hbsc/18 - Ludwig Boltzmann Institut für Medizin- und ...

Ludwig Boltzmann-Institut für Medizin- und Gesundheitssoziologie
WHO-Kooperationszentrum für Gesundheitsförderung in Krankenhaus und Gesundheitswesen
hbsc/18
Partizipative Strukturen in der Schule
und die Gesundheit von Jugendlichen
im Alter von 11, 13 und 15 Jahren
Endbericht
Oktober 2002

Ludwig Boltzmann Institut für Medizin- und Gesundheitssoziologie
Partizipative Strukturen in der Schule
und die Gesundheit von Jugendlichen
im Alter von 11, 13 und 15 Jahren
Ludwig Boltzmann Gesellschaft
A-1090 Wien, Rooseveltplatz 2/4
Tel. +43/1/4277-48208 Fax +43/1/4277-48290
e-mail: hm.soc-gruwi@univie.ac.at / www.univie.ac.at/lbimgs
Leitung: Univ.-Prof. Dr. Jürgen M. Pelikan, Mag. Peter Nowak
Endbericht
hbsc/18
Mit Finanzierung des Bundesministeriums
für Bildung, Wissenschaft und Kultur
und des Fonds Gesundes Österreich
Oktober 2002
UNIVERSITÄT WIEN
INSTITUT FÜR SOZIOLOGIE

s t a b
des Ludwig Boltzmann Institutes
für Medizin- und Gesundheitssoziologie (LBIMGS)
Projektleitung
Mag. Dr. Wolfgang Dür
Wissenschaftliche Arbeiten
Mag. Dr. Wolfgang Dür
Mag. Monika M. Bauer
Mag. Katharina Mravlag
Spezielle wissenschaftliche Auswertungen
Mag. Christina Dietscher
Mag. Dr. Sonja Novak-Zezula
Mag. Christa Peinhaupt
Mag. Holger Penz
Mag. Isabella Schuß
Mag. Thomas Stidl
Mag. Dr. Ursula Trummer
Interviewerinnen
Nina Aichholzer
Theresa Gutenberger
Mag. Christine Mairhuber
Statistische Beratung und Analysen
Univ.Prof. Dr. Wilfried Grossmann
Hans Aichberger
Gerhard Schindlauer
Finanzmanagement
Mag. Peter Nowak
Ernst Steininger
Sekretariat
Gabriele Bocek
Johanna Bower
Alexander Popp
Brigitte Wilhelm
Autorinnnen und Autoren und Zitation des Berichtes:
Dür, W.; Bauer, M.; Grossmann, W.; Mravlag, K.; 2002:
Partizipative Strukturen in der Schule und die Gesundheit von Jugendlichen im Alter
von 11, 13 und 15 Jahren in Österreich, Endbericht des
Ludwig Boltzmann Institutes für Medizin-und Gesundheitssoziologie, Wien

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung: Problemstellung und Design der Studie ........................................................5
1.1 Problemstellung .........................................................................................................................7
1.2 Datenmaterial und Analysemethode......................................................................................10
2 Gesundheit und Risikoverhalten von Jugendlichen .......................................................12
2.1 Theoretische Konzepte zur subjektiven Gesundheit und zum Rauchen ............................12
2.1.1 Zum Konzept der subjektiven Gesundheit....................................................................................... 12
2.1.2 Zum Konzept des Risikoverhaltens - Rauchen................................................................................ 12
2.1.3 Zur Theorie des Rauchens ............................................................................................................... 14
2.1.4 Die Bedeutung des Rauchens bei Jugendlichen............................................................................... 16
2.1.5 Tabakpolitik..................................................................................................................................... 18
2.2 Makrosoziologische Faktoren.................................................................................................25
2.2.1 Gender und die Gesundheit von Jugendlichen.................................................................................25
2.2.2 Alter und Gesundheit von Jugendlichen.......................................................................................... 28
2.2.3 Schicht und Gesundheit bei Jugendlichen ....................................................................................... 30
2.3 Status quo und Trends der subjektiven Gesundheit und des Rauchverhaltens unter
Berücksichtigung der Makrofaktoren ...........................................................................................36
2.3.1 Status quo und Trends der subjektiven Gesundheit......................................................................... 36
2.3.2 Status quo und Trends des Rauchverhaltens von Jugendlichen....................................................... 41
3 Die Schule als gesundheitsrelevantes Setting .................................................................45
3.1 Die theoretischen Konzepte der Partizipation und des Empowerment..............................46
3.1.1 Entstehung und Kontexte der Begriffe ............................................................................................ 46
3.1.2 Empowerment in der Gesundheitsförderung ................................................................................... 49
3.1.3 Empowerment bei Kindern und Jugendlichen................................................................................. 53
3.1.4 Empowerment in der Schule............................................................................................................ 55
3.1.5 Zur Operationalisierung der Begriffe Partizipation und Empowerment.......................................... 57
3.1.6 Die Bedeutung von Rollenmodellen am Beispiel Rauchen bei Jugendlichen ................................. 58
3.1.7 Curriculum....................................................................................................................................... 59
3.1.8 Kurzdarstellung der Schultabakpolitik ............................................................................................ 60
3.2 Zusammenhänge zwischen Settingvariablen und Gesundheitsoutcomes...........................60
3.2.1 Schule und subjektive Gesundheit................................................................................................... 60
3.2.2 Schule und Rauchen bei Jugendlichen............................................................................................. 64
4 Familie und Peergroups als gesundheitsrelevante Rahmenbedingungen der Schule..66
4.1 Theoretische Konzepte zur Familie und Peergruppe...........................................................66
4.1.1 Familie............................................................................................................................................. 66
4.1.2 Peers ................................................................................................................................................ 67
4.2 Statistische Zusammenhänge zwischen Settingvariablen und Gesundheitsoutcomes.......68
1

4.2.1 Familie............................................................................................................................................. 68
4.2.2 Peergruppe....................................................................................................................................... 74
5 Persönlichkeitsmerkmale .................................................................................................80
5.1 Kohärenzsinn ...........................................................................................................................81
5.2 Selbstwirksamkeit....................................................................................................................82
5.3 Anpassung an Schulnormen ...................................................................................................83
6 Modellbildung durch Mehrebenenanalyse zum Verständnis der Bedeutung der
schulischen Partizipation ........................................................................................................85
6.1 Die Methode der Mehrebenen-Analyse .................................................................................85
6.2 Entwicklung eines theoretischen Modells..............................................................................91
6.3 Indikatoren und Variablen .....................................................................................................95
6.4 Schulspezifische Zusammenhänge der Determinanten und der Outcome-Variable -
Gesundheit........................................................................................................................................98
6.5 Schulspezifische Zusammenhänge der Determinanten und der Outcome-Variable -
Rauchen ..........................................................................................................................................107
6.5.1 Der Einfluss der nationalen Tabakpolitik auf die Raucherprävalenzen......................................... 108
6.5.2 Der Einfluss der Schultabakpolitik auf die Raucherprävalenzen................................................... 109
6.5.3 Der Zusammenhang zwischen den staatlichen und schulbasierten Maßnahmen und den
Raucherprävalenzen.................................................................................................................................... 111
6.5.4 Der Einfluss von Empowerment auf das Rauchverhalten der Schüler/innen ................................ 111
6.5.5 Der Zusammenhang zwischen Rauchen, Empowement und Schulpolitik..................................... 114
6.5.6 Der Zusammenhang zwischen Rauchen, staatlicher Tabakpolitik und Empowerment ................. 115
6.5.7 Der Einfluss der Persönlichkeit, der Familie und Peergruppe auf das Rauchverhalten der
Schüler/innen.............................................................................................................................................. 116
7 Die Methode der Organisationsanalyse.........................................................................124
7.1 Zielsetzung der Organisationsanalyse .................................................................................124
7.2 Auswahl der Schulen .............................................................................................................124
7.2.1 Schule A ........................................................................................................................................ 128
7.2.2 Schule B......................................................................................................................................... 128
7.2.3 Schule C (C1, C2).......................................................................................................................... 128
7.2.4 Die befragten Klassen.................................................................................................................... 129
7.2.5 Vergleiche...................................................................................................................................... 129
7.3 Die Methode der Organisationsanalyse ...............................................................................131
8 Zur Logik der Organisationsanalyse an Schulen .........................................................138
8.1 Struktur oder Prozess............................................................................................................138
8.2 Entscheidungsprozesse..........................................................................................................142
2

8.3 Führung: Autorität oder Einfluss ........................................................................................144
8.4 Beziehungs- oder aufgabenorientierte Führung .................................................................146
8.5 Informelle und formalisierte Parallelstruktur....................................................................147
8.6 Lernen als Kernprozess.........................................................................................................147
9 Schule A: "Wir als Schüler können nie was machen" ................................................149
10 Schule B: "Es ist immer das gleiche, es hält sich niemand dran" ..............................172
11 Schule C: „Was gut läuft in unserer Klasse ist, dass Eltern, Schüler, Lehrer gut in
einem Team zusammenarbeiten“..........................................................................................198
12 Vergleich.........................................................................................................................233
12.1 Mitgliedschaft und Stellung der Schulpartner in der Organisation .............................233
12.1.1 Charakterisierung der 3 Schulen ............................................................................................... 233
12.1.2 Die Stellung der Schulleitung.................................................................................................... 234
12.1.3 Die Stellung der Lehrer/innen ................................................................................................... 235
12.1.4 Die Stellung der Eltern.............................................................................................................. 237
12.1.5 Die Stellung der Schüler/innen.................................................................................................. 238
12.2 Die Qualität der sozialen Beziehungen ............................................................................241
12.2.1 Beschwerden ............................................................................................................................. 241
13 Zusammenfassung der Ergebnisse................................................................................245
Literaturverzeichnis...............................................................................................................256
Anhang 1: Fragebogen der österreichischen WHO-HBSC Schüler/innenbefragung
1997/98
Anhang 2: Linearauszählung der verwendeten Variablen der österreichischen
WHO-HBSC Schüler/innenbefragung 1997/98
Anhang 3: Konstruktion der Indices
Anhang 4: Organisation der Fokus Gruppen und Interviews
Anhang 5: Codieranweisungen und Kategorienbaum
3

Vorwort
Hiermit wird der Endbericht zum Projekt „Partizipative Strukturen in der Schule und die
Gesundheit von Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 15 Jahren in Österreich“ vorgelegt,
welches mit Finanzierung durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur
sowie durch den Fonds Gesundes Österreich durchgeführt wurde.
Diese Studie hat zwei Teile: einen quantitativen und einen qualitativen, der auf ersterem
aufbaut. Der quantitative Teil benutzt für seine speziellen Analysen die Daten der
internationalen WHO-HBSC-Studie, die in Österreich vom Bundesministerium für Soziale
Sicherheit und Generationen finanziert wird (vgl. Dür, Kernbeiss et al. 2000; Currie et al.
2000). Ebenso fließen Daten und Ergebnisse aus dem internationalen EU-Projekt „Control of
Adolescent Smoking (CAS)“ ein, das in 8 europäischen Ländern durchgeführt worden ist
(vgl. Wold, Holstein et al. 2000, Dür, Grossmann et al. 2001).
Allen Auftraggebern sei an dieser Stelle herzlich für die finanzielle Unterstützung gedankt.
Unser besonderer Dank gilt jedoch all jenen, ohne deren Kooperation diese Studie nicht
möglich gewesen wäre: den Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern sowie
den Schulleiterinnen und Schulleitern der drei Schulen, in denen wir so viel über
Partizipation, Empowerment und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen lernen konnten.
W.D. Oktober 2002
4

1 Einleitung: Problemstellung und Design der Studie
Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit der Frage, inwieweit die Schule als
Organisation und Lebensraum auf die Gesundheit von 15-jährigen Schüler/innen Einfluss
hat. Genauer interessiert dabei die Frage, ob die Gesundheit der Schüler/innen von ihrer
sozialen Einbindung in die Schule und ihrer aktiven Beteiligung an den für sie zentralen
Prozessen des Schulalltags positiv oder negativ beeinflusst werden kann. Im Anschluss an
die Terminologie der Schulreform geht es also um Schuldemokratie, um Mitbestimmung und
Mitgestaltung in der Schule aus Sicht der Schüler/innen, Konzepte, die in ganz ähnlicher
Form im Rahmen der Gesundheitsförderung und Gesundheitsförderungsforschung mit den
Begriffen Partizipation und Empowerment umschrieben werden.
Mit dieser Fragestellung lässt sich die Untersuchung auf eine hochkomplexe Gemengelage
unterschiedlichster Faktoren aus unterschiedlichsten Realitätsbereichen ein, die alle auf die
eine oder andere Weise nicht nur die Gesundheit von Jugendlichen, sondern auch sich
gegenseitig beeinflussen, teils verstärkend, teils abschwächend. Man wird daher den
isolierten Einfluss der Schule auch nicht annäherungsweise korrekt abschätzen können,
wenn man nicht die gleichzeitig wirksamen Einflüsse der Familie und der Peergruppen, in
denen das Kind sich bewegt, mitsehen kann. Zusätzlich muss bedacht werden, dass die
unterschiedlichen Einflussfaktoren möglicherweise keine stabile Wirkung haben, sondern
durch Persönlichkeitsmerkmale und Kompetenzen gefiltert werden. Auch das eigene
Verhalten eines Kindes, etwa wie viel oder wenig Bewegung es macht, wird neben allen
schon genannten Faktoren ebenfalls den Gesundheitszustand beeinflussen. Es werden
daher sehr komplexe Informationen über die gesamte Lebenslage der Kinder und
Jugendlichen benötigt, will man zuverlässig den Einzel-Einfluss der Erfahrungen abschätzen
können, die die Jugendlichen durch die partizipative Kultur der Schule macht.
Es versteht sich von selbst, dass eine solche Untersuchung zunächst trachten muss, die
Komplexität des Gegenstandsbereichs zu reduzieren. Es werden dazu theoretische
Konzepte benötigt, die in allen Bereichen einfache Indikatoren und Maßzahlen bereitstellen,
und diese müssen in eine fragebogentaugliche Form gebracht werden, so dass die zu
verarbeitende Information ein brauchbares Maß erreicht.
5

Die Daten der WHO-HBSC-Untersuchung liefern dafür eine sehr gute Voraussetzung, indem
der zugrundeliegende Fragebogen neben den Gesundheitsfragen auch die Wahrnehmungen
und Empfindungen des Kindes bezüglich Familie, Peergruppe, Schule und seine eigenen
verhaltensmäßigen Beiträge zur Gesundheit erhebt. Der Fragebogen dieser Studie findet
sich im Anhang (vgl. auch King et al. 1986; Dür et al. 2000; Dür et al. 2001; Currie et al.
2001).
Durch einen solchen Fragebogen und die statistischen Verfahren zur Bearbeitung der Daten
werden die konkreten Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen, die hinter den Antworten
liegen, allerdings extrem verdichtet. Man begreift dann zwar vielleicht die größeren
Zusammenhänge, verliert aber die Details aus dem Blick. Man weiß dann zwar, dass
Jugendliche, die sich „empowert“ fühlen, die das Gefühl haben, in ihrer Schule mitreden zu
können, durchschnittlich gesünder sind als Jugendliche, die das verneinen, aber man sieht
natürlich nicht, aufgrund welcher Erfahrung und aufgrund welcher konkreten schulischen
Konstellationen der eine Jugendliche so und der andere anders geantwortet hat. Wenn man
indessen konkrete Maßnahmen ableiten können will, um Schulen in die eine oder andere
Richtung inspirieren zu können, benötigt man genau diese Informationen.
Es ist daher notwendig, in einem zweiten Schritt durch qualitative Methoden den feinen
Details wieder nachzuspüren, denn nur so kann ein handfestes, realitätsgerechtes
Verständnis für die komplexen Zusammenhänge, um die es hier geht, erzeugt werden.
Dieser Schritt wird in der vorliegenden Untersuchung in Form einer Organisationsanalyse in
ausgewählten Schulen durchgeführt, wobei Schulen gegenüber gestellt werden, die sich in
zwei Hinsichten unterscheiden: ihre Schüler/innen sind nach eigener Einschätzung entweder
über- oder unterdurchschnittlich gesund und ihre Schüler/innen betrachten ihre Schule in
Hinblick auf Empowerment und Partizipation als entweder über- oder unterdurchschnittlich
gut entwickelt.
Ziel der Organisationsanalysen ist also eine Vertiefung und Konkretisierung der quantitativstatistischen
Analysen. Wenn im Fragebogen, beispielsweise, in allgemeiner Form gefragt
wird, ob die Jugendlichen ausreichend Unterstützung von ihren Lehrerinnen und Lehrern
erhalten, kann in der Organisationsanalyse sehr konkret untersucht werden, welche
Unterstützungsformen bei welchen Problemlagen auf welche Weise nachgefragt bzw.
angeboten werden.
Darüber hinaus bietet der Fragebogen nur die Sichtweise der Schüler/innen. Man kann von
diesen Beschreibungen der Schule nicht notwendigerweise auf die objektive Schulrealität
6

schließen. Aus Sicht der Lehrer/innen kann ja manches noch einmal ganz anders aussehen.
Es wurden daher bei der Organisationsanalyse nicht nur Schüler/innen, sondern auch
Lehrer/innen und Schulleiter/innen in die Befragung miteinbezogen.
1.1 Problemstellung
Im allgemeinsten Sinne befasst sich diese Untersuchung mit dem Einfluss der Schule auf die
Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Dem modernen Gesundheitsverständnis der
Ottawa-Charta (WHO 1986a) entsprechend wird Gesundheit dabei als individuelle
Ressource interpretiert, die in sozialen Systemen vermehrt oder verbraucht bzw. geschwächt
wird. Wie dieser Mechanismus, der biologische, psychologische und soziale Prozesse
verbindet, funktioniert, ist theoretisch unterschiedlich gefasst worden und hat bis heute noch
keine endgültige Formulierung gefunden. Das Grundverständnis dieses Vorgangs ist aber in
verschiedenen Forschungs- und Theorierichtungen gelegt worden, namentlich in
neurologischer Forschung, in der Psychosomatik (Uexküll, Wesiack 1988), in der
salutogenetischen Theorie (Antonovsky 1997) und neuerdings auch in einer systemischen
Gesundheitstheorie (Simon 1995). In all diesen Ansätzen wird davon ausgegangen, dass der
Mensch als psychophysische Einheit mit sozialen Strukturen und Prozessen in einer Weise
verbunden ist, die seine Gesundheit verbessern oder verschlechtern kann. Man spricht in
diesem Sinne auch von einem biopsychosozialen oder soziopsychophysischen
Gesundheitsverständnis. In einer systemtheoretischen Auslegung dieser komplexen
Zusammenhänge würde man von strukturellen Kopplungen zwischen physiologischen,
psychischen und sozialen Prozessen sprechen, die evolutionär entstanden sind und die
bewirken, dass Veränderungen in einem System notwendigerweise zu nicht einfach
ausblendbaren Irritationen in den anderen Systemen führen. Es ist ein wesentlicher Bereich
der gesundheitswissenschaftlichen Forschung, der sich mit solchen Irritationen beschäftigt
und den Zusammenhang von sozialen Systemen und individueller Gesundheit erforscht.
Auch die Schule ist für die Soziologie zunächst ein soziales System, das durch bestimmte
soziale Prozesse bestimmt ist, an denen Individuen auf die eine oder andere Weise
teilnehmen. Schüler/innen auf andere Weise als Lehrer/innen, Eltern auf eine dritte und
gegenüber den beiden anderen deutlich losere Weise. Eine genaue soziologische
Bestimmung der Rolle der Schüler/innen bzw. der Formen der Teilnahme - Partizipation - der
Schüler/innen am Schulgeschehen wird in Kapitel 3 vorgenommen. Auf dieser Grundlage
kann dann gefragt werden, wie sich diese Teilnahme auf die Gesundheit der Jugendlichen
auswirkt. Dabei ist neben dem Rollenbegriff, der die für Schüler/innen geltenden
7

