (12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2009), aufgerufen unter:<br />

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/Bevoelkerung/Statement__Egeler<br />

__PDF,property=file.pdf, S. 1, abgerufen am 03.08.2010.<br />

43 Vgl. Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes destatis, Pressemitteilung zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland<br />

bis 2060 (12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2009), aufgerufen unter:<br />

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/Bevoelkerung/Statement__Egeler<br />

__PDF,property=file.pdf, S. 2, abgerufen am 03.08.2010.<br />

44 Vgl. Ebenda S. 3 f.<br />

45 Vgl. Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes destatis, Pressemitteilung zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland<br />

bis 2060 (12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2009), aufgerufen unter:<br />

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/Bevoelkerung/Statement__Egeler<br />

__PDF,property=file.pdf, S. 4 ff., abgerufen am 03.08.2010.<br />

20


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

In der Abbildung 4 beschreiben die Jahre 1950 und 1990 den Ist-Zustand. Die Jahre 2010 und 2060<br />

sind nach der 12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung aus dem Jahre 2009 anhand folgen-<br />

der Kriterien prognostiziert:<br />

Variante 1 – W 1:<br />

Geburtenhäufigkeit annähernd konstant bei 1,4 Kindern je Frau<br />

Lebenserwartung Neugeborener im Jahr 2060:<br />

21<br />

o 85,0 Jahre für Jungen<br />

o 89,2 Jahre für Mädchen<br />

Jährlicher Wanderungssaldo + 100 000 Personen 46<br />

Abbildung 4: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland nach der 12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2009.<br />

Quelle: Internetauftritt des Statistischen Bundesamts destatis, aufgerufen unter<br />

http://www.destatis.de/bevoelkerungspyramide/, aufgerufen am 03.08.2010.<br />

Die Bevölkerung ist im Jahr 2008 zu 19% aus Kindern und jungen Menschen unter 20 Jahren, zu 61%<br />

aus 20- bis unter 65-Jährigen und zu 20% aus 65-jährigen und Älteren zusammengesetzt. Durch die<br />

Bevölkerungsvorausberechnung ist ablesbar, dass sich in den nächsten Jahrzehnten der Anteil der 65-<br />

Jährigen und Älteren drastisch verstärken wird. Das statistische Bundesamt prognostiziert bereits für<br />

46 Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes destatis, aufgerufen unter:<br />

http://www.destatis.de/bevoelkerungspyramide/, abgerufen am 03.08.2010.


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

das 2030 etwa 29 % dieser Altersgruppe. 2060 ist dieser Anteil unter aufgezeigten Kriterien bereits<br />

auf 34% angestiegen.<br />

Jedoch ist insbesondere die Zahl der Hochbetagten zu fokussieren, da diese im Kontext der Arbeit<br />

ebenfalls eine große Rolle spielen und in die Gruppe der Mobilitätseingeschränkten fallen (siehe Ka-<br />

pitel 2.1.5.4). Im Jahr 2008 sind etwa vier Millionen 80-jährige und Ältere zu konstatieren. Nach der<br />

Logik des demographischen Wandels steigt diese Zahl kontinuierlich an und findet sich in einem Be-<br />

reich zwischen neun und zehn Millionen hochbetagten Menschen im Jahr 2060 wieder. Das sind<br />

letztendlich 14% der Gesamtbevölkerung, sprich jeder siebente ist 80 Jahre und älter. Im Umkehr-<br />

schluss präzisiert sich die Zahl der 20-jährigen und jünger 2060 auf etwa 16% der Bevölkerung (Vgl.<br />

4). 47 Dieser Sachverhalt lässt die Schlussfolgerung zu, dass sich die Überalterung der Bevölkerung<br />

auch nach 2060 faktisch weiter verstärkt, wenn bis dahin nicht erfolgreich Maßnahmen zu einer<br />

Verjüngerung der Gesellschaft gefunden werden.<br />

Abbildung 5: Bevölkerung nach Altersgruppen in Deutschland. Quelle: Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes<br />

destatis, Pressemitteilung zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis 2060 (12. Koordinierten Bevölkerungsvorausbe-<br />

rechnung 2009), aufgerufen unter:<br />

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/Bevoelkerung/Statement__Egeler<br />

__PDF,property=file.pdf, S. 10, abgerufen am 03.08.2010., abgerufen am 03.08.2010.<br />

In Anbetracht dieser Umstände nimmt die Schaffung von Barrierefreiheit in jederlei Kontext eine<br />

unumstritten wichtige Rolle ein. Nach dem Nachhaltigkeitsgrundsatz ist es notwendig bereits jetzt<br />

auf die vorherrschenden Bedürfnisse der Menschen zu reagieren und für die Zukunft Grundlagen zu<br />

schaffen. Dies bedeutet im übertragenen Sinne, dass bereits heute Barrierefreiheit geschaffen wer-<br />

den muss, um auch zukünftigen Generation und der drohenden massiven Überalterung gerecht zu<br />

werden. Das Thema der Barrierefreiheit ist somit nicht mehr trivial, sondern rückt konsequent und<br />

unmittelbar in den Fokus der politischen Diskussion in Deutschland.<br />

47 Vgl. Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes destatis, Pressemitteilung zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland<br />

bis 2060 (12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2009), aufgerufen unter:<br />

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/Bevoelkerung/Statement__Egeler<br />

__PDF,property=file.pdf, S. 10, abgerufen am 03.08.2010.<br />

22


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

2.2.2 Politische Diskussion zur Barrierefreiheit<br />

Die Gesellschaft ist in struktureller Hinsicht, bedingt durch den demographischen Wandel und der<br />

Schaffung sozialer Integration und Gleichheit aller Bevölkerungsgruppen, einem gravierenden Wan-<br />

del unterzogen.<br />

Es kristallisieren sich neue Anforderungen an die Gestaltung der unbebauten und bebauten Umwelt<br />

im Lebensraum des Menschen heraus. Diese ergeben sich insbesondere durch die Alterung der Ge-<br />

sellschaft und die stetige Verankerung der Barrierefreiheit in der Gesetzgebung, wie die Gleichstel-<br />

lungsgesetze der Bundesländer, welche aus dem Bundesgleichstellungsgesetz von 2002 resultierten,<br />

aber auch die UN-Behindertenkonvention aus dem Jahre 2009, die weitere Impulse zur Verfestigung<br />

der Barrierefreiheit gibt. Es gilt eine verstärkte Teilhabe benachteiligter Bevölkerungsgruppen an der<br />

Lebenswelt zu gewährleisten. Hierunter fallen in großem Maße behinderte und mobilitätseinge-<br />

schränkte Menschen. Im Jahre 2008 wird bereits von einem Anteil von etwa 20 % mobilitätseinge-<br />

schränkter Personen an der Gesamtbevölkerung ausgegangen. 48 Es darf auch hierbei davon gespro-<br />

chen werden, dass wie in der Fachliteratur beschrieben (siehe Kapitel 2.1.5.4), unter die Gruppe der<br />

mobilitätseingeschränkten Personen neben natürlicherweise der Hauptgruppe der Leicht- und<br />

Schwerbehinderte, auch Senioren, Kranke, Kinder, Schwangere und Personen mit Kinderwagen fal-<br />

len.<br />

„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“<br />

(Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Art. 3 Satz 2)<br />

Die deutsche Bundesregierung unterstreicht den hohen Stellenwert der Grundrechtsaussage und<br />

führt sie weiter aus: „Gleichbehandlung und die Förderung von Chancengleichheit als eine Voraus-<br />

setzung für Selbstbestimmung und Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen<br />

stehen *…+ im Zentrum der Behindertenpolitik der Bundesregierung.“ 49<br />

2.2.3 Behindertenbericht der Bundesregierung 2009<br />

Aus gegebenem Anlass veröffentlicht die Bundesregierung seit dem Jahr 2004 regelmäßig einen Be-<br />

hindertenbericht über die Lage von Menschen mit Behinderung. Der aktuelle Bericht unter dem Slo-<br />

gan „Füreinander Chancen schaffen. Für ein lebenswertes Land“ stammt aus Jahr 2009 und zieht<br />

Bilanz über die Behindertenpolitik der Bundesregierung in der 16. Legislaturperiode. Dieser Slogan<br />

gibt bereits Aufschluss über die einschlägige Zielrichtung der Behindertenpolitik in Deutschland. Im<br />

Bericht wird die Lage von Menschen mit Behinderungen und die Entwicklung ihrer Teilhabe am Le-<br />

ben in der Gesellschaft umfassend dargestellt. Der Bericht behandelt neben den Oberthemen<br />

Gleichbehandlung, Bildung, Beschäftigung und Leistungen auch das Schwerpunktthema Barrierefrei-<br />

heit. Er zeigt zudem die Erfolge der vergangenen Legislaturperiode auf und beschreibt zukünftige<br />

48 Vgl. Stadtentwicklungsbericht der Bundesregierung 2008: Neue urbane Lebens- und Handlungsräume, Berlin, S. 114. E-<br />

Paper: http://www.bmvbs.de/Anlage/original_1075468/Stadtentwicklungs-bericht-der-Bundesregierung-2008.pdf.<br />

49 Internetauftritt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Politik für behinderte Menschen, aufgerufen unter:<br />

http://www.bmas.de/portal/10796/sgb__ix.html, abgerufen am: 17.07.2010.<br />

23


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

Herausforderungen für die Politik für behinderte Menschen. Der Behindertenbericht konstatiert<br />

Fortschritte bei der Barrierefreiheit. Er spricht von einer Schärfung des Bewusstseins der Allgemein-<br />

heit und der Entscheidungsträger für das Thema Behinderung und Barrierefreiheit. „Es setzt sich zu-<br />

nehmend die Erkenntnis durch, dass eine barrierefreie Umwelt allen Bevölkerungsgruppen Vorteile<br />

verschafft. Bund, Länder und Kommunen unternehmen große Anstrengungen um den öffentlichen<br />

Raum für behinderte Menschen barrierefrei zu gestalten.“ 50<br />

Was bedeutet dies nun für den Bereich des barrierefreien Bauens im innerstädtischen Lebensraum?<br />

Die Schaffung einer umfassenden Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen ist ein sukzessives Vorge-<br />

hen. Die wichtigste Komponente hierbei ist die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsat-<br />

zes, d.h. getroffene Maßnahmen müssen angemessen sein und nach ihren Vor- und Nachteilen ab-<br />

gewogen werden. Eine Bevorzugung einer Bevölkerungsgruppe darf nicht zu einer außerverhältnis-<br />

mäßigen Belastung einer anderen führen. Bestehende Infrastruktureinrichtungen und Anlagen sind<br />

für eine lange Lebensdauer ausgerichtet. Aus diesem Grund haben viele dieser Einrichtungen und<br />

Anlagen Nachholbedarf in ihrer barrierefreien Ausgestaltung. Diese müssen ebenfalls so gestaltet<br />

werden, dass Menschen mit Behinderung in der Lage sind sie ohne besondere Erschwernis und<br />

grundsätzlich ohne fremde Hilfe nutzen zu können.<br />

Es stellt sich somit die Aufgabe Architekten und Planer sowie Vertreter der Medien, Politik und der<br />

Wirtschaft für das Thema der Barrierefreiheit einen Sensibilisierungsprozess anzustoßen. 51 Barrieref-<br />

reiheit gereicht allen Menschen <strong>zum</strong> Vorteil und wird fortwährend auch politisch als wichtiger wei-<br />

cher Standortfaktor für Städte, Unternehmen, Institutionen sowie im Bereich der städtischen Mobili-<br />

tät und Tourismus wahrgenommen. 52 , 53<br />

Zudem wird festgestellt, dass ein Wachstum des gesellschaftlichen Bewusstseins für das Thema der<br />

Barrierefreiheit mit all seinen Facetten in menschlichen Lebensbereichen seit Einführung des Bun-<br />

desgleichstellungsgesetzes spürbar zu verzeichnen ist. „Angesichts einer immer älter werdenden<br />

Bevölkerung gewinnen barrierefrei gestaltete Lebensbereiche an Bedeutung.“ 54 Nicht nur das gesell-<br />

schaftlich Bewusstsein wird gestärkt, sondern auch allzu wirtschaftliche Aspekte, welche durch die<br />

Barrierefreiheit in gebauten und gestalteten Lebensbereichen erreicht werden. So ist die bauliche<br />

50 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.)(2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über die<br />

Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 14. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

51 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung<br />

über die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 87. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

52 Vgl. Internetauftritt der Fürst Donnersmarck-Stiftung, aufgerufen unter:<br />

http://www.fdst.de/aktuellesundpresse/aktuell/archiv/archiv2006/barrierefreiesrheinsberg/, abgerufen am 17.07.2010.<br />

53 Vgl. Internetauftritt der Freien demokratischen Partei Hamburg, aufgerufen unter: http://www.fdphh.de/documents/beschluesse/LV-002-Barrierefreiheit.pdf,<br />

S.1, abgerufen am 19.07.2010.<br />

54 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />

die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 87. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

24


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Barrierefreiheit zu einem Qualitätsmerkmal geworden, „das die Werthaltigkeit von Gebäuden sichert<br />

und bei Bau- und Kaufentscheidungen immer häufiger berücksichtigt wird.“ 55<br />

Der Behindertenbericht der Bundesregierung aus dem Jahre 2009 erläutert nochmals den Inhalt des<br />

Instruments der Zielvereinbarung, welche aus dem Bundesgleichstellungsgesetz BGG abgeleitet wird<br />

und geht im Besonderen auf die Bereiche „Verkehr und Mobilität“, „Barrierefreies Bauen“ und<br />

„Maßnahmen im Bereich der Städtebauförderung“ ein. Die genannten Themenbereiche weisen kon-<br />

krete Berührungspunkte der späteren Untersuchungen und deren Ergebnisse auf.<br />

2.2.3.1 Zielvereinbarungen<br />

Zur Verwirklichung der Barrierefreiheit über gesetzlich geregelte Grenzen hinaus, wurde mit dem<br />

Behindertengleichstellungsgesetz das Instrument der Zielvereinbarung eingeführt. Diese Zielverein-<br />

barungen schaffen in ihrer Pluralität die Grundlage zur Verhandlung von konkreten Maßnahmen zur<br />

Herstellung von Barrierefreiheit zwischen anerkannten Verbänden behinderter Menschen und Un-<br />

ternehmen sowie Unternehmensverbänden. Unter anerkannte Verbände fallen beispielsweise der<br />

Sozialverband VdK Deutschland 56 , der Allgemeiner Behindertenverband in Deutschland e.V. 57 sowie<br />

der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. 58 . Durch die Unterstützung<br />

der Zielvereinbarungen wird die Chance offeriert, flexible und angepasste Lösungen rund um die<br />

unterschiedlichen Themenbereiche der Barrierefreiheit zu bewerkstelligen. „Sie können von der bar-<br />

rierefreien Gestaltung einzelner Einrichtungen über die Entwicklung barrierefreier Produkte und<br />

Dienstleistungen bis hin zur Gestaltung eines barrierefreien Webauftritts reichen.“ 59<br />

Nun stellt sich die Frage, wer diese Zielvereinbarungen nach dem Behindertengleichstellungsgesetz<br />

aufstellt und festhält. Eigens hierzu haben die Verbände behinderter Menschen, das Bundesministe-<br />

rium für Arbeit und Soziales und die Beauftragten gemeinsam konzeptionell ein entsprechendes<br />

Kompetenzzentrum auf Bundesebene entwickelt. Aus diesem Konzept ergeht im Dezember 2008 die<br />

Gründung des Vereins „Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit – Der Verein der Behindertenver-<br />

bände zur Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes“ mit eigenem Webauftritt. 60 Das Ziel<br />

des Kompetenzzentrums liegt in der Unterstützung von Verbänden, Unternehmen und weiteren Ak-<br />

teure in organisatorischer, fachlicher und juristischer Hinsicht zur Erarbeitung konkreter Lösungen<br />

55<br />

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />

die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 87. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

56<br />

Vgl. Internetauftritt des Sozialverband VdK Deutschland, aufgerufen unter: http://www.vdk.de/cgibin/cms.cgi?ID=de2&SID=iR1dspoZL4rYB9h1ahFLCT2Sry5eJa,<br />

aufgerufen am 19.07.2010.<br />

57<br />

Vgl. Internetauftritt des Allgemeinen Behindertenverband in Deutschland, abgerufen unter: http://www.abidev.de/cms/wm-cms,113.html,<br />

aufgerufen am 19.07.2010.<br />

58<br />

Vgl. Internetauftritt des Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V., aufgerufen unter:<br />

http://www.bvkm.de/0-10/start,index.html, abgerufen am 19.07.2010.<br />

59<br />

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />

die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 88. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

60<br />

Vgl. Internetauftritt des Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit, aufgerufen unter: http://www.barrierefreiheit.de/,<br />

abgerufen am 19.07.2010.<br />

25


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

und Maßnahmen für die Gestaltung einer barrierefreien Lebenswelt. Diese Lösungen werden dann<br />

in Zielvereinbarungen nach dem Behindertengleichstellungsgesetz festgehalten. 61<br />

2.2.3.2 Verkehr und Mobilität<br />

Insbesondere für behinderte und mobilitätseingeschränkte Menschen ist die Barrierefreiheit im<br />

Themenbereich Verkehr eminent. Ohne eine barrierefreie Gestaltung von Verkehrsanlagen und –<br />

Produkten wäre eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe dieser Personengruppen am<br />

gesellschaftlichen Leben kaum möglich. Nur durch das problem- und stresslose Erreichen aller lokali-<br />

sierten Lebensbereiche in der Stadt und außerhalb kann diese Teilhabe gewährleistet werden. Des-<br />

halb kommt dem Bereich Verkehr und Mobilität eine sehr hohe Bedeutung zu und hat oberste Priori-<br />

tät. Weitere barrierefreie Einrichtungen und bauliche Anlagen machen nur Sinn, wenn sie erreicht<br />

und genutzt werden können.<br />

Kontextverbunden vertritt die Bundesregierung einen umfassenden Ansatz zur Herstellung von Bar-<br />

rierefreiheit im öffentlichen Personennah- und –Fernverkehr: „Ziel ist es, nicht nur räumliche Barrie-<br />

ren bei baulichen Anlagen und Fahrzeugen abzubauen bzw. zu vermeiden, sondern Mobilität im All-<br />

tag möglichst weitreichend zu gewährleisten.“ 62<br />

Im Klartext heißt dies, dass überwiegend Belange sinnesbehinderter, aber auch geistig behinderter<br />

Menschen <strong>zum</strong> Hauptaugenmerk werden. Die Planung ist hier verantwortlich, verstärkt auf Kontras-<br />

tierungen in Gebäuden und Verkehrsmitteln zur Unterstützung behinderter Menschen zu achten.<br />

Zudem helfen deutliche Fahrinformationen und Leitsysteme eine selbstständige Teilhabe zu etablie-<br />

ren.<br />

Das Konzept der Leitsysteme hat nicht nur innerhalb von Infrastruktureinrichtungen von Verkehrs-<br />

trägern einen hohen Stellwert, sondern auch in der unbebauten und bebauten Stadtumwelt. Hierun-<br />

ter fallen bodenorientierte Leitsysteme wie beispielsweise das sogenannte „Leitsystem nach Ritter“,<br />

welches den Gehweg und Fußboden sinnvoll nach Lauf-, Respekt- und Hinweiszonen einteilt und<br />

diese für blinde Menschen mit unterschiedlich ertastbaren Bodenbelägen ausstattet. 63 Zudem be-<br />

dient sich die Stadt- und Verkehrsplanung urbanen Orientierungssystemen. Diese Systeme sind struk-<br />

turbehaftet und weisen Orientierungspunkte und –sektoren, sowie Übergabebereiche aus, die durch<br />

prägnante Orte und Stadtgefüge charakterisiert werden. 64<br />

Im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs ÖPNV liegt die Zuständigkeit für Planung, Organi-<br />

sation und Finanzierung in Händen der Länder und Kommunen. Nach der Föderalismusreform im<br />

Jahre 2006 ist auch der Bund mittels verschiedener Finanzierungsinstrumenten zur Förderung des<br />

61 Vgl. Internetauftritt des Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit, aufgerufen unter:<br />

http://www.barrierefreiheit.de/zielvereinbarungen.html, abgerufen am: 19.07.2010.<br />

62 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />

die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 89. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

63 Vgl. Metlitzky, Nadine; Engelhardt, Lutz: Barrierefrei Städte bauen – Orientierungssysteme im öffentlich Raum, Fraunho-<br />

fer IRB Verlag, Stuttgart, S. 51 f.<br />

64 Vgl. Ebenda, S. 19 ff.<br />

26


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

ÖPNV erheblich involviert. Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) des Bundes gewährt<br />

beispielsweise nur Finanzhilfen für ein bestimmtes Vorhaben, welches die<br />

„Belange behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung berücksichtigt und den<br />

Anforderungen der Barrierefreiheit möglichst weitreichend entspricht. Bei der Vorhabenplanung sind<br />

die zuständigen Behindertenbeauftragten oder Behindertenbeiräte anzuhören. Verfügt eine Gebiets-<br />

körperschaft nicht über Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte sind stattdessen die ent-<br />

sprechenden Verbände im Sinne des § 5 des Behindertengleichstellungsgesetzes anzuhören.“ 65<br />

Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz setzt also eine Einbindung von zuständigen Behinderten-<br />

beauftragten oder Behindertenbeiräte voraus und sorgt somit für eine intelligente Kommunikation<br />

zwischen Projektplanern und Betroffenen.<br />

Maßgebliches Instrument zur Verwirklichung von Aspekten der Barrierefreiheit ist der Nahverkehrs-<br />

plan, dessen Verantwortlichkeit im Rahmen der örtliche Aufgabenträger liegt. Die Aufstellung des<br />

Nahverkehrsplans regeln die jeweiligen Bundesländer. Durch die Änderung des Personenbeförde-<br />

rungsgesetzes im Jahre 2002 ist den Belangen behinderter und anderer Menschen mit Mobilitätsbe-<br />

einträchtigungen besondere Beachtung zu schenken. 66 Dies gilt insbesondere bei der Genehmigung<br />

von Straßenbahn- und Buslinien.<br />

Gleich wie im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz des Bundes § 3 Abs. 1 Punkt d zu vernehmen<br />

ist, sind auch bei der Aufstellung der Nahverkehrspläne Behindertenbeauftragte oder Behinderten-<br />

beiräte anzuhören. Deren Stellungnahmen müssen im Planungsprozess nachvollziehbar und inhalt-<br />

lich abgewägt werden. Somit gehen die Ergebnisse der Anhörung in den Willensbildungs- und Ent-<br />

scheidungsprozess mit ein, um die Belange behinderter und mobilitätseingeschränkter Menschen<br />

adäquat zu berücksichtigen. 67<br />

Ein weiterer Erfolg in der 16. Legislaturperiode ist das Projekt „Barrierefreiheit im öffentlichen Ver-<br />

kehrsraum für seh- und hörgeschädigte Menschen“ innerhalb des Forschungsprogramms „Stadtver-<br />

kehr“ initiiert durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, welches im Jahre<br />

2008 seinen Abschluss gefunden hat. Hierin sind Empfehlungen an eine Unmenge von Akteuren, wie<br />

beispielsweise die Bauverwaltungen der Länder, Bauämter in Städten, Kreisen und Gemeinden, Pla-<br />

nungs- und Ingenieurbüros, Behindertenbeiräte und –organisationen, enthalten, welche konkrete<br />

Anregungen und Konzeptvorschläge für die barrierefreie Ausgestaltung des Verkehrsraums geben. 68<br />

65<br />

Gemeindefinanzierungsgesetz des Bundes § 3 Abs. 1 Punkt d, zuletzt geändert durch Artikel 4 G. v. 22.12.2008 (BGBl. I S.<br />

2986).<br />

66<br />

Vgl. Personenbeförderungsgesetz § 8 Abs. 3, letzte Änderung durch: BVerfGE vom 8. Dezember 2009– 2 BvR 758/07 –<br />

(BGBl. 2010 I S. 68).<br />

67<br />

Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung<br />

über die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 92. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf<br />

68<br />

Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.) (2008): Hinweise: Barrierefreiheit im öffentlichen<br />

Verkehrsraum für seh- und hörgeschädigte Menschen, in „direkt“ - Schriftenreihe 64/2008, Berlin, S.23.<br />

27


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

Ein wichtiger Impulsgeber zur Zielerreichung des Integrationsgefühls der Betroffenen ist die unent-<br />

geltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im ÖPNV, die so bezeichnete Freifahrt, welche<br />

ihren Rechtsanspruch im Sozialgesetzbuch IX in §145 wiederfindet. Schwerbehinderte Menschen,<br />

welche folgende Merkzeichen aufweisen, dürfen den ÖPNV unentgeltlich nutzen:<br />

Merkzeichen „G“: Erhebliche Beeinträchtigung in der Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr.<br />

Merkzeichen „aG“: Außergewöhnlich gehbehindert.<br />

Merkzeichen „H“: Hilflos.<br />

Merkzeichen „BI“: Blind.<br />

Merkzeichen „GI“: Gehörlos. 69<br />

„Die Kosten dieser Leistung tragen Bund und Länder (in 2007 rund 440 Mio. Euro).“ 70<br />

Für den Straßenverkehr gilt, dass die Belange behinderter Menschen innerhalb diverser technischer<br />

Regelwerke verinhaltlicht sind. So fallen unter diese Regelwerke neben „Richtlinien für die Anlage<br />

von Stadtstraßen“ (RASt 06) die „Richtlinien für Lichtsignalanlagen“ (RiLSA 1992).<br />

Innerhalb der RASt 06 sind Planungsgrundlagen für die barrierefreie Gestaltung des Straßenraums<br />

enthalten. „Planungshinweise der RASt zur Barrierefreiheit beziehen sich auf Grundmaßen für Ver-<br />

kehrsräume des Fußgängerverkehrs, auf Parkflächen im Straßenraum, auf die Ausgestaltung von<br />

Haltestellen des Öffentlichen Personennahverkehrs und auf Anlagen von hindernisfreien, taktil und<br />

optisch wahrnehmbaren Gehwegbereichen.“ 71<br />

Die technischen Regelwerke werden stetig überarbeitet, um den sich wandelnden Bedürfnissen und<br />

Anforderungen an den Verkehr und der Gesellschaft ausreichend Rechnung zu tragen. So geschieht<br />

dies zurzeit auch mit der RiLSA 1992, die nach 18 Jahren sich ebenfalls dem Thema der Barrierefrei-<br />

heit weiter annehmen muss. Die Richtlinien für Lichtsignalanlegen behandeln nun konzentriert die<br />

Behindertengruppe der blinden und sehbehinderten Menschen und regeln hierzu die Einsatzbereiche<br />

und die technische Ausgestaltung von Zusatzeinrichtungen, wie beispielsweise akustische Freigabe-<br />

signale und taktile Signalgeber.<br />

Ein weiteres signalgebendes Novum ist die Konstituierung eines neuen Regelwerkes, das schwer-<br />

punktbezogen die barrierefreie Planung im öffentlichen Straßenraum <strong>zum</strong> Leitthema hat. Aufgrund<br />

der Forderungen das Bundesgleichstellungsgesetz (siehe Kapitel 2.3.2) und dessen Anspruch zur<br />

Schaffung einer „weitgehend barrierefreien“ Gestaltung des öffentlichen Raumes und der Vielfalt an<br />

fachlichen, rechtlichen und juristischen Meinungsbildern und Vorgaben <strong>zum</strong> Thema Barrierefreiheit,<br />

ist unabdingbar diesbezüglich ein einheitlichen Regelwerk mit funktionalen Standards zu schaffen.<br />

Das kommende Regelwerk „Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen“ mit dem geplanten Erschei-<br />

69<br />

Vgl. Sozialgesetzbuch IX der Bundesrepublik Deutschland, § 145, letzte Änderung durch: Art. 2 G vom 30. Juli 2009 (BGBl. I<br />

S. 2495).<br />

70<br />

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />

die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 93. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

71<br />

Ebenda, S. 93 f.<br />

28


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

nungsjahr 2010 soll dabei den Ansprüchen einer hohen Umsetzungs- und Praxisorientierung genü-<br />

gen. 72<br />

Es bleibt also festzuhalten, dass das Behindertengleichstellungsgesetz seit Inkrafttreten 2002 nicht<br />

nur im Themenfeld Verkehr und Mobilität eine Stärkung der barrierenfreien Umweltgestaltung und<br />

Infrastruktur erreicht, sondern auch zu einer großen Vielfalt an Vorgaben, Regelwerken und Mei-<br />

nungsbilder beigetragen hat. Die resultierenden Gleichstellungsgesetze der Länder und die konkreten<br />

Änderungen im Personenbeförderungsgesetz sowie in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung ha-<br />

ben Weiteres getan, die Belange behinderter und mobilitätseingeschränkter Menschen zu verfesti-<br />

gen.<br />

2.2.3.3 Barrierefreies Bauen und Maßnahmen im Rahmen der Städtebauförderung<br />

Der Behindertenbericht der Bundesregierung 2009 enthält innerhalb des Kapitels „Bauen und Woh-<br />

nen“, konkrete Erkenntnisse <strong>zum</strong> barrierefreien Bauen und Maßnahmen im Rahmen der Städtebau-<br />

förderung. Beide Unterthemen werden im Zusammenhang mit der Zielrichtung der Arbeit im Folgen-<br />

den näher beschrieben. Daneben ist innerhalb des Berichtes auch das Themenfeld des barrierefreien<br />

Wohnens enthalten, welches jedoch für die Untersuchung nicht essentiell ist.<br />

Im Rahmen des barrierefreien Bauens sind in erster Linie die dazugehörigen DIN-Normen im Städte-<br />

bau zu nennen. Das Bundesgleichstellungsgesetz verpflichtet die Behörden des Bundes die anerkann-<br />

ten Regeln der Technik, sprich in diesem Kontext die DIN-Normen <strong>zum</strong> barrierefreien Bauen, anzu-<br />

wenden. Davon sind zivile Neubauten sowie große zivile Um- und Erweiterungsbauten des Bundes<br />

betroffen. Das Bauordnungsrecht der Länder dagegen enthält die Vorgaben für alle anderen Bauten.<br />

„Diese können die Beachtung von technischen Regelungen <strong>zum</strong> barrierefreien Bauen, beispielsweise<br />

DIN-Vorschriften, ganz oder in Teilen für das jeweilige Bundesland vorschreiben.“ 73<br />

Die neueste Entwicklung für öffentliche Gebäude ist die DIN 18040 „Barrierefreies Bauen – Öffentlich<br />

zugängliche Gebäude und Wohnungen“. Die Arbeiten hieran konnten im Jahre 2008 erfolgreich <strong>zum</strong><br />

Entwurf abgeschlossen werden. Teil 1 des Entwurfes wurde im Juli 2010 verabschiedet und erhielt<br />

somit allgemeine Gültigkeit. 74 Jedoch weist die Norm für die Modernisierung von Bestandsbauten<br />

Lücken auf, da sie ursprünglich nur für Neubauten ausgelegt ist. Im Rahmen dieser Problematik rea-<br />

giert das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit einem ergänzenden Beiblatt<br />

zur Norm, worin Regelungen für Bestandsbauten und auch ein Abprüfliste zur Akquirierung von För-<br />

dermitteln zur Barrierefreiheit oder -reduzierung der KfW Förderbank enthalten sind. „Die Arbeiten<br />

72<br />

Vgl. Internetauftritt der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV, aufgerufen unter:<br />

http://www.fgsv.de/512.html, abgerufen am 20.07.2010.<br />

73<br />

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />

die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 95. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

74<br />

Vgl. Internetauftritt des Presseportals, aufgerufen unter:<br />

http://www.presseportal.de/pm/7846/1643423/cdu_csu_bundestagsfraktion, abgerufen am 21.07.2010.<br />

29


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

zur Erstellung des Beiblattes werden derzeit im Rahmen der Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ aus-<br />

geschrieben.“ 75<br />

Die kontinuierliche Weiterentwicklung macht jedoch auch an diesem Punkt noch nicht Halt. Vor al-<br />

lem der öffentliche unbebauten Raum bedarf einer eigenen neuen Norm nach aktuellem Wissens-<br />

stand. Seit Juni 2010 wurde hierzu mit Arbeit der Norm E DIN 18070 „Barrierefreies Bauen - Pla-<br />

nungsgrundlagen. Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum“ begonnen. 76 Diese Entwicklung ist jedoch im<br />

Behindertenbericht 2009 noch nicht erfasst und ist hier als informeller Zusatz anzusehen.<br />

Die Städtebauförderung weist nicht direkt Förderungen im Sinne von Maßnahmen zur Schaffung von<br />

Barrierefreiheit. Ganz allgemein strebt die Städtebauförderung die Verbesserung der Lebensqualität<br />

der ansässigen Bevölkerung zur Stärkung des Wohn- und Arbeitsstandortes Stadt an. Ebenfalls wird<br />

durch gezielten, räumlich konzentrierten Mitteleinsatz in gemeindlichen Fördergebieten Entwick-<br />

lungsdefizite abgebaut werden. Konkretere Ziele sind unter anderem die Erneuerung von Stadtquar-<br />

tieren mit städtebaulichen Mängeln oder strukturellen Schwächen. Hierzu gehören natürlich auch<br />

indirekt Maßnahmen zur Barrierefreiheit.<br />

Die notwendigen Finanzhilfen für die Städtebauförderungsprogramme werden von Bund, den Län-<br />

dern und den Gemeinden anteilsmäßig zur Verfügung gestellt. Der Bund und die Länder schließen<br />

darüber jährlich eine Verwaltungsvereinbarung ab, in deren Präambel seit 2007 verankert ist, dass<br />

„die Finanzhilfen im Rahmen der integrierten Stadtentwicklung auch zur barrierefreien Gestaltung<br />

des Wohnumfeldes in den Förderquartieren eingesetzt werden können.“ 77 Die Durchführung der<br />

Städtebauförderungsprogramme dagegen ist Aufgabe der Länder und Gemeinden. Im Jahr 2008<br />

wurde rund 705 Mio. Euro, im Jahr 2009 ca. 869 Mio. Euro Programmmittel für die Städtebauförde-<br />

rung aufgewandt. 78<br />

2.3 Rechtliche Vorgaben<br />

Die umgreifenden Äußerungen in der politischen Diskussion und die harte Fakten des demographi-<br />

schen Wandels, haben sich auch in den rechtlichen Vorgaben <strong>zum</strong> barrierefreien Planen und Bauen<br />

niedergeschlagen. Zum einen ist die Betrachtung über die verschiedenen Ebenen von allgemeinen<br />

Vorgaben hin zu spezifischen Vorgaben für den öffentlichen Raum der Kerninhalt dieses Kapitels. Auf<br />

der einen Seite wird ganz allgemein von Gesetzen und Konventionen zur Schaffung von Barrierefrei-<br />

heit gesprochen. Deren konkreten Absichten umfassen die „Gleichstellung, Eingliederung und Chan-<br />

75 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />

die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 95. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

76 Vgl. Internetauftritt zur E DIN 18070, aufgerufen unter: http://din18070.de/index.htm, abgerufen am 21.07.2010.<br />

77 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />

die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 95. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

78 Vgl. Ebenda.<br />

30


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

cengleichheit insbesondere behinderter Menschen mit dem Ziel der gleichberechtigten, selbstbe-<br />

stimmten Teilhabe am Leben.“ 79<br />

In diesem Kapitel werden zunächst allgemeine gesetzliche Rahmenbedingungen zur Entwicklung der<br />

Gleichstellung behinderter Menschen und die Verankerung der Barrierefreiheit betrachtet. Darauf-<br />

folgend sind diejenigen Gesetze und Vorgaben von Bedeutung, welche das barrierefreien Bauen und<br />

den öffentliche Raum spezifiziert betreffen. Diese Rahmenbedingungen und Gesetze sind <strong>zum</strong> Stand<br />

der Bearbeitung gültig und rechtskräftig. Das Prinzip „vom Großen <strong>zum</strong> Kleinen“ ist also die maßgeb-<br />

liche Vorgehensweise. Damit wird, unabhängig der zeitlichen Entwicklung der Barrierefreiheit, eine<br />

Übersicht zu allen aktuellen gültigen rechtlichen Vorgaben, obgleich diese auf internationaler, euro-<br />

päischer, nationaler oder Länderebene stattfinden, geliefert.<br />

Es ist an<strong>zum</strong>erken, dass die Gleichstellung behinderter Menschen umfassend und in vielen Gesetzes-<br />

grundlagen verankert wurde, was für die besondere Wichtigkeit dieses Themas in Politik und Gesell-<br />

schaft spricht (siehe Kapitel 2.2). Jedoch werden hier lediglich die für das barrierefreie Bauen und<br />

den öffentlichen Raum substanziellsten Rahmenbedingungen und Gesetze vertieft.<br />

2.3.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen<br />

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen werden durch die UN-Behindertenrechtskonvention, die Char-<br />

ta der Europäischen Union, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sowie das Grundgesetz der<br />

Bundesrepublik Deutschland als engsten Rahmen definiert. Umgesetzt und weiter verankert werden<br />

diese Rahmenbedingungen im Bundesgleichstellungsgesetz und, konkret das barrierefreie Bauen im<br />

öffentlichen Raum betreffend, in den Landesbauordnungen konzentriert.<br />

2.3.1.1 UN Behindertenrechtskonvention<br />

Als neueste Entwicklung ist die UN-Behindertenrechtskonvention zu betrachten, welche seit März<br />

2009 in geltendes Recht in Deutschland übergegangen ist. Insbesondere die Instanzen der Politik,<br />

Verwaltung und Gerichte sind zur Beachtung der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte<br />

von Menschen mit Behinderungen verpflichtet. 80<br />

Das Leitbild der „Inklusion“ steht im Mittelpunkt der Konvention und soll für eine umfassende Einbe-<br />

ziehung behinderter Menschen in die Gesellschaft stehen. Dem Begriff der „Inklusion“ steht die „In-<br />

tegration“ gegenüber. Der behinderte Mensch soll sich nicht der Gesellschaft anpassen, sprich integ-<br />

rieren, sondern vielmehr soll die Gesellschaft aktiv behinderte Menschen in ihren Kreis mit einbezie-<br />

hen, also inkludieren. Die Individualität und Vielfalt der behinderten Menschen wird also voll aner-<br />

kannt. Die Inklusion betrifft unter anderem die Bereiche wie Arbeitsmarkt, Bildung, Wohnungswahl,<br />

aber auch insbesondere den Bereich Mobilität. Neben der Inklusion sind weitere imminent wichtige<br />

79 Internetauftritt des Portals für Barrierefreiheit, aufgerufen unter: http://www.barrierefreiportal.de/content/de/barrierefrei_bauen/gesetzliche_rahmenbedingungen/,<br />

abgerufen am 20.04.2010.<br />

80 Vgl. Internetauftritt der deutschen Bundesregierung, aufgerufen unter:<br />

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BMG/2009/03/2009-03-26-unbhindertenrechtskonvention.html,<br />

abgerufen am 24.07.2010.<br />

31


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

Schlüsselbegriffe der Konvention wie „Würde“, „Teilhabe“, „Selbstbestimmung“, „Empowerment“,<br />

„Chancengleichheit“ und, natürlich, „Barrierefreiheit“ bedeutend. Diese Begriffe ergänzen sich ge-<br />

genseitig und weisen gewisse potenzielle Abhängigkeiten auf. 81<br />

Der Behindertenbericht der Bundesregierung 2009 (siehe Kapitel 2.2.3) fasst ebenfalls die Konventi-<br />

on auf und setzt sie in das Gesamtbild der staatlichen Entwicklung. Die Konvention setzt demnach<br />

„wesentliche Impulse für die Weiterentwicklung der Barrierefreiheit in Deutschland.“ 82 Vor allem der<br />

eigenständige Artikel 9 „Zugänglichkeit“ des Übereinkommens, sprich der Konvention, enthält Aussa-<br />

gen <strong>zum</strong> gleichberechtigten Zugang zur Wahrnehmung von Infrastruktur. Hier heißt es unter ande-<br />

rem:<br />

„Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen<br />

Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem Ziel,<br />

für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Trans-<br />

portmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikations-<br />

technologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in<br />

städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleis-<br />

ten. Diese Maßnahmen, welche die Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und -<br />

barrieren einschließen, gelten unter anderem für Gebäude, Straßen, Transportmittel sowie andere<br />

Einrichtungen in Gebäuden und im Freien, einschließlich Schulen, Wohnhäusern, medizinischer Ein-<br />

richtungen und Arbeitsstätten.“ 83<br />

Die UN-Behindertenrechtskonvention präzisiert mit diesem Sachverhalt, dass für mobilitätseinge-<br />

schränkte und behinderte Menschen die Umwelt barrierefrei gestalten werden muss, so dass die<br />

Menschenrechte des Individuums dementsprechend verwirklicht werden können. 84<br />

2.3.1.2 Europäische Union<br />

Die europäische Union hat indes innerhalb ihrer „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“<br />

bereits <strong>zum</strong> Jahrtausendwechsel im Jahre 2000 Grundrechte für behinderte Menschen gesondert<br />

verankert. Von besonderer Relevanz sind die Artikel 21 „Nichtdiskriminierung“, Artikel 25 „Rechte<br />

älterer Menschen“ und der Artikel 26 „Integration von Menschen mit Behinderung“.<br />

81<br />

Vgl. Internetauftritt der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, aufgerufen<br />

unter: http://www.alleinklusive.behindertenbeauftragte.de/cln_115/nn_1369658/AI/Konvention/WasistdieUNKonvention__node.html?__nnn=true,<br />

abgerufen am 24.07.2010.<br />

82<br />

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />

die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 86. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

83<br />

Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2009, Artikel 9.<br />

E-Paper: http://www.behindertenbeauftragter.de/nn_1387894/SharedDocs/Downloads/DE/AI/BRK,templateId=<br />

raw,property=publicationFile.pdf/BRK.pdf, S.10.<br />

84<br />

Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung<br />

über die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 87. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

32


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Artikel 21 - Nichtdiskriminierung<br />

„Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen<br />

oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschau-<br />

ung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit,<br />

des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind ver-<br />

boten.“ 85<br />

Artikel 25 - Rechte älterer Menschen<br />

„Die Union anerkennt und achtet das Recht älterer Menschen auf ein würdiges und unabhängiges<br />

Leben und auf Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben.“ 86<br />

Artikel 26 - Integration von Menschen mit Behinderung<br />

„Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur<br />

Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teil-<br />

nahme am Leben der Gemeinschaft.“ 87<br />

Diese Grundrechte machen deutlich, dass neben dem Verbot der Diskriminierung behinderter Men-<br />

schen, auch die Belange älterer Menschen im Vordergrund stehen. Artikel 25 und 26 greifen die Ziel-<br />

gruppen dieser Ausarbeitung auf und betonen gleichermaßen die enorme Wichtigkeit der Integration<br />

dieser Menschen in die Gesellschaft, was später <strong>zum</strong> Verständnis der Inklusion führen soll.<br />

Ein weiteres Großereignis für die Barrierefreiheit auf europäischer Ebene ist die Richtlinie<br />

2004/18/EG. 88 Diese Richtlinie gibt bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen den Auftraggebern<br />

die Möglichkeit zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrages vorzuschreiben. Das heißt,<br />

dass insbesondere die verantwortlichen Auftraggeber, wie beispielsweise Kommunen oder öffentli-<br />

che Einrichtungen, die Barrierefreiheit in ihren Maßnahmen stärker verankern können. Dies betrifft<br />

im baulichen Umgriff von Maßnahmen die Schaffung allgemeiner Zugänglichkeitskriterien angepasst<br />

an die Bedürfnisse behinderter Menschen. Das angewandte Konzept hierfür nennt sich „Design für<br />

alle“. „Konkret bedeutet dies für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dass in den Leistungs-<br />

beschreibungen von öffentlichen Ausschreibungen und bei der Vergabe von Aufträgen sowie bei der<br />

Vergabe von Konzessionen Fragen der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen bzw. das<br />

85<br />

Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Feierliche Proklamation, Artikel 21 – Diskriminierung, veröffentlicht im<br />

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 364, S.13., Brüssel, 2000.<br />

E-Paper: http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf.<br />

86<br />

Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Feierliche Proklamation, Artikel 25 – Rechte älterer Menschen, veröffentlicht<br />

im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 364, S.14., Brüssel, 2000.<br />

E-Paper: http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf.<br />

87<br />

Ebenda, Artikel 26 – Integration von Menschen mit Behinderung, S. 14.<br />

88<br />

Vgl. Internetauftritt des Eurolexikons, der Zugang <strong>zum</strong> EU-Recht: aufgerufen unter: http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2004:134:0114:0240:de:PDF,<br />

abgerufen am 23.07.2010.<br />

33


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

Prinzip des „Design für Alle“ berücksichtigt werden können, wo immer dies möglich ist.“ 89 Vornehm-<br />

lich ist dies im Kontext der Arbeit für den Bereich baulicher Maßnahmen im öffentlichen unbebauten<br />

Raum, aber auch bei Verkehrsanlagen entscheidend.<br />

2.3.1.3 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland<br />

Auf nationaler Ebene unterbaut natürlich das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland den An-<br />

spruch auf die Integration behinderter Menschen in die Gesellschaft. Seit 1994 ist der ergänzende<br />

Satz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." in Artikel 3 *Gleichheit vor<br />

dem Gesetz] Absatz 3 des Grundgesetzes eingefügt worden und seit dem dort verankert. 90<br />

Zudem stützt sich die Forderung nach Barrierefreien Bauen desweiteren auf den Artikel 2 [Recht auf<br />

freie Entfaltung der Persönlichkeit] und Artikel 12 [Das Recht der freien Wahl von Beruf, Arbeitsplatz<br />

und Ausbildungsstätte]. Zur Erfüllung des Anspruchs dieser drei Artikel ist das barrierefreie Bauen als<br />

Instrument einzusetzen.<br />

2.3.2 Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsge-<br />

setz)<br />

Die wichtigste nationale Grundlage zur Verwirklichung des barrierefreien Bauens ist das Gesetz zur<br />

Gleichstellung behinderter Menschen aus dem Jahre 2002, kurz Behindertengleichstellungsgesetz<br />

genannt. Es gilt vornehmlich für die Träger öffentlicher Gewalt auf Bundesebene. Das Behinderten-<br />

gleichstellungsgesetzt setzt in diesem Sinne den Rahmen für die konkrete Umsetzung in den Landes-<br />

gleichstellungsgesetzen auf Länderebene.<br />

Zudem wird allgemein davon gesprochen, dass mit dem Behindertengleichstellungsgesetz nicht mehr<br />

Fürsorge und Versorgung im Mittelpunkt der politischen Anstrengungen für Menschen mit Behinde-<br />

rung stehen, „sondern selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und Beseitigung der<br />

Hindernisse, die dieser Teilhabe entgegenstehen.“ 91 Dies beschreibt den Paradigmenwechsel der<br />

Bundesregierung um den Jahrtausendwechsel, der ebenfalls mit der Veröffentlichung des Neunten<br />

Sozialgesetzbuches „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ im Jahr 2001 einhergeht.<br />

Das Gesetz sagt klar aus worauf es in der Barrierefreiheit ankommt. Es gilt barrierefreie Lebensräume<br />

herzustellen und diese umfassend zugänglich und uneingeschränkt nutzbar zu machen. Dieser Erklä-<br />

rungsansatz erhebt nicht nur Anspruch auf die physische Umwelt (Treppen, Stufen, Geländeneigun-<br />

gen etc.), sondern auch kommunikative Faktoren wie Orientierungsinformationen und –Systeme mit<br />

taktilen und visuellen Informationen. Der erläuterte Sachverhalt ist in § 4 des Gesetzes definiert.<br />

89<br />

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.) (2009): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesregierung über<br />

die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, S. 87. E-Paper:<br />

http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.<br />

90<br />

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 3 Abs. 3 Satz 2, letzte Änderung durch: Art. 2 ÄndG vom 29. Juli<br />

2009 vom 1. August 2009.<br />

91<br />

Internetauftritt des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. DVBS, aufgerufen<br />

unter: http://www.dvbs-online.de/horus/2006-5-3987.htm, abgerufen am 25.07.2010.<br />

34


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Im Folgenden werden die wichtigsten Auszüge des Behindertengleichstellungsgesetzes aufgezeigt.<br />

Dies betrifft das Ziel des Gesetzes sowie die Vorgaben zur Herstellung von Barrierefreiheit in den<br />

Bereichen Bau und Verkehr. Auf die Begriffsbestimmungen „Behinderung“ und „Barrierefreiheit“<br />

wird in diesem Kontext verzichtet, da diese für die Arbeit bereits in Kapitel 2.1.4 bzw. 2.1.5 behandelt<br />

wurden.<br />

§1 Gesetzesziel<br />

„Ziel dieses Gesetzes ist es, die Benachteiligung von behinderten Menschen zu beseitigen und zu<br />

verhindern, sowie die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesell-<br />

schaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dabei ist<br />

deren besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.“ 92<br />

§8 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr<br />

(1) „Zivile Neubauten sowie große zivile Um- oder Erweiterungsbauten des Bundes einschließlich<br />

35<br />

der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts<br />

sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet wer-<br />

den. Von diesen Anforderungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in<br />

gleichem Maße die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden. Die landesrechtlichen<br />

Bestimmungen, insbesondere die Bauordnungen, bleiben unberührt.<br />

(2) Sonstige bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich<br />

zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind<br />

nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes barrierefrei zu gestalten. Wei-<br />

tergehende landesrechtliche Vorschriften bleiben unberührt.“ 93<br />

Die Landesgleichstellungsgesetze haben die Verpflichtungen den Baubereich zu präzisieren. So<br />

spricht das Landesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen in Rheinland-Pfalz für den Bereich<br />

„Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr“ wie folgt:<br />

§ 9 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr<br />

(1) „Bauliche Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Ver-<br />

kehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personennahverkehr sind nach Maß-<br />

gabe der für den jeweiligen Bereich geltenden Rechtsvorschriften barrierefrei zu gestalten.<br />

(2) Das Land, die Gemeinden und die Gemeindeverbände sowie die sonstigen der Aufsicht des<br />

Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sollen<br />

92<br />

Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Deutschland), § 1 Gesetzesziel, zuletzt geändert durch: Art. 12 G vom<br />

19. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3024, 3034).<br />

93<br />

Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Deutschland), § 8 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau<br />

und Verkehr, zuletzt geändert durch: Art. 12 G vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3024, 3034).


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

1. bei Neubauten sowie bei großen Um- oder Erweiterungsbauten die allgemein anerkannten<br />

Regeln der Technik zur barrierefreien Gestaltung so weit wie möglich berücksichtigen und<br />

2. die bereits bestehenden Bauten schrittweise entsprechend den allgemein anerkannten<br />

Regeln der Technik so weit wie möglich barrierefrei gestalten.“ 94<br />

Die hierin genannten „für den jeweiligen Beriech geltenden Rechtsvorschriften“ und die „allgemein<br />

anerkannten Regeln der Technik“ sind insbesondere Regelungen der betreffenden Fachgesetzte und<br />

DIN-Normen des Deutschen Instituts für Normung e.V.. Die DIN-Normen für das barrierefreie Bauen<br />

sind insbesondere die Vorschriften DIN 18024, 18025, 18040 und die kommende 18070, welche in<br />

Kapitel 2.4.3 erläutert werden. 95<br />

Abschließend ist festzustellen, dass das Behindertengleichstellungsgesetz und die resultierenden<br />

Gleichstellungsgesetze der Länder die Grundvoraussetzung zur Umsetzung der Barrierefreiheit in<br />

möglichst allen Lebensbereichen sind.<br />

2.3.3 Musterbauordnung<br />

Die Musterbauordnung sowie der Verweis auf die Landesbauordnungen erfolgt lediglich zur Voll-<br />

ständigkeit der Arbeitsgrundlagen <strong>zum</strong> barrierefreien Bauen. Die betreffenden Landesbauordnungen<br />

werden nicht weiter vertieft, da sie für die Untersuchungen des unbebauten öffentlichen Raumes<br />

von sehr geringer Relevanz sind. Die Bauordnungen gelten in diesem Zusammenhang nur für den<br />

öffentlichen Raum in Form öffentlicher Gebäude. Ausgenommen davon ist die Zugänglichkeit für<br />

öffentliche Gebäude, welche an den unbebauten öffentlichen Raum angrenzt. Für den Bereich des<br />

unbebauten öffentlichen Raumes sind gemäß Landesgleichstellungsgesetz die betreffenden Rechts-<br />

vorschriften zu beachten.<br />

Die Musterbauordnung ist das vereinheitlichte Werk, welches den Landesbauordnungen der einzel-<br />

nen Bundesländer als Grundlage dient. Sie wird als Standard- und Mindestbauordnung beschrieben<br />

und kann dann je nach Bundesland geringfügig abweichen und ergänzt sein.<br />

Die Musterbauordnung wird stetig überarbeitet. Eine letzte solche Überarbeitung erfolgte 2002 mit<br />

dem Ziel das Verfahrens- und materielle Bauordnungsrecht der Länder zu vereinfachen. 96<br />

Hier findet sich auch ein gesonderter Absatz <strong>zum</strong> barrierefreie Bauen, welcher sich jedoch nur in sehr<br />

allgemeinem Maße auf den unbebauten öffentlichen Raum bezieht. Der einschlägige § 50 „Barrieref-<br />

reies Bauen“ ist im 7. Abschnitt „Nutzungsbedingte Anforderungen“ zu finden. Faktisch sind Absatz 2,<br />

3 und 4 für den öffentlichen Raum relevant.<br />

94<br />

Landesbauordnung Rheinland-Pfalz (LBauO), Fassung vom 24. November 1998 (GVBl. S. 365), zuletzt geändert durch<br />

Gesetz vom 4.7.2007, (GVBl. S. 105).<br />

95<br />

Vgl. Internetauftritt der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, aufgerufen<br />

unter: http://www.behindertenbeauftragter.de/cln_108/nn_1039898/DE/Barrierefreiheit/<br />

Bauen/Bauen__node.html?__nnn=true, abgerufen am 26.07.2010.<br />

96<br />

Internetauftritt von bauordnungen.de, aufgerufen unter: http://www.bauordnungen.de/html/deutschland.html, abgeru-<br />

fen am 26.07.2010.<br />

36


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

§ 50 Barrierefreies Bauen<br />

„(2) Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucherver-<br />

kehr dienenden Teilen von Menschen mit Behinderungen, alten Menschen und Personen mit Klein-<br />

kindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können.<br />

Diese Anforderungen gelten insbesondere für<br />

1. Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens,<br />

2. Sport- und Freizeitstätten,<br />

3. Einrichtungen des Gesundheitswesens,<br />

4. Büro-, Verwaltungs- und Gerichtsgebäude,<br />

5. Verkaufs- und Gaststätten,<br />

6. Stellplätze, Garagen und Toilettenanlagen.<br />

(3) Bauliche Anlagen nach Absatz 2 müssen durch einen Eingang mit einer lichten Durchgangsbreite<br />

von mindestens 0,90 m stufenlos erreichbar sein. Vor Türen muss eine ausreichende Bewegungsflä-<br />

che vorhanden sein. Rampen dürfen nicht mehr als 6 v. H. geneigt sein; sie müssen mindestens 1,20<br />

m breit sein und beidseitig einen festen und griffsicheren Handlauf haben. Am Anfang und am Ende<br />

jeder Rampe ist ein Podest, alle 6 m ein Zwischenpodest anzuordnen. Die Podeste müssen eine Länge<br />

von mindestens 1,50 m haben. Treppen müssen an beiden Seiten Handläufe erhalten, die über Trep-<br />

penabsätze und Fensteröffnungen sowie über die letzten Stufen zu führen sind. Die Treppen müssen<br />

Setzstufen haben. Flure müssen mindestens 1,50 m breit sein. Ein Toilettenraum muss auch für Be-<br />

nutzer von Rollstühlen geeignet und erreichbar sein; er ist zu kennzeichnen. § 39 Abs. 4 gilt auch für<br />

Gebäude mit einer geringeren Höhe als nach § 39 Abs. 4 Satz 1, soweit Geschosse mit Rollstühlen<br />

stufenlos erreichbar sein müssen.<br />

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht, soweit die Anforderungen wegen schwieriger Geländeverhältnis-<br />

se, wegen des Einbaus eines sonst nicht erforderlichen Aufzugs, wegen ungünstiger vorhandener<br />

Bebauung oder im Hinblick auf die Sicherheit der Menschen mit Behinderungen oder alten Men-<br />

schen nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können.“ 97<br />

So sei an dieser Stelle nochmals zu betonen, dass die Vorgaben der Musterbauordnung sowie der<br />

Landesbauordnungen im Bereich des öffentlichen Raumes sich auf öffentliche Gebäude beschränken.<br />

Für den unbebauten öffentlichen Raum sind die jeweiligen Rechtsvorschriften sowie die Regelwerke<br />

im Städtebau verantwortlich, welche in Kapitel 2.4. intensiv bearbeitet werden.<br />

97 Vgl. Internetauftritt von bauordnungen.de, aufgerufen unter:<br />

http://www.bauordnungen.de/html/musterbauordnung.html, abgerufen am 26.07.2010.<br />

37


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

2.4 Städtebauliche Vorgaben<br />

Der Bereich der städtebaulichen Vorgaben zur Schaffung von Barrierefreiheit ist dreigeteilt. Es gilt in<br />

einem ersten Schritt zu abstrahieren, welche Rahmenbedingungen zur Entwicklung des Städtebaus in<br />

den Kommunen faktisch bestehen. Zweitens wird geklärt, wo die Barrierefreiheit in der Bauleitpla-<br />

nung zu finden ist und welche Rolle sie in heutigen Planungsprozessen spielt. Zum weiteren wird das<br />

Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der Stadtplanung dargelegt und präzisiert. Hier<br />

liegt wieder das Hauptaugenmerk auf den Geltungsbereich des unbebauten öffentlichen Raumes wie<br />

Plätze, Wege und öffentliche Verkehrsanlagen, welche in den nachfolgenden Studien mittelbar er-<br />

fasst werden und im Nachhinein mit den Ergebnissen zur Diskussion stehen werden.<br />

2.4.1 Rahmenbedingungen zur Entwicklung des Städtebaus in den Kommunen<br />

Den Bezug zur Barrierefreiheit in der Bauleitplanung herzustellen, macht es notwendig die aktuelle<br />

Situation der Kommunen plakativ darzustellen und aufzuzeigen, wo es in der Stadtentwicklung in<br />

Zukunft hingehen soll.<br />

„Zur Realisierung der notwendigen städtebaulichen Entwicklungen wurden von der Bundesregierung<br />

verschiedene Programme zur Städtebauförderung für die Kommunen erlassen. Die Programme ha-<br />

ben die Aufgabe bestimmte Entwicklungsmaßnahmen zu leiten und zu steuern.“ 98 Damit wird schon<br />

die Aussage impliziert, dass die Kommunen aus eigener Kraft aufgrund der knappen Finanzlage und<br />

des geringen Haushaltsaufkommens, auf die Unterstützung des Bundes angewiesen sind. Die Reali-<br />

sierung von Städtebaumaßnahmen folgt demnach den klar definierten Vorgaben der jeweiligen För-<br />

derrichtlinien. Somit können zukunftsfähige und damit auch nachhaltige Konzepte nur in einem ab-<br />

gesteckten Rahmen durchgeführt werden. Die aktuellen Fördermaßnahmen beinhalten die städte-<br />

baulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen, Denkmalschutz- und Stadtumbaumaßnahmen<br />

sowie Maßnahmen zur Entwicklung der „Sozialen Stadt“. Diese sind einschlägig im Baugesetzbuch in<br />

den §§ 162 ff. (Städtebauliche Sanierungsmaßnahme), §§ 165 ff. (Städtebauliche Entwicklungsmaß-<br />

nahme), §§ 171 ff. (Stadtumbaumaßnahme) sowie die § 171 e (Soziale Stadt) geregelt. 99 Diese Maß-<br />

nahmen stützen sich vornehmlich auf die Beseitigung von Missständen in den Städten, insbesondere<br />

nutzungsspezifischer (Wohnnutzung) und sozialer Natur. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Umbau-<br />

und Sanierungsmaßnahmen sowie die sozialorientierte Stadterneuerung vor allem ein Angebot an<br />

alten- und behindertengerechten Wohnungen schaffen sollen. 100 Dies ist eine weitere Zielrichtung<br />

innerhalb der Maßnahmen, gilt jedoch in der Konsequenz für den privaten Bereich und steht somit<br />

nicht im Schwerpunkt dieser Arbeit.<br />

Die Stadtumbaumaßnahme zielt beispielsweise auf eine Herstellung nachhaltiger städtebaulicher<br />

Strukturen ab, welche auch unbedingt <strong>zum</strong> Ziel haben sollten, eine gleichberechtigte Teilhabe aller<br />

98<br />

Metlitzky, Nadine; Engelhardt, Lutz (2008): Barrierefrei Städte bauen – Orientierungssysteme im öffentlichen Raum,<br />

Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, S.10.<br />

99<br />

Vgl. Baugesetzbuch BauGB, letzte Änderung durch: Art. 4 G vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585, 2617).<br />

100<br />

Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />

Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 5 f.<br />

38


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Menschen am alltäglichen Leben zu gewährleisten und das Wohl der Allgemeinheit zu fördern. 101 Es<br />

ist nochmals zu betonen, dass diese Maßnahmen sich nicht vordergründig mit der Barrierefreiheit in<br />

der städtischen Umwelt beschäftigen, sie aber, durch die zu erfüllenden Ansprüche, als Selbstver-<br />

ständlich verstanden und in die Planung einfließen müssen.<br />

Zukünftig muss das Ziel der Kommunen und des Städtebaus sein, die Grundbedürfnisse aller Bevölke-<br />

rungsgruppen, insbesondere in den Städten, weiter zu fördern und sicherzustellen.<br />