Erwartungen fokussiert, auch das Faktum von Bedeutung, dass eine Schule als eine
Organisation aufgefasst werden kann. In systemtheoretischer Betrachtung sind
Organisationen vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die darin ablaufenden
Kommunikationen auf Entscheidungen basieren und auf weitere Entscheidungen hin
orientiert sind. Organisationen sind insofern durch Entscheidungen und
Entscheidungsstrukturen beschreibbar und werden in gewisser Weise von diesen getragen
(Luhmann 1988). Unser Forschungsinteresse kann daher etwas genauer auf die Frage
gerichtet werden, ob und in welcher Form die Beteiligung an Entscheidungsstrukturen in der
Schule die Gesundheit der Schüler/innen günstig beeinflussen kann.
Die Untersuchung kann dabei davon ausgehen, dass die Schule auf die Gesundheit von
Schülerinnen und Schülern mehr oder weniger starken Einfluss nimmt, die Belege hierfür
sind reichhaltig, wie in Kapitel 3 dargestellt. Ein großer Teil der vorliegenden empirischen
Arbeiten untersucht diesen Einfluss entsprechend dem Belastung-Bewältigungs-Modell 1 .
Dabei geht es darum, zu zeigen, dass die Schule durch Leistungsdruck, Stressbelastung,
Bewegungseinschränkungen etc. auf vielfältige Weise die Gesundheit beeinträchtigen kann. 2
Eine zweite Forschungsrichtung behandelt den Effekt der Schule als Vermittlerin für
Gesundheitserziehung. Diese behandelt die Frage nach der möglichen Rolle der Schule als
positiven Einflussfaktor auf das Risikoverhalten 3 der Kinder. Eine zusammenfassende
Analyse der verschiedenen Forschungsergebnisse ist diesbezüglich allerdings sehr
zurückhaltend, wenn Gesundheitserziehung tatsächlich nur im Sinne eines weiteren
Unterrichtsgegenstands angeboten wird (Sallis, Owen 1999). Aber auch verhaltensorientierte
Programme, die nicht nur einzelne Inhalte vermitteln und der kognitiven Verarbeitung des
einzelnen überlassen, sondern komplexe Lebensstile implementieren wollen und
dementsprechende Interventionen in den Settings und Populationen durchführen, sind nur
bedingt erfolgreich, wie enttäuschenderweise etwa die große Anti-Rauchen-Studie bei
Jugendlichen in Washington gezeigt hat (Peterson, Kealey et al. 2000).
Gerade diese Forschungsergebnisse berechtigen aber dazu, einen Schritt weiter zu gehen
und die Gesundheitsförderung, die ja als politisches Konzept seit 1986 einigermaßen
erfolgreich war, selbst wenn da noch vieles zu wünschen übrig sein mag, auch als
wissenschaftliches Konzept ernst zu nehmen und zu sehen, welchen Unterschied es denn
macht, ob Jugendliche in den sozialen Systemen, in denen sie praktisch ihren gesamten
1
Für eine Gesamtdarstellung vgl.Muthny (Muthny 1990)
2
Eine gute Übersicht über den Zusammenhang von Leistungsdruck bzw. Leistungserwartung in der Schule und
Gesundheit bietet (Hurrelmann 1994).
3
Vgl. u.a. (Lohaus 1993)
8

Alltag verbringen - das ist die Familie, die Schule und die Peergroup -, über
Partizipationsbedingungen verfügen, die sie als „empowernd“ erleben können, und das soll
heißen: ihre Lebensinteressen fördernd und ihre Entwicklungsaufgaben unterstützend, oder
eben nicht und ob dieser Unterschied einen Unterschied im Gesundheitszustand und im
Gesundheitsverhalten der Jugendlichen macht. Über Partizipation und Empowerment zu
sprechen ist etwas ganz anderes als sie, beispielsweise, vom Rauchen abhalten zu wollen.
Denn Rauchen ist weder ein originäres Lebensinteresse noch eine Entwicklungsaufgabe von
Jugendlichen. Rauchprogramme, wie ausgeklügelt auch immer, sind für Jugendliche
allenfalls eine Zusatzaufgabe, wenn nicht sogar eine Ablenkung von ihren eigentlichen
Interessen, Problemen und Aufgaben.
Mit Davies, Macdonald (1998) muss der Begriff des Empowerments tatsächlich ins Zentrum
der theoretischen Diskussion und praktischen Umsetzung der Gesundheitsförderung gestellt
werden, da Empowerment auf die Einrichtung von sozialen Strukturen zielt, welche
Partizipation und Mitgestaltung ermöglichen. Für den Bereich der Arbeitswelt gibt es nun –
teils unabhängig von der Gesundheitsförderungsbewegung – eine reichhaltige Literatur zu
den Möglichkeiten, Effekten und Grenzen des Empowerments unter verschiedenen
organisatorischen Bedingungen. Es herrscht hier weitgehender Konsens darüber, dass
Empowerment der Arbeitnehmer/innen die Produktivität, das Arbeitsklima und die
Arbeitszufriedenheit steigern kann. Diese Arbeiten, in denen v.a. für
Erwachsenenpopulationen soziale Reziprozität als Problemstellung berücksichtigt wird,
benennen eine Reihe von Indikatoren und belegen den Einfluss von Faktoren des
Mitspracherechts und der Mitgestaltbarkeit von sozialen Welten auf die Gesundheit bzw. das
Gesundheitsverhalten (Kawachi, Kennedy et al. 1997). Ähnliche Ergebnisse sind aus dem
Kontext der Organisationswissenschaften bekannt, die sich mit der Einwirkung
organisationaler Verhältnisse auf die Gesundheit der Angehörigen der Organisation
beschäftigen (Grossmann 1996).
Eine ähnliche Aufarbeitung und Diagnosestellung ist für den Bereich der Schule und die
Population der Kinder und Jugendlichen allerdings noch ausständig. Arbeiten über den
Einfluss sozialer Strukturen in bezug auf die Schule fehlen weitgehend (Bunton, Macdonald
1993). Trotz der großen Zahl an Projekten, die in Österreich und international im Rahmen
des WHO-Projektes „European Network Health Promoting Schools“ (EU, WHO et al.)
durchgeführt worden sind, herrscht in bezug auf die prinzipiellen Möglichkeiten ebenso wie in
bezug auf die erwartbaren Gesundheitseffekte des Empowerments von Schülerinnen und
Schülern in und durch die Schule Unklarheit oder sogar Skepsis.
9

1.2 Datenmaterial und Analysemethode
Es können die Daten des internationalen WHO-HBSC-Surveys von 1998 verwendet werden.
Diese basieren auf einem für die 11-, 13- und 15-jährigen Schülerinnen und Schüler
Österreichs repräsentativ erhobenen Fragebogen, der alle relevanten Themenbereiche
durch jeweils mehrere international getestete, hochwertige Indikatoren abdeckt. Das Sample
umfaßt 4.500 Fälle. Die Stichprobe ist für Klassen und Schulen geclustert, so dass sowohl
der Einfluss der Schule wie der einzelnen Klasse gesondert untersucht werden kann.
Die in die Analyse einbezogenen Variablen zur Messung der subjektiven Gesundheit, des
Rauchverhaltens, der Wahrnehmung der Familie, der Peergroup und insbesondere der
partizipativen Strukturen in der Schule werden in den nachfolgenden Kapiteln vorgestellt und
in ihrem theoretischen Kontext verankert (vgl. Kapitel 2 – 5).
Für die statistische Modellbildung wird das Verfahren der Mehr-Ebenen-Analyse (Multilevel
Analysis oder auch Multilevel Modelling genannt) angewendet. Dieses hierarchische lineare
Modellieren ist ein anspruchvolles statistisches Analyseverfahren, das theoretisch seit den
späten 60er Jahren diskutiert wird, in der Mitte der 80er Jahre mathematisch gelöst wurde
und erst seit Mitte der 90er Jahre durch die Verfügbarkeit entsprechender Software z.B.
Mlwin (Goldstein, Rasbash et al. 2000) in der empirischen Sozialforschung anwendbar ist.
Das Verfahren ist für Datensätze entwickelt worden, die eine hierarchische Struktur
aufweisen, wie sie etwa im Verhältnis Schüler/innen – Klasse – Schule – Region – Land
gegeben ist. Es kann Probleme der Attribution von Effekten auf Effektoren lösen helfen,
indem es diese den jeweiligen hierarchischen Ebenen zuordnet. Es kann, beispielsweise,
berücksichtigen, dass die Leistungsentwicklung von Schülerinnen und Schülern nicht nur von
deren individuellen Merkmalen wie Intelligenz oder Sozialschicht (Ebene 1) abhängt,
sondern ebenso von Eigenschaften der Schulklasse (Ebene 2), der besuchten Schule
(Ebene 3) oder des regionalen/nationalen Schulsystems (Ebene 4). Eine Analyse solcher
hierachisch-komplexer Strukturen geht über die Möglichkeiten von Standard-
Statistikverfahren weit hinaus. Eine ausführliche Darstellung ist in Kapitel 6 enthalten. Eine
genaue Darstellung findet sich in Kapitel 6.1.
Für die Organisationsanalysen der Schulen wurden Fokus-Gruppen mit Schüler/innen und
Interviews mit Lehrer/innen und Schulleiter/innen durchgeführt. Die Auswertung erfolgte
10

mittels Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring 2001). Es wurden Einzelfallanalysen
durchgeführt, die als Ideal qualitativer Forschung gelten, da sie einen ganzheitlichen Blick
auf Subjekte und Organisationen und deren komplexen Beziehungen mit deren Umwelt
beschreiben können (Bromley 1986; Stake 1995). Eine genaue Darstellung der Methoden
der Organisationsanalyse findet sich in Kapitel 7.
11

2 Gesundheit und Risikoverhalten von Jugendlichen
2.1 Theoretische Konzepte zur subjektiven Gesundheit und zum Rauchen
2.1.1 Zum Konzept der subjektiven Gesundheit
Die WHO definiert Gesundheit als Zustand des umfassenden physischen, mentalen und
sozialen Wohlbefindens, in dem die Abwesenheit von Krankheit nur einen Aspekt von vielen
darstellt. Die Beobachtung und Dokumentation von Trends und internationalen
Unterschieden im psychologischen, sozialen und physischen Wohlbefinden von
Jugendlichen ist daher ein notwendiger erster Schritt, um die Gesundheitsvorsorge an die
wachsenden mentalen Gesundheitsprobleme der Jugendlichen zu adaptieren. (Dür, Pelikan
2000).
Seit der WHO Erklärung wurden viele Messinstrumente für Gesundheit entwickelt, die in
unterschiedlicher Ausführlichkeit globale Profile der Gesundheit inklusive der funktionellen,
sozialen und emotionalen Gesundheit messen. Da diese Messinstrumente oft sehr lang sind
und ihre Integration in den Fragebogen daher problematisch sein kann, wurde versucht ein
einziges Item zu finden, das den selbsteingeschätzten Gesundheitszustand ebenso präzise
wiedergibt. Eine der am weitesten verbreiteten Methoden, den Gesundheitszustand mit
einem einzelnen Item zu messen, besteht darin, die Interviewten ihre Gesundheit als
„excellent, good, fair, oder poor auf die Frage: „In general, compared to other people your
age, would you say your health is...“ (Excellent, Good, Fair, Poor) einschätzen zu lassen
(EU, WHO et al.). Untersuchungen zur Validität des Items haben nach Idler und Kasl (1995)
ergeben, dass die mittels EGFP Indikator selbsteingeschätzte Gesundheit Vorhersagekraft
für Veränderungen der funktionellen Fähigkeiten einer Person in den nächsten sechs Jahren
hat (Ratner, Johnson et al. 1998). Weitere Tests von Cunny, Perri (1991) haben ergeben,
dass das EGFP-Item Ergebnisse liefert, die signifikant mit den Messergebnissen
medizinischer Outcome Instrumente wie dem Medical Outcome Study Instruments (MOS)
(Stewart, Ware 1992; Ware, Sherbourne 1992) übereinstimmen.
Für die der vorliegenden Untersuchung zugrundeliegende HBSC-Erhebung 1997/98 wurde
ein aus dem EGFP entwickletes Item verwendet, nämlich: „Wie gesund bist du deiner
Meinung nach?“ (Antwortkategorien: sehr gesund, ziemlich gesund, nicht sehr gesund).
2.1.2 Zum Konzept des Risikoverhaltens - Rauchen
Will man ein Verständnis für die gesundheitliche Lage von jungen Menschen erzeugen, so ist
der Blick auf ihre gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen bzw. auf ihr Risikoverhalten fast
noch wichtiger als die Beschreibung ihres momentanen Gesundheitszustands, denn die
12

negativen Folgen ungesunder Lebensstile werden erst in einigen oder vielen Jahren zum
Tragen kommen und sichtbar werden.
Die Konsumation von Substanzen wie Tabak, Alkohol und Drogen wird in der Public Health
Forschung einerseits als wichtiger Prediktor für Morbidität und Mortalität unter Jugendlichen,
aber auch als Risikoverhalten eingestuft. Abgesehen von den physikalischen Langzeitfolgen
des Rauchens (Herz- Kreislauferkrankungen, Lungen-, Kehlkopf-, Rachen- und Blasenkrebs,
Schlaganfall, Untergewichigkeit bei Neugeborenen, plötzlicher Kindertod, und Allergien) ist
die Gesundheit von Jugendlichen besonders stark von unmittelbaren Folgen wie der
Herabsenkung der Lungenfunktion, der physikalischen Leistungsfähigkeit, sowie einer
erhöhten Asthmaanfälligkeit, Husten und Kurzatmigkeit betroffen.
Zahlreiche Studien und Forschungsarbeiten, die in den vergangenen Jahren zum Thema
Rauchverhalten durchgeführt wurden, berichten sowohl eine Zunahme des Tabakkonsums
der Jugendlichen als auch die Tendenz zu einem jüngeren Einstiegsalter (mehr als 90% der
Raucher/innen im Erwachsenenalter haben vor ihrem 18. Lebensjahr zu rauchen begonnen;
und die meisten unter ihnen werden abhängig bevor sie das Erwachsenenalter erreichen
(Kolbe 1998; Breslau, Peterson 1996; Taioli, Wynder 1991). Je später der Einstieg in das
Tabakrauchen erfolgt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine spätere
Abhängigkeit unterbleibt. Sind die Raucher/innen erst einmal abhängig geworden, so schafft
es weniger als die Hälfte aller Erwachsenen vor dem 60. Lebensjahr das Rauchen
aufzugeben. Bei den Jugendlichen rauchen die Hälfte aller Knaben für mindestens 16 Jahre,
die Mädchen sogar die nächsten 20 Jahre hat (Gilpin, Pierce 1997).
Beinahe alle europäischen Ländern haben auf dieses Problem reagiert, indem seit Ende der
80er Jahre mit verschiedenen politischen Maßnahmen versucht wurde das Rauchen bei
Jugendlichen einzudämmen. Diese Politiken waren für die erwachsene Bevölkerung
europaweit durchaus erfolgreich, haben aber in Bezug auf Jugendliche ganz offenbar noch
keine Effekte gezeitigt. Wir stehen also europaweit vor der paradoxen Situation, dass einer
Intensivierung der Tabakpolitik eine Steigerung der jugendlichen Raucherprävalenzen
gegenübersteht.
Ziel der Public-Health-Strategien in Europa und Nordamerika bezogen auf Jugendliche war
es, die Zahl der Neueinsteiger/innen beim Rauchen zu reduzieren, das Alter bei den
Neueinsteigerinnen und Neueinsteigern zu erhöhen sowie die Gesamtmenge des
Zigarettenkonsums zu reduzieren. Zusätzlich wird seit wenigen Jahren auch versucht,
Jugendliche bei der Entwöhnung vom Rauchen zu unterstützen (Paavola, McAlister et al.
2001). Zur Erreichung dieser Ziele wurden neben klassischen Präventionsmaßnahmen in
den vergangenen Jahren eben auch therapeutische Maßnahmen eingesetzt, die den jungen
Raucher/innen den Ausstieg erleichtern sollen. Diese Strategien finden jedoch nicht in einem
sozialen Vakuum statt, sondern in einer komplexen sozialen Umwelt, in der sich allgemeine
ökonomische und soziale Tendenzen mit den speziellen und sich ebenfalls verändernden
Bedingungen für die Entwicklung von Jugendlichen überlagern.
13

2.1.3 Zur Theorie des Rauchens
Um eine Theorie des Rauchens zu entwickeln ist es notwendig, die Bedeutung und Funktion
der Zigarette aus ihrem historischen Kontext zu verstehen. Zum Verständnis der Funktion
des Rauchens müssen die psychopharmakologischen Effekte des Nikotins in Rechnung
gestellt werden und die Tatsache, dass Nikotin Sucht erzeugt. Langfristige Nikotinabhängigkeit
resultiert in den meisten Fällen aus dem Angewöhnen des Rauchens in der
Jugend. Dr. Jonathan Foulds (Bjartveit, Brundtland et al. 1999) beschreibt die drei
Haupwirkungen des Nikotins im Beruhigen der Nerven und Stressreduktion, im Beitrag, das
Gewicht zu reduzieren und in der Erzeugung von Freude und Befriedigung.
Weitere Funktionen des Rauchens lassen sich wie folgend beschreiben:
• Genuss- und Genussersatzmittel
Zur Zeit der großen Entdeckungen waren die Kolonialgüter wie Kaffee, Kakao und
insbesondere Tabak höchst willkommene und gepriesene Ersatzmittel für diejenigen, die
an den Expeditionen nicht teilhaben konnten oder wollten. Die bewusste Assoziation von
Zigaretten mit Freiheit, Mut und Abenteuer für diejenigen, die davon ausgeschlossen sind,
ist bis heute ein höchst effektives werbestrategisches Mittel der Tabakindustrie geblieben.
Gerade diese Ersatzmittelfunktion scheint heute in der „zigarettenrauchenden
Gesellschaft“ zu den Hauptfunktionen zu gehören.
• Angst lindern, Ventil für Aggressionen
Das Rauchen hat sich sich besonders in Krisenzeiten wie Krankheitsepidemien und
Kriegen enorm verbreitet, sodass angenommen werden kann, dass eine Funktion des
Rauchens darin besteht, Angst zu lindern und gleichzeitig Ventil für aufgestaute
Aggressionen zu sein (Dahlke, Dahlke 1989). In Zeiten der Verunsicherung, Haltlosigkeit
und Aggression vermag die Zigarette die Illusion von Halt und Sicherheit vermitteln und
bietet ein Ventil, um „Dampf abzulassen“. Zum Aggressions- Ventil wurde die Zigarette
nicht nur für die Soldaten (die zu den am häufigsten rauchenden Berufsgruppen zählen),
sondern auch für die unter der Entwicklung der Massenindustrialisierung unter Druck
geratene Arbeiterklasse.
• Stress-Management
Eine weitere Funktion des Rauchens besteht darin, in Stresssituationen Signale der
Abgrenzung, der Abweichung und sogar des Rebellentums zu setzen. Rauchen dient auf
diese Weise der Bewältigung von Stress bzw. Stressabwehr. Man kann daher auch
14

sagen, dass Stress Rauchen hervorruft, zumindest dann, wenn keine anderen
Copingstrategien verfügbar sind. Gleichzeitig kann aber gezeigt werden, dass diese Form
der Stressbearbeitung ihrerseits Stress erzeugt, indem Rauchen in bestimmten
Situationen insbesondere für Jugendliche als unerwünschte Verhaltensweise behandelt
wird und die Person gegebenenfalls insgesamt abgewertet wird (Orlando 2001),
bezeichnen diesen sich selbst verstärkenden Mechanismus als „stress-to-use and use-tostress“-Modell.
• Stärkung des Selbstkonzeptes
Eine andere Funktion des Rauchens besteht in der Stärkung des Selbstkonzeptes. Es
geht dabei um Selbstdarstellung. Gerade diese Facette spielt vor allem bei Jugendlichen
eine große Rolle. Hierbei spielt die Werbestrategie der Tabakindustrie eine entscheidende
Rolle, indem in Form von Plakaten und product placement in Filmen bestimmte
zielgruppenspezifische Inhalte mit den Zigaretten assoziiert und transportiert werden
(Glantz 2001).
• Affektkontrolle
Zu den wichtigsten Funktionen der Zigarette gehört die Affektkontrolle im Sinne von
Angstabwehr, Unsicherheits-Management und Abwehr unangenehmer Erfahrungen
(Siegrist 1995; Troschke 1987).
• soziales Quasi-Ritual
Weiters wird das Rauchen auch als soziales Quasi-Ritual bezeichnet, dass das Gefühl
von Zugehörigkeit, Kontaktaufnahme, Integration und Anpassung vermittelt (Troschke
1987).
• Rauchen als Ausdruck von Emanzipationsbestrebungen
Bereits im Kampf gegen das Aufheben des Rauchverbots in der deutschen Revolution 1848
war das Rauchen ein Zeichen der Auflehnung gegen die Obrigkeit. Auch die
Bürgerrechtsbewegung der 68 Jahre war begleitet von starker Rauchentwicklung, ebenso
wie die Emanipationsbewegung der Frauen.
Eine funktionale Betrachtung des Rauchens enthüllt jedoch Paradoxien, welche auf die
Schwierigkeiten des Selbstmanagements bei disprivilegierten Populationen hinweisen.
Einerseits zeigt sich im Rauchen ein Emanzipationswille des Rauchers und der Raucherin,
zugleich aber verweist das Rauchen auf einen Aggressionsstau, der die Umsetzung der
Emanzipationsbestrebung hemmt. Die aus medizinischer Sicht autoaggressive Handlung
15

des Rauchens bietet durch das Ausblasen von Rauch und den typischen Raucherhusten die
Möglichkeit Aggression auszudrücken, ohne anderen gegenüber aggressiv zu erscheinen.
Umgelgt auf Jugendliche: einerseits lehnen sie sich gegen die Ordnung der Erwachsenen
auf, zugleich sind sie aber bestrebt darin unterzukommen und die Stelle der Erwachsenen
einzunehmen.
Durch die mikrosoziologischen und im Individuum wirkenden Funktionen des Rauchens
entsteht für die Gesellschaft auf makrosoziologischer Ebene die Funktion der Stabilisierung
bei gleichzeitigem Aufrechterhalten von Innovationspotenzialen. So würde für Troschke
(1987) das Unzufriedenheitspotenzial beträchtlich ansteigen, wenn das Zigarettenrauchen
tatsächlich ersatzlos abgeschaft würde. Damit gehört die Zigarette zu den für die moderne
Gesellschaft unverzichtbaren Beruhigungs- und Anpassungsdrogen (Troschke 1987).
2.1.4 Die Bedeutung des Rauchens bei Jugendlichen
Auf Basis der bisherigen Studien zur Frage, welche Faktoren für die Aufnahme des
Rauchens bei Jugendlichen eine Rolle spielen, muss davon ausgegangen werden, dass
jugendliches Rauchen ein sehr komplexes Phänomen ist. So sind neben dem Geschlecht
(Best, Brown et al. 2000; Botvin, Griffin et al. 1999; Chaloupka, Pacula 1998; Crisp,
Sedgwick et al. 1999; Lloyd, Lucas et al. 1997; Sussman, Dent et al. 1998) und sozioökonomischen
Faktoren (Pincus, Callahan 1995; Siegrist 1995) auch die relevanten sozialen
Umwelten der Jugendlichen wie Peers, Familie und Schule von Bedeutung (Wold 1995;
Aaroe, Wold et al. 1986; King, Wold et al. 1996; Moore, Wolfe et al. 1994; Nutbeam, Aaro et
al. 1991; Reid, McNeill et al. 1995; Stephens, Pederson et al. 1997; Surgeon 1994).
Aus systemtheoretischer Perspektive betrachtet erscheint die soziale Situation der
Jugendlichen in Bezug auf soziale Systeme Familie, Schule, Peers, Wirtschaft, Politik, Recht
etc. als eine gegenüber der Erwachsenenwelt äußerst disprivilegierte (Dür, Grossmann et al.
2001). Es überrascht daher auch nicht, dass die Motivation rauchen zu beginnen bei
Jugendlichen besonders hoch ist. Neben den sozialen spielen biologische (Wachstum,
sexuelle Reifung) und psychologische (Ausweitung der kognitiven, emotional-expressiven
und motivationalen Leistungen) Faktoren sowie die Tabakpolitiken und Strategien der
Tabakindustrie eine Rolle.
Dass die Funktionen des Rauchens für Jugendliche sich kaum von den Funktionen im
Erwachsenenalter unterscheiden, wird auch durch die Ergebnisse zahlreicher empirischer
Studien belegt.
16

Tabelle 1: Einflussfaktoren auf das Rauchen bei Jugendlichen
a) Makroebene
Makroebene Mesoebene Mikroebene
Schicht Familie Kohärenz
Geschlecht Peers Selbstwirkamkeit
Tabakpolitik Schule Zugehörigkeit
Peers
zu
Tabakindustrie
Sowohl Raucherprävalenzen als auch mit Rauchen assoziierte Prädiktoren und
Verhaltensweisen sind schicht-und geschlechtabhängig sind (Dür, Grossmann et al. 2001;
Schmidt 2001).
Aufgrund des weltweiten Anstiegs der Raucherprävalenzen unter Frauen und Mädchen (Dür,
Grossmann et al. 2001; Wearing, Wearing et al. 1994) wurde dem Thema in zahlreichen
Studien Beachtung geschenkt. Die Ergebnisse zeigen, dass rauchende Mädchen häufig mit
selbstbewusstem Auftreten, rebellischem Verhalten und sozialen Fähigkeiten assoziiert
werden, während Knaben als unsicher in ihrem Sozialverhalten beschrieben werden
(Clayton 1991). Rauchen scheint für Mädchen eine Möglichkeit zu sein sich gegen das
herkömmliche Bild vom „sanften, passiven, braven“ Mädchen aufzulehnen, auf die sie in
Ermangelung anderer Freizeitalternativen, die ihrem Bedürfnis nach Identitätsstiftung
entsprechen würden, zurückgreifen (Wearing, Wearing et al. 1994). Rauchende Mädchen
wurden von anderen Mädchen als „ lebenslustig“, nicht-rauchende Mädchen als „ sensibel,
klug und am Schulleben interessiert“ beschrieben (Lloyd, Lucas et al. 1997). Während für
Mädchen rebellenhaftes Verhalten und hohe Erwartungen an die Selbstwirksamkeit
Risikofaktoren für das Rauchen konstituieren, ist die Wahrscheinlichkeit zu rauchen für
Knaben höher, wenn die Erwartungen an die Selbstwirksamkeit gering sind und wenn sie zu
depressiven oder aggressiven Stimmungen neigen (Best, Brown et al. 2000).
Viele Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass das Rauchen bei Mädchen als Zeichen
von Empowerment bewertet wird, während es bei Knaben mit Schwäche und Deffizienz
assoziiert ist (Schmidt 2001; Sussman, Dent et al. 1998).
Schichtunterschiede spielen in allen europäischen Ländern sowohl bei Männern als auch bei
Frauen eine bedeutende Rolle. Während in den nördlichen Ländern Menschen aus niedrigen
Schichten mehr rauchen, trifft in den südlichen Ländern das Gegenteil zu. Dies gilt
besonders stark für Frauen und jüngere Altersgruppen (Cavelaars, Kunst et al. 2000).
17

) Mesoebene
Der Einfluss von Peers, Familie und Schule ist vielfach belegt, wobei zusammenfassend
gesagt werden kann, dass der Nachahmungseffekt im Fall von rauchenden Eltern (75% der
rauchenden Jugendlichen haben zumindest einen Elternteil, der raucht), Geschwistern,
Lehrerinnen und Lehrern usw, als auch die erfahrene Unterstützung in der Familie und der
Schule und das Gesprächsklima mit den Eltern eine Rolle in der Entscheidung zu rauchen
spielen (Ferrence, Ashley 2000).
c) Mikroebene
Neben den bereits erwähnten biologischen (genetischen) Prädispositionen (Smet, Maes et
al. 1999) werden in der Literatur die entwicklungsbedingte Suche nach Identität und
Autonomie (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Helfferich et al. 1986);
Abenteuerlust und die Suche nach physischen und emotionalen Herausforderungen
(Wearing, Wearing et al. 1994) aber auch Gewichtskontrolle (Brooks 1998; Crisp, Sedgwick
et al. 1999; Schmidt 2001) genannt.
2.1.5 Tabakpolitik
Politische Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums
a) Ziele und Maßnahmen der staatlichen Tabakpolitik
Staatliche Tabakpolitik verfolgt hauptsächlich drei Ziele, wobei diesbezüglich Unterschiede in
der Gewichtung zwischen den Ländern bestehen: a) die gesundheitlichen Folgen des
Tabakkonsums zu reduzieren, wenn nicht zu eliminieren, b) Nichtraucher/innen vor dem
schädlichen Einfluss des Tabakkonsums zu schützen und c) Jugendliche vor dem Einstieg in
das Rauchen zu bewahren (King, Wold et al. 1996; Reid 1996). Weiters bestehen große
Unterschiede zwischen den Ländern in Bezug auf Reichweite, Instrumente und
Verständlichkeit der Maßnahmen (Harkin, Anderson et al. 1997). In einigen Ländern wie
Finnland, Island, Norwegen und Österreich gibt es eine staatliche Tabakgesetzgebung, in
anderen Ländern wird Tabakpolitik auf Mithilfe von Empfehlungen, Erlässen und punktuellen
Interventionen betrieben, die teilweise auch nur auf regionaler Ebene gesteuert werden.
Manche Länder beschränken sich überhaupt nur auf freiwillige Übereinkommen mit der
Tabakindustrie. Auch in Hinblick auf die eingesetzten Strategien unterscheiden sich die
18

staatlichen Tabakpolitiken (Dalla-Vorgia, Sasco et al. 1990; Sasco, Mélihan-Cheinin et al.
1998). Die wesentlichen Ergebnisse der unterschiedlichen Strategien der staatlichen
Tabakpolitik in den Ländern lassen sich wie folgt kurz fassen:
Aufklärungskampagnen: Mit Massenmedien wird die Öffentlichkeit über die negativen Folgen
des Rauchens informiert. Obwohl ihr Effekt auf die Raucherprävalenz relativ gering ist,
werden sie eingesetzt, weil sie kosteneffektiv sind (Secker-Walker, Worden et al. 1997)
zeigen, dass Massenkampagnen im Vergleich mit anderen präventiven und therapeutischen
Strategien ökonomisch interessant sind und auch eine Verringerung der Raucherprävalenz
mit sich bringen (Goldman, Glantz 1998), die Focus-Gruppen Interviews mit Jugendlichen
durchgeführt haben, stellen in ihrer Analyse dar, dass massenmediale Kampagnen, die die
Manipulation der Industrie und die schädlichen Effekte, die das Rauchen für
Nichtraucher/innen hat, fokussieren, am effektivsten für Jugendliche ist.
Werbeverbote für die Tabakindustrie: Da die verschiedenen Arten von Zigarettenwerbung
das Rauchen bei vielen Jugendlichen (Arnett, Terhanian 1998) verstärken, kann gefolgert
werden, Werbeverbote einen Effekt auf die Raucherprävalenz haben
Räumliche Einschränkungen des Rauchens bzw. Schaffung von Raucherzonen zum Schutz
von Nichtraucher/innen: Viele Studien bestätigen, dass sich das Rauchverbot am
Arbeitsplatz positiv auf das Rauchverhalten der Mitarbeiter/innen auswirkt, auch insoweit,
dass Präventionsprogramme für Raucher/innen eine höhere Akzeptanz erreichen (Farrelly,
Evans et al. 1999; Gottlieb, Nelson 1990; Kinne, Kristal et al. 1993; Rosenstock, Stergachis
et al. 1986; Sorensen, Rigotti et al. 1991; Stave, Jackson 1991). Es ist jedoch nicht erwiesen,
dass sich die Erfahrungen der Arbeitplatzprogramme auch auf die Jugendlichen und auf das
Setting Schule generalisieren lassen.
Gesetzliche Altersgrenze für das Rauchen und eingeschränkter Zugang zu
Zigarettenautomaten: Unklar sind die Effekte von Zigaretten-Verkaufseinschränkungen für
Jugendliche (Rigotti, DiFranza et al. 1997) zeigen, in einer Studie über ein Gesetz, dass den
Zugang zu Zigaretten für Jugendliche erschweren soll, dass dies weder einen Effekt auf die
Wahrnehmung der Zugänglichkeit zu Zigaretten noch auf das Rauchen der Jugendlichen
hat. Damit das Gesetz eine effektive Wirkung auf den Tabakkonsum hat ist es notwendig, die
Gesetze strikt durchzusetzen und an diejenigen Tabakverkäufer Strafen zu verhängen, die
sich daran nicht halten (Gemson, Moats et al. 1998).
19