So besitzen mittlerweile viele Städte eigens hierzu angelegte Gremien, Arbeitskreise zur Barrierefrei-<br />

heit oder ähnliches. Vor dem Hintergrund der fachlichen stadtplanerischen Kompetenz beschäftigen<br />

sich diese städtischen Ansprechpartner mit der lokalisierten Barrierefreiheit ihrer Stadt und diskutie-<br />

ren geplante Neuerungen in diesem Themenfeld. Es liegt insbesondere in ihrem Interesse die Situati-<br />

on vor Ort zu verbessern, neue Denkanstöße für kommunale Entwicklung herzustellen sowie Betrof-<br />

fenen und Interessierten die Möglichkeit zu geben ihre Meinungsbilder in kommunalen Vorhaben<br />

einzubringen. Dieser durchaus sinnvolle Service ist auch in der Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> 102 vorhanden und<br />

in den späteren Untersuchungen zu Rate gezogen sowie aktiv eingebunden werden.<br />

2.4.2 Barrierefreiheit in der Bauleitplanung, Stadt- und Verkehrsplanung<br />

Die Akteure, welche eine umfassende Barrierefreiheit in Planung und Vollzug beeinflussen und<br />

durchsetzen wollen, sind vielseitig. „Das Prinzip der Stadtplanung ist die konzeptionelle Entwicklung<br />

des urbanen Raumes, wobei stadtteilbezogenen Nutzungen und die verkehrsräumlich Erschließung<br />

vorgegeben werden.“ 103 Für die Prozesssteuerung und Planungen innerhalb der verbindlichen Bau-<br />

leitplanung sind deshalb Stadt- sowie Verkehrsplaner gleichermaßen gefragt. In der Planung öffentli-<br />

cher Gebäude und Anlagen (siehe Kapitel 2.3.3) ist zudem die Riege der Architekten gefragt. Essenti-<br />

ell werden in der vorliegenden Arbeit jedoch insbesondere Maßnahmen zur Stadterneuerung im<br />

öffentlichen unbebauten Raum, wie beispielsweise Fußgängerzonen es sind, behandelt. Es gilt somit<br />

die unverzichtbare Forderung innerhalb dieser Maßnahmen den öffentlichen (unbebauten) Raum<br />

behindertengerecht zu gestalten, um dadurch die Voraussetzung für die gesellschaftliche Inklusion<br />

(früher Integration; siehe Kapitel 2.3.1.1) von Menschen mit Behinderung zu schaffen. „Eine gerade<br />

in dieser Hinsicht langfristige und komplex angelegte Stadt- und Verkehrsplanung ist dabei eine<br />

wichtige Grundlage für die Verbesserung der Lebensqualität aller Bürger.“ 104<br />

Dem entspricht auch der § 1 BauGB „Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung“, der punk-<br />

tuell von einer „nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung, die *…+ in Verantwortung gegenüber<br />

101<br />

Vgl. Erbguth, Wilfried; Wagner, Jörg (2005): Grundzüge des öffentlichen Baurechts, 4. Auflage, München, S. 283.<br />

102<br />

Vgl. Internetauftritt der Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> <strong>zum</strong> Thema barrierefreies Bauen und dem Arbeitskreis „Barrierefreie Stadt<br />

<strong>Kaiserslautern</strong>“, aufgerufen unter:<br />

http://www.kaiserslautern.eu/leben_in_kl/bauen_und_wohnen/barrierefreies_bauen/index.html?lang=de, abgerufen am<br />

09.08.2010.<br />

103<br />

Metlitzky, Nadine; Engelhardt, Lutz (2008): Barrierefrei Städte bauen – Orientierungssysteme im öffentlichen Raum,<br />

Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, S.10.<br />

104<br />

Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />

Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 4.<br />

39


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

künftigen Generation *steht+ *…+“ 105 sowie dem Beitrag „eine menschenwürdige Umwelt zu sichern<br />

und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln *…+“ 106 spricht. Hinsichtlich der<br />

Barrierefreiheit wird das Baugesetzbuch in § 1 Abs. 6 Punkt 2 konkreter:<br />

„(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:<br />

*…+<br />

3. die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Fami-<br />

lien, der jungen, alten und behinderten Menschen, *…+“ 107<br />

Aus diesen konkretisierten Aussagen des Baugesetzbuches lassen sich somit für die Bauleitplanung,<br />

insbesondere den Bebauungsplan, gewisse Anforderungen an die Gestaltung der Umwelt identifizie-<br />

ren. Darunter fällt die Stärkung der Lebensqualität durch die strukturelle Zuordnung der Grundfunk-<br />

tionen (Wohnen, Arbeiten, Bilden und Versorgen), ergänzt durch die Funktionen Erholung und Frei-<br />

zeit sowie durch eine vorteilhafte Zuordnung dieser Funktionen und einer Nutzungsmischung zur<br />

Schaffung möglichst kurzer Wege in der Stadt. Dies ist die Grundvoraussetzung für eine behinderten-<br />

gerechte Gestaltung der städtischen Lebensräume. Zudem muss die Vorgabe erfüllt werden, die Ver-<br />

kehrsräume dementsprechend zu gestalten und die Aufenthaltsfunktion in der Stadt zu stärken. Bei<br />

der gleichberechtigten Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen kann hierdurch ein Identifikationspool in<br />

Form von bürgerlichen Treffpunkten entstehen. Neben den Verkehrsräumen stehen auch die<br />

verkehrlichen Einrichtungen zur Debatte. Es darf keine Ausgrenzung mobilitätseingeschränkter Men-<br />

schen, in Form eines schlechten Angebots im öffentlichen Nahverkehr, geben. 108<br />

Als weiteres inhaltliches Kernthema ist die Absolvierung des Alltagslebens eben auch für mobilitäts-<br />

eingeschränkte und behinderte Menschen zu fokussieren. Dazu gehören vor allem das Einkaufen<br />

allgemein und speziell in Fußgängerzonen sowie eine behindertengerechte Zugänglichkeit öffentli-<br />

cher Gebäude und Anlagen. Erster Fall gehört <strong>zum</strong> unbebauten öffentlichen Raum, welcher durch<br />

einschlägige DIN-Normen, insbesondere die DIN 18024 1. Teil (siehe Kapitel 2.4.3.1), und Richtlinien<br />

in der Verkehrsplanung geregelt ist. Die Zugänglichkeit öffentlicher Gebäude und Anlagen fällt dabei<br />

unter die Vorschriften der jeweiligen Landesbauordnung, ebenfalls verknüpft mit technischen Regel-<br />

werken (beispielsweise DIN 18024 2. Teil, ersetzt durch DIN 18040 1. Teil von Juli 2010).<br />

Nach den inhaltlichen Möglichkeiten zur Verfestigung der Barrierefreiheit gibt es zudem prozesshafte<br />

Opportunitäten, um Einfluss auf eine gleichberechtigte und selbständige Teilhabe zu nehmen. „Bei<br />

der konkreten Umsetzung der Empfehlungen vor Ort sollten die zuständigen Stellen die Betroffenen<br />

möglichst frühzeitig in den Planungs- und Entscheidungsprozess einbeziehen.“ 109 Insbesondere bei<br />

der Wahrnehmung örtlicher Schwachstellen sind die Erfahrungen und Bewertungen betroffener<br />

105<br />

Baugesetzbuch BauGB §1 Abs. 5 Satz 1, letzte Änderung durch: Art. 4 G vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585, 2617).<br />

106<br />

Ebenda § 1 Abs. 5 Satz 2.<br />

107<br />

Ebenda § 1 Abs. 6 Punkt 3.<br />

108<br />

Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele (1997): Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für<br />

Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, S. 4f.<br />

109<br />

Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.)(2000): Bürgerfreundliche und behindertengerechte<br />

Gestaltung des Straßenraums: Ein Handbuch für Planer und Praktiker, in: „direkt“-Schriftenreihe Nr. 54_2000, Berlin, S.9.<br />

40


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

mobilitätsbehinderter Menschen mit einzubeziehen. Neben den Betroffenen sollten auch wie im<br />

Bereich Verkehr und Mobilität (siehe Kapitel 2.3.2.2) Behindertenbeauftragte und –Verbände im<br />

Planungsprozess frühzeitig angehört werden. Dies können sich auch öffentliche Stelle zu Nutzen ma-<br />

chen, indem sie Informationen und Anregungen der Betroffenen und Behindertenvertretern für die<br />

Öffentlichkeitsarbeit verwenden, um somit eine verbesserte Akzeptanz sowie eine Erleichterung im<br />

Planungsprozess zu schaffen. 110 Damit wird auch ein allgemeines Verständnis und Wissen zur Barrie-<br />

refreiheit aller an Planungsprozesse beteiligten Akteure hergestellt.<br />

Die frühzeitige Beteiligung laut § 3 Abs. 1 Satz 1 BauGB 111 eignet sich demnach vorzüglich zur Einglie-<br />

derung der Bevölkerungsgruppe der Menschen mit Behinderung und deren Vertreter.<br />

Es lassen sich folgende Leitziele hinsichtlich der Barrierefreiheit in der Bauleitplanung, Stadt- und<br />

Verkehrsplanung definieren:<br />

- Schaffung möglichst kurzer Wege durch Nutzungsmischung und eine strukturelle Nutzungs-<br />

41<br />

zuordnung in der Stadt mit dem Ziel der einfachen Erreichbarkeit.<br />

- Verwendung klarer Orientierungssysteme in der Stadt zur Information und Vermeidung von<br />

Barrieren.<br />

- Herstellen von barrierefreier Verkehrsstruktur und –Anlagen zur Ermöglichung einer gleich-<br />

berechtigten Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen am innerstädtischen Lebensraum.<br />

- Die Mischung sozialer Gruppen und unterschiedlicher Generationen zur Schaffung eines Wir-<br />

Gefühls und eines gegenseitigen Helfens.<br />

- Die Bündelung integrierter strategischer und taktischer Aufgaben im Stadtumbau und der<br />

Stadterneuerung durch ein „Urban Management“ und „Design für alle“ (siehe Kapitel<br />

2.3.1.2).<br />

2.4.3 Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der Stadtplanung<br />

Dieses Unterkapitel beschäftigt sich zielgerichtet mit dem notwendigen Instrumentarium zur Redu-<br />

zierung von Barrieren insbesondere im innerstädtischen unbebauten Raum. Dieser Bereich wird ak-<br />

tuell noch durch die DIN 18024 Teil 1, 1998-01 – „Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrs- und<br />

Grünanlagen sowie Spielplätze“ abgedeckt. Diese Norm wird demnächst durch die DIN 18070 „Bar-<br />

rierefreies Bauen - Planungsgrundlagen. Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum.“ ersetzt. Die Arbeit<br />

hierzu hat im Juni 2010 begonnen. 112<br />

„Normen, Richtlinien und Empfehlungen beinhalten den aktuellen Stand der Technik und stehen<br />

jedermann zur Anwendung frei, ohne zunächst rechtlich verbindlich zu sein. Rechtsverbindlich wer-<br />

110 Vgl. Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.)(2000): Bürgerfreundliche und behindertengerechte<br />

Gestaltung des Straßenraums: Ein Handbuch für Planer und Praktiker, in: „direkt“-Schriftenreihe Nr. 54_2000, Berlin,<br />

S.9.<br />

111 Vgl. Baugesetzbuch BauGB §3 Abs. 1 Satz 1, letzte Änderung durch: Art. 4 G vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585, 2617).<br />

112 Vgl. Internetauftritt zur E DIN 18070, aufgerufen unter: http://www.din18070.de/, aufgerufen am 05.08.2010.


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

den sie durch die Bezugnahme oder Einführung in Gesetze und Verordnungen.“ 113 In einigen Bundes-<br />

ländern sind die DIN 18024 und die DIN 18025 <strong>zum</strong> Bestandteil der dort vorhandenen Landesbau-<br />

ordnungen geworden. Die zu nennenden Anwendungen finden ihren Regelungsbereich in den Tech-<br />

nischen Baubestimmungen der einzelnen Landesbauordnungen.<br />

Weitere DIN-Normen <strong>zum</strong> Barrierefreien Bauen sind die<br />

- DIN 18 024 Teil 2, 1996-11 „Öffentlich zugängige Gebäude und Arbeitsstätten“, welche er-<br />

setzt wird durch die DIN 18040 Teil 1 "Öffentlich zugängliche Gebäude" aus dem Juli 2010.<br />

- DIN 18040 Teil 2, 2009-02 „Wohnungen“ aus den Februar 2009, welche die bisher gültigen<br />

Normen DIN 18025 Teil 1 „Wohnungen für Rollstuhlbenutzer“ und<br />

DIN 18025 Teil 2 „Barrierefreie Wohnungen“ ersetzt. Diese Normen sind in einigen Bundes-<br />

länder in die Landesbauordnungen mit eingegangen. 114<br />

Dieses doch recht unübersichtliche Verhältnis wird in der Abbildung 6 anschaulich dargelegt.<br />

Abbildung 6: Verhältnis der Normen des barrierefreien Bauens. Quelle: Internetauftritt der DIN-18070, aufgerufen unter:<br />

http://din18070.de/normen-richtlinien.htm, aufgerufen am 06.08.2010.<br />

Im Folgenden wird sich nun verstärkt mit der DIN 18 024 Teil 1 „Straßen, Plätze, Wege, öffentliche<br />

Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätze“ aus dem Januar 1998 befasst und auch wiederum auf<br />

den späteren Untersuchungsbereich der Fußgängerzone in <strong>Kaiserslautern</strong> abgeschichtet. Der Unter-<br />

suchungsraum weist insbesondere verschiedene Bodenbeläge auf, keine Orientierungs- oder Boden-<br />

leitsysteme, einen Übergang über eine Lichtsignalanlage, Steigungen und Gefälle sowie Treppen und<br />

113<br />

Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din18024-1.htm,<br />

abgerufen am 06.08.2010.<br />

114<br />

Vgl. Internetauftritt von nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/, aufgerufen am 05.08.2010.<br />

42


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

eine Rampe auf. Diesbezüglich werden zusätzlich zur DIN 18024 Teil 1 die DIN 32984 „Bodenindikato-<br />

ren im öffentlichen Verkehrsraum“ aus dem Mai 2000 in Verbindung mit Bodenleitsystemen sowie<br />

eine kritische Auseinandersetzung mit der Gestaltung barrierefreier Querungsanlagen beschrieben.<br />

2.4.3.1 Geltungsbereich der DIN 18024 Teil 1<br />

Im Geltungsbereich der DIN 18024 Teil 1 werden Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrsanlagen<br />

und öffentliche Grünanlagen sowie deren Zugänge erfasst. Es gilt die Vorgabe, dass Nutzer des Gel-<br />

tungsbereichs in die Lage versetzt werden müssen, von fremder Hilfe weitgehend unabhängig agie-<br />

ren zu können. 115<br />

Das gilt insbesondere für<br />

Rollstuhlbenutzer - auch mit Oberkörperbehinderung<br />

Blinde, Sehbehinderte<br />

Gehörlose, Hörgeschädigte<br />

Gehbehinderte<br />

Menschen mit sonstigen Behinderungen<br />

Ältere Menschen<br />

Kinder, klein- und großwüchsige Menschen. 116<br />

Die DIN 18024 Teil 1 unterteilt sich dabei in mehrere Gliederungspunkte die angefügt kurz erläutert<br />

werden. Insbesondere die Bereiche „Flächen“, „Fußgängerverkehrsfläche“ sowie „Ausstattung“ sind<br />

für die späteren Studien im Untersuchungsraum der Fußgängerzone in <strong>Kaiserslautern</strong> von Bedeutung<br />

und werden daher näher betrachtet.<br />

Die Din 18024 Teil 1 enthält folgende Gliederungspunkte:<br />

Flächen<br />

43<br />

Regelungsbereich: Begegnungsflächen, Oberflächenbeschaffenheit von Bewegungs- und Be-<br />

gegnungsflächen. (Insbesondere zur Bewegung mit dem Rollstuhl notwendige Flächen)<br />

Fußgängerverkehrsfläche<br />

Regelungsbereich: Gefälle, Fußgängerüberwege, Straßenverkehrs-Signalanlagen.<br />

Treppe, Rampe, Aufzug<br />

115 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din18024-1.htm,<br />

abgerufen am 06.08.2010.<br />

116 Vgl. Ebenda.


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

Regelungsbereich: Den Übergang unterschiedlicher Ebenen, Treppen, Rampen, Aufzug, Fahr-<br />

treppen, Fahrsteige.<br />

Grünanlage und Spielplatz<br />

Regelungsbereich: Hauptgehwege, Nebengehwege, Sanitäranlagen, Notruf.<br />

Baustellensicherung<br />

Regelungsbereich: Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen.<br />

Haltestelle, Bahnsteig<br />

Regelungsbereich: Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel und Bahnsteige, Bedienelemente.<br />

Pkw-Stellplatz<br />

Regelungsbereich: Flächen rund ums Auto.<br />

Ausstattung<br />

Regelungsbereich: Ausstattung, Orientierung, Beschilderung und Beleuchtung. 117<br />

Insbesondere die Regelungsbereiche Flächen, Fußgängerverkehrsfläche, Treppe, Rampe, Aufzug so-<br />

wie Ausstattung sind für die späteren Studien von besonderer Bedeutung. Die Inhalte zur DIN 18024<br />

Teil 1 in Bezug zur Forschungsarbeit sind aufgrund des Umfangs in Anhang IV - Ausgewählte Auszüge<br />

zur DIN 18024 Teil 1 - zu finden.<br />

2.4.3.2 DIN 32984 „Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum“<br />

Die DIN 32984 „Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum“ beschäftigt sich mit den Anforde-<br />

rungen an Bodenindikatoren im genannten Geltungsbereich und legt diese fest. Die Planung ist auf<br />

eine Anordnung bestimmter Orientierungshilfen für blinde und sehbehinderte Personen in öffentlich<br />

zugänglichen Einrichtungen, Verkehrsanlagen sowie Straßenräumen angewiesen. Die Aufgabe von<br />

Bodenindikatoren liegt darin auf Gefahren für diese Behindertengruppe aufmerksam zu machen. 118<br />

Bodenindikator<br />

„Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum sind: Leitstreifen, Aufmerksamkeitsfeld, Auffang-<br />

streifen, Begleitstreifen, Begrenzungs- und Schutzstreifen, Leuchtdichtekontrast mit hohen taktilen,<br />

akustischen und optischen Kontrast (Leuchtdichte und Farbe) <strong>zum</strong> angrenzenden Bodenbelag.<br />

Als taktile Orientierungshilfen müssen sie sich vom Umfeld deutlich unterscheiden, z. B. durch Form,<br />

Material, Härte und Oberflächenrauigkeit, so dass sie sicher mit dem Langstock und dem Schuhwerk<br />

ertastet werden können. Vor Gefahrenstellen, Hindernissen und Richtungsänderungen müssen Bo-<br />

117<br />

Vgl. Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din18024-1.htm,<br />

abgerufen am 06.08.2010.<br />

118<br />

Vgl. Internetauftritt zur Norm 32984 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din32984-<br />

aufmerksamkeitsfelder.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />

44


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

denindikatoren rechtzeitig einen Warn- oder Aufmerksamkeitshinweis signalisieren. Gefahrenstellen<br />

und Hindernisse, auch vorübergehende, z.B. Baustellen, sind durch ertastbare Absperrungen zu<br />

kennzeichnen. Bodenindikatoren sind in durchlaufenden Streifen oder punktuell als rechteckige Fel-<br />

der zu verlegen.“ 119<br />

Bodenindikatoren haben vor dem Hintergrund der Etablierung bodengebunder Leitsysteme ver-<br />

schiedene Aufgaben zu erfüllen. Darunter fallen:<br />

1. Rauigkeitsunterschied <strong>zum</strong> umgebenden Bodenbelag zur taktilen Wahrnehmung<br />

2. Geräuschunterschied <strong>zum</strong> umgebenden Bodenbelag zur auditiven Wahrnehmung<br />

3. Sichtbarer Kontrast <strong>zum</strong> umgebenden Bodenbelag zur optischen Wahrnehmung<br />

Alle drei dieser Aufgaben sollten erfüllt sein, ansonsten ist der Einbau eines solchen Bodenindikators<br />

aus funktionaler Sicht nicht vertretbar. 120<br />

Aufmerksamkeitsfeld<br />

„Aufmerksamkeitsfelder sind durch Bodenindikatoren definierte Flächen, die z. B. auf Verzweigungen<br />

von Leitstreifen, Niveauwechsel sowie Fußgängerüberwege, Haltestellen, Bahnübergänge und Infor-<br />

mationselemente aufmerksam machen.<br />

Im Verlauf von Gehflächen Hinweis auf:<br />

Niveauwechsel im Gehweg (Rampen mit mehr als 6% Längsneigung und Treppen),<br />

Anfang und Ende von Leitstreifen, wenn keine Auffangstreifen angeschlossen sind,<br />

Verzweigungen von Leitstreifen,<br />

seitlich gelegene Haltestellen,<br />

beschrankte und unbeschrankte Bahnübergänge,<br />

Informationselemente für Blinde und Sehbehinderte<br />

Einsatz bei:<br />

Fußgängerfurten und -überwegen,<br />

Fahrtreppen und Aufzügen,<br />

Straßenbahn- und Bushaltestellen <strong>zum</strong> Auffinden des Einstieges.<br />

Aufmerksamkeitsfelder müssen in der Regel eine Tiefe von mindestens 900 mm (bei Ausführung in<br />

Metall, schwingend, mindestens 750 mm) haben und vor Treppen und Rampen mit mehr als 6%<br />

119<br />

Internetauftritt zur Norm 32984 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din32984aufmerksamkeitsfelder.htm,<br />

abgerufen am 06.08.2010.<br />

120<br />

Vgl. Metlitzky, Nadine; Engelhardt, Lutz: Barrierefrei Städte bauen – Orientierungssysteme im öffentlich Raum, Fraunho-<br />

fer IRB Verlag, Stuttgart, S. 72.<br />

45


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

Längsneigung, an Fußgängerüberwegen, Bahnübergängen und Haltestellen über die gesamte Geh-<br />

spurbreite der Zugangsanlage reichen.“ 121<br />

Weitere spezifische Anforderungen zur DIN 32984 sind in der genannten einschlägigen Quelle nach-<br />

zulesen. Diese recht allgemeine Abhandlung reicht an diesem Punkt für die später durchgeführten<br />

Untersuchungen aus.<br />

2.4.3.3 Diskussion zur Gestaltung barrierefreier Querungsanlagen<br />

Der heutige Trend bei der baulichen Einrichtung von Querungsstellen vom Fuß- und Radverkehr über<br />

den Straßenverkehr ist die sogenannte Nullabsenkung des Bordsteins, sprich eine niveaugleiche An-<br />

passung zwischen Bürgersteig und Radweg hin zur Straße. Diese Nullabsenkung soll behinderten<br />

Menschen, die eine Gehbehinderung aufweisen, einen leichten Übergang an Querungsstellen ermög-<br />

lichen. Dabei wird aber in vielen Fällen außer Acht gelassen, dass eine ausreichende Sicherung insbe-<br />

sondere für blinde Menschen in Form einer taktilen Information, vorhanden sein muss. Ansonsten ist<br />

keine Sicherheit für diese Gruppe gewährleistet, denn ein nichtsehender Mensch kann unmöglich in<br />

einer für ihn unbekannten Umgebung bei geringem Verkehrsaufkommen ohne taktile Informationen<br />

gefahrenlos eine Straße überqueren. Er muss darauf aufmerksam gemacht werden. 122<br />

Abbildung 7: Nullabsenkung des Bordsteins. Quelle: (links) Internetauftritt der Seite Profilbeton, aufgerufen unter:<br />

http://www.profilbeton.de/IT/images/bild_startseite.jpg, abgerufen am 09.08.2010. (rechts) Internetauftritt für barrieref-<br />

reie Mobilität, aufgerufen unter: http://www.barrierefrei-mobilitaet.de/media/images/Fulda-Mainstrasse.jpg, abgerufen<br />

am 09.08.2010.<br />

Dabei stellt sich die Frage wie diese Gefahrensituation bereinigt werden kann. So wird in der Fachli-<br />

teratur empfohlen, dass „eine visuelle und taktil deutlich wahrnehmbare Kennzeichnung des Über-<br />

121<br />

Internetauftritt zur Norm 32984 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din32984aufmerksamkeitsfelder.htm,<br />

abgerufen am 06.08.2010.<br />

122<br />

Vgl. Internetauftritt zur nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/querungsanlagen.htm, abgerufen am<br />

06.08.2010.<br />

46


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

gangs von *beispielsweise+ einer Fußgängerzone zu Straßen *…+ zur Vermeidung von Unfällen erfor-<br />

derlich *ist+.“ 123 Dies kann zurzeit baulich nur durch taktil ertastbare Bodenindikatoren und Aufmerk-<br />

samkeitsfelder geschehen, wenn nicht eine Ampel mit akustisch wahrnehmbarem Geräusch vorhan-<br />

den ist. Es sollten jedoch bei der Querung größerer Straßenordnungen beide Einrichtungen vorhan-<br />

den sein.<br />

2.5 Zwischenfazit<br />

Das Kapitel „Stadträumliche Barrieren für bewegungseingeschränkte Menschen“ umfasst alle not-<br />

wendigen theoretischen Grundlagen und Aussagen zur Barrierefreiheit in Deutschland. Somit wurden<br />

der Planungsanlass und die strategischen sowie die detaillierten Zielvorstellungen der Arbeit behan-<br />

delt.<br />

Es galt zunächst den Geltungsbereich einzugrenzen, in welchem die Barrierefreiheit eine Rolle spielt.<br />

Dieser Raum ist der öffentliche Raum. Ausschließlich hier können der Staat und somit auch die Pla-<br />

nung Einfluss nehmen. Zunächst wurde jedoch der Begriff der Barriere allgemein definiert und insbe-<br />

sondere durch die Aspekte der mentalen Belastung und Stress ergänzt. Die Vermutung, dass eine<br />

kausale Wirkungskette zwischen einer physischen und mentalen Barriere besteht, lässt sich nicht von<br />

der Hand weisen und nimmt auch unmittelbar Einfluss auf die gesetzlichen Definitionen von Barrie-<br />

refreiheit im planerischen Kontext. Nach der Klärung des Begriffs der Barrierefreiheit, lässt sich auf<br />

Beeinträchtigungen behinderter Menschen im Gefüge von Stadt schließen. Insbesondere die Grup-<br />

pen der blinden und sehbehinderten, der geh- und stehbehinderten sowie der geistig behinderte<br />

Menschen und deren Eigenschaften sind die maßgeblichen Determinanten im innerstädtischen Le-<br />

bensraum und der späteren Studien. Die daraus entwickelten Erkenntnisse sind nun in allgemeine<br />

Anforderungen und Raumbedarf behinderter und mobilitätseingeschränkter Menschen gefasst.<br />

In Folge dieser Analyse des Faktors Mensch in der Stadt, wurde auf gesamtstaatliche und gesell-<br />

schaftliche Rahmenbedingungen in Form des demographischen Wandels und der Behindertenpolitik<br />

in Deutschland eingegangen. Dieses Unterkapitel zeigt deutlich, dass die Etablierung der Barrierefrei-<br />

heit in Deutschland ein kontinuierlicher Prozess ist, der stetig neuen Ansprüchen genüge sein muss.<br />

Dafür spricht auch das zuletzt geänderte Verständnis weg vom Integrationsgedanken hin <strong>zum</strong> Inklu-<br />

sionsgedanken. Die Gesellschaft hat zukünftig die Aufgabe, behinderte und alte Menschen in den<br />

Mittelpunkt ihres Handelns und Denkens zu führen und nicht umgekehrt. Dies ist auch unabdingbar,<br />

wenn man davon ausgeht, dass der Anteil vor allem der älteren Menschen aufgrund des demogra-<br />

phischen Wandels weiter zunehmen wird. In diesem Kontext zeigt der Behindertenbericht der Bun-<br />

desregierung 2009 Erreichtes aber auch in Zukunft Notwendiges hinsichtlich der Barrierefreiheit auf.<br />

Die stetigen Neuerungen haben sich auch einschlägig in Gesetzen und Verordnungen bemerkbar<br />

gemacht. So sind die Entwicklungen und die Ansprüche auf vielerlei politischen Ebenen aufgezeigt.<br />

123 Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.)(2000): Bürgerfreundliche und behindertengerechte<br />

Gestaltung des Straßenraums: Ein Handbuch für Planer und Praktiker, in: „direkt“-Schriftenreihe Nr. 54_2000, Berlin, S. 27.<br />

47


Stadträumliche Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen Kapitel 2<br />

Dieser Vorgang reicht von weltpolitischen Institutionen wie die Vereinten Nationen über die Europäi-<br />

sche Charta der Menschenrechte hin zu nationalen Gesetzen. Eine fortwährende Fortschreibung<br />

dieser rechtlichen Elemente ist somit eine logische Entwicklung. Innerhalb des Themenbereichs wur-<br />

de immer weiter abgeschichtet, bis der Geltungsbereich der späteren Studien erreicht ist. Dieser<br />

Geltungsbereich ist durch den öffentlichen unbebauten Raum charakterisiert.<br />

Als nunmehr letzte Konkretisierungsstufe wurde sich dem Thema der städtebaulichen Vorgaben an-<br />

genommen. Hierbei ist eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit städtebaulichen Rahmenbedin-<br />

gungen in den Kommunen erfolgt. Aufgrund dessen konnten elementare Komponenten für die<br />

Bauleit- und Stadtplanung im Baugesetzbuch ausgemacht werden. Dabei spielen insbesondere Stadt-<br />

erneuerungs- und Umbaumaßnahmen eine entscheidende Rolle. Das Baugesetzbuch rückt auch in<br />

seinen Vorgaben zur Erstellung von Bauleitplänen die Belange behinderter und alter Menschen all-<br />

gemein in den Vordergrund. Das Stichwort der Lebensqualität ist hier ausschlaggebend. Es gilt diese<br />

für alle Personengruppen gleichberechtigt zu verbessern. Die weitere Intention dieses Unterkapitels<br />

war das Aufzeigen des vorhandenen Instrumentariums zur Schaffung von Barrierefreiheit, welches<br />

der Stadtplanung zur Verfügung steht. Vor allem die DIN-Normen 18024 Teil 1 sowie ergänzende<br />

Normen wie die DIN 32984 wurden diskutiert. Ziel war es ein Katalog darzustellen, welcher für die<br />

späteren Studien die essentiellen Barrieren behandelt. Dies ist in zielorientiertem Maße gelungen.<br />

Damit wurde dem planerischen Top-Down-Ansatz Rechnung getragen. Es ist nun möglich den späte-<br />

ren Untersuchungsraum aus fachlicher Sicht zu bewerten und zu optimieren.<br />

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird auf nun auf das Gegenstück des Top-Down-Ansatzes eingegan-<br />

gen. Der Bottom-Up-Ansatz, welcher im folgenden Kapitel behandelt wird, soll dafür Sorge tragen,<br />

dass der partizipiale Anspruch an die heutige Planung erfüllt wird. Dabei stellt sich die Fragestellung,<br />

wie Barrieren aus Betroffenensicht gemessen werden können und wie dadurch die subjektive Wahr-<br />

nehmung beeinflusst wird. Es gilt hieraus Befunde zur Erklärung und Messung innerstädtischer Le-<br />

bensqualität abzuleiten.<br />

48


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Kapitel 3<br />

Konzepte und Instrumente zur<br />

Messung der subjektiven<br />

Lebensqualität<br />

3.1 Die zwei Dimensionen der Lebensqualitätsforschung Seite 50<br />

3.2 Das Konzept des ‚subjective well-being‘ Seite 52<br />

3.3 Messmethoden affektiven und kognitiv-evaluativen Wohlbefindens Seite 56<br />

3.4 Zwischenfazit: Grenzen der Instrumente zur Messung der<br />

subjektiven Lebensqualität bei der Erfassung stadträumlicher<br />

Barrieren Seite 61


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />

Kapitel 3 - Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven<br />

Lebensqualität<br />

„Die Erreichung und Aufrechterhaltung einer hohen Lebensqualität ist ein zentrales Ziel der Gesell-<br />

schaftspolitik, das alle Altersgruppen gleichermaßen umfasst.“ 124 Das ‚Besser‘ gegenüber dem ‚Mehr‘<br />

ist Grundleitsatz innerhalb des Konzeptes der Lebensqualität. Das Konzept gründet sich auf ein<br />

mehrdimensionales Verständnis des ‚guten Lebens‘ und somit auch der individuellen Wohlfahrt, wel-<br />

che beispielsweise im skandinavischen Wortgebrauch mit dem Begriff der Lebensqualität gleichzu-<br />

setzen ist. Materielle sowie immaterielle, objektive und subjektive Komponenten sind gleichermaßen<br />

hierin enthalten. Die Betrachtungsebene des subjektiven Erlebens der Umwelt ist insbesondere für<br />

empirische Beobachtungen (wie auch später innerhalb der Studien) von Bedeutung. 125 Im Kontext<br />

behinderter und mobilitätseingeschränkter Menschen ist das subjektive Empfinden und Erleben ein<br />

unabdingbares Kriterium zur Bewertung der räumlichen Umwelt. So gilt es Un-/Wohlbereiche in der<br />

Innenstadt zu identifizieren und dabei positiv erkannte Bereiche weiter zu stärken sowie negativ er-<br />

kannte Bereiche qualitativ aufzuwerten. Im folgenden Kapitel werden deshalb zunächst objektive<br />

und subjektive Lebensqualitätsansätze behandelt, um darauf aufbauend das Konzept des „Subjective<br />

Well-being“ (übersetzt: Subjektives Wohlbefinden) und dessen Komponenten weiter zu untersuchen<br />

(siehe Abbildung 8).<br />

Abbildung 8: Schematischer Aufbau der Lebensqualitätsforschung. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Letztendlich werden die einzelnen Messmethoden <strong>zum</strong> subjektiven Wohlbefinden bestimmt und<br />

deren Grenzen in der Anwendung aufgezeigt, mit dem Ziel eine geeignete Methode zur Messung<br />

innerstädtischer Barrieren aus Betroffenensicht zu identifizieren. Das Kapitel hat ebenfalls zur Aufga-<br />

be, einen Konsens der bisherigen Forschungen zur Lebensqualität und vertieft <strong>zum</strong> subjektiven<br />

124 Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hrsg.) (2002): Das hohe Alter – Konzepte, Forschungsfelder, Lebensqualität, in:<br />

Expertisen <strong>zum</strong> vierten Altenbericht, Band 1, Hannover, S.238.<br />

125 Vgl. Ebenda, S. 238 f.<br />

49


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Wohlbefinden zu erreichen, auf welchem in den späteren Kapiteln methodisch aufgebaut werden<br />

kann.<br />

3.1 Die zwei Dimensionen der Lebensqualitätsforschung<br />

Die Erfassung der Lebensqualität als bewertbarer Inhalt beschäftigt bereits seit Jahrzehnten die For-<br />

schung. Viele Fachdisziplinen haben das Themenfeld der Lebensqualität zu ihrem Untersuchungsob-<br />

jekt gemacht, mit dem Ziel diese für den Mensch umfassend zu verbessern. Somit überrascht nicht,<br />

dass sich eine Vielzahl von Psychologen, Soziologen, Ökonomen, aber auch beispielsweise Raum- und<br />

Stadtplaner ihre eigenen Definitionen und berührende Themenbereiche festgelegt haben. In der<br />

Lebensqualitätsforschung können zwei historische Ansätze ausgemacht werden, wie die Lebensquali-<br />

tät bestimmt und gemessen wird. Diese zwei Dimensionen umfassen die ‚Objektive Lebensqualität‘<br />

(skandinavischer Ansatz) sowie die ‚Subjektive Lebensqualität‘ (amerikanischer Ansatz). 126<br />

3.1.1. Objektive Lebensqualität<br />

Das Konzept „level of living-approach“, auch genannt Konzept der Ressourcen, beschreibt die Erfas-<br />

sung und die Messung der Lebensqualität anhand externer Komponenten und deren Indikatoren.<br />

Diese Indikatoren sind in diesem Zusammenhang als Ressourcen gekennzeichnet, welche dem Men-<br />

schen zur Verwirklichung und Erfüllung des eigenen Lebens zur Verfügung stehen. Dieser Ansatz be-<br />

schreibt den sogenannten skandinavischen Ansatz als eine Tradition zur konzeptionellen Erfassung<br />

und Messung der Lebensqualität, da er in Schweden und den restlichen nordischen Ländern erstmals<br />

etabliert wurde. 127<br />

Die Lebensqualität, bzw. die individuelle Wohlfahrt, liegt in diesem Sinne in der Kontrolle des Indivi-<br />

duums, welchem mobilisierbare Ressourcen zur Verfügung stehen. Mit deren Hilfe ist der Mensch in<br />

der Lage seine Lebensbedingungen zu kontrollieren und bewusst zu steuern. 128 Diese mobilisierbaren<br />

Ressourcen sind externe Aspekte, auf welche der Mensch individuell Einfluss nehmen kann. Darunter<br />

fallen insbesondere soziale und gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und kulturelle Kompo-<br />

nenten, welche eine Operationalisierung über objektive Indikatoren möglich machen (siehe Tabelle<br />

2).<br />

Die Messung der objektiven Lebensqualität kann somit durch Wertgebung, Gewichtung und Prüfung<br />

der einzelnen Ressourcen und deren Indikatoren erfolgen. Die Ressourcen sind alle externer Natur.<br />

Somit beantwortet der skandinavische Ansatz objektiv und von außen erfassbaren Lebensbedingun-<br />

gen. Fragen des inneren, persönlichen Gemütszustandes demgegenüber allerdings nicht. Der Aspekte<br />

126<br />

Vgl. Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hrsg.) (2002): Das hohe Alter – Konzepte, Forschungsfelder, Lebensqualität, in:<br />

Expertisen <strong>zum</strong> vierten Altenbericht, Band 1, Hannover, S.239.<br />

127<br />

Vgl. Erikson, Robert (1989): Descriptions of Inequality: The Swedish Approach to Welfare Research, in: Wider – Working<br />

Papers, p67, Swedish Institute for Sozial Research, University of Stockholm, S. 1. E-Paper:<br />

http://www.wider.unu.edu/publications/working-papers/previous/en_GB/wp-<br />

67/_files/82530826680733067/default/WP67.pdf.<br />

128<br />

Vgl. Erikson, Robert (1974): Welfare as a Planning Goal, in: Acta Sociologica, Vol. 17, No. 3 (1974), Nordic Sociological<br />

Association, Oslo, S. 273.<br />

50


Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />

der individuellen Zufriedenheit und dem Glücklich-Sein des Menschen widmet sich die Lebensquali-<br />

tätsforschung zur subjektiven Lebensqualität.<br />

Komponenten Indikatoren<br />

1. Gesundheit und Zugang zur<br />

Gesundheitsvorsorge<br />

2. Beschäftigung und Arbeitsbedingungen<br />

3. Ökonomische Ressourcen<br />

Fähigkeit 100m zu gehen, verschiedene Krank-<br />

heitssymptome, Kontakt zu Ärzten<br />

Arbeitslosigkeitserfahrungen, Arbeitsanforderun-<br />

gen, Kündigungsmöglichkeiten<br />

Einkommen und Reichtum, Besitz, Möglichkeit<br />

unvorhergesehene Ausgaben bis zu 1000 $ inner-<br />

halb einer Woche zu decken<br />

4. Bildung und Fähigkeiten Bildungsjahre, erreichter Grad der Bildung<br />

5. Familie und soziale Integration<br />

Ehelicher Status, Kontakt mit Freunden und Ver-<br />

wandten<br />

6. Wohnen Personen pro Zimmer, Ausstattung<br />

7. Sicherheit Exposition zu Gewalt und Diebstahl<br />

8. Rekreation und Kultur Freizeitstreben, Ferienausflüge<br />

9. Politische Ressourcen<br />

Wahlmöglichkeiten, Mitgliedschaft in Vereinigun-<br />

gen und politischen Parteien, Möglichkeiten Kom-<br />

plimente einordnen zu können<br />

Tabelle 2: Komponenten und typische Faktoren des „Level of living-approach“ zur Feststellung der objektiven Lebensquali-<br />

tät. Quelle: Eigene Bearbeitung auf Grundlage Erikson, Robert (1989) 129<br />

3.1.2 Subjektive Lebensqualität<br />

Das Konzept der subjektiven Lebensqualität ist allgemein als der amerikanische „quality of life“-<br />

Ansatz 130 bekannt und beschreibt eine soziologische Annäherung an das Phänomen der Lebensquali-<br />

tät aus Sicht des Individuums. Subjektive Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse stehen hier im<br />

Gegensatz <strong>zum</strong> „level of living-approach“ im Fokus. Entstanden ist dieser Ansatz in der Soziopsycho-<br />

logie und der Mental-Gesundheitsforschung in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Das Konzept<br />

betont, dass der Wert der Lebensqualität daran zu messen ist, wie der Mensch seine Umwelt subjek-<br />

tiv wahrnimmt und empfindet. Dadurch kommt die Begrifflichkeit des „Subjektiven Wohlbefindens“<br />

zu Stande, welcher nach dieser Interpretation im Mittelpunkt der Entwicklung der Gesellschaft ste-<br />

hen müsste. Die Lebensqualität, welche im Auge des Betrachters liegt, wurde in diesem Kontext in<br />

129 Erikson, Robert (1989): Descriptions of Inequality: The Swedish Approach to Welfare Research, in: Wider – Working<br />

Papers, p67, Swedish Institute for Sozial Research, University of Stockholm, S. 3. E-Paper:<br />

http://www.wider.unu.edu/publications/working-papers/previous/en_GB/wp-<br />

67/_files/82530826680733067/default/WP67.pdf.<br />

130 Vgl. Campell, Agnus (1972): Aspiration, Satisfaction, and Fulfillment, in: The Human Meaning of Social Change, Russell<br />

Sage Foundation (Hrsg.), New York, S.441 f.<br />

51


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

der Forschung gezielt untersucht und evaluiert. 131 Zur Messung des subjektiven Wohlbefindens wur-<br />

den dabei subjektive Indikatoren wie beispielsweise Zufriedenheit, Glück und andere Maße des sub-<br />

jektiven Wohlbefindens verwendet, welche später näher erläutert werden.<br />

3.1.3 Objektive und subjektive Lebensqualität als Symbiose<br />

Insgesamt ist der amerikanische Ansatz jedoch insofern diskussionswürdig, ob er alleinig ausreicht<br />

die Lebensqualität im Gesamten zu bewerten. Objektive Indikatoren legen erst die Grundlage ein<br />

subjektives Wohlbefinden zu erreichen und können mit empirischen Untersuchungen <strong>zum</strong> subjekti-<br />

ven Wohlbefinden wiederum überprüft werden. Somit sollten beide Ansätze in einer Symbiose ver-<br />

folgt werden, um klare und valide Ergebnisse für Entscheidungsträger zu finden.<br />

Die objektiven Indikatoren zur Lebensqualität sind im Gegensatz zu den subjektiven Aspekten einfa-<br />

cher festzustellen, da sie von Dritten bewertbar sind. Im Falle behinderter und mobilitätseinge-<br />

schränkter Menschen ist die Barrierefreiheit in der Innenstadt als Top-Down-Ansatz den objektiven<br />

Indikatoren zuzuzählen. So wird im folgenden Verlauf insbesondere das subjektive Wohlbefinden<br />

(„Subjective well-being“) in seiner neuesten Entwicklung sowie dessen Komponenten und Messme-<br />

thoden näher untersucht, um die gewünschte Symbiose in der späteren Methodenentwicklung zu<br />

verwirklichen.<br />

3.2 Das Konzept des „subjective well-being“<br />

Generell ist ein breites Spektrum von Definitionen der internationalen Begrifflichkeit des „Subjectiv<br />

well-being“ (subjektiven Wohlbefinden) im Umlauf. Es ist eine große Varianz unter Forschern und<br />

Akademikern unterschiedlicher Fachkompetenzen festzustellen. Ebenso variieren die Definitionen in<br />

verschiedenen Sprachen. Aus diesem Grund wird im weiteren Verlauf auf die verschiedenen Begriffs-<br />

deutungen und –Verständnisse eingegangen und in einem zusammengeführten Model aufgezeigt. In<br />

den meisten Fällen überschneiden sich die unterschiedlichen Konzepte und Definitionen des<br />

„Subjective well-being“, welche der Forschungskategorie der Glücksforschung unterliegt. Prinzipiell<br />

decken die Definitionsansätze der Psychologen ein weiteres Untersuchungsfeld ab, als die Ansätze<br />

der Soziologen und der Ökonomen. 132<br />

3.2.1 Psychologisches Wohlbefinden<br />

Psychologen verwenden den Begriff des subjektiven Wohlbefindens oftmals als ‚psychologisches<br />

Wohlbefinden‘ oder ‚positive psychische Verfassung‘. Eine typische Definition des subjektiven Wohl-<br />

befindens bestimmt, dass das blühende Leben aus einer Kombination von Wohlfühlen und effekti-<br />

131<br />

Vgl. Campell, Agnus (1972): Aspiration, Satisfaction, and Fulfillment, in: The Human Meaning of Social Change, Russell<br />

Sage Foundation (Hrsg.), New York, S.442 f.<br />

132<br />

Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris.<br />

S.5. E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />

52


Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />

vem Funktionieren besteht. 133 Aus der Sicht der Psychologen beinhalten die Komponenten des psy-<br />

chologischen Wohlbefindens, welche sich auf das Wohlfühlen beziehen, positive Emotionen (Zufrie-<br />

denheit, Glück), aber auch Interesse, Engagement, Zuversicht sowie soziale Relationen. Diejenigen<br />

Komponenten, welche sich auf das ‚Funktionieren‘ beziehen, haben die Aspekte des Lebensziels,<br />

Kontrolle-Habens, Potenziale-Abrufens sowie des Befriedigen sozialer Ansprüche in sich vereint. 134<br />

Auch die Weltgesundheitsorganisation beschreibt die psychische Verfassung und das geistige Funkti-<br />

onieren als ein Konzept, welches unter anderem subjektives Wohlbefinden, wahrgenommenes<br />

Selbstvertrauen, Autonomie, Kompetenz, intergenerative Abhängigkeit sowie Selbstverwirklichung<br />

des intellektuellen und emotionalen Potenzials 135 umgreift. Eine weitere Definition aus dem Bereich<br />

der Psychologie sagt aus, dass das subjektive Wohlbefinden beschreibt, wie Menschen ihr Leben<br />

evaluieren - einschließlich Variablen wie Lebenszufriedenheit, eheliche Zufriedenheit, Fehlen von<br />

Bedrücken und Angstgefühl sowie positive Gemütszustände und Emotionen. 136<br />

3.2.2 Subjektives Wohlbefinden<br />

Äußere Qualitäten Innere Qualitäten<br />

Lebensaussicht Erleben der Umwelt Lebensfähigkeit einer Person<br />

Ökologisch, Sozial, Ökonomisch, Kulturell<br />

Physische Gesundheit, Mentale Ge-<br />

sundheit, Wissen, Fähigkeiten, Le-<br />

bensstil<br />

Lebensergebnis Objektiver Nutzen der Umwelt Subjektive Wertschätzung des Lebens<br />

Äußerer Nutzen (bspw. für die Gesellschaft:<br />

Ein guter Bürger sein), Moralische Perfektion<br />

etc.<br />

Wertschätzung von Lebensaspekten,<br />

Vorherrschender Gemütszustand,<br />

Allgemeine Wertschätzung (Affektiv:<br />

generelle Gemütszustand, Kognitiv:<br />

Lebenszufriedenheit)<br />

Tabelle 3: Definitionsklassifikationen nach Veenhoven. Quelle: Eigene Bearbeitung auf Grundlage von: Veenhoven, Ruut<br />

(2000): THE FOUR QUALITIES OF LIFE - Ordering concepts and measures of the good life, in: Journal of Happiness Studies,<br />

2000, vol 1, S.11.<br />

Soziologen und Ökonomen definieren subjektives Wohlbefinden in einem weitaus engeren Sinne als<br />

dies der psychologische Ansatz vornimmt. Beispielsweise werden physisches und mentales Funktio-<br />

nieren nicht als Komponenten des subjektiven Wohlbefindens angesehen, sondern eher als deren<br />

Voraussetzungen. Ebenfalls ausgenommen von der soziologischen und ökonomischen Definition des<br />

subjektiven Wohlbefindens sind Aspekte nach dem Sinn des Lebens. Dieser Sinn des Lebens umfasst<br />

133<br />

Vgl. Huppert, Felicia; So, Timothy (2009): What percentage of people in Europe are flourishing and what characterises<br />

them?, Well-Being Institute, University of Cambridge, S.1. E-Paper:<br />

http://www.isqols2009.istitutodeglinnocenti.it/Content_en/Huppert.pdf.<br />

134<br />

Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris.<br />

S.5f. E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />

135<br />

Vgl. World Health Organization WHO (Hrsg.) (2001): The World Health Report 2001 - Mental Health: New Understanding,<br />

New Hope, S.5. E-paper: http://www.who.int/whr/2001/en/whr01_en.pdf.<br />

136<br />

Vgl. Diener, Ed; Suh, Eunkook; Oishi, Shigehiro (1997): Recent Findings on Subjective Well-Being, in: Indian Journal of<br />

Clinical Psychology, March 1997, S.1 f. E-Paper:<br />

http://www.filozofija.lv/research/Ed_Diener_Recent_Findings_on_Subjective_Well-Being.doc<br />

53


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

beiderseits objektive (äußere Qualitäten) und subjektive (innere Qualitäten) Dimensionen der Le-<br />

bensaussicht und des Lebensergebnis. Innerhalb dieses Konzeptes besteht das subjektive Wohlbefin-<br />

den aus der subjektiven Wertschätzung des Lebens innerhalb des Lebensergebnisses. 137 Derweil gibt<br />

es in der Fachliteratur 138 eine detaillierte Klassifikation dieser Aspekte, welche die verschiedensten,<br />

konkurrierenden Konzepte (und Messmethoden) vergleichend darstellt. Die subjektive Wertschät-<br />

zung spricht dabei bereits von einer affektiven und einer kognitiven Komponente zur allgemeinen<br />

Wertschätzung des Individuums.<br />

3.2.3 Affektive und kognitive Komponenten des ‚Subjective Well-being‘<br />

Das Konzept des ‚Subjective Well-being‘ (Subjektives Wohlbefinden), welches aus der Sicht des Indi-<br />

viduums subjektiv beurteilt wird, setzt sich in der Fachliteratur 139 aus zwei Komponenten zusammen:<br />

der affektiven und der kognitiven Komponente. Beide Komponenten sind klar voneinander abgrenz-<br />

bar. Die affektive Komponente stellt dabei die momentan vorherrschenden emotionalen Zustände<br />

und augenblicklichen Gefühle eines Individuums dar. Die kognitive Komponente dagegen ist als eine<br />

ex-post und retrospektive Bewertung der Lebensqualität als Ganzes, sprich der Lebenszufriedenheit,<br />

definiert. 140 Zusammenfassend bezieht sich die affektive Komponente auf das hier und jetzt und die<br />

kognitive Komponente auf den kompletten Zeithorizont des menschlichen Lebens bis <strong>zum</strong> Zeitpunkt<br />

der Evaluation. Der Begriff kognitiv ist somit mit einem Erinnerungsprozess gleichzusetzen. Der Affekt<br />

äußert sich in einer unmittelbaren, ungefilterten physischen Reaktion, wogegen der kognitive Erinne-<br />

rungsprozess eine, <strong>zum</strong>indest innere, Abfrage des vergangenen Erlebten reflektiert. Dies zeichnet<br />

auch das Ergebnis des kognitiven Prozesses aus, welcher vor allem besonders starke Erlebnisse wie-<br />

der gibt. Generell wird die affektive Komponente als Spiegel des ‚emotionalen Wohlbefindens‘, des<br />

‚Affekt‘ oder des ‚hedonischen Flusses von Freude und Schmerzen‘ herangezogen. 141 Der kognitive<br />

Ansatz wird als Lebenszufriedenheit oder Glück charakterisiert. 142 Die Forschung hat sich dieser bei-<br />

den Komponenten weiter angenommen, jedoch auch mit weiteren eigenen Begriffen geprägt. So<br />

wird die affektive Komponente als ‚erfahrener Wert‘, 143 die kognitive Komponente als ‚Entschei-<br />

dungswert‘ oder ‚Erinnerungswert‘ bezeichnet. 144<br />

137<br />

Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris.<br />

S.5. E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />

138<br />

Vgl. Veenhoven, Ruut (2000): THE FOUR QUALITIES OF LIFE - Ordering concepts and measures of the good life, in: Journal<br />

of Happiness Studies, 2000, vol 1, Springer Verlag Niederlande, S.11. E-paper:<br />

http://www2.eur.nl/fsw/research/veenhoven/Pub2000s/2000c-full.pdf.<br />

139<br />

Vgl. Diener, Ed; Suh, Eunkook; Oishi, Shigehiro (1997): Recent Findings on Subjective Well-Being, in: Indian Journal of<br />

Clinical Psychology, March 1997, S. 1f. und S. 5. E-Paper:<br />

http://www.filozofija.lv/research/Ed_Diener_Recent_Findings_on_Subjective_Well-Being.doc<br />

140<br />

Ebenda S.4 f.<br />

141<br />

Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris.<br />

S.7. E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />

142<br />

Diener, Ed; Suh, Eunkook.; Lucas, Richard; Smith, Heidi (1999): Subjective WellBeing: Three Decades of Progress, in:<br />

Psychological Bulletin, Vol. 125, No. 2, S. 277. E-Paper:<br />

http://dipeco.economia.unimib.it/persone/stanca/ec/diener_suh_lucas_smith.pdf<br />

143<br />

Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B. (2006): Developments in the Measurement of Subjective Well-Being, in: Journal of<br />

Economic Perspectives, Volume 20, Number 1, Winter 2006, American Economic Association, S. 5 und S.17.<br />

144<br />

Ebenda S.5.<br />

54


Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />

Folgende Tabelle fasst die Unterschiede zusammen:<br />

Affektive Komponente des "Subjective Well-<br />

being"<br />

Definitionen und Charakteristika:<br />

Gefühle und Emotionen, Freuden und Schmerzen Lebensqualität als Ganzes<br />

unmittelbar ex-post, retrospektiv<br />

Kognitive Komponente des "Subjective Well-being"<br />

hedonisch (lustbestimmt) eudaimonisch (glückseelig)<br />

Ereignisbestimmt global<br />

Alternative Begrifflichkeiten:<br />

Momentwert oder -Aufnahme<br />

Hedonischer Wert oder Aufnahme<br />

Affekt<br />

Glück<br />

affektives Wohlbefinden kognitives Wohlbefinden<br />

Erfahrungswert oder -Aufnahme Erinnerungswert oder -Aufnahme<br />

Prozesstechnischer Wert oder Aufnahme /<br />

prozesshafter Nutzen<br />

Datenerfassung:<br />

Entscheidungswert - oder Aufnahme / Ergebniswert -<br />

oder Aufnahme<br />

Laborexperimente Befragungen<br />

"Day Reconstruction"-Methode (DRM)<br />

"Experience Sampling"-Methode (ESM)<br />

Tabelle 4: Komponenten des „Subjective Well-being“ (Subjektives Wohlbefinden): Defintionen, alternative Begrifflichkeiten,<br />

Datenerfassung. Quelle: Eigene Bearbeitung auf Grundlage von: Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as<br />

Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris. S.8. E-Paper: http://mpra.ub.uni-<br />

muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />

Trotz ihrer konzeptionellen Unterschiede haben beide Komponenten des ‚Subjective Well-being‘<br />

nicht nur den Referenzpunkt des Subjektiven gemeinsam, was bedeutet, dass sie sich nach dem inne-<br />

ren Prozess des Individuums richten. Vielmehr können beide Komponenten nicht direkt oder objektiv<br />

von einem Außenstehenden beobachtet werden. Dies stellt nochmals den Unterschied zwischen<br />

objektiven und subjektiven Lebensqualitätsbestimmung heraus. Die meisten Messmethoden versu-<br />

chen die Aspekte ‚Affekt‘ und ‚Lebenszufriedenheit‘ als Selbstbericht oder Eigenevaluation zu erfas-<br />

sen und sind somit im messbaren Sinne subjektiv, 145 jedoch gibt es auch noch andere Möglichkeiten<br />

diese zu erfassen (siehe Kapitel 3.3 ‚Messmethoden affektiven und kognitiven Wohlbefindens‘)<br />

Insgesamt sind im städtischen Planungsprozess wohl beide Komponenten des subjektiven Wohlbe-<br />

findens zu beachten. Die kognitiven Aspekte beschreiben dabei besonders prägende Momente, die<br />

145 Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris.<br />

S.7. E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />

55


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

als harter Indikator für bestimmte Missstände im negativen Sinne stehen können. Diese Momente<br />

sind im Gedächtnis stark verankert und über einen längeren Zeitraum abrufbar. Affektbedingte Er-<br />

lebnisse, also unmittelbar Erlebtes, gerät im Vergleich zu kognitiven Erlebnissen meist in den gedank-<br />

lichen Hintergrund. Jedoch sind es gerade die unmittelbaren Geschehnisse, welche auf eine umgrei-<br />

fende Erfassung des subjektiven Wohlbefindens schließen lassen. Zu wissen wie sich ein Mensch in<br />

jedem Moment (wohl-)fühlt, kann auf unmittelbare, räumlich begrenzte Einflüsse auf das Individuum<br />

schließen lassen und für Entscheidungsträger wie bspw. die Stadtplanung von hohem Wert sein.<br />

Wenn nun das affektive Wohlbefinden dementsprechend messbar wäre, könnten hierdurch be-<br />

stimmte, räumlich negative Einflüsse auf das subjektive Wohlbefinden herausgefiltert und behoben<br />

werden. Positive Einflüsse könnten dagegen weiter verstärkt werden. Diese Sachverhalte sprechen<br />

bereits für eine methodische Anwendung der Komponente des affektiven Wohlbefindens auf inner-<br />

städtische Barrieren.<br />

3.3 Messmethoden affektiven und kognitiv-evaluativen Wohlbefindens<br />

Das Operationalisieren der Messmethoden <strong>zum</strong> affektiven und kognitiven Wohlbefinden steht im<br />

Verlauf des folgenden Abschnitts im Fokus. Es gilt die einzelnen Instrumente zur Messung des Wohl-<br />

befindens darzustellen, um diese dann in der Folge zu diskutieren. Der Zweck der Messung ist ele-<br />

mentarer Bestandteil zur Begründung der Anwendung entweder der einen oder anderen Komponen-<br />

te des Wohlbefindens. Unterschieden wird dabei zwischen prospektiver, also vorausschauender Me-<br />

thodik, und retrospektiver, zurückblickender Methodik gesprochen. Beide methodischen Ansätze der<br />

Erhebungsmöglichkeit können in sowohl affektiven, als auch kognitiven Messmethoden Geltung fin-<br />

den (siehe Tabelle 5).<br />

56<br />

prospektiv retrospektiv<br />

affektiv Experience Sampling Methode DRM (Day Reconstruction Methode)<br />

PANAS(pos.-neg.-scale)<br />

kognitiv Experience Sampling Methode Satisfaction with Life Scale, Surveys<br />

Tabelle 5: Messmethoden des affektiven und kognitiv-evaluativen Wohlbefindens. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Beide Komponenten des subjektiven Wohlbefindens, also affektiv und kognitiv, werden durch Befra-<br />

gung in verschiedenen Ausformungen erfasst und gemessen. Mittlerweile beinhaltet das Methoden-<br />

instrumentarium auch moderne Technologien wie beispielsweise zur Messung der elektrischen Leit-<br />

fähigkeit der Haut oder Hauttemperaturveränderung zur Feststellung emotionaler Zustände. Dieser<br />

Themenbereich wird in Kapitel 4.2.4 „Autonome Physiologie“ näher aufgenommen.<br />

3.3.1 Messung des affektiven Wohlbefindens<br />

Mit der Messung des affektiven Wohlbefindens haben sich ebenfalls viele Disziplinen wie die Psycho-<br />

logie, Soziologie und Ökonomie befasst. Ziel dieses Abschnittes ist es, einen Überblick über ausge-


Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />

wählte Messmethoden <strong>zum</strong> affektiven Wohlbefinden zu geben, um diese im weiteren Verlauf der<br />

Arbeit in einen Vergleich zu den kognitiven Messmethoden zu setzen.<br />

3.3.1.1 Laborexperimente<br />

Charakterisierend für die Affekt-Messung ist das Festhalten von Moment-zu-Moment-Aufnahmen zur<br />

Bestimmung der Veränderung von Freude oder Schmerz. Diese Erfahrungen können in Laborexperi-<br />

menten kontrolliert aufgezeichnet werden. Die Probanden werden ohne äußere Einflüsse gewissen<br />

Stimuli ausgesetzt, welche direkt evaluiert werden können. Das ist der kennzeichnende Vorteil bei<br />

Durchführung von Experimenten im Labor. 146<br />

In Experimenten der Konsumforschung und der Psychologie ist es notwendig, dass die Probanden<br />

einer bestimmten Erfahrung ausgesetzt werden. Die Exposition der Probanden zu lauten Geräuschen<br />

oder das Sehen eines Films sind dabei beispielhafte Ausführungen. Sie sollen dabei die Qualität ihrer<br />

Erfahrung unmittelbar in Echtzeit festhalten. Das Betätigen eines Hebels oder Drücken eines Knopfes<br />

kontrolliert dabei direkt eine vorgegebene Skala, welche den erlebten Erfahrungswert aufzeichnet.<br />