Zigarettenpreis und Besteuerung: Seit langem ist der Einfluss der Tabaksteuern auf das
Raucherverhalten bekannt (Emont, Choi et al. 1992; Meier, Licari 1997; Wasserman,
Manning et al. 1991). Meier & Licari stellen fest, dass aber eine wesentliche Reduktion des
Zigarettenkonsums erst bemerkbar wird, wenn die Steuern sehr hoch sind. Die Erhöhung der
Tabaksteuer und des Preises führt zu einer Reduzierung des Raucherverhaltens bei
Erwachsenen und Jugendlichen (Flewelling, Kenney et al. 1992; Grossman, Chaloupka
1997). In einer amerikanischen Studie bestätigte sich dieser Zusammenhang zwischen dem
Tabakpreis und dem Raucherverhalten der Jugendlichen nicht. Hier wird vermutet, dass die
Erhöhung des Tabakpreises die Tabakindustrien stimuliert vermehrt Werbungmaßnahmen
zu setzen, die gerade auch Jugendliche ansprechen soll (Gilpin, Pierce 1997). In
vergleichenden Analysen zeigt Townsend (Townsend, Roderick et al. 1994; Townsend
1996), dass eine progressive Erhöhung der Zigarettensteuer ein machtvolles Instrument ist
um den Zigarettenkonsum zu reduzieren und zusätzlich dem Staat zugute kommt. Sie meint,
dass diese Politik am effektivsten innerhalb jener Gruppe ist, die sich am wenigsten von
einer Gesundheitserziehung beeinflussen lassen.
Verschiedene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die einzelnen Strategien in ihrer
Wirksamkeit noch gesteigert werden können, wenn sie kombiniert werden (Dalla-Vorgia,
Sasco et al. 1990; Rimpelä 1992; Stephens, Pederson et al. 1997; Wakefield, Chaloupka
2000) weisst darauf hin, dass die Tabakpolitik ineffizient ist, wenn sie nicht gut implementiert
und die Einhaltung der Regeln nicht systematisch kontrolliert wird. Beides ist von Bedeutung
vor dem Hintergrund, dass die hauptsächliche Strategie der Tabakpolitik gegenüber
Jugendlichen in praktisch allen Ländern darin bestanden hat das Problem auf die
Schulebene zu delegieren. Es gibt daher praktisch kein Land in dem staatliche Politiken nicht
auch begleitet waren von Schultabakpolitik. Wenn man daher untersuchen will, wie effizient
die staatliche Tabakpolitik in Bezug auf Jugendliche war, dann muss eine solche Beurteilung
berücksichtigen inwieweit in den einzelnen Schulen jeweils Schultabakpolitik umgesetzt
worden ist.
20

Tabelle 2: Ziele und Maßnahmen der Tabakpolitik
Ziel Maßnahmen
Reduktion des Rauchens Aufklärung, Warnhinweise,
Einrichtungen zur Entwöhnungstherapie
(v.a. für Schwangere)
Preis, Steuer
Reduktion der gesundheitlichen
Folgen des Rauchens
Schutz der Nichtraucher/innen vor
gesundheitlichen Folgeschäden des
Passivrauchens
Verhinderung des Rauchereinstiegs
bei Jugendlichen
Quelle: Dür, Grossmann, et al 2001 (BGBl 1995)
b) Steuerungsmedien der nationalen Tabakpolitik
Reduktion der Rauchinhaltsstoffe
Rauchverbote, Nichtraucherbereiche
Gesundheitserziehung, Werbeverbote,
Altergrenze, Zugangsbeschränkung
Neben den publizierten Regierungszielen, die den anderen Steuerungsmedien als
verstärkende Strategie dient, kann eine Dreiteilung der politischen Steuerungsmedien
vorgenommen werden und zwischen legistischen, welche hauptsächlich zur politischen
Steuerung der Gesellschaft eingesetzt werden, ökonomischen, und erziehungsorientierten
Steuerungsmedien, die am wenigsten in den Ländern eingesetzt werden unterschieden
werden (vgl. Tabelle 3).
21

Tabelle 3: Politische Maßnahmen zur Regulierung des Rauchens in den 7 Ländern
Maßnahmen Au Dmk Fi Ger No Sch Wa
legalistische Maßnahmen
bezogen auf die Öffentlichekit
bezogen auf Schulen
Verbot der
Tabakwerbung in
Zeitungen, Magazinen,
Plakaten
Legale Altersgrenze für
den Erwerb von
Tabakprodukten
++: 18 Jahre
+: 16 Jahre
Eingeschränkter
Zugang für Jugendliche
zu Zigarettenautomaten
Gesetz zur
Einschränkung des
Rauchens
Öffentlichkeit
in der
Gesetz zur
Einschränkung des
Rauchens in Schulen
Raucheinschränkung
für Lehrer/innen auf
dem Schulgelände
(innen und außen)
Rauchverbot für
Lehrer/innen
Schulgebäude
im
Rauchverbot für
Lehrer/innen auf dem
gesamten Schulgelände
(innen und außen)
Rauchverbot für
Schüler/innen über 16
Jahren auf dem
Schulglände
(innen und außen)
+ - + - + - -
+ - ++ - ++ + +
- + + - + + +
+ + + + + - -
+ - + + + - -
+ - + + + - -
- - - - + - -
- - + - - - -
- - + - + - -
Rauchverbot für
Schüler/innen unter 16
Jahren innerhalb des + - + + + - -
Schulgeländes
und außen)
(innen
22

erziehungsorientierte
Maßnahmenm
Rauchenerziehung ist
verpflichtend in Schulen
ökonomische
Maßnahmen
Preis pro Zigarettenpackung
in Euro
Steuergewinn aus
Zigaretten
verstärkende Strategien
Publizierte
Regierungsziele
Publizierte und staatlich
subventionierte
Strategien zur
Reduktion des
Rauchens von
Jugendlichen
Quelle: Dür, Grossmann, et.al 2001
Legende: +: vorhanden
-: nicht vorhanden
+ - - - + - +
2.18-
3.63
4.00-
4.20
23
5.34 2.56 5.60
4.42-
6.04
5.10
75% 84% 75% 71% 78% 78% 78%
- + + - + + +
- - + - + - -
c) Welche Maßnahmen werden wie und wo eingesetzt?- Ergebnisse einer vergleichenden
Studie in 7 Ländern
Ergebnisse einer vergleichenden Politikfeldanalyse, die im Rahmen der Biomed-CAS Studie
(Wold, Currie et al. 1998, 2000) in 7 europäischen Ländern durchgeführt wurde 4 , ergaben,
dass nur die ökonomische und legistische Steuerungspolitik in allen Ländern angewandt
werden. Eine bevorzugte Strategie in 5 der 7 untersuchten Länder besteht darin gesetzliche
Verordnungen zur Beschränkung des Rauchens in der Öffentlichkeit zu formulieren, nur
Schottland und Wales haben als einzige Länder solche Verortnungen nicht. Weitere
Strategien die in fast allen Ländern, außer in Österreich und in Deutschland eingesetzt
werden, sind die Beschränkung des Zugangs zu Zigarettenautomaten und formulierte
Regierungsziele. Legale Altersbegrenzungen für den Erwerb von Tabakprodukten gibt es in
Deutschland und Dänemark nicht. Andere Strategien sind eher heterogen und werden nur
von einzelnen Ländern realisiert. Der Vergleich der unterschiedlichen Maßnahmen in der
Raucherpolitik, bezogen auf Schulen zeigt, dass die untersuchten Länder in zwei
Hauptgruppen zerfallen: solche, in denen das Rauchen in den Schulen per Gesetz

eingeschränkt ist wie in Österreich, Finnland, Norwegen und Deutschland und jene, in
denen das Rauchen nur auf Schulebene und durch die Schul-Administration geregelt wird,
wie in Dänemark, Schottland und Wales (vgl. Tabelle 3).
Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass in den untersuchten Ländern bedeutende
Unterschiede in Ausmaß und Reichweite der staatlichen Tabakpolitik bestehen.
Wenn man die Tabakpolitiken der Länder zusammenfasst, kann man zwischen Ländern
unterscheiden, die anzahlmäßig viel und wenig Maßnahmen setzen. So wurden in Finnland
und Norwegen die meisten Aktivitäten gesetzt und in Deutschland, Dänemark, Schottland
und Wales die wenigsten (vgl. Tabelle 3). Ein ähnliches Bild ergibt der Vergleich der
gesetzlichen Einschränkungen des Rauchens an den Schulen: Norwegen und Finnland
setzen 5 der vom CAS-Team erhobenen 6 Maßnahmen zur Kontrolle des Rauchens an
Schulen ein, Österreich und Deutschland drei, Schottland und Wales hingegen keine. Es
lassen sich keine qualitativen Unterschiede im Policy-Muster zwischen den Ländern
feststellen, sondern nur ein quantitativer, der darin besteht, dass einige Länder mehr an
Verboten ausgesprochen haben als andere.
Effektivität der Schultabakpolitik unter besonderer Berücksichtigung der österreichischen
Situation.
In Hinblick auf die Frage, inwieweit die Schule durch Maßnahmen zur Kontrolle des
Zigarettenkosums einen günstigen Einfluss auf das Rauchverhalten der Jugendlichen haben
kann, ist die Literatur nicht eindeutig (Hartland, Tudor-Smith et al. 1998). So zeigen Studien,
dass es keinen Zusammenhang zwischen Schulpolitik und Raucherprävalenzen gibt.
(Charlton, While 1994; Clarke, White et al. 1994). Zu einem ähnlichen Ergebniss kommen
(Peterson, Kealey et al. 2000), die für einen 15 Jahre andauernden Versuch Langzeit-Effekte
von Raucherpräventionsprogrammen in Schulen ermittelten. Das "Hutchinson Smoking
Prevention Project" bei dem eine Kontrollgruppe, die eine herkömmliche
Gesundheitserziehung erhielten und eine Gruppe an denen spezifische Raucher-
Interventionen stattgefunden haben untersucht wurden, brachte keine signifikanten
Unterschiede in der Raucherprävalenzen der beiden Gruppen.
Ist der Effekt der Rauchprogramme an Schulen nicht eindeutig, so werden in der Literatur
zwei Faktoren: die Durchsetzung der Regeln und Exposure als eindeutige Einflussfaktoren
4 Der Endbericht des österreichischen Teils kann seit Jänner 2001 im Bundesministerium für soziale Sicherheit
und Generationen unter dem Titel: „ Die Rolle der nationalen Politik zur Kontrolle des Rauchens bei Jugendlichen
und der Einfluss der Schule und des Elternhauses“ bezogen werden.
24

gesehen. Für (Pentz, Brannon et al. 1989; Wold, Currie 2001) reduziert erst die strikte
Durchsetzung der Rauchverbote an Schulen das Rauchen der Jugendlichen. Neben diesen
Ergebnissen zeigt sich, dass ein totales Rauchverbot für Schüler/innen und Lehrer/innen
einen signifikant stärkeren Effekt auf das Rauchverhalten hat als strikte Regulierungen. In
diesem Zusammenhang wird auch die Bedeutung der Erwachsenen als Modelle für
Raucherrollen deutlich. So repräsentieren Lehrer/innen, die in der Schule rauchen potentielle
Modelle für Raucherrollen für Schüler/innen. Nach der social cognitive Theorie (Bandura
1986) rauchen Schüler/innen viel wahrscheinlicher, wenn sie sehen, dass ihre Lehrer/innen
rauchen. Die Modellwirkung von Eltern und Lehrer/innen wirkt sich nicht nur auf das
Verhalten, sondern auch auf die Kognition und auf die erfahrenen Emotionen, einschließlich
auf Haltungen aus (Ennett, Bauman 1991; Wills, Schreibman et al. 1994).
2.2 Makrosoziologische Faktoren
2.2.1 Gender und die Gesundheit von Jugendlichen
Das Geschlecht ist in der empirischen Sozialforschung eine unverzichtbare Variable, die in
jedem Fragebogen miterhoben wird. Obwohl dies so ist und obwohl Knaben und Mädchen in
den meisten (gesundheitsrelevanten) Fragen unterschiedliche Ausprägungen aufweisen,
wird das Geschlecht nur selten zur strukturellen Determinante für eingehendere
Datenvergleiche (King, Wold et al. 1996). Signifikante geschlechtliche Unterschiede zu
bestimmten Gesundheitsitems werden oft nur oberflächlich und voneinander unabhängig
analysiert, aber selten in einem gemeinsamen Kontext diskutiert. Dies ist überraschend,
zumal die gesundheitsrelevanten Beziehungen zwischen den beiden Geschlechtern in der
Phase der Adoleszenz (vgl. Kapitel 2.2.2) einen Wandel markieren. Während Knaben
gemessen an der Mortalität, physischen und mentalen Problemen, Besuchen beim Arzt oder
Psychiater und Medikamentenkonsum, einen generell schlechteren Gesundheitszustand als
Mädchen aufweisen kehrt sich dieses Verhältnis in der Pubertät um. Zusätzlich kristallisieren
sich in der Pubertät genderspezifische Gesundheitsprofile heraus: während Mädchen stärker
an psychosomatischen Beschwerden und emotionalen Störungen zu leiden haben, sind die
gleichaltrigen Knaben stärker durch Verletzungen und Unfälle im Strassenverkehr gefährdet
(Kolip, Schmidt 1999).
Die feministische Forschung geht davon aus, dass gender nicht nur eine biologische
Kategorie ist 5 , sondern alle Bereiche des Lebens strukturell determiniert. Trotz aller
5 Biologische Unterschiede wie die höhere Migräne-Prävalenz von Mädchen werden auf genetische Ursachen
bzw. häufigere Infektionsraten in der frühen Kindheit bei Knaben auf Unterschiede im Immunsystem
zurückgeführt.
25

Bemühungen, Chancengleichheit für Männer und Frauen herzustellen, sind Männer heute
noch immer stärker im produktiven Bereich – also der Arbeitswelt vertreten, während die
reproduktive Arbeit, also die familiäre Versorgung (Aufziehen der Kinder, Altenpflege,
Haushalt) überwiegend von Frauen geleistet wird. Gender als soziale Kategorie durchzieht
aber nicht nur alle öffentlichen Bereiche, wie Politik, Recht, Arbeitsmarkt und Erziehung,
sondern determiniert auch die individuelle Wahrnehmung und die Art, wie Menschen mit
ihrem Körper umgehen. Gender ist daher nicht nur ein charakteristischer Bereich der
sozialen Realität, sondern gleichzeitig ein struktureller Teil der Persönlichkeitsentwicklung.
So gesehen ist die Adoleszenz ein wichtiger Lebensabschnitt, da das gesamte Verhalten
danach orientiert werden muss, ob man später eine Frau oder ein Mann sein wird.
Risikoverhalten, das häufig zu einem Ausdrucksmittel für ein bestimmtes Geschlecht stilisiert
wird, stellt für Jugendliche daher ein perfektes Mittel dar, um ihre sexuelle Identität zu
konstruieren oder zu verstärken.
Die Gesundheit von Mädchen und Knaben ist eng verbunden mit der gender-spezifischen
Sozialisation und den zahlreichen Aufgaben und Problemen, die sie entwicklungsbedingt zu
bewältigen haben. Dementsprechend stehen ihnen für die Bewältigung ihrer Probleme auch
unterschiedliche soziale Netzwerke und Stressbewältigungsstrategien zur Verfügung. Diese
unterschiedlichen persönlichen und sozialen Ressourcen haben unterschiedliche Effekte auf
die Gesundheit und Krankheit von Jugendlichen (Kolip, Schmidt 1999).
Eine höhere Prävalenz an körperlichen und /oder mentalen Beschwerden lässt auf die
Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und damit verbundene Experimente, diesen zu
manipulieren, schließen. Mädchen und Knaben legen dabei verschiedene
geschlechtsspezifische Verhaltensmuster an den Tag. Während Mädchen dazu tendieren
ihren Körper durch internalisierte Kontrolle zu manipulieren, z.B. durch das Experimentieren
mit Diäten, tun Knaben das Gegenteil, nämlich etwa durch exzessives Alkoholtrinken, das
Rauchen der stärkeren Zigarettenmarken bzw. diverse Sportmanöver eine Art externalisierte
Verhaltenskontrollen auszuüben. Das Austesten der eigenen Grenzen, das Eingehen von
Risiken und die Erfahrung von Schmerz sind anscheinend Teil des männlichen
Sozialisationprozesses (Kolip, Schmidt 1999).
Im Rahmen der Entwicklung von Interventionsmaßnahmen wurde die Frage, ob Prävention
von Risikoverhalten die geschlechtsspezifischen Unterschiede berücksichtigen soll immer
wieder diskutiert. Dahinter steht die Annahme, dass das Risikoverhalten von Mädchen und
Knaben heute weitgehend übereinstimmt, so dass dies bislang nicht notwendig erschien.
Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Annahme der gegenseitigen Angleichung nur
auf das experimentelle Verhalten (etwa Rauchen oder Alkohol trinken) zutrifft, nicht aber für
die Intensität und das Ausmaß, in dem das Verhalten regelmäßig praktiziert wird (Kolip,
Schmidt 1999).
26

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Mädchen und Knaben sich klar in ihrem
Gesundheitstatus, ihrem Gesundheits- und Risikoverhalten und den ihnen zur Verfügung
stehenden Bewältigungsmechanismen unterscheiden.
Für das Ziel der Gesundheitspolitik, allen Mädchen und Knaben ein gesundes Leben zu
ermöglichen leitet sich aus Sicht der Public Health Forschung daraus weniger eine auf das
Individuum gerichtete Strategie ab als das Schaffen von Lebensumfeldern und Strukturen,
die das ermöglichen. Dazu gehört unter anderem der gleiche Zugang zum
Gesundheitsversorgungssytem, eine anti-diskriminierende Gesundheitspolitik, und die
selben Partizipationsmöglichkeiten für Frauen und Männer, Mädchen und Knaben auf allen
Entscheidungsebenen.
Politische Strategien sollten zunächst darauf fokussieren, die Ungleichheiten auszugleichen,
indem in Anlehnung an die Forderung der Jakarta declaration die sozialen, ökonomischen
und Umweltbedingungen, welche Gesundheit determinieren, verändert werden. Dies
bedeutet die höhere Mortalität von Knaben, die höhere Morbidität und den allgemein
schlechteren Gesundheitszustand von Mädchen, aber auch das stark differenzierte
Risikoverhalten von Mädchen wie Knaben zu reduzieren und ihnen zu mehr Kontrolle über
ihren Gesundheitszustand zu verhelfen.
Dabei muss aber im Auge behalten werden, dass die gender-spezifische Adaptierung von
Gesundheitsprogrammen weder zu einer Neutralisierung der Geschlechteraspekte, noch zu
einer Priorisierung des einen Geschlechtes zu ungunsten des anderen Geschlechtes führen
darf. Nachhaltige Verbesserungen können nur erzielt werden, wenn alle europäischen
Länder eigene Forschungsprojekte, die an ihren landesspezifischen Problemen ansetzen,
durchführen, auf deren Basis entsprechende geschlechtssensible Politikanleitungen
entwickelt und als integraler Teil in die nationale Politik übernommen werden können. Eine
unter dem gender Aspekt auf Gleichheit ausgerichtete Gesundheitspolitik sollte in den
Bereichen der Lebensstile, Umwelt und Versorgung integriert werden. Ohne ein
geschlechtssensibles Verständnis von Gesundheit und Krankheit bei Jugendlichen ist es
schwierig effektive Praktiken und politische Programme umzusetzen. Ein Beispiel dafür ist
die österreichische Tabakpolitik, die möglicherweise für die Eindämmung des Rauchens der
Knaben seit 1994 mitverantwortlich sein dürfte, ihre Wirkung bei den Mädchen aber verfehlt
zu haben scheint (vgl. Kap.2.3.2).
27

2.2.2 Alter und Gesundheit von Jugendlichen
Zur wissenschaftlichen Konstruktion von Jugend
In der Wissenschaft kommen je nach Problemstellung und Disziplin verschiedene
Definitionen von Jugend zur Anwendung, die sich in drei Grundkonzepten zusammenfassen
lassen: im Konzept (1) der Lebensphase, (2) der Pubertät und (3) der Adoleszenz.
Das soziologische Konzept der Lebensphase unterscheidet Jugend von anderen
Populationen letztlich nach einfachen demographischen Gesichtspunkten (Hurrelmann
1994). Üblicherweise werden die Altersgruppen der 15- bis 24-Jährigen als Jugendliche
definiert, wobei diese Grenzen relativ willkürlich gesetzt sind. Als Konvention innerhalb der
Wissenschaft sind solche Altersgrenzen aber sehr zweckmäßig, da sie auf einfache Weise
die Vergleichbarkeit von Daten sichern. Über besondere Merkmale der Personen, die dieser
Altersgruppe zugerechnet werden, trifft dieses Konzept keine weiteren Annahmen, die
Festlegung der Altersgruppe berücksichtigt allerdings wissenschaftliche Erkenntnisse und
allgemeine Meinungen, die zur Jugend in der Gesellschaft vorherrschen.
Pubertät ist ein biologisches und medizinisches Konzept, das die sexuelle Reifung der
Heranwachsenden bezeichnet und mit dessen Hilfe dieser Prozess beschreibbar und
analysierbar gemacht werden kann. Die Altersgrenzen lassen sich in diesem Konzept nicht
eindeutig bestimmen, da die Pubertät keinen altersmäßig determinierten Beginn hat. So sind
teilweise bereits 11-Jährige dieser Population zuzurechnen. Durchschnittlich wird davon
ausgegangen, dass sich ein Großteil der 13-Jährigen in der Phase der Pubertät befindet. Als
Ende der Pubertät wird der Abschluss der biologischen Reifung genommen, der zumeist
etwa mit dem 18. Lebensjahr erreicht wird. Pubertätsforschung ist daher üblicherweise auf
die 13- bis 18-Jährigen konzentrier (Schäfers 1998).
Zur Größenordnung der Population
Das Adoleszenzkonzept ist sicher das umfassendste und bestimmt die Population am
weitesten. In der oben dargestellten Perspektive, in der die Jugendlichen vor allem als
Problemgruppe behandelt werden, weil sie Probleme haben und weil sie anderen, den
Erwachsenen, Probleme bereiten, macht eine so weite Definition natürlich nur wenig Sinn,
denn selbstverständlich haben 13-jährige Pubertierendere ganz andere Probleme und
bereitet ihnen ganz andere Sorgen als noch immer finanziell abhängige, 28-jährige
Studentinnen und Studenten. In der Perspektive des Adoleszenzkonzepts jedoch, welches
auf die soziale Stellung und die sozialen Rahmenbedingungen der Personen abstellt,
geraten die dennoch vorhandenen Gemeinsamkeiten in den Blick, insbesondere was die
ökonomische Unabhängigkeit, was bestimmte Lebensstile und vor allem auch was die
politische Repräsentation anlangt.
28

Tabelle 4: Wie viel Jugend gibt es? Anteil der „Jugendlichen“ an der österreichischen
Gesamtbevölkerung nach unterschiedlichen Definitionen für die Jahre 1999 und 2035
(Prognose)
Jugendkonzepte 1999 2035
„Lebensphase“ 15 – 24 Jahre 15% 10%
„Pubertät“ 13 – 18 Jahre 9% 6%
„Adoleszenz“ 13 – 30 Jahre 27% 12-20%
Die soziale Dimension der Adoleszenz
Im folgenden wird der Versuch gemacht, die soziale Lage von Adoleszenten in
systemtheoretischer Perspektive und mit Bezug auf die für die Jugendlichen insgesamt
bedeutsamsten sozialen Settings (Nutbeam 1988) zu charakterisieren und mit den
Grundprinzipien und den pragmatischen Grundvorstellungen der modernen Gesundheitsförderung
zu konfrontieren. Ziel der Analyse ist es, den zuvor getroffenen Befund zur
Lage der Jugend zu konkretisieren und nachvollziehbar zu machen, um daraus
Konsequenzen für die Gesundheitsförderung herzuleiten.
Die soziale Lage von Jugendlichen wird wesentlich von folgenden sozialen Systemen
bestimmt: Familie, Schule, Peers (Cliquen), Wirtschaft und Politik (bzw. Recht). In diesen
Systemen nehmen die Jugendlichen jeweils eine Sonderstellung ein, die sie eindeutig von
den Erwachsenen trennt, was in bezug auf andere Systeme, etwa Medien oder Religion,
nicht der Fall ist, weshalb diese hier vernachlässigt werden (Hurrelmann, Ulich 1980). Alle
diese Systeme erzeugen eine bestimmte, handlungsleitende Vorstellung von Jugend, je
nachdem, welche gesellschaftliche Funktion diesen Systemen zukommt. Darüber bestimmt
sich, welche „Rolle“ die Jugendlichen in den Systemen jeweils spielen, bzw. abstrakter
gesagt: in welcher Weise sie an die jeweiligen Systemkommunikationen überhaupt
anschließen können. Man könnte auch salopper sagen: in welcher Weise Jugendliche
eingeladen, berechtigt oder gezwungen sind mitzumachen. Daraus wiederum ergeben sich
spezifische Probleme und Paradoxien.
29

Tabelle 5: Die soziale Lage von Adoleszenten
System Funktion des
Systems
Familie - Versorgung,
- Unterstützung
Schule - Wissensvermittl
ung, Selektion
Peers,
Cliquen
- Freizeitgestaltung
Wirtschaft - Produktion
- Konsum
Politik,
Recht
Rolle des
Adoleszenten
Problem
- Hilfsbedürftiger - Abhängigkeit statt
Selbstorientierung
- Lernen
- Anpassung
- Selbstdarstellung, -
Verwirklichung
- Ausschluss
- Konsument
- Regeln - Ausschluss
- Passiver Einschluss
durch
Rechtsnormen
30
- Keine Kontrolle
- Entfremdung
- „Bohemien-Stil“
- Devianz
- Unselbständigkeit
- Konsumorientierung
- Desinteresse
- Entpolitisierte
Jugend
Die soziale Situation der Adoleszenz zeichnet sich also insgesamt durch Charakteristika aus,
die einer gesundheitsförderlichen Lebensgestaltung, die Selbstbestimmung, Entscheidungsund
Kontrollmöglichkeiten für das eigene Leben voraussetzt widersprechen.
Zitat aus der Ottawa Charter 1986:
„Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an
Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer
Gesundheit zu befähigen. (...) Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich um sich selbst und für
andere sorgt, dass man in die Lage versetzt ist, selber Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle
über die eigenen Lebensumstände auszuüben, sowie dadurch, dass die Gesellschaft in der man
lebt, Bedingungen herstellt, die allen ihren Bürgern Gesundheit ermöglichen.“
2.2.3 Schicht und Gesundheit bei Jugendlichen
Soziale Ungleichheit als sozioökonomische Ungleichheit
In Gesellschaften, die, wie unsere modernen, demokratischen Gesellschaften, die Gleichheit
der Menschen zu ihren Konstitutionsbedingungen rechnen, ist Ungleichheit nicht nur
irgendein Problem, das vielleicht moralisch irritiert, sondern eines, das an den Grundfesten
der Macht- und Legitimationsverhältnisse rüttelt. Ungleichheit erzeugt daher unmittelbar
politischen Handlungsbedarf: sie muss entweder gut begründet oder aufgehoben werden. Da
moderne Gesellschaften jedoch funktional differenziert sind, hat das Problem der
Ungleichheit nicht nur einen einzigen, hochspezifischen Zuschnitt, dem man mit einem

ebenso hochspezifischen Programm begegnen könnte, sondern es tritt vielmehr in jedem
Funktionssystem in jeweils spezifischer Gestalt und Eigenart auf. Letztlich geht es dabei
immer um den Zugang zu jeweiligen funktionssystemspezifischen Ressourcen, seien diese
ökonomischer, rechtlicher, politischer, qualifikatorischer oder etwa auch gesundheitlicher Art.
Alle diese Ungleichheiten folgen einer jeweils eigenen Differenzierungslogik und müssen klar
unterschieden werden. Das heißt auch, dass die Mechanismen, die Ungleichheit erzeugen,
nicht strukturell aneinander gekoppelt sind, so dass aus der Ungleichheit in einem
zwangsläufig Ungleichheit in einem anderen System folgt, wenn man auch bei bestimmten
Populationen Häufungen beobachten kann.
Alle Ungleichheiten bzw. die sie erzeugenden Verteilungsmechanismen haben aber dieses
gemeinsam, dass sie konkreten Individuen Ressourcen entweder zukommen lassen oder
versagen. Sie spielen daher an der Schnittstelle Individuum/Gesellschaft eine zentrale Rolle,
da sie die Möglichkeiten bedingen, wie weit Individuen Ressourcen zur Lebensbewältigung
verfügbar haben und Lebensinteressen realisieren können. Sie alle stehen daher zunächst
im Verdacht, die Gesundheit der Individuen positiv oder negativ zu beeinflussen.
Gerade weil Gleichheit/Ungleichheit ein so basales Differenzierungsschema der modernen
Gesellschaft darstellt, das Zugangsbedingungen formuliert, ist es wiederum nicht leicht, die
Vielfalt der konkreten Phänomene durch plausible wissenschaftliche Konzepte zu erfassen.
In der Soziologie gibt es daher unterschiedliche Zugänge zur Beschreibung von
Ungleichheit. Das einfachste und gebräuchlichste Konzept ist dabei sicher jenes der
sozioökonomischen Ungleichheit, welches Unterschiede des Einkommens, der Bildung und
des Berufsstatus berücksichtigt.
Der empirische Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Ungleichheit und
Gesundheitsindikatoren, insbesondere der Morbidität und Mortalität ist ausgezeichnet und
vielfach in der wissenschaftlichen Literatur dokumentiert. Diesbezügliche Forschungen
begannen bereits im vorigen Jahrhundert. 6 Sie alle zeigen über die Zeit und für eine Vielfalt
von Ländern, dass eine Person mit geringem sozioökonomischen Status mit weit größerer
Wahrscheinlichkeit krank wird und früher sterben wird, als eine Person mit hohem
sozioökonomischen Status.
Dabei spielt nicht nur der reale Nullpunkt, also die tatsächlichen Entbehrungen und
Belastungen der unteren Schichten eine Rolle, sondern, wie neuere Forschungen zeigen
(Wilkinson 1986), mehr noch die Größe des Unterschieds zwischen den Schichten. Das
Interesse der Forschung gilt daher verstärkt der „Ungleichheitsschere“. Für England wurde
gezeigt, dass sich die Ungleichheitsschere in einem Zeitraum von vierzig Jahren (1931-
1971) immer weiter öffnete, dass aber dennoch die durchschnittliche Lebenserwartung
6 Für eine frühe und umfangreiche deutsche Arbeit siehe z.B. (Mosse, Tugendreich et al. 1981), Orig. 1913.
31

gestiegen ist (Black 1988; Whitehead 1988). Das liegt daran, dass die Ungleichheit zwar
größer wird, dass am unteren Extrem aber weniger Menschen betroffen sind, die
oberflächlich betrachtet statistisch nicht ins Gewicht fallen, die es dafür um so härter trifft.
Angesichts der empirischen Abgesichertheit des Zusammenhanges von Krankheit und
sozioökonomischer Ungleichheit hat sich die Diskussion insbesondere auf die Frage
verlagert, durch welche Faktoren dieser Zusammenhang erklärt werden kann.
Für das Verständnis dieses Zusammenhangs von sozioökonomischer Ungleichheit und
Gesundheit wurden von verschiedenen Arbeitsgruppen der Public Health-Forschung
unterschiedliche Modelle entwickelt und ausführlich diskutiert (Marmot, Bobak et al. 1995;
Helweg-Larsen 1997; Pientka 1994; Davey Smith, Blane et al. 1994a).
Die grundlegende These ist hier, dass Rauchen, Mangel an Bewegung, schlechte
Ernährung, exzessiver Alkoholkonsum etc. mit schlechter Gesundheit assoziiert sind und in
den niedrigen sozial-ökonomischen Gruppen häufiger vorkommen. Kann davon
ausgegangen werden, dass die Lebensstilfaktoren zumindest teilweise die
sozioökonomischen Unterschiede in der Gesundheit erklären können, so schätzen Smith,
Blane, et al. deren Beitrag gering ein (Davey Smith, Blane et al. 1994b). Diesbezüglich
scheint in den vergangenen 10 bis 15 Jahren ein Umdenken stattgefunden zu haben,
welches der sozialen Ungleichheit unabhängig von Risikofaktoren und unabhängig von
Lebensstilen einen eigenständigen Effekt zuerkennt.
Obwohl der Zusammenhang von Rauchen und Morbidität bzw. Mortalität nachgewiesen ist
und empirische Befunde zeigen, dass Angehörige der Unterschichten häufig mehr Rauchen,
erklärt der Faktor Rauchen nicht viel von der sozioökonomischen Ungleichheit in der
Gesundheit. Die Whitehall-Studie 7 hat z.b. den selben SES (sozioökonomischer Status) -
Gradienten für Mortalität bei Rauchern wie beim gesamten Sample gefunden. Anders
gesagt: das Mehr an Rauchern kann die höhere Mortalität in Unterschichten nicht erklären.
Ebenso hat diese Studie gezeigt, dass die SES-Unterschiede in der allgemeinen, wie der
krebsspezifischen Mortalität gleich bleiben, wenn man Unterschiede bezüglich Risikofaktoren
wie Rauchen, Blutdruck, Cholesterin, Zucker, Größe und vorherrschende Krankheiten
konstant hält (Helweg-Larsen 1997). Amerikanische Daten aus der Almeda County Study 8
zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Morbidität und Einkommen auch nach dem
statistischen Ausschluss von 13 Risikofaktoren (u.a. Rauchen, Diät, Alkohol und Bewegung)
gleichgeblieben ist. Obwohl Rauchen eine Rolle für Morbidität und Mortalität spielt, scheint
dieser Risikofaktor nur wenig Erklärungskraft hinsichtlich der sozioökonomischen Gesundheitsunterschiede
zu besitzen.
7
Die Whitehall Studie wurde vom Department of Epidemiology and Public Health in London durchgeführt.
Kontakt: Professor Michael Marmot.
8
Die Studie wurde von der Universität in Michigan und dem Public Health Institut in Berkeley unter der Leitung
von (Lynch, Kaplan et al. 1997)
32