Die Skala ist mehrstufig, reichend von einem extrem positiven, über eine neutralen hin zu einem<br />

extrem negativen Wert. Zu Ende eines solchen Experimentes können die Probanden unmittelbar<br />

gefragt werden, ihre eigenen Erfahrungen zu evaluieren. Dieser retrospektive Ansatz zur Affektmes-<br />

sung wird angewandt, um aggregierte Erfahrungen des Experimentes zu sammeln und die gewonne-<br />

nen affektiven Daten zu validieren. 147<br />

Auch Laborstudien im Bereich der Stresserholung wenden ebenfalls unmittelbare Selbstbewertungen<br />

zur Messung affektiver Zustände an. Hier erfolgt ebenfalls die Messung auf einer Skalenbewertung<br />

nach und vor der Schau von beispielsweise natürlichen und städtischen Settings. 148<br />

Eine Möglichkeit diese affektiven Eindrücke kurz nach der Schau eines Videos oder dem Hören einer<br />

gewissen Geräuschkulisse zu messen, ist der kurze Affektzustands-Fragebogen ZIPERS 149 (Zuckerman<br />

Inventory of Personal Reactions). Die Bewertung der Affektzustände erfolgt über eine 5-Punkte-<br />

Skala, welche jeweils die fünf Faktoren Angst, positiver Affekt, Ärger/Aggression, Aufmerksam-<br />

keit/Interesse und Traurigkeit erfasst. 150<br />

146<br />

Vgl. Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B. (2006): Developments in the Measurement of Subjective Well-Being, in: Journal<br />

of Economic Perspectives, Volume 20, Number 1, Winter 2006, American Economic Association, S. 5. E-Paper:<br />

http://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/10.1257/089533006776526030.<br />

147<br />

Vgl. Ebenda.<br />

148<br />

Vgl. Ulrich, Roger S. (1991): Stress recovery during exposure to natural and urban environments, in: Journal of Environmental<br />

Psychology 11, Elsevier-Verlag, Oxford, S. 213.<br />

149<br />

Vgl. Zuckerman, M. (1977): Development of a situation-specific trait-state test for the prediction and measurement of<br />

affective responses, in: Journal of Consulting and Clinical Psychology 45, American Psychological Association, Washington<br />

DC., S.513-523.<br />

150<br />

Vgl. Zuckerman, M. (1977): Development of a situation-specific trait-state test for the prediction and measurement of<br />

affective responses, in: Journal of Consulting and Clinical Psychology 45, American Psychological Association, Washington<br />

DC., S.513.<br />

57


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

3.3.1.2 ‘Experience Sampling-Methode’ (ESM)<br />

Die optimale affektive Messmethode vermeidet Effekte der Wertung und der Erinnerung. Außerhalb<br />

eines Labors ist der Mensch aber ganz anderen Einflüssen ausgesetzt und er kann keine Hebel bewe-<br />

gen, um seine Freude oder sein Schmerz zu transportieren. Bei der ‚Experience Sampling-Methode‘<br />

befinden sich die Probanden in ihrer nahezu normalen Umwelt. Sie versucht so wenig wie möglich in<br />

den normalen Tagesablauf einzugreifen. Während der Durchführung der Methode werden den Pro-<br />

banden zu zufälligen Zeiten signalgebende Fragen gestellt. Durch diese Anwendung will die For-<br />

schung Erfahrungen von Probanden zu einem von ihnen gewählten Zeitpunkt erfahren. Obwohl die<br />

Methode sehr nützlich ist spezifische Ereignisse während des Tages zu erfassen, weist sie jedoch<br />

auch bedingt Mängel auf. Beispielsweise werden die Probanden trotzallem in einer Aktivität gestört<br />

oder es wird zu unpassenden Zeitpunkten eine Frage gestellt. 151<br />

Die Fragen während der Durchführung der Methode werden nicht etwa durch Begleitpersonen ge-<br />

stellt, sondern erfolgt durch tragbare Computer. Die Probanden werden dann im Laufe des Untersu-<br />

chungszeitraumes durch ein Signal des Computers aufgefordert, unmittelbar einige Fragen zu beant-<br />

worten. Dazu bekommen sie einige Menüs gezeigt, worin die Probanden ihren physischen Stand-<br />

punkt markieren, die Aktivitäten, die sie kurz vorher ausgeübt haben sowie die Personen mit denen<br />

sie interagiert haben. Zudem geben sie ihre aktuelle subjektive Erfahrung an, indem sie aufzeigen wie<br />

sie sich in diesem Moment fühlen (wütend, freudig, müde und ungeduldig). 152<br />

3.3.1.3 ‘Day-Reconstruction-Methode’ (DRM)<br />

Die ‚Day-Rekonstruction-Methode‘ beurteilt und misst wie Menschen ihre Zeit verbringen und sie<br />

diese verschiedene Aktivitäten und Zustände in ihrem Leben erfahren. Das Vorgehen in der Methode<br />

ist es, Erfahrungen einer Person eines bestimmten Tages am nächsten Tag durch eine systematische<br />

Rekonstruktion aufzuzeichnen. 153 Die Rekonstruktion erfolgt anhand eines selbstdurchzuführenden<br />

Fragebogens. 154 Dieser Fragebogen hat <strong>zum</strong> Inhalt eine bewusste Auseinandersetzung mit den erleb-<br />

ten Episoden des vergangenen Tages. Diese Episoden sind beispielsweise nach bestimmten Aktivitä-<br />

ten oder persönlichen Kontakten definiert. Desweiteren müssen die Befragten die Zeit abschätzen,<br />

wann die jeweilige Episode begann und wann sie endete. Anschließend werden die Befragten gebe-<br />

ten, affektive oder psychologische Wertungen für jede Episode abzugeben. Die systematische Rekon-<br />

struktion der Aktivitäten und Erfahrungen des vergangenen Tages haben <strong>zum</strong> Ziel, gewisse unmittel-<br />

bare Voreingenommenheiten des Vortags ab<strong>zum</strong>ildern. Die Vorteile des ‚Day-Reconstruction-<br />

Methode’ liegen darin, dass normale Aktivitäten nicht für eine Messung oder Befragung abgebrochen<br />

151<br />

Vgl. Kubey, R., Larson R.; Csikszentmihalyi M. (1996): Experience sampling method applications to communication research<br />

questions, in: Journal of Communication, Frühjahr 1996; Vol. 46, No. 2, S. 99.<br />

152<br />

Vgl. Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B. (2006): Developments in the Measurement of Subjective Well-Being, in: Journal<br />

of Economic Perspectives, Volume 20, No. 1, Winter 2006, S. 9. E-Paper:<br />

http://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/10.1257/089533006776526030<br />

153<br />

Vgl. Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B.; Schkade, David; Schwarz, Norbert; Stone, Arthur (2004): A survey method of<br />

characterizing daily life experience: The Day Reconstruction Method, in: Science 3, Dezember 2004, Vol. 306, No. 5702, S.<br />

1776. E-paper: http://www.sciencemag.org/cgi/content/full/306/5702/1776.<br />

154<br />

Vgl. Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B.; Schkade, David; Schwarz, Norbert; Stone, Arthur (2004): The Day Reconstruction<br />

Method – Instrument Documentation. E-Paper: http://www.krueger.princeton.edu/drm_documentation_july_2004.pdf.<br />

58


Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />

werden müssen, die Befragten weniger unter Druck stehen und eine globalere Beurteilung zusam-<br />

menhängender Tagesabläufe zugelassen wird, als dies bei der ‚Experience Sampling-Methode‘ der<br />

Fall ist. 155<br />

3.3.2 Messung des kognitiven-evaluativen Wohlbefindens<br />

Die Messung des kognitiven-evaluativen Wohlbefindens erfolgt in der Regel durch Befragungen und<br />

Interviews in Verbindung mit Ratingskalen, welche eine Summenaggregation der einzelnen Befra-<br />

gungseinheiten zulassen. Die Erfassung des kognitiven Wohlbefindens ist durch Eigenevaluation des<br />

vergangenen Erlebten bis <strong>zum</strong> Punkt der Abfragung gekennzeichnet.<br />

3.3.2.1 ‚Satisfaction with life scale‘ (SWLS)<br />

Die ,Satisfaction with life scale‘ ist als Messmethode des kognitiven Wohlbefindens in den 70er Jah-<br />

ren des 20. Jahrhunderts entwickelt worden und ist den ‚surveys‘ (Befragungen zur Lebenszufrieden-<br />

heit) zuzuordnen. Sie hat <strong>zum</strong> Ziel die globale, sprich allgemeine Lebenszufriedenheit des Individu-<br />

ums zu erfassen sowie zu beurteilen und berührt demnach nicht andere Konstrukte, welche sich mit<br />

positivem Affekt auseinandersetzen. 156 Die Skala gilt als eindimensionales Selbstbeurteilungsinstru-<br />

ment und erfolgt mittels Fragebogen. Das Maß der Zufriedenheit wird mit Hilfe einer Summenbil-<br />

dung aus fünf Befragungseinheiten gebildet, welche jeweils auf einer 7-stufigen Skala beantwortet<br />

und bewertet werden müssen. Die sieben Stufen reichen von ‚stimme völlig zu‘ (7 Punkte) bis hin zu<br />

‚weder noch‘ (4 Punkte) und im negativen Sinne zu ‚stimme überhaupt nicht zu‘ (1 Punkt). Dieses<br />

Rating betrifft die folgenden Feststellungen:<br />

1. In den meisten Bereichen entspricht mein Leben meinen Idealvorstellungen.<br />

2. Meine Lebensbedingungen sind ausgezeichnet.<br />

3. Ich bin mit meinem Leben zufrieden.<br />

4. Bisher habe ich die wesentlichen Dinge erreicht, die ich mir für mein Leben wünsche.<br />

5. Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich kaum etwas ändern.<br />

Aus der Wertung dieser Befragungseinheiten werden Summen gebildet und sind wie folgt zu inter-<br />

pretieren:<br />

35-31 extrem zufrieden<br />

26-30 zufrieden<br />

21-25 eher zufrieden<br />

20 neutral<br />

15-19 eher unzufrieden<br />

10-14 unzufrieden<br />

5-9 extrem unzufrieden<br />

155 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />

analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017,<br />

S.5.<br />

156 Vgl. Diener, Ed; Emmons, Robert; Larsen, Randy; Griffin, Sharon (1985): The Satisfaction<br />

with Life Scale, in: Journal of Personality Assessment, No. 49, S.71. E-Paper: http://www.unt.edu/rss/SWLS.pdf.<br />

59


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Aus dieser einfachen Aggregation lässt sich eine Aussage über die allgemeine Lebenszufriedenheit<br />

treffen. Um nochmal die vorherige Begriffsbestimmung des kognitiven Wohlbefindens aufzugreifen,<br />

bestimmt auch hier die kognitive Komponente den kompletten Zeithorizont des menschlichen Le-<br />

bens bis <strong>zum</strong> Zeitpunkt der Evaluation. 157<br />

3.3.2.2 Weitere Befragungen zur Lebenszufriedenheit<br />

Das Instrument der ‚surveys‘ (Befragung und Erhebung von Daten) findet rund um den Globus seine<br />

Anwendung. Der ‚World Values Survey‘(WVS) beispielsweise ist die umfangreichste Abfrage mensch-<br />

licher Werte, worin auch Fragen <strong>zum</strong> subjektiven Wohlbefinden enthalten sind. Dabei werden durch<br />

ein Exzellenzcluster von weltweitbeteiligten Sozialforschern der Status von soziokulturellen, morali-<br />

schen, religiösen und politischen Werten verschiedener Kulturen der Welt ermittelt. 158 Eine Folge-<br />

rung daraus, ist der sogenannte ‚happiness planet index‘ HPI (Welt-Glücklichkeits-Maßstab), welcher<br />

die Fröhlichkeit in Verbindung mit der Umwelt im jeweiligen Land wiedergibt. 159 Eine weitere be-<br />

kannte, repräsentative Befragung ist der ‚European Social Survey‘ (ESS) aus welchem später das<br />

‚World Values Survey‘ hervorgegangen ist. 160<br />

Auf nationaler Ebene hat sich der Wohlfahrtssurvey etabliert, welches eine Repräsentativumfrage<br />

darstellt, „die speziell für die Messung der individuellen Wohlfahrt und Lebensqualität konzipiert<br />

wurde.“ 161 Das Instrument umfasst verschiedene Bereiche der objektiven Lebensbedingungen und<br />

subjektiven Wohlbefinden in Deutschland. Es beinhaltet diesbezügliche bestimmte Indikatoren, wel-<br />

che in einem Trendverlauf und Zeitreihe dargestellt und analysiert werden können. „Der Wohlfahrts-<br />

survey bietet damit zugleich auch eine Datenbasis, die in besonderem Maße für die Analyse der<br />

Wohlfahrtsdisparitäten und die Beobachtung der Prozesse der Angleichung der Lebensverhältnisse in<br />

West- und Ostdeutschland geeignet ist.“ 162 Der Survey besteht immer aus einem feststehenden Teil,<br />

welcher Fragen zu<br />

„Objektiven und subjektiven Indikatoren für die einzelnen Lebensbereiche (wie Wohnen,<br />

60<br />

Einkommen, Beschäftigung, Bildung, Gesundheit, Ehe und Familie, soziale Netzwerke, Parti-<br />

zipation, Umwelt),<br />

Globale Maße subjektiven Wohlbefindens (wie Lebenszufriedenheit, Anomie, Besorgnis,<br />

Kompetenz),<br />

157 Vgl. Fischer, Justina (2009): Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD (Hrsg.), Paris.<br />

S.7. E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />

158 Vgl. Internetauftritt des World Values Survey WVS, aufgerufen unter: http://www.worldvaluessurvey.org/, abgerufen am<br />

26.08.2010.<br />

159 Vgl. Internetauftritt des Planet Happiness Index HPI, aufgerufen unter: http://www.happyplanetindex.org/, abgerufen<br />

am 26.08.2010.<br />

160 Vgl. Internetauftritt des European Sozial Survey ESS, aufgerufen unter: http://www.europeansocialsurvey.org/, abgeru-<br />

fen am 26.08.2010.<br />

161 Internetauftritt des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften GESIS, aufgerufen unter:<br />

http://www.gesis.org/dienstleistungen/daten/umfragedaten/wohlfahrtssurvey/, abgerufen am: 26.08.2010.<br />

162 Internetauftritt des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften GESIS, aufgerufen unter:<br />

http://www.gesis.org/dienstleistungen/daten/umfragedaten/wohlfahrtssurvey/, abgerufen am: 26.08.2010.


Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />

Wohlfahrtsrelevante Einstellungen und Werte (wie Wichtigkeit von Lebensbereichen, Kon-<br />

fliktwahrnehmung, (post)-materialistische Wertorientierungen) [sowie zur]<br />

Standarddemographie“ 163 beantworten soll.<br />

Im Survey des Jahres 1980 wurden beispielsweise zusätzliche Fragen zu<br />

„Alternative Maße subjektiven Wohlbefindens,<br />

Haushaltsproduktion und Netzwerkhilfe,<br />

Berufliche Platzierung [sowie zu]<br />

Projekte und Versagungen“ 164 erfasst.<br />

Die Repräsentativumfrage des Wohlfahrtsurvey besitzt als Bewertungsmethode Ordinalskalen oder<br />

Zweipunktskalen und gibt auch die Möglichkeit bestimmte Fragen mit einer argumentativen Aussage<br />

zu beantworten.<br />

Somit ist auch das Instrument der ‚surveys‘ als Messung des kognitiven Wohlbefindens zu charakteri-<br />

sieren, weil keine Moment-zu-Moment-Aufnahmen des Wohlbefindens erfolgen, sondern immer<br />

evaluierte Meinungsbilder abgefragt werden.<br />

3.4 Zwischenfazit: Grenzen der Instrumente zur Messung der subjektiven<br />

Lebensqualität bei der Erfassung stadträumlicher Barrieren<br />

Das Thema des subjektiven Wohlbefindens steht in einem unmittelbaren Zusammenhang <strong>zum</strong> Wohl-<br />

befinden behinderter Menschen in der Stadt, welches aus planerischer Sicht durch eine umgreifende<br />

Barrierefreiheit zu erreichen ist. In diesem Kontext agiert der Mensch als Messfühler zur Erfassung<br />

innerstädtischer Barrieren. Nun steht zur Diskussion, welche Messmethode am Geeignetsten ist, um<br />

die innerstädtische Raumerfahrung in der Fußgängerzone behinderter und mobilitätseingeschränkter<br />

Menschen effektiv und sinnvoll zu messen. Je nach Zielgruppe ist eine große Anzahl an unterschied-<br />

lichsten Barrieren in der Innenstadt vorhanden. Für blinde und sehbehinderte Menschen ist dies das<br />

stadträumliche Mobiliar wie Poller, Laternenmasten, Mülleimer, aber auch schlechte Bodenbeläge<br />

oder temporäreres Mobiliar wie Außenbestuhlung und Werbeaufsteller. Für die Gruppe der gehbe-<br />

hinderten Menschen ist dies neben schlechten Bodenbeläge und Straßenquerungen, Steigungen und<br />

Gefälle in ihrem alltäglichen Weg durch die Fußgängerzone. Es ist also von einer großen Häufigkeit an<br />

innerstädtischen Barrieren auf einer geringen Strecke in der Fußgängerzone auszugehen. Dies be-<br />

gründet auch die Anforderung, zu jedem Zeitpunkt wissen zu müssen, was ein Mensch empfindet<br />

oder wie (Un-)Wohl er sich fühlt. Dieser Umstand bedingt auch die Eingrenzung der Messmethode.<br />

163 Internetauftritt des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften GESIS, aufgerufen unter:<br />

http://www.gesis.org/dienstleistungen/daten/umfragedaten/wohlfahrtssurvey/frageprogramm/, abgerufen am:<br />

26.08.2010.<br />

164 Internetauftritt des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften GESIS, aufgerufen unter:<br />

http://www.gesis.org/dienstleistungen/daten/umfragedaten/wohlfahrtssurvey/frageprogramm/, abgerufen am:<br />

26.08.2010.<br />

61


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Die geeignete Messmethode muss die Anforderung erfüllen, jederzeit eine Barriere kleinräumig iden-<br />

tifizieren zu können. Einerseits werden Barrieren bereits durch städtebauliche Regelwerke (DIN-<br />

Normen, siehe Kapitel 2.4.3 Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der Stadtplanung)<br />

identifiziert, insofern eine stadträumliche Analyse veranlasst wurde. Der Fokus der Arbeit liegt jedoch<br />

insbesondere in der Messung der Betroffenensicht. Die Frage lautet jedoch vielmehr, wie nehmen<br />

behinderte Menschen innerstädtische Barrieren wahr und wie lässt sich die subjektiven Wahrneh-<br />

mung, also das subjektive (Un-) Wohlbefinden, messen? Hier kommen wiederum im direkten Bezug<br />

die Lebensqualitätsmessungen zur Geltung, welche die Komponentenmessungen des affektiven und<br />

des kognitiven Wohlbefindens zur Verfügung stellen.<br />

An dieser Stelle wird zunächst nach dem Ausschlussverfahren agiert. Welche Methode eignet sich<br />

also nicht zur Messung. Der kognitive Ansatz ist ein geeignetes Mittel die allgemeine Lebenszufrie-<br />

denheit zu messen und umfasst alle gesammelte Erfahrung bis <strong>zum</strong> Zeitpunkt ihrer Evaluation. Es<br />

wird also ein globales Empfinden wiedergegeben. Mehrere Studien haben diesen Aspekt untersucht<br />

und es ist der Konsens eingetreten, dass kognitive und somit auch retrospektiven Bewertungen und<br />

Messungen der Lebenszufriedenheit nicht notwendigerweise ein adäquates Mittel sind, die aktuellen<br />

gesammelten Erfahrungen aufzusummieren. Diese Beobachtung ist insofern wichtig, da sich in der<br />

Vergangenheit die Forschung insbesondere auf retrospektive Werkzeuge gestützt hat. Die retrospek-<br />

tive Bewertung hat als klaren Nachteil, dass vor allem Erinnerungen wiedergegeben werden, die be-<br />

sonderes prägend waren, aber wiederum andere Erinnerungen überlagern. Hierdurch gehen wichtige<br />

Daten des emotionalen Befindens verloren, welche in der unmittelbaren Erfahrung, beispielsweise<br />

von Barrieren, eine enorm wichtige Rolle spielen. 165 Vielmehr dienen Echtzeit-Messungen dem Zweck<br />

aktuelle Erfahrungen und somit den Affekt effektiv zu messen. 166<br />

Die Instrumente der Affekt-Messung im Labor sind als schwierig anzusehen, da sie dem Anspruch der<br />

echten Umwelt nicht entsprechen und von einer sehr hohen Kontrolle bestimmt sind. In der natürli-<br />

chen Umwelt unterliegt der Mensch in seinem täglichen Gang durch die Innenstadt nicht dem Ein-<br />

fluss einer klinischen Laborumgebung. Es ist vielmehr eine Vielzahl an Eindrücken, welche auf den<br />

Menschen einwirken, die die reale Umwelt ausmachen.<br />

Eine Annäherung an die Problematik der effektiven Affekt-Messung leistet die ‚experience sampling<br />

Methode‘ (siehe Kapitel 3.3.1.2) und die ‚Day Reconstruction Methode‘ (siehe 3.3.1.3). Erstere Me-<br />

thode, durchgeführt in der realen Umwelt von Menschen, versucht bereits so wenig Einfluss wie<br />

möglich auf das untersuchte Individuum zu nehmen. Jedoch stört es in seinen plötzlichen Abfragen<br />

den normalen Alltagsfluss und beeinflusst somit das unmittelbare Empfinden. Die direkteste Heran-<br />

gehensweise an die Messung der unmittelbaren Erfahrung vermeidet Effekte des Urteilens über eine<br />

Situation und der Erinnerung so gut es geht. 167 Die ‚Day Reconstruction Methode‘ dagegen misst den<br />

affektiven Zustand erst am nächsten Tag durch eine systematische, vorgegebene Rekonstruktions-<br />

165 Vgl. Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B. (2006): Developments in the Measurement of Subjective Well-Being, in: Journal<br />

of Economic Perspectives, Volume 20, No. 1, Winter 2006, S. 18. E-Paper:<br />

http://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/10.1257/089533006776526030.<br />

166 Vgl. Ebenda, S.6.<br />

167 Vgl. Ebenda, S.9.<br />

62


Konzepte und Instrumente zur Messung der subjektiven Lebensqualität Kapitel 3<br />

anweisung. Dabei sollen Voreingenommenheiten des Vortags abgemildert und eine nüchterne Beur-<br />

teilung des Wohlbefindens zu bestimmten Zeiten, bei bestimmten Aktivitäten und in Kontakt mit<br />

bestimmten Personen festgehalten werden. Diese Methode hat somit den Vorteil, dass der Tagesab-<br />

lauf des untersuchten Individuums nicht gestört wird und er sich in seiner natürlichen Umgebung frei<br />

entfalten kann. Dies macht die Messergebnisse besonders objektiv und möglichst valide. Die Metho-<br />

de soll somit <strong>zum</strong>indest einen Großteil des emotional Erlebten, also positive und negative Emotio-<br />

nen, störungsfrei und klar wiedergeben. 168 Aber auch diese Methode weist ihre Nachteile in der Ver-<br />

wendung zur Messung innerstädtischer Barrieren auf. Sie erfasst zwar störungsfrei Emotionen, aber<br />

dies sind bei weitem keine Momentaufnahmen und spiegeln nicht den gesamten Aspekt der momen-<br />

tanen unmittelbaren Erfahrung und Emotion eines Individuums wieder.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein Instrument zur Messung des subjektiven Wohlbefindens<br />

in der Innenstadt von behinderten Menschen, und damit von Barrieren oder Barrierefreiheit, zwei<br />

Hauptkriterien zu erfüllen hat:<br />

Aufnahme der affektiven Moment-zu-Moment-Emotionen und Erfahrungen in Echtzeit und<br />

zu jedem Zeitpunkt muss gewährleistet sein, um bestimmte Barrieren identifizieren zu kön-<br />

nen.<br />

Von der Messung störungsfreie Entfaltung des Betroffenen in seiner Umwelt muss gewähr-<br />

leistet sein.<br />

Die untersuchten Methoden zur Messung des kognitiv-evaluativen und affektiven Wohlbefindens<br />

führen also nicht zu einer Erfüllung der geforderten Kriterien in allen Punkten. Jedoch sind diese Kri-<br />

terien unabdingbar, um gewonnene Ergebnisse eine Transparenz und Nachvollziehbarkeit beizusteu-<br />

ern, welche zur Vermittlung und der politischen Akzeptanz unbedingt notwendig sind. Voraussetzung<br />

zur Verwendbarkeit momentan aufgezeichneter Emotionen ist die Verortung dieser mit Hilfe von<br />

Koordinaten (GPS). Die wichtigste Rolle spielen also die momentanen Emotionen und es stellt sich die<br />

Frage, wie diese Emotionen, positive und negative, in Echtzeit zu messen sind. Diesem Themenfeld<br />

hat sich die Emotionsforschung ausführlich angenommen. Aus diesem Grund wird im weiteren Ver-<br />

lauf der Arbeit untersucht, wie sich diese Emotionen beim Individuum äußern und wie sie von außen<br />

erkennbar sowie messbar sind.<br />

168 Vgl. Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B. (2006): Developments in the Measurement of Subjective Well-Being, in: Journal<br />

of Economic Perspectives, Volume 20, No. 1, Winter 2006, S. 22. E-Paper:<br />

http://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/10.1257/089533006776526030.<br />

63


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Kapitel 4<br />

Grundlegende Konzepte und<br />

Instrumente der<br />

Emotionsforschung<br />

4.1 Emotionsdefinition Seite 64<br />

4.2 Komponenten der Emotion Seite 66<br />

4.3 Methoden des ‚Ambulatorisches Assessments‘ Seite 70<br />

4.4 Messparameter und –Methoden physiologischer Zustände und Stress Seite 75<br />

4.5 Zwischenfazit: Methodenfindung zur Identifikation stadträumlicher Barrieren<br />

auf Grundlage der Emotionsforschung Seite 76


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />

Kapitel 4 - Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung<br />

Die Emotionsforschung, inklusive derer theoretischen Ansätze und Forschungsmethoden, hat zur<br />

Aufgabe verschiedene Aspekte der emotionalen Erfahrung zu evaluieren und dazulegen. In diesem<br />

Kontext durchdringt die Emotionsforschung verschiedene Felder der Psychologie und verwandte<br />

Wissenschaften wie die Soziologie, Biologie, Ökonomie sowie die Neurowissenschaften. Zudem ist<br />

eine deutliche Zunahme der Bedeutung dieses Forschungsfelds zu konstatieren. 169 Es ist daher not-<br />

wendig essentielle Befunde zur Emotionsforschung aufzuzeigen und auf die Fragestellung der Ver-<br />

wendbarkeit zur affektiven Moment-zu-Moment-Aufnahme der Emotionen eines Individuums Ant-<br />

wort zu finden. Zunächst wird der Begriff ‚Emotion‘ konsensorientiert definiert und die Komponenten<br />

der Emotionsäußerung analysiert. Dem folgen mögliche Methoden zur Emotionsmessung innerhalb<br />

des ambulatorischen Assessments. In einem kurzen Zwischenfazit soll daraufhin die Frage beantwor-<br />

tet werden, ob die Emotionsforschung einen wichtigen Beitrag zur Messung des subjektiven Wohlbe-<br />

findens, vor dem Hintergrund der Ansprüche einer Messung und Bewertung emotionaler Affekte von<br />

behinderten Menschen, liefern kann. Das Hauptaugenmerkt liegt hierbei bei der Übertragbarkeit von<br />

Messmethoden innerhalb und außerhalb des Labors auf eine praktische Anwendung in der Realwelt<br />

und in Echtzeit.<br />

4.1 Emotionsdefinition<br />

Der Versuch eine wissenschaftliche Definition des Begriffs „Emotion“ aus<strong>zum</strong>achen, gestaltet sich als<br />

sehr schwierig. Der Begriff der Emotion ist ein vielfältig divergierend interpretierter Sachverhalt, wel-<br />

cher in bestimmten Forschungsinteressen unterschiedlich aufgefasst wird. Dies liegt <strong>zum</strong> einen an<br />

der Komplexität des Gegenstandes, <strong>zum</strong> anderen daran, dass „der Begriff der Emotion ein hypotheti-<br />

sches Konstrukt bezeichnet, das sich der direkten Beobachtung entzieht.“ 170<br />

Zur Erreichung eines Konsenses innerhalb der Arbeit wird sich auf darauf geeinigt, dass Emotionen<br />

bestimmte, grundlegende Kennzeichen aufweisen. Diese Kennzeichen entziehen sich jeder Kontro-<br />

verse und sind von zentraler Bedeutung, um das Phänomen der Emotion zu verstehen 171 :<br />

a) Emotionen werden dann ausgelöst, wenn dem Organismus etwas für ihn Relevantes ge-<br />

schieht. Dieser Vorgang ist mit dem direkten Einfluss auf die Bedürfnisse, Zweck, Werte und<br />

169 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />

analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017,<br />

S.7.<br />

170 Bartsch, Anne; Hübner, Susanne (2004): Emotionale Kommunikation – ein integratives Modell, Philosophische Fakultät<br />

der Martin-Luther-<strong>Universität</strong>, Halle-Wittenberg, S.14. E-Paper: http://sundoc.bibliothek.uni-halle.de/dissonline/04/07H050/prom.pdf.<br />

171 Vgl. Frijda, Nico H.; Scherer, Klaus (2009): Emotion definition (psychological perspectives), in: Oxford companion to<br />

emotion and the affective sciences, Oxford University Press, Oxford, UK, S. 142 f.<br />

64


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

65<br />

dem generellen Wohlbefinden des Organismus gekoppelt. Die Relevanz bestimmt sich durch<br />

die individuelle Beurteilung von Ereignissen hinsichtlich einer Vielzahl von Kriterien. Dazu<br />

zählt insbesondere der Stimulus einer Person, wenn etwas Neues oder Unerwartetes ge-<br />

schieht. Der Stimulus wird dann eingeleitet, wenn das Neue oder Unerwartete als angenehm<br />

oder unangenehm wahrgenommen wird. Zudem spielt die Beschaffenheit der Motivation in<br />

diesem Zusammenhang dann eine Rolle, wenn beispielsweise der Stimulus dazu zuträglich ist<br />

ein Bedürfnis zu befriedigen, einen Zweck zu erreichen, Werte aufrechtzuerhalten oder das<br />

Gegenteil in Form von Hinderung dieser Kriterien vorliegt. 172,173<br />

b) Emotionen bereiten den Organismus darauf vor, mit wichtigen Ereignissen im Leben umzu-<br />

gehen. Sie haben somit einen stark motivationsorientierten Einfluss, indem sie Einsatzbereit-<br />

schaft im Organismus herstellen. 174<br />

c) Emotionen greifen in das komplette Verhalten des Menschen ein. Dies geschieht durch das<br />

Drängen auf Aktion und/oder das Hemmen von Aktion, was in der Konsequenz mit einem<br />

vorbereitenden Einstimmen der Körperorgane und des motorischen Systems begleitet wird.<br />

Das bedeutet, dass Emotionen mehrere Komponenten sowie Untersysteme des Organismus<br />

einbinden, welche bis zu einem gewissen Grad innerhalb emotionaler Folge zusammenhän-<br />

gen. Dies geht manchmal soweit, dass diese Komponenten und Untersysteme im höchsten<br />

Maße synchronisiert werden. 175<br />

d) Emotionen gewähren eine sogenannte Kontrollpriorität 176 , welche auf die Stadien der Ein-<br />

satzbereitschaft einwirkt, die der Kontrolle des Verhaltens und der Erfahrung unterliegen. 177<br />

Versuche der Beschreibung von konkreten Emotionen, welche durch Studien bereits in den 80ger<br />

Jahren des 20. Jahrhunderts vorgenommen wurden, umfassen hauptsächlich ‚Fröhlichkeit‘, ‚Ärger‘,<br />

‚Traurigkeit‘, ‚Liebe‘, ‚Angst‘, ‚Hass‘, ‚Aufregung‘ etc. und werden nach unterschiedlichen Intensitäten<br />

erfasst. 178 Innerhalb der neurologischen Emotionstheorie hat sich derweil die Ansicht durchgesetzt,<br />

dass es eine bestimmte Anzahl von angeborenen Primäremotionen gibt. Diese vier Primäremotionen<br />

172 Vgl. Scherer, Klaus (2001): Appraisal considered as a process of multilevel sequential checking, in: Appraisal process in<br />

emotion: theory, methods, research, Oxford University Press, New York, USA, S. 94 f. und S. 107 f. E-Paper:<br />

http://www.affective-sciences.org/system/files/2001_Scherer_Appbook_CPM.pdf.<br />

173 Vgl. Ellsworth, Phoebe; Scherer, Klaus (2003): Appraisal process in emotion, in: Handbook of affective sciences, Oxford<br />

University Press, New York, USA, S. 578 ff. E-Paper: http://www.affectivesciences.org/system/files/2003_Ellsworth_HdbAffsci_Appr.pdf.<br />

174 Vgl. Frijda, Nico H. (2007): The laws of emotion, Lawrence Erlbaum Associates, Mahwah, New Jersey, USA, S.30 ff.<br />

175 Scherer, Klaus (2005): What are emotions? And how can they be measured?, in: Social Science Information Vol. 44 No. 4,<br />

S. 697. E-Paper: http://www.affective-sciences.org/system/files/2005_Scherer_SSI.pdf.<br />

176 Vgl. Frijda, Nico H. (1988): The laws of emotion, in: American Psychologist, Vol. 43 (1988), S.355. E-<br />

Paper:http://homepages.spa.umn.edu/~larry/CLASS/NOTHING/Laws%20of%20Emotion.pdf<br />

177 Vgl. Scherer, Klaus (2009): Emotions are emergent processes: they require a dynamic computational architecture, in:<br />

Biological Sciences, Philosophical Transactions of the Royal Society 2009, No. 364, S. 3459.<br />

178 Vgl. Fehr, Beverley; Russell, James (1984): Concept of Emotion Viewed From a Prototype Perspective, in: Journal of Experimental<br />

Psychology: General 1984, Vol. 113, No. 3, Lancaster, Pennsylvania, USA. S. 470. E-Paper:<br />

http://www2.bc.edu/~russeljm/publications/Russell&fehr1984.pdf.


Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />

können als ‚Zufriedenheit-Freude‘, ‚Abneigung-Angst‘, ‚Durchsetzen-Ärger‘ sowie ‚Enttäuschung-<br />

Traurigkeit‘ identifiziert werden. 179<br />

Was bedeutet dies nun für die zu untersuchende Betroffenengruppe und den städtischen Kontext?<br />

Die Emotion an sich gilt als Bestandteil des subjektiven Wahrnehmens eines Individuums. Die äußere<br />

Umwelt produziert externe Reize, welche im Gefüge Stadt durch seine Komplexität und Ansammlung<br />

von Individuen und technischer Einheiten enorm vielfältig sind. Diese Reize sind hauptsächlich akusti-<br />

scher, visueller oder auch taktiler Natur. Zudem ist beispielsweise in Gefahrensituationen oder<br />

Stresssituationen, welche durch das Auftreffen auf eine Barriere entstehen können, ein adaptives<br />

oder disruptives Verhalten prägend. Diese Äußerungen schlagen sich u.a. auch in physiologischen<br />

Reaktionen des Körpers auf bestimmte Situationen nieder. Die späteren Studien werden diesen Be-<br />

reich der Emotionen wiederum auffassen.<br />

Emotionen können somit als Äußerung der subjektiven Wahrnehmung eines Individuums verstanden<br />

werden und führen zu einem subjektiven Wohlbefinden, obgleich positiv oder negativ ausgestattet.<br />

4.2 Komponenten der Emotion<br />

Nach der definitorischen Klärung des Begriffs Emotion und dessen charakterisierenden Inhalten wer-<br />

den nun die einzelnen Komponenten der Emotion, welche bei der inneren Abschätzung und Bewer-<br />

tung eines Ereignisses auftreten, näher beleuchtet. Dabei wird zwischen Aktivitätstendenzen, moto-<br />

rischem Ausdruck, subjektives Befinden und autonomen Physiologie des Individuums unterschieden.<br />

Diese Komponenten sind ebenfalls untereinander kausal verknüpft. Tabelle 6 zeigt dabei die Bezie-<br />

hung zwischen den organischen Subsystemen des Organismus sowie der Emotionsfunktionen und<br />

den entsprechenden Emotionskomponenten. Drei dieser Komponenten, nämlich die motorische<br />

Ausdruckskomponenten, die autonome Physiologe sowie das subjektive Befinden, haben eine lang-<br />

jährige fachliche Anerkennung. Neuerdings sind auch die Aktivitätstendenzen durch eine anhaltende<br />

Forderung innerhalb der Forschung in den Bereich der Emotionskomponenten aufgenommen wor-<br />

den. 180<br />

Emotionsfunktion Organisches Subsystem 181 und die unterliegende<br />

Basisfunktion<br />

Evaluation von Objekten und<br />

Ereignissen<br />

Emotionskomponente<br />

Informationsverarbeitung (CNS) Kognitive Komponente<br />

(Beurteilung)<br />

179<br />

Vgl. Turner, Jonathan; Stets, Jan (2005): The Sociology of Emotions, Cambridge University Press, New York,<br />

S.11-21.<br />

180<br />

Vgl. Scherer, Klaus (2005): What are emotions? And how can they be measured?, in: Social Science Information, Vol. 44 -<br />

No 4, S. 698. E-Paper: http://www.affective-sciences.org/system/files/2005_Scherer_SSI.pdf.<br />

181<br />

Anmerkung: CNS=Zentrales Nervensystem; NES=Neuro-endokrines System; ANS=Autonomes Nervensystem;<br />

SNS=Somatisches Nervensystem.<br />

66


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Systemregulierung Unterstützung (CNS, NES, ANS) Neurophysiologische<br />

Komponente (Körpersymptome<br />

oder autonome<br />

Physiologie)<br />

Vorbereiten und Richtung der<br />

Aktion<br />

Kommunikation der Reaktion<br />

und verhaltensbestimmte<br />

Absicht<br />

Monitoring des inneren Befindens<br />

und der organismusumgebende<br />

Interaktion<br />

67<br />

Ausführung (CNS) Motivationsbezogene<br />

Komponente (Aktivitätstendenzen)<br />

Aktion (SNS) Motorische Ausdruckskomponente<br />

(Gesichts-,<br />

Sprach- und Körperausdruck)<br />

Kontrolle (CNS) Subjektives Befinden<br />

(emotionale Erfahrung)<br />

Tabelle 6: Beziehung zwischen organischen Subsystemen sowie Funktionen und Komponenten der Emotion. Quelle: Eigene<br />

Bearbeitung auf Grundlage: Scherer, Klaus (2005): What are emotions? And how can they be measured?, in: Social Science<br />

Information, Vol. 44 - No 4, S. 698. E-Paper: http://www.affective-sciences.org/system/files/2005_Scherer_SSI.pdf.<br />

Die verschiedenen Komponenten der Emotion stehen in einem engen Wirkungsgefüge und zeigen<br />

eine Vielzahl von Abhängigkeiten und Verknüpfung. Aufbauend auf Tabelle 6 dient die folgende Ab-<br />

bildung 9 als Leitfaden zur weiteren Erläuterung der einzelnen Emotionskomponenten. Sie zeigt die<br />

Zusammenhänge der einzelnen Nervensysteme, deren Emotionsfunktion und letztendlich deren<br />

emotionalen Äußerung auf.<br />

Abbildung 9: Systemmechanismus der Emotionskomponenten. Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage: Scherer, Klaus<br />

(2009): Emotions are emergent processes: they require a dynamic computational architecture, in: Biological Sciences, Philo-<br />

sophical Transactions of the Royal Society 2009, No. 364, S.3467.


Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />

4.2.1 Aktivitätstendenzen<br />

Unter Aktivitätstendenzen werden Basisintention wie Aufmerksamkeit, Informationsfilterung,<br />

Kampfbereitschaft, Fluchtbereitschaft, Annäherungsverhalten usw. verstanden. 182 Die Motivations-<br />

komponente wird von der Natur der Aktivitätstendenzen repräsentiert, welche durch ein bestimmtes<br />

Ereignis ausgelöst werden. Gleiches gilt für die persönliche Bewertung der Dringlichkeit einer Akti-<br />

on. 183<br />

In Verbindung mit der Entdeckung etwas Neuem oder eines plötzlich auftretenden Ereignisses, kann<br />

das Individuum eine Änderung in dessen Haltung erfahren, welche durch das zentrale Nervensystem<br />

ausgelöst wird. 184 Es bildet sich somit eine bestimmte Aktivitätstendenz heraus, die wiederum Ein-<br />

fluss auf die Ereignisbewertung hat und schlussendlich das subjektive Befinden durch einen Dring-<br />

lichkeitsfaktor je nach Situation positiv oder negativ beeinflusst (siehe Abbildung 9). Als Ergebnis<br />

kann beispielsweise eine Ausweichtendenz im zentralen Nervensystem <strong>zum</strong> Selbstschutz aktiviert<br />

werden, was ein physisches Entfernen von einer Situation als Folge haben kann (siehe Tabelle 6). Im<br />

übertragenen Sinne kann das Auftreten einer offensichtlich unüberwindlichen Barriere zur einem<br />

Ausweichen oder einem Einfrieren in der Aktivität des Betroffenen führen.<br />

4.2.2 Motorischer Ausdruck<br />

Basierend auf dem Resultat des Bewertens eines Ereignisses und begleitend der motivationsbedingte<br />

Änderung in der Haltung, wird neben dem automatischen Nervensystem auch das somatische Ner-<br />

vensystem aktiv. 185 Dieser grundlegende Prozess beinhaltet alle Komponenten der Emotion. Generell<br />

findet zudem durch die Veränderung des motorischen Ausdrucks die Kommunikation einer wahr-<br />

nehmbaren Reaktion nach außen statt. Dies geschieht beispielhaft bei einer unangenehmen Situation<br />

durch einen verzerrten Gesichtsausdruck, einer Stimmenäußerung oder gar durch das Abwenden des<br />

Körpers. Hierdurch kann die Aufnahme der Stimulation des eingetretenen Ereignisses reduziert wer-<br />

den. 186 Dies kann in diesem Falle als eine Art Schutzfunktion gewertet werden.<br />

Insgesamt geht also dem motorischen Ausdruck eine Ereignisbewertung voraus und er spiegelt das<br />

subjektive Befinden in Umfang, hinsichtlich dessen Qualität sowie Intensität, wieder (siehe Abbildung<br />

9).<br />

182 Vgl. Scherer, Klaus (2001): Appraisal considered as a process of multilevel sequential checking, in: Appraisal process in<br />

emotion: theory, methods, research, Oxford University Press, New York, USA, S. 104. E-Paper: http://www.affectivesciences.org/system/files/2001_Scherer_Appbook_CPM.pdf.<br />

183 Vgl. Scherer, Klaus (2009): Emotions are emergent processes: they require a dynamic computational architecture, in:<br />

Biological Sciences, Philosophical Transactions of the Royal Society 2009, No. 364, S. 3467.<br />

184 Vgl. Scherer, Klaus (2001): Appraisal considered as a process of multilevel sequential checking, in: Appraisal process in<br />

emotion: theory, methods, research, Oxford University Press, New York, USA, S. 107. E-Paper: http://www.affectivesciences.org/system/files/2001_Scherer_Appbook_CPM.pdf.<br />

185 Vgl. Scherer, Klaus (2009): Emotions are emergent processes: they require a dynamic computational architecture, in:<br />

Biological Sciences, Philosophical Transactions of the Royal Society 2009, No. 364, S. 3462.<br />

186 Vgl. Scherer, Klaus (2001): Appraisal considered as a process of multilevel sequential checking, in: Appraisal process in<br />

emotion: theory, methods, research, Oxford University Press, New York, USA, S. 107. E-Paper: http://www.affectivesciences.org/system/files/2001_Scherer_Appbook_CPM.pdf.<br />

68


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

4.2.3 Subjektives Befinden<br />

Wenn die subjektive und gleich auch emotionale Erfahrung einer inneren Kontrollfunktion dient (sie-<br />

he Tabelle 6), so muss die Erfahrung alle Informationen eines regelmäßigen Musters der Situations-<br />

veränderung in einen logischen Zusammenhang mit allen Emotionskomponenten bringen und diesen<br />

zentral repräsentieren. Es findet also ein Monitoring des inneren Befindens in Interaktion mit der<br />

realen Umwelt statt. Jedoch gilt das Befinden als ein außergewöhnlich komplexes Konglomerat von<br />

Informationen verschiedener Nervensysteme. Der momentane Status dieser Nervensysteme und<br />

somit aller Emotionskomponenten geht in einer integrierten Art und Weise in die<br />

Befindenskomponente ein. Qualität, Intensität und Dauer des jeweiligen Befindens sind ausschließ-<br />

lich durch die anderen Emotionskomponenten als integrale Inputs definiert. Der bewusste Teil der<br />

Befindenskomponente reguliert daraufhin die kontrollierte Einschätzung eines Ereignisses. Es wird<br />

die Hypothese aufgestellt, dass der Grad der Synchronisierung der Komponenten, welcher wiederum<br />

durch die Bewertung der Relevanz eines Ereignisses durch den Organismus bestimmt wird, bewusste<br />

Erfahrung generiert. 187<br />

4.2.4 Autonome Physiologie<br />

Die autonome Physiologie des Organismus gilt als emotionale Reaktion des Körpers bei Auftreten<br />

eines Ereignisses. Wenn etwas Neues und Unerwartetes plötzlich auftritt, reagiert der Körper zu-<br />

nächst in Form einer Orientierungsreaktion, welche beispielsweise in einer Abwehrreaktion münden<br />

kann. Beide Reaktionsphasen bilden sich in verschiedenen Körperfunktionen ab. 188 Beispielhafte<br />

Ausformungen dieser reaktiven Körperfunktionen sind die Zu- oder Abnahme des Herzschlages, der<br />

elektrischen Leitfähigkeit der Haut (elektrodermale Aktivität EDA), der Muskelaktivität, der Augen-<br />

bewegung, der Gehirnaktivität oder der Veränderung der Hauttemperatur (siehe Anhang V, Emoti-<br />

onstabelle). 189 Der Organismus wird durch die Veränderung der Körperreaktion auf die jeweilige Situ-<br />

ation vorbereitet, damit eine schnelle Reaktion in Form von Kampf, Flucht oder Stillstand ausgelöst<br />

werden kann. Im Positivfall empfindet der Organismus durch das Eintreten einer bestimmten Situati-<br />

on Regeneration oder Wohlbefinden. Als Reaktion darauf nimmt er generell schädliche Aspekte phy-<br />

siologischer Aktivierung zurück (geringerer Blutdruck, geringerer Level von Stresshormonen, Verbes-<br />

serung des Immunsystems). Der Negativfall dagegen bedeutet für den Organismus Stress und er er-<br />

höht beispielsweise die Frequenz des Herzschlags, um die den Körper im Allgemeinen und die Extre-<br />

mitäten im Speziellen mit mehr Blut zu versorgen, damit eine schnelle Flucht oder ein Angreifen ein-<br />

geleitet werden kann. 190<br />

187<br />

Vgl. Scherer, Klaus (2009): Emotions are emergent processes: they require a dynamic computational architecture, in:<br />

Biological Sciences, Philosophical Transactions of the Royal Society 2009, No. 364, S.3467<br />

188<br />

Vgl. Scherer, Klaus (2001): Appraisal considered as a process of multilevel sequential checking, in: Appraisal process in<br />

emotion: theory, methods, research, Oxford University Press, New York, USA, S. 107. E-Paper: http://www.affectivesciences.org/system/files/2001_Scherer_Appbook_CPM.pdf.<br />

189<br />

Vgl. Calvo, Rafael (2010): Affect detection: An Interdisciplinary Review of Models, Methods, and Their Applications, in:<br />

IEEE Transactions on Affective Computing, Vol. 1, No. 1, S.25.<br />

190<br />

Vgl. Ulrich, Roger S. (1999). Effects of gardens on health outcomes: Theory and research, in: Healing Gardens: Therapeutic<br />

Benefits and Design Recommendations, John Wiley Verlag, New York, S. 51.<br />

69


Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />

4.3 Methoden des Ambulatorisches Assessment<br />

Das ‚Ambulatorische Assessment‘ versteht sich als Überbegriff eines Methodenkatalogs zur „Echt-<br />

zeitmessung und der objektiven Erfassung von physiologischen Markern durch die technische Ent-<br />

wicklung im Bereich von Taschencomputern (Ambulatorisches Assessment), [welches] in wachsen-<br />

dem Maße auch außerhalb von Laborsettings einsetzbar und damit auch für die empirische Sozialfor-<br />

schung interessant *ist+.“ 191 Der ‚Wearable Computer‘ als miniaturisierte Informationstechnik, auf<br />

welcher das ‚Ambluatorische Assessment‘ im Grunde beruht, kann u.a. in die alltägliche Kleidung<br />

integriert werden und ermöglicht somit eine unauffällige Datenaufzeichnung. 192 Durch diese Innova-<br />

tion wird den bisherigen verzerrungsanfälligen, retrospektiven Umfrageinstrumenten (siehe Kapitel<br />

3.3 und 3.4) ein schlagkräftiger Gegenpol entgegengestellt.<br />

Die Methoden des ambulatorischen Assessment, also die Instrumente der Emotionsforschung, lassen<br />

sich in die drei Dimensionen ‚experience sampling‘, ‚behaviour recordung‘ sowie ‚psychophysiologi-<br />

sches Monitoring gliedern. Im weiteren Verlauf wird die Frage beantwortet werden, ob und in wel-<br />

chem Umfang die Emotionsforschung eine geeignete Messmethode zur affektiven Moment-zu-<br />

Moment-Aufnahme von Emotionen als Rückschluss auf eine subjektive Lebensqualität liefern kann.<br />

4.3.1 ‚Experience sampling‘<br />

Innerhalb des ambulatorischen Assessment wird ebenfalls das ‚experience sampling‘ angewandt. Wie<br />

bereits in Kapitel 3.3.1.2 vorgestellt, werden Betroffene während ihres normalen Tagesablaufs mit<br />

Hilfe eines tragbaren Computers abgefragt. Es erfüllt die Ansprüche eines elektronischen Tagebuches<br />

und wird deshalb auch im ambulatorischen Bereich benutzt. Dadurch kann das durchführende Per-<br />

sonal zu bestimmten Zeiten die Betroffenen hinsichtlich ihrer momentanen Symptome, Emotionen,<br />

Wahrnehmungen und Situationen zu einer bestimmten Zeit messen. Eine Weiterentwicklung dieser<br />

tragbaren Computer (PDA) beinhaltet einen Soundrekorder, welcher es ermöglicht weitere Rück-<br />

schlüsse auf Emotionen zu bekommen, indem der Betroffene seine Situation verbal beschreibt (Mo-<br />

torischer Ausdruck). Obwohl die ‚experience sampling Methode‘ sehr anpassungsfähig an spezifische<br />

Forschungsfragen ist, muss beachtet werden, dass selbstberichtete Daten durch bestimmte<br />

Voreingenommenheiten mit der Art dieser Datenaufnahme verknüpft sind. Das heißt, dass die<br />

zwischenzeitliche Störung durch die Signalgebung des tragbaren Computers Einfluss auf momentane<br />

Emotionen und Wahrnehmungen nimmt und somit die Daten verzerrt. 193 Jedoch gibt es auch adä-<br />

quate Mittel dieser Problematik zu begegnen. Insbesondere im Fall der emotionalen Aufzeichnung<br />

und der Verhaltensbeobachtung können physiologische Aufnahmen (Autonome Physiologie) des<br />

191 Papastefanou, Georgios (2009): Ambulatorisches Assessment: Eine Methode (auch) für die empirische Sozialforschung,<br />

in: Umfrageforschung – Herausforderungen und Grenzen, Weichbold, Martin; Bacher, Johann; Wolf, Christof (Hrsg.), VS<br />

Verlag für Sozialwissenschaften, S. 443.<br />

192 Vgl. Ebenda, S. 445.<br />

193 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />

analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017,<br />

S.7.<br />

70


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Probanden relevante Informationen <strong>zum</strong> Verständnis dieser Emotionen und Verhalten im alltäglichen<br />

Leben beisteuern. 194<br />

Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der Verzerrung der Datenaufnahme durch den tragbaren Computer,<br />

welcher durch seine Art und Weise der Datenaufnahme in seinem normalen Tagesablauf stört und<br />

somit im Moment der Abfrage das Emotionsbild beeinflusst. Die Beschäftigung mit dem Gerät an sich<br />

rückt damit in den Vordergrund und überlagert die dieszeitigen Emotionen. Zudem liefert die Me-<br />

thode im Grunde keine Moment-zu-Moment-Aufnahme, welche bei der Erfahrung innerstädtischer<br />

Barrieren durch ihre Unregelmäßigkeit im Vorkommen unbedingt notwendig ist.<br />

4.3.2 Behavior recording<br />

Die Psychologie definiert sich als die Wissenschaft der menschlichen Erfahrung und Verhalten. Je-<br />

doch haben die Studien das Verhalten betreffend in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Dies gilt<br />

insbesondere für die Persönlichkeits- und Sozialpsychologie. 195 Trotz alledem gibt es mittlerweile eine<br />

Vielzahl von Technologien, welche es ermöglichen das Verhalten des Individuums in seinem norma-<br />

len Tagesablauf unauffällig einzufangen. Diese Technologien werden im Folgenden zusammenfas-<br />

send erläutert.<br />

Die am wenigsten aufdringliche Methode ist die Handgelenk-Actigraphie. Die Actigraphie beschreibt<br />

dabei, „das ambulante Erfassen von Motilität durch Uhren-ähnliche Einheiten (wrist<br />

actigraphy)*…+.“ 196 Sie „wird häufig in der biopsychologischen Forschung benutzt, z.B. um Aktivitäts-<br />

muster über längere Zeiträume zu beobachten oder um ein objektives Maß für Schlaf/Wach Rhyth-<br />

men zu gewinnen.“ 197<br />

Abb. 10: Actiwatch-Handgelenkgerät. Quelle: Internetauftritt für ‚Physiological Monitoring Devices‘, aufgerufen unter:<br />

http://www.bmedical.com.au/img/products/product_6.jpg, abgerufen am 31.08.2010.<br />

194 Wilhelm, Frank; Walton, Roth (2001): The somatic symptom paradox in DSM-IV anxiety disorders: suggestions for a<br />

clinical focus in psychophysiology, in: Biological Psychology 57 (1-3), S. 105 ff.<br />

195 Vgl. Baumeister, Roy F.; Vohs, Kathleen D.; Funder, David C. (2007): Psychology and the science of selfreports and finger<br />

movements, in: Perspectives on Psychological Science Vol.2 No.4, S. 396. E-Paper:<br />

http://www.csom.umn.edu/assets/95164.pdf.<br />

196 Internetauftritt der Technischen <strong>Universität</strong> Dresden, Fachrichtung Psychologie, Lehrstuhl für Biopsychologie, aufgerufen<br />

unter: http://p113367.typo3server.info/index.php?id=75, abgerufen am 31.08.2010.<br />

197 Ebenda.<br />

71


Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />

Vor allem der potenzielle Nutzen der Actigraphie als objektive Indikatorenanzeige für den physischen<br />

Dialog und die zyklische Tagesaufzeichnung in Verbindung mit dem Gemütszustand, der Emotion<br />

oder des situationsbedingten Kontextes, in welchem sich das Individuum befindet, ist fast komplett<br />

übersehen worden. Vorzugsweise gilt dies für die Nutzung innerhalb der ‚experience sampling Me-<br />

thode‘ (siehe Kapitel 3.3.1.2 und 4.3.1). Eine bisherige Verwendung zur Datenaufnahme grundsätzli-<br />

cher Emotionsfragen wurde bisher nicht vorgenommen. 198<br />

Eine weitere vielversprechende Methode des ambulatorischen Assessment ist die Datenaufnahme<br />

mittels ‚electronic activated recorder‘. 199 Dieses mobile Aufnahmegerät zeichnet die Frequenz und<br />

das Streuverhalten des Sprachverhaltens eines Individuums über den Tag auf (Motorische Aus-<br />

druckskomponente). Diese zwei Parameter gelten als eine offensichtliche und relevante Variable in<br />

der Emotionsforschung bedingt durch die Verknüpfung mit Gemütszuständen, sozialer Isolation und<br />

Depression eines Individuums. Dabei werden alle paar Minuten, in einem Zeitfenster von einigen<br />

Sekunden, alle Geräusche der Umwelt des Probanden aufgezeichnet. Der Rekorder hält sozusagen<br />

Moment-zu-Moment-Geräusche im natürlichen Tagesablauf des Menschen fest. 200 Nachdem die<br />

Aufnahmen in eine entsprechende Software eingelesen worden sind, können innerhalb der Auswer-<br />

tung der Sprachinhalt nach Emotionsparametern (bestimmte emotionsausdrückende Worte) analy-<br />

siert werden. Auch ein Rückschluss auf die jeweilige Persönlichkeit ist hierdurch möglich. 201<br />

Ein logische Erweiterung des ‚electronic activated recorder‘ ist die automatische Aufnahme von Fotos<br />

der jeweiligen Umgebung. Dies geschieht ebenfalls in einer Minutentaktung bedingt durch die Spei-<br />

cherkapazitäten der Kamera. Die Besonderheit dieser Methode liegt in der Kamera an sich, welche<br />

problemlos in einem speziellen Brillenrahmen oder der Kleidung positioniert werden kann, so dass<br />

sie den Tagesablauf nicht stört. 202<br />

198 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />

analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017,<br />

S.7.<br />

199 Vgl. Mehl et al. (2001): The Electronically Activated Recorder (EAR): A device for sampling naturalistic daily activities and<br />

conversations, in: Behavior Research Methods, Instruments & Computers, Vol. 33 No. 4, S.517-523. E-Paper:<br />

http://homepage.psy.utexas.edu/homepage/faculty/Pennebaker/Reprints/EAR.pdf.<br />

200 Vgl. Ebenda, S.518.<br />

201 Vgl. Mehl, Matthias R.; Gosling, Samuel D.; Pennebaker, James W. (2006): Personality in its natural habitat: manifestations<br />

and implicit folk theories of personality in daily life, in: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 90 No. 5,<br />

S.863 ff.<br />

202 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />

analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017,<br />

S.7.<br />

72


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Abb. 11: Beispiel einer integrierten Kamera im Brillenrahmen. Quelle: Internetauftritt von ‚I want one of those‘, aufgerufen<br />

unter: http://www.iwantoneofthose.com/new-arrivals/spy-camera-glasses/index.html, abgerufen am 31.08.2010.<br />

Zusätzlich bietet es sich an die Videoaufnahme als weitere technische Komponente zuzuführen. Sie<br />

erlaubt das Studieren dynamischer Sequenzen umweltbedingter Stimuli und Gesichtsausdrücke in<br />

Abhängigkeit der Kameraposition und –Orientierung. Die Videoaufnahme zählt als Grundvorausset-<br />

zung zur technischen Bemessung von emotionalen Gesichtsausrücken unter der Nutzung des ‚Facial<br />

Action Coding System‘. 203<br />

Im Rahmen der aktuellen Problemstellung zur Messung der Emotion im Kontext behinderter und<br />

bewegungseingeschränkter Menschen in der Innenstadt sind diese technischen Zusätze durchaus<br />

denkbar und praktikabel. Insbesondere besteht die Möglichkeit durch eine unauffällige Kamera am<br />

Körper oder eine dezent durchgeführte Videoaufnahme die Blickrichtung und Orientierung der Pro-<br />

banden aufzunehmen. Jedoch eine alleinige Nutzung dieser technischen Hilfsmittel lässt noch keine<br />

absolute emotionale Bewertung auf stadträumliche Barrieren zu, da diese in ihrer Ausformung unter-<br />

schiedlich bewusst und unbewusst registriert werden. Sie dienen vielmehr als ein Indikator für das<br />

Wahrnehmen einer Barriere, denn es können sich im Blickfeld des Betroffenen weitere Faktoren<br />

befinden, welche einen emotionalen Hinweis auf beispielsweise Ablehnung, Ekel oder Überraschung.<br />

Natürlich empfiehlt es sich die technischen Hilfsmittel in Verbindung mit der ‚experience sampling<br />

Methode‘ zu verwenden, jedoch wurden deren Grenzen bereits in Kapitel 3.3.1.2 diskutiert. Es muss<br />

also ein weiteres Hilfsmittel gefunden werden, welches objektive und valide Daten affektive und<br />

momentane emotionale Reaktionen auf Barrieren erzeugt.<br />

4.3.3. Psychophysiologisches Monitoring<br />

Moderne tragbare, elektronische Aufnahmegeräte sind mittlerweile fähig, den typischen Umfang an<br />

psychophysiologischen Kanälen, welche in klassischen Emotionslaborexperimenten verwendet wer-<br />

den, zu duplizieren. Die verschiedenen Messparameter sind organismusbezogene Biosignale (kardio-<br />

vaskuläre Messparameter, elektrodermale Hautleitfähigkeit etc.) und dienen der Datenbestimmung<br />

der autonomen Physiologie (siehe Kapitel 4.1.4). Messungen, welche insbesondere innerhalb des<br />

203 Vgl. Ekman, Paul; Friesen, Wallace V. (1978): Facial Action Coding System: A Technique for the Measurement of Facial<br />

Movement. Consulting Psychologists Press, Palo Alto.<br />

73


Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />

ambulatorischen Monitorings aufgezeichnet werden, visieren spezifisch die grundlegenden biologi-<br />

schen Emotions- und stressreagierende Systeme an. 204<br />

Der fortwährende, technische Fortschritt hat zur Entwicklung von Mehrkanalgeräten geführt, welche<br />

gleich mehrere physiologische Signale in unterschiedlichen Kombinationen aufzeichnen können.<br />