Studien, die sich mit dem Zusammenhang von sozialer Ungleichheit in den Gesundheitschancen
in Zusammenhang mit dem Lebensstil in Abhängigkeit vom sozioökonomischen
Status beschäftigen, zeigen also zwar, dass die unteren Schichten mehr
verhaltensabhängige Risikofaktoren aufweisen, gleichzeitig aber bei Neutralisierung der
Lebensstilfaktoren die Morbidität der unteren Schichten noch immer deutlich über jener der
oberen Schichten liegt (Blaxter 1992). Generell wird den Lebensstilfaktoren daher zwar ein
gewisser Einfluss auf die Varianz des Zusammenhanges von SES und Gesundheit
zugebilligt, aber kein originärer und substanzieller Impact (Helweg-Larsen 1997). Es scheint
so zu sein, dass nicht nur das Gesundheitsverhalten per se, sondern auch dessen
Nachwirkung auf die Gesundheit der Individuen von deren sozioökonomischen Lebensbedingungen
abhängt. D.h., dass das gleiche gesundheitsrelevante Verhalten in Milieus mit
höherem sozio-ökonomischem Status größere Auswirkungen hat als in Milieus mit niedrigem
sozioökonomischem Status. Demnach sind lebensstilorientierte Gesundheitskampagnen in
unteren Schichten notwendigerweise weniger erfolgreich (Müller 1995).
Vom ökonomischen zum sozialen Kapital: Ressourcen und Akteure
Eine breite Diskussion, deren zentraler Fokus die spezifischen Möglichkeiten und
Beschränkungen von Akteuren bzw. Gruppen von Akteuren sind, hat sich rund um das
Konzept des „social capital“ entwickelt. In diesem Feld können zumindest zwei Traditionen
unterschieden werden, eine französische, die auf den französischen Soziologen Pierre
Bourdieu zurückgeht und historisch älter ist, und eine amerikanische, deren zentraler
Theoretiker James Coleman ist, der bis zu seinem Tod vor zwei Jahren Professor für
Soziologie an der Columbia University in New York war (Coleman 1988; Coleman 1991;
Coleman 1994). 9 Bourdieus Konzept, das als das theoretisch weiter entwickelte gilt, war
zunächst nur auf französisch publiziert worden, was seine internationale Rezeption lange
Zeit verhinderte. Die komprimierteste Darstellung findet sich in Bourdieus Aufsatz „The forms
of capital“ (Bourdieu 1986).
Das wesentlich Neue an Bourdieus Konzept ist, die Ressourcen, die einem Individuum zur
Bewältigung seines Lebens zur Verfügung stehen, nicht nur im Sinne des ökonomischen
Kapitals, also seiner monetären Möglichkeiten zu sehen, sondern auch in Verbindung mit
kulturellen und sozialen Möglichkeiten, beides gewissermaßen immaterielle, nichtökonomische
Kapitalformen. Es geht Bourdieu darum zu zeigen, wie verschiedene
Kapitalformen erworben werden, wie sie ausgetauscht und in andere konvertiert werden
können.
9
Ein Review Artikel zu Social Capital findet sich in der Annual Review of Sociology (Portes 1998), wo Bourdieus Concept als
(im Gegensatz zu Coleman) theoretisch weiterentwickeltes bezeichnet wird.
33

Er unterscheidet drei Formen bzw. Stadien des kulturellen Kapitals, die sich nach der Form
der Aneignung und der weiteren Verwertbarkeit unterscheiden:
Embodied: zunächst geht es um Lernen, um alles, was man wissen und von den Fähigkeiten
her tun kann. Dieses Kapital ist eng an das Individuum gebunden und kann nur wiederum
durch Lernen erhöht werden. An diese Form des kulturellen Kapitals schließt Bourdieu seine
Habitus-Theorie an, die im weitesten Sinne eine Theorie sozialen Handelns ist.
Objektiviert: Wissen, Fähigkeiten, Erlerntes kann in Form kultureller Güter materielle Gestalt
annehmen (Bücher, Gemälde, Instrumente, Maschinen). In dieser Form kann kulturelles
Kapital durch ökonomisches erworben werden und symbolisch in embodied Kapital
transferiert werden.
Institutionalisiert: das ist die wirkungsvollste Form des kulturellen Kapitals, es schlägt sich in
akademischen Weihen, Auszeichnungen nieder, die den erworbenen Qualifikationen des
Individuums Anerkennung zollen und dem Individuum einen konstanten, öffentlich
legalisierten Wert garantieren, der mit bestimmten Machtansprüchen und
Lebensmöglichkeiten verbunden ist.
Soziales Kapital ist bei Bourdieu "the aggregate of actual or potential resources which are
linked to possession of a durable network of more or less institutionalized relationships of
mutual acquaintance and recognition" (op.cit. 248). Das soziale Kapital eines Individuums ist
demnach determiniert durch das Ausmaß des Beziehungsnetzwerkes, die Summe der
akkumulierten Ressourcen (kulturell und ökonomisch) und dadurch wie rasch und erfolgreich
ein Individuum diese in Bewegung setzten kann. Um soziale Netzwerke in Zukunft schnell in
Bewegung zu setzen, müssen sie kontinuierlich erhalten und gepflegt werden.
Coleman definiert social capital sehr vage als "a variety of different entities, with two
elements in common: they all consist of some aspect of social structure, and they facilitate
certain actions of actors - whether personal or corporate actors - within the structure"
(Coleman 1988:598). Diese Definition inkludiert vertikale wie horizontale Beziehungen (etwa
im Gegensatz zum Konzept von (Putnam 1993). Coleman subsumiert sowohl Mechanismen,
die soziales Kapital generieren, wie solche, die Konsequenzen des Besitzes davon sind, und
ist demnach theoretisch nicht so trennscharf wie Bourdieu.
Das bedeutsame an Coleman´s Theorie ist die Einführung der Idee einer kritischen Masse
oder eines Sättigungsgrades in sozialen Beziehungen durch das Konzept der „Closure“.
Closure bedeutet die Existenz genügender Beziehungen zwischen einer bestimmten Anzahl
von Personen um die Einhaltung von Normen und die Aufrechterhaltung der
Wechselseitigkeit des Netzwerkes zu garantieren. Vom Konzept der Closure aus kann das
Ausmaß der sozialen Kohäsion (social cohesion) thematisiert werden und mit dieser die
34

sozialen Konsequenzen zunehmender Fragmentierung der modernen Gesellschaft ohne
ausreichende soziale Absicherung, wie es in vielen Teilen nicht nur der USA der Fall ist.
Social Cohesion wird somit zu einer wichtigen Variable des Wohlbefindens und der
Gesundheit. Cohesion steht damit in einer nicht im Detail geklärter Beziehung zu Konzepten
von Sicherheit, Vertrauen und im weiteren Sinne auch zum Konzept des sense of coherence
des Aaron Antonovsky (vgl. Kap. 5.1).
Mit dem Konzept der Social cohesion wird das Ausmaß der Differenzen innerhalb eines
sozialen Systems beschrieben. Es ist daher für die Gesundheitswissenschaften von großer
Bedeutung, wenn es darum geht, psychosoziale Faktoren zu beschreiben und in ihren
Wirkung zu verstehen. Studien belegen etwa, dass umso weniger Vertrauen und
Erwartungssicherheit in sozialen Systemen aufgebaut werden kann, je größer die
Differenzen sind in bezug auf das Einkommen, Normen, Reziprozität und soziale Bilanz
(Verhältnis von individuellen Aufwendungen und sozialen Belohnungen), Partizipation im
System, Empowerment, Nachbarschaft und Sicherheit (Erben, Franzkowiak et al. 1999).
Schicht als Folge der Exklusion aus sozialen Systemen – Schultyp
Im Gegensatz zu einer auf soziales Kapital von Personen und Personengruppen
fokussierenden Sichtweise, wird aus einer systemischen Position insbesondere die Frage
der Inklusion bzw. Exklusion von Personen, Gruppen oder sozialen Systemen in die
Funktionssysteme der modernen Gesellschaft thematisiert (Luhmann 1995).
Sozialer Ausschluss und Benachteiligung können als kumulative Marginalisierung im Bereich
der Ökonomie, der Produktion (Arbeitslosigkeit, geringfügige Beschäftigungsformen), des
Konsums (Armut), der Bildung, sozialen Netzwerken (Gemeinschaft, Familie, Nachbarn) und
deren Unterstützung, von Rechten (Entmündigung, Bürgerrechte, Wahlrecht etc.), von
politischer Partizipation (Wahlrecht, Mitbestimmung) beschrieben werden. Wobei in
funktional differenzierten Gesellschaften die Tendenz besteht, dass durch Exklusion aus
einem dieser Funktionssysteme die Exklusion aus weiteren Funktionssystemen begünstigt
wird. Ausschluss aus Bildungsinstitutionen kann den Ausschluss aus der Wirtschaft nach
sich ziehen, diesem folgt Ausschluss aus Nachbarschaftssystemen und intimen sozialen
Beziehungen usw.. Zur Absicherung vor den Folgen der Exklusion aus den genannten
Funktionssystemen wegen Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Schwangerschaft, etc. hat die
moderne Gesellschaft auch Systeme sozialer Sicherung (Sozialhilfe und Sozialversicherung)
etabliert, die ihrerseits aber selbst wieder ungleichheitsrelevante Folgen haben.
In Bezug auf die Schicht im österreichischen Schulsystem ist die Differenz von
Inklusion/Exklusion auf die Schultypen anwendbar, wobei höhere Schulen auch höhere
Inklusion bedeuten. Dies deshalb, weil das österreichische Pflichtschulsystem ein Zwei-
35

Klassensystem ist, in dem die Zugehörigkeit zu Hauptschulen und Polytechnischen Schulen
weniger Status vermittelt wie die Zugehörigkeit zu Mittlerern und Höheren Schulen.
Mit diesen Schultypen sind nicht nur unterschiedliche Schulerfahrungen, sondern auch
veränderte Lebensperspektiven und im Hintergrund unterschiedliche Schichtzugehörigkeiten
gegeben.
2.3 Status quo und Trends der subjektiven Gesundheit und des
Rauchverhaltens unter Berücksichtigung der Makrofaktoren
2.3.1 Status quo und Trends der subjektiven Gesundheit 10
Insgesamt gesehen und auch im internationalen Vergleich ist die subjektive
Gesundheitseinschätzung bei Jugendlichen in Österreich erfreulich hoch. Nur 3% der
befragten Kinder und Jugendlichen geben hier eine Besorgnis erregende Antwort. Dennoch
fühlt sich die Mehrheit (54%) doch auch nur mit gewissen Abstrichen gesund, also nicht
wirklich „sehr gesund“.
Grafik 1: Subjektive Gesundheit: Kinder, die sich „sehr gesund fühlen“*, nach
Geschlecht und Altersgruppen
*Frage: „Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
10 vgl. Dür et al, 2000
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
57
50
49
36
32
44
25
11 Jahre 13 Jahre 15 Jahre
Knaben
Mädchen

Welche Rolle spielen Alter, Geschlecht und Schicht?
Bereits auf den ersten Blick fällt auf, dass die subjektive Gesundheitseinschätzung sowohl
alters- als auch geschlechtsspezifische Zusammenhänge aufweist:
a) Alterseffekt
Je älter die Schüler/innen werden, desto schlechter bewerten sie ihren Gesundheitszustand.
Dieser Trend ist in allen teilnehmenden Ländern der HBSC-Studie für beide Geschlechter zu
beobachten, obwohl der Altersunterschied insgesamt betrachtet nicht so eine bedeutende
Rolle spielt wie der Geschlechtereffekt. Der Anteil der sehr gesunden Knaben verringert sich
in Österreich zwischen dem 11. und dem 15. Lebensjahr von 57 auf 44%, der Anteil der
Mädchen gar von 50 auf 25%. Anders ausgedrückt ist das Risiko sich nicht gesund zu
fühlen, bei den 15-Jährigen um den Faktor 2,252 höher, als bei den 11-Jährigen.
Im internationalen Schnitt, entfällt der Anteil der „sehr gesunden“ bei den 11-Jährigen auf
93,0% Mädchen und 95% Knaben, bei den 15-Jährigen aber nur mehr 87,4% Mädchen und
93,6 % Knaben.
Beachtenswert ist der allgemeine Trend für die 90er-Jahre. Dieser ist auf statistisch
signifikante Weise leicht negativ: Die subjektive Einschätzung des eigenen
Gesundheitszustands verschlechterte sich bei den österreichischen Schülerinnen und
Schülern aller Altersstufen im Lauf der 90er-Jahre kontinuierlich, wobei auch hier die älteren
Schüler/innen (die 13-Jährigen sogar etwas mehr als die 15-Jährigen) am stärksten betroffen
sind.
Grafik 2: Subjektive Gesundheit im Trend: österreichische Kinder, die sich „sehr
gesund fühlen“*, für 1990, 1994 und 1998 nach Altersgruppen
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
58
51
43
*Frage: „Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1990, 1994 und 1998
37
54
40
34
1990 1994 1998
11 Jahre
13 Jahre
15 Jahre

) Geschlechtseffekt
Über alle Altersgruppen hinweg, fühlen sich Knaben signifikant häufiger sehr gesund als
Mädchen. Der Geschlechtseffekt bei der subjektiven Gesundheitseinschätzung äußert sich
darin, dass das Risiko für Mädchen, sich nicht gesund zu fühlen, 1,9 Mal höher ist als für die
Knaben.
Damit ist in Österreich ein Verhältnis beschrieben, das auch dem internationalen Muster
entspricht, nämlich, dass der Anteil der Knaben, die sich sehr gesund fühlen mit 93,7% um
4% höher liegt als der Anteil der Mädchen (90,0%).
Dazu kommt, dass Mädchen von der altersbedingten Verschlechterung erheblich stärker
betroffen sind als die Knaben.
Grafik 3: Subjektive Gesundheitseinschätzung im internationalen Vergleich: Kinder,
die sich „sehr gesund fühlen“*, nach Geschlecht und Altersgruppen
*Frage: „Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
38

Auch die Trendanalysen der 90er Jahre fallen für die Mädchen dramatischer aus als für die
Knaben. Mädchen beurteilten im Laufe der 90er Jahre ihren Gesundheitszustand
zunehmend schlechter. Während sich Anfang der 90er Jahre noch 55% der Knaben und
45% der Mädchen sehr gesund gefühlt haben, sind es 1998 nur mehr 50% der Knaben und
35% der Mädchen (Grafik 4).
Grafik 4: Subjektive Gesundheit im Trend: österreichische Kinder, die sich „sehr
gesund fühlen“*, für 1990, 1994 und 1998 nach dem Geschlecht
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
a Frage: „Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1990, 1994 und 1998
c) Schichteffekte
55
45
1990 1994 1998
Zwischen dem sozialen Status und der subjektiven Gesundheitseinschätzung gibt es einen
Zusammenhang. Die soziale Schicht (Index 1) hat einen Effekt: Kinder und Jugendliche aus
der Oberschicht fühlen sich deutlich gesünder als jene aus ärmeren Verhältnissen. Aus der
Kategorie „reich“ fühlen sich 52% der Befragten sehr gesund, bei Schülerinnen und
Schülern, die sich der Kategorie „arm“ zuordnen sind es 34%. Der Ungleichheitseffekt ist bei
jenem Index deutlicher zu erkennen, der die Kategorie „arm“ wirklich nur mit Kindern und
Jugendlichen misst, die in Armut leben und keine Schüler/innen mit einbezieht, die
armutgefährdet sind. Das Risiko in dieser Gruppe, sich nicht gesund zu fühlen, ist um das
2,2-fache höher, als wenn man der Kategorie „reich“ angehört
39
50
35
Knaben
Mädchen

Grafik 5: Sozioökonomischer Status von österreichischen Familien. Vergleich zweier
unterschiedlich konstruierter Indices
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
Index 1: Frage 1: „Hat Deine Familie ein Auto?“; Antwortkategorien: „nein“, „ja, eines“, „ja, zwei oder mehr“; Frage 2: „Für wie
reich schätzt Du Deine Familie ein?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr reich“, 5 = „gar nicht reich“; Frage 3: „Wie oft bist Du
während des letzten Jahres in den Ferien (Urlaub) mit Deiner Familie verreist?“; Antwortkategorien: 1 = „überhaupt nicht“, 4 =
„öfter als zweimal“; Index 2: wie Index 1 + Frage: „Hast Du zu Hause ein eigenes Zimmer für Dich allein?“; Antwortkategorien:
„ja“, „nein“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Der Effekt des Schultyps ist hingegen nicht eindeutig: Während sich in der 5. Schulstufe
AHS-Schüler/innen besser fühlen (58% „sehr gut“) als ihre gleichaltrigen Kolleg/innen aus
der Hauptschule (52%), dreht sich dieses Verhältnis in der 9. Schulstufe um; hier beurteilen
sich die Schüler/innen der Polytechnischen Schule relativ gesehen noch am besten (39%)
und jene der BHS am schlechtesten – dort fühlt sich nicht einmal mehr jede/r Dritte „sehr
gesund“.
Grafik 6: : Kinder, die sich „sehr gesund“ fühlen a , nach Schultypen b und
Altersgruppen
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
9
52
Index 1
58
74
17
arm mittel reich
40 41
39
a b
Frage: „Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“; HS =
Hauptschule, Poly = Polytechnischer Lehrgang, AHS = Allgemeinbildende Höhere Schule, BHS = Berufsbildende Höhere
Schule
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
40
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
36
11 Jahre 13 Jahre 15 Jahre
30
23
Index 2
HS/Poly
AHS
BHS
63
15
arm mittel reich