Durch viele klinische Studien unterbaut, besitzen diese Geräte dabei auch eine hohe Genauigkeit und<br />

Verwendbarkeit der Daten. Hervorhebend ist die Verwendung dieser Messgeräte außerhalb des La-<br />

bors. Dabei steht immer der ambulatorische Gedanke im Vordergrund. Die Messungen dienen der<br />

Gewinnung von Erkenntnissen zur Verbesserung des Gesundheitsgrades und des Wohlbefinden des<br />

Menschen. Dies gilt in besonderem Maße auch für das physiologische Konstrukt des Begriffs ‚Stress‘,<br />

der an späterer Stelle nochmals aufgegriffen wird. Physiologisch gesehen, sind viele Emotions- und<br />

Stressresonanzen in der Reflexion generalisierter Aktivierung und Erregung gleichartig. Folglich er-<br />

lauben sie eine objektive Quantifizierung der Emotions- und Stressintensität. Die Messung gleich<br />

mehrerer physiologischer Parameter parallel, garantiert die beste zu bestimmende Emotionsabgren-<br />

zung. Generell wirkt die Aggregation kombinierter Messparameter, hinsichtlich einer bestimmten<br />

Emotion, der Fehlervarianz, welche einer Einzelmessung prinzipiell anhaftet, entgegen und liefert<br />

damit eine souveräne Emotionsanzeige. 205 Jedoch ist an<strong>zum</strong>erken, dass auch die Interpretation die-<br />

ser physiologischen Daten sich nicht immer als ganz einfach darstellt. Emotionen sind generell <strong>zum</strong><br />

einen situationsabhängig, <strong>zum</strong> anderen vom betroffenen Individuum selbstbestimmt. Der Ausfor-<br />

mung und der Stärkegrad der Emotion steht in diesem Kontext in Abhängigkeit der psychischen und<br />

physischen Fitness des Betroffenen. Zudem können die allgemeine Gesundheit und die genetische<br />

Veranlagung als weitere Faktoren beeinflussend auf die empfundene Emotion wirken. Als Lösung<br />

dieser Problematik werden eine klare Definition der zu untersuchenden Parameter sowie der Gewinn<br />

von Zusatzinformationen, wie der Gesichts- oder Sprachausdruck, vorgeschlagen. Aktuell werden<br />

jedoch verstärkt Studien durchgeführt, welche unabhängig dieser beeinflussenden Faktoren und<br />

Zusatzinformationen auf eine bestimmte Emotion zurückschließen wollen. In Zukunft soll dies mittels<br />

geeigneter Algorithmen und neuer Sensoren in der Zukunft möglich sein. 206<br />

Somit ist nochmals zu unterstreichen, dass physiologische Informationen über Emotionen, die objek-<br />

tiv sind, für sich eine viel höhere Akzeptanz und Aussagekraft beanspruchen als dies bei selbstberich-<br />

teten, subjektiven Gefühlen der Fall ist. 207 Auch ist festzuhalten, dass die größte Herausforderung das<br />

Herausstellen der praktikabelsten Messmethode der physiologischen Körperreaktionen ist. Folgende<br />

Messparameter und Instrumente sollen über diese Fragestellung Aufschluss geben.<br />

204 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />

analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017,<br />

S.8.<br />

205 Vgl. Wilhelm, Frank; Grossman, Paul (2010): Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study design, and<br />

analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.01.017, S.<br />

8f.<br />

206 Vgl. Ebenda, S. 10.<br />

207 Vgl. Picard, Rosalind (2010): Affective Computing: From Laughter to IEEE, in: IEEE Transactions on Affective Computing,<br />

Vol. 1, No. 1, S. 11.<br />

74


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

4.4 Messparameter und -Methoden physiologischer Zustände und Stress<br />

Die häufigsten Messmethoden physiologische Zustände zu überwachen sind nicht-invasiv; sprich sie<br />

werden nicht im Körperinneren angewandt, sondern sind von außen messbar. Diese nicht-invasiven<br />

Messmethoden basieren auf elektrischen Signalen, welche durch das Gehirn, das Herz, der Muskeln<br />

und der Haut produziert werden. Darunter fallen beispielsweise das Elektromyogramm (EMG), wel-<br />

ches die Muskelaktivität misst oder die elektrodermale Aktivität der Haut (EDA), welche die elektri-<br />

sche Leitfähigkeit der Haut als eine Funktion der Schweißdrüse auf der Haut misst. 208 Genauer wird<br />

die Schweißproduktion durch die Aktivierung des sympathischen (als Teilkomponente des ANS) indu-<br />

ziert. Die Hautleitfähigkeit gilt damit als ein sensitiver Anzeiger für emotionale Erregung, gleich ob<br />

diese als positiv oder negativ wertbar ist. 209<br />

Als weitere Messungen gelten das Elektrokardiogramm (EKG oder ECG), dass die Herzaktivität fest-<br />

stellt, die Elektrookulogramm (EOG) zur Messung der Augenbewegung sowie die<br />

Elektroencephalographie (EEG) zur Beschreibung der Gehirnaktivität. 210 Zudem ist die Messung der<br />

Veränderung der Finger- und Hauttemperatur ein Messindikator physiologischer Zustände. Die Mes-<br />

sung der Temperaturveränderung zählt zu den kardiovaskulären Messmethoden. 211<br />

Integriert in eine Vielzahl von empirischen Studien zur physiologischen, peripheren Messung von<br />

negativen und positiven Emotionen wurde beispielsweise festgestellt, dass die Hautleitfähigkeit bei<br />

Ärger und Angst einen deutlichen Anstieg verzeichnet und die Hauttemperatur hierbei sich nach un-<br />

ten verschiebt (siehe Anhang V, Emotionstabelle). 212 Somit kann das Phänomen des kalten Angst-<br />

schweißes erklärt werden. Als elementares Konstrukt aus Ärger und Angst, zur Feststellung von Bar-<br />

rieren im innerstädtischen Lebensraum, wird an dieser Stelle der Begriff ‚Stress‘ eingeführt. Stress gilt<br />

nicht als grundlegender Definitionsbegriff einer negativen Emotion, ist aber aus dem Zusammenhang<br />

von Ärger und Angst abzuleiten. 213 Physische Barrieren lösen mentalen Stress aus (siehe Kapitel<br />

2.1.3.2 Ergänzungen der Barrieredefinition durch mentale Belastung und Stress) und haben somit den<br />

Anspruch reduziert zu werden. Es bietet sich also an die elektrodermale Aktivität der Haut als ersten<br />

Indikator für Erregung aufzunehmen und diesen mit der Messung der Hauttemperatur zu unterbau-<br />

en.<br />

208<br />

Vgl. Calvo, Rafael; D’Mello, Sydney (2010): Affect detection: An Interdisciplinary Review of Models, Methods, and Their<br />

Applications, in: IEEE Transactions on Affective Computing, Vol. 1, No. 1, S.25.<br />

209<br />

Vgl. Picard, Rosalind (2010): Affective Computing: From Laughter to IEEE, in: IEEE Transactions on Affective Computing,<br />

Vol. 1, No. 1, S.11.<br />

210<br />

Vgl. Calvo, Rafael; D’Mello, Sydney (2010): Affect detection: An Interdisciplinary Review of Models, Methods, and Their<br />

Applications, in: IEEE Transactions on Affective Computing, Vol. 1, No. 1, S.25.<br />

211<br />

Vgl. Kreibig, Sylvia (2010): Autonomic nervous system activity in emotion: A review, in: Biological Psychology, doi:<br />

10.1016/j.biopsycho.2010.03.010, S.8.<br />

212 Vgl. Ebenda.<br />

213 Papastefanou, Georgios (2010): Expertengespräch im August 2010.<br />

75


Grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung Kapitel 4<br />

4.5 Zwischenfazit: Methodenfindung zur Identifikation stadträumlicher<br />

Barrieren auf Grundlage der Emotionsforschung<br />

Da die Methoden zur Messung der subjektiven Lebensqualität nicht zu einem befriedigendem Ergeb-<br />

nis geführt haben, wurden grundlegende Konzepte und Instrumente der Emotionsforschung zu Rate<br />

gezogen. In einem ersten Schritt ergab sich die Notwendigkeit den Begriff der Emotion zu definieren,<br />

um daraufhin die das Zusammenspiel der einzelnen Emotionskomponenten (Aktivitätstendenzen,<br />

motorischer Ausdruck, subjektives Befinden und autonome Physiologie) näher zu betrachten. Die<br />

Emotion, einschließlich ihrer Komponenten mussten als Ganzes verstanden werden, um den mögli-<br />

chen Bereich einer objektiven und validen Messmethode einzugrenzen. Die Messmethode muss da-<br />

bei die zuvor definierten Anforderungen erfüllen:<br />

Aufnahme der affektiven Moment-zu-Moment-Emotionen und Erfahrungen in Echtzeit und<br />

zu jedem Zeitpunkt muss gewährleistet sein, um bestimmte Barrieren identifizieren zu kön-<br />

nen.<br />

Von der Messung störungsfreie Entfaltung des Betroffenen in seiner Umwelt muss gewähr-<br />

leistet sein.<br />

Die Suche begann als wiederum bei den klassischen Messinstrumenten der Emotionsforschung. Die-<br />

se sind unter dem Überbegriff ‚Ambulatorisches Assessment‘ zusammengefasst. Die Instrumente<br />

wurden hauptsächlich im ambulatorischen Bereich zur Feststellung des Gesundheitsgrades und des<br />

Wohlbefindens eingesetzt. Die ‚experience sampling Methode‘ kannte bereits die subjektive Lebens-<br />

qualitätsforschung und wurde dort im Kontext der Arbeit als nicht-geeignet erachtet. Das ‚Behaviour<br />

recording‘ dagegen liefert bereits technische Möglichkeiten, um affektive Moment-zu-Moment-<br />

Emotionen zu identifizieren. Diese Instrumente wie unauffällige Brillenkameras, Videoaufnahmen<br />

des Probanden oder auch Stimmenaufnahmen, lassen jedoch noch keine hundertprozentige Aussage<br />

treffen, wie der Proband sich in diesem Moment innerlich füllt. Es werden vielmehr emotionale Aus-<br />

drücke erkennbar, die auf ein bestimmtes Empfinden schließlich lassen. Zudem ist der hohe techni-<br />

sche Aufwand im Kontext behinderter und mobilitätseingeschränkter Menschen selten praktikabel.<br />

Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen können diese technischen Hilfsmittel den Probanden wei-<br />

ter in seiner Bewegungsfreiheit einschränken oder störend wirken. Insbesondere behinderte Men-<br />

schen weisen auch hohe Sensibilität auf zusätzliche Belastungen auf. Ein weiterer Grund findet sich in<br />

der Verwertbarkeit des Video-, Bild- oder Stimmenmaterials. Die Behinderung eines Menschen geht<br />

nicht selten mit einer geistigen Behinderung einher. Durch die geistige Behinderung kann die Erken-<br />

nung von Gesicht- oder Stimmenausdrücken verfälscht oder gar nicht vorhanden sein.<br />

Somit bleibt das psychophysiologische Monitoring als nunmehr letztmögliche Messmethode übrig. In<br />

diesem Bereich wird durch die Messung der autonomen Physiologie des Organismus auf Emotionen<br />

geschlossen. Das psychophysiologische Monitoring stellt sich als die beste Methode heraus, unauffäl-<br />

lig affektive Moment-zu-Moment-Emotionen aufzuzeichnen. Dies unterstreicht auch die intensive<br />

76


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Forschung in diesem Themenfeld. 214 Dabei werden verschieden physiologische Körperreaktionen<br />

über eine bestimmte Zeit gemessen. Dies erfolgt beispielsweise durch die Messung der elektroder-<br />

malen Aktivität (EDA) oder der Hauttemperaturveränderung. Die Forschung liefert vor allem durch<br />

einen Erfahrungswert von Jahrzehnten und geeignete unauffällige Messinstrumente, welche bequem<br />

am Handgelenk getragen werden können, besonders objektive und valide Daten. Für die Messung<br />

stadträumlicher Barrieren ist es in diesem Zusammenhang besonders wichtig die mentale Belastung,<br />

also Stress, durch physiologische Indikatoren aufzuzeigen. Stress wird aus dem Konstrukt aus Ärger<br />

und Angst verstanden. Daher ist es logisch bei Auftreffen auf eine Barriere im innerstädtischen Raum<br />

aus Probandensicht von Stress zu sprechen. Ein weiterer Vorteil des psychophysiologischen Monito-<br />

rings ist es, dass kein Beobachter unmittelbar anwesend sein muss, sondern die Daten aus dem je-<br />

weiligen technischen Gerät nach Durchführung der Studie oder des Experimentes entnommen wer-<br />

den können. Dies empfiehlt das psychophysiologische Monitoring in sehr großem Maße für die An-<br />

wendung in der realen Welt und in Echtzeit.<br />

In der Konsequenz werden alle gestellten Anforderungen an die optimale Messmethode <strong>zum</strong> subjek-<br />

tiven Wohlbefinden erfüllt. Somit stellt sich das psychophysiologische Monitoring als Methode des<br />

ambulatorischen Assessments und damit der Emotionsforschung als geeignetes Instrument zur Mes-<br />

sung stadträumlicher Barrieren aus subjektiver Sicht der Betroffenen dar.<br />

214 Vgl. Kreibig, Sylvia (2010): Autonomic nervous system activity in emotion: A review, in: Biological Psychology, doi:<br />

10.1016/j.biopsycho.2010.03.010, S. 18-23.<br />

77


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Kapitel 5<br />

EmBaGIS<br />

Emotionales Barriere-GIS als ein<br />

neues Instrument zur Identifikation<br />

innerstädtischer Barrieren<br />

5.1. Rückschau auf bisherige Studien zur emotionalen Kartierung Seite 78<br />

5.2 EmBaGIS – mehr als nur eine Methode Seite 89<br />

5.3 Methodischer Aufbau zur Anwendung des EmBaGIS Seite 90<br />

5.4 Anforderungen an die Methodik <strong>zum</strong> EmBaGIS in Diskussion <strong>zum</strong><br />

methodischen Aufbau Seite 96<br />

5.5 Die Bedeutung von EmBaGIS für stadträumliche Planungsprozesse zur<br />

barrierefreien Stadt Seite 107<br />

5.6 Zwischenfazit Seite 109


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

Kapitel 5 – „Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instru-<br />

ment zur Identifikation und Optimierung stadträumlicher Barrieren<br />

Ein hohes subjektives Lebensqualitätsempfinden für mobilitätseingeschränkte und behinderte Men-<br />

schen im innerstädtischen Lebensraum setzt insbesondere eine Gewährleistung einer hohen Barrie-<br />

refreiheit in der Stadt voraus. Diese Barrierefreiheit als Bottom-Up-Ansatz zu erfassen und zu bewer-<br />

ten hat in der Vergangenheit nur mit selbst-berichteten und retrospektiven Umfrageinstrumenten<br />

stattgefunden. Die Nachteile dieser Methodiken wurden in den abgehandelten Kapiteln zur subjekti-<br />

ven Lebensqualitätsforschung und Emotionsforschung bereits intensiv diskutiert. Gemäß der Zielset-<br />

zung der Arbeit müssen der Stadtplanung valide und objektive Daten zur Bestimmung von innerstäd-<br />

tischen Barrieren zur Verfügung gestellt werden, um damit ein transparentes und nachvollziehbares<br />

Maß einer Bewertung innerstädtischer Räume festzulegen. Aus subjektiven, personenbezogenen<br />

Daten, objektive und gleichermaßen valide Daten in Form der Messmethode des psychophysiologi-<br />

schen Monitorings zu generieren, stellt eine komplett neue Herangehensweise für die Stadtplanung<br />

dar. Diese Herangehensweise ist nicht nur mit einem großen Potenzial hinsichtlich der Ergebnisorien-<br />

tierung behaftet, sondern bietet auch die Opportunität eine konzentrierte Beteiligung betroffener<br />

Menschen zu schaffen.<br />

Die bisher gewonnenen Erkenntnisse aus allen abgehandelten Wissenschaftsbereichen ermöglichen<br />

es nun ein weitgreifendes, neues Instrument zur Identifikation stadträumlicher Barrieren zu initiie-<br />

ren. Das hieraus resultierende ‚Emotionale Barriere-GIS‘, kurz EmBaGIS, erfährt im Verlauf dieses<br />

Kapitels eine umgreifend fundierte Basis.<br />

Des Weiteren gilt es den Einsatz des neuen Instrumentes in informellen Planungsprozessen zu disku-<br />

tieren. Zudem stellt sich die Frage, welche Chancen dieses innovative Messinstrument in einer integ-<br />

rativen Stadtentwicklung der Zukunft bieten kann.<br />

Zunächst werden jedoch bisherige Studien zur sogenannten ‚emotionalen Stadtkartierung‘ unter-<br />

sucht, welche das psychophysiologische Monitoring bereits in einem stadtplanerischen Kontext zur<br />

Anwendung gebracht haben. Hieraus sollen weitere wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung des<br />

EmBaGIS gewonnen werden.<br />

5.1 Rückschau auf bisherige Studien zur emotionalen Stadtkartierung<br />

Das psychophysiologische Monitoring hat sich in den letzten Jahren immer weiter auch in stadtplane-<br />

rischen Fragestellungen etabliert. Als erster Anwendungsfall dieses Novums gilt das ‚Bio Mapping‘<br />

nach Christian Nold, der das psychophysiologische Monitoring als partizipativen Bottom-Up-Ansatz<br />

zur Verbesserung des Gemeinschaftsgedankens und der eigenen Identifikation mit dem eigenen<br />

78


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Wohnumfeld einsetzt. Zudem möchte Christian Nold durch die erhaltenen Ergebnisse für eine näh-<br />

rende politische Diskussion sorgen.<br />

Aus der Motivation des ‚Bio Mapping‘ heraus hat sich das ‚Emotional Mapping‘ gebildet. Das ‚Emoti-<br />

onal Mapping‘ untersucht konkrete stadtplanerische Fragestellungen mit dem Ziel neue Denkweisen<br />

für stadtplanerische Planungsprozesse zu initiieren. Auch die hieraus gewonnenen Erkenntnisse fü-<br />

gen sich nahtlos in die darauffolgende Instrumentenentwicklung des EmBaGIS ein.<br />

5.1.1 Bio Mapping nach Nold<br />

Christian Nold gilt als Künstler, Designer und Pädagoge und entwickelt in seiner umgreifenden fachli-<br />

chen Kompetenz neue partizipative Modelle für kommunale Selbst- und Außendarstellungen. Der<br />

Kern seiner Forschung liegt dabei auf die Schaffung partizipativer Kartierungen vor dem Hintergrund<br />

politischer Akzeptanz und Meinungsbildung. Insbesondere sein Projekt des ‚Bio Mapping‘ hat für<br />

einen enormen, internationalen Bekanntheitsgrad geführt. So hat er dieses Projekt in 16 Ländern und<br />

mit über 1500 Beteiligten etabliert. Beispiele hierfür sind das ‚San Francisco Emotion Map‘ 215 , das<br />

‚Greenwich Emotion Map‘ 216 oder das ‚East Paris Emotion Map‘ 217 . Diese partizipative Projekte haben<br />

eine strake pädagogische Basis, welche sich aus Nolds universitären Tätigkeiten begründet. 218 So<br />

widmet er seine Forschungen der Entwicklung technischer Tools im Bereich der sozialen, politischen<br />

und umweltbezogener Innovation. Dabei möchte er die Lücke zwischen der Anwendung technologi-<br />

scher Hilfsmittel zur Feststellung der individuellen Wahrnehmung im Zusammenspiel mit gebauter,<br />

sozialer sowie politischer Umwelt schließen. Den Synergieeffekt zwischen dem Themenbereich der<br />

Kunst und des Design sowie der politischen Entscheidungsträger ist hierbei als primäres Ziel ent-<br />

scheidend. So treibt er den technischen Fortschritt durch die Entwicklung technischer Tools als sozial-<br />

konstruktive, Bottom-Up-Instrumente konzentriert voran. 219 Der thematische Hintergrund ist durch<br />

die Formulierung folgender forschungsleitenden Frage abgebildet:<br />

79<br />

Wie wird sich unsere Wahrnehmung einer Gemeinschaft oder einer Umwelt verändern, wenn wir<br />

uns unseren und anderer intimer, emotionaler Körperzustände bewusst werden? 220<br />

Das ‚Bio Mapping‘-Forschungsprojekt untersucht neue Wege wie <strong>zum</strong> einem, Individuen physiologi-<br />

sche Informationen über ihr Körper verarbeiten können und <strong>zum</strong> anderen, wie diese Informationen<br />

für politische Entscheidungsträger von Relevanz sind. Individuen sind damit befähigt in einem<br />

Bottom-Up-Ansatz ihre eigenen Biodaten selektiert an Behörden und Planungsinstanzen weiterzulei-<br />

215<br />

Vgl. Internetauftritt der San Francisco Emotion Map, aufgerufen unter: http://www.sf.biomapping.net/, abgerufen am<br />

216<br />

Vgl. Internetauftritt der Greenwich Emotion Map, aufgerufen unter: http://www.emotionmap.net/, abgerufen am<br />

14.09.2010.<br />

217<br />

Vgl. Internetauftritt der East Paris Emotion Map, aufgerufen unter: http://paris.emotionmap.net/ abgerufen am<br />

14.09.2010<br />

218 Vgl. Internetauftritt Christian Nolds, aufgerufen unter: http://www.softhook.com/resume.htm, abgerufen am<br />

14.09.2010.<br />

219 Vgl. Internetauftritt Christian Nolds, aufgerufen unter: http://www.softhook.com/about.htm, abgerufen am 14.09.2010.<br />

220 Vgl. Hope, Sophie (2009): Socially Engaged Art – The Conscience of Urban Development, in: Nold, Christian (Editor):<br />

Emotional Cartography – Technologies of the Self, London, United Kingdom, S. 75. E-Book:<br />

http://emotionalcartography.net/EmotionalCartography.pdf.


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

ten. Das ‚Bio Mapping’-Tool ermöglicht es dem Träger seine sogenannte galvanischen Hautreaktio-<br />

nen (Galvanic Skin Response GSR) aufzuzeichnen. Die Bewertung dieser galvanischen Hautreaktion ist<br />

ein einfacher Indikator für den Erregungszustand des Individuums. In der Fachliteratur kommt der<br />

galvanischen Hautreaktion die elektrodermale Aktivität gleich (siehe Kapitel 4.3.3. und 4.4.).<br />

Abbildung 12: Hautsensor (links) und Hautsensor und GPS-Logger (rechts). Quelle: (links) Internetauftritt des Bio Mapping,<br />

aufgerufen unter: http://www.biomapping.net/technical.htm, abgerufen am 14.09.2010. (rechts) Nold, Christian (2009):<br />

Emotional Cartography – Technologies of the Self, United Kingdom, S.2. E-Book:<br />

http://emotionalcartography.net/EmotionalCartography.pdf.<br />

Zudem kommen in den Forschungsstudien GPS-Logger <strong>zum</strong> Einsatz, welche es ermöglichen die ge-<br />

messenen Erregungszustände kartographisch zu verorten (siehe Abbildung 13). Die entstehenden<br />

Karten können so aggregiert werden, dass bestimmte Erregungspunkte über eine Anzahl mehrerer<br />

Messpersonen identifiziert werden können. Nold spricht dabei von einer Visualisierung von Orten,<br />

welche Stress oder Aufregung indizieren. 221 Jede Karte ist in diesem Sinne eine persönliche Aufzeich-<br />

nung einer emotionalen und gleichermaßen physischen Reise. 222 Ein weiteres Ziel des ‚Bio Mapping’<br />

ist es, die emotionalen Zustände einer bestimmten Bevölkerung innerhalb eines bestimmten Distrikts<br />

aufzuzeichnen. Es werden also Vor-Ort-Betroffene physiologisch gemessen. 223 Das ‚Bio Mapping‘<br />

lässt sich somit als Community-Projekt charakterisieren, welches die physiologischen Erregungszu-<br />

stände einzelner Individuen aufzeichnet, kartographisch verortet und diese in Einzel- oder aggregier-<br />

ten Profilen darstellt. Die kartographische Visualisierung wird dann unter dem Begriff ‚Emotion Map‘<br />

verstanden. Die Spitzen in der Visualisierung der Probandenroute beschreiben dabei Erregungsspit-<br />

zen, welche mit einer textlichen Information unterlegt sind.<br />

221 Vgl. Internetauftritt Christian Nolds, aufgerufen unter: http://www.softhook.com/bio.htm, abgerufen am 14.09.2010.<br />

222 Vgl. Davis, Stephen B. (2009): Mapping Unseen – Making Sense of the Subjective Image, in: Nold, Christian (Editor):<br />

Emotional Cartography – Technologies of the Self, London, United Kingdom, S. 47. E-Book:<br />

http://emotionalcartography.net/EmotionalCartography.pdf.<br />

223 Vgl. Internetauftritt Christian Nolds, aufgerufen unter: http://www.softhook.com/bio.htm, abgerufen am 14.09.2010.<br />

80


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Abbildung 13: Visualisierung biometrischer Daten (GSR) im Beispiel Greenwich Emotion Map. Quelle: Internetauftritt Chris-<br />

tian Nolds, aufgerufen unter: http://www.softhook.com/emot.htm, abgerufen am 14.09.2010.<br />

Der idealisierte Ablauf einer solchen Studie beschreibt zunächst die Ausstattung von Probanden mit<br />

dem Hautsensor und dem GPS-Logger (siehe Abbildung 12). Daraufhin werden die Probanden auf<br />

eine beliebige Route durch den zu untersuchenden Distrikt geschickt. Nach diesen Rundgängen wer-<br />

den die Daten ausgewertet und mit Hilfe von Google Earth oder auf georeferenzierten Karten visuali-<br />

siert (siehe Abbildung 13). Dabei erfolgt ein ‚Anfüttern‘ des kartographischen Materials mit Zusatzin-<br />

formation zu individuellen Örtlichkeiten. 224<br />

Das Instrument des ‚Bio Mapping‘ versteht sich somit als Spiegelung des allgemein bekannten Lü-<br />

gendetektors. Der Körper sagt immer die Wahrheit, wobei der Mensch mit dem gesprochen Wort<br />

Lügen kann. Durch die Aufzeichnung der körpereigenen Biosignale soll diese Wahrheit hervorge-<br />

bracht und auf stadträumliche Wahrnehmungsfragen angewandt werden. Das ‚Bio Mapping‘ zielt<br />

desweiteren darauf ab, dass die Menschen sich selbst mit ihren Erfahrungen und Emotionen ausei-<br />

nandersetzen und diese in die öffentliche Diskussion mit einbringen. Dadurch wird eine neue Art von<br />

Wissen generiert, welches objektive biometrische Daten sowie georeferenzierte Verortung zusam-<br />

menführt und zu einer neuartigen Psychogeographie führt. 225<br />

Christian Nold prägt damit den international bekannten Begriff des ‚Emotional Mapping‘ und gilt mit<br />

seinem Forschungsansatz, welcher physiologische und georeferenzierte Daten in einem logischen<br />

Kontext zusammenführt, als der Vorreiter in diesem bi-thematischen Feld der Forschung.<br />

5.1.2 Emotional Mapping<br />

Aus dem beschriebenen Ansatz des ‚Bio Mapping‘ von Nold haben sich eine Reihe weiterer Projekte<br />

und Studien ergeben, welche unter dem Begriff des ‚Emotional Mappings‘ zusammengefasst werden<br />

224<br />

Vgl. Internetauftritt der San Francisco Emotion Map, aufgerufen unter: http://www.sf.biomapping.net/background.htm,<br />

abgerufen am 14.09.2010.<br />

225<br />

Nold, Christian (2009): Emotional Cartography – Technologies of the Self, London, United Kingdom, S. 5. E-Book:<br />

http://emotionalcartography.net/EmotionalCartography.pdf.<br />

81


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

können. Diese Studien finden ihren Fokus in einer möglichen Verwendbarkeit der gewonnenen Er-<br />

kenntnisse für Planungsprozesse innerhalb der Stadtplanung. An dieser Stelle werden die Projekte<br />

‚Ein emotionales Kiezportrait“ und „Emomap Mannheim – ein emotionales Stadtporträt“ als Initial-<br />

zündung der Forschung zur emotionalen Stadtkartierung behandelt.<br />

„Ein emotionales Kiezportrait“ Berlin<br />

Im Gegensatz <strong>zum</strong> bisher vorgestellten ‚Bio Mapping‘ von Nold, welches eher ein künstlicher Hinter-<br />

grund begleitet, geht das hier dargelegte Projekt noch einen Schritt weiter. Die emotionale Datener-<br />

hebung und deren Verortung werden weiterführend in einen stadtplanerischen Kontext gebracht. 226<br />

„Explorativ versucht das Projekt, Gefühle und Emotionen der Bewohner zu messen, diese kartogra-<br />

fisch festzuhalten und zu visualisieren.“ 227<br />

Das emotionale Kiezportrait verfolgt als Ziel die Exploration der individuellen und in Echtzeit gesam-<br />

melten Erfahrungen eines Menschen. Die bekannten Schlagworte des ‚Fühlens‘ und der damit ver-<br />

bundenen ‚Physiologie‘ des Individuums bekommen einen hohen Stellenwert zugerechnet. Somit<br />

basiert die Studie ebenfalls auf Erkenntnissen der subjektiven Lebensqualitäts- und Emotionsfor-<br />

schung. „Zudem gilt es darzustellen, welche Aussage in Hinblick auf Stadtstruktur und Stadtgestalt<br />

die planende Disziplin jenseits der traditionellen Planungstechniken und -Methoden für eine qualita-<br />

tive, bürgernahe Bottom-Up Planung im formellen als auch informellen Planungsprozess heranziehen<br />

kann.“ 228<br />

Das emotionale Kiezportrait setzt verstärkt auf den Einsatz moderner Computer-Technologien zur<br />

Erfassung und Darstellung des emotionalen Befindens des Menschen. Zur Aufnahme der physiologi-<br />

schen Körperfunktionen wird das sogenannte ‚Smartband‘ eingesetzt, welches unauffällig am Hand-<br />

gelenk getragen werden kann und in seiner Funktion affektive Körperreaktionen von Moment zu<br />

Moment (1Sek.) aufzeichnet. Zu den genannten physiologischen Körperreaktionen gehören neben<br />

der elektrodermalen Aktivität auch der Puls und die Hauttemperatur. 229 Das bedeutende Maß für die<br />

vorliegende Studie ist die elektrodermale Aktivität als Indikator für die Erregung des Probanden. „Das<br />

Smartband ist eine neue, amtlich geschützte Erfindung, bei der Mikroprozessor und Sensoren unauf-<br />

fällig in einem bequem zu tragenden Armband eingearbeitet sind.“ 230 Dem Smartband beigefügt wird<br />

jeder Proband mit einem GPS-Logger ausgerüstet, welcher ebenfalls jede Sekunde die räumlichen<br />

Positionskoordinaten mit einer Genauigkeit von unter drei Metern aufzeichnet. Zusätzlich verfügt der<br />

GPS-Logger über eine Markierungsfunktion mittels eines Buttons (Markierung von ‚Highlights‘). Hier-<br />

durch können bestimmte Örtlichkeiten gesondert markiert werden. Letztendlich werden die gewon-<br />

226<br />

Vgl. Höffken, Stefan; Papastefanou, Georgios; Zeile, Peter (2008): Google Earth, GPS, Geotagging und neue Möglichkeiten<br />

für die Stadtplanung - Ein emotionales Kiezportrait, in: realcorp Tagungsband 2008, S. 279. E-Paper:<br />

http://www.corp.at/corp_relaunch/papers_txt_suche/CORP2008_64.pdf.<br />

227<br />

Ebenda.<br />

228<br />

Ebenda.<br />

229<br />

Papastefanou, Georgios (2010): Expertengespräch im August 2010.<br />

230<br />

Höffken, Stefan; Papastefanou, Georgios; Zeile, Peter (2008): Google Earth, GPS, Geotagging und neue Möglichkeiten für<br />

die Stadtplanung - Ein emotionales Kiezportrait, in: realcorp Tagungsband 2008, S. 279. E-Paper:<br />

http://www.corp.at/corp_relaunch/papers_txt_suche/CORP2008_64.pdf.<br />

82


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

nen Daten nach deren Auswertung und Zusammenführung mit Hilfe des Opensource-Tools Google<br />

Earth kartographisch visualisiert. 231<br />

Abbildung 14: Bewegungstracks zweier Probanden. Quelle: Höffken, Stefan; Papastefanou, Georgios; Zeile, Peter (2008):<br />

Google Earth, GPS, Geotagging und neue Möglichkeiten für die Stadtplanung - Ein emotionales Kiezportrait, in: realcorp<br />

Tagungsband 2008, S. 280. E-Paper: http://www.corp.at/corp_relaunch/papers_txt_suche/CORP2008_64.pdf.<br />

Die Durchführung der Studie umfasst zehn Bewohner des Kiezes, „die sich in einem festgelegten Ge-<br />

biet (z. B. einem Quartiersmanagement-Gebiet) eine Stunde frei (d. h. ohne Vorgaben, welche Orte<br />

sie aufzusuchen haben) bewegen können [(siehe Abbildung 14)+.“ 232 Zur Absolvierung der Aufgabe<br />

werden sie mit Smartband und GPS-Logger ausgerüstet.<br />

Zur weiteren Validierung der gewonnenen Messdaten durch das Smartband werden im Laufe der<br />

Spaziergänge die für die Probanden wichtigsten Punkte mit dem GPS-Logger markiert. Zusätzlich<br />

besteht die Möglichkeit Fotos von diesen wichtigen Punkten zu machen. In einem anschließenden<br />

Interview werden die Probanden hinsichtlich ihrer Wahl der ‚Highlights‘ befragt.<br />

Als Ergebnis der Studie „wird eine Ausstellung konzipiert, die einen Eindruck gibt, wie die Teilnehmer<br />

den Kiez sehen – das Kiezportrait. Dazu werden personenbezogene Plakate erstellt, die neben dem<br />

Foto der Personen, deren Routen, deren 10 Highlights sowie Zitate aus den Interviews beinhalten<br />

werden.“ 233 Eine weitere Möglichkeit der verwendeten Methode des ‚Emotional Mappings‘ besteht<br />

231 Vgl. Höffken, Stefan; Papastefanou, Georgios; Zeile, Peter (2008): Google Earth, GPS, Geotagging und neue Möglichkeiten<br />

für die Stadtplanung - Ein emotionales Kiezportrait, in: realcorp Tagungsband 2008, S. 279. E-Paper:<br />

http://www.corp.at/corp_relaunch/papers_txt_suche/CORP2008_64.pdf.<br />

232 Ebenda.<br />

233 Höffken, Stefan; Papastefanou, Georgios; Zeile, Peter (2008): Google Earth, GPS, Geotagging und neue Möglichkeiten für<br />

die Stadtplanung - Ein emotionales Kiezportrait, in: realcorp Tagungsband 2008, S. 280. E-Paper:<br />

http://www.corp.at/corp_relaunch/papers_txt_suche/CORP2008_64.pdf.<br />

83


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

darin, die Daten aller Probanden zu aggregieren und zu überlagern, um hierdurch Daten zu gewin-<br />

nen, welche eine bestimmte Masse an Personen repräsentieren. 234<br />

Das Projekt „Ein emotionales Kiezportrait“ nimmt den Gedanken Christian Nolds zur Etablierung die-<br />

ses neuen Kartographierens als Bottom-Up-Ansatz an und führt ihn hinsichtlich der Verwertbarkeit<br />

innerhalb von Planungsprozessen weiter aus. Mit Hilfe des ‚Emotional Mappings‘ kann eine neue Art<br />

der Beteiligung in informellen Planungsprozessen entstehen, welche in sich ein enorm großes Poten-<br />

zial aufweist. Zudem dient die Methode auch als Mittler zwischen dem eigenen Wohnumfeld und<br />

den damit verbundenen Erfahrungen. Das ‚Emotional Mapping‘ kann somit identitätsfördernd oder –<br />

mindert wirken. Zumindest wird eine emotionale Auseinandersetzung der Wohnbevölkerung mit<br />

ihrem Wohnumfeld erreicht. „Der Vergleich mit von Planern erkannten Missständen bzw. auf den<br />

Weg gebrachten Planungen einerseits und mit den realen Empfindungen des Bürgers vor Ort ande-<br />

rerseits, können neue Wege der Stadtplanung definieren.“ 235<br />

„Emomap Mannheim – ein emotionales Stadtporträt“<br />

Das Projekt ‚Emomap Mannheim‘ ist Rahmen des Studiums der Raum- und Umweltplanung an der<br />

TU <strong>Kaiserslautern</strong> entstanden. Es befasst sich, wie das ‚emotionale Kiezportrait‘, mit der Kartierung<br />

physiologischer Daten im städtischen Raum vor dem Hintergrund einer stadtplanerischen Verwend-<br />

barkeit. Damit wird auch der Richtung gefolgt, die Methode für die Anwendung als Bottom-Up-<br />

Ansatz zur georeferenzierten Lokalisierung der Gefühle/Emotionen von Menschen zu erproben. 236<br />

Das Projekt ‚Emomap Mannheim‘ hat die Erfassung und Visualisierung von Emotionen der jeweiligen<br />

Stadtraumnutzer <strong>zum</strong> Ziel. Daraus lässt sich ableiten „welche Aussage in Hinblick auf Stadtstruktur<br />

und Stadtgestalt die planende Disziplin jenseits der traditionellen Planungstechniken und -methoden<br />

für eine quantitative, bürgernahe Bottom-Up-Planung im formellen als auch informellen Planungs-<br />

prozess heranziehen kann.“ 237 Dabei kommen insbesondere neue Techniken wie das Geoinformati-<br />

onssystem Google Earth zur Visualisierung, GPS-Geräte zur Verortung von Emotionspunkten sowie<br />

Smartbänder zur Aufnahme physiologischer Biosignale <strong>zum</strong> Einsatz. Die Herangehensweise beruht<br />

auf dem ‚Bio Mapping‘ von Nold (siehe Kapitel 5.1.1) sowie der Methodik des ‚Mental Mapping‘.<br />

Zudem gelten das ‚Entwicklungskonzept Innenstadt Mannheim EKI.MA‘ und das Projekt ‚Wohlfühlen<br />

im öffentlichen Raum in der Innenstadt Mannheim‘ der TU Karlsruhe als rahmengebende Determi-<br />

nanten. 238<br />

234 Vgl. Ebenda, S.280.<br />

235 Ebenda, S. 281.<br />

236 Vgl. Internetauftritt des Lehrgebiet Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden CPE an der TU <strong>Kaiserslautern</strong>,<br />

aufgerufen unter: http://<strong>cpe</strong>.arubi.uni-kl.de/2008/03/27/ein-emotionales-stadtportrait-emomap-kleines-studienprojekt/,<br />

abgerufen am 15.09.2010.<br />

237 Internetauftritt des kleinen Studienprojekts ‚emomap Mannheim‘ Gruppe 1 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Computergestützte<br />

Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, aufgerufen unter: http://emomap-ma.blogspot.com/2008/05/kleinesstudienprojekt-emomap-einfhrung.html,<br />

abgerufen am 15.09.2010.<br />

238 Vgl. Internetauftritt des kleinen Studienprojekts ‚emomap Mannheim‘ Gruppe 2 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Computergestützte<br />

Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, aufgerufen unter: http://emomap-mannheim.blogspot.com/, abgerufen<br />

am 15.09.2010.<br />

84


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Der räumliche Umgriff der Untersuchung wird durch die Inhalte des EKI.MA abgegrenzt. Dabei wurde<br />

insbesondere auf die Spannungsfelder ‚Boulevard‘, ‚Integration‘, ‚Perspektive‘, ‚Rhein‘, ‚Metropole‘<br />

und ‚KulturQuadrate‘ eingegangen. Diese räumliche Abgrenzung wird vor dem Hintergrund der Ver-<br />

gleichbarkeit der Messergebnisse des ‚Emomap Mannheim‘ mit dem bereits bestehenden Projekte<br />

EKI.MA bestimmt. Der Ansatz ist notwendig, da das ‚Emotional Mapping‘ im Rahmen dieser Untersu-<br />

chung noch in der Erprobung stand. Zusätzlich wird das Projekt der TU Karlsruhe als weiterer Bewer-<br />

tungsmaßstab als Vergleichsbasis herangezogen.<br />

In einem Feldversuch haben sich Studierende der TU <strong>Kaiserslautern</strong> auf Spaziergänge durch be-<br />

stimmte Quartiere in die Innenstadt von Mannheim begeben. Dabei wird durch das Tragen des<br />

Smartbandes durch Veränderung der elektrodermalen Aktivität auf räumlich begrenzte Emotionen<br />

geschlossen, welche mit dem jeweiligen Umfeld in Zusammenhang stehen (siehe Abbildung 15). Zur<br />

Verortung dieser Erregungspunkte findet ebenfalls ein GPS-Logger seine Anwendung. Mit dem Pro-<br />

jekt ‚Emomap Mannheim‘ wird erprobt, „ob und wie sich emotionale Regungen von Menschen im<br />

Stadtraum messen lassen.“ 239 Maßgebliche Größe ist hierbei der Begriff ‚Stress‘, welcher aus den<br />

physiologischen Daten ausgelesen wird. 240 Zudem können auch in diesem Projekt einzelne besondere<br />

Erregungspunkte gemarkert werden, wie dies in Abbildung 15 ersichtlich ist.<br />

Abbildung 15: Hautwiderstandswerte eines Probanden. Quelle: Internetauftritt des Lehrgebiet Computergestützte Pla-<br />

nungs- und Entwurfsmethoden CPE an der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, aufgerufen unter: http://<strong>cpe</strong>.arubi.uni-kl.de/wp-<br />

content/uploads/2008/05/mannem.jpg, abgerufen am 15.09.2010.<br />

Als Ergebnis wird festgestellt, dass „sich aus der Analyse mehrere Abhängigkeiten zwischen räumli-<br />

chen Situationen und dem Hautwiderstand [(Widerstandsgröße der elektrodermale Aktivität)] her-<br />

aus[kristallisieren], auch wenn eine vollkommen klare Abgrenzung zwischen Stress- und<br />

239 Internetauftritt des Netzwerkes für urbane Kultur e.V. urbanophil, aufgerufen unter:<br />

http://www.urbanophil.net/index.php/digitale-kultur/emotionen-und-google-earth/, abgerufen am 15.09.2010.<br />

240 Vgl. Internetauftritt des kleinen Studienprojekts ‚emomap Mannheim‘ Gruppe 2 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Computergestützte<br />

Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, aufgerufen unter: http://emomap-mannheim.blogspot.com/, abgerufen<br />

am 15.09.2010.<br />

85


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

Wohlfühlbereichen nicht möglich war [(siehe Abbildung 16)]. Maßgebliche Zusammenhänge ergaben<br />

sich vor allem zwischen Lärmemissionen und Stress bzw. im Gegensatz dazu zwischen Freiräumen<br />

und Erholung.“ 241<br />

Abbildung 16: Stress- (rot) und Wohlfühlbereiche (grün) in der Mannheimer Innenstadt. Quelle: Studienprojekt ‚emomap<br />

Mannheim‘ Gruppe 3 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden CPE.<br />

5.1.3 Zentrale Erkenntnisse bisheriger Studien<br />

Das ‚Bio Mapping‘ von Nold sowie das ‚Emotional Mapping‘ sind erste Studien zur Verfestigung einer<br />

raumbezogenen, emotionalen Stadtkartierung. Diesbezüglich entstand der Ansatz von Nold zunächst<br />

aus einer künstlerischen und pädagogischen Motivation heraus, wohingegen nehmen sich nachfol-<br />

gende ‚Emotional Mapping‘-Studien dem stadtplanerischen Bezug der emotionalen Datenaufnahme<br />

in Verbindung mit einer adäquaten Visualisierung annehmen. Der Gedanke der Verfestigung eines<br />

Bottom-Up-Ansatzes als partizipatives Element zur Verbesserung der Identitätsschaffung und Ver-<br />

mittlung relevanter Gefühlszustände der jeweiligen Bewohner soll in beiden Fällen erfüllt werden.<br />

Somit wird ein erster und gleichsam neuer Schritt in der Analysemöglichkeit subjektiver Lebensquali-<br />

tät von Betroffenen beschritten, welcher insbesondere die Stadtplanung und deren Planungsprozes-<br />

se entscheidend verändern kann.<br />

Die durchgeführten Studien <strong>zum</strong> Thema ‚Bio Mapping‘ sowie ‚Emotional Mapping‘ stellen erste Ver-<br />

suche der Interpretation gesammelter Echtzeitdaten der autonomen Physiologie des Organismus<br />

ausgewählter Probanden (meist Bewohner des jeweiligen Untersuchungsraumes) dar. Eine gleichsa-<br />

me Kritik offenbart die Interpretation dieser gewonnenen Daten in Verbindung mit den visualisierten<br />

Kartographien. Die Studien haben gezeigt, dass sich ein eindeutiger, emotionaler Zustand nicht auf<br />

eine bestimmte Örtlichkeit präzise rückführen lässt. Dies liegt <strong>zum</strong> einen an der Interpretation der<br />

241 Internetauftritt des kleinen Studienprojekts ‚emomap Mannheim‘ Gruppe 2 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Computergestützte<br />

Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, aufgerufen unter: http://emomap-mannheim.blogspot.com/, abgerufen<br />

am 15.09.2010.<br />

86


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

elektrodermalen Aktivität der untersuchten Probanden. Die elektrodermalen Aktivität ist Indikator<br />

für gleichwohl viele Emotionen (siehe Kapitel 4.4 Messparameter und –Methoden physiologischer<br />

Zustände und Stress i.V.m. Anhang V, Emotionstabelle) und ermöglichen es lediglich Erregungen an<br />

bestimmten Punkten zu identifizieren. Zum anderen liegen nur bedingt weitere Informationen zu<br />

diesen gemessenen Erregungspunkten vor, sofern sie nicht durch eine Vor-Ort-Notiz <strong>zum</strong> subjektiven<br />

Befinden oder einer nachfolgenden Evaluation erhoben werden. Die Nachteile einer zusätzlichen,<br />

gleichwohl emotionsbeeinflussenden Datenerhebung am Ort des Geschehens wurden bereits disku-<br />

tiert (siehe Kapitel 3.3.1.2 und 4.3.1 ‚experience sampling‘).<br />

„Es wurde deutlich, dass *ein+ subjektives Urteil – also die bewusste Bewertung eines Ortes bzw. ei-<br />

ner Situation – nicht zwangsläufig mit den autonomen physiologischen Reaktionen einhergehen<br />

muss. Die bewusst gesetzten subjektiven Urteile können damit nur eingeschränkt zur Interpretation<br />

der physiologischen Reaktionen herangezogen werden, womit weitere Methoden zur Interpretation<br />

(z.B. Videobeobachtung) entwickelt werden müssen. Gleichzeitig lässt sich aber vermuten, dass mit-<br />

tels der Methoden der emotionalen Stadtkartierung Orte und Situationen identifiziert werden kön-<br />

nen, die bei den Probanden unbewusste Reaktionen auslösen, ohne bewusst als besondere Momen-<br />

te wahrgenommen zu werden.“ 242<br />

Ein weiterer Kritikpunkt ist sicherlich durch den definierten, räumlichen Umgriff bestimmt. Um Indi-<br />

katoren für valide und objektive Daten zu generieren, müssen innerhalb dieses abgegrenzten Raumes<br />

vorher festgelegte Routen, welche die Probanden abzulaufen haben, vorgegeben werden. Hierdurch<br />

lässt sich über eine kritische Masse an Probanden auch auf bestimmte Örtlichkeiten zurückschließen,<br />

insofern sich an diesen Punkte eine hohe Prozentzahl der Erregungsspitzen überlagern oder, im Ge-<br />

genteil, nicht überlagern. Zudem sind einige Punkte in der methodischen Vorgehensweise der vorge-<br />

stellten Studien <strong>zum</strong>indest diskussionswürdig oder vielleicht auch nicht bedacht worden. Es ist<br />

nochmals besonders zu betonen, dass die emotionale Stadtkartierung noch in ihren Kinderschuhen<br />

steckt.<br />

So ist eine Beteiligung ortskundiger Probanden insofern in Frage zu stellen, dass diese bereits an ih-<br />

nen bekannten Orte innerhalb des jeweiligen Quartiers emotional geprägt sind. Somit sind bereits<br />

bestimmte Erfahrungen und damit auch Emotionen mit determinierten, bekannten Lokalitäten ver-<br />

bunden. Hierdurch ist eine valide und objektive Wertung der gewonnenen Messergebnisse <strong>zum</strong>in-<br />

dest in Frage zu stellen.<br />

Zudem wird, zu Recht, Kritik an der Wertung der elektrodermalen Aktivität (oder Hautwiderstand) als<br />

alleiniger Indikator für Stress geübt. Zur Erfassung von Erregungszuständen ist die elektrodermale<br />

Aktivität durchaus geeinigt, was eine Unmenge von wissenschaftlichen Studien bewiesen hat (siehe<br />

Anhang V, Emotionstabelle). Jedoch kann die Veränderung der elektrodermalen Aktivität viele ver-<br />

schiedene emotionale Empfindungen ausdrücken.<br />

242 Höffken, Stefan (2010): Biosensorik und emotionale Stadtkartierung - Die Erfassung physiologischer Daten im Stadtraum,<br />

in: Lingner, St.; Lutterbeck, B.; Pallas, Fr. (Hrsg.): Die Zukunft der Räume. Gesellschaftliche Fragen auf dem Weg zur Ambient<br />

Intelligence, Graue Reihe, Bd. 50. European Academy Neuenahr-Ahrweiler GmbH, unveröffentlichtes Dokument.<br />

87


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

„Zwar besteht eine Korrelation zwischen Hautwiderstand und Emotionalität, jedoch ist die Emotiona-<br />

lität ein komplexes Phänomen, das von vielerlei äußeren Einflüssen und inneren Gefühlen und Ge-<br />

danken beeinflusst wird. Der Hautwiderstand gibt Hinweise auf die Erregung des Menschen – welche<br />

Emotion hierfür der Auslöser war, ist aufgrund der Komplexität jedoch nicht ableitbar.“ 243<br />

Eine bisher eindeutige Mustererkennung im Verlaufsniveau der elektrodermalen Aktivität oder des<br />

Hautwiderstandes über die Zeit, ist eine Zukunftsaufgabe im Bereich der Emotionsforschung und der<br />

Biosensorik (siehe Kapitel 4.2.4, 4.3 und 4.4). Zur Ermittlung des emotionalen Konstrukts ‚Stress‘<br />

reicht somit die Analyse der elektrodermalen Aktivität bzw. des Hautwiderstandes nicht aus. Es wird<br />

daher empfohlen <strong>zum</strong>indest einen weiteren physiologischen Indikator zu Rate zu ziehen.<br />

„Mit genaueren Messverfahren, die mehr Daten einbeziehen, beispielsweise auch den Puls, die Ge-<br />

hirnströme (EEG) oder die Blickrichtung, ließen sich auch genauere Aufschlüsse über die Erlebnisbe-<br />

schaffenheit von Orten gewinnen, die beispielsweise für Architekten und Urbanisten, aber auch für<br />

Designer von virtuellen Räumen sehr interessant sein könne.“ (Rötzer 2006). 244<br />

Zusammenfassend sind folgende zentrale Kritikpunkte und Empfehlungen aus<strong>zum</strong>achen:<br />

- Die elektrodermale Aktivität bzw. der Hautwiderstandes ist als alleiniger Indikator zur Mes-<br />

sung von Erregung zwar geeignet, jedoch ist hierdurch ein Rückschluss auf emotionale Kon-<br />

strukte, wie Stress, nicht möglich. Durch Hinzunahme eines weiteren physiologischen Mess-<br />

indikators würde eine höhere Aussagekraft der Daten entstehen und sich eingrenzt auf be-<br />

stimmte Basisemotionen zurückführen lassen.<br />

- Kritisch anzusehen ist die Störung der physiologischen Emotionsmessung durch zwischenzeit-<br />

liche, subjektive Urteile. Diese Problematik kann durch die Vermeidung subjektiver Urteile<br />

während der Routenabsolvierung gelöst werden. Eine möglichst gering gehaltene Beeinflus-<br />

sung des Probanden in seinem normalen Gang führt zu einer höheren Objektivität der Daten.<br />

- Die Ortskunde der Probanden führt zur Infragestellung valider und objektiver Datenerhebung<br />

durch die physiologische Messung, da bereits Emotionen und Erfahrungen mit bekannten<br />

Örtlichkeiten vorhanden sind. Bestehen beispielsweise gewisse Vorurteile, wie schlechte Er-<br />

fahrungen an einem bestimmten Ort, die das Emotionsbild des Probanden beeinflussen kön-<br />

nen, kann somit nicht auf Emotionen, die durch die bauliche Ausprägung eines Ortes ent-<br />

standen sind, geschlossen werden.<br />

- Die Offenheit des räumlichen Umgriffs eines Untersuchungsraumes führt dazu, dass eine<br />

Verbindung der physiologischen Daten mit einer bestimmten Örtlichkeit nicht automatisch<br />

243 Höffken, Stefan (2010): Biosensorik und emotionale Stadtkartierung - Die Erfassung physiologischer Daten im Stadtraum,<br />

in: Lingner, St.; Lutterbeck, B.; Pallas, Fr. (Hrsg.): Die Zukunft der Räume. Gesellschaftliche Fragen auf dem Weg zur Ambient<br />

Intelligence, Graue Reihe, Bd. 50. European Academy Neuenahr-Ahrweiler GmbH, unveröffentlichtes Dokument.<br />

244 Rötzer, Florian (2006): Emotionale Stadtkartierung, aufgerufen unter:<br />

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22591/1.html, abgerufen am 16.09.2010.<br />

88


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

89<br />

anzunehmen und zu belegen ist. Es ist daher unabdingbar den Untersuchungsgegenstand<br />

(bspw. Barrieren) klar zu definieren und eine klare Route abzustecken, welche Probanden zu<br />

absolvieren haben.<br />

Letztendlich ist als Anmerkung festzuhalten, dass von Kritik an auftretenden, technischen Probleme<br />

in der Datenerhebung an dieser Stelle abgesehen wird. Diese sind zwar vorhanden, jedoch nicht in<br />

dem Maße, dass eine grundlegende, technische Fehlfunktion vorgelegen hätte.<br />

Es gilt nun die genannten Kritikpunkte und Erkenntnisse der bisherigen Studien zur emotionalen Kar-<br />

tierung in der folgenden Instrumentenentwicklung zu verarbeiten.<br />

5.2 EmBaGIS – mehr als nur eine Methode<br />

Das ‚Emotionale Barriere-GIS‘ hält mehr als der Name verspricht. Die Emotionalität des Titels drückt<br />

sich in der Implementierung empirischer Studien als dem Zeitgeist entsprechendem Bottom-Up-<br />

Ansatz aus. Gemäß dem planerischen Gegenstromprinzip leistet es ebenfalls die Ansprüche des Top-<br />

Down-Ansatzes, welchem durch eine klassisch städtebauliche Analyse hinsichtlich stadträumlicher<br />

Barrieren Rechnung getragen wird. Durch eine umfassende Georeferenzierung der Ergebnisse des<br />

Top-Down- und Bottom-Up-Ansatzes steht einer instrumentalen Implementierung in ein geographi-<br />

sches Informationssystem Nichts im Wege. Hierzu werden alle notwendigen Anforderungen erfüllt.<br />

Über diesen Rahmen hinaus liefert das EmBaGIS elementare, barrierespezifische Indizien, die als<br />

Optimierungsgrundlage des jeweils untersuchten Stadtraumes dienen.<br />

Somit ist das EmBaGIS mehr als nur eine Methode. Es vereinigt in sich gar mehrere neue Methoden-<br />

ansätze und liefert weitere Vorgehensweisen über das bisher bekannte Maß hinaus. Das ‚Emotionale<br />

Barriere-GIS‘ stellt ein Novum in der integrativen Stadtentwicklung dar und verdient sich die Qualität<br />

eines umfassenden Instruments zur Identifikation und gleichermaßen Bewertung innerstädtischer<br />

Barrieren. Durch die Vereinigung des klassischen planerischen Ansatzes und der konzentrierten Be-<br />

teiligung Betroffener, offenbart das EmBaGIS auch besondere Qualitäten zur Förderung der Identität<br />

mit dem Stadtraum und kann einen wichtigen Beitrag <strong>zum</strong> Eigenimage der zukunftsorientierten Stadt<br />

verrichten.<br />

Diese an dieser Stelle doch recht forschen Aussagen, gilt es in den kommenden Abschnitten transpa-<br />

rent und nachvollziehbar zu belegen.<br />

5.3 Methodischer Aufbau zur Anwendung des EmBaGIS<br />

Der methodische Aufbau zur Anwendung des EmBaGIS wird bewusst den grundlegenden Anforde-<br />

rung an Bewertungs- und Entscheidungsverfahren, den Anforderungen an den Einsatz eines geogra-<br />

phischen Informationssystems (GIS) in der Stadtentwicklungsplanung sowie den spezifischen Anfor-<br />

derungen an die beinhaltete Empirik des Instrumentes vorweggenommen, um diese dann im An-<br />

schluss effizient diskutieren zu können. Zunächst wird jedoch der methodische Aufbau des Instru-


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

mentes aufgezeigt. Im Anschluss daran erfolgt die beispielhafte Darstellung der grundlegenden<br />

Layerstruktur des EmBaGIS zur Implementierung in eine GIS-Software.<br />

5.3.1 Mehrstufiges Phasenmodell zur methodischen Fundierung des EmBaGIS<br />

Das Instrument des EmBaGIS beinhaltet ein mehrstufiges Phasenmodell von Planungsanlass bis hin<br />

zu einem Maßnahmenkatalog zur Eliminierung oder Verminderung stadträumlicher Barrieren (siehe<br />

Abbildung 17).<br />

Phase 1<br />

Phase 2<br />

Phase 3<br />

Phase 4<br />

Phase 5<br />

im Parallelverfahren durchzuführen<br />

Planungsanlass<br />

Planungsziel(e)<br />

Städtebauliche Bestandsaufnahme nach DIN-Norm<br />

Städtebauliche Analyse nach Barrieresektoren<br />

Empirische Studie<br />

Probandengruppendefinition<br />

Stichprobe<br />

Auswertung der Einzelprofile<br />

Aggregation der Einzelprofile<br />

Vergleich der Ergebnisse der Phasen 2 und 3<br />

Entscheidung über Ergebnisse<br />

Städtebauliche Optimierung<br />

Abbildung 17: Mehrstufiges Phasenmodell zur methodischen Fundierung des EmBaGIS. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Im folgenden Verlauf wird auf die einzelnen Phasen inhaltlich sowie methodisch eingegangen. Die<br />

Phaseneinteilung dient gleichermaßen für eine spätere GIS-orientierte Entwicklung einer grundsätzli-<br />

chen Layerstruktur zur technischen Umsetzung des EmBaGIS in die entsprechende Software (siehe<br />

Kapitel 5.3.2 Grundlegende Layerstrukur des EmBaGIS).<br />

Verortung<br />

Verortung<br />

Einteilung emotionaler Barrieresektoren<br />

Maßnahmenkatalog<br />

90


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Phase 1 – Vorbereitende Planungsphase<br />

Abbildung 18: Phase 1 - Vorbereitende Städtebauliche Planungsphase. Bestandsaufnahme Quelle: Eigene nach Darstellung. DIN-Norm<br />

Phase 2<br />

Verortung<br />

In der vorbereitenden Planungsphase werden der Planungsanlass und das Planungsziel auf einen<br />

Städtebauliche Analyse nach Barrieresektoren<br />

bestimmten Untersuchungsraum als Anstoß <strong>zum</strong> Vollzug des EmBaGIS definiert. Grundsätzlich lassen<br />

sich als Planungsanlass alle barrierebezogenen Problemzonen in der Stadt anführen. Diese Zonen<br />

ergeben sich entweder aus Empirische bereits Studie durchgeführten Stadtraumanalysen oder lassen sich aus dem<br />

Meinungsbild der Bevölkerung Probandengruppendefinition<br />

als erster Indikator für eine mögliche Untersuchung ableiten. Das Planungsziel<br />

ist generell als Verbesserung der objektiven Lebensqualität, welche erst durch ein subjekti-<br />

Phase 3<br />

Stichprobe<br />

ves Lebensqualitätsempfinden entsteht, zu identifizieren (siehe Kapitel 3). Zudem können Identitäts-<br />

und Imageargumente als Planungsziel Auswertung der vorgetragen Einzelprofile werden. Verortung<br />

Aggregation der Einzelprofile Einteilung emotionaler Barrieresektoren<br />

Planungsanlass<br />

Phase 1<br />

Phase 2 – Städtebauliche Analyse als Planungsziel(e) Top-Down-Ansatz<br />

Abbildung 19: Phase 2 - Städtebauliche<br />

Empirische<br />

Analyse<br />

Studie<br />

als Top-Down-Ansatz. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Nach Klärung des Planungsanlasses Probandengruppendefinition<br />

und des Planungsziels können die Phasen 2 und 3 zur wichtigen<br />

Zeitersparnis im Parallelverfahren durchgeführt werden. Die Phase 2 folgt dem klassisch planerischen<br />

Phase 3<br />

Stichprobe<br />

Ansatz der städtebaulichen Bestandsaufnahme und Analyse (Top-Down-Ansatz), welche auf Grundla-<br />