2.3.2 Status quo und Trends des Rauchverhaltens von Jugendlichen
Der Einstieg in das Zigarettenrauchen beginnt bei den meisten zwischen dem 13. und 15.
Lebensjahr, wobei sowohl starke Alters- als auch Geschlechtseffekte sichtbar werden.
a) Alterseffekt
Die Frage „wie oft rauchst du derzeit Tabak?“ Beantworten von den 13-jährigen Knaben und
Mädchen noch 78% mit „gar nicht“, bei den 15-Jährigen sinkt dieser Prozentsatz auf 56%.
Als zentraler, weil harter Indikator für die Bestimmung des Rauchverhaltens bei Jugendlichen
gilt das Faktum des täglich Rauchens. Raucherprävalenzen beziehen sich im folgenden
daher auf die Anteile der täglichen Raucher/innen unter den 15-Jährigen.
Der Anteil der Jugendlichen, die täglich rauchen, steigt in dieser Altersgruppe bei den
Knaben von 5% auf 20% und bei den Mädchen von 3% auf 26%, was eine Steigerung etwa
um den Faktor 8 bedeutet.
Im Trend der 90er-Jahre hat das Rauchen insgesamt stark zugenommen. Immer mehr
Schüler/innen geben an, täglich zu rauchen: Der Anstieg geht von 14% im Jahr 1990 auf
23% für beide Geschlechter.
b) Geschlechtseffekt
Besonders bedenklich ist, dass in der Gruppe der 15-Jährigen heute bereits mehr Mädchen
rauchen als Knaben: Jeder 5. Knabe und jedes 4. Mädchen gibt an, täglich zu rauchen.
Grafik 7: Tabakkonsum: Kinder, die „täglich rauchen“*, nach Geschlecht und
Altersgruppen
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
0
*Frage: „Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?“; Antwortkategorien: 1 = „jeden Tag“, 4 = „ich rauche gar nicht“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
5
3
41
20
26
11 Jahre 13 Jahre 15 Jahre
Knaben
Mädchen

Die Raucherprävalenzen in einem internationalen Vergleich von 7 Ländern (Grafik 8) liegen
überall in einem ähnlichen Bereich, weisen aber deutliche Unterschiede auf. Die Knaben
schwanken von 14% (Dänemark) bis 22% (Deutschland), was einen Unterschied von 50%
ausmacht. Der Anteil der täglich rauchenden Mädchen schwankt von 20% (Norwegen) bis
27% (Österreich). Für alle Länder gilt, dass der Anteil der täglich rauchenden Mädchen
mittlerweile höher ist als jener der Knaben. Damit haben die Mädchen im Laufe der 90er-
Jahre diese Verhaltensweise übernommen und die Knaben überholt. Der Anteil der
Nichtraucher beträgt in Österreich nur mehr bei 61% bei den Knaben und bei 54% bei den
Mädchen.
Grafik 8: Anteil der täglichen Raucher/innen* unter den 15-Jährigen in 7 Ländern
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
20
27
14
21
19
22
*Frage: „Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?“; Antwortkategorien: 1 = „jeden Tag“, 4 = „ich rauche gar nicht“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
22
25
Die Anzahl der durchschnittlich pro Woche gerauchten Zigaretten (gemessen am Median)
schwankt deutlich von 20 bis 30 Stück. Auch wenn mehr Mädchen als Knaben rauchen, ist
festzuhalten, dass die rauchenden Knaben mehr Zigaretten rauchen als die rauchenden
Mädchen. Am stärksten ist dieser Unterschied in Deutschland, wo die Mädchen
durchschnittlich 20 Zigaretten pro Woche rauchen, die Knaben hingegen 30 (Grafik 9).
Grafik 9: Anzahl der von 15-jährigen Schüler/innen wöchentlich gerauchten Zigaretten
(Median)* in 7 Ländern
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
Frage: „Wenn Du derzeit rauchst: wie viele Zigaretten rauchst Du gewöhnlich pro Woche?“; Antwort: „ungefähr … pro Woche“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
42
17
20
24 23
19 18
Österreich Dänemark Finnland Deutschland Norwegen Schottland Wales
20
20
30
28
26
30
25
20 20 20
30 30 30 30
Österreich Dänemark Finnland Deutschland Norwegen Schottland Wales
Knaben
Mädchen
Knaben
Mädchen

Der Trend für die Mädchen, die wie bereits erwähnt die Knaben „überholt“ haben, ist
besonders dramatisch, während sich bei den Knaben seit 1994 keine Steigerung, vielleicht
sogar eine Trendumkehr eingestellt hat (Grafik 10).
Grafik 10: Tabakkonsum – die 15-Jährigen im Trend: österreichische Jugendliche, die
„täglich rauchen“*, für 1990, 1994 und 1998 nach dem Geschlecht
*Frage: „Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?“; Antwortkategorien: 1 = „jeden Tag“, 4 = „ich rauche gar nicht“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1990, 1994 und 1998
Die Ergebnisse der Trendanalysen aus Schottland, Wales, Österreich, Deutschland
(Nordrheinwestfalen), Finnland, Dänemark und Norwegen zeigen, dass der Anteil der täglich
rauchenden 15-jährigen Mädchen in den letzten 10 Jahren von durchschnittlich 16% auf 23%
und der 15-jährigen Knaben von 16% auf 19% gestiegen ist. In einigen Ländern, u.a.
Österreich, hat sich der Anteil der rauchenden Mädchen – dem Rückgang der Raucher/innen
im Erwachsenenalter zum Trotz – verdoppelt. Die österreichischen Mädchen führen die Liste
der am stärksten rauchenden Gruppe in den 8 Ländern an.
c) Schichteffekt
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
15
12
Jugendliche, die eine Hauptschule besuchen, haben häufiger schon „einmal geraucht“: 76%
der Hauptschüler/innen und 83% der 13-jährigen AHS-Schüler/innen geben an, noch nie
geraucht zu haben. Am häufigsten findet man die täglichen Raucher/innen in der
Polytechnischen Schule – 32% rauchen täglich gegenüber 27% der BHS- und 11% AHS-
Schüler/innen (Grafik 11).
43
26
20
1990 1994 1998
Knaben
Mädchen

Grafik 11: Tabakkonsum: Kinder, die „täglich rauchen“ a , nach Schultypen b und
Altersgruppen
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
0
4
3
a b
Frage: „Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?“; Antwortkategorien: 1 = „jeden Tag“, 4 = „ich rauche gar nicht“; HS = Hauptschule,
Poly = Polytechnischer Lehrgang, AHS = Allgemeinbildende Höhere Schule, BHS = Berufsbildende Höhere Schule
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
44
32
11
11 Jahre 13 Jahre 15 Jahre
27
HS/Poly
AHS
BHS

3 Die Schule als gesundheitsrelevantes Setting
Der Zusammenhang von Schule und Gesundheit ist vielfach untersucht worden, wobei das
Setting Schule mit unterschiedlichen Konzepten kontextualisiert und gemessen worden ist. In
Studien, die outcome-orientiert angelegt sind wird die Schule zumeist als im Sinne des
Setting Begriffes als Konglomerat physikalischer, chemischer räumlich-biophysischer und
sozialer Bedingungen verstanden.
Diese Faktoren sind nicht nur für die gegenwärtige Gesundheit ausschlaggebend, sondern,
wie gezeigt werden konnte, auch für die zukünftige Gesundheit, also für die
Gesundheitsprognose von bis zu 6 Jahren, sowie für die zukünftige Lebenszufriedenheit
(Bond, Compas 1989; Hurrelmann, Leppin et al. 1995).
In der Gesundheitsförderungsforschung, die ein Belastungs-Bewältigungsparadigma benutzt,
wird das Schulumfeld vor allem als Ressource zur Bewältigung von Aufgaben interpretiert.
Auch diese Studien konnten zeigen, dass die Schule über Verteilung von Ressourcen für die
Entwicklung von gesundheitsfördernden Verhaltensweisen, Gesundheit und
Lebenszufriedenheit bedeutsam sein kann (Lohaus 1993).
Eine völlig andere Forschungsrichtung befasst sich mit der Effektivität der Schule. Auch
wenn es in der schooleffectiveness Forschung nicht vordergründig um Gesundheit geht, so
lässt sich von ihr doch lernen, wie und mit welchen Faktoren eine Schule Schulzufriedenheit,
Wohlbefinden und Schulerfolg wesentlich beeinflusst. Insbesondere weisen die Ergebnisse
dieser Forschung auf die Bedeutung der strukturellen und prozessualen Qualität der
Organisation Schule hin (Mortimore 1998).
In bezug auf Risikoverhalten und insbesondere in bezug auf Rauchen bei Jugendlichen wird
vor allem von gesundheitspsychologischer Literatur die Bedeutung der Rollenmodelle
hevorgehoben (Reid, McNeill et al. 1995). Grundannahme dabei ist, dass Jugendliche
beiderlei Geschlechts das Verhalten von Erwachsenen kopieren.
Schließlich hat das Setting Schule durch seinen curriculären Aufbau einen Einfluss auf
Gesundheit und Gesundheitsverhalten, insbesonder dadurch, dass Gesundheitserziehung
und Gesundheitsförderung, in Schulen mehr oder weniger stark etabliert sind.
Vorliegende Untersuchung befasst sich ausschließlich mit den Konzepten Partizipation und
Empowerment. Diese werden daher im folgenden ausführlich dargestellt.
45

3.1 Die theoretischen Konzepte der Partizipation und des Empowerment
3.1.1 Entstehung und Kontexte der Begriffe
Der Begriff des Empowerments (deutsch: Ermächtigung, Befähigung, Instandsetzung 11 )
findet unterschiedlich definiert in einer Vielzahl gesellschaftlicher Diskurse Verwendung und
wird trotz des offenkundigen Mangels an einer einheitlichen theoretischen Fassung dennoch
als ein vielversprechendes, entwicklungsfähiges Konzept gehandelt, nicht zuletzt auch in der
wissenschaftlichen Grundlegung der Gesundheitsförderung (Rissel 1994). Sowohl der
theoretische Reiz wie auch die politische Brisanz des Begriffes liegt in der Frage, wie es
möglich sein kann, kollektive Werte und Normen einer Gemeinschaft mit der individuellen
Freiheit ihrer Mitglieder in Einklang zu bringen.
Die Urform des Empowerments entstammt denn auch der Bürgerrechtsbewegung und der
Frauenbewegung in den USA der 60er Jahre, erste Konturierungen erhielt der Begriff von
der "social action"-Ideologie in den 70er Jahren. In den 80er Jahren wurde Empowerment als
Grundlagentheorie von der amerikanischen Gemeindepsychologie (Community Psychology)
aufgegriffen, die innerhalb der psychologischen Tradition erstmals begann, teils im
Anschluss an, teils in Abweichung von älteren soziologischen Theorien das Individuum als
psychologische Entität in seiner politischen und sozialen Umwelt zu beschreiben und in
seiner sowohl psychologischen als auch sozialen Gestalt zu verstehen. Mit dem Begriff des
Empowerments verbinden sich nun nicht mehr nur Vorstellungen von bürgerrechtlicher
Emanzipation und Teilhabe, sondern in einem weiteren Sinn von einem glücklichen,
gesunden und wohl auch erfolgreichen Leben – ganz im Sinne des pursuit of happiness der
amerikanischen Verfassung. Im Zentrum steht die Vorstellung, dass Individuen nicht länger,
wie das in älteren Gesellschaftstheorien beschrieben wurde, abhängige Produkte ihrer
sozialen Umwelt sein dürfen, sondern die Möglichkeit zur aktiven Mitgestaltung haben
müssen. Oder wie eine wissenschaftliche Definition zu Beginn der 80er Jahre definierte: der
übergeordnete Sinngehalt von Empowerment ist es, Menschen, Organisationen und
Strukturen mit den Möglichkeiten zur Kontrolle ihres eigenen Lebens auszustatten
(Rappaport 1987).
Als ein Paradigma und Promotor für diese Vorstellung kann sicher der Aids-Diskurs
angesehen werden, der die 80er Jahre beherrschte und über die Aufmerksamkeit für
Gesundheit der neoliberalen Individualisierung der Verantwortung und der Politik in die
11 Die problematische Bedeutungsvariante des Begriffs Ermächtigung, die in der deutsch-österreichischen
Geschichte des Nationalsozialismus begründet liegt, hat dazu geführt, dass im deutschen Sprachraum das
englische Empowerment verwendet wird.
46

Hände arbeitete 12 . Von hier aus wird verständlich, dass Empowerment in den 90er Jahren
Ausdruck und Grundlage des generellen Strebens von Individuen und Gruppen nach
wachsender Kontrolle in vielen Bereichen ihres täglichen Lebens wurde. Das gilt wiederum
besonders für den Bereich der Medizin und des Versorgungssystems, wo die Arzt/Patient-
Beziehung, die Gesundheitserziehung und die organisierte Selbsthilfe in praktisch allen
modernen Gesellschaften grundlegenden Diskussionen und teilweise auch Revisionen
unterzogen wurden.
Im Zuge dessen wurde Empowerment auch zu einem Fokus für die wissenschaftliche
Forschung, die sich mit den Bedingungen, Strukturen, Chancen und Grenzen sozialer
Netzwerke und sozialer Unterstützungssysteme befasste. Der Begriff kann daher heute
aufgrund seiner Entwicklungsgeschichte eine grundlegende Ambiguität weder verleugnen
noch auflösen, die in der Differenz von Mensch und sozialem System begründet liegt und die
dazu führt, dass er einerseits - in einer zumeist ungewollten Übereinstimmung mit dem
politischen Neoliberalismus - die Eigenverantwortlichkeit des Individuums für sich und sein
Fortkommen codiert, andererseits aber die Abhängigkeit dieser Eigenverantwortlichkeit von
den Bedingungen und Möglichkeiten der sozialen Integration und Teilhabe.
Neuere Definitionen von Empowerment stellen auf eine Neuverteilung von Macht über die
strukturellen und prozessualen Bedingungen in sozialen Systemen ab. Community
empowerment, also die Ermächtigung einer Gemeinschaft oder Gruppe, beinhaltet daher
meistens beides: Ein erhöhtes Maß an einem individuellen, psychologischen, an
Kompetenzentwicklung orientierten Empowerment der einzelnen Mitglieder sowie eine
Erhöhung der aktiven politischen Anteilnahme und die Durchsetzung der Umverteilung
bestimmter Ressourcen oder Entscheidungen zum Wohle der Gruppe bzw. im Sinne der
Funktion des sozialen Systems (Rissel 1994). Die Koppelung der beiden Seiten folgt dabei
der Logik, dass in Gruppen mit hohem Community Empowerment auch ein hohes
psychologisches Empowerment der einzelnen Mitglieder sehr wahrscheinlich ist, während
umgekehrt ein hohes psychologisches Empowerment keine hinreichende Bedingung für die
Macht über Ressourcen notwendig zur Folge hat.
Aus der Literatur gewinnt man den allgemeinen Eindruck das vor allem den
mesosoziologischen Aspekten der Mitsprache und der Mitgestaltung mehr Aufmerksamkeit
zu widmen ist, als dies in der bisherigen Praxis und Theoriebildung der Fall war. Diesen
Eindruck erhält man insbesondere, wenn man die neuere organisationssoziologische und
Management-Literatur berücksichtigt, die für die theoretische Behandlung des
Empowerment-Begriffs führend geworden ist (Hasenfeld 1992; Teuber, Stiemert-Strecker et
12 Im Aids-Diskurs wurde mit dem Argument, dass Individuen zur Kontrolle ihres Verhaltens und zur Übernahme
der Verantwortung dafür durchaus imstande seien, selbst in dem besonders „heiklen“ Bereich der Sexualität, die
Horrorvorstellung einer staatlich kontrollierten Sexualpolitik abgewehrt (vgl. Dür et al. 1992).
47

al. 2000; Blank 2000; Erben, Franzkowiak et al. 1999; Gray 1998; Rundall, Starkweather et
al. 1998).
Empowerment und Partizipation haben darin neben einer politischen, wenn man so will,
makrosoziologischen und einer psychologischen oder mikrosoziologischen Konnotation auch
eine Bedeutungsebene, die auf die Bedingungen in Organisationen bezogen ist. Unsere
heutigen Lebenswelten sind Großteils in Organisationen strukturiert (Grossmann 1996).
Organisationen sind komplexe Sozialsysteme in der Umwelt der Menschen und haben einen
ganz entscheidenden Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden. Immer mehr Aufgaben, die
in unserer Gesellschaft geleistet werden müssen, werden von Organisationen
wahrgenommen und können auch nur mehr in organisierter Form behandelt werden.
Der rasche Wandel, durch die Organisationen und Betriebe heute charakterisiert sind, hat
auch starke Auswirkungen auf Gesundheitsbedingungen, insbesondere hinsichtlich der
psychischen und sozialen Faktoren von Arbeitsbelastung und Arbeitszufriedenheit. Wie in
den Studien zur Berufswelt von Karasek & Theorell (Karasek, Theorell 1990) umfassend
ausgeführt wird, ist die Arbeitszufriedenheit durch einen hohen Anteil an Autonomie und
Kontrolle, ein angemessenes Gehalt und gute soziale Unterstützung durch das Management
und Arbeitskolleg/innen steigerbar. Arbeitszufriedenheit wiederum ist mit dem subjektiven
Gesundheitszustand und dem subjektiven Wohlbefinden positiv assoziiert (Kawachi,
Kennedy et al. 1997).
Partizipation ist in den modernen westlichen Gesellschaften nach dem Zusammenbruch des
Kommunismus und im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung zunächst als Aufforderung
zum ständigen Weiterlernen, zum Mündigwerden, zur Übernahme von Eigeninitiative und
Eigenverantwortung und zum Verzicht auf falsche sozialstaatliche Sicherheiten und
Garantien aufgetreten (Giddens 1998). Dennoch sind damit auch positive Chancen zur
Weiterentwicklung der Personen und der Organisationen verbunden, die heute eindeutig im
Vordergrund stehen.
Dabei geht es im Sinne flacher Hierarchien zentral um die Frage, mit wie viel
Entscheidungskompetenz ein Arbeitsplatz ausgestattet sein soll, um eine möglichst „leane“
Organisation und möglichst effiziente Ablaufstrukturen zu ermöglichen. Die Konzepte hierfür
sind allerdings keineswegs einheitlich und setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Im
Konzept der vertikalen und horizontalen Dezentralisation bei Mintzberg (1992) ist die
optimale Relation von Entscheidungen relevant, die ein Arbeitsplatzinhaber nach
horizontalen, nach vertikalen oder gänzlich ohne Rückfragen treffen kann. Ähnlich auch das
Verständnis bei Peters (1989), mit der Betonung, dass Kontrolle und Verantwortung auf
jedem Platz in einer Organisation zu leisten sind und dass dazu vor allem horizontale
Kommunikation erfordert wird – „up and down the hierarchy“. Im Konzept der lokalen
Autonomie in der lernenden Organisation bei Senge müssen die partizipative Offenheit
48