Auswertung der Einzelprofile Verortung<br />

ge georeferenzierten Kartenmaterials vorgenommen werden können. Die einzelnen Barrieren im<br />

festgelegten Untersuchungsraum Aggregation werden der Einzelprofile anhand bestehender Einteilung DIN-Normen emotionaler <strong>zum</strong> Barrieresektoren<br />

barrierefreien Bau-<br />

en bestimmt (siehe Kapitel 2.4.3 Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der Stadtplanung)<br />

und zu sogenannten städtebaulichen Barrieresektoren zusammengefasst. Diese Barrieresektoren<br />

beinhalten möglichst homogene Vergleich Einzelbarrieren der Ergebnisse der (bspw. Phasen Laternenmasten) 2 und 3 oder eine Flächenbarriere<br />

Phase 4<br />

(bspw. Kopfsteinpflaster). Die Größe dieser Sektoren ist beliebig zu fassen und hat keine Mindestgrö-<br />

Entscheidung über Ergebnisse<br />

ße als Anspruch. Die Visualisierung der Barrieresektoren kann als eine plakative, kartografische An-<br />

sicht (einem Plan) oder als Darstellung in einer GIS-Software geschehen. Auf Basis der städtebauli-<br />

Phase 5<br />

Städtebauliche Optimierung<br />

Maßnahmenkatalog<br />

chen Barrieresektoren erfolgt in Phase 3 die Überlagerung mit physiologischen Aggregations- oder<br />

Individualaufnahmen des emotionalen Befindens. Die Überlagerung hat eine Wertgebung der Barrie-<br />

resektoren in Form von Emotionalität zur Folge.<br />

91<br />

Phase 1<br />

Phase 4<br />

Phase 2<br />

Phase 5<br />

im Parallelverfahren durchzuführen<br />

im Parallelverfahren durchzuführen<br />

Planungsanlass<br />

Planungsziel(e)<br />

Vergleich der Ergebnisse der Phasen 2 und 3<br />

Städtebauliche<br />

Entscheidung über<br />

Bestandsaufnahme<br />

Ergebnisse<br />

nach DIN-Norm<br />

Städtebauliche Analyse nach Barrieresektoren<br />

Städtebauliche Optimierung<br />

Verortung<br />

Maßnahmenkatalog


Planungsanlass<br />

Phase 1<br />

Planungsziel(e)<br />

Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

Phase 2<br />

Städtebauliche Analyse nach Barrieresektoren<br />

Phase 3 – Empirische Studie als Bottom-Up-Ansatz<br />

Phase 3<br />

im Parallelverfahren durchzuführen<br />

Städtebauliche Bestandsaufnahme nach DIN-Norm<br />

Empirische Studie<br />

Probandengruppendefinition<br />

Stichprobe<br />

Auswertung der Einzelprofile<br />

Aggregation der Einzelprofile<br />

Verortung<br />

Abbildung 21: Phase 3 - Empirische Vergleich Studie der als Ergebnisse Bottom-Up-Ansatz. der Phasen Quelle: 2 Eigene und 3Darstellung.<br />

Verortung<br />

Einteilung emotionaler Barrieresektoren<br />

Phase 4<br />

Parallel zur Phase 2 kann Entscheidung die empirische über Studie Ergebnisse zur innerstädtischen Raumerfahrung und mentalen<br />

Belastung der jeweiligen Zielgruppe durchgeführt werden. Zunächst wird, abgeleitet aus dem Pla-<br />

nungsziel, Phase die 5 Zielgruppe Städtebauliche der mobilitätseingeschränkten Optimierung und behinderten Menschen Maßnahmenkatalog ausgewählt,<br />

welche im Fokus der Untersuchung stehen sollen. Hierbei ist es auch möglich mehrere Zielgruppen<br />

mit unterschiedlichen Arten von Behinderung in die Studie aufzunehmen. Lediglich deren Ergebnisse<br />

müssen getrennt behandelt werden, um zielgruppenspezifische Aussagen zu erhalten. Die Zielgrup-<br />

pen definieren sich nach der Einteilung der Arten von Behinderung aus der Fachliteratur (siehe Kapi-<br />

tel 2.1.5 Beeinträchtigungen in der Innenstadt aufgrund von Behinderungen). In Vorbereitung zur<br />

eigentlichen Durchführung der Studie werden nach der Akquirierung der Probanden deren perso-<br />

nenbezogenen Daten, wie beispielsweise Art der Behinderung, Alter, Geschlecht, Körpergröße, Ge-<br />

wicht etc. auf einem Datenblatt gesondert aufgenommen, um diese Daten zu Ende mit den konkre-<br />

ten Ergebnissen der Studie zu vergleichen. Dies dient der weiteren Validierung der erhaltenen Daten<br />

der Studie. Der Vorgang des Zusammenfassens der personenbezogener Daten wird unter ‚Stichpro-<br />

be‘ verstanden. Zudem wird hierbei die Anzahl der teilgenommenen Betroffenen aggregiert.<br />

In Anschluss dessen findet die eigentliche empirische Studie statt, in welcher die Probanden sich auf<br />

eine festgelegte Route durch den Untersuchungsraum begeben müssen. Die Route wird deshalb<br />

festgelegt, um <strong>zum</strong> einen bestimmte Barrieren, welche sich aus der städtebaulichen Analyse ergeben<br />

haben, aufzunehmen, und um <strong>zum</strong> anderen valide Ergebnisse für jeden definierten Punkt der Strecke<br />

zu erhalten. Diese Routenfestlegung macht insbesondere dann Sinn, wenn nur eine geringe Anzahl<br />

von Betroffenen akquiriert werden kann. Dabei ist auf eine reduzierte Komplexität der Route zu ach-<br />

ten. Eine mögliche Varianz dieses Vorgehens ist die Vorgabe des Start- und des Endpunktes der Rou-<br />

te. In diesem Kontext können die Probanden zwischen beiden Punkten ihre Route frei wählen. Dieser<br />

Vorgang ist nur möglich, wenn ausreichend Probanden zur Verfügung stehen. Dies hat natürlich den<br />

Vorteil der geringstmöglichen Beeinflussung der Probanden in ihrem normalen Gang durch die Stadt.<br />

Es sollte darauf geachtet werden, das Zeitfenster zur Durchführung der Studie zu einem determinier-<br />

ten Tagesabschnitt festzulegen, um gleiche äußere Bedingungen und hierdurch einheitliche Ergebnis-<br />

92


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

se herbeizuführen. Von einer Wiederholung der Durchführung der Studie mit den gleichen Proban-<br />

den wird indes abgeraten, da die Betroffenen hierdurch bereits gesammelte Erfahrungen mit dem<br />

Untersuchungsraum verbinden und die Gefahr besteht, verfälschte Ergebnisse durch<br />

Voreingenommenheiten abzuliefern (siehe Kapitel 5.1.3 Zentrale Erkenntnisse bisheriger Studien).<br />

Zu Beginn der Studiendurchführung wird den Probanden das Smartband zur Aufzeichnung der Vital-<br />

daten angelegt sowie der GPS-Logger übergeben. Hierbei ist dringlichst darauf zu achten den GPS-<br />

Logger frühzeitig einzuschalten, damit er die jeweiligen Satellitensignale einloten kann. Kurz vor Be-<br />

ginn der Routenabsolvierung muss dann der GPS-Logger einmal gemarkert (durch Buttondruck) und<br />

gleichzeitig das Smartband eingeschaltet werden. Dies garantiert eine sekundengenaue, problemlose<br />

Verknüpfung der Smartband- und GPS-Logger-Daten in der anschließenden empirischen Drei-Level-<br />

Analyse zur Auswertung der personenbezogenen kinetischen und physiologischen Daten.<br />

Nach Beendigung der Studiendurchführung wird das Smartband direkt am Handgelenk des Proban-<br />

den ausgeschaltet. Die geographische Position und der Zeitpunkt werden parallel mit dem GPS-<br />

Logger wiederum gemarkert.<br />

Die technischen Geräte können im Anschluss an die Studie am PC ausgelesen und der genannten<br />

Drei-Level-Analyse unterzogen werden. Hier werden zunächst die Bewegungsgeschwindigkeit als<br />

kinetische Daten aus dem GPS-Logger entnommen und beispielsweise in ein Tabellenkalkulations-<br />

oder Datenbankprogramm importiert. Zudem werden die Smartbanddaten in ein gewähltes Statis-<br />

tikprogramm importiert. Der gleiche Vorgang geschieht für die kinetischen Daten. Innerhalb der Ana-<br />

lyse müssen die gewonnenen physiologischen Daten bereinigt und geglättet werden. Dies geschieht<br />

mit einem Softwareprogramm zur deskriptiven Statistik (bspw. STATA 10 - siehe Kapitel 5.4.3 Tech-<br />

nik). Aus diesen Daten lassen sich nun drei Barriereindikatoren identifizieren, nämlich die Bewe-<br />

gungsgeschwindigkeit sowie die elektrodermale Aktivität und die Hauttemperatur (siehe Kapitel<br />

5.4.3 Empirische Drei-Level-Analyse). Letztendlich lassen sich die gewonnenen Ergebnisse in Einzel-<br />

profile und darauffolgend in der Aggregation dieser Einzelprofile visualisieren. Die Ergebnisse der<br />

Einzelprofile können auf einfache Weise mittels des Webprogramms GPS-Visualizer (siehe Kapitel<br />

5.4.3 Technik) stichprobenartig überprüft werden. Die Aggregation und gleichermaßen die Visualisie-<br />

rung findet im Idealablauf durch Einlesen der verknüpften Daten in eine GIS-Software statt, welche<br />

es ermöglicht die Dichtewerte der aufgetretenen Stressreaktionen aus der Drei-Level-Analyse gra-<br />

phisch aufzuzeigen.<br />

Nach der Aggregation der Einzelprofile lassen sich die Ergebnisse in Rückkopplung mit der in Phase 2<br />

festgelegten städtebaulichen Barrieresektoren vergleichen. Hieraus kann eine Einteilung und<br />

Wertgebung der empirischen Ergebnisse, sprich der georeferenzierte Stressreaktionen, in emotionale<br />

Barrieresektoren erfolgen.<br />

93


Phase 3<br />

Emotionales Barriere-GIS“ Auswertung EmBaGIS – der ein Einzelprofile neues Instrument Verortung zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

Aggregation der Einzelprofile Einteilung emotionaler Barrieresektoren<br />

Phase 4 – Vergleichende Ergebnisphase<br />

Planungsanlass<br />

Phase 1<br />

Vergleich der Planungsziel(e)<br />

Ergebnisse der Phasen 2 und 3<br />

Phase 4<br />

Phase 2<br />

Abbildung Phase 21: 5Phase<br />

4 - Vergleichende Städtebauliche Ergebnisphase. Optimierung Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Städtebauliche Analyse nach Barrieresektoren<br />

In der vergleichenden Ergebnisphase werden die Erkenntnisse aus Phase 2 (städtebauliche Barriere-<br />

sektoren nach DIN-Norm) und Phase 3 (emotionale Barrieresektoren) überlagert und analysiert.<br />

Empirische Studie<br />

Durch diesen Vergleich können Rückschlüsse auf die Gültigkeit und Qualität der bestehenden DIN-<br />

Probandengruppendefinition<br />

Normen gewonnen werden. Zudem werden wichtige empirische Einschätzungen zur Wirkung von<br />

vordefinierten Phase 3 Barrieren auf Stichprobe das subjektive Befinden erworben. Durch die durchgeführte Dichtebe-<br />

rechnung der Stresspunkte lässt sich im Optimalfall auf den Stärkegrad der jeweiligen Barrieren<br />

Auswertung der Einzelprofile Verortung<br />

schließen. Innerhalb eines Entscheidungsprozesses zur Beurteilung und Abwägung über die Symbiose<br />

der Ergebnisse der städtebaulichen Aggregation (Top-Down-Ansatz) der Einzelprofile und Einteilung emotionalen emotionaler Barrieresektoren (Bottom-<br />

Up-Ansatz) werden Empfehlungen zur Verbesserung der Barrierefreiheit erarbeitet.<br />

Phase 4<br />

Phase 5 – Städtebauliche Entscheidung Optimierung über Ergebnisse<br />

Phase 5<br />

im Parallelverfahren durchzuführen<br />

Abbildung 22: Phase 5 - Städtebauliche Optimierung. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Basierend auf dem Entscheidungsprozess aus Phase 4 kann in Rückkopplung mit den bestehenden<br />

Vorgaben der DIN-Normen (siehe Kapitel 2.4.3 Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der<br />

Stadtplanung) eine städtebauliche Optimierung konzentriert angegangen und ein Maßnahmenkata-<br />

log vorgeschlagen.<br />

Stichprobe<br />

Entscheidung über Ergebnisse<br />

Städtebauliche Bestandsaufnahme nach DIN-Norm<br />

Vergleich der Ergebnisse der Phasen 2 und 3<br />

Städtebauliche Optimierung<br />

Verortung<br />

Maßnahmenkatalog<br />

Maßnahmenkatalog<br />

94


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

5.3.2 Grundlegende Layerstrukur des EmBaGIS<br />

Orientiert am mehrstufigen Phasenmodell zur methodischen Etablierung des EmBaGIS ergibt sich die<br />

Basisstruktur des layerorientierten Aufbaus, wie er zu einer Implementierung in eine GIS-Software zu<br />

empfehlen ist (siehe Abbildung 23).<br />

Abbildung 23: Phasenorientierte Layerstruktur des EmBaGIS. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Zunächst wird in einem ersten Layer, gemäß der Phase 1, Planungsanlass und Planungsziel in Form<br />

eines abgesteckten Untersuchungsraums abgegrenzt, welcher maßgeblich für die folgenden Schritte<br />

als Arbeitsgrundlage dient. Das kartographische Material des Untersuchungsraums liegt in der Regel<br />

als georeferenzierte Rasterkarte vor. Daraufhin erfolgt die städtebauliche Bestandsaufnahme, die<br />

durch Analysevorgang zur Bildung städtebaulicher Barrieresektoren führt. Somit sind die Arbeits-<br />

schritte der Phase 2 erfüllt. Parallel zur Bildung der städtebaulichen Barrieresektoren geschieht die<br />

Ausformung der emotionalen Barrieresektoren, welche ihre inhaltliche Wertgebung durch die vorge-<br />

95<br />

Phase 1<br />

Phase 2<br />

Top-Down-Ansatz<br />

Untersuchungsraum<br />

Städtebauliche Bestandsaufnahme<br />

Analysevorgang<br />

Phase 2 Phase 3<br />

Städtebauliche Barrieresektoren Emotionale Barrieresektoren<br />

Phase 4<br />

Phase 4<br />

Phase 5<br />

Überlagerungslayer<br />

adjunktive Verschneidung<br />

mehrkriterielle Bewertung<br />

Stress- und DIN-bewerte Barrieresektoren<br />

Entscheidungsvorgang<br />

Städtebauliche Optimierung<br />

Bottom-Up-Ansatz<br />

Maßnahmenkatalog


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

nommene empirische Studie erhält (Phase 3). Beide Barriersektoren werden zur Anlage des Untersu-<br />

chungsraums georeferenziert eingezeichnet. Nach der Ergebnisbildung beider Barriersektoren wer-<br />

den die so entstandenen Einzellayer adjunktiv verschnitten, das heißt, dass die Resultate der städte-<br />

baulichen Barrieresektoren und der emotionalen Barrieresektoren in einem ersten zusammenfas-<br />

senden Ergebnislayer überlagert werden (Phase 4). Durch mehrkriterielle Bewertung, welche die<br />

Entscheidung über die planerische Konsequenz der bisherigen Schlüsse beinhaltet, resultiert der<br />

endgültige analytische Ergebnislayer der Stress- und DIN-bewerteten Barrieresektoren (Phase 4). Der<br />

Abschluss zeichnet sich durch eine mögliche städtebauliche Optimierung in der Phase 5 ab. Innerhalb<br />

eines GIS-Systems ist es analytisch und graphisch möglich, Optimierungsvorgänge zu vollziehen und<br />

diese direkt auf den Arbeitsgrundlagen georeferenziert festzulegen. Aus der städtebaulichen Opti-<br />

mierung kann in einem letzten Schritt ein Maßnahmenkatalog erarbeitet werden, der als schriftliches<br />

Informationsmaterial dem GIS-System hinzugefügt werden kann.<br />

5.4 Anforderungen an die Methodik <strong>zum</strong> EmBaGIS in Diskussion <strong>zum</strong> methodischen<br />

Aufbau<br />

Das neue Instrument zur Erfassung und Identifikation stadträumlicher Barrieren muss sich natürlich<br />

auch den üblichen Anforderungen von Bewertungs- und Entscheidungsmethoden sowie den Anfor-<br />

derungen an den Einsatz eines geographischen Informationssystems (GIS) in der Stadtentwicklungs-<br />

planung, zu welchem Zweck es entwickelt wird, stellen. Zudem sind spezifische Anforderungen an die<br />

empirische Teilkomponente, welche nur im Kontext dieses Instruments vorliegen, zu erfüllen.<br />

5.4.1 Allgemeine Anforderungen an die Methodik als Bewertungs- und Entscheidungsmethode<br />

Planungsprozesse basieren immer auf einer angewandten wissenschaftliche Methodik im Themen-<br />

feld der Bewertungs- und Entscheidungsverfahren. Dies ist natürlich auch im EmBaGIS der Fall. So gilt<br />

es zunächst allgemeine Anforderungen an diese Methodik zu erläutern, um diese auf das Instrument<br />

des EmBaGIS zurückzuführen und diskutieren zu können.<br />

Objektivität<br />

Der Aspekt einer grundsätzlichen Objektivität von Bewertungsmethoden ist aus fachlicher Sicht in<br />

höchstem Maße in Frage zu stellen. Dies gilt jedoch nicht nur im Speziellen für das hier entwickelte<br />

Instrument, sondern ist eine feststehende Beobachtung, die sich in den letzten Jahren generell zu<br />

Bewertungsverfahren durchgesetzt hat. „Bewertungsvorgängen haftet immer eine subjektive Kom-<br />

ponente an. In jede Bewertung gehen subjektive Präferenzen des Planers, des Entscheidungsträgers<br />

oder der durch die Planung involvierten gesellschaftlichen Gruppen ein.“ 245<br />

245 Schwarz-von Raumer (1999): Bewertungsverfahren: Bedeutung in der raumbezogenen Planung, Methodik und GIS-<br />

Einsatz, Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und Fallbeispiele,<br />

Springer-Verlag, Berlin – Heidelberg, S. 38.<br />

96


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Im vorliegenden Fall der Erfassung und Identifikation stadträumlicher Barrieren wird der Annäherung<br />

an die Objektivität eine besondere Bedeutung zu teil. Dies drückt sich bereits durch den Sachverhalt<br />

der objektiven Erfassung des subjektiven Wohlbefindens/ der subjektiven Lebensqualität mittels<br />

physiologischer Messung aus. Durch die spezielle Methodik der physiologischen Aufnahme der Vital-<br />

werte Betroffener zur Interpretation des Gemütszustandes wird ein subjektives Selbst- und Werteur-<br />

teil nahezu ausgeschlossen. Trotzallem steht der Mensch als Individuum, also als Subjekt, in der em-<br />

pirischen Erhebung im Vordergrund und gilt in seinem Verhalten als subjektiv individuell. Es kann<br />

also von einer Subjektivierung von Individualprofilen gesprochen werden, welche auf einer objekti-<br />

ven Datenerfassung subjektiven Befindens basiert.<br />

Um eine möglichst hohe Objektivität zu gewährleisten, muss eine höhere Rationalität der letztendli-<br />

chen Bewertungsergebnisse zu Grunde gelegt werden. 246 Die Ergebnisbildung im vorliegenden In-<br />

strument wird zusätzlich durch die Aufnahme durch DIN-normierte Barrieren im Stadtraum in Ver-<br />

bindung mit physiologischen Individualwerten, welche nochmals zu einem Datensatz aggregiert wer-<br />

den, gestützt. Die genannte Rationalität beruht auf dem Wertesystem und Präferenzen des<br />

Bewerters. Nur durch eine transparente Offenlegung dieses Wertesystems ist es möglich, eine hohe<br />

Objektivität zu erreichen. 247<br />

Intersubjektivität<br />

„Nach der Festlegung von Zielsystem und Bewertungsregeln sollen die Ergebnisse von der Person des<br />

Anwenders unabhängig sein.“ 248<br />

Die Intersubjektivität entspricht im Endeffekt der genannten Kritik der geforderten Objektivität an<br />

die Bewertungsmethode. Zielsystem sowie Bewertungsregeln unterliegen der Subjektivität des Pla-<br />

ners oder Entscheidungsträgers. Die Ergebnisse nach Festlegung dieser Vorgaben sollen jedoch un-<br />

abhängig sein. Dies ist auch in der vorliegenden Methode der Fall. Eine Entscheidung über erzielte<br />

Ergebnisse aus der normierten Barriereindentifikation und empirischen Studie muss zwar durch den<br />

Anwender getroffen werden, aber durch normierte Vorgaben und vom Anwender nicht zu beeinflus-<br />

sende, individuelle Körperreaktionen wird eine Einflussnahme auf die Ergebnisse nicht ermöglicht.<br />

Reliabilität<br />

„Ein wiederholter Durchlauf der Methode unter gleichen Rahmendbedingungen muss zu den glei-<br />

chen Ergebnissen führen.“ 249<br />

Da sich das Instrument <strong>zum</strong> emotionalen Barriere-GIS noch in der Erprobung befindet, kann <strong>zum</strong><br />

jetzigen Zeitpunkt keine gesamtumfassende Aussage zur Reliabilität getroffen werden. Die erreichten<br />

246 Vgl. Schwarz-von Raumer (1999): Bewertungsverfahren: Bedeutung in der raumbezogenen Planung, Methodik und GIS-<br />

Einsatz, Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und Fallbeispiele,<br />

Springer-Verlag, Berlin – Heidelberg, S. 39.<br />

247 Vgl. Ebenda, S. 39.<br />

248 Scholles, Frank (2005): Bewertungs- und Entscheidungsmethoden, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung<br />

(Hrsg.): Handwörterbuch der Raumplanung, VSB Verlagsservice Braunschweig GmbH, Hannover, S. 103.<br />

249 Ebenda.<br />

97


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

empirischen Ergebnisse können vorerst nur als Indizien zur Identifikation von Barrieren gewertet<br />

werden. Die normierte Identifikation von Barrieren mittels DIN-Normen befindet sich jedoch seit<br />

geraumer Zeit in der Anwendung.<br />

Transparenz und Nachvollziehbarkeit<br />

„Der Ablauf der Bewertung soll für Entscheidungsträger und Öffentlichkeit durchschaubar sein.“ 250<br />

Durch eine offene Darlegung der Vorgehensweise und einem einfach nachvollziehbaren Ablaufsche-<br />

mas des Instrumentes EmBaGIS ist eine Transparenz und Nachvollziehbarkeit für Außenstehende<br />

gewährleistet. Es finden sich innerhalb des Instrumentes bekannte Elemente üblicher Planungsabläu-<br />

fe wie der Planungsanlass und das/die Planungsziel(e), städtebauliche Bestandsaufnahme und –<br />

Analyse sowie nachvollziehbare empirische Teilkomponenten und letztendlich die Entscheidungsfin-<br />

dung und die städtebauliche Optimierung wieder. Lediglich die Verknüpfung der einzelnen Phasen-<br />

komponenten und die Vorgehensweise innerhalb der empirischen Studie bedürfen einer klaren<br />

transparenten und nachvollziehbaren Struktur. Diese wird wiederum durch eine breite theoretische<br />

Fundierung der angewandten Analyseschritte gewährleistet.<br />

Im Rahmen der Transparenz und Nachvollziehbarkeit ist der Anspruch der Vollständigkeit zu erfüllen.<br />

Dabei soll die „Lückenlosigkeit des Systems durch Übersichtlichkeit“ 251 sichergestellt werden. Dies<br />

wird im EmBaGIS durch die klare Struktur des mehrstufigen Phasenmodells zur methodischen Fun-<br />

dierung, die grundlegende Layerstruktur zur Implementierung in eine GIS-Software sowie die wissen-<br />

schaftlich fundierte empirische Drei-Level-Analyse gewährleistet.<br />

Validität<br />

„In den Werturteilen müssen sich die Inhalte und Prioritäten des zugrunde gelegten Zielsystems wi-<br />

derspiegeln.“ 252<br />

Die Validität der angewandten Methodik ist insbesondere in der Datenerhebung und –Analyse der<br />

physiologischen Körperreaktionen (psychophysiologisches Monitoring), welche das Novum des In-<br />

strumentes ausmachen, von enormer Bedeutung. Die theoretische Fundierung zur geeigneten Me-<br />

thodenfindung des subjektiven Wohlbefindens / der subjektiven Lebensqualität bildet dabei die<br />

elementare Voraussetzung zur Schaffung valider Forschungsergebnisse. Die gewonnen Daten der<br />

Individualanalyse sollen der Erkennung von Stressreaktion hinsichtlich einzelner Barrieren in der In-<br />

nenstadt dienen. Die angewandte Drei-Level-Analyse (siehe Kapitel 5.4.3 Empirische Drei-Level-<br />

Analyse), sprich Bewegungsgeschwindigkeit, elektrodermale Aktivität und Hauttemperaturverände-<br />

rung gemessen über die Zeit, beschreibt drei Indikatoren zur Identifikation von Barrieren und indivi-<br />

250<br />

Scholles, Frank (2005): Bewertungs- und Entscheidungsmethoden, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung<br />

(Hrsg.): Handwörterbuch der Raumplanung, VSB Verlagsservice Braunschweig GmbH, Hannover, S. 104.<br />

251<br />

Streich, Bernd (2005): Stadtplanung in der Wissensgesellschaft – Ein Handbuch, VS Verlag für Sozialwissenschaften,<br />

Wiesbaden, S. 157.<br />

252<br />

Scholles, Frank (2005): Bewertungs- und Entscheidungsmethoden, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung<br />

(Hrsg.): Handwörterbuch der Raumplanung, VSB Verlagsservice Braunschweig GmbH, Hannover, S. 105.<br />

98


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

duellem Stress. Die georeferenzierte Verortung dieser Indikatoren lässt eine endgültige Erkennung<br />

stadträumlicher Barrieren zu.<br />

5.4.2 Basisanforderungen an das EmBaGIS als Geoinformationssystem<br />

Der Einsatz geographischer Informationssysteme (GIS) erfolgt „nunmehr seit *über+ einem Jahrzehnt<br />

als Schlüsseltechnologie für die Bewältigung raumbezogener Analyse- und Planungsaufgaben *…+.“ 253<br />

Erste Grundanforderung an ein GIS ist die Verarbeitung aktueller und zuverlässiger Informationen,<br />

welche in „graphischer Form, übersichtlich, möglichst umfassend, wirtschaftlich und problembezo-<br />

gen darstellbar sein [müssen]. Das Spektrum kann dabei von einem relativ einfachen interaktiven<br />

graphischen System zur Digitalisierung und Kartenerstellung bis hin zu mächtigen, weitgehend offe-<br />

nen und erweiterbaren Systemen mit umfangreichen Analysefunktionalitäten reichen.“ 254<br />

Grundsätzlich lassen sich folgende Basisanforderungen an ein GIS und spezifisch an das EmBaGIS<br />

ausmachen:<br />

Die Aufnahme der Geometrie und Topologie mit zugehörigen Information (Attributen) muss<br />

99<br />

gewährleisten sein werden.<br />

Die Verwaltung und Pflege von Datenbeständen muss möglich sein.<br />

Die Harmonisierung von Daten unterschiedlicher Herkunft mittels Maßstabs- und Koordina-<br />

tentransformation muss vornehmbar sein. Im Falle des EmBaGIS bedeutet dies, dass die geo-<br />

referenzierten Ergebnisse der städtebaulichen Barrieresektoren nach DIN-Normen mit den<br />

emotionalen Barrieresektoren in Einklang gebracht werden müssen.<br />

Die Überlagerung bzw. das Zusammenzeichnen von Karten oder Kartenauszügen, die logi-<br />

sche Verknüpfung von Karteninhalten (z.B. die Verschneidung von Strukturen, Interpolation<br />

zwischen Punkt- und Linieninformationen in die Fläche) müssen möglich sein. Für das EmBa-<br />

GIS gelten in diesem Zusammenhang das Verknüpfen und Verschneiden von Routen (als Li-<br />

nien) sowie punktgenaue Barrieren und Barrieresektoren (als Flächen).<br />

Modelle zur Dateninterpretation, Berechnung von bspw. Stresszonen, Abfrage von Datenin-<br />

halten sowie die Möglichkeit einer deskriptiven Raumstatistik zu erstellen, können als Ausbli-<br />

cke in der zukünftigen Entwicklung des EmBaGIS gegeben werden.<br />

Die flexible Gestaltung der Darstellungen von Eingangsdaten und Ergebnissen, insbesondere<br />

die Herstellung von thematischen Karten ist derzeit nur bedingt möglich. Thematische Karten<br />

253 Schwarz-von Raumer (1999): Bewertungsverfahren: Bedeutung in der raumbezogenen Planung, Methodik und GIS-<br />

Einsatz, Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und Fallbeispiele,<br />

Springer-Verlag, Berlin – Heidelberg, S. 35.<br />

254 Internetauftritt von GISCO Informationssysteme, aufgerufen unter: http://www.gisco.de/DeuInternet/gis.html, abgeru-<br />

fen am 25.09.2010.


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

können <strong>zum</strong> jetzigen Zeitpunkt nur in der Darstellung von städtebaulichen und emotionalen<br />

Barrieresektoren verwirklicht werden.<br />

Die Unterstützung von raumbezogenen Planungen mit hoher informativer Verflechtung ist<br />

bereits möglich. So können die Ergebnisse in aktuelle Planungen problemlos integriert wer-<br />

den und sorgen für eine bisher nicht da gewesene Bereicherung der Stadtentwicklungspla-<br />

nung. 255<br />

Das EmBaGIS besitzt zudem eine hybride Datenstruktur, welche es ermöglicht eine integrierte Vek-<br />

tor-, Rasterzellen- und Sachdatenverarbeitung zu gewährleisten. Die Vektorverarbeitung kann hierbei<br />

durch die Auswahl und Abfrage von Barrieresektoren sowie die Verknüpfung von Routenläufen ge-<br />

schehen. Rasterdaten können gleichermaßen unterlegt werden und dienen beispielsweise in Form<br />

eines Luftbildes oder Katasterplans als Verortungsgrundlage. Sachdaten werden in relationalen Da-<br />

tenbanken gehalten, das heißt, dass im vorliegenden Instrument georeferenzierte Barrieren nach<br />

DIN-Normen mit kinetischen und physiologischen Dateninhalten überlagert und angeglichen werden<br />

können.<br />

Das EmBaGIS verwendet als Hardware zur Georeferenzierung der emotionalen Barrieresektoren ei-<br />

nen GPS-Logger (siehe Kapitel 5.4.3 Technik), welcher für jede Sekunde ein Koordinatenpaar sowie<br />

die daraus errechnete Bewegungsgeschwindikeit aufzeichnet. Diese Daten können dann mittels pas-<br />

sender Software auf den PC übertragen und ausgelesen werden.<br />

5.4.3 Spezifische Anforderungen zur empirischen Identifikation stadträumlicher<br />

Barrieren<br />

Das Instrument des EmBaGIS enthält neben genannten Anforderungen auch spezifische, instrumen-<br />

teneigene Anforderungen, welche innerhalb der empirischen Studie zu erfüllen sind. Diese Anforde-<br />

rungen haben <strong>zum</strong> Ziel, das Instrument und die Vorgehensweise zur Ermittlung von individuellen<br />

Stressreaktionen objektiver und valider zu gestalten. Zudem werden die gewonnenen Erkenntnisse<br />

aus der subjektiven Lebensqualitätsforschung, der Emotionsforschung und nicht zuletzt des ‚Bio<br />

Mapping‘ sowie ‚Emotional Mapping‘ verarbeitet.<br />

Probandengruppendefinierung<br />

Die Definition der Probandengruppe nimmt im EmBaGIS eine bedeutende Rolle ein. Schließlich kann<br />

nur auf diejenigen Barrieren geschlossen werden, welche für die jeweilige Zielgruppe physische und<br />

mentale Barrieren bedeuten. Im Sinne einer validen und klaren Ergebnisorientierung wäre es not-<br />

wendig, die physischen Merkmale, sprich die Art der Behinderung, in der Auswahl der Probanden<br />

möglichst homogen zu halten und dabei eine große Anzahl von Probanden zu gewinnen, damit die<br />

vorgenommene empirische Studie einen repräsentativen Charakter erhält. Hierzu müsste jedoch eine<br />

hohe Anzahl der Personen mit der jeweiligen Behinderung in der untersuchten Lokalität vorhanden<br />

255 Vgl. Internetauftritt von GISCO Informationssysteme, aufgerufen unter: http://www.gisco.de/DeuInternet/gis.html,<br />

abgerufen am 25.09.2010.<br />

100


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

sein. Dies ist sicherlich in größeren Städten möglich, aber nicht in für die Allgemeinheit der Städte als<br />

feststehende Aussage zu treffen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob diese kleinteilige Betrachtung<br />

im Kontext behinderter Menschen sinnvoll ist. Letztendlich muss die Anwendung der Methode auf<br />

einen größeren Kreis von behinderten Menschen zutreffen. Eine Unterscheidung, beispielsweise<br />

zwischen manuellen Rollstuhlfahrern und Elektro-Rollstuhlfahrern, erscheint in der Anwendung des<br />

EmBaGIS wenig sinnvoll. Die jeweiligen DIN-Normen richten sich ebenfalls nach einem gröberen Ras-<br />

ter. So werden allgemeingültige Aussagen für Rollstuhlfahrer getroffen, nicht jedoch für mögliche<br />

Unterschiede in deren technischer Ausstattung. Vor dem Hintergrund des Vergleiches zwischen städ-<br />

tebaulichen Barrieren nach DIN-Normen und emotionalen Barrieren muss hierzu ein Konsens gefun-<br />

den werden. Dieser Konsens lässt sich aus den vorgegebenen Definitionen zu den Arten von Behinde-<br />

rung, wie sie in der Fachliteratur vorgenommen wurden, herleiten (siehe Kapitel 2.1.5 Arten von Be-<br />

hinderung).<br />

Diese Einigung spricht eine heterogenere Gruppe von behinderten Menschen an, welche eine ähnli-<br />

che Behinderung aufweisen und somit auf ähnliche Barrieren im Stadtraum treffen können. Der Kon-<br />

sens befindet sich demnach im Schnittpunkt zwischen allen Arten von Behinderungen und physisch<br />

spezifischen Behinderungen. Zudem ist die Wahl einer heterogeneren Probandengruppe der Realsi-<br />

tuation in den Städten angepasst und setzt sich damit auch vom Anwendungsprofil bisheriger Labor-<br />

experimente ab.<br />

Ortskunde der Probanden<br />

Eine bereits zuvor geübte Kritik am ‚Bio Mapping‘ und ‚Emotional Mapping‘ (siehe Kapitel 5.1.3 Zent-<br />

rale Erkenntnisse bisheriger Studien) ist die Beteiligung ortskundiger Probanden. Hierbei ist die Dis-<br />

kussion zu führen, ob die bereits vorhandenen Erfahrungen und Emotionen mit dem jeweiligen<br />

Untersuchungsraum zu einer Verfälschung der physiologischen Messergebnisse führen können. Es ist<br />

nicht auszuschließen, dass ein negatives oder positives Erlebnis mit einer bestimmten Örtlichkeit<br />

innerhalb des abgegrenzten Untersuchungsraums sich auch auf die individuellen Vitalwerte nieder-<br />

schlägt. Es ist deshalb zu empfehlen, möglichst ortsfremde Probanden in die Studie aufzunehmen,<br />

um voreingenommenen Ergebnissen vorzubeugen.<br />

Die Problematik der grundsätzlichen Akquirierungsmöglichkeiten von Probanden ist in diesem Sinne<br />

zu diskutieren. In der Theorie ist es notwendig Probanden zu erhalten, welche das Untersuchungsge-<br />

biet nicht kennen. In der Praxis stellt sich dieser Sachverhalt als schwierig dar, da in der Planung be-<br />

sonders Wert auf eine Beteiligung lokaler Betroffener gelegt wird. Im Falle der Untersuchungen in<br />

der Fußgängerzone von <strong>Kaiserslautern</strong> sind aus diesem Grund vor allem Probanden aus der Umge-<br />

bung von <strong>Kaiserslautern</strong> akquiriert worden, welche selbst ein Hemmnis geäußert haben, sich generell<br />

in die Fußgängerzone von <strong>Kaiserslautern</strong> selbstständig zu bewegen. Dennoch ist eine umfassende<br />

Unvoreingenommenheit der Probanden nicht auszuschließen. Ob sich diese Problematik auf die Vali-<br />

dität und Objektivität auswirkt, ist aufgrund des Umfangs der hypothetisch bestehenden<br />

Voreingenommenheiten zu diesem Zeitpunkt nicht endgültig zu klären.<br />

101


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

Empirische Drei-Level-Analyse<br />

Die empirische Drei-Level-Analyse hat zur Aufgabe stadträumliche Barrieren anhand eines drei-<br />

stufigen Systems kinetischer und physiologischer Individualdaten in Verbindung mit einer georefe-<br />

renzierten Verortung zu identifizieren (siehe Abbildung 24). Dabei werden schrittweise die Bewe-<br />

gungsgeschwindigkeitsdaten, abgeleitet aus der positionellen Veränderung von Sekunde zu Sekunde,<br />

die elektrodermale Aktivität und letztendlich die Veränderung der Hauttemperatur der Betroffenen<br />

als einzelne Barriereindikatoren übereinandergelegt und analysiert. Die beiden letzten<br />

Barriereindikatoren werden mittels Smartband als physiologische Biosignale aufgezeichnet.<br />

Abbildung 24: Empirische Drei-Level-Analyse. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Kinetische Daten<br />

Unter der kinetischen Datenanalyse wird die Auswertung der Bewegungsgeschwindigkeit verstanden,<br />

welche mit Hilfe des GPS-Loggers aufgenommen wird. Dabei berechnet sich die Bewegungsge-<br />

schwindigkeit aus der geographischen Positionsveränderung des Probanden von Sekunde zu Sekun-<br />

de. Es kann also die Hypothese aufgestellt werden, dass eine Verringerung der Bewegungsgeschwin-<br />

digkeit oder gar ein Stehenbleiben des Probanden, auf ein Auftreffen auf eine Barriere, welche für<br />

ihn ein Hindernis darstellt, schließen lässt. Jedoch sagt dieser Sachverhalt noch nichts über die Art<br />

der Barriere aus. Es kann zwar durch die Verortung bestimmt werden, wo der Proband langsamer<br />

wurde oder stehen geblieben ist, jedoch ist dieser erste Barriereindikator nicht in Lage auf eine<br />

Stresssituation rückzuschließen. Zudem kann es auch ein anderer äußerer Einfluss sein, welcher den<br />

Probanden <strong>zum</strong> langsamer werden oder Stehenbleiben veranlasst hat, wie beispielsweise ein lautes<br />

Geräusch oder trivialerweise ein Anruf auf dem Handy.<br />

Elektrodermale Aktivität<br />

Die elektrodermale Aktivität beschreibt die elektrische Leitfähigkeit der Haut. Durch die Messung der<br />

elektrischen Leitfähigkeit der Haut lässt sich die unterschiedliche Produktion von Schweiß durch die<br />

betreffende Drüse feststellen (siehe Kapitel 4.4 Messparameter und -Methoden physiologischer Zu-<br />

stände und Stress). Je mehr Schweiß produziert wird, desto höher ist Leitfähigkeit der Haut für einen<br />

elektrischen Impuls, welcher durch einen Sensor im Smartband ausgelöst wird. Auslöser für die<br />

Schweißproduktion ist die Aktivierung des sympathischen Nervensystems (Als Teilkomponenten des<br />

ANS). Dieses Nervensystem wird dann aktiviert, wenn durch Eintreten eines bestimmten Ereignisses<br />

eine positive oder negative Emotion ausgelöst wird. Das sympathische Nervensystem wird bereits bei<br />

102


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

der geringsten emotionalen Veränderung aktiv und gilt damit als sensitiver Anzeiger für emotionale<br />

Erregung. Eine mathematische Abwandlung des absoluten elektrischen Leitfähigkeitsniveaus (toni-<br />

sches Niveau) der Haut ist die phasische Betrachtung der elektrischen Hautleitfähigkeit (siehe Abbil-<br />

dung 25).<br />

Letztere beschreibt dabei die Steigung, ob positiv oder negativ, des Feuchtigkeitsniveaus der<br />

Schweißdrüsen in der Haut. Durch die Einführung der phasischen Betrachtung der Hautleitfähigkeit<br />

kann eine eindeutigere Zuordnung von Erregung (Amplitudenspitzen im positiven Bereich über 0),<br />

Erholung von Erregung (Amplitudenspitzen im negativen Bereich unter 0) und Balance (als Band im<br />

Bereich um 0) geschehen.<br />

100 200 300 400<br />

Abbildung 25: (links) tonisches Niveau der elektrischen Hautleitfähigkeit, (rechts) phasische Betrachtung der elektrischen<br />

Hautleitfähigkeit. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Die elektrische Hautleitfähigkeit, gleich ob tonische oder phasisch betrachtet, ist in der Fachliteratur<br />

als Messindikatoren für Ärger und Angst identifiziert (siehe Anhang V, Emotionstabelle), welche das<br />

emotionale Konstrukt um den Begriff ‚Stress‘ bilden.<br />

Die Messung der elektrodermalen Aktivität ermöglicht es also die kinetische Datenanalyse durch eine<br />

physiologische Komponente, welche einen Rückschluss auf emotionale Erregung liefert, zu unterbau-<br />

en und damit einen weiteren Barriereindikator zu verifizieren. Auch an dieser Stelle reichen beide<br />

überlagerten Barriereindikatoren noch nicht aus, um ausschließlich auf den Faktor Stress, also eine<br />

negative Emotion, zu schließen. Hierzu muss ein dritter Barriereindikator zur genauen Feststellung<br />

einer stressauslösenden, mentalen Barriere hinzugezogen werden.<br />

103<br />

0<br />

250 300 350 400 450 500<br />

Dauer (in Sekunden)<br />

Hauttemperaturveränderung<br />

Hautwiderstand (Niveau)<br />

Als letzter Barriereindikator gilt die Hauttemperatur als harter, kardiovaskulärer Indikator für emoti-<br />

onalen Stress. Im Gegensatz zur elektrodermalen Aktivität verringert sich der tonische und phasische<br />

Wert der Hauttemperatur, wenn Ärger und Angst empfunden werden (Anhang V, Emotionstabelle).<br />

Dabei ist eine leichte Zeitverzögerung im Gegensatz zur elektrodermalen Aktivität zu konstatieren.<br />

Gemeinsam mit den beiden ersten Barriereindikatoren können im Idealfall wechselseitige Rück-<br />

schlüsse zwischen allen Barriereindikatoren gezogen werden. Es ist daher ein kausales Wirkungsge-<br />

flecht zwischen der Verringerung der Bewegungsgeschwindigkeit, der Zunahme der elektrischen Leit-<br />

-200 -100<br />

100 200<br />

0<br />

250 300 350 400 450 500<br />

Dauer (in Sekunden)


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

fähigkeit der Haut und der Verringerung der Hauttemperatur erkennbar. In Verbindung mit der zu-<br />

sätzlichen Verortung der so errechneten Stresspunkte, kann in der Regel auf mentale und somit<br />

räumliche Barrieren geschlossen werden. Die städtebauliche Analyse nach DIN-Normen kann diese<br />

räumliche Barriere dann entweder verifizieren oder erkennen lassen, dass außerhalb der DIN-<br />

Normen <strong>zum</strong>indest mentale Barrieren bestehen, welche es notwendig machen, den betreffenden<br />

Raum nochmals näher zu untersuchen.<br />

Weitere wichtige Anmerkungen zur Messung und der späteren Datenauswertung der Hauttempera-<br />

turveränderung werden im folgenden Abschnitt Technik - Smartband getätigt.<br />

Trotz der sehr großen Potenziale der Drei-Level-Analyse zur empirischen Identifikation stadträumli-<br />

cher Barrieren können dennoch Fehlerquellen ausgemacht werden. So können beispielsweise einma-<br />

lige externe Einflüsse wie beispielsweise spielende Kinder oder ein Anrempeln eines Passanten <strong>zum</strong><br />

Verharren des jeweiligen Probanden führen. Die Lösung dieses Problems stellt <strong>zum</strong> einen eine größe-<br />

re Probandenzahl zur statistischen Eliminierung dieser einmaligen Ereignisse oder eine zusätzlich<br />

Videoaufnahme durch eine unauffällige Kamera, welche das Blickfeld des Probanden aufnimmt, dar.<br />

Somit wäre eine vollkommen objektive und verbindliche Aussage auf Basis der empirischen Drei-<br />

Level-Analyse problemlos zu vollziehen.<br />

Technik<br />

Smartband<br />

Zur Aufzeichnung der autonomen Physiologie des menschlichen Organismus dient ein sogenanntes<br />

Smartband, welches eigens zur Datenaufnahme der Biosignale in Echtzeitstudien aus dem ambulato-<br />

rischen Assessment entwickelt wurde. Durch dessen Design und technischer Konstruktion erlaubt<br />

das Smartband multiple, zeitgleiche Aufzeichnungen der Änderungen der Körperfunktionen im Kon-<br />

text folgender Parameter:<br />

Elektrodermale Aktivität<br />

Hauttemperatur<br />

Pulsvolumen<br />

Triaxiale Beschleunigung<br />

Als wichtige Anmerkung zur späteren Messung der Hauttemperaturveränderung gilt folgender Sach-<br />

verhalt. „In seiner technischen Verschaltung verwendet das Smartband einen Thermistor, der auf<br />

Basis eines keramischen Widerstandes arbeitet. Dementsprechend führen höhere Temperaturen zu<br />

niedrigeren, elektrischen Widerstandswerten. Bei niedriger Temperatur steigt der elektrische Wider-<br />

stand des elektrischen Thermistors. Aufgrund dieser Verschaltung sind fallende Spannungsausgebe-<br />

werte als Indikator für wachsende Temperaturwerte anzusehen, wohingegen steigende Ausgabewer-<br />

te eine fallende Hauttemperatur anzeigen.“ 256 Dies bedeutet für die phasische Betrachtungsweise<br />

256 Papastefanou, Georgios (2010): Expertengespräch im August 2010.<br />

104


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

der Hauttemperatur, dass Werte über 0 ein Temperaturabfall, Werte unter 0 ein Temperaturanstieg<br />

bedeuten.<br />

Dieser Sachverhalt ist insbesondere bei der späteren Datenauswertung im Kontext der Teilkompo-<br />

nente der empirischen Raumbeobachtung im Rahmen der durchgeführten EmBaGIS-Studie von gro-<br />

ßer Bedeutung.<br />

Das Smartband wurde so konzipiert, dass es komfortabel und nahezu vom Anwender unauffällig eine<br />

lange Zeit am Handgelenk getragen werden kann. Zu diesem Zweck ist es aus elastischem Naturtextil<br />

besonders leicht konstruiert (siehe Abbildung 26).<br />

Abbildung 26: Smartband. Quelle: Eigene Aufnahme.<br />

Die einzelnen Biosensoren sind zwischen einem und 1500 Hertz frei einstellbar. Zudem ist eine 1-<br />

Gigabyte SD-Karte zur Datenaufzeichnung installiert, welche bequem durch nahezu jeden PC prob-<br />

lemlos eingelesen werden kann. Das Ausgabeformat des Smartbandes ist das gängige ASCII-Format.<br />

Dies ermöglicht die weitere Verarbeitung der Daten in vielen Softwareprogrammen. 257<br />

105<br />

GPS-Logger<br />

Der GPS-Logger ist die elementare Hardware zur Georeferenzierung der Ergebnisdaten der empiri-<br />

schen Drei-Level-Analyse. Der Proband kann den GPS-Logger während des Absolvierens der Route<br />

bequem in der Tasche tragen und liefert somit ebenfalls unauffällige kinetische sowie Ortungsdaten.<br />

Der GPS-Logger verfügt über verschiedene Berechnungsalgorithmen, die es ermöglichen aus den<br />

aufgezeichneten Koordinatendaten beispielsweise die Bewegungsgeschwindigkeit zu errechnen. Das<br />

Gerät kann eine Aufzeichnung der Datensätze in einem 1-Sekunden-Intervall darbieten. Hierdurch<br />

können GPS-Daten und Smartband sekundengenau verknüpft werden, um letztendlich für jedes Ko-<br />

ordinatenpaar die physiologische Reaktion aufzuzeigen. Der GPS-Logger liefert <strong>zum</strong> einen den 1.<br />

Barriereindikator in Form der Bewegungsgeschwindikeit und ermöglicht es zugleich die physiologi-<br />

schen Biosignale punktgenau zu verorten.<br />

257 Vgl. Internettaufritt von bodymonitor.de, aufgerufen unter: http://bodymonitor.de/pageID_5722318.html, abgerufen<br />

am 26.09.2010.


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

Abbildung 27: GPS-Logger. Quelle: Eigene Aufnahme.<br />

Das Ausgabeformat des GPS-Loggers ist das csv-Format. Dieses Format kann problemlos in Microsoft<br />

Excel oder ein Datenbanksystem zur weiteren Verarbeitung importiert werden. Die Daten gelangen<br />

über USB-Anschluss vom technischen Gerät <strong>zum</strong> PC.<br />

Software<br />

Zur Informationsverarbeitung der Smartband- und GPS-Logger-Daten bieten sich verschiedene Soft-<br />

wareprodukte an. Für die später durchgeführten Studien finden insbesondere die drei folgenden<br />

Programme ihre Anwendung:<br />

Datenanalyse-Tool<br />

STATA 10 ist ein Datenanalyse-Tool zur deskriptiven und induktiven Statistik. 258 Im Zusammenhang<br />

des EmBaGIS dient das Programm zur Bereinigung und Glättung der physiologischen Datensätze.<br />

Zudem stellt es die Datenverknüpfung zu den personenbezogenen GPS-Daten her. STATA 10 ermög-<br />

licht es in Verbindung mit der Festlegung der Barrieresektoren, diese den physiologischen und GPS-<br />

Daten zuzuordnen und zeitlich festzulegen, wann sich der Proband in welchem Sektor befunden hat.<br />

Durch statistische Auswertung können hierdurch Erkenntnisse zur Anzahl und Intensität der Stress-<br />

spitzen im jeweiligen Sektor gewonnen werden.<br />

Webprogramm zur Visualisierung von GPS-Daten<br />

Der GPS-Visualizer ist in erster Linie eine Webanwendung zur einfach Visualisierung eingegebener,<br />

georeferenzierte Daten. 259 Das Softwareprogramm ermöglicht es die physiologischen Individualda-<br />

ten, sofern sie bereits georeferenziert sind, in einer Google Earth Karte im 2D- oder 3D-Format zu<br />

visualisieren. Somit können stichprobenartig erste Eindrücke der voraussichtlichen Ergebnisse erzielt<br />

werden.<br />

258 Vgl. Internetauftritt von STATA, aufgerufen unter: http://www.stata.com/, abgerufen am 27.09.2010.<br />

259 Vgl. Internetauftritt des GPS-Visualizers, aufgerufen unter: http://www.gpsvisualizer.com/, abgerufen am 27.09.2010.<br />

106


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

107<br />

Geoinformationssoftware<br />

ArcGIS ist eine Standardsoftware zur Erstellung eines geographischen Informationssystems. Das Sys-<br />

tem bietet von der Datenbearbeitung, der Erstellung kartographischen Materials bis hin zur Erstel-<br />

lung von Modellen eine große Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten. 260<br />

Im EmBaGIS findet es seine Anwendung in der Aggregation der empirischen Einzelprofile. Hieraus<br />

kann eine Dichteberechnung der Stressreaktionen über alle Probanden generiert werden. ArcGIS<br />

dient ebenfalls der kompletten Darstellung sowie Erarbeitung aller beschriebenen Layer (siehe Kapi-<br />

tel 5.3.2 Grundlegende Layerstrukur des EmBaGIS) und kann in seiner technischen Ausgestaltung<br />

allen gestellten Basisanforderungen an das EmBaGIS als Geoinformationssystem (siehe Kapitel 5.4.2)<br />

entsprechen.<br />

5.5 Die Bedeutung des EmBaGIS für stadträumliche Planungsprozesse zur<br />

barrierefreien Stadt<br />

Das EmBaGIS als umfassendes Instrument sowie als aufgabenspezifisches, spezielles geographisches<br />

Informationssystem mit entsprechenden Sach- und Geometriedatenbanken soll die Bewertung von<br />

Flächen erleichtern und somit wichtige Entscheidungshilfen für die Stadtentwicklungsplanung liefern.<br />

Zum Einsatz in der Stadtentwicklungsplanung unterliegt ein geographisches Informationssystem be-<br />

stimmten Einsatzgebieten und damit verbunden bestimmten Anforderungen.<br />

Die Einsatzgebiete des emotionalen Barriere-GIS lassen sich in der Stadtentwicklungsplanung in ein<br />

4-Stufen-System einteilen: 261<br />

Stufe 1: Vorhaltung und Präsentation raumbezogener Informationen durch georeferenzierte<br />

Datenhaltung und kartographische Visualisierung<br />

a) Analytisch-konzeptionelles Arbeiten<br />

Durch das EmBaGIS lassen sich neue Konzepte und Strategien zur integrativen Stadtentwicklung vor-<br />

bereiten und durchführen. Zudem ist das Instrument fähig eine problembezogene, kleinräumige<br />

Struktur- und Standortanalyse zu vollziehen. Zusätzlich dient das EmBaGIS als Grundlage einer neuen<br />

innovativen Aufgabenstellung zur Verbesserung der Barrierefreiheit und somit auch der objektiven<br />

und subjektiven Lebensqualität.<br />

260<br />

Vgl. Internetauftritt von ESRI, aufgerufen unter: http://www.esri.com/products/index.html#arcgis_panel, abgerufen am<br />

27.09.2010.<br />

261<br />

Vgl. Schwarz-von Raumer (1999): GIS in der Stadtentwicklung: Stadtgeschichte und Stadtplanung als Kontext,<br />

Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und Fallbeispiele, Springer-<br />

Verlag, Berlin – Heidelberg, S. 8.


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

b) Strategisches Controlling<br />

Das Themenfeld des strategischen Controllings wird vor dem Hintergrund der Überprüfung der Ziel-<br />

erreichung immer bedeutender. Das EmBaGIS dient hier <strong>zum</strong> Controlling der stadtentwicklungspoli-<br />

tisch relevanten Zielvorstellung der Schaffung und Verbesserung der Barrierefreiheit im innerstädti-<br />

schen Lebensraum. Ebenfalls ist es durch das Instrument möglich, die rechtlich vorgegebenen DIN-<br />

Normen zur Schaffung von Barrierefreiheit in ihrer Qualität zu überprüfen. Es bietet sich zudem die<br />

Opportunität dar, die Folgewirkungen bestehender und durchgeführter Maßnahmen stichprobenar-<br />

tig abzufragen.<br />

c) Beratung, Betreuung und Begleitung<br />

Das EmBaGIS betreibt in diesem Zusammenhang auch ein Informationsmanagement. Inhaltlich heißt<br />

dies, dass hiermit dem Anspruch des Aufbaus, der Pflege und der Bereitstellung von Methoden und<br />

Instrumenten zur Informationsbeschaffung von Planungsinformationen Rechnung getragen wird.<br />

Dies wird durch die Bereitstellung fachlich-inhaltlicher und methodischer Planungsgrundlagen <strong>zum</strong><br />

Thema Barrierefreiheit und subjektives Wohlbefinden sinnvoll ergänzt. Zudem ist durch das EmBaGIS<br />

die Erarbeitung von Erhebungs- und Analysekonzepten zur barrierefreien Stadt bereits beinhaltet.<br />

Hierzu werden im Sinne von Barriereindikatoren sowie -Sektoren räumlich verortete Kennziffern<br />

geliefert.<br />

d) Koordination<br />

Die Koordinierungsfunktion innerhalb der Stadtentwicklungsplanung ist ebenfalls eine insbesondere<br />

prozesshafte Bedeutung zuzusprechen. Das EmBaGIS kann hierbei einen wichtigen Beitrag zur Koor-<br />

dination „der Raumbeobachtung bei EDV-mäßiger Aufbereitung, Fortführung und graphischer Um-<br />

setzung von Basisdaten sowie über die Verknüpfung von Geometrie und Katasterdaten mit Sachda-<br />

ten“ 262 leisten.<br />

Stufe 2 - Gezielte Nutzung der Verknüpfungs- und Analysemöglichkeiten von GIS<br />

„Die Verschneidung und die Puffergenerierung, aber auch die distanzbezogene, statistische und geo-<br />

statistische Auswertung der vorgehaltenen Informationen gehören zu den <strong>zum</strong> Einsatz kommenden<br />

GIS-Funktionalitäten.“ 263 Das EmBaGIS ist in seiner Ausstattung befähigt, verschiedene Analysestufen<br />

miteinander zu verschneiden. Dies geschieht beispielsweise bei der Festlegung und Ermittlung der<br />

georeferenzierten städtebaulichen und emotionalen Barrieresektoren. Eine individuelle Puffergene-<br />

rierung kann zusätzlich den Wahrnehmungsbereich einer Barriere sinnvoll erweitern. Zudem wird es<br />

durch Abfrage möglich sein, statistische Auswertungen beispielsweise der Stresspunkte je Sektor zu<br />

262 Schwarz-von Raumer (1999): GIS in der Stadtentwicklung: Stadtgeschichte und Stadtplanung als Kontext, Kilchenmann,<br />

André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und Fallbeispiele, Springer- Verlag, Berlin –<br />

Heidelberg, S.9.<br />

263 Ebenda.<br />

108


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

generieren. Diese Sachverhalte gelten im Sinne des EmBaGIS insbesondere für den Bereich der Pla-<br />

nungsvorbereitung.<br />

Stufe 3 - Externe Datenmodule zur Erweiterung der Informationsgewinnung innerhalb des<br />

geographischen Informationssystems<br />

Die Informationsgewinnung kann zusätzlich durch externe Module die komplette Datengrundlage<br />

deutlich bereichern. Im EmBaGIS ist das Verwenden externer Module in Form des Smartbandes und<br />

des GPS-Logger nicht wegzudenken. Das geographische Informationssystem dient vielmehr als Da-<br />

tenspeicher, -Verarbeiter sowie –Visualisierer und Benutzerschnittstelle für externe Module. 264<br />

Stufe 4 - Herbeiführung einer aktiven Planungsunterstützung als Ziel des GIS-Einsatzes<br />

Die nunmehr letzte Stufe des GIS-Einsatzes in der Stadtentwicklungsplanung ist dann erreicht, wenn<br />

das verwendete geographische Informationssystem nicht nur zur Planungsvorbereitung eingesetzt<br />

wird, sondern eine entscheidende Rolle in der direkten Planungsunterstützung einnimmt. Dieser<br />

Anspruch trifft auf das EmBaGIS voll zu und stellt den wichtigsten Punkt in der Anwendung des In-<br />

struments dar. Die inhärente Entscheidungsfindung hinsichtlich der Verbesserung der Barrierefreiheit<br />

wird durch das EmBaGIS konkret herbeigeführt. Der Realisierung dieser Stufe sind logischerweise die<br />

Ansprüche an die Raumbeobachtung und –Bewertung vor dem Hintergrund von Nachhaltigkeitszie-<br />

len in der Stadtentwicklungsplanung vorausgesetzt. 265 Das EmBaGIS erfüllt auch diese Kriterien, in-<br />

dem es für eine nachhaltige Stadtentwicklung in der Thematik der barrierefreien Stadt Sorge trägt.<br />

Als weiteres nachhaltiges Herausstellungsmerkmal offenbart sich hierbei die Verknüpfung von Top-<br />

Down- und Bottom-Up-Ansatz und in diesem Sinne die aktive Beteiligung betroffener Bürger durch<br />

den Instrumenteneinsatz des EmBaGIS. Somit empfiehlt es sich, das Instrument im Bereich der in-<br />

formellen Planung logisch einzubinden.<br />

5.6 Zwischenfazit: EmBaGIS als innovatives Produkt einer nachhaltigen<br />

Stadtentwicklung<br />

Zusammenfassend hat sich das emotionale Barriere-GIS allen Anforderungen, gleichwohl den grund-<br />

sätzlichen Anforderungen an Bewertungs- und Entscheidungsmethoden, den Basisanforderungen an<br />

die Etablierung eines geographischen Informationssystem sowie den spezifischen Anforderungen zur<br />

264 Vgl. Schwarz-von Raumer (1999): GIS in der Stadtentwicklung: Stadtgeschichte und Stadtplanung als Kontext,<br />

Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und Fallbeispiele, Springer-<br />

Verlag, Berlin – Heidelberg, S.10.<br />

265 Vgl. Ebenda.<br />

109


Emotionales Barriere-GIS“ EmBaGIS – ein neues Instrument zur Identifikation &<br />

Optimierung stadträumlicher Barrieren Kapitel 5<br />

empirischen Identifikation stadträumlicher Barrieren, gestellt. Zudem profitiert es von zentralen Er-<br />

kenntnissen und Kritiken bisheriger Studien zur emotionalen Stadtkartierung.<br />

Neue Denkweisen und die entscheidende Verknüpfung von subjektiver Lebensqualitätsforschung<br />

sowie der Emotionsforschung haben es erst ermöglicht, ein vielschichtiges Instrument zur Identifika-<br />

tion und Bewertung stadträumlicher Barrieren zu entwickelt. Der Rahmen der einzelnen Methoden-<br />

ansätze innerhalb des EmBaGIS bildet das mehrstufige Phasenmodell, welches einen idealisierten<br />

Planungsablauf von Planungsanlass und Planungsziel über spezifische Top-Down- und Bottom-Up-<br />

Ansätze hin zu einer möglichen Optimierung des festgelegten Untersuchungsraumes darstellt. In der<br />

Entwicklung des mehrstufigen Phasenmodells zur methodischen Fundierung des EmBaGIS wird indes<br />

Wert auf eine klare, transparente und nachvollziehbare Struktur gelegt.<br />

Der klassisch planerische Top-Down-Ansatz wird durch die städtebauliche Bestandsaufnahme und –<br />

Analyse verwirklicht, welche in städtebauliche Barrieresektoren nach DIN-Norm münden. Eine neue<br />

Herangehensweise ist durch die Integrierung der empirischen Studie zur mentalen Belastung der<br />

jeweiligen Betroffenengruppe durch die Anwendung des psychophysiologischen Monitorings, der<br />

geeignetsten Methode zur Feststellung von affektiven Moment-zu-Moment Emotionen, zu Tage ge-<br />

treten. In diesem Kontext ist ein weiteres Novum des Instrumentes die empirische Drei-Level-<br />

Analyse, welche es ermöglicht, kinetische, elektrodermale und kardiovaskuläre Daten zu einem drei-<br />

stufigen System von Barriereindikatoren zusammenzufassen. Diese Drei-Level-Analyse gibt bei<br />

gleichzeitiger Positionsverortung des Probanden einen entscheidenden Hinweis auf stadträumliche<br />

Barrieren, welche durch den Begriff der emotionalen Barrieresektoren als Ergebnis gekennzeichnet<br />

sind. Zur letztendlichen Validierung der gewonnenen Daten findet eine Vergleichsanalyse des klassi-<br />

schen Top-Down-Ansatzes und des empirischen Bottom-Up-Ansatzes statt, um daraus Schlüsse auf<br />

die vorhandene, barrierespezifische Ausstattung des Untersuchungsraums zu schließen. Die hieraus<br />

resultierende städtebauliche Optimierung ist in Verbindung mit behandelten DIN-Normen nahezu<br />

Formsache.<br />

Die klare Struktur des methodischen Aufbaus des EmBaGIS befähigt indes, eine grundlegende<br />

Layerstruktur zur Implementierung des Instruments in eine GIS-Software zu vollziehen. Auch dieser<br />

Aspekt ist auf theoretischer Basis abgehandelt worden.<br />

Das emotionale Barriere-GIS liefert somit einen vielschichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung<br />

einer barrierenfreien Stadt. Dies stellen die weitreichenden Einsatzgebiete des EmBaGIS in der integ-<br />

rativen Stadtentwicklungsplanung im Vollzug von Planungsvorbereitung und der konkreten Entschei-<br />

dungsebene sicher. Das Instrument siedelt sich demnach im Bereich der informellen Planungsprozes-<br />

se an, da eine formelle Verpflichtung zur allgemeinen Methodenwahl in der Planung nicht besteht.<br />

Besonders hervorzuheben ist die nachhaltige Befähigung einer aktiven Beteiligung mobilitätseinge-<br />

schränkter und behinderter Menschen durch das Instrument. Dies genügt nicht nur dem Trend des<br />

demographischen Wandels einer immer älter werdenden Bevölkerung, sondern auch der konzen-<br />

trierten politischen Forderung nach mehr Barrierefreiheit in den Innenstädten als wichtigster urbaner<br />

Lebens- und Begegnungsraum.<br />

110


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

EmBaGIS – mehr als nur eine Methode – leistet in diesem Sinne einen wichtigen Beitrag zur integrati-<br />

ven Stadtentwicklung und bietet neue Chancen zur Verbesserung der subjektiven Lebensqualität<br />

mobilitätseingeschränkter und behinderter Menschen.<br />

111


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Kapitel 6<br />

Empirische Untersuchungen zur<br />

Anwendung des EmBaGIS<br />

EmBaGIS-Studie<br />

„Innerstädtische Raumerfahrung und mentale<br />

Belastung in der Fußgängerzone von gehbehin-<br />

derten Menschen“


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />

Kapitel 6 - Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS<br />

Die Entwicklung des Instrumentes des EmBaGIS bildet zunächst die theoretische Basis stadträumliche<br />

Barrieren punktgenau identifizieren und bewerten zu können. Das EmBaGIS sieht sich nun der Her-<br />

ausforderung gegenüber, praktisch erprobt zu werden. Im Rahmen der Forschungsarbeit sind daher<br />

zwei empirische Studien durchgeführt worden. Die erste umfassende Studie zur praktischen Erpro-<br />

bung des EmBaGIS wird im folgenden Verlauf des Kapitels durchgehend vorgestellt.<br />

Im Vorfeld der ersten tatsächlichen EmBaGIS-Studie wurde anlässlich des „Europaweiten Aktionsta-<br />

ges der Menschen mit Behinderung“ <strong>zum</strong> 08. Mai 2010 eine Vorstudie durchgeführt. Diese Vorstudie<br />

hatte <strong>zum</strong> Zweck, den Einsatz des psychophysiologischen Monitorings erstmals im Kontext behinder-<br />

ter Menschen zu testen. Die sogenannte Vorstudie „Innerstädtische Raumerfahrung und mentale<br />

Belastung von blinden Menschen in der Fußgängerzone“ wurde vom Leibniz-Institut GESIS in Mann-<br />

heim in Kooperation mit dem Referat für Stadtentwicklung der Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> und in Unterstüt-<br />

zung des Lehrstuhls „Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden (CPE)“ der Technischen<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Kaiserslautern</strong> durchgeführt. Im Rahmen dieser Vorfeldaktion wurde ebenfalls eine Pres-<br />

semitteilung mit ersten Ergebnissen angefertigt, welche der Fachpresse zur weiteren Verwendung an<br />

die Hand gegeben wurde. (siehe Anhang VI).<br />

Hieraus wurden insbesondere Erkenntnisse <strong>zum</strong> Ablauf und zur Organisation einer solchen Studie<br />

gewonnen, welche in die eigentlich erste umfassende Studie des EmBaGIS mit eingegangen sind.<br />

6.1 EmBaGIS-Studie: „Innerstädtische Raumerfahrung und mentale Belastung<br />

in der Fußgängerzone von gehbehinderten Menschen“<br />

Die Wahrnehmung und Raumerfahrung behinderter Menschen im innerstädtischen Lebensraum<br />

dient für die Stadtplanung im Rahmen der Barrierefreiheit als empirische Grundlage, entweder eine<br />

Veränderung der vorherrschenden Situation vorzunehmen oder sie zu belassen. Die Studie zur inner-<br />

städtischen Raumerfahrung gehbehinderter Menschen in der Fußgängerzone wird eigens zur Erpro-<br />

bung des EmBaGIS initiiert und soll diese Aspekte der mutmaßlichen Veränderung auffassen und<br />

begründen.<br />

6.1.1 Deskription und Design der Studie<br />

Die Studie verfolgt die Zielrichtung, die mentale Belastung, sprich den Stress, von gehbehinderten<br />

Menschen beim Weg durch die Fußgängerzone zu testen und dabei die Methodik des EmBaGIS in<br />

einer ersten Erprobung umfassend anzuwenden.<br />

Als Zielgruppe wird die Gruppe der gehbehinderten Menschen definiert. Sie stellt vordergründig die<br />

zahlreichste Zielgruppe der Menschen mit Behinderung in der Innenstadt dar. Nicht nur die Anzahl<br />

112


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

der gehbehinderten Menschen ist unter allen Behinderungstypen am größten. Sie treffen auch auf<br />

eine Vielzahl baulicher Barrieren, die es zu identifizieren gilt. Es sollten daher Aspekte wie Bodenbe-<br />

läge, Ampel-Querungsanlagen, Steigungen und Gefälle sowie Rampen und Treppen als Barrieren in<br />

die Studie eingehen.<br />

Bewusst wurde auch die Fußgängerzone als Untersuchungsraum gewählt. Die Fußgängerzone ist<br />

jener innerstädtische Lebensraum, in welchem eine hohe soziale Interaktion vollzogen, der tägliche<br />

Einkauf getätigt, die Freizeit verbracht, gearbeitet oder Kultur genossen wird. Um diese Ansprüche<br />

auch für behinderte Menschen erfüllen zu können, muss insbesondere die Fußgängerzone als ver-<br />

kehrsberuhigter Bereich barrierefrei gestaltet werden.<br />

Das Design der Studie lässt sich ganz von der Methodik des EmBaGIS leiten. Nach Klärung des Pla-<br />

nungsanlasses und des –Ziels wird der Untersuchungsraum festgelegt. Daraufhin erfolgt der klassisch<br />

planerisch Top-Down-Ansatz zur Identifikation stadträumlicher Barrieren durch eine städtebauliche<br />

Bestandsaufnahme und –Analyse. Die gewonnenen Ergebnisse münden in städtebaulichen Barriere-<br />

sektoren innerhalb des Untersuchungsraumes. Parallel hierzu wird die empirische Studie zur inner-<br />

städtischen Raumerfahrung und mentalen Belastung von gehbehinderten Menschen in der Fußgän-<br />

gerzone als Bottom-Up-Ansatz durchgeführt. Die akquirierten Probanden gehen dabei eine festgeleg-<br />

te Route im Untersuchungsraum ab, wobei ihre Emotionen von Moment-zu-Moment durch das<br />

Smartband aufgezeichnet sowie durch den GPS-Logger verortet werden (siehe Kapitel 5.4.3 Technik).<br />

In der späteren Datenauswertung erfolgt die Durchführung der empirischen Drei-Level-Analyse zur<br />

personenbezogenen Identifikation von verorteten Stressreaktionen auf der Route. Diese Ergebnisse<br />

münden wiederum in Barrieresektoren; in diesem Fall den emotionalen Barrieresektoren. Nach Ver-<br />

gleich der Ergebnisse des Top-Down- und Bottom-Up-Ansatzes wird in der Entscheidungsphase die<br />

gewonnenen Barriereaussagen abschließend bewertet und einer städtebaulichen Optimierung zuge-<br />

führt, wodurch ein Maßnahmenkatalog zur Schaffung der Barrierefreiheit erstellt werden kann.<br />

6.1.2 Planungsanlass und –Ziel<br />

Zum einen lässt sich der Planungsanlass durch die stetig voranschreitende Überalterung im Zuge des<br />

demographischen Wandels herleiten. Die Bevölkerung wird mit zunehmendem Alter mobilitätseinge-<br />

schränkter werden und weist daher oftmals die gleichen Eigenschaften wie gehbehinderte Menschen<br />

auf. Zum anderen ist die Zielgruppe der gehbehinderten Menschen die stärkste vertretene Gruppe<br />

unter allen Menschen mit Behinderung, gleichwohl diese Behindertengruppe verschiedenste Aus-<br />

formungen enthält und technischer Hilfsmittel, wie Rollstuhl oder Gehhilfen, bedarf. Insbesondere<br />

der Raum Innenstadt und konkret die Fußgängerzone, wie eingangs beschrieben, befindet sich in der<br />

Schnittstelle der alltäglichen Lebensabläufe, wie Einkaufen, Wohnen, Freizeit, Arbeiten sowie soziale<br />

Interaktion. Daher ist es auch in diesem Sinne Planungsanlass, auf die besonderen Ansprüche an die-<br />

sen Raum einzugehen. Dabei spielt natürlich die Barrierefreiheit eine enorm große Rolle.<br />

113


Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />

Diese vielschichtigen Planungsanlässe lassen sich auf ein Planungsziel hinführen – die Schaffung von<br />

Barrierefreiheit und somit auch die Verbesserung des Lebensqualitätsempfindens betroffener Men-<br />

schen.<br />

6.1.3 Festlegung des Untersuchungsraums<br />

Das Instrument des EmBaGIS ist im Kontext der Barrierefreiheit insbesondere auf innerstädtische<br />

Barrieren für mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen spezialisiert. Zu diesem Anlass<br />

wird als Untersuchungsraum ein Teil der Fußgängerzone der Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> gewählt (siehe Ab-<br />

bildung 28). Der Untersuchungsraum erfüllt determinierte Anforderungen. Er beinhaltet vielerlei<br />

offensichtliche Barrieren, welche ebenfalls durch die DIN-Normen erfasst werden können (siehe Ka-<br />

pitel 2.4.3 Instrumentarium zur Reduzierung von Barrieren in der Stadtplanung), sich aber auch durch<br />

das menschliche Auge als Barrieren leicht erschließen lassen. Dazu zählen sich verändernder Boden-<br />

belag, eine Ampel-Querungsanlage, Steigungen, Gefälle, Treppen und eine Rampe. Diese Barrieren<br />

bieten sich vor allem im Zusammenhang gehbehinderter Menschen an. In der Regel haben diese<br />

Barrieren einen flächenhaften Charakter; wie etwa Kopfsteinpflaster, welcher sich über eine be-<br />

stimmte Länge innerhalb des Untersuchungsraums erstreckt und von den Probanden auf einer aus-<br />

gesuchten Wegestrecke zu bewältigen ist (siehe Abbildung 28).<br />

Abbildung 28: Untersuchungsraum und Wegestrecke der Probanden zur Studie. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

114


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

6.1.4 Städtebauliche Barriereverortung und Einteilung nach Barrieresektoren<br />

Zur Verfestigung des Top-Down-Ansatzes wird in einem ersten Schritt der festgelegte Untersu-<br />

chungsraum einer zielgruppenorientierten, barrierespezifischen städtebaulichen Bestandsaufnahme<br />

und Analyse unterzogen. Die Bestandsaufnahme erfolgt zunächst visuell, sprich vor Ort und mit Bil-<br />

dern belegt. Im weiteren Vorgehen wird der Untersuchungsraum in Verbindung mit den behandelten<br />

DIN-Normen <strong>zum</strong> barrierefreien Bauen abgeglichen und kartographisch verortet. Es ist die Zielrich-<br />

tung vorgegeben, aus den gewonnenen Erkenntnissen der Bestandsaufnahme, erkannte stadträumli-<br />

che Barrieren innerhalb einer darauffolgenden Analyse städtebaulichen Barrieresektoren zuzuführen.<br />

Die Verortung der Barrieren und Barrieresektoren erfolgt in dieser ersten Erprobung des EmBaGIS<br />

rein kartographisch, kann aber problemlos in ein Geoinformationssystem durch Georeferenzieren<br />

des Kartenmaterials übertragen werden.<br />

Die städtebauliche Bestandsaufnahme und –Analyse ist wie bereits berichtet auf kartographischem<br />

Wege geschehen. Die ausführlichen Darstellungen sind in Anhang VII, VIII und IX enthalten. An dieser<br />

Stelle werden die Inhalte der barrierespezifischen Bestandsaufnahme in Auszügen kurz zusammenge-<br />

fasst und mit Bildern belegt. Gleichzeitig erfolgt eine Einteilung in städtebauliche Barrieresektoren<br />

(siehe Abbildung 29 und Anhang IX), welche in einem späteren Schritt mit den zu bildenden emotio-<br />

nalen Barrieresektoren überlagert werden.<br />

Abbildung 29: Städtebauliche Analyse nach städtebaulichen Barrieresektoren. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

115


Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />

Sektor 1 – Westfront Stiftskirche<br />

Abbildung 30: Untersuchungsraum in westlicher Front der Stiftskirche und Gesamtaufnahme Sektor 1. Quelle: Eigene Dar-<br />

stellung und eigene Aufnahme.<br />

Der erste Bereich (siehe Abbildung 30) in westlicher Front der Stiftskirche markiert auch zugleich den<br />

Startpunkt der Wegestrecke der empirischen Studie. Der Untersuchungsraum (hier durch gestrichelte<br />

Linie umrandet) beinhaltet eine großflächig braune Schraffur und eine kleinflächig gelbe Schraffung.<br />

Erste Schraffur beschreibt einen heterogenen Bodenbelag, welcher sich abwechselnd als flächigen<br />

Kopfsteinpflaster, sowie flächigen Betonpflasterstein definiert. Insbesondere der Kopfsteinpflaster-<br />

belag ist im Sinne der DIN 18024 Teil 1 (siehe Anhang IV Oberflächenbeschaffenheit von Bewegungs-<br />

und Begegnungsflächen) als Barriere diskutiert. Demnach muss die Oberflächenbeschaffenheit bei<br />

„jeder Witterung leicht, erschütterungsarm und gefahrlos begeh- und befahrbar sein.“ 266 Diese Vor-<br />

gaben sind jedoch bei traditionellem Kopfsteinpflaster selten zutreffend, da es meist durch zu große<br />

Zwischenfugen schwerlich zu überwinden sowie durch die kleinteilige Steinbesetzung bei Überfahrt<br />

mit dem Rollstuhl kaum erschütterungsfrei ist und selbst bei schlechter Witterung Rutschgefahr<br />

durch glatte, abgelaufene Oberflächen droht.<br />

Die gelbe Schraffur stellt dagegen die gastronomische Außenbestuhlung dar, welche von gehbehin-<br />

derten als erkannte Barriere zu umfahren ist.<br />

266 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/din18024-1-<br />

flaechen.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />

116


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Sektor 2 – Oberer Bereich der Marktstraße bis Ampel-Querungsanlage Spittelstraße<br />

Abbildung 31: Untersuchungsraum oberer Bereich der Marktstraße bis Spittelstraße und Detailaufnahme von Süden. Quel-<br />

le: Eigene Darstellung und eigene Aufnahme.<br />

Der nächste Bereich (siehe Abbildung 31), welcher sich in nördlicher Richtung anschließt, unter-<br />

scheidet in einem Gesichtspunkt vom ersten Bereich. Zu dem abwechselnden Bodenbelag und den<br />

Negativeigenschaften des Kopfsteinpflasters fügen sich großflächige Bodenwellen hinzu, welche für<br />

noch mehr Erschütterung und unvorteilhaften Schwerpunktverlagerungen von Rollstuhlfahrern und<br />

anderen gehbehinderten Menschen sorgen. Dieser Sachverhalt kollidiert ebenfalls mit dem vorgege-<br />

benen Quergefälle von Gehwegen (siehe Anhang IV Gefälle und Fußgängerüberweg), welches nicht<br />

mehr als 2% betragen darf. Dieser Wert wird kleinteilig, aber spürbar, überschritten.<br />

Sektor 3 - Ampel-Querungsanlage Spittelstraße<br />

Abbildung 32: Ampel-Querungsanlage Spittelstraße und Gesamtaufnahme Sektor 3 von Südwest. Quelle: Eigene Darstel-<br />

lung und eigene Aufnahme<br />

Als dritten Teilbereich lässt sich die Ampel-Querungsanlage der Spittelstraße definieren. Die Ampel-<br />

Querung ist eine Doppelampelanlage mit mittig befindlicher Verkehrsinsel. Die Spittelstraße ist 4-<br />

spurig und gleichzeitig als Bundestraße deklariert. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Grö-<br />

ße der Verkehrsinsel. Laut DIN-Norm muss die Verweilfläche auf Schutzinseln oder Fahrbahnteilen<br />

117


Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />

von Hauptverkehrsstraßen mindestens 400cm Breite und 250cm Tiefe vorweisen (siehe Anhang IV<br />

Flächen). Dies ist im Fall der Verkehrsinseln auf der Bundesstraße 37 zutreffend. Die Verweilfläche<br />

auf der Verkehrsinsel ist 10,20m breit und 3,50m tief.<br />

Ein weiteres Kriterium zur Barrierefreiheit ist der abgesenkte Bordstein (mind. 3cm zur Straßenober-<br />

fläche), welcher sich noch wahrnehmbar an das Niveau der Straße anpasst, aber nicht komplett auf<br />

ein Nullniveau abgesenkt ist.<br />

Zudem erscheint die Dauer der Ampelschaltung bereits für Normal-Gehende recht kurz. Die Ampel-<br />

Querungsanlage verfügt über ein akustisch wahrnehmbares Signal für Rot- und Grünphasen, besitzt<br />

jedoch keine Bodenindikatoren und Aufmerksamkeitsfelder für sehbehinderte und blinde Menschen<br />

(siehe 2.4.3.2 DIN 32984 Bodenindikatoren im öffentlichen Verkehrsraum).<br />

Sektor 4 - Martinsplatz – Steinstraße (bis Kreuzung Engelsgasse)<br />

Abbildung 33: Bereich Martinsplatz - Steinstraße und Aufnahme Sektor 4 mit Blick auf den Martinsplatz von Südwest. Quel-<br />

le: Eigene Darstellung und eigene Aufnahme.<br />

Die Rückkopplung mit der parallel durchgeführten emotionalen Barriereverortung hat aufgrund der<br />

stark von der Wegestrecke abweichenden GPS-Signale ergeben, dass der Sektor 2 von der Ampel-<br />

Querungsanlage Spittelstraße bis zur Kreuzung Steinstraße-Engelsgasse zu definieren ist. Ähnlich wie<br />

in Sektor 2 wechseln sich hier Kopfsteinpflaster und Betonpflastersteine ab. Im oberen Bereich des<br />

Sektors 4 sind zudem kleinere Flächen komplett mit Asphalt belegt.<br />

Das Gelände steigt von der Ampel-Querungsanlage bis hin zur Kreuzung Steinstraße-Engelsgasse<br />

leicht an, befindet sich aber noch klar in der Norm, sodass keine ebenen Verweilflächen <strong>zum</strong> Ausru-<br />

hen von gehbehinderten Menschen geschaffen werden müssen.<br />

Im Bereich des Martinsplatzes und dem Beginn der Steinstraße gliedert sich zusätzlich Außenbestuh-<br />

lung verschiedener Gastronomie an, was eine bedingte Verengung der Fußgängerzone zur Folge hat.<br />

118


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Sektor 5 - Engelsgasse<br />

Abbildung 34: Bereich Engelsgasse und Gesamtaufnahme Sektor 5 von Norden. Quelle: Eigene Darstellung und eigene<br />

Aufnahme.<br />

Die Engelsgasse weist ein durchgehendes Kopfsteinpflaster (flächiges braun in Abbildung 34) auf,<br />

welches bereits in Sektor 1 diskutiert wurde. Das Gelände steigt in diesem Bereich zudem deutlich an<br />

und besitzt auf einer Länge von 50m ein Höhenunterschied von ca. 2m (durch Steigungssymbol dar-<br />

gestellt). Dies spricht für einen Steigungsgrad von ca. 4% und ist somit eine für gehbehinderte Men-<br />

schen noch akzeptable Steigung.<br />

Sektor 6 - Klosterstraße bis Kirche St. Martin<br />

Abbildung 35: Bereich Klosterstraße bis Martinsplatz und Gesamtaufnahme Sektor 6 von Osten. Quelle: Eigene Darstellung<br />

und eigene Aufnahme.<br />

Der Sektor 6 stellt sich ähnlich wie Sektor 5 dar, nur mit dem Unterschied, dass dieser Sektor diesmal<br />

ein Gefälle von ebenfalls ca. 4% aufweist. Das Gefälle ist für gehbehinderte Menschen sicherlich<br />

problematischer als die vorhergehende Steigung, da sie in diesem Bereich einer stetigen Beschleuni-<br />

gung ausgesetzt sind. Sie müssen bevor sie zu schnell gehen oder zu schnell mit dem Rollstuhl fahren,<br />

was beides zu Sturzgefahr führen kann, stetig abbremsen. Zudem ist das Kopfsteinpflaster auch in<br />

diesem Bereich durch jahrelange Bodenbewegungen wellig veranlagt.<br />

119


Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />

Sektor 7 - Frontportal Kirche St. Martin<br />

Abbildung 36: Frontportal der Kirche St. Martin und Gesamtaufnahme Sektor 7 von Norden. Quelle: Eigene Darstellung und<br />

eigene Aufnahme.<br />

Um den Zugang zur Kirche St. Martin auch für behinderte Menschen zu gewährleisten, wurden eine<br />

Rampe einerseits sowie abgesenkte Treppenstufen andererseits installiert. Die Rampe darf gemäß<br />

der DIN-Norm maximal ein Steigungsgrad von 6% besitzen (siehe Anhang IV Treppen, Rampen, Auf-<br />

zug). Dies ist für die vorliegende Rampe nicht der Fall. Die Rampe weist auf einer Länge von 2,50m<br />

ein Höhenunterschied von ca. 42cm auf. Daraus folgt, dass der Steigungsgrad ca. 16% beträgt und die<br />

Rampe, gemäß der Norm, 7m lang sein müsste. Aus eigener Kraft dürfte diese Rampe also nicht von<br />

Rollstuhlfahrern zu bewältigen sein. Hierdurch ist keine Bremssicherheit, geschweige denn ein aus-<br />

reichender Schutz vor Umkippen, gegeben.<br />

Die Treppenanlage verfügt für gehbehinderte Menschen, welche nicht auf den Rollstuhl angewiesen<br />

sind, über einen ausreichenden Handlauf, welcher aber auch für die Gegenseite empfohlen wird, um<br />

auch ein Abstieg der Treppen sicher zu gewährleisten. Die Treppenhöhe ist mit 13cm im Gegensatz<br />

zu normalen Treppen mit ca. 17cm Höhe schon deutlich abgesenkt. Auch der Auftritt mit über 80cm<br />

ist barrierefrei gestaltet, sodass ein sicheres Stehen zwischen den Einzeltreppen gewährleistet ist.<br />

6.1.5 Emotionale Barriereverortung<br />

Die emotionale Barriereverortung beschreibt sinngemäß die eigentliche empirische Studie zur Erfas-<br />

sung der mentalen Belastung im Kontext stadträumlicher Barrieren. Nach Entscheid zur Anwendung<br />

des Instruments EmBaGIS müssen zielgruppenspezifisch Probanden akquiriert werden. Im Zusam-<br />

menhang der vorliegenden Studie betrifft dies gehbehinderte und mobilitätseingeschränkte Men-<br />

schen, gleich ob diese an den Rollstuhl gebunden sind, eine Gehhilfe benötigen oder aufgrund ihres<br />

höheren Alters mobilitätseingeschränkt sind. Die Probandenakquise ist in der vorliegenden Studie<br />

durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit geschehen. Dies umfasst eine enge Kooperation mit dem<br />

Referat für Stadtentwicklung der Stadt <strong>Kaiserslautern</strong>, dem Arbeitskreis „Barrierefreie Stadt Kaisers-<br />

lautern“ und Öffentlichkeitsauftritte in weiteren Institutionen und Interessensverbänden. Zu diesem<br />

Anlass ist es notwendig, entsprechendes Präsentationsmaterial zur Zielsetzung der Studie zusam-<br />

120


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

menzutragen und vorzustellen. Zur konkreten Betroffenenaktivierung und –Motivation wird eigens<br />

ein Flyer mit wichtigen Informationen zur Studie, einem Aktivierungsschreiben und Kontaktdaten<br />

geliefert (siehe Anhang X Flyer zur Bürgeraktivierung).<br />

Konkrete Aussagen zur Durchführung der Studie sowie alle personenbezogenen Daten der teilneh-<br />

menden Probanden werden in der Stichprobe zur emotionalen Datenaufnahme gesammelt und dar-<br />

gestellt. Die während der Studie durch Smartband und GPS-Logger gesammelten kinetischen und<br />

physiologischen Individualdaten werden dann einer Auswertung nach georeferenzierten Stressreak-<br />

tionen unterzogen. Dabei werden in dieser ersten Erprobung des EmBaGIS zunächst auf Grundlage<br />

der städtebaulichen Barrieresektoren (siehe Kapitel 6.1.4 Städtebauliche Barriereverortung und Ein-<br />

teilung nach Barrieresektoren) die Ergebnisse in emotionalen Barrieresektoren festgehalten. Die Ver-<br />

ortung der Stressreaktion erfolgt demnach flächenbezogen und nicht punktgenau, da auch die Barri-<br />

eren für gehbehinderte Menschen meist einen flächenhaften Charakter besitzen (siehe Kapitel 6.1.3<br />

Festlegung des Untersuchungsraums).<br />

6.1.5.1 Stichprobe zur emotionalen Datenaufnahme<br />

Die Stichprobe dient der Aufnahme stressbezogener Individualdaten zur Verwirklichung des Bottom-<br />

Up-Ansatzes innerhalb des EmBaGIS. An der EmBaGIS-Studie „Innerstädtische Raumerfahrung und<br />

mentale Belastung in der Fußgängerzone von gehbehinderten Menschen“ haben insgesamt 21 Pro-<br />

banden aus dem Umkreis von <strong>Kaiserslautern</strong> teilgenommen. Die Ortskenntnis der Probanden war<br />

dabei größtenteils begrenzt, sodass mit einem geringen Grad an Voreingenommenheit der vorgege-<br />

bene Untersuchungsraum begangen werden konnte.<br />

Die EmBaGIS-Studie ist an zwei sonnigen Wochentagen, jeweils über den ganzen Tag, durchgeführt<br />

worden.<br />

Die Probanden waren zu 66,7% männlich (n=14) und zu 33,3% weiblich (n=7). Das Durchschnittsalter<br />

aller Probanden beträgt 47,2 Jahre. 14,3% (n=3) der Probanden waren aufgrund ihres höheren Alters<br />

mobilitätseingeschränkt. 19% (n=4) wiesen eine Gehbehinderung auf. Einen konventionellen Roll-<br />

stuhl nutzten 42,9% (n=9) aller Probanden. Einen Rollstuhl mit Elektroantrieb wurde von 23,8% (n=5)<br />

in Anspruch genommen. 52,4% (n=11) der Probanden wiesen zu ihrer Körperbehinderung zudem<br />

eine geistige Behinderung auf.<br />

Die Probanden wurden in der Regel nach der Ausgabe eines Handouts mit Wegbeschreibung (siehe<br />

Anhang XI Protokollblatt zur Studiendurchführung) selbstständig auf die Wegstrecke geschickt, sodass<br />

eine äußere Emotionsbeeinflussung und künstliches Sicherheitsgefühl von Begleitpersonal umgangen<br />

werden konnte. Das ausgegebene Protokollblatt enthielt neben der Wegbeschreibung, ebenfalls ein<br />

Blatt zur Aufnahme personenbezogener Daten sowie <strong>zum</strong> Festhalten der verwendeten Gerätenum-<br />

mern. Das Protokollblatt beinhaltete zudem einen Fragebogen <strong>zum</strong> momentanen Befinden, welcher<br />

zur weiteren Datenvalidierung dienen sollte. Ein Suchbildtest mit gleichem Schwierigkeitsgrad sollte<br />

zusätzlich Aufschluss über eine mögliche mentale Ermüdung, welche durch das Absolvieren der Weg-<br />

strecke erlitten wird, Aufschluss geben. Der Befindlichkeitsfragebogen sowie der Suchbildtest waren<br />

121


Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />

von den Probanden aufgrund oftmals vorhandener geistiger Behinderung nicht selbst ausgefüllt wor-<br />

den und wurden somit in der Datenauswertung nicht weiter berücksichtigt. Letztendlich war dem<br />

Protokollblatt die Frage angefügt, ob dem Probanden für ihn besonders schwierige Stellen in Erinne-<br />

rung geblieben sind. Dieser Befragungsansatz wurde zur Validierung der Ergebnisse verwendet, soll<br />

aber in späteren Studien aufgrund der grundsätzlichen Nachteile der Selbstberichtung (siehe Kapitel<br />

3 und 4) wegfallen.<br />

Die Abfrage nach besonders schwierigen Stellen auf der Wegstrecke hat ergeben, dass vor allem der<br />

Bodenbelag insgesamt (n=4), die Treppenanlage (n=3) und die Rampe (n=2) in Sektor 7, die heraus-<br />

stehenden Gullydeckel in Sektor 2 (n=2), die Ampel-Querungsanlage in Sektor 3 (n=2) sowie, jeweils<br />

mit einer Nennung, die unebene Strecke (Sektor 2), die Bordsteine (Sektor 3) und das Geländer (Sek-<br />

tor 7), als schwierig empfunden wurden.<br />

Der Idealablauf des selbstständigen Absolvierens der Wegstrecke stellte sich in der Praxis in abhängig<br />

der akquirierten Probanden problematisch dar, da sich einige der Probanden aus Sicherheitsgründen<br />

nur mit Begleitpersonal in die freie Umwelt begeben durften. Dies war auch in dieser ersten Erpro-<br />

bung der Fall. Das Begleitpersonal wurde daher angehalten, den Probanden möglichst wenig zu be-<br />

einflussen.<br />

Die Durchführung der EmBaGIS-Studie konnte von mindestens drei studienbegleitenden Personen<br />

problemlos durchgeführt werden. Die anschließende Datenverarbeitung war von einer Person mit<br />

einem Zeitaufwand von ca. 30-40min je Proband zu bewältigen.<br />

6.1.5.2 Einteilung von emotionalen Barrieresektoren<br />

Bevor eine Einteilung von emotionalen Barrieresektoren erfolgen kann, muss die Datenauswertung<br />

der gewonnenen kinetischen und physiologischen Individualdaten erfolgen. Hierzu dient die Metho-<br />

de der eigens für das EmBaGIS entwickelten empirischen Drei-Level-Analyse (siehe Kapitel 5.4.3 Em-<br />

pirische Drei-Level-Analyse). Neben der Drei-Level-Analyse wird zusätzlich eine Zwei-Level-Analyse<br />

durchgeführt, welche nur die physiologischen Individualdaten, sprich elektrodermale Aktivität (elekt-<br />

rische Hautleitfähigkeit) und Hauttemperaturveränderung, der Probanden. Hintergrund dieses Vor-<br />

gehens ist das Aufzeigen von Abhängigkeiten der angetroffenen Barrieren und der Bewegungsge-<br />

schwindigkeit. Das systematische Vorgehen, welches in der vorliegenden EmBaGIS-Studie angewandt<br />

wird, ist in Anhang XII Vorgehensweise der empirischen 3-Level-Analyse nachzuvollziehen.<br />

Zunächst werden die Daten jedes Probanden einzeln ausgewertet und dann zu einer Gesamtbewer-<br />

tung der aufgetretenen Stressreaktionen nach städtebaulichen Barrieresektoren aggregiert. Die Da-<br />

tenverwertung liegt bei 57,1% (n=12). Aufgrund des technischen Ausfalls zweier Smartbänder kön-<br />

nen 9 Probanden nicht ausgewertet werden.<br />

In der Auswertung der Stressreaktionen je Sektor (siehe Tabelle 7) ist insbesondere auffällig, dass das<br />

Verhältnis zwischen 3-Level- und 2-Level-Stressreaktionen in den Sektoren 1,2 sowie 4-7 bei ca. 73%<br />

liegt. Das heißt übertragen, dass in 73% der Fälle einer Stressreaktion eine Verminderung der Bewe-<br />

122


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

gungsgeschwindigkeit voraus geht. Dies spricht für das Auftreffen auf eine stadträumliche Barriere,<br />

welche die normale Bewegungsgeschwindigkeit verringert und somit als stresserregend wahrge-<br />

nommen wird. Ausgenommen von diesem Sachverhalt ist das entsprechende Verhältnis in Sektor 3.<br />

Hier stehen 26 3-Level-Stressreaktionen, 53 2-Level-Stressreaktionen gegenüber. Das ergibt ein signi-<br />

fikantes Verhältnis von ca. 49% von 3-Level-Stressreaktionen zu 2-Level-Stressreaktionen. Sektor 3 ist<br />

durch die Ampel-Querungsanlage charakterisiert. Die gewonnenen Erkenntnisse sprechen dafür, dass<br />

in diesem Zusammenhang 51% der Stressreaktionen eine Beschleunigung oder <strong>zum</strong>indest eine<br />

gleichbleibende Geschwindigkeit einhergeht. Dieses Ergebnis wird weiter durch die oftmals geäußer-<br />

ten Aussagen der Probanden gestützt, dass die Lichtsignalanlage in Sektor 3 zu kurz geschaltet ist.<br />

Dies bedeutet, dass eine Verminderung der Bewegungsgeschwindigkeit nicht unmittelbar mit einer<br />

wahrgenommenen Barriere, wie eine zu kurz geschaltete Lichtsignalanlage, einhergeht. Es gibt also<br />

Ausnahmefälle der Regel.<br />

Proband<br />

123<br />

Sektor 1<br />

3 Level<br />

2 Level<br />

Sektor 2<br />

3 Level<br />

2 Level<br />

Sektor 3<br />

3 Level<br />

2 Level<br />

Nr. 1 3 4 5 12 5 7 8 13 2 3 5 9 5 9<br />

Nr. 2 1 1 0 0 0 2 1 2 4 4 5 7 1 1<br />

Nr. 3 1 3 1 1 0 1 8 10 0 0 2 3 1 1<br />

Nr. 4 7 10 1 1 3 8 6 6 0 0 0 0 1 1<br />

Nr. 5 1 2 4 6 5 7 6 7 2 3 1 1 8 9<br />

Nr. 6 3 5 7 10 3 5 28 37 3 5 8 9 2 6<br />

Nr. 7 2 3 3 5 2 2 7 9 0 0 2 2 4 5<br />

Nr. 8 3 4 3 3 2 4 12 15 2 3 2 2 2 2<br />

Nr. 9 3 3 3 5 1 4 5 7 1 2 2 2 2 2<br />

Nr. 10 6 9 6 8 0 2 4 4 - - - - - -<br />

Nr. 11 6 7 6 10 1 3 2 4 5 5 2 5 1 1<br />

Nr. 12 4 4 6 7 4 8 2 2 2 3 5 6 1 1<br />

Sektor 4<br />

3 Level<br />

Summe 40 55 45 68 26 53 89 116 21 28 34 46 28 38<br />

Tabelle 7: Zusammengefasste Stressreaktion in der empirischen 3- und 2-Level-Analyse nach Barrieresektoren. Quelle:<br />

Eigene Erhebung.<br />

Die meisten Stressreaktionen hat der Sektor 4 vorzuweisen. Dies liegt mit hoher Sicherheit an seiner<br />

größeren Länge im Gegensatz zu den anderen Sektoren. Bei Proband Nr. 10 ist eine Stressauswer-<br />

tung nach Sektoren 4 nicht mehr möglich, da der Proband von der vorgegebenen Wegstrecke abge-<br />

wichen ist und die letzten Sektoren nicht absolviert hat. Eine weitere Auffälligkeit beschreibt der<br />

Sektor 7, welcher durch die Rampe und Treppenanlage definiert ist. Mit Ausnahme von Proband Nr.<br />

2 Level<br />

Sektor 5<br />

3 Level<br />

2 Level<br />

Sektor 6<br />

3 Level<br />

2 Level<br />

Sektor 7<br />

3 Level<br />

2 Level


Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />

1 und Nr. 6 decken sich die 3-Level-Stressreaktionen fast genau mit den 2-Level-Reaktionen. Dieser<br />

Sachverhalt ist sicherlich der Art der Barriere zu verschulden.<br />

140<br />

120<br />

100<br />

Abbildung 37: Vergleich der absoluten 3-Level- und 2-Level-Stressreaktionen nach Barrieresektoren. Quelle: Eigene Erhe-<br />

bung.<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Sektor 1 Sektor 2 Sektor 3 Sektor 4 Sektor 5 Sektor 6 Sektor 7<br />

Die genauen Ergebnisse der Gesamtaggregation der Stressreaktionen sowie der selbstberichteten<br />

Erfahrung in Form der Erinnerungsfrage werden im Vergleich zu den städtebaulichen Barrieresekto-<br />

ren im nachfolgenden Kapitel kenntlich gemacht und diskutiert.<br />

6.1.6 Gegenüberstellung der städtebaulichen und emotionalen Barrieresektoren<br />

Mit der Gegenüberstellung der städtebaulichen und emotionalen Barrieresektoren wird die Ver-<br />

schmelzung von Bottom-Up- und Top-Down-Ansatz vollzogen. Insgesamt lassen sich die Ergebnisse<br />

der emotionalen Barriereverortung im Vergleich mit den städtebaulichen Barrieresektoren kartogra-<br />

phisch, wie in Abbildung 38 dargelegt, darstellen (Erläuterungsbeispiel: Sektor 5: 21/28 heißt, dass in<br />

Sektor 5 21 3-Level-Stressreaktionen und 28 2-Level-Stressreaktionen stattgefunden haben).<br />

Nun besteht die Aufgabe, die alle gewonnenen Befunde zu den einzelnen Sektoren zusammenzutra-<br />

gen und rückblickend zu reflektieren.<br />

3-Level-Stressreaktionen 2-Level-Stressreaktionen<br />

124


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Abbildung 38: Emotionale 3-Level- und 2-Level-Stressreaktionen je Sektor. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Sektor 1 – Westfront Stiftskirche<br />

Eine Vielzahl der Stressreaktionen in Sektor 1 ist der ortsgebundenen Vorbereitungsphase der Pro-<br />

banden zu schulden. Demnach können die Ergebnisse des Sektors 1 nur unter Vorbehalt einer plau-<br />

siblen Stressargumentation zugeführt werden. Zudem befinden sich die Probanden in Sektor 1 in<br />

einer allgemeinen Orientierungsphase. Dies kann ebenfalls zu einem erhöhten Stressaufkommen<br />

führen. Eine inhaltliche Verbindung zu stadträumlichen Barrieren ist hierdurch vorerst nicht möglich.<br />

Sektor 2 – Oberer Bereich der Marktstraße bis Ampel-Querungsanlage Spittelstraße<br />

Dieser Bereich ist aus städtebaulicher Sicht nach DIN-Norm <strong>zum</strong>indest teilweise problematisch. Bo-<br />

denwellen in abwechselnden Kopfsteinpflaster- und Betonpflastersteinen sowie nicht ebenversenkte<br />

Gullydeckel (durch Selbstbericht erkannt) führen zu regelmäßigem Verringern der Bewegungsge-<br />

schwindigkeit in Verbindung mit mentalem Stress. Zudem besteht für behinderte Menschen immer<br />

die Gefahr des Hängenbleibens, oder gar im Fall von gehbehinderten Menschen, welche nicht auf<br />

den Rollstuhl angewiesen sind, Sturzgefahr. Insgesamt weist Sektor 2 45 3-Level-Stressreaktionen<br />

und 68 2-Level-Stressreaktionen auf und ist im Ranking aller Sektoren der 2. stressigste Sektor.<br />

125


Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />

Sektor 3 - Ampel-Querungsanlage Spittelstraße<br />

Die Wahrnehmung der Ampel-Querungsanlage über die B37 (Spittelstraße) zeigt ein anderes Stress-<br />

muster als die anderen Sektoren. Es sind zwei Lichtsignalanlagen mit jeweils zwei abgesenkten Bord-<br />

steinen zu überwinden. Die 3-Level-Analyse lässt den Schluss zu, dass das Warten an der Ampel bis<br />

sie grün wird, aber auch das Bewältigen der Straßen-zu-Bordstein-Übergänge, als Stress empfunden<br />

wird. Dies ist ausnahmslos bei jedem Probanden der Fall. Zu diesen baulichen Barrieren schließt sich<br />

ein ganz anderes Stressmuster an, wie durch die 2-Level-Analyse bewiesen wird. In 51% Prozent der<br />

erkannten Stressreaktionen ist eine Beschleunigung oder <strong>zum</strong>indest ein Gleichbleiben der Bewe-<br />

gungsgeschwindigkeit der Probanden offensichtlich. Dies hängt ganz konkret mit der zu kurzen Grün-<br />

phase der doppelten Lichtsignalanlage zusammen. Dies wird durch Mehrfachnennung im Selbstbe-<br />

richt der Probanden ebenfalls verdeutlicht. Behinderte Menschen weisen generell eine geringere<br />

Bewegungsgeschwindigkeit auf und lösen bei einem Umspringen der Ampel von Grün auf Rot relativ<br />

schnell Stress aus, weil sie die Erwartung schwerlich erfüllen können, die Ampel rechtzeitig hinter<br />

sich zu lassen. Somit wird die formulierte Hypothese, dass eine Verringerung der Bewegungsge-<br />

schwindigkeit beim Auftreffen auf eine empfundene Barriere gleichzeitig mit Stress einhergeht, zwar<br />

in seiner Grundaussage belegt, aber durch die Art der hier angetroffene Barriere (Ampel-<br />

Querungsanlage) gleichbedeutend logisch ergänzt. Es gibt also auch Barrieren, welche eine Be-<br />

schleunigung in der Bewegungsgeschwindigkeit nach sich ziehen.<br />

Sektor 4 - Martinsplatz – Steinstraße (bis Kreuzung Engelsgasse)<br />

Nachdem die Ampel-Querungsanlage absolviert ist, begeben sich die Probanden auf den Martins-<br />

platz und bewegen sich hin zur Steinstraße. Dieser nun größte Sektor weist auch die meisten Stress-<br />

reaktionen auf. Aufgrund des doch teilweise enorm abweichenden GPS-Signals lassen sich die Stress-<br />

reaktionen nur bedingt auf einzelne Elemente des Gesamtraumes rückführen. Da der Martinsplatz in<br />

der Regel sehr belebt ist, sind einige der Stressreaktionen auf ungewollte, indirekte Interaktionen mit<br />

anderen Menschen zurückzuführen. Als Beispiel ist das punktuelle Ausweichen der Probanden im<br />

Begegnungsfall mit anderen Menschen zu nennen. Jedoch ist auch dieser Sektor nicht gänzlich bar-<br />

rierefrei gestaltet, wie die barrierespezifische Analyse erkennen lässt. Der abwechselnde Bodenbelag<br />

führt immer wieder zu Beschleunigung und Abbremsen. Zudem ist das Kopfsteinpflaster bei leicht<br />

ansteigendem Höhenniveau hin zur Steinstraße nicht generell als grifffest zu bezeichnen.<br />

Ein weiteres Indiz für eine stress-auslösende Situation ist die Zunahme der Stressreaktionen in der<br />

Verengung zu Beginn der Steinstraße nach Ende des Martinsplatzes. Zum einen verengt sich der<br />

Raum deutlich, da der Platz verlassen wird und es in die schmalere Steinstraße geht. Zum anderen<br />

wird dieser Sachverhalt durch links und rechts befindliche Außenbestuhlung der Gastronomie ver-<br />

stärkt. Das vorher erfahrene Offenheitsgefühl des Raumes ist verloren gegangen und die Probanden<br />

müssen sich nun eine kleinere Bewegungsfläche mit den übrigen Passanten teilen.<br />

126


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Sektor 5 - Engelsgasse<br />

Die Engelsgasse ist relativ frei von Personenverkehr und gewerblicher Randnutzung. In diesem Be-<br />

reich ist demnach ein Begegnungsfall mit anderen Passanten selten. In den Stressreaktionen finden<br />

sich in diesem Abschnitt der Wegstrecke nur wenige Abweichungen der 3-Level-Stressreaktionen von<br />

den 2-Level-Stressreaktionen. Dies geht sicherlich mit der baulichen Situation der Fußgängerzone<br />

einher. Das Höhenniveau steigt auf der Strecke in der Engelsgasse um ca. 2m von Beginn zu Ende an.<br />

Der Steigungsgrad beträgt 4%. Dennoch wird der Anstieg insbesondere in Verbindung mit dem<br />

durchgehenden Kopfsteinpflaster als stress-auslösend Empfunden. Der Selbstbericht validiert hier<br />

wieder das emotionale Individualergebnis. Es wird festgestellt, dass sich die Probanden in der En-<br />

gelsgasse zwischenzeitlich ausruhen mussten. Vor allem die geringere Grifffestigkeit und ein ver-<br />

mehrtes Hängenbleiben an den Fugen zwischen den einzelnen Elementen des Kopfsteinpflasters<br />

führen zu einem nochmaligen Abbremsen in Verbindung mit Stress. Dennoch ist der Sektor 5 in sei-<br />

ner Gesamtheit der ruhigste Abschnitt der Wegstrecke. Hier zeigen die Probanden die geringste men-<br />

tale Belastung mit insgesamt 21 3-Level-Stressreaktionen und 28 2-Level-Stressreaktionen.<br />

Sektor 6 - Klosterstraße bis Kirche St. Martin<br />

Die Klosterstraße im Abschnitt zwischen der Kreuzung zur Engelsgasse bis hin <strong>zum</strong> Martinsplatz weist<br />

die gleichen Merkmale den Bodenbelag betreffend auf, wie der vorhergehende Sektor. Der Unter-<br />

schied liegt nun im Gefälle. Das Höhenniveau senkt sich um ca. 2m <strong>zum</strong> Martinsplatz hin ab. Da die<br />

Bedingungen dem Sektor 5 entsprechen, können die erfahrenen Stressreaktion eindeutig auf das<br />

Gefälle schließen lassen. Die Stressreaktionen sind insgesamt 50% höher als in der Engelsgasse. Mit<br />

34 3-Level- und 46 2-Level-Stressreaktionen ist dieser Sektor am drittstärksten anhand seiner menta-<br />

len Belastung vertreten (Sektor 1 ausgenommen). Durch das Gefälle spielt sich ein stetiger Vorgang<br />

des Beschleunigens und des Abbremsen ab. Besonders für Rollstuhlfahrer stellt sich dieser Sachver-<br />

halt als schwierig dar, da sie durch das Eigengewicht des Rollstuhls durch die Erdanziehungskraft<br />

automatisch stärker an Geschwindigkeit zunehmen. Dies führt unweigerlich zu Stress.<br />

Sektor 7 - Frontportal Kirche St. Martin<br />

Der Sektor 7 ist ausschließlich der Rampen- und Treppenanlage hin <strong>zum</strong> Frontportal der Kirche St.<br />

Martin gewidmet. Dieser Sektor beschreibt die einzige punktgenaue Barriere auf der gesamten Weg-<br />

strecke, welche auch als solches erfasst wird. Ausgenommen von zwei Probanden decken sich an<br />

dieser Stelle die 3-Level-Stressreaktionen mit den 2-Level-Stressreaktionen fast genau. Die Gründe<br />

liegen hierbei klar auf der Hand und werden durch die Selbstberichte der Probanden weiter validiert.<br />

Die Rampe ist aus städtebaulicher Sicht viel zu steil, um von Rollstuhlfahreren selbstständig bewältigt<br />

zu werden. Auch die Elektro-Rollstuhlfahrer kommen die Rampe nicht hoch. Maßgeblich hierzu ist die<br />

Schwerpunktveränderung der Rumpffestigkeit der Rollstuhlfahrer. Durch eine enorme Steigung ver-<br />

127


Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />

lagert sich der Schwerpunkt deutlich nach hinten, was im schlimmsten Fall zu einem Umkippen füh-<br />

ren kann. Wenn die Rampe entgegen der vorgegebenen Wegstrecke genommen wird, sprich in ei-<br />

nem Gefälle, ist eine sehr hohe Sturzgefahr durch das zu starke Gefälle gegeben. Ein Abbremsen ist<br />

hier nur noch bedingt möglich. Ein weiterer Negativaspekt ist die Auskleidung der Rampe mit Kopf-<br />

steinpflaster. Insbesondere bei schlechtem Wetter ist hier eine große Rutschgefahr gegeben. Die<br />

Rampe wurde durch diese Bedingungen nur von einem von insgesamt 14 Rollstuhlfahrern überwun-<br />

den.<br />

Die Treppenanlage vor der Kirche St. Martin dagegen ist weitgehend barrierefrei gestaltet. Eine ab-<br />

gesenkte Stufenhöhe und ein ausreichend breiter Auftritt lassen gehbehinderte Menschen diese<br />

Barriere <strong>zum</strong>indest aufwärts leicht bewältigen. Ein Handlauf ist durch ein Geländer auf einer Seite<br />

gegeben. Auf der anderen Seite fehlt jedoch der Handlauf. Dies führt ebenfalls zu einer Sturzgefahr in<br />

Abhängigkeit der Händigkeit des Betroffenen.<br />

6.1.7 Städtebauliche Optimierung<br />

Die Ergebnisse der Symbiose von Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz lassen nun eine beiderseits be-<br />

gründete, städtebauliche Optimierung zu. An dieser Stelle wird beispielhaft Sektor 7 nach Aspekten<br />

der Barrierefreiheit bestmöglich gestaltet (siehe Abbildung 39, Anhang XIV). Der Gestaltungskatalog<br />

liefert hierbei DIN-orientierte, bauliche Lösungsvorschläge. Die notwendigen Maßnahmen für alle<br />

Sektoren werden in Kapitel 6.1.8 Maßnahmenkatalog und Empfehlungen behandelt.<br />

Abbildung 39: Städtebauliche Optimierung – Sektor 7 Frontportal Kirche St. Martin. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

128


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Aufbauend auf den Ergebnissen der barrierespezifischen städtebaulichen Analyse und der diesbezüg-<br />

lichen Untermauerung der erlangten Erkenntnisse mit den Stressreaktionen gehbehinderter Men-<br />

schen, wird der sozial wichtige Bereiche <strong>zum</strong> Eingangsportal der Kirche St. Martin gestalterisch auf-<br />

gewertet. Dabei wird das traditionelle Kopfsteinpflaster durch eine barrierefreie Kopfsteinpflaste-<br />

rung mit einer Mindestbreite von 1,50m in nostalgischer Ausführung (Detail 2) an allen relevanten<br />

Zuwegungen sinnvoll ergänzt. Das verwendete Pflaster hat folgende Eigenschaften 267 :<br />

Gute Begehbarkeit<br />

Gute Befahrbarkeit<br />

Erschütterungsfreiheit<br />

Gute taktile Wahrnehmung<br />

Guter Wasserablauf<br />

Geringer Fugenabstand<br />

Ausreichende Farbkontraste<br />

Die Rampenanlage wird barrierefrei optimiert. Hierzu ist es notwendig die Länge der Rampe auf ca.<br />

sieben Meter zu verlängern, um dem Anspruch der Maximalsteigung von 6% nach DIN-Norm gerecht<br />

zu werden. Zur Bewegungsbegünstigung werden zusätzlich Handläufe in geeigneter Höhe ange-<br />

bracht.<br />

Generell reicht es nicht aus, einen Optimierungsraum nur für eine Behindertengruppe barrierefrei zu<br />

gestalten. Aus dieser Motivation heraus, werden für ein umfassendes Konzept auch barrierefreie<br />

Elemente und Vorgaben für sehbehinderte und blinde Menschen zu Rate gezogen und im Konzept<br />

verinnerlicht.<br />

Die Treppenanlage (Detail 1) wird im oberen Bereich und den Auftritten der einzelnen Treppenstufen<br />

mit gelben Kontraststreifen versehen, so dass auch sehbehinderte Menschen diese leicht wahrneh-<br />

men können (siehe Anhang IV, Ausgewählte Auszüge zur DIN 18024 Teil 1 – Treppen, Rampen, Auf-<br />

zug). Auch hier werden Handläufe <strong>zum</strong> sicheren Gehen in der vorgegebenen Höhe angebracht.<br />

Des Weiteren gilt es die Zugänglichkeit des sozialen Begegnungsraums der Kirche St. Martin auch für<br />

sehbehinderte und blinde Menschen zu gewährleisten. Deshalb werden Bodenindikatoren nach DIN<br />

32984 (siehe Kapitel 2.4.3.2 DIN 32984 „Bodenindikatoren im öffentlichen Raum“) installiert. Dabei<br />

wird sich an der Wegeleitung für Rollstuhlfahrer (barrierefreies Kopfsteinpflaster) orientiert und die-<br />

se mit Leitstreifen versehen, welche sich visuell, taktil sowie akustisch vom umgebenden Bodenbelag<br />

abgrenzen. Zusätzlich wird an jeder Wegekreuzung und –Abknickung sowie zu Beginn und Ende der<br />

Rampe ein Aufmerksamkeitsfeld in den Bodenbelag eingelassen, welches auf eine Veränderung der<br />

Laufrichtung sowie des Höhenniveaus hinweist.<br />

Zuletzt werden barrierefreie Sitzbänke (Detail 3) errichtet, die in der Aufständerung abgerundete<br />

Kanten nach vorne aufweisen, um die Verletzungsgefahr für behinderte Menschen zu reduzieren.<br />

267 Internetauftritt von RINN-Betonbaustein, aufgerufen unter:<br />

www.rinn.net/index.php?action=download&file=./mediafactory/download/ag003pflaster.pdf, S. 8, abgerufen am:<br />

15.10.2010.<br />

129


Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />

6.1.8 Maßnahmenkatalog und Empfehlungen<br />

Der Maßnahmenkatalog ist der Aufgabe dienlich, alle Sektoren auf notwendige Maßnahmen zur Ge-<br />

währleistung der Barrierefreiheit nach DIN-Normen entsprechend zu verifizieren. Hierbei werden<br />

sektorspezifische Empfehlungen ausgegeben, die den Anspruch der Barrierefreiheit verwirklichen<br />

sollen.<br />

Sektor 1 – Westfront Stiftskirche<br />

Bodenbelag-Korridor mit nostalgischer, barrierefreier Kopfsteinpflasterung auf den Haupt-<br />

wege-Verbindungen<br />

Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen einrichten (inklusive Aufmerksam-<br />

keitsfelder)<br />

Sektor 2 – Oberer Bereich der Marktstraße bis Ampel-Querungsanlage Spittelstraße<br />

Bodenbelag-Korridor mit nostalgischer, barrierefreier Kopfsteinpflasterung auf den Haupt-<br />

wege-Verbindungen<br />

Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen einrichten (inklusive Aufmerksam-<br />

keitsfelder)<br />

Ebene Bodenoberfläche schaffen<br />

Sektor 3 - Ampel-Querungsanlage Spittelstraße<br />

Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen (inklusive Aufmerksamkeitsfelder)<br />

Dauer der Ampelschaltung barrierefrei gestalten<br />

Sektor 4 - Martinsplatz – Steinstraße (bis Kreuzung Engelsgasse)<br />

Bodenbelag-Korridor mit nostalgischer, barrierefreier Kopfsteinpflasterung auf den Haupt-<br />

wege-Verbindungen<br />

Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen einrichten (inklusive Aufmerksam-<br />

keitsfelder)<br />

Sektor 5 - Engelsgasse<br />

Bodenbelag-Korridor mit nostalgischer, barrierefreier Kopfsteinpflasterung auf den Haupt-<br />

wege-Verbindungen<br />

Im Streckenbereich ebene Zwischenfelder zur Geh- oder Fahrerholung einrichten<br />

Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen einrichten (inklusive Aufmerksam-<br />

keitsfelder)<br />

Sektor 6 - Klosterstraße bis Kirche St. Martin<br />

Bodenbelag-Korridor mit nostalgischer, barrierefreier Kopfsteinpflasterung auf den Haupt-<br />

wege-Verbindungen<br />

130


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

131<br />

Im Streckenbereich ebene Zwischenfelder zur Geh- oder Fahrerholung einrichten<br />

Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen einrichten (inklusive Aufmerksam-<br />

keitsfelder)<br />

Sektor 7 - Frontportal Kirche St. Martin<br />

Bodenbelag-Korridor mit nostalgischer, barrierefreier Kopfsteinpflasterung auf den Haupt-<br />

wege-Verbindungen<br />

Bodenleitsystem für sehbehinderte und blinde Menschen einrichten (inklusive Aufmerksam-<br />

keitsfelder)<br />

Rampenanlage auf sieben Meter verlängern (Steigungsgrad 6%) und beidseitig mit Handläu-<br />

fen versehen<br />

Treppenanlage zu beiden Seiten mit Handläufe ausstatten und gelbe Kontraststreifen an<br />

Treppenoberkante und –Auftritt versehen<br />

Barrierefreie Sitzbänke zur zwischenzeitlichen Erholung aufstellen<br />

6.2 Zwischenfazit<br />

Die erste Erprobung des EmBaGIS ist in seinem ganzheitlichen Ansatz mehr als zufriedenstellend. Die<br />

Ergebnisse der 3- und 2–Level-Analyse innerhalb empirischen Teilkomponente decken sich zu einem<br />

mit den Selbstberichten der Betroffenen, <strong>zum</strong> anderen mit den Ergebnissen der barrierespezifischen<br />

städtebaulichen Analyse nach DIN-Normen. Das psychophysiologische Monitoring hat sich somit als<br />

geeignet herausgestellt, unauffällig affektive Moment-zu-Moment-Emotionen ohne äußere Beein-<br />

flussung aufzuzeichnen.<br />

Es kann in diesem Zusammenhang von einer klaren Argumentationsunterstützung für Optimie-<br />

rungsmaßnahmen zur Barrierefreiheit gesprochen werden. Ziel dieser ersten EmBaGIS-Studie ist ne-<br />

ben der konkreten Anwendung des Instrumentenansatzes und der breiten theoretischen Fundierung,<br />

auch die Erarbeitung qualitätsbezogener Lösungsansätze für den gegebenen Untersuchungsraum.<br />

Damit wird die Arbeit nicht nur der Durchführung einer empirischen Studie gerecht, sondern auch<br />

dem planerisch handwerklichen Anspruch der konsequenten Verknüpfung von Top-Down- und<br />

Bottom-Up-Ansatz hin zu einem greifbaren Konzept für Sektor 7 und einem Maßnahmenkatalog für<br />

alle Sektoren. Die Arbeit steht zudem in der Verantwortung für die beteiligten Kooperationspartner<br />

Resultate zu liefern. Dies ist für die Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> und den Arbeitskreis ‚Barrierefreie Stadt<br />

<strong>Kaiserslautern</strong>‘ durch den vollendeten Maßnahmenkatalog und, <strong>zum</strong>indest für Sektor 7, in einem<br />

umfassenden Konzept gelungen. Die Probanden profitieren durch erarbeitete Einzelprofile in Form<br />

individueller Erkenntnisse zur persönlichen Raumerfahrung und mentalen Belastung in der Fußgän-<br />

gerzone von <strong>Kaiserslautern</strong>.


Empirische Untersuchungen zur Anwendung des EmBaGIS Kapitel 6<br />

Methodisch sind insbesondere in der Empirik noch diverse Fehlerquellen, Optimierungs- und zukünf-<br />

tige Handlungsbedarfe bei der Bearbeitung aufgefallen. Diese Aspekte sowie das große Potenzial,<br />

bestätigt durch die erfolgreiche Erprobung, werden im folgenden Kapitel im Detail ausgeführt.<br />

132


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Kapitel 7<br />

Perspektiven zur<br />

Weiterentwicklung des<br />

Instruments EmBaGIS<br />

7.1 Perspektiven und Chancen als integratives Planungsintrument Seite 133<br />

7.2 Opensource-Technologien als logische Ergänzung Seite 136<br />

7.3 Übertragbarkeit des Instrumentenansatzes des EmBaGIS auf andere<br />

planerische Untersuchungsgegenstände Seite 140


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS Kapitel 7<br />

Kapitel 7 – Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS<br />

Die erste Erprobung des EmBaGIS in einer umfassenden Studie zur Erfassung der mentalen Belastung<br />

sowie der konkreten Identifikation stadträumlicher Barrieren hat durchaus das enorme Potenzial des<br />

Instrumentes aufzeigen können. Es hat sich nicht nur gezeigt, dass die Ergebnisse valide sind, son-<br />

dern auch wie sie entscheidungsunterstützend auf barrierespezifische Planungsprozesse einwirken<br />

können. Jedoch haben sich auch Fehlerquellen, Optimierungsbedarfe und weitere Handlungserfor-<br />

dernisse, die zukünftig bewältigt werden müssen, herauskristallisiert. Diese Kapitel gibt Einblick über<br />

zukünftige Perspektiven und Chancen des EmBaGIS als integratives Planungsinstrument, behandelt<br />

aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem bisher Erreichten und definiert weitere Opti-<br />

mierungs- und Handlungserfordernisse. Desweiteren wird diskutiert werden, wie die Systematik des<br />

EmBaGIS auch auf andere Bereiche mit planerischem Kontext übertragen werden kann.<br />

7.1 Perspektiven und Chancen als integratives Planungsinstrument<br />

Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der aktuellen Behindertenpolitik kann das<br />

Instrument EmBaGIS einen hohen Stellenwert in zukünftigen Planungen zur barrierefreien Stadt ein-<br />

nehmen. Das EmBaGIS weist ist seinem Umgriff von Bottom-Up- und Top-Down-Ansatz, mit spezifi-<br />

schen Inhalten zur Ermittlung von Stressreaktionen Betroffener in Zusammenhang mit stadträumli-<br />

chen Barrieren, eine bisher nicht dagewesene Symbiose von Altbewährtem und neuen Technologien<br />

in der Stadtplanung auf. So werden folgernd zunächst positive Aspekte des EmBaGIS aufgefasst und<br />

erläutert.<br />

7.1.1 EmBaGIS als integratives, informelles Planungsinstrument<br />

Das Instrument des EmBaGIS hat sich zur Aufgabe gemacht, neben dem klassisch planerischen Top-<br />

Down-Ansatz, valide und objektive personenbezogene Daten zur mentalen Belastung (Stress) in der<br />

Stadt für die Stadtplanung zu liefern.<br />

Es bietet insgesamt einen integrativen Ansatz zur konkreten Verbesserung der Lebensqualität. Das<br />

EmBaGIS als informelles Planungsinstrument weist zudem Charakteristika eines Monitoringssystems<br />

auf. Diesem Aspekt wird durch die unmittelbare systematische Erfassung und Beobachtung der men-<br />

talen Belastung Betroffener mit Hilfe der Methode des psychophysiologischen Monitorings in der<br />

empirischen Studie Rechnung getragen. Die technische Unterstützung leistet hierbei das Smartband<br />

mit gekoppelten Positionsdaten durch den GPS-Logger. Das EmBaGIS kann zudem als<br />

Controllinginstrument zur Überprüfung barrierefreier Bautätigkeiten angewandt werden.<br />

133


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Desweiteren bietet sich das EmBaGIS zur Integration in bauleitplanerische Prozesse an. Die Bauleit-<br />

planung verfolgt das Ziel die Nachhaltigkeit durch städtebauliche Ordnung zu fördern. Im Rahmen<br />

beispielsweise städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen kann das EmBaGIS bezüglich der Barrieref-<br />

reiheit eine enorme Planungssicherheit durch den Vorschlag barrierefreier Konzepte in der Planungs-<br />

vorbereitung schaffen. Dem schließen sich auch die umfassenden Einsatzgebiete des GIS-Aspektes in<br />

der Stadtentwicklungsplanung an. Durch das EmBaGIS kann zukünftig konzeptionelles, analytisches<br />

und damit verbunden empirisches Arbeiten zur Planungsvorbereitung sowie -Durchführung und Ent-<br />

scheidungsfindung auf Basis der Implementierung in eine Geoinformationssystems-Software statt-<br />

finden.<br />

Durch die konkrete Einbindung betroffener Menschen erfolgt eine verstärkte Planungspartizipation.<br />

Eine konzentrierte Öffentlichkeitsarbeit trägt zur Schaffung von Identifikation sowie von Eigen- und<br />

Fremdimage bei.<br />

Das EmBaGIS liefert demnach viele Perspektiven und Chancen als informelles Planungsinstrument<br />

Einzug in die Stadtentwicklung und Stadtplanung zu finden. Die Grundbausteine dieser möglichen<br />

Entwicklungen wurden bereits durch eine breite theoretische Fundierung in der Stadtplanung, der<br />

Lebensqualitäts- sowie Emotionsforschung gelegt. Durch eine erste praktische Erprobung wurden<br />

auch konkrete Zusammenhänge der verwendeten Instrumentenkomponenten und Methodenansätze<br />

gebildet. Um das Instrument EmBaGIS weiter zu etablieren, muss jedoch die Bedingung erfüllt wer-<br />

den, das Instrument konzentriert weiter zu entwickeln und später genannte Fehlerquellen und Opti-<br />

mierungsbedarfe engagiert anzugehen.<br />

7.1.2 Opensource-Technologien als logische Ergänzung<br />

Neue Technologien finden auch in Form von Opensource-Technologien im Internet statt.<br />

‚Opensource‘ - das bedeutet in diesem Kontext eine offene Plattform, welche es ermöglicht soziale<br />

Metadaten von Jedermann für Jedermann nutzbar zu machen. Der zukünftige Trend geht hin zu der<br />

Datenproduktion und deren Visualisierung auf offenen Benutzerplattformen. Ein durchaus denkbarer<br />

Ansatz wäre beispielsweise auf Grundlage einer solchen Opensource-Plattform Daten zu personen-<br />

bezogenen Stressreaktionen in Verbindung mit stadträumlichen Barrieren abzurufen. Dazu müssten<br />

betroffene mobilitätseingeschränkte und behinderte Menschen mit Hilfe ihres Smartphones im Mo-<br />

ment des Stresserlebnisses diese Information auf eine betreffende Opensource-Plattform hochladen.<br />

Die Georeferenzierung dieser Stresspunkte erfolgt in diesem Zusammenhang automatisch. So ist es<br />

möglich, Betroffenen die Möglichkeit zu bieten, ihre Erfahrungswerte über das Internet auszutau-<br />

schen und erste Indizien auf eine mangelnde Barrierefreiheit zu liefern. Dies kann nach Überschrei-<br />

134


Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS Kapitel 7<br />

ten einer kritischen Masse an affektiven Selbstberichten als Planungsanlass für zukünftige EmBaGIS-<br />

Studien dienen.<br />

Eine dieser möglichen Plattformen ist das aktuelle Projekt ‚ALOE‘, welches es unter anderem ermög-<br />

licht, Nutzern von Smartphones ihre personenbezogene Daten freiwillig einer weiteren Verwendung<br />

zur Verfügung zu stellen und mit entsprechenden Kommentaren zu versehen. Die Plattform ‚ALOE‘<br />

kombiniert hierzu logisch traditionelle Herangehensweisen, um Ressourcen, wie beispielsweise Geo-<br />

informationen, mit nutzergenerierten Inhalten zu verknüpfen. 268<br />

Es stellt sich zu Recht die Frage, ob diese neuen Opensource-Ansätze nicht sehr manipulationsanfällig<br />

sind, da die Glaubwürdigkeit der hochgeladenen Daten nicht unmittelbar prüfbar ist. Die Datengene-<br />

rierung durch das Internet sowie deren Verarbeitung in planerischen Prozessen stellt bisweilen prob-<br />

lematisch dar. Eine absolut zuverlässige Aussagekraft dieser Daten als Argumentationsbasis <strong>zum</strong> An-<br />

trieb eines Planungsprozesses, auch im Kontext des EmBaGIS, ist aufgrund der nichtkontrollierten<br />

und manipulationsfähigen Datenbeschaffung <strong>zum</strong>indest zu diskutieren. Dennoch steckt in<br />

Opensource-Technologien ein sehr hohes Informationspotenzial, welches unter entsprechenden<br />

Voraussetzungen nur abgerufen und ausgewertet werden muss. Die Zukunft der einfachen Datenbe-<br />

schaffung liegt sicherlich auch in der sinnvollen Nutzung dieser Plattformen.<br />

Dem schließt sich auch sinngemäß das derzeitige Projekt ‚NextHamburg‘ an, welches sich „mit (mobi-<br />

len) Partizipationsmöglichkeiten in der Stadtplanung auseinander[setzt], und zwar unter dem Motto<br />

Beteiligung „on demand”. Die Vorstellung der Projektmitarbeiter ist, dass in Zukunft die Bürger einer<br />

Stadt jederzeit (via Handy) äußern können, was sie über ihre Stadt denken.“ 269 Die Äußerung der<br />

Bürger erfolgt via Applikation auf dem Smartphone zur Verortung der momentanen Position. Hier-<br />

durch können durch Text und Bild eigene Gedanken festgehalten und georeferenziert in eine Daten-<br />

bank hochgeladen werden. 270 Das App kann logischerweise auch dazu genutzt werden, affektive<br />

Momentan-Emotionen in Verbindung mit einer bestimmten Örtlichkeit datentechnisch zur Verfü-<br />

gung zu stellen.<br />

7.1.3 Übertragbarkeit des Instrumentenansatzes des EmBaGIS auf andere planerische<br />

Untersuchungsgegenstände<br />

Der Vorteil der Systematik des EmBaGIS ist es, dass der Planungsgegenstand sowie die Zielgruppe<br />

durch wenig inhaltlichen Änderungsaufwand beliebig austauschbar sind. Der generelle Instrumen-<br />

tenaufbau allgemein und speziell das methodische Phasenmodell, die grundsätzliche Layerstruktur<br />

268 Vgl. Internetauftritt des Projekts ‚ALOE‘, aufgerufen unter: http://aloe-project.de/idea.html, abgerufen am 12.10.2010.<br />

269 Internetauftritt von twittwoch.de <strong>zum</strong> deutschen Social Media Preis 2010, aufgerufen unter:<br />

http://socialmediapreis.twittwoch.de/next-hamburg/, abgerufen am 12.10.2010.<br />

270 Vgl. Internetauftritt des Projeks ‚NextHamburg‘, aufgerufen unter:<br />

http://www.nexthamburg.de/mobile.php?artikelid=2848, abgerufen am 12.10.2010.<br />

135


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

zur Implementierung in eine GIS-Software sowie die empirische 3-Level-Analyse können in ihrer<br />

Grundstruktur erhalten bleiben. Lediglich die themenbezogene theoretische Fundierung müsste ge-<br />

genstandsabhängig neu erarbeitet werden.<br />

Das Novum und gleichzeitig die Schlüsselposition nimmt die Methode des psychophysiologischen<br />

Monitorings als Bottom-Up-Ansatz zur Klärung emotionsbezogener stadtplanerischer Fragestellun-<br />

gen ein. Nicht nur die Messung von Stress ist durch diese Methode möglich, sondern gleichwohl jede<br />

Emotion, unabhängig ob dies Freude, Ärger, Angst etc. ist. Dies eröffnet enorme Potenziale zur Über-<br />

tragbarkeit in weitere planerische Untersuchungsgegenstände.<br />

Im Folgenden werden mögliche weitere Einsatzfelder der Instrumentensystematik des EmBaGIS kurz<br />

und plakativ aufgeführt:<br />

136<br />

Im Bereich der Verkehrsplanung zur Erfassung von Stresssituationen im Straßenverkehr von<br />

motorisierten und nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmern.<br />

Im Bereich der Freiraumplanung zur Messung der emotionalen Wahrnehmung von Frei- und<br />

Erholungsbereichen im Gegensatz zur vollversiegelten Stadtlandschaft. Hierdurch können<br />

Fragen der Landschaftsästhetik in neuem Licht bewertet werden.<br />

Im Bereich der Stadtplanung zur Feststellung von Angsträumen und deren Wirkungen auf das<br />

Individuum.<br />

Im Bereich von Einzelhandelsuntersuchungen <strong>zum</strong> Informationsgewinn über die Attraktivität<br />

von Schaufenstern und Innenbereichen von Geschäften.<br />

7.2 Kritische Auseinandersetzung und weitere Handlungserfordernisse<br />

Die folgenden Erkenntnisse haben einen sehr hohen Stellenwert und eine bedeutende Gewichtung in<br />

der Beurteilung des EmBaGIS. Nur eine äußerst kritische Auseinandersetzung und ein erkannter Op-<br />

timierungsbedarf sowie weitere Handlungserfordernisse tragen zu einem nicht unwesentlichen Zu-<br />

wachs an Glaubwürdigkeit der gewonnenen Ergebnisse im Speziellen sowie der Instrumentenent-<br />

wicklung im Allgemeinen bei.<br />

Aus diesem Grund können erkannte Fehlerquellen sowie Optimierungs- und Handlungsbedarfe nur<br />

als Gewinn der ersten Erprobung des EmBaGIS konstatiert werden. Generell stellen diese Folgerun-<br />

gen das Instrument in seiner theoretischen Fundierung und planerischen sowie technischen Ausfüh-<br />

rung nicht Frage, sondern leisten einen wichtigen Beitrag zur zukünftigen Weiterentwicklung des<br />

EmBaGIS.


Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS Kapitel 7<br />

Fehlerquellen<br />

Eine bedeutende Fehlerquelle ist die starke Abweichung der GPS-Daten von der Realsituation. Zuwei-<br />

len sind insbesondere im Übergang von einem offenen Raum in eine Straßenschlucht Abweichungen<br />

von bis zu 20m festzustellen (siehe Abbildung 40).<br />

Abbildung 40: Stark abweichende GPS-Daten von der Realsituation. Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von GPS-<br />

Visualizer und Google Earth.<br />

Somit ist mit den verwendeten Geräten nur eine barrierespezifische Sektoreneinteilung möglich ge-<br />

wesen, welche durch die Bildung eines Puffers um die aufgezeichneten Positionsdaten erfolgt ist. Die<br />

gebildeten städtebaulichen Barrieresektoren ließen sich glücklicherweise durch Richtungsänderun-<br />

gen am Ende der jeweiligen Sektoren auch in den GPS-Daten klar voneinander abgrenzen. Nur<br />

punktgenaue Aussagen innerhalb der Sektoren können durch diese Fehlerquelle nicht getroffen wer-<br />

den (Ausnahme Sektor 7).<br />

Um jedoch das EmBaGIS auch für andere Behindertengruppen, wie beispielsweise blinde Menschen,<br />

zu etablieren, ist eine punktgenaue Verortung der Stressreaktionen von großer Wichtigkeit. Die Ziel-<br />

gruppe der gehbehinderten Menschen begünstigt zwar eine flächenhafte Einteilung der Stressreakti-<br />

onen, aufbauend auf der städtebaulichen Analyse nach Barrieresektoren, jedoch besteht für eine<br />

137


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

schärfere und punktgenaue Identifizierung stadträumlicher Barrieren die Notwendigkeit, geeignete<br />

GPS-Daten zu erhalten. Hierdurch kann noch genauer abgegrenzt werden, welcher Teil des Kopf-<br />

steinpflaster oder welcher Gullydeckel stress-auslösend ist. Die Erfahrungen der Vorstudie zur Erfas-<br />

sung der mentalen Belastung von blinden Menschen haben gezeigt, dass in deren Falle eine flächen-<br />

hafte Aufnahme von Barrieren nicht zielführend ist. Hier sind insbesondere punktgenaue Barrieren,<br />

wie bestimmte Werbeaufsteller oder andere Hindernisse, auf die ein blinder Mensch treffen kann, zu<br />

erfassen. Dies kann aber problemlos durch neuere und empfangsstärkere GPS-Geräte mit geringeren<br />

Ortungsabweichungen gelöst werden.<br />

Eine weitere Fehlerquelle ist das Nicht-Erkennen von Stressreaktionen, die durch externe Einflüsse,<br />

wie beispielsweise das Registrieren eines unangenehmen Anrufs auf dem Mobiltelefon, bedingt sind.<br />

Rein durch die kinetische und physiologische Datenanalyse können diese besonderen Stressreaktio-<br />

nen nicht von anderen Stressreaktionen unterschieden werden. Erwähnenswert ist in diesem Kon-<br />

text die bisher nicht-mögliche Erfassung der Körperorientierung und Blickrichtung, welche sich nur<br />

annähernd durch die Gehrichtung bestimmen lässt, aber nicht im Moment des Stehenbleibens er-<br />

kannt werden kann. So könnten beispielsweise spielende Kinder als externer Stressauslöser aus der<br />

barrierebezogenen Datenanalyse ausgeschlossen werden. Es ist anzunehmen, dass diese bestimmten<br />

Stressreaktionen jedoch nur selten vorkommen und durch die Gesamtzahl der Stressreaktionen aller<br />

Probanden generell bereinigt werden.<br />

Stressreaktionen durch externe Einflüsse, welche nicht mit einer stadträumlichen Barriere zusam-<br />

menhängen, können durch Verwendung einer unauffälligen Kamera, welche beispielsweise umge-<br />

hängt werden kann, endgültig eliminiert werden.<br />

Optimierungsbedarfe<br />

Optimierungsbedarfe bestehen insbesondere in der empirischen Teilkomponente des EmBaGIS. Zur<br />

Erleichterung der notwendigen Analysevorgänge fällt hierunter zunächst die Verbesserung der tech-<br />

nischen Einheiten zur Messung der mentalen Belastung bei gleichzeitiger Verortung.<br />

Die Smartbänder müssen mit den GPS-Geräten zeitlich synchronisiert werden, um die sekundenge-<br />

naue Überlagerung einfacher deckungsgleich vollziehen zu können. Durch das Markern mit Hilfe des<br />

GPS-Geräts bei Beginn sowie Ende der Wegstrecke und dem Erkennen des Anstiegs der physiologi-<br />

schen Werte bei Anlegen des Smartbandes können die Daten nahezu deckungsgleich angepasst wer-<br />

den. Damit sind eventuell auftretende Abweichungen weitesgehend minimiert. Hier besteht noch<br />

technischer Handlungsbedarf.<br />

138


Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS Kapitel 7<br />

Ein weiteres Optimierungsthema ist die grundsätzliche Automatisierung der empirischen Analysevor-<br />

gänge, sprich der 3- und 2-Level-Analyse durch geeignete Algorithmen zur statistischen Auswertung<br />

der Abfragebedingungen.<br />

Zur weiteren Validierung der Daten wird zudem empfohlen eine Kontrollgruppe mit nicht-<br />

behinderten Menschen in die empirische Studie einführen, um die Ergebnisse noch nachvollziehbarer<br />

zu gestalten.<br />

Weitere Handlungserfordernisse<br />

In der ersten Erprobung der EmBaGIS-Studie zur mentalen Belastung mobilitätseingeschränkter und<br />

gehbehinderter Menschen im innerstädtischen Lebensraum erfolgte noch keine Implementierung in<br />

eine GIS-Software gemäß des phasenorientierten Layeraufbaus des EmBaGIS (siehe Kapitel 5.3.2<br />

Grundlegende Struktur des EmBaGIS). Im Rahmen der Arbeit war dieser weiterführende Schritt auf-<br />

grund des vorgegebenen Zeitbudgets nicht möglich. Für die vielseitigen Analyse- und Visualisierungs-<br />

potenziale ist dies unmittelbar anzugehen. Hierbei kann das idealisierte Ziel definiert werden, ein<br />

möglichst zusammenhängendes, flächendeckendes emotionales Barriere-GIS für Innenstadträume zu<br />

erstellen.<br />

Die vorliegende EmBaGIS-Studie liefert bereits wichtige Indizien zur Erfassung der mentalen Belas-<br />

tung, welche durch stadträumliche Barrieren ausgelöst wird. Jedoch ist die Studie durch die geringe<br />

Anzahl der Probanden nicht repräsentativ. Es ist unbedingt ratsam, einen größeren Probandenstamm<br />

zu akquirieren, um eine repräsentative, aussagekräftige barriere- und stressbezogene Raumbeobach-<br />

tung zu erreichen.<br />

Weiterhin ist die Diskussion zu führen, was die einzelnen Stressreaktionen in der Gesamtaggregation<br />

in ihrer Anzahl aussagen. Es kann nicht die quantitative Aussage getroffen werden, dass der Sektor<br />

mit den meisten Stressreaktionen automatisch der barrierebehafteste Sektor ist, da die Sektoren<br />

unterschiedlich lang sind. Vielmehr gibt eine hohe Anzahl von Stressreaktionen ein Indiz für eine flä-<br />

chenbedingt wiederkehrende Barriere. Die Ergebnisse sind immer im Kontext der tatsächlichen Bar-<br />

riere zu sehen. Deshalb ist ein qualitativer Analysevorgang, so wie er in der EmBaGIS-Studie in Ver-<br />

bindung mit der gleichzeitigen Verortung vorgenommen wurde, der richtige Ansatz zur Bewertung<br />

der einzelnen Sektoren. Das Ziel einer barrierespezifischen städtebaulichen Optimierung muss daher<br />

die konkrete Reduzierung oder gar die Eliminierung der Stressreaktionen bezogen auf die jeweilige<br />

Barriere sein.<br />

Ein weiterer zukünftiger Untersuchungsgegenstand kann die zusätzliche Analyse von<br />

Wohlfühlbereichen innerhalb einer EmBaGIS-Studie sein, um <strong>zum</strong> einen das Gefühl für das örtliche<br />

139


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

und inhaltliche Verhältnis von Stress und Erholung zu bekommen und um <strong>zum</strong> anderen eine höhere<br />

Validität der Daten durch den empirischen und städtebaulichen Vergleich zwischen Stress- sowie<br />

Wohlfühlbereichen zu erlangen. Hieraus kann ein neuer Bewertungsansatz für das EmBaGIS entwi-<br />

ckelt werden, der es ermöglicht betreffende DIN-Normen auch mit Wohlfühlbereichen abzugleichen<br />

und hierdurch ihre Wertigkeit weiter überprüfen zu können. Des Weiteren können auch diese Berei-<br />

che konkret, frei nach dem Motto ‚Stärken stärken‘, weiter ausgebaut werden.<br />

7.3 Zwischenfazit<br />

Das Kapitel zur Darlegung der Perspektiven zur Weiterentwicklung des EmBaGIS sowie die kritische<br />

Auseinandersetzung mit dem Instrument zeigen, dass enormes Potenzial durch die aktive Beteiligung<br />

Betroffener sowie die logische Verschneidung von Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz als Planungs-<br />

basis und Konzepterarbeitung freigemacht werden kann. Die vielfältig möglichen Einsatzgebiete<br />

sprechen weiter für die konzentrierte Weiterentwicklung und Studienerprobung des EmBaGIS.<br />

Das EmBaGIS steckt allerdings noch in seinen „Kinderschuhen“. Fehlerquellen waren somit in der<br />

ersten Erprobung zu erwarten, aber auch nicht zwangsläufig unerwünscht. Die erkannten Fehlerquel-<br />

len stellen das Instrument in seiner breiten theoretischen Fundierung keineswegs in Frage, sondern<br />

bereichern das Instrument für eine zukünftige Schaffung noch validerer Daten. Die genannten Opti-<br />

mierungs- und Handlungsbedarfe knüpfen nahtlos an diesen Sachverhalt an.<br />

Zusätzlich werden weitere Planungsgegenstände genannt, auf welche der flexible Instrumentenan-<br />

satz des EmBaGIS übertragen werden kann. Dies ist in erster Linie dem psychophysiologischen Moni-<br />

toring als Messmethode autonom physiologischer Individualemotionen zu verdanken, welche auch<br />

problemlos <strong>zum</strong> Inhalt anderer Planungsgegenstände, die eine Verbindung zu einer empirischen<br />

Komponente beinhalten, überantwortet werden können.<br />

Generell kann an dieser Stelle von einer insgesamt erfolgreichen Erprobung des EmBaGIS gesprochen<br />

werden. Nach Bereinigen der Fehlerquellen sowie der Verinnerlichung und Fortschreibung der Opti-<br />

mierungs- und Handlungsbedarfe steht bereits zu diesem Zeitpunkt einem Einsatz in der informellen<br />

Planung nichts im Wege.<br />

140


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Kapitel 8<br />

Abschließende Gesamtbetrachtung


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Abschließende Gesamtbetrachtung Kapitel 8<br />

Kapitel 8 – Abschließende Gesamtbetrachtung<br />

In dieser abschließenden Gesamtbetrachtung soll die Arbeit hinsichtlich der ursprünglichen Zielset-<br />

zung, ein innovatives, umfassendes Instrument zur Identifikation und Optimierung stadträumlicher<br />

Barrieren in einer Mischung von Top-Down- und Bottom-Ansatz zu entwickeln, retrospektiv bewertet<br />

werden. Zudem stehen die zu Beginn formulierten Leitthesen zur Diskussion.<br />

Zielsetzung<br />

Die systematische, zielorientierte Aufarbeitung verschiedenster theoretischer Themengebiete hat zu<br />

der Entwicklung des Instruments EmBaGIS geführt, das insbesondere durch seinen interdisziplinären<br />

Charakter neue und innovative Vorgehensweisen zur Verwirklichung der Zielsetzung liefert. Die kon-<br />

krete Umsetzung des EmBaGIS in einer eigens initiierten Studie zur innerstädtischen Raumerfahrung<br />

und mentalen Belastung gehbehinderter Menschen hat bewiesen, dass das EmBaGIS auch in der<br />

Praxis umsetzbar ist. Jedoch hat die praktische Umsetzung auch gezeigt, dass das EmBaGIS am An-<br />

fang einer neuen stadtplanerischen und technischen Entwicklung steht. Zu diesem Zeitpunkt ist be-<br />

reits feststellbar, dass auch mit wenigen Probanden Indizien auf objektive und valide Daten der<br />

Stadtplanung zur Verfügung gestellt werden können. Dies bestätigt die Gegenüberstellung der erfah-<br />

renen Stressreaktionen der Probanden mit der barrierespezifischen städtebaulichen Analyse nach<br />

DIN-Normen.<br />

Durch die Arbeit werden auch die enormen Potenziale und Chancen zu einer wirksamen Verbesse-<br />

rung der Barrierefreiheit und somit auch der Lebensqualität durch die Anwendung und Berücksichti-<br />

gung des EmBaGIS in Planungsprozessen aufgezeigt. Zudem verfolgt das EmBaGIS auch einen<br />

parizipativen Ansatz, indem betroffene Menschen durch das Instrument aktiv in Planungsprozesse<br />

einbezogen werden. Dies schafft <strong>zum</strong> einen ein Identifikationsgefühl der Betroffenen mit ihrem<br />

Stadtraum, <strong>zum</strong> anderen sind auch Effekte für das Eigenimage der jeweiligen Stadt durchaus vor-<br />

stellbar.<br />

Im Laufe der Arbeit hat sich, neben der Instrumentenentwicklung, auch die Zielsetzung entwickelt,<br />

für die Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> sowie die Kooperationspartner und teilnehmenden Probanden konkrete<br />

Handlungsempfehlungen in Form einer städtebaulichen Optimierung und Formulierung eines Maß-<br />

nahmenkataloges zu produzieren. Zusätzlich profitieren die teilnehmenden Probanden von Einzel-<br />

profilen zu ihren individuellen Stressreaktionen im festgelegten Untersuchungsraum.<br />

141


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Leitthesen<br />

Abschließend werden folglich die zu Beginn der Arbeit formulierten Leitthesen nochmals aufgegriffen<br />

und bewertet:<br />

1. Es wird bewiesen, dass das psychophysiologische Monitoring die am besten geeignetste Me-<br />

142<br />

thode ist, innerstädtische Raumerfahrung zu messen und valide sowie objektive Daten für die<br />

Stadtplanung zu liefern.<br />

Durch eine breite theoretische Analyse wurde bewiesen, dass die klassischen Instrumente der sub-<br />

jektiven Lebensqualitätsforschung keine geeignete Methode zur Messung der innerstädtischen<br />

Raumerfahrung und mentalen Belastung im Kontext behinderter Menschen liefern. Die subjektive<br />

Lebensqualitätsforschung hat aber Indizien aufgezeigt, dass die Emotionsforschung die richtige Me-<br />

thode darbieten kann. Nur das psychophysiologische Monitoring als Messmethode der autonomen<br />

Physiologie des Körpers kann unauffällig Moment-zu-Moment-Emotionen aufzeichnen und in Ver-<br />

bindung mit der GPS-Verortung valide und objektive Individualdaten für die Stadtplanung zur Verfü-<br />

gung stellen.<br />

2. Das psychophysiologische Monitoring identifiziert punktgenau und in ihrer Stärke variierende<br />

Barrieren im innerstädtischen Lebensraum und liefert konkrete Handlungsbedarfe für die<br />

Stadtplanung.<br />

Die praktische Erprobung des EmBaGIS hat ergeben, dass mit genaueren GPS-Geräten bei sekunden-<br />

genauer Überlagerung mit den Smartband-Daten, als technisches Aufzeichnungsgerät der autono-<br />

men Physiologie des Organismus, eine punktgenaue Identifikation stadträumlicher Barrieren durch-<br />

aus möglich ist. Ein Festhalten der Stärke der jeweiligen Barriere wurde in der Erprobung allerdings<br />

noch nicht versucht. Hier besteht noch weiterer Forschungsbedarf. Jedoch ist zu diskutieren, ob nicht<br />

das generelle Auftreten einer Stressreaktion bereits ausreicht, um eine objektive Bewertung einer<br />

Barriere zu vollziehen.<br />

3. Das psychophysiologische Monitoring kann als integrative Bottom-Up-Methode innerhalb der<br />

informellen Bürgerbeteiligung erfolgreich angewandt werden.<br />

Betrachtet man nur die empirische Teilkomponente, so kann das psychophysiologische Monitoring<br />

durchaus als Bottom-Up-Methode in der informellen Bürgerbeteiligung eingesetzt werden. Jedoch<br />

muss an dieser Stelle einen Schritt weiter gedacht werden. Wenn nur das psychophysiologische Mo-<br />

nitoring verwendet werden sollte, muss trotzallem parallel eine informelle Planung betrieben wer-<br />

den, um die gewonnenen Daten auch dementsprechend zu verarbeiten. Zu diesem Zweck ist das<br />

umfassende Instrument EmBaGIS entwickelt worden, welches ganzheitlich die Ansprüche an ein in-


Abschließende Gesamtbetrachtung Kapitel 8<br />

formelles Planungsinstrument erfüllt. Das EmBaGIS bringt das psychophysiologische Monitoring in<br />

einer empirischen 3-Level-Analyse in einen konkreten Raumbezug und liefert gar einen weiteren<br />

Indikator zur Identifikation stadträumlicher Barrieren; nämlich die kinetischen Individualdaten der<br />

Betroffenen. Desweiteren wird der klassisch planerische Top-Down-Ansatz mittels einer<br />

barrierespezifischen städtebaulichen Analyse in konkreten Zusammenhang zu den gemessenen indi-<br />

viduellen Stressreaktionen verwirklicht.<br />

4. Das letztendlich entwickelte Instrument des EmBaGIS umfasst alle planerischen und empiri-<br />

schen Aspekte zur konkreten Erfassung stadträumlicher Barrieren.<br />

Wie bereits durch die argumentative Weiterführung der dritten Leitthese erläutert, umfasst das Em-<br />

BaGIS durch die sinnvolle Verknüpfung von Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz eine Vielzahl planeri-<br />

scher und empirischer Aspekte zur konkreten Erfassung stadträumlicher Barrieren. Das EmBaGIS<br />

scheut sich aber nicht für weitere sinnvolle Ergänzungen und Verbesserungen, welche das Instru-<br />

ment methodisch und inhaltlich bereichern können. So können beispielsweise unauffällige Kameras<br />

am Körper des Probanden stadträumliche Barrieren noch genauer identifizieren und ungewollte ex-<br />

terne Einflüsse als Fehlerquellen kenntlich machen.<br />

5. Betroffene Zielgruppen fühlen sich durch das aktive Involvieren in Planungsprozesse durch<br />

das Instrument des EmBaGIS als ernstgenommen.<br />

Die Erfahrung bei der Probandenakquise und der Präsentation erster Ergebnisse im Arbeitskreis ‚Bar-<br />

rierefreie Stadt <strong>Kaiserslautern</strong>‘ haben gezeigt, dass Beteiligte und Betroffene dem neuen und innova-<br />

tiven Instrumentenansatz offen und interessiert begegnen. Auch die Durchführung der Vorstudie und<br />

der eigentlichen EmBaGIS-Studie offenbarten eine großes Begeisterungspotenzial und Interesse für<br />

das Instrument EmBaGIS.<br />

Schlusswort<br />

Abschließend ist festzuhalten, dass das EmBaGIS sich nur in der Planung etablieren kann, wenn das<br />

Instrument konzentriert weiter entwickelt und die Akquise weiterer EmBaGIS-Studien zur Verfesti-<br />

gung der gewonnenen Erkenntnisse motiviert und engagiert angegangen wird. Der Grundstein zur<br />

aktiven Teilhabe an der Verbesserung der Barrierefreiheit und gleichzeitig der subjektiven Lebens-<br />

qualität wurde durch den hohen wissenschaftlichen und zielorientierten Anspruch innerhalb der Ar-<br />

beit bereits gelegt. Nun gilt es, das hier erarbeitete, innovative Instrument EmBaGIS für eine barrie-<br />

refreie und nachhaltige Stadt, in der Zukunftsaufgabe des demographischen Wandels, aktiv und ve-<br />

rantwortungsbewusst künftig zu forcieren.<br />

143


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Anhänge<br />

Anhang I, Literatur und Quellenverzeichnis S.144<br />

Anhang II, Abbildungsverzeichnis S.157<br />

Anhang III, Tabellenverzeichnis S.158<br />

Anhang IV, Ausgewählte Auszüge zur DIN 18024 Teil 1 S.159<br />

Anhang V, Emotionstabelle S.167<br />

Anhang VI, Erweiterte Pressemitteilung zur Vorstudie S.168<br />

Anhang VII, Barrierespezifische städtebauliche Bestandsaufnahme I S.172<br />

Anhang VIII, Barrierespezifische städtebauliche Bestandsaufnahme II S.173<br />

Anhang IX, Städtebauliche Analyse nach städtebaulichen Barrieresektoren S.174<br />

Anhang X, Flyer zur Bürgeraktivierung S.175<br />

Anhang XI, Protokollblatt zur Studiendurchführung S.176<br />

Anhang XII, Vorgehensweise der empirischen 3-Level-Analyse S.182<br />

Anhang XIII, Probanden-Einzelprofile S.188<br />

Anhang XIV, Städtebauliche Optimierung – Sektor 7 Frontportal Kirche St. Martin S.200


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS


Anhang I, Literatur- und Quellenverzeichnis<br />

Printmedien<br />

Ackermann, Kurt; Bartz, Christian; Feller, Gabriele: Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Pla-<br />

nungshandbuch für Architekten und Ingenieure, Düsseldorf, 1997.<br />

Anhänge<br />

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesre-<br />

gierung über die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, 2009.<br />

Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung (Hrsg.): Stadtentwicklungsbericht der<br />

Bundesregierung 2008 – Neue urbane Lebens- und Handlungsräume, Berlin, 2008.<br />

Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.): Bürgerfreundliche und behin-<br />

dertengerechte Gestaltung des Straßenraums: Ein Handbuch für Planer und Praktiker, in: „direkt“-<br />

Schriftenreihe Nr. 54_2000, Berlin, 2000.<br />

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Hinweise: Barrierefreiheit im<br />

öffentlichen Verkehrsraum für seh- und hörgeschädigte Menschen, in „direkt“ - Schriftenreihe<br />

64_2008, Berlin, 2008.<br />

Campell, Agnus: Aspiration, Satisfaction, and Fulfillment, in: The Human Meaning of Social Change,<br />

Russell Sage Foundation (Hrsg.), New York, 1972.<br />

Deutsches Institut für Normung e.V. DIN: DIN Fachbericht 124 - Gestaltung barrierefreier Produkte,<br />

Beuth-Verlag (Hrsg.), Berlin, 2002.<br />

Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hrsg.): Das hohe Alter – Konzepte, Forschungsfelder, Lebens-<br />

qualität, in: Expertisen <strong>zum</strong> vierten Altenbericht, Band 1, Hannover, 2002.<br />

Ekman, Paul; Friesen, Wallace V.: Facial Action Coding System: A Technique for the Measurement of<br />

Facial Movement. Consulting Psychologists Press, Palo Alto, 1978.<br />

Englisch, Andrea: Barrierefreie Stadtplanung – Anforderungen, Gesetzesgrundlagen, Gestaltungsvor-<br />

schläge, GRIN Verlag, Leipzig und Norderstedt, 2008.<br />

Erbguth, Wilfried; Wagner, Jörg: Grundzüge des öffentlichen Baurechts, 4. Auflage, Verlag C.H. Beck,<br />

München, 2005.<br />

Erikson, Robert: Welfare as a Planning Goal, in: Acta Sociologica, Vol. 17, No. 3, Nordic Sociological<br />

Association, Oslo, 1974.<br />

Frijda, Nico H.: The laws of emotion, Lawrence Erlbaum Associates, Mahwah, New Jersey, USA, 2007.<br />

144


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Höffken, Stefan: Biosensorik und emotionale Stadtkartierung - Die Erfassung physiologischer Daten<br />

im Stadtraum, in: Lingner, St.; Lutterbeck, B.; Pallas, Fr. (Hrsg.): Die Zukunft der Räume. Gesellschaft-<br />

liche Fragen auf dem Weg zur Ambient Intelligence, Graue Reihe, Bd. 50. European Academy Neue-<br />

nahr-Ahrweiler GmbH, unveröffentlichtes Dokument, 2010.<br />

Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B.: Developments in the Measurement of Subjective Well-Being,<br />

in: Journal of Economic Perspectives, Volume 20, Number 1, American Economic Association, 2006.<br />

König, Roland: Verkehrsräume, Verkehrsanlagen und Verkehrsmittel barrierefrei gestalten – Ein Leit-<br />

faden zu Potenzialen und Handlungsbedarf, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2008.<br />

Kubey, R., Larson R.; Csikszentmihalyi M.: Experience sampling method applications to communica-<br />

tion research questions, in: Journal of Communication, Frühjahr 1996; Vol. 46, No. 2, 1996.<br />

Papastefanou, Georgios: Ambulatorisches Assessment: Eine Methode (auch) für die empirische Sozi-<br />

alforschung, in: Umfrageforschung – Herausforderungen und Grenzen, Weichbold, Martin; Bacher,<br />

Johann; Wolf, Christof (Hrsg.), VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009.<br />

Scholles, Frank: Bewertungs- und Entscheidungsmethoden, in: Akademie für Raumforschung und<br />

Landesplanung (Hrsg.): Handwörterbuch der Raumplanung, VSB Verlagsservice Braunschweig GmbH,<br />

Hannover, 2005.<br />

Schwarz -von Raumer: Bewertungsverfahren: Bedeutung in der raumbezogenen Planung, Methodik<br />

und GIS-Einsatz, Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung –<br />

Methodik und Fallbeispiele, Springer-Verlag, Berlin – Heidelberg, 1999.<br />

Schwarz-von Raumer: GIS in der Stadtentwicklung: Stadtgeschichte und Stadtplanung als Kontext,<br />

Kilchenmann, André; Schwarz-von Raumer (Hrsg.) in: GIS in der Stadtentwicklung – Methodik und<br />

Fallbeispiele, Springer-Verlag, Berlin – Heidelberg, 1999.<br />

Statistischen Bundesamt (Hrsg.): Sozialleistungen – Schwerbehinderte Menschen, in: Fachserie 13<br />

Reihe 5.1, Wiesbaden, 2009.<br />

Stemshorn, Axel (Hrsg.): Barrierefrei – Bauen für Behinderte und Betagte, 4. überarbeitete Auflage,<br />

Leinfelden-Echterdingen, Verlagsanstalt Alexander Koch, 1999.<br />

Streich, Bernd: Stadtplanung in der Wissensgesellschaft – Ein Handbuch, VS Verlag für Sozialwissen-<br />

schaften, Wiesbaden, 2005.<br />

Ulrich, Roger S.: Stress recovery during exposure to natural and urban environments, in: Journal of<br />

Environmental Psychology 11, Elsevier-Verlag, Oxford, 1991.<br />

145


Anhänge<br />

Ulrich, Roger S.: Effects of gardens on health outcomes: Theory and research, in: Healing Gardens:<br />

Therapeutic Benefits and Design Recommendations, John Wiley Verlag, New York, 1999.<br />

Turner, Jonathan; Stets, Jan: The Sociology of Emotions, Cambridge University Press, New York,<br />

2005.<br />

Weidert, Jean-Luc: Behindertengerechter öffentlicher Straßenraum unter besonderer Berücksichti-<br />

gung Geh- und Sehbehinderter, in: IVS-Schriften Band 8, TU Wien – Institut für Verkehrssystempla-<br />

nung, Wien, 2000.<br />

Gesetzestexte<br />

Baugesetzbuch, letzte Änderung durch: Art. 4 G vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585, 2617).<br />

Gemeindefinanzierungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland, zuletzt geändert durch Artikel 4 G.<br />

v. 22.12.2008 (BGBl. I S. 2986).<br />

Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen bzw. Behinderungsgleichstellungsgesetz der Bun-<br />

desrepublik Deutschland, letzte Änderung durch: Art. 12 G vom 19. Dezember 2007<br />

(BGBl. I S. 3024, 3034).<br />

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, letzte Änderung durch: Art. 2 ÄndG vom 29. Juli 2009<br />

vom 1. August 2009.<br />

Landesbauordnung Rheinland-Pfalz (LBauO), Fassung vom 24. November 1998 (GVBl. S. 365), zuletzt<br />

geändert durch Gesetz vom 4.7.2007, (GVBl. S. 105).<br />

Personenbeförderungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland, letzte Änderung durch: BVerfGE<br />

vom 8. Dezember 2009– 2 BvR 758/07 – (BGBl. 2010 I S. 68).<br />

Sozialgesetzbuch IX der Bundesrepublik Deutschland, letzte Änderung durch: Art. 2 G vom 30. Juli<br />

2009 (BGBl. I S. 2495).<br />

Internetliteratur<br />

Barrierefrei Bauen und Planen, Heinrich Wilke GmbH, aufgerufen unter:<br />

http://www.barrierefrei-portal.de/<br />

barrierefrei.de – das Portal für barrierefreies Bauen und Leben, aufgerufen unter:<br />

http://barrierefrei.de/<br />

146


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Barrierefreie Mobilität - Detailinfos & Planungsbeispiele für barrierefreies Bauen im öffentlichen<br />

Raum, aufgerufen unter:<br />

147<br />

http://www.barrierefrei-mobilitaet.de/<br />

bauordnungen.de, aufgerufen unter:<br />

http://www.bauordnungen.de/<br />

Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, aufgerufen unter:<br />

http://www.alle-inklusive.behindertenbeauftragte.de/<br />

Bio Mapping und Emotion Mapping, aufgerufen unter:<br />

http://www.biomapping.net/<br />

Blindenschule Friedberg, aufgerufen unter:<br />

http://www.blindenschule-friedberg.de/<br />

Bodymonitor.de, aufgerufen unter:<br />

http://bodymonitor.de/<br />

Boston College Webserver, aufgerufen unter:<br />

http://www2.bc.edu/<br />

Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit, aufgerufen unter:<br />

http://www.barrierefreiheit.de/<br />

Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, aufgerufen unter:<br />

http://www.bmas.de/<br />

Bundesministerium der Justiz, aufgerufen unter:<br />

http://www.bmj.bund.de/<br />

Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung, aufgerufen unter:<br />

http://www.bmvbs.de/<br />

Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, aufgerufen unter:<br />

http://www.bundesregierung.de/<br />

Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V., aufgerufen unter:<br />

http://www.bvkm.de/<br />

Burnout und chronische Erschöpfung, aufgerufen unter:<br />

http://www.burnout-erschoepfung.com/<br />

Christian Nolds Internetplattform, aufgerufen unter:<br />

http://www.softhook.com/resume.htm


Competence Center of Urban and Regional Planning, aufgerufen unter:<br />

http://www.corp.at/<br />

DER WESTEN – Das Medienportal der WAZ Mediengruppe, aufgerufen unter:<br />

http://www.derwesten.de/<br />

Designerzone.de, Bilder-Plattform im Netz, aufgerufen unter:<br />

http://www.designerzone.de/<br />

Anhänge<br />

Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. DVBS, aufgerufen<br />

unter:<br />

http://www.dvbs-online.de/<br />

East Paris Emotion Map, aufgerufen unter:<br />

http://paris.emotionmap.net/<br />

E DIN 18070 Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen. Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum, auf-<br />

gerufen unter:<br />

http://din18070.de/<br />

ESRI – GIS-Software, aufgerufen unter:<br />

http://www.esri.com/<br />

Eurolexikon, der Zugang <strong>zum</strong> EU-Recht, aufgerufen unter:<br />

http://eur-lex.europa.eu/<br />

European Sozial Survey ESS, aufgerufen unter:<br />

http://www.europeansocialsurvey.org/<br />

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV, aufgerufen unter:<br />

http://www.fgsv.de/<br />

Freie demokratische Partei Deutschland, Abteilung Hansestadt Hamburg, aufgerufen unter:<br />

http://www.fdp-hh.de/<br />

Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin, aufgerufen unter:<br />

http://www.fdst.de/<br />

Gabler Wirtschaftslexikon, Wissen für Experten, aufgerufen unter:<br />

http://wirtschaftslexikon.gabler.de/<br />

GESIS - Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften, aufgerufen unter:<br />

http://www.gesis.org/<br />

Gesundheitsberichterstattung des Bundes, aufgerufen unter:<br />

http://www.gbe-bund.de/<br />

148


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

GISCO Informationssysteme, aufgerufen unter:<br />

149<br />

http://www.gisco.de/<br />

GPS-Visualizers - Websoftware, aufgerufen unter:<br />

http://www.gpsvisualizer.com/<br />

Greenwich Emotion Map, aufgerufen unter:<br />

http://www.emotionmap.net/<br />

Home of care, aufgerufen unter:<br />

http://www.homeofcare.de/<br />

Institut für Baubetriebslehre, <strong>Universität</strong> Stuttgart, aufgerufen unter:<br />

http://www.ibl.uni-stuttgart.de/<br />

I want one of those, aufgerufen unter:<br />

http://www.iwantoneofthose.com/<br />

Kleinen Studienprojekt ‚emomap Mannheim‘ Gruppe 1 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Compu-<br />

tergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, aufgerufen unter:<br />

http://emomap-ma.blogspot.com/<br />

Kleinen Studienprojekt ‚emomap Mannheim‘ Gruppe 2 der TU <strong>Kaiserslautern</strong>, Lehrgebiet Compu-<br />

tergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, aufgerufen unter:<br />

http://emomap-mannheim.blogspot.com/<br />

Lehrgebiet Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden CPE an der TU <strong>Kaiserslautern</strong>,<br />

aufgerufen unter:<br />

http://<strong>cpe</strong>.arubi.uni-kl.de/<br />

Netzwerkes für urbane Kultur e.V. urbanophil, aufgerufen unter:<br />

http://www.urbanophil.net/<br />

Nullbarriere - barrierefrei behindertengerecht planen - bauen – wohnen, aufgerufen unter:<br />

http://www.nullbarriere.de/<br />

Online-Hochschulschriften der <strong>Universität</strong> Halle-Wittenberg an der <strong>Universität</strong>s- und Landesbiblio-<br />

thek Sachsen-Anhalt, aufgerufen unter:<br />

http://sundoc.bibliothek.uni-halle.de/<br />

Physiological Monitoring Devices, aufgerufen unter:<br />

http://www.bmedical.com.au/<br />

Planet Happiness Index HPI, aufgerufen unter:<br />

http://www.happyplanetindex.org/


Portal für Barrierefreiheit, aufgerufen unter:<br />

http://www.barrierefrei-portal.de/<br />

Presseportal, ein Tochterunternehmen der Deutschen Presse Agentur dpa, aufgerufen unter:<br />

http://www.presseportal.de/<br />

Anhänge<br />

Profilbeton – bauliche Einrichtungen zur Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, aufgerufen unter:<br />

http://www.profilbeton.de/<br />

Projekt ‚ALOE‘, aufgerufen unter:<br />

http://aloe-project.de/<br />

Projekt ‚NextHamburg‘, aufgerufen unter:<br />

http://www.nexthamburg.de/<br />

RINN-Betonbaustein, aufgerufen unter:<br />

www.rinn.net/<br />

Reha Team Neumarkt, aufgerufen unter:<br />

http://reha-team-neumarkt.de/<br />

Rotec-Leipzig, Gesellschaft für technische Rehabilitation, aufgerufen unter:<br />

http://www.rotec-leipzig.de/<br />

Sozialverband Vdk Deutschland, aufgerufen unter:<br />

http://www.vdk.de/<br />

Stadt Wien, aufgerufen unter:<br />

http://www.wien.gv.at/<br />

STATA -Software, aufgerufen unter:<br />

http://www.stata.com/<br />

San Francisco Emotion Map, aufgerufen unter:<br />

http://www.sf.biomapping.net/<br />

Statistischen Bundesamtes destatis, aufgerufen unter:<br />

http://www.destatis.de/<br />

Technischen <strong>Universität</strong> Dresden, Fachrichtung Psychologie, Lehrstuhl für Biopsychologie, aufgeru-<br />

fen unter:<br />

http://p113367.typo3server.info/<br />

Twittwoch.de <strong>zum</strong> deutschen Social Media Preis 2010, aufgerufen unter:<br />

http://socialmediapreis.twittwoch.de/<br />

150


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Verein für Blindenhunde und Mobilitätshilfen VBM, aufgerufen unter:<br />

151<br />

http://www.blindenhund.ch/<br />

Wirtschaftsspiegel Thüringen, aufgerufen unter:<br />

http://www.wirtschaftsspiegel-thueringen.com/<br />

World Health Organization, aufgerufen unter:<br />

http://www.who.int<br />

World Values Survey WVS, aufgerufen unter:<br />

http://www.worldvaluessurvey.org/<br />

Zentrum für ambulante Medizin in VS-Schwenningen, aufgerufen unter:<br />

E-Papers<br />

http://www.aerztehaus-vs.de/<br />

Augustin, M; Amon, U.; Bullinger, M.; Gieler, U.: Empfehlungen zur Erfassung von Lebensqualität in<br />

der Dermatologie, in: Dermatol Psychosom 2000_1, 2000.<br />

E-Paper:<br />

http://content.karger.com/ProdukteDB/produkte.asp?Aktion=ShowPDF&ArtikelNr=17504&A<br />

usgabe=225555&ProduktNr=224228&filename=17504.pdf.<br />

Barbotte, Eric; Guillemin, Francis; Chau, Nearkasen; The Lorhandicap Group: Prevalence of impair-<br />

ments, disabilities, handicaps and quality of life in the general population: a review of recent litera-<br />

ture, in: Bulletin of the World Health Organization, 79 (11), 2001.<br />

E-Paper: http://www.who.int/bulletin/archives/79%2811%291047.pdf.<br />

Bartsch, Anne; Hübner, Susanne: Emotionale Kommunikation – ein integratives Modell, Philosophi-<br />

sche Fakultät der Martin-Luther-<strong>Universität</strong>, Halle-Wittenberg, 2004.<br />

E-Paper: http://sundoc.bibliothek.uni-halle.de/diss-online/04/07H050/prom.pdf.<br />

Baumeister, Roy F.; Vohs, Kathleen D.; Funder, David C.: Psychology and the science of selfreports<br />

and finger movements, in: Perspectives on Psychological Science Vol.2 No.4, 2007.<br />

E-Paper: http://www.csom.umn.edu/assets/95164.pdf.<br />

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Behindertenbericht 2009: Bericht der Bundesre-<br />

gierung über die Lage von Menschen mit Behinderungen für die 16. Legislaturperiode, Berlin, 2009.<br />

E-Paper: http://www.bmas.de/portal/3524/property=pdf/a125__behindertenbericht.pdf.


Anhänge<br />

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Wissenschaftliche Bestands-<br />

aufnahme der Forschung zu „Wohlbefinden von Eltern und Kindern“, in: Monitor Familienforschung<br />

– Beiträge aus Forschung, Statistik und Familienpolitik, Ausgabe 19, Berlin, 2009.<br />

E-Paper: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Monitor-<br />

Familienforschung-Ausgabe-19,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf<br />

Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Stadtentwicklung (Hrsg.): Stadtentwicklungsbericht der<br />

Bundesregierung 2008: Neue urbane Lebens- und Handlungsräume, Berlin, 2008.<br />

E-Paper: http://www.bmvbs.de/Anlage/original_1075468/Stadtentwicklungs-bericht-der-<br />

Bundesregierung-2008.pdf.<br />

Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Feierliche Proklamation, Artikel 21 – Diskriminie-<br />

rung, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 364, Brüssel, 2000.<br />

E-Paper: http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf.<br />

Diener, Ed; Suh, Eunkook; Oishi, Shigehiro: Recent Findings on Subjective Well-Being, in: Indian<br />

Journal of Clinical Psychology, March 1997.<br />

E-Paper: http://www.filozofija.lv/research/Ed_Diener_Recent_Findings_on_Subjective_Well-<br />

Being.doc.<br />

Diener, Ed; Emmons, Robert; Larsen, Randy; Griffin, Sharon: The Satisfaction with Life Scale, in:<br />

Journal of Personality Assessment, No. 49, 1985.<br />

E-Paper: http://www.unt.edu/rss/SWLS.pdf.<br />

Ellsworth, Phoebe; Scherer, Klaus: Appraisal process in emotion, in: Handbook of affective sciences,<br />

Oxford University Press, New York, USA, 2003.<br />

E-Paper:<br />

http://www.affective-sciences.org/system/files/2003_Ellsworth_HdbAffsci_Appr.pdf.<br />

Erikson, Robert: Descriptions of Inequality: The Swedish Approach to Welfare Research, in: Wider –<br />

Working Papers, p67, Swedish Institute for Sozial Research, University of Stockholm, 1989.<br />

E-Paper: http://www.wider.unu.edu/publications/working-papers/previous/en_GB/wp-<br />

67/_files/82530826680733067/default/WP67.pdf.<br />

Fehr, Beverley; Russell, James: Concept of Emotion Viewed From a Prototype Perspective, in: Journal<br />

of Experimental Psychology: General 1984, Vol. 113, No. 3, Lancaster, Pennsylvania, USA, 1984.<br />

E-Paper: http://www2.bc.edu/~russeljm/publications/Russell&fehr1984.pdf.<br />

152


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Feuerstein, Christiane; Kose, Ursula; Feigelfeld, Heidrun: Sicherung der Lebensqualität im Alter –<br />

Stadtentwicklung und Stadtplanung, Referat Landschaftsplanung und Projektmanagement in Zu-<br />

sammenarbeit mit dem Referat Stadtforschung und Trendanalysen und die Bereichsleitung für Sozial-<br />

und Gesundheitsplanung sowie Finanzmanagement der Stadt Wien, Wien, 2005.<br />

153<br />

E-Paper:<br />

http://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/grundlagen/stadtforschung/sozialraum/pdf/lebens<br />

qualitaet-im-alter.pdf.<br />

Fischer, Justina: Subjective Well-Being as Welfare Measure: concepts und Methodology, OECD<br />

(Hrsg.), Paris, 2009.<br />

E-Paper: http://mpra.ub.uni-muenchen.de/16619/1/MPRA_paper_2.pdf.<br />

Frijda, Nico H.: The laws of emotion, in: American Psychologist, Vol, 43, 1988.<br />

E-Paper:<br />

http://homepages.spa.umn.edu/~larry/CLASS/NOTHING/Laws%20of%20Emotion.pdf<br />

Haustein, Sonja; Stiewe, Mechthild: Mobilitätsverhalten von Seniorinnen und Senioren – zur Ent-<br />

wicklung zielgruppenspezifischer Mobilitätsangebote, in: trends 1/10, ILS - Institut für Landes- und<br />

Stadtentwicklungsforschung, Dortmund, 2010.<br />

E-Paper: http://www.ils-forschung.de/down/trends_1_2010.pdf.<br />

Höffken, Stefan; Papastefanou, Georgios; Zeile, Peter: Google Earth, GPS, Geotagging und neue<br />

Möglichkeiten für die Stadtplanung - Ein emotionales Kiezportrait, in: realcorp Tagungsband 2008.<br />

E-Paper: http://www.corp.at/corp_relaunch/papers_txt_suche/CORP2008_64.pdf.<br />

Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B.: Developments in the Measurement of Subjective Well-Being,<br />

in: Journal of Economic Perspectives, Volume 20, No. 1, 2006.<br />

E-Paper: http://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/10.1257/089533006776526030.<br />

Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B.; Schkade, David; Schwarz, Norbert; Stone, Arthur: A survey<br />

method of characterizing daily life experience: The Day Reconstruction Method, in: Science 3, Vol.<br />

306, No. 5702, 2004.<br />

E-paper: http://www.sciencemag.org/cgi/content/full/306/5702/1776.<br />

Kahneman, Daniel; Krueger, Alan B.; Schkade, David; Schwarz, Norbert; Stone, Arthur: The Day<br />

Reconstruction Method – Instrument Documentation, 2004.<br />

E-Paper: http://www.krueger.princeton.edu/drm_documentation_july_2004.pdf.


Anhänge<br />

Kleinginna, Paul; Kleinginna, Anne: Categorized List of Emotion Definitions, with Suggestions for a<br />

Consensual Definition, in: Motivation and Emotion, Vol. 5, No. 4, 1981.<br />

E-Paper:<br />

http://148.202.18.157/sitios/catedrasnacionales/material/2010b/sanz/kleinginna1981.pdf.<br />

Mehl et al.: The Electronically Activated Recorder (EAR): A device for sampling naturalistic daily activ-<br />

ities and conversations, in: Behavior Research Methods, Instruments & Computers, Vol. 33 No. 4,<br />

2001.<br />

E-Paper: http://homepage.psy.utexas.edu/homepage/faculty/Pennebaker/Reprints/EAR.pdf.<br />

Mönch-Kalina, Sabine; Mahnke, Stephanie: Behinderung – was ist das?, Hochschule Wismar, 2007.<br />

E-Paper: http://www.kita-portal-mv.de/documents/behinderung._begriff.1pdf.pdf.<br />

Nold, Christian (Editor): Emotional Cartography – Technologies of the Self, London, United Kingdom,<br />

2009.<br />

E-Book: http://emotionalcartography.net/EmotionalCartography.pdf.<br />

Rötzer, Florian: Emotionale Stadtkartierung, 2006, aufgerufen unter:<br />

E-Paper: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/22/22591/1.html<br />

Statistischen Bundesamtes destatis (Hrsg.): Pressemitteilung zur 12. Koordinierten Bevölkerungsvo-<br />

rausberechnung 2009.<br />

E-Paper:<br />

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/Be<br />

voelkerung/Statement__Egeler__PDF,property=file.pdf.<br />

Scherer, Klaus: Appraisal considered as a process of multilevel sequential checking, in: Appraisal<br />

process in emotion: theory, methods, research, Oxford University Press, New York, USA, 2001.<br />

E-Paper: http://www.affective-sciences.org/system/files/2001_Scherer_Appbook_CPM.pdf.<br />

Scherer, Klaus: What are emotions? And how can they be measured?, in: Social Science Information<br />

Vol. 44 No. 4, 2005.<br />

E-Paper: http://www.affective-sciences.org/system/files/2005_Scherer_SSI.pdf.<br />

Veenhoven, Ruut: THE FOUR QUALITIES OF LIFE - Ordering concepts and measures of the good life,<br />

in: Journal of Happiness Studies, Vol. 1, Springer Verlag Niederlande, 2000.<br />

E-Paper: http://www2.eur.nl/fsw/research/veenhoven/Pub2000s/2000c-full.pdf.<br />

154


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Vereinte Nation UN (Hrsg.): Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit<br />

Behinderungen 2009.<br />

155<br />

E-Paper:<br />

http://www.behindertenbeauftragter.de/nn_1387894/SharedDocs/Downloads/DE/AI/BRK,te<br />

mplateId=raw,property=publicationFile.pdf/BRK.pdf.<br />

World Health Organization WHO (Hrsg.): Measuring Quality of Life, division of mental health and<br />

prevention of substance abuse, 1997.<br />

E-Paper: http://www.who.int/mental_health/media/68.pdf<br />

World Health Organization WHO (Hrsg.): The World Health Report 2001 - Mental Health: New Un-<br />

derstanding, New Hope, 2001.<br />

E-paper: http://www.who.int/whr/2001/en/whr01_en.pdf.<br />

Zeile, Peter, Exner, Jan-Philipp, Höffken, Stefan, Streich, Bernd: Menschen als Messfühler – die<br />

Kombination von Geowebmethoden und Sensorik, <strong>Kaiserslautern</strong>, 2010.<br />

E-Paper: http://programm.corp.at/cdrom2010/papers2010/CORP2010_44.pdf.<br />

Zeitschriften<br />

Calvo, Rafael; D’Mello, Sydney: Affect detection: An Interdisciplinary Review of Models, Methods,<br />

and Their Applications, in: IEEE Transactions on Affective Computing, Vol. 1, No. 1, 2010.<br />

Fehr, Beverley; Russell, James: Concept of Emotion Viewed From a Prototype Perspective, in: Journal<br />

of Experimental Psychology: General 1984, Vol. 113, No. 3, Lancaster, Pennsylvania, USA, 1984.<br />

Frijda, Nico H.; Scherer, Klaus: Emotion definition (psychological perspectives), in: Oxford companion<br />

to emotion and the affective sciences, Oxford University Press, Oxford, UK, 2009.<br />

Kreibig, Sylvia: Autonomic nervous system activity in emotion: A review, in: Biological Psychology,<br />

doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.03.010, 2010.<br />

Leidner, Rüdiger; Neumann, Peter; Rebstock, Markus: Leben ohne Barrieren in Design für Alle und<br />

Barrierefreiheit als Herausforderung für Kommunen, EUROPA kommunal Heft 6/2006.<br />

Mehl, Matthias R.; Gosling, Samuel D.; Pennebaker, James W.: Personality in its natural habitat:<br />

manifestations and implicit folk theories of personality in daily life, in: Journal of Personality and So-<br />

cial Psychology, Vol. 90 No. 5, 2006.


Picard, Rosalind: Affective Computing: From Laughter to IEEE, in: IEEE Transactions on Affective<br />

Computing, Vol. 1, No. 1, 2010.<br />

Anhänge<br />

Scherer, Klaus: Emotions are emergent processes: they require a dynamic computational architec-<br />

ture, in: Biological Sciences, Philosophical Transactions of the Royal Society 2009, No. 364, 2009.<br />

Wilhelm, Frank; Walton, Roth: The somatic symptom paradox in DSM-IV anxiety disorders: sugges-<br />

tions for a clinical focus in psychophysiology, in: Biological Psychology 57 (1-3), 2001.<br />

Wilhelm, Frank; Grossman, Paul: Emotions beyond the laboratory: Theoretical fundaments, study<br />

design, and analytic strategies for advanced ambulatory assessment, in: Biological Psychology, doi:<br />

10.1016/j.biopsycho.2010.01.017, 2010.<br />

Zuckerman, M.: Development of a situation-specific trait-state test for the prediction and measure-<br />

ment of affective responses, in: Journal of Consulting and Clinical Psychology 45, American Psycho-<br />

logical Association, Washington DC., 1977.<br />

Expertengespräche<br />

Papastenfanou, Georgios: Expertengespräch, GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften,<br />

Mannheim im Juli 2010.<br />

Papastenfanou, Georgios: Expertengespräch, GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften,<br />

Mannheim im August 2010.<br />

156


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Anhang II, Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1: Vorgehensweise der Arbeit…………………………………………………………………………………………………………………………………...............................6<br />

Abb. 2: Greifreifenantrieb (links), Hebelantrieb (mitte), Elektroantrieb (rechts) ............................................................................................... 16<br />

Abb. 3: (links) Gebrauch eine Blindenlangstocks, (rechts) Blindenhund ............................................................................................................ 17<br />

Abb. 4: Bevölkerungsentwicklung in Deutschland nach der 12. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2009 ................................... 21<br />

Abb. 5: Bevölkerung nach Altersgruppen in Deutschland .................................................................................................................................. 22<br />

Abb. 6: Verhältnis der Normen des barrierefreien Bauens ................................................................................................................................. 42<br />

Abb. 7: Nullabsenkung des Bordsteins ................................................................................................................................................................ 46<br />

Abb. 8: Schematischer Aufbau der Lebensqualitätsforschung ........................................................................................................................... 49<br />

Abb. 9: Systemmechanismus der Emotionskomponenten ......................................................................................... 67<br />

Abb. 10 Actiwatch-Handgelenkgerät................................................................................................................................................................... 71<br />

Abb. 11: Beispiel einer integrierten Kamera im Brillenrahmen .......................................................................................................................... 73<br />

Abb. 12: Hautsensor und Hautsensor und GPS-Logger ....................................................................................................................................... 80<br />

Abb. 13: Visualisierung biometrischer Daten (GSR) im Beispiel Greenwich Emotion Map ................................................................................ 81<br />

Abb. 14: Bewegungstracks zweier Probanden .................................................................................................................................................... 83<br />

Abb. 15: Hautwiderstandswerte eines Probanden ............................................................................................................................................. 85<br />

Abb. 16: Stress- und Wohlfühlbereiche in der Mannheimer Innenstadt............................................................................................................ 86<br />

Abb. 17: Mehrstufiges Phasenmodell zur methodischen Fundierung des EmBaGIS .......................................................................................... 90<br />

Abb. 18: Phase 1 - Vorbereitende Planungsphase .............................................................................................................................................. 91<br />

Abb. 19: Phase 2 - Städtebauliche Analyse als Top-Down-Ansatz ...................................................................................................................... 91<br />

Abb. 20: Phase 3 - Empirische Studie als Bottom-Up-Ansatz .................................................................................... 92<br />

Abb. 21: Phase 4 - Vergleichende Ergebnisphase ............................................................................................................................................... 94<br />

Abb. 22: Phase 5 - Städtebauliche Optimierung ................................................................................................................................................. 94<br />

Abb. 23: Phasenorientierte Layerstruktur des EmBaGIS ..................................................................................................................................... 95<br />

Abb. 24: Empirische Drei-Level-Analyse ............................................................................................................................................................ 102<br />

Abb. 25: Niveau der elektrischen Hautleitfähigkeit und Niveau des Hautwiderstandes .................................................................................. 103<br />

Abb. 26: Smartban ............................................................................................................................................................................................. 105<br />

Abb. 27: GPS-Logger .......................................................................................................................................................................................... 106<br />

Abb. 28: Untersuchungsraum und Wegestrecke der Probanden zur Studie .................................................................................................... 114<br />

Abb. 29: Städtebauliche Analyse nach städtebaulichen Barrieresektoren ..................................................................................................... 115<br />

Abb. 30: Untersuchungsraum in westlicher Front der Stiftskirche und Gesamtaufnahme Sektor 1 .............................................................. 116<br />

Abb. 31: Untersuchungsraum oberer Bereich der Marktstraße bis Spittelstraße und Detailaufnahme von Süden ........................................ 117<br />

Abb. 32: Ampel-Querungsanlage Spittelstraße und Gesamtaufnahme Sektor 3 von Südwest........................................................................ 117<br />

Abb. 33: Bereich Martinsplatz - Steinstraße und Aufnahme Sektor 4 mit Blick auf den Martinsplatz von Südwest ....................................... 118<br />

Abb. 34: Bereich Engelsgasse und Gesamtaufnahme Sektor 5 von Norden..................................................................................................... 119<br />

Abb. 35: Bereich Klosterstraße bis Martinsplatz und Gesamtaufnahme Sektor 6 von Osten .......................................................................... 119<br />

Abb. 36: Frontportal der Kirche St. Martin und Gesamtaufnahme Sektor 7 von Norden ................................................................................ 120<br />

Abb. 37: Vergleich der absoluten 3-Level- und 2-Level-Stressreaktionen nach Barrieresektoren ................................................................... 124<br />

Abb. 38: Emotionale 3-Level- und 2-Level-Stressreaktionen je Sektor ............................................................................................................. 125<br />

Abb. 39: Städtebauliche Optimierung – Sektor 7 Frontportal Kirche St. Martin .............................................................................................. 128<br />

Abb. 40: Stark abweichende GPS-Daten von der Realsituation ........................................................................................................................ 137<br />

157


Anhang III, Tabellenverzeichnis<br />

Anhänge<br />

Tab. 1: Schwerbehinderte Menschen mit Ausweis nach Altersgruppen .............................................. 13<br />

Tab. 2: Komponenten und typische Faktoren des „Level of living-approach“ zur Feststellung der<br />

objektiven Lebensqualität ....................................................................................................... 51<br />

Tab. 3: Definitionsklassifikationen nach Veenhoven ............................................................................ 53<br />

Tab. 4: Komponenten des „Subjective Well-being“ (Subjektives Wohlbefinden): Defintionen,<br />

alternative Begrifflichkeiten, Datenerfassung ......................................................................... 55<br />

Tab. 5: Messmethoden des affektiven und kognitiv-evaluativen Wohlbefindens ............................... 56<br />

Tab. 6: Beziehung zwischen organischen Subsystemen sowie Funktionen und Komponenten der<br />

Emotion ................................................................................................................................... 67<br />

Tab. 7: Zusammengefasste Stressreaktion in der empirischen 3- und 2-Level-Analyse nach<br />

Barrieresektoren .................................................................................................................... 123<br />

158


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Anhang IV - Ausgewählte Auszüge zur DIN 18024 Teil 1<br />

a) Flächen<br />

Bei den Bewegungsflächen ist die Grundbemaßung an der Nutzung mit dem Rollstuhl orientiert. Die<br />

Flächen, welche zur Festlegung von Ausstattungen und Einrichtungen erforderlich sind, sind hiervon<br />

eingeschlossen. Die Bewegungsflächen unterliegen verschiedenen Kriterien. Zum einen dürfen sie<br />

sich nicht gegenseitig überlagern und <strong>zum</strong> anderen dürfen sie nicht in ihrer Funktion eingeschränkt<br />

sein. Im Detail heißt dies beispielsweise, dass keine Mauervorsprünge, Ausstattungen, geöffnete<br />

Türen und Bepflanzungen in die Flächen rein ragen dürfen. Zudem muss der Kopffreiraum mindes-<br />

tens 2.30 m betragen. Es muss die Möglichkeit bestehen mit dem Rollstuhl externen Faktoren aus-<br />

zuweichen und falls notwendig zu wenden. 271<br />

Die DIN 18024 Teil 1 gibt hierzu für verschiedene Flächenansprüche und –Kategorien konkrete Maße<br />

vor:<br />

„mind. 400 cm breit und 250 cm tief:<br />

159<br />

- als Verweilfläche auf Schutzinseln oder Fahrbahnteilen von Hauptverkehrsstraßen.<br />

mind. 300 cm breit:<br />

- auf Gehwegen im Umfeld z. B. von Kindergärten und Schulen, Freizeiteinrichtungen, Einkaufs-<br />

zentren, Pflegeeinrichtungen,<br />

- auf Fußgängerüberwegen und Furten.<br />

mind. 300 cm breit und 200 cm tief:<br />

- als Verweilfläche auf Fußgängerüberwegen und Furten von Erschließungsstraßen.<br />

mind. 200 cm breit:<br />

- auf Gehwegen an Sammelstraßen.<br />

mind. 150 cm breit und 150 cm tief:<br />

- als Wendemöglichkeiten<br />

- als Ruhefläche, Verweilplatz,<br />

- am Anfang und am Ende einer Rampe,<br />

- vor Haus- und Gebäudeeingängen,<br />

- vor Fernsprechstellen und Notrufanlagen,<br />

271 Vgl. Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />

http://nullbarriere.de/din18024-1-flaechen.htm 06.08.2010.


- vor Serviceschaltern,<br />

- vor Dienstleistungsautomaten, Briefeinwürfen, Ruf- und Sprechanlagen,<br />

- vor Durchgängen, Kassen und Kontrollen,<br />

- vor und neben Ruhebänken,<br />

- vor Bedienungsvorrichtungen,<br />

- vor und nach Fahrtreppen und Fahrsteigen,<br />

- vor Rahmensperren und Umlaufschranken.<br />

mind. 150 cm breit:<br />

- auf Gehwegen (ausgenommen Gehwege mit 300 cm und 200 cm Breite)<br />

- auf Hauptgehwegen<br />

Anhänge<br />

- neben Treppenauf- und -abgängen; die Auftrittsfläche der obersten Stufe ist auf die Bewegungs-<br />

fläche nicht anzurechnen.<br />

mind. 150 cm tief:<br />

- neben der Längsseite des Kraftfahrzeuges des Rollstuhlbenutzers auf Pkw-Stehplätzen, Borde<br />

müssen in ganzer Breite auf einer Höhe von 3 cm abgesenkt, taktil und optisch kontrastierend<br />

wahrnehmbar gekennzeichnet sein.<br />

mind. 130 cm breit:<br />

- zwischen Umlaufschranken.<br />

mind. 120 cm breit:<br />

- zwischen Radabweisem einer Rampe,<br />

- situationsbedingt auf Hauptgehwegen<br />

mind. 90 cm breit:<br />

- in Durchgängen an Kassen und Kontrollen,<br />

- auf Nebengehwegen<br />

mind. 250 cm tief:<br />

- entlang von Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel.<br />

vor Fahrschachttüren:<br />

Die Bewegungsfläche vor Fahrschachttüren muss so groß sein wie die Grundfläche des Fahrkorbs,<br />

mindestens jedoch 150 cm breit und 150 cm tief. Sie darf sich mit anderen Bewegungsflächen<br />

nicht überlagern. Sie darf nicht gegenüber abwärts führenden Treppen und Rampen angeordnet<br />

sein.<br />

160


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Begegnungsflächen für Rollstuhlbenutzer<br />

Begegnungsflächen bei barrierefreiem Bauen sind die <strong>zum</strong> Ausweichen mit dem Rollstuhl zusätzlich<br />

notwendigen Flächen.<br />

mind. 200 cm breit und 250 cm tief:<br />

161<br />

- Verweilplatz<br />

- Hauptgehwege in Sichtweite, höchstens in Abständen von 18 m<br />

- Geh- und Nebengehwege in Sichtweite.<br />

mind. 180 cm breit und 180 cm tief:<br />

- neben Baustellensicherungen in Sichtweite.<br />

Oberflächenbeschaffenheit von Bewegungs- und Begegnungsflächen<br />

müssen bei jeder Witterung leicht, erschütterungsarm und gefahrlos begeh- und befahrbar<br />

sein.“ 272<br />

Die Oberflächenbeschaffenheit spielt insbesondere in Fußgängerzonen für gehbehinderte Menschen<br />

eine enorm wichtige Rolle. Das klassisch-traditionell vorhandene Kopfsteinpflaster ist demnach eine<br />

Barriere, welche oftmals nicht leicht und in ihrer Masse durch offene, meist zu große Fugen schwer-<br />

lich überwindbar ist. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere hier eine mentale Belastung ent-<br />

stehen kann. Außerdem betrifft diese Problematik auch blinde und sehbehinderte Menschen, welche<br />

mit ihrem Blindenstock oftmals im Kopfsteinpflaster hängen bleiben und somit in ihrer Bewegung<br />

gebremst werden. So sprechen auch viele Untersuchungen und Initiativen gehbehinderter Menschen<br />

und titulieren gar recht plakativ: „Kopfsteinpflaster ist Stolperfalle“. 273<br />

272 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />

http://nullbarriere.de/din18024-1-flaechen.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />

273 Internetauftritt der Presseseite „DERWESTEN“, aufgerufen unter:<br />

http://www.derwesten.de/staedte/hilchenbach/Kopfsteinpflaster-ist-Stolperfalle-id3406011.html, abgerufen<br />

am 06.08.2010.


Anhänge<br />

Abbildung: Stolperfalle Kopfsteinpflaster. Quelle: Internetauftritt der Bilder-Plattform Designerzone.de, aufgerufen unter:<br />

http://www.designerzone.de/fotos/vorschau/kopfsteinpflaster.jpg, abgerufen am 09.08.2010.<br />

Türen<br />

„lichte Breite mindestens 90 cm<br />

lichte Höhe mindestens 210 cm<br />

Der Rollstuhlfahrer muss vor- und zurück fahren sowie die Richtung ändern können, um die Bedie-<br />

nungsvorrichtungen zu erreichen und die entsprechenden Bewegungen ausführen zu können.“ 274<br />

b) Fußgängerverkehrsfläche<br />

Auch in diesem Bereich macht die Din18024 Teil 1 genaue Maßvorgaben, die in der städtebaulichen<br />

Planung beachtet werden müssen:<br />

„mindestens 75 cm breiter Schutzstreifen:<br />

für Gehwege an anbaufreien Hauptverkehrsstraßen<br />

Höhenunterschied der Kanten zwischen Fahrbahn und Gehweg:<br />

In Anlieger- und Sammelstraßen nicht niedriger als 3 cm<br />

Rad- und Gehwege (auf gleichem Niveau):<br />

Trennung durch einen mindestens 50 cm breiten Begrenzungsstreifen. Dieser muss sich taktil und<br />

optisch kontrastierend von den Rad- und Gehwegbelägen unterscheiden.<br />

Muldenrinnen dürfen nicht tiefer als 1/30 ihrer Breite sein.<br />

Gefälle, Fußgängerüberweg<br />

Gehwege ohne Verweilplätze sollten nicht mehr als 3% Längsgefälle aufweisen, ist dieses jedoch zwi-<br />

schen 3% und 6%, müssen in Abständen von max. 10 m Verweilplätze mit weniger als 3% eingerichtet<br />

sein.<br />

274 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />

http://nullbarriere.de/din18024-1-flaechen.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />

162


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Das Quergefälle von Gehwegen darf nicht mehr als 2%, im Bereich von Grundstückszufahrten max.<br />

6% betragen. Lässt die topografische Lage keine günstige Korrektur des vorhandenen Gefälles zu,<br />

sollten ausgeschilderte Umgehungen oder andere Alternativen angeboten werden. Richtungsände-<br />

rungen müssen taktil und optisch kontrastierend wahrnehmbar sein. Borde müssen in ganzer Breite<br />

auf einer Höhe von 3 cm abgesenkt, taktil und optisch kontrastierend wahrnehmbar gekennzeichnet<br />

sein. Der verkehrsberuhigte Straßenraum erfordert Leitsysteme nach DIN 32984 (siehe Kapitel<br />

2.5.3.2).<br />

In Bereichen, z. B. von Gehwegen, Treppen- und Rampenanlagen, sollten überdachte Verweilplätze<br />

(Ruheflächen und -bänke) verfügbar sein. Sie müssen taktil und optisch kontrastierend auffindbar<br />

sein.<br />

Übergangsstellen an Fußgängerüberwegen und Furten müssen rechtwinklig zur Fahrbahn angeord-<br />

net und so gestaltet sein, dass wartende Personen vom fließenden Verkehr her wahrgenommen<br />

werden können. Im Bereich von Sichtdreiecken dürfen Sichthindernisse, wie Bepflanzungen nicht<br />

höher als 50 cm sein. Keine Abdeckungen von Entwässerungs- und Revisionsschächten u. ä. im Über-<br />

querungsbereich.<br />

Straßenverkehrs-Signalanlagen<br />

sind nach DIN 32981 und RiLSA (Richtlinie für Lichtsignalanlagen) akustisch, optisch kontrastierend<br />

und taktil auffindbar und benutzbar zu installieren. Die max. Querungsgeschwindigkeit darf 80 cm/s<br />

nicht überschreiten.“ 275<br />

Weitere relevante Normen <strong>zum</strong> Bereich „Fußgängerverkehrsfläche“ sind die DIN 18024-1 „Haltestel-<br />

le, Bahnsteig“, die DIN 32984 „Aufmerksamkeitsfelder, Leitstreifen“ sowie die DIN 32981 „Zusatzein-<br />

richtungen für Blinde und Sehbehinderte an Straßenverkehrssignalanlagen (SVA)“.<br />

c) Treppen, Rampen, Aufzug<br />

In diesem Teilbereich der DIN 18024 Teil 1 sind besonders Treppen- und Rampenvorgaben für die<br />

späteren Untersuchungen von Interesse. Aufzüge sind in diesem Zusammenhang nicht vorhanden.<br />

275 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />

http://nullbarriere.de/din18024-1-fussgaenger.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />

163


Die DIN gibt für diese Teilkategorie folgendes vor:<br />

Anhänge<br />

„Unterschiedliche Ebenen sind außer über Treppen und Fahrtreppen auch über Rampen oder Aufzü-<br />

ge zugängig zu machen. Treppen und Aufzüge werden nicht durch Fahrsteige und Fahrtreppen er-<br />

setzt. Bewegungs- und Begegnungsflächen (siehe Kapitel 2.5.3.1 b) müssen bei jeder Witterung<br />

leicht, erschütterungsarm und gefahrlos begeh- und befahrbar sein.<br />

Treppen<br />

Treppen dürfen nicht gewendelt sein.<br />

Beidseitig sind Handläufe (Durchmesser 3-4,5 cm) in 85 cm Höhe anzubringen. Anfang und Ende<br />

des Treppenlaufs sind rechtzeitig und deutlich erkennbar zu machen (z. B. durch taktile Kenn-<br />

zeichnung an den Handläufen).<br />

Der äußere Handlauf muss 30 cm waagerecht über Anfang und Ende der Treppe hinausragen, der<br />

innere Handlauf am Treppenauge darf nicht unterbrochen werden. Orientierungssicherheit muss<br />

durch taktile Geschoss- und Wegebezeichnungen gegeben sein.<br />

Treppenläufe mit mehr als 3 Stufen müssen auf der ersten und letzten Stufe über die gesamte<br />

Trittbreite durch einen 50 mm bis 80 mm breiten kontrastierenden Streifen gekennzeichnet wer-<br />

den. Bei Treppen bis zu 3 Stufen gilt dies für alle Stufen. Stufenunterschiede sind nicht zulässig.<br />

Stufenunterschneidungen sind unzulässig. An freien seitlichen Stufen ist eine 2 cm hohe Aufkan-<br />

tung nötig.<br />

Die Durchgangshöhe unter Treppen beträgt 230 cm. Die Unterseite des untersten Treppenlaufes<br />

muss bis zu einer Höhe von mindestens 230 cm geschlossen sein.<br />

Rampen<br />

ohne Quergefälle mit maximal 6% Steigung<br />

Zwischenpodest von mindestens 150 cm ab 600 cm Rampenlänge.<br />

Radabweiser beiderseits 10 cm hoch bei Rampen und Zwischenpodesten.<br />

164


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

beidseitige Handläufe, Durchmesser 3 bis 4,5 cm, 85 cm hoch, Handläufe und Radabweiser 30 cm<br />

165<br />

in den Plattformbereich hineinragend.<br />

Bewegungsflächen von 150 cm x150 cm sind am Anfang und Ende der Rampe anzuordnen.<br />

In der Verlängerung einer Rampe darf keine abwärtsführende Treppe angeordnet werden.<br />

Abbildung: Grundriss und Querschnitt einer Rampenanlage. Quelle: Internetauftritt der Nullbarriere.de - barrierefrei be-<br />

hindertengerecht planen - bauen – wohnen, aufgerufen unter: http://nullbarriere.de/rampenlaenge-steigung.htm,<br />

abgerufen am 09.08.2010.<br />

Rampen ermöglichen keine nennenswerten Höhenunterschiede. Mit zwei Längen (einschließlich der<br />

Bewegungsflächen erreicht man eine Gesamtlänge von 16,50 m) sind maximal 72 cm Höhenunter-<br />

schied zu überwinden. Rampen lassen sich ansprechend gestalten. Die Einhaltung der maximalen<br />

Steigungen bzw. Gefälle sowie der Längenbegrenzungen der Rampen ist wichtig, um die Steigung zu<br />

überwinden. Auch geht es um die Bremssicherheit und den Schutz vor Umkippen.“ 276<br />

Weitere relevante Normen <strong>zum</strong> Bereich „Rampen, Treppen, Aufzug“ sind die DIN 32984 „Aufmerk-<br />

samkeitsfelder, Leitstreifen“, die DIN 18065 „Treppen“ sowie Aufzüge nach der DIN EN 81-70.<br />

d) Ausstattung, Orientierung, Beschilderung und Beleuchtung<br />

Die Ausstattung umfasst innerhalb des unbebauten öffentlichen Raums Funktionselemente, wie<br />

Orientierungshilfen, Straßenverkehrs- Signalanlagen, Aufzüge, Fahrtreppen, Hinweis- und Warnschil-<br />

der, Geräte, Automaten, Telefonhauben, Poller, Papierkörbe, Abfallbehälter, Fahrradständer, Werbe-<br />

träger und Abschrankungen.<br />

276 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />

http://nullbarriere.de/din18024-1-ebenen.htm, abgerufen am 06.08.2010.


Anhänge<br />

Allgemein gilt, dass Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrsanlagen und Grünanlagen sowie Zu-<br />

gänge zu öffentlichen Verkehrsmitteln und Grünanlagen mit Orientierungshilfen ausgestattet sein<br />

müssen. Die DIN 18024 Teil 1 bleibt hier recht allgemein und verweist im Besonderen auf die DIN<br />

32984, in welcher Orientierungshilfen mit Bodenindikatoren für blinde und sehbehinderte Menschen<br />

konkretisiert sind. Jedoch trifft auch die vorliegende DIN hierzu bestimmte Aussagen. So müssen<br />

etwa Ausstattungen optisch kontrastierend wahrnehmbar und ohne Unterschneidungen ausgebildet<br />

sein. 277<br />

Für blinde Menschen gilt in diesem Kontext:<br />

„Ausstattung auf einem 3 cm hohen Sockel entsprechend den Außenmaßen der Ausstattung<br />

(z. B. Telefonhaube) oder<br />

ohne Unterschneidung bis 10 cm über den Boden herunterreichend oder<br />

mit Unterschneidungen mit einer 15 cm breiten Tastleiste mit der Oberkante in 25 cm Höhe<br />

über dem Boden entsprechend den Außenmaßen der Ausstattung<br />

Für Blinde, Sehbehinderte und Menschen mit anderen sensorischen Einschränkungen müssen Hin-<br />

weise optisch kontrastierend durch Hell-/Dunkelkontrast und taktil oder akustisch frühzeitig erkenn-<br />

bar sein. Bei Richtungsänderungen oder Hindernissen sind besondere Markierungen vorzusehen.<br />

Größe und Art der Schriftzeichen haben eine gute, blendfreie Lesbarkeit zu garantieren.<br />

Haltestelleninformationen und andere Orientierungshilfen sind so zu gestalten und zu montieren,<br />

dass sie auch durch Blinde (taktil oder akustisch), Sehbehinderte (Großschrift), Rollstuhlbenutzer und<br />

Kleinwüchsige (Höhe der Anbringung) erkenn- und nutzbar sind. Sie sind ausreichend hell zu beleuch-<br />

ten.<br />

Die Beleuchtung von Verkehrsflächen und Treppen mit künstlichem Licht ist blend- und schattenfrei<br />

auszuführen (erhöhte Anforderungen).“ 278<br />

277 Vgl. Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />

http://nullbarriere.de/din18024-1-ausstattung.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />

278 Internetauftritt zur Norm 18024 Teil 1 auf nullbarriere.de, aufgerufen unter:<br />

http://nullbarriere.de/din18024-1-ausstattung.htm, abgerufen am 06.08.2010.<br />

166


167<br />

Anhang V, Emotionstabelle Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Kardiovaskulär:<br />

Messparameter<br />

Ärger<br />

Ängstlichkeit<br />

Ekel<br />

Belastung<br />

Ekel<br />

Veränderung<br />

Verlegenheit<br />

Angst<br />

Angst<br />

imminente<br />

Bedrohung<br />

Herzfrequenz ↑ ↑ ↑- ↓ ↑ ↑ ↓ ↑ ↓ ↑ ↓ ↓ ↑↓ ↓ ↑ ↑ ↑↓ ↑- ↑<br />

Herzfrequenzveränderungen ↓ ↓ ↑ - (↓) ↓ (-) - ↓ (↓) ↑- ↑ ↑↓ ↓ (↑) (-)<br />

Herzvolumen ↑↓ (↑) (↓) (↓) (-) ↑ ↑- (↓) (-) - (-)<br />

Systolische Blutdruck ↑ ↑ ↑ ↑ (↑) ↑ ↑ (↓) ↑- (↓) ↑ ↑<br />

Diastolischer Blutdruck ↑ ↑ ↑ ↑ (↑) ↑ ↑ ↓- ↑- (↓) ↑ -<br />

Mittlerer aterieller Druck ↑ ↑ ↑ ↓- ↑- (↓) ↑<br />

Fingerpulsamplitude ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ (↓) ↓ ↓ (↑) ↓ (↓) (-) ↑↓ (↑)<br />

Fingerpulsdurchgangszeit ↓ (↓) ↑↓ ↑↓ ↓ (-) (↓) ↑ ↑<br />

Ohrpulsdurchgangszeit (↓) ↑↓ ↑↓ ↓ (↓) ↑ ↑<br />

Finger-/Hauttemperatur ↓ (↓) ↑↓ ↑↓ ↓ ↓ ↓ ↑↓ ↓ (-) ↑ ↑↓<br />

Stirntemperatur ↑↓ (↑) (↓) (↓) ↓ (↑)<br />

Elektrodermale Aktivität:<br />

Hautleitfähigkeit (phasisches<br />

Niveau)<br />

nichtsspezifisches<br />

Hautleitfähigkeitsrate<br />

Hautleitfähigkeit (tonisches<br />

Niveau)<br />

Respiratorisch:<br />

Tabelle: Emotionstabelle. Quelle: Vgl. Kreibig, Sylvia (2010): Autonomic nervous system activity in emotion: A review, in: Biological Psychology, doi: 10.1016/j.biopsycho.2010.03.010, S.8.<br />

Traurigkeit<br />

Weinen<br />

Traurigkeiten<br />

Nichtweinen<br />

↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↓ ↑ (-) ↓<br />

↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↓ ↑ ↑- ↑ ↑ ↑ (↓)<br />

↑ ↑ ↑ ↑ (↑) ↑ ↓ ↑ ↓ ↑ ↓ (↑) ↑ ↓ ↑- - ↑ ↓ (↑)<br />

Respirationsrate ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ ↑↓ ↑↓ ↑ ↑↓ ↑ (↑) (↓) ↓-<br />

Insparatorische Zeit (↓) ↓ ↓ - ↓- (↓) (↓) (↑) ↓ (↑)<br />

Expiratorische Zeit (↓) ↓ ↑ - ↓ (↓) (↑) ↓ (↑)<br />

Post-insparatorische Pausenzeit (↑) (↑) (↓) (↑)<br />

Post-exparatorische Pausenzeit (↓)<br />

Atemvolumen ↑↓ ↓ ↓ (↓) ↑↓ ↓ ↑ ↑↓ ↓ ↑↓ ↑↓ ↑↓ (↑) ↑-<br />

seufzen ↑↓ ↑↓<br />

ANS Aktivierungskomponenten<br />

α-adrenergisch ↑ (↑) ↑ (-) (↑) ↑ (↑) (↑) (↑) ↑- (↓) (↑)<br />

β-adrenergisch ↑ (↑) (↑) (↑) (↑) ↑ ↑↓ ↓ (↓) (↓) ↓ ↑↓ -<br />

cholinergisch ↑ ↑ ↑ ↑ (↑) ↑ ↑ ↓ ↑ ↓ (↑) ↑ ↓ ↑- ↑- (↑) ↓ (↑)<br />

Vagal (10. Hirnnerv betreffend) ↓ ↓ ↑ - (↓) ↓ - ↓ (↓) ↑- ↑ ↑↓ ↓ (↑) (-)<br />

Anmerkung: Die Veränderungsrichtung ausgedrückt durch Pfeile bedeutet eine Veränderung der Parameter, was durch mindestens drei Studien bewiesen wird. Pfeile nach oben sprechen für eine Zunahme, Pfeile nach<br />

untern für eine Abnahme, - spricht für keine Veränderung. Symbole in Klammern bedeuten eine Emotionstendenz, bei weniger als Studien, die dies Beweisen.<br />

Traurigkeit<br />

erwartend<br />

Traurigkeit<br />

akut<br />

Affektion<br />

amüsiert sein<br />

Zufriedenheit<br />

Glücksgefühl<br />

Freude<br />

stolz sein<br />

Erleichterung<br />

überrascht sein


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Anhang VI – Erweiterte Pressemitteilung zur Vorstudie<br />

Vorstudie „Innerstädtische Raumerfahrung und mentale Belastung von blinden und<br />

sehbehinderten Menschen in der Fußgängerzone“<br />

im Rahmen der <strong>Diplomarbeit</strong><br />

EmBaGIS<br />

Emotionales Barriere-GIS als neue Methode zur Identifikation stadträumlicher Barrieren<br />

für behinderte und mobilitätseingeschränkte Menschen<br />

Eine Feldstudie in Kooperation mit GESIS, dem Referat Stadtentwicklung der Stadt<br />

<strong>Kaiserslautern</strong> und in Unterstützung des Lehrstuhles ‚Computergestützte Planungs- und<br />

Entwurfsmethoden‘ (CPE) der Technischen <strong>Universität</strong> <strong>Kaiserslautern</strong>.<br />

GESIS ist die führende Infrastruktureinrichtung für Sozialwissenschaften. Als Service- und<br />

Forschungseinrichtung erbringt GESIS grundlegende, national und international bedeutsame<br />

Infrastrukturleistungen und ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.<br />

Die Studie hat <strong>zum</strong> Ziel die mentale Belastung (Anspannung/Stress) zu messen, die seh- und<br />

andere behinderte Menschen beim Weg durch die Stadt erfahren. Erstmals kommt ein<br />

Sensor-Armband <strong>zum</strong> Einsatz, das bei GESIS entwickelt worden ist. Mit diesem Armband als<br />

Instrument der Biosensorik werden unterschwellige körperliche Reaktionen aufgezeichnet,<br />

die die momentane emotionale Befindlichkeit signalisieren. Kombiniert mit einem<br />

Taschenrekorder, der gleichzeitig die GPS-Koordinaten des Wegepfades aufzeichnet, wird es<br />

möglich, genau jene Punkte in der Stadt zu identifizieren, die für körperlich eingeschränkte<br />

Menschen eine besondere mentale Belastung bedeuten.<br />

168


Exemplarische Ergebnisse:<br />

Abbildung: Routenbestimmung der Probanden. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

169<br />

Anhänge<br />

Abbildung: Schrittgeschwindigkeit eines Blinden während eines Weges in der Fußgängerzone. Quelle: Eigene Darstellung.


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Abbildung: Stressreaktion eines Blinden während eines Weges in der Fußgängerzone. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Abbildung: Schrittgeschwindigkeit und Stressreaktion eines Blinden während eines Weges in der Fußgängerzone. Quelle:<br />

Eigene Darstellung.<br />

170


Abbildung: 3D-Visualisierung der mentalen Belastungspunkte eines Blinden mittels Google Earth. Quelle: Eigene<br />

Darstellung.<br />

Abbildung: Mentale Belastungspunkte eines Blinden während eines Weges in der Fußgängerzone der Innenstadt<br />

<strong>Kaiserslautern</strong>. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

171<br />

Anhänge


Anhang VII: Barrierespezifische städtebauliche Bestandsaufnahme I<br />

Pfalztheater<br />

Burgstraße<br />

Fruchthalle<br />

Schillerplatz<br />

Fruchthallstraße<br />

Schillerplatz<br />

Marktstraße<br />

Stiftskirche<br />

Schule<br />

Bismarckstraße<br />

Martinsplatz<br />

Spittelstraße<br />

St. Martin<br />

Stiftsplatz<br />

Steinstraße<br />

Klostertraße<br />

ohne Maßstab<br />

Legende<br />

Flächen<br />

Untersuchungsraum<br />

Gebäudeflächen<br />

Fußgängerzone<br />

Straße<br />

Gehweg<br />

Parkplatz<br />

öffentlicher Freiraum<br />

privater Freiraum S. 172


Anhang VIII: Barrierespezifische städtebauliche Bestandsaufnahme II<br />

Legende<br />

Pfalztheater<br />

Burgstraße<br />

Fruchthalle<br />

Schillerplatz<br />

Fruchthallstraße<br />

Schillerplatz<br />

Marktstraße<br />

Stiftskirche<br />

Schule<br />

Bismarckstraße<br />

Martinsplatz<br />

Spittelstraße<br />

St. Martin<br />

Stiftsplatz<br />

Steinstraße<br />

Engelsgasse<br />

Klostertraße<br />

ohne Maßstab<br />

Barriere-Symbole<br />

Rampe<br />

Treppen<br />

Steigung<br />

Gefälle<br />

Ampel-Querungsanlage mit abgesenktem Bordstein<br />

Flächenbarrieren<br />

Flächen<br />

Untersuchungsraum<br />

Bodenwellen<br />

Kopfstein- und Betonpflaster<br />

Kopfsteinpflaster<br />

Außenbestuhlungsfläche<br />

Gebäudeflächen<br />

Fußgängerzone<br />

Straße<br />

Gehweg<br />

Parkplatz<br />

öffentlicher Freiraum<br />

privater Freiraum<br />

S. 173


Anhang IX: Städtebauliche Analyse nach städtebaulichen Barrieresektoren<br />

Legende<br />

Pfalztheater<br />

Burgstraße<br />

Fruchthalle<br />

Schillerplatz<br />

Fruchthallstraße<br />

Schillerplatz<br />

Marktstraße<br />

Stiftskirche<br />

Schule<br />

Bismarckstraße<br />

Martinsplatz<br />

Spittelstraße<br />

St. Martin<br />

Stiftsplatz<br />

Steinstraße<br />

Klostertraße<br />

ohne Maßstab<br />

Symbole<br />

Rampe<br />

Treppen<br />

Steigung<br />

Gefälle<br />

Ampel-Querungsanlage mit abgesenktem Bordstein<br />

Bodenwellen<br />

Städtebauliche Barrieresektoren<br />

Barrieresektor 1<br />

Barrieresektor 2<br />

Barrieresektor 3<br />

Barrieresektor 4<br />

Barrieresektor 5<br />

Barrieresektor 6<br />

Barrieresektor 7<br />

Flächen<br />

Gebäudeflächen<br />

Fußgängerzone<br />

Straße<br />

Gehweg<br />

Parkplatz<br />

öffentlicher Freiraum<br />

privater Freiraum<br />

S. 174


Anhang X, Flyer zur Bürgeraktivierung<br />

Abbildung: Flyer zur Bürgeraktivierung. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Anhänge<br />

175


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Anhang XI, Protokollblatt zur Studiendurchführung<br />

Feldstudie zur Barrierefreiheit in der Innenstadt<br />

im Rahmen der <strong>Diplomarbeit</strong> zur Messung von mentalen Belastungspunkten in der Stadt, TU<br />

<strong>Kaiserslautern</strong>, Computergestützte Planungs- und Entwurfsmethoden CPE, Benjamin Bergner<br />

176<br />

Zu absolvierende Wegstrecke im Untersuchungsraum


Ziel der Feldstudie<br />

Anhänge<br />

Das Ziel der Feldstudie ist die Messung der mentalen Belastung (Stress) von gehbehinderten<br />

Menschen und Rollstuhlfahrern in der Innenstadt von <strong>Kaiserslautern</strong>. Hierbei spielen insbesondere<br />

unterbewusst wahrgenommene Barrieren eine Rolle, welche auf dem Weg durch<br />

die Stadt bewältigt werden müssen.<br />

Die aus der Studie gewonnenen Erkenntnisse identifizieren städtebauliche Barrieren für<br />

gehbehinderte Menschen und Rollstuhlfahrer und werden innerhalb der <strong>Diplomarbeit</strong> behandelt.<br />

Hieraus werden Handlungsempfehlungen sowie Gestaltvorschläge erarbeitet, welche<br />

zur Barrierefreiheit in der Stadt <strong>Kaiserslautern</strong> führen sollen.<br />

Protokollblatt (von Helfer auszufüllen)<br />

Proband-Name:<br />

Geschlecht:<br />

Alter:<br />

Art der Behinderung:<br />

Dauer der Behinderung:<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

Smartband-Nummer:<br />

GPS-Logger-Nummer:<br />

Startzeit:<br />

Ankunftszeit:<br />

Smartband- und GPS-Logger-Nummer überprüft?<br />

Ja / Nein<br />

177


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Kurzfragebogen STAI-S (von Proband auszufüllen)<br />

Anleitung:<br />

Im folgenden Fragebogen finden Sie eine Reihe von Feststellungen, mit denen man sich<br />

selbst beschreiben kann. Bitte lesen Sie jede Feststellung durch und wählen Sie aus den vier<br />

Antworten diejenige aus, die angibt, wie Sie sich jetzt, d.h. in diesem Moment fühlen.<br />

Kreuzen Sie bitte bei jeder Feststellung die Zahl der unter der von Ihnen gewählten Antwort<br />

an.<br />

Es gibt keine richtigen und falschen Antworten. Überlegen Sie bitte nicht lange und denken<br />

Sie daran, diejenigen Antworten auszuwählen, die Ihren augenblicklichen Gefühlszustand am<br />

besten beschreibt.<br />

178<br />

Trifft<br />

nicht<br />

zu<br />

Trifft<br />

etwas zu<br />

Trifft einigermaßen<br />

zu<br />

Trifft genau<br />

zu<br />

1. Ich bin ruhig. 1 2 3 4<br />

2. Ich fühle mich geborgen. 1 2 3 4<br />

3. Ich fühle mich angespannt. 1 2 3 4<br />

4. Ich bin bekümmert. 1 2 3 4<br />

5. Ich bin gelöst. 1 2 3 4<br />

6. Ich bin aufgeregt. 1 2 3 4<br />

7. Ich bin besorgt, dass etwas 1 2 3 4<br />

schiefgehen könnte.<br />

8. ich fühle mich ausgeruht. 1 2 3 4<br />

9. Ich bin beunruhigt. 1 2 3 4<br />

10. Ich fühle mich wohl. 1 2 3 4<br />

11. Ich fühle mich selbstsi- 1 2 3 4<br />

cher.<br />

12. Ich bin nervös. 1 2 3 4<br />

13. Ich bin zappelig. 1 2 3 4<br />

14. Ich bin verkrampft. 1 2 3 4<br />

15. Ich bin entspannt. 1 2 3 4<br />

16. Ich bin zufrieden. 1 2 3 4<br />

17. ich bin besorgt. 1 2 3 4<br />

18. ich bin überreizt. 1 2 3 4<br />

19. Ich bin froh. 1 2 3 4<br />

20. Ich bin vergnügt. 1 2 3 4


Anhänge<br />

Suchbild <strong>zum</strong> Start (von Proband auszufüllen)<br />

Zeitvorgabe: 30 Sekunden<br />

Das obere Bild unterscheidet sich vom unteren Bild in 7 Punkten<br />

179


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Suchbild <strong>zum</strong> Ende (von Proband auszufüllen)<br />

Zeitvorgabe: 30 Sekunden<br />

Das obere Bild unterscheidet sich vom unteren Bild in 7 Punkten<br />

180


Frage <strong>zum</strong> Ende<br />

Anhänge<br />

Ist Ihnen ein besonderer Ort im Gedächtnis geblieben, an dem Sie sich gestresst<br />

gefühlt haben?<br />

Vielen Dank für Ihre Mitarbeit!<br />

Ihr Benjamin Bergner<br />

Smartband- und GPS-Logger-Nummer überprüft?<br />

Ja / Nein<br />

181


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Anhang XII – Vorgehensweise der empirischen Drei-Level-Analyse<br />

1.Schritt: Einlesen der GPS-Daten in Microsoft Excel.<br />

Abbildung: GPS-Datensätze in Microsoft Excel. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

2.Schritt: Beschneiden der GPS-Daten auf Grundlage der Markierungen zu Routenstart und –<br />

Ende.<br />

Abbildung: Beschneiden GPS-Datensätze in Microsoft Excel. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

3.Schritt: Einlesen der GPS-Daten in GPS-Visualizer und anschließende Visualisierung in Google<br />

Earth zur Überprüfung der Route und <strong>zum</strong> Festhalten der Zeitpunkte des Aufenthalts<br />

im jeweiligen Sektor.<br />

182


Anhänge<br />

Abbildung: Routenverlauf mit sekundengenauen Bewegungskoordinaten eines Probanden in Google Earth . Quelle: Eigene<br />

Darstellung.<br />

4.Schritt: Einlesen der GPS-Daten in STATA 10. Daraufhin Glätten und Bereinigen der Bewegungsgeschwindigkeit<br />

aus den GPS-Daten. Ableiten der Bewegungsgeschwindigkeit<br />

als mathematische Funktion. Bilden eines Scorings:<br />

- Bewegungsgeschwindikeit nimmt zu = Wert +1;<br />

- Bewegungsgeschwindikeit nimmt ab = Wert -1;<br />

- Bewegungsgeschwindikeit bleibt gleich = Wert 0;<br />

Abbildung: Bilden, Glätten, Bereinigen und Scoren der Bewegungsgeschwindikeit. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

183


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

5.Schritt: Einlesen der Smartband-Daten in STATA 10. Beschneiden der Smartbanddaten auf die<br />

gleiche Zeit wie die GPS-Daten. Daraufhin Bereinigen der elektrodermalen Aktivität<br />

(elektrische Hautleitfähigkeit) und der Hauttemperatur. Ausschlaggebender Faktor<br />

für das Bereinigungsverfahren ist der Andruck des Hautleitfähigkeitssensors auf der<br />

Haut. Es werden lediglich die Werte zur Analyse hinzugezogen, bei welchen ein<br />

gleichmäßiger Sensorandruck auf der Haut stattfindet. So können offensichtlich falsche<br />

Werte, welche durch einen veränderten Sensorandruck entstanden sind, aus der<br />

Datenanalyse ausgeschlossen werden.<br />

In Anschluss dessen werden elektrische Hautleitfähigkeit und Hauttemperatur geglättet.<br />

Dann folgt das Ableiten der elektrischen Hautleitfähigkeit als mathematische Funktion.<br />

Somit wird der Steigungswert auf einem Niveau über und unter null dargestellt<br />

(aus tonischem Niveau der elektrischen Hautleitfähigkeit wird phasisches Niveau der<br />

elektrischen Hautleitfähigkeit). Der gleiche Vorgang wird für die Hauttemperatur<br />

vorgenommen (Das Smartband misst mit Hilfe eines elektrischen Widerstandes die<br />

Hauttemperatur (siehe Kapitel 5.4.3 Technik - Smartband).<br />

Bilden eines Scorings:<br />

- elektrische Hautleitfähigkeit nimmt zu = Wert +1;<br />

- elektrische Hautleitfähigkeit nimmt ab = Wert -1;<br />

- elektrische Hautleitfähigkeit bleibt gleich = Wert 0;<br />

184<br />

- Hauttemperatur nimmt zu = Wert -1;<br />

- Hauttemperatur nimmt ab = Wert +1;<br />

- Hauttemperatur bleibt gleich = Wert 0;<br />

Abbildung: Bilden, Glätten, Bereinigen und Scoren des Hautwiderstandes und der Hauttemperatur. Quelle: Eigene Darstellung.


Anhänge<br />

6.Schritt: Verschneiden der kinetischen Daten (Bewegungsgeschwindigkeit) mit den physiologischen<br />

Daten (Hautwiderstand und Hauttemperatur).<br />

Abbildung: Verschneiden der physiologischen mit den kinetischen Daten. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

7.Schritt: Bilden von Sektorvariablen nach den in Schritt 3 ermittelteten Aufenthaltszeiträumen<br />

des Probanden im jeweiligen Sektor.<br />

Abbildung: Bilden der Sektorvariablen nach vordefinierten Zeitabschnitten. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

185


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

8.Schritt: Durchführen der eigentlichen empirischen Drei-Level-Analyse zur Ermittlung von<br />

konkreten Stressreaktionen durch sekundengenaue Abfrage folgender Indikatoren:<br />

- 1. Barriereindikator: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab – Scoringwert = -1<br />

- 2. Barriereindikator: elektrische Hautleitfähigkeit nimmt zu – Scoringwert = +1<br />

- 3. Barriereindikator: Hauttemperatur nimmt ab – Scoringwert = +1<br />

Visuell-mechanische Ermittlung der einzelnen 3- und 2-Level-Stressreaktion in Microsoft-Excel nach<br />

Export der Daten aus STATA10, da kein passender Algorithmus gefunden wurde, welcher die Zeitverzögerung<br />

der Hauttemperatur zur elektrischen Hautleitfähigkeit geeignet aufzeigen kann (Hauttemperatur<br />

verändert sich bei einer Stressreaktion zwischen ein und mehreren Sekunden zeitverzögert<br />

zur elektrischen Hautleitfähigkeit). 3-Level-Analyse heißt in diesem Falle, dass die Bedingungen aller<br />

dreiBarriereindikatoren erfüllt sein müssen. 2-Level-Analyse sind die rein physiologischen Stressreaktionen<br />

(2. und 3. Barriereindikator).<br />

Abbildung: Typische 3-Level-Stressreaktion (links) und alleinige 2-Level-Stressreaktion (rechts). Quelle: Eigene Darstellung.<br />

186


Anhänge<br />

9.Schritt: Bilden einer Auswertungsmatrix zur weiteren Analyse mit der Aggregation der Probanden-Einzelprofile<br />

und den gebildeten Barrieresektoren (siehe Kapitel 6.1.5 Emotionale<br />

Barriereverortung).<br />

Proband<br />

Sektor 1<br />

3 Level<br />

2 Level<br />

Sektor 2<br />

3 Level<br />

2 Level<br />

Sektor 3<br />

3 Level<br />

2 Level<br />

Nr. 1 3 4 5 12 5 7 8 13 2 3 5 9 5 9<br />

Nr. 2 1 1 0 0 0 2 1 2 4 4 5 7 1 1<br />

Nr. 3 1 3 1 1 0 1 8 10 0 0 2 3 1 1<br />

Nr. 4 7 10 1 1 3 8 6 6 0 0 0 0 1 1<br />

Nr. 5 1 2 4 6 5 7 6 7 2 3 1 1 8 9<br />

Nr. 6 3 5 7 10 3 5 28 37 3 5 8 9 2 6<br />

Nr. 7 2 3 3 5 2 2 7 9 0 0 2 2 4 5<br />

Nr. 8 3 4 3 3 2 4 12 15 2 3 2 2 2 2<br />

Nr. 9 3 3 3 5 1 4 5 7 1 2 2 2 2 2<br />

Nr. 10 6 9 6 8 0 2 4 4 - - - - - -<br />

Nr. 11 6 7 6 10 1 3 2 4 5 5 2 5 1 1<br />

Nr. 12 4 4 6 7 4 8 2 2 2 3 5 6 1 1<br />

Sektor 4<br />

3 Level<br />

Summe 40 55 45 68 26 53 89 116 21 28 34 46 28 38<br />

Tabelle: Zusammengefasste Stressreaktion in der empirischen 3- und 2-Level-Analyse nach Barriere-<br />

sektoren. Quelle: Eigene Erhebung.<br />

2 Level<br />

Sektor 5<br />

3 Level<br />

2 Level<br />

Sektor 6<br />

3 Level<br />

2 Level<br />

Sektor 7<br />

3 Level<br />

2 Level<br />

187


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Anhang XIII, Probanden-Einzelprofile<br />

Datenblatt – Proband Nr. 1<br />

Grundinformationen:<br />

Datenpaar: GPS02/SB57<br />

Geschlecht: männlich<br />

Alter: 58<br />

Art der Behinderung: geistige Behinderung mit körperlicher Beeinträchtigung<br />

Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />

Technische Hilfsmittel: E-Rollstuhl<br />

Stressauswertung:<br />

188<br />

3-Level-Analyse 1 2-Level-Analyse<br />

Sektor 1 3 4<br />

Sektor 2 5 12<br />

Sektor 3 5 7<br />

Sektor 4 8 13<br />

Sektor 5 2 3<br />

Sektor 6 5 9<br />

Sektor 7 5 9<br />

Summe 33 57<br />

Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 1. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

Keine<br />

1 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />

nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />

Empirische Drei-Level-Analyse.


Datenblatt – Proband Nr. 2<br />

Grundinformationen:<br />

Datenpaar: GPS02/SB57<br />

Geschlecht: männlich<br />

Alter: 47<br />

Art der Behinderung: schwerstkörperbehindert<br />

Dauer der Behinderung: seit Alter 23<br />

Technische Hilfsmittel: E-Rollstuhl<br />

Stressauswertung:<br />

3-Level-Analyse 2 2-Level-Analyse<br />

Sektor 1 1 1<br />

Sektor 2 0 0<br />

Sektor 3 0 2<br />

Sektor 4 1 4<br />

Sektor 5 4 4<br />

Sektor 6 5 7<br />

Sektor 7 1 1<br />

Summe 12 17<br />

Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 4. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

keine<br />

Anhänge<br />

2 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />

nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />

Empirische Drei-Level-Analyse.<br />

189


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Datenblatt – Proband Nr. 3<br />

Grundinformationen:<br />

Datenpaar: GPS02/SB57<br />

Geschlecht: männlich<br />

Alter: 49<br />

Art der Behinderung: schwerstkörperbehindert<br />

Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />

Technische Hilfsmittel: E-Rollstuhl<br />

Stressauswertung:<br />

190<br />

3-Level-Analyse 3 2-Level-Analyse<br />

Sektor 1 1 3<br />

Sektor 2 1 1<br />

Sektor 3 0 1<br />

Sektor 4 8 10<br />

Sektor 5 0 0<br />

Sektor 6 2 3<br />

Sektor 7 1 1<br />

Summe 13 19<br />

Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 3. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

keine<br />

3 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />

nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />

Empirische Drei-Level-Analyse.


Datenblatt – Proband Nr. 4<br />

Grundinformationen:<br />

Datenpaar: GPS05/SB21<br />

Geschlecht: männlich<br />

Alter: 53<br />

Art der Behinderung: gehbeeinträchtigt<br />

Dauer der Behinderung: seit Alter 18<br />

Technische Hilfsmittel: Gehstock<br />

Stressauswertung:<br />

3-Level-Analyse 4 2-Level-Analyse<br />

Sektor 1 7 10<br />

Sektor 2 1 1<br />

Sektor 3 3 8<br />

Sektor 4 6 6<br />

Sektor 5 0 0<br />

Sektor 6 0 0<br />

Sektor 7 1 1<br />

Summe 18 26<br />

Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 4. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

keine<br />

Anhänge<br />

4 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />

nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />

Empirische Drei-Level-Analyse.<br />

191


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Datenblatt – Proband Nr. 5<br />

Grundinformationen:<br />

Datenpaar: GPS06/SB46<br />

Geschlecht: weiblich<br />

Alter: 46<br />

Art der Behinderung: geistige Behinderung mit starker körperlicher Beeinträchtigung<br />

Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />

Technische Hilfsmittel: Rollstuhl<br />

Stressauswertung:<br />

192<br />

3-Level-Analyse 5 2-Level-Analyse<br />

Sektor 1 1 2<br />

Sektor 2 4 6<br />

Sektor 3 5 7<br />

Sektor 4 6 7<br />

Sektor 5 2 3<br />

Sektor 6 1 1<br />

Sektor 7 8 9<br />

Summe 27 35<br />

Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 5. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

keine<br />

5 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />

nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />

Empirische Drei-Level-Analyse.


Datenblatt – Proband Nr. 6<br />

Grundinformationen:<br />

Datenpaar: GPS06/SB46<br />

Geschlecht: weiblich<br />

Alter: 60<br />

Art der Behinderung: schwerstbehindert aufgrund Schlaganfall<br />

Dauer der Behinderung: seit Alter 49<br />

Technische Hilfsmittel: Rollstuhl<br />

Stressauswertung:<br />

3-Level-Analyse 6 2-Level-Analyse<br />

Sektor 1 3 5<br />

Sektor 2 7 10<br />

Sektor 3 3 5<br />

Sektor 4 28 37<br />

Sektor 5 3 5<br />

Sektor 6 8 9<br />

Sektor 7 2 6<br />

Summe 54 77<br />

Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 6. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

keine<br />

Anhänge<br />

6 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />

nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />

Empirische Drei-Level-Analyse.<br />

193


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Datenblatt – Proband Nr. 7<br />

Grundinformationen:<br />

Datenpaar: GPS05/SB100<br />

Geschlecht: weiblich<br />

Alter: 20<br />

Art der Behinderung: schwerstbehindert aufgrund Ataxie<br />

Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />

Technische Hilfsmittel: Rollstuhl<br />

Stressauswertung:<br />

194<br />

3-Level-Analyse 7 2-Level-Analyse<br />

Sektor 1 2 3<br />

Sektor 2 3 5<br />

Sektor 3 2 2<br />

Sektor 4 7 9<br />

Sektor 5 0 0<br />

Sektor 6 2 2<br />

Sektor 7 4 5<br />

Summe 20 26<br />

Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 7. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

keine<br />

7 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />

nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />

Empirische Drei-Level-Analyse.


Datenblatt – Proband Nr. 8<br />

Grundinformationen:<br />

Datenpaar: GPS06/SB46<br />

Geschlecht: männlich<br />

Alter: 40<br />

Art der Behinderung: gehbehindert aufgrund motorischer Störungen<br />

Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />

Technische Hilfsmittel: Gehstock<br />

Stressauswertung:<br />

3-Level-Analyse 8 2-Level-Analyse<br />

Sektor 1 3 4<br />

Sektor 2 3 3<br />

Sektor 3 2 4<br />

Sektor 4 12 15<br />

Sektor 5 2 3<br />

Sektor 6 2 2<br />

Sektor 7 2 2<br />

Summe 26 33<br />

Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 8. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

Proband hat den Routengang als einfach empfunden.<br />

Anhänge<br />

8 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />

nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />

Empirische Drei-Level-Analyse.<br />

195


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Datenblatt – Proband Nr. 9<br />

Grundinformationen:<br />

Datenpaar: GPS08/SB23<br />

Geschlecht: männlich<br />

Alter: 30<br />

Art der Behinderung: geistige und körperliche Beeinträchtigung aufgrund Hydrozephalus<br />

Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />

Technische Hilfsmittel: keine<br />

Stressauswertung:<br />

196<br />

3-Level-Analyse 9 2-Level-Analyse<br />

Sektor 1 3 3<br />

Sektor 2 3 5<br />

Sektor 3 1 4<br />

Sektor 4 5 7<br />

Sektor 5 1 2<br />

Sektor 6 2 2<br />

Sektor 7 2 2<br />

Summe 17 25<br />

Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 9. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

Proband gibt als Problemstellen Bodenbelag und Stufen an.<br />

9 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />

nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />

Empirische Drei-Level-Analyse.


Datenblatt – Proband Nr. 10<br />

Grundinformationen:<br />

Datenpaar: GPS07/SB53<br />

Geschlecht: weiblich<br />

Alter: 65<br />

Art der Behinderung: mobilitätseingeschränkt<br />

Dauer der Behinderung: im Alter<br />

Technische Hilfsmittel: keine<br />

Stressauswertung:<br />

3-Level-Analyse 10 2-Level-Analyse<br />

Sektor 1 6 9<br />

Sektor 2 6 8<br />

Sektor 3 0 2<br />

Sektor 4 4 4<br />

Sektor 5<br />

Sektor 6<br />

Sektor 7<br />

Summe 16 23<br />

Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 10. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

Anhänge<br />

Probandin hat sich nach Sektor 4 verlaufen. Als Problemstellen beschreibt die Probandin<br />

Bodenbelag, Bodenwellen und kurze Grünphase Ampel.<br />

10 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />

nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />

Empirische Drei-Level-Analyse.<br />

197


Methodische und praktische Fundierung zur Etablierung des EmBaGIS<br />

Datenblatt – Proband Nr. 11<br />

Grundinformationen:<br />

Datenpaar: GPS06/SB46<br />

Geschlecht: männlich<br />

Alter: 38<br />

Art der Behinderung: gehbehindert durch Körperbeeinträchtigung<br />

Dauer der Behinderung: keine Angabe<br />

Technische Hilfsmittel: keine<br />

Stressauswertung:<br />

198<br />

3-Level-Analyse 11 2-Level-Analyse<br />

Sektor 1 6 7<br />

Sektor 2 6 10<br />

Sektor 3 1 3<br />

Sektor 4 2 4<br />

Sektor 5 5 5<br />

Sektor 6 2 5<br />

Sektor 7 1 1<br />

Summe 23 35<br />

Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 11. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

Proband gibt als Problemstelle zu steile Rampe gegen Ende der Route an.<br />

11 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />

nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />

Empirische Drei-Level-Analyse.


Datenblatt – Proband Nr. 12<br />

Grundinformationen:<br />

Datenpaar: GPS07/SB57<br />

Geschlecht: männlich<br />

Alter: 42<br />

Art der Behinderung: schwerstkörperbehindert aufgrund Tetraspastik mit Beinbetonung<br />

Dauer der Behinderung: seit Geburt<br />

Technische Hilfsmittel: Rollstuhl<br />

Stressauswertung:<br />

3-Level-Analyse 12 2-Level-Analyse<br />

Sektor 1 4 4<br />

Sektor 2 6 7<br />

Sektor 3 4 8<br />

Sektor 4 2 2<br />

Sektor 5 2 3<br />

Sektor 6 5 6<br />

Sektor 7 1 1<br />

Summe 24 31<br />

Tabelle: Anzahl der Stressreaktion je Sektor Proband Nr. 12. Quelle: Eigene Darstellung.<br />

Weitere Anmerkungen:<br />

Anhänge<br />

Proband gibt als Problemstellen schräge Gully-Deckel, Kopfsteinpflaster, zu kurze Grünphase<br />

Ampel, unzureichende Bordsteinabsenkung an.<br />

12 Anm.: 3-Level-Analyse bedeutet: Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab, elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur<br />

nimmt ab. 2-Level-Analyse bedeutet: elektrodermale Aktivität nimmt zu, Hauttemperatur nimmt ab. Siehe Kapitel 5.4.3<br />

Empirische Drei-Level-Analyse.<br />

199


Anhang XIV: Städtebauliche Optimierung Sektor 7 - Frontportal Kirche St. Martin<br />

Rampe<br />

Steigung 6%<br />

Detail 3<br />

Detail 1<br />

Detail 2<br />

Kirche St. Martin<br />

Maßstab 1:100<br />

Beispiel einer barrierenfreien Kopfsteinpflasterspur<br />

Detail 1 - Visuell betonte Treppenanlage<br />

Detail 2 - Barrierefreies Kopfsteinpflaster<br />

Detail 3 - Barrierefreie Sitzbank<br />

S. 200

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!