aufseiten der Organisation und die reflexive Offenheit der Personen ineinander greifen, wenn
Empowerment und Partizipation nicht nur zum Ritual und zur Erfüllung einer demokratischen
Norm erstarren sollen, hinter den nur um so leichter innerbetriebliche Machtinteressen
durchgesetzt werden können (Senge 1996). Die vielleicht avancierteste Vorstellung
entwickeln Nonaka & Takeuchi mit ihrem Modell einer Hypertextorganisation, die aus den
Notwendigkeiten und Möglichkeiten des Wissensmanagements entwickelt wird (Nonaka,
Takeuchi 1997). Empowerment bezieht sich darin vor allem auf den Zugang zur
Wissensbasis einer Organisation und löst das Problem von impliziten (nicht beliebig
abrufbaren) Wissensbeständen einer Organisation und des Wissenstransfers zwischen
Projekten einer Organisation.
Es geht in all diesen Konzepten letztlich darum, Empowerment als Instrument zu begreifen,
um Macht, Kontrolle und Verantwortung in einer Organisation zu regeln. In einer
systemtheoretischen Betrachtung kann es dabei aber nicht um die Umverteilung von Macht
im Sinne eines Nullsummenspiels gehen, denn die Übernahme individueller Verantwortung
für bestimmte Prozesse oder Prozessteile innerhalb eines Systems kann nicht zur Entlastung
anderer Positionen innerhalb des Systems, etwa höherer Hierarchieebenen, führen. Noch
unwahrscheinlicher wäre die Erwartung, dass die Übernahme einer Verantwortung durch ein
System oder Funktionssystem gleichzeitig eine spürbare Entlastung anderer Systeme, etwa
der Politik, zur Folge hätte und diese möglicherweise überflüssig machen könnte. 13 Vielmehr
sind diese Entwicklungen als Ausdifferenzierungsprozesse zu verstehen, die als Folge
postmoderner Steuerungsprobleme auf allen Ebenen der Gesellschaft entstehen und bei
denen es um die Neugestaltung der Aushandlung und Legitimierung von Macht geht. In
diese Richtung zielen die steuerungstheoretischen Überlegungen von Willke (Willke 1996),
welche die Möglichkeiten der Steuerung von sozialen Prozessen durch Macht am Beginn
des dritten Jahrtausends insgesamt kritisch einschätzen und demgegenüber auf
Mechanismen der Wissensproduktion und der demokratischen, partnerschaftlichen
Aushandlung setzen, durchaus ähnlich dem Konzept von Nonaka & Takeuchi.
3.1.2 Empowerment in der Gesundheitsförderung
In Hinblick auf Gesundheitsförderung in Settings 14 und deren hauptsächliche
Umsetzungsform in Projekten in Schulen, Betrieben und Gemeinden unterscheidet Stark
(Stark 1996) zwei Hauptformen der Partizipation: das Teilnehmen und das Teilhaben.
Ersteres meint die freiwillige Teilnahme an bestimmten Programmen und Maßnahmen und
die Mitarbeit in bestimmten Teilbereichen solcher Maßnahmen. Demgegenüber bieten
Teilhabe-Strategien den Zielgruppen die Möglichkeit, sich bereits bei der Zielfindung, der
13
Dieses Problem ist etwa auch im Verhältnis von Krankenversorgung und Gesundheitsförderung gegeben.
14
Zum Settingbegriff vgl. (Baric 1998)
49

Planung, Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen zu beteiligen. Teilhabe-Strategien
wollen insofern kollektive Bewältigungsstrategien fördern und unterstützen (Stark 1996).
Es ist daher nur konsequent, Gesundheitsförderung in Settings, in denen Umweltfaktoren,
Organisationsfaktoren und persönliche Faktoren interagieren und die damit Gesundheit und
Wohlbefinden mit steuern, auch über das Konzept des Empowerments und der Partizipation
zu organisieren (Kickbusch 1996). Dem entsprechen grundlegende Verschiebungen in der
Konzeption von Gesundheitsförderung im Sinne einer Betonung der Ressourcen- und
Kompetenzperspektive, der Aushandlung von Lösungen statt des Vertrauens auf
Expert/innenlösungen, der Ermöglichung von Selbstwirksamkeit und des partnerschaftlichen
Handelns in Netzwerken.
Diese Verschiebungen sind indessen keine Neuinterpretation, sondern können als ein
Ernstnehmen der Ottawa Charta für Gesundheitsförderung (WHO 1986b) verstanden
werden. Die zentrale Aussage dieses Dokumentes ist, dass Gesundheit nicht einfach
gegeben ist, sondern permanent erzeugt wird, und zwar zunächst in einem sozialen und erst
dann in einem biologischen Prozess. Damit ein sozialer Prozess als gesundheitsförderlich
bewertet werden kann, müssen Menschen die Möglichkeit haben, (a) sich an ihm zu
beteiligen und (b) diesen Prozess mit zu gestalten und mit zu steuern. In einer kürzlich
erschienen Publikation formulieren Davies & MacDonald: „Die Schlüsselkonzepte in dieser
Definition [von Gesundheitsförderung] sind 'Prozess' und 'Kontrolle'; Daher müssen
Effektivität und Qualitätssicherung von Gesundheitsförderung auf Ermöglichung und
Empowerment abzielen. Wenn die Aktivität nicht 'befähigend' und 'instand setzend' ist, dann
ist es nicht Gesundheitsförderung." 15
Dementsprechend sehen die fünf Grundstrategien der Gesundheitsförderung in den
verschiedenen, von ihr angesprochenen Bereichen jeweils spezifische Formen der
Partizipation und des Empowerments vor.
• Eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik entwickeln
Die Umorientierung von einer öffentlichen Gesundheitspolitik (public health policy) zu
einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik (healthy public policy) rückt Prozesse des
politischen Entscheidens und der Koordination von Politik in den Vordergrund. Die
Entwicklung einer intersektoralen Politik und die Zusammenarbeit des Sektors
Gesundheit mit anderen relevanten und meist einflussreicheren Sektoren, wie z.B. der
Finanzpolitik, setzt einen gesamtgesellschaftlichen Planungsprozess voraus, an dem alle
Sektoren gleichermaßen beteiligt sind und in dem Entscheidungen eben nicht allein
sektoralen Erfordernissen entsprechen können.
50

• Gesundheitsförderliche Lebenswelten schaffen
Diese Forderung zielt in einer systemisch-ökologischen Perspektive auf die Veränderung
von komplexen Makrozusammenhängen, die ohne den partizipativen Einbezug aller
durch sie betroffenen Ebenen, insbesondere der Bürger/innen, nicht erfolgversprechend
gesundheitsförderlich entwickelt werden können.
• Gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktivitäten unterstützen
Empowerment meint hier die Befähigung und Stärkung von Menschen zur
gesundheitsfördernden Gestaltung ihrer unmittelbaren Lebensbedingungen in
Nachbarschaft, Gemeinde, Organisationen, Selbsthilfegruppen. Selbstbestimmung und
Bürger/innenbeteiligung
Gesundheitsförderung.
sind dabei zentrale Bestimmungsstücke von
• Persönliche Kompetenzen entwickeln
Empowerment und Partizipation werden hier als Instrumente zur Verbesserung sozialer
Kompetenzen und zur Aneignung von Bewältigungsfähigkeiten bei Individuen in
Prozessen des Erfahrungslernens verstanden.
• Gesundheitsdienste neu orientieren
Hier geht es um die Veränderung der Rolle der Patientinnen und Patienten mit dem Ziel,
auch die Gesundheitsdienste durch das Empowerment von Patientinnen und Patienten
neu zu strukturieren.
Wie aus der Form dieser Grundstrategien zu ersehen, ist die Ottawa-Charter ein politisches
Dokument und, wie sehr auch von einer wissenschaftlichen Enquete angeleitet, kein
wissenschaftliches. Die Herausforderung besteht daher nach wie vor darin, die basale
Vorstellung dieses Dokumentes, Gesundheit als einen sozialen Prozess zu begreifen,
theoretisch zu begründen. Ähnlich wie bei der Stress- oder psychosomatischen Theorie
muss die Empowerment-Theorie plausibilisieren, wie soziale und psychophysische Prozesse
und Elemente miteinander zusammenhängen und interagieren. Sie stellt verschiedene
Theoriestücke zur Verfügung, die plausibiliseren, dass und in welcher Weise Gesundheit als
Outcome von sozialen Prozessen begriffen werden kann.
Hier ist zunächst und vor allem das Modell der Salutogenese von Antonovsky (1997) zu
nennen. Es handelt sich hierbei um das erste Modell, dem ein positiver Gesundheitsbegriff
zugrunde gelegt wurde und das mit zwei Variablenbereichen operiert - den generalisierten
Widerstandsressourcen (generalized resistance ressources) und dem Kohärenzsinn (sense
15 Englisches Originalzitat: "The key concepts in this definition are `process´ and `control´; therefore effectiveness
and quality assurance in health promotion must focus on enabling and empowerment. If the activity under
51

of coherence) -, die in funktionalem Zusammenhang zueinander stehen. Die generalisierten
Widerstandsressourcen ermöglichen es der Person, sowohl Belastungen zu vermeiden als
auch zu bewältigen. Dies schließt die Möglichkeit ein, eigene Handlungen und die daraus
erwachsenden Konsequenzen vorherzusehen, selbst zu steuern und ein Gleichgewicht
zwischen Unter- und Überforderung herzustellen. Wenn diese Möglichkeiten eines
Individuums stark ausgeprägt sind, verfügt es über Kohärenzsinn, der es befähigt trotz
negativer Einflüsse gesund zu bleiben.
Ein weiteres Theoriestück, das wir in unserem Kontext für wesentlich halten, ist die Theorie
der Selbstwirksamkeit (Schwarzer 1992;Schwarzer 1990; Schwarzer, Bäßler et al. 1996).
Selbstwirksamkeit bezeichnet die Fähigkeit und das selbstbezogene Zutrauen, mit
Problemen alltäglicher oder auch ungewöhnlicher, überraschender Art umgehen zu können
und fertig zu werden. Auf der Seite der Person ist das ein ganz wesentlicher Schlüssel zum
Verständnis von Bewältigungskompetenzen und auch tatsächlichen Bewältigungserfolgen im
Umgang mit sozialen Belastungen.
Auf der Seite der sozialen Systeme scheinen vor allem zwei Theoriestücke von Bedeutung
zu sein: die Theorie der sozialen Ungleichheit und die Theorie des sozialen Kapitals (social
cohesion). In zahlreichen Studien konnte belegt werden, dass die sozioökonomischen
Bedingungen einer Gesellschaft einen Haupteinflussfaktor auf die Gesundheit und damit
auch auf die Lebensqualität der Menschen darstellen (Wilkinson 1996). Diesbezügliche
Forschungen begannen bereits im vorigen Jahrhundert. 16 Sie alle zeigen über die Zeit und
für eine Vielfalt von Ländern, dass eine Person mit geringem sozioökonomischen Status mit
weit größerer Wahrscheinlichkeit krank wird und früher sterben wird, als eine Person mit
hohem sozioökonomischen Status. Dabei spielt nicht nur der reale Nullpunkt, also die
tatsächlichen Entbehrungen und Belastungen der unteren Schichten eine Rolle, sondern, wie
die Forschungen von Wilkinson zeigen (Wilkinson 1996), mehr noch die Größe des
Unterschieds zwischen den sozialen Schichten. Worauf es hier anzukommen scheint, ist der
Abstand des real an sich wahrgenommenen Wohlstands von dem als gerecht und sozial
erwartbar empfundenen.
Mit dem Konzept der Social cohesion wird das Ausmaß der Differenzen innerhalb eines
sozialen Systems oder Netzwerks beschrieben. Es ist daher für die
Gesundheitswissenschaften von großer Bedeutung, wenn es darum geht, psychosoziale
Faktoren zu beschreiben und in ihren Wirkung zu verstehen. Studien belegen etwa, dass um
so weniger Vertrauen und Erwartungssicherheit in sozialen Systemen aufgebaut werden
kann, je größer die Differenzen sind in bezug auf das Einkommen, Normen, Reziprozität und
soziale Bilanz (Verhältnis von individuellen Aufwendungen und sozialen Belohnungen),
consideration is not enabling and empowering, it is not health promotion . (Davies, Macdonald 1998)
16 Für eine frühe und umfangreiche deutsche Arbeit siehe z.B. Mosse, Tugendreich et al 1981, Orig. 1913
52

Partizipation im System, Empowerment, Nachbarschaft und Sicherheit (Erben, Franzkowiak
et al. 1999).
Diskussion zur Funktion des Empowerment:
In systemtheoretischer Betrachtung zählt zuerst die Funktion des Empowerment für die
theoretische Entwicklung des Konzeptes.
Es stellt sich die Frage wozu wir die Theorie des Empowerment überhaupt benötigen.
Empowerment stellt sich als Alternative zu alten Mechanismen dar, die aufgrund
gesellschaftlicher Veränderungen nicht mehr funktionieren. Je nach dem Wirkungsbereich ist
es das Alternativkonzept zur Steuerung, Therapie oder Sozialisation. Gemeinsame
Voraussetzung ist, dass eine gewisse Komplementarität unter den am Prozess Beteiligten
gegeben ist (Arzt, Ärztin - Patient/in, Lehrer/in - Schüler/in,...).
Funktion Mechanismus ersetzender Mechanismus
Kontrolle Therapie Empowerment
Sozialisation Erziehung Empowerment
Steuerung Hierarchie Empowerment
3.1.3 Empowerment bei Kindern und Jugendlichen
Viele maßgebliche Faktoren für die Beeinträchtigung der Gesundheit im Erwachsenenalter
haben ihren Ausgangspunkt in der Kindheit bzw. im Jugendalter (Nutbeam, Aaro et al. 1989).
In Statistiken zu Morbidität, Mortalität und Hospitalismus schneiden junge Menschen im
Vergleich zu älteren daher äußerst positiv ab. Gleichzeitig jedoch wird die Zunahme von
belastungsbedingten Einschränkungen der Gesundheit bei Jugendlichen durch eine
wachsende Zahl an Studien belegt (Currie, Hurrelmann et al. 2000).
Gegenüber der Definition der Ottawa-Charter erscheint die Situation von Kindern und
Jugendlichen als das ideale Gegenbild zu Gesundheit: Jugendliche sorgen nicht für sich
selbst, geschweige denn für andere, sie gelten nicht als fähig, um an den für sie relevanten
Prozessen teilnehmen zu können, sie verfügen über ein eher geringes Maß an
Selbstbestimmung und können bzw. dürfen ihre Lebensumstände nicht selbst kontrollieren
53

(Dür, Samdal 2000). In den Konzepten der Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche
zur Verbesserung ihres Wohlbefindens wird daher darauf abgezielt, dass:
• junge Menschen die Belastungen, Zumutungen und Anforderungen, mit denen sie
konfrontiert werden, vorhersehen und einordnen können,
• jungen Menschen Möglichkeiten aufgezeigt werden, was sie tun können, und
• junge Menschen befähigt werden, eigene, als sinnvoll erachtete Vorstellungen zu
realisieren
Zur Umsetzung dieser angestrebten Ziele bietet sich das Empowerment Konzept gerade
aufgrund der disprivilegierten Situation von Kindern und Jugendlichen als geeignete
Strategie der Gesundheitsförderung an.
Drei Aspekte des Empowerments zeichnen sich für die Anwendung auf Kinder und
Jugendliche als besonders unverzichtbar aus: (a) Gesundheitsförderungsprogramme
müssen auf Probleme abzielen, die von den Betroffenen selbst für wichtig befunden werden,
(b) die Miteinbeziehung von Betroffenen in die Entwicklung von Lösungsstrategien und in
wichtige Entscheidungen gleicher Weise wie Experten und (c)
Gesundheitsförderungsprogramme entfalten ihre Wirksamkeit am besten vor dem
Hintergrund einer unterstützenden Gesundheitspolitik. Wie von Kalnins et al. (1992)
vorgeschlagen wird, muss Gesundheitsförderung im Sinne des Empowerment-Konzeptes
Kinder als aktive Partizipienten im Gesamtprozess wahrnehmen und sich von der
Vorstellung, Kinder und Jugendliche wären unmündige Rezipientinnen und Rezipienten
lösen.
Während die gesundheitlichen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen weitgehend
wissenschaftlich untersucht und auch politisch umgesetzt werden, wird ihre soziale Lage in
den Untersuchungen häufig nur durch ihre Familie, durch das Einkommen und den Beruf der
Eltern und die Schulsituation (in Österreich der Schultyp) beschrieben, ohne ihre eigenen
Wahrnehmungen und Einschätzungen der sozialen Situation gebührend zu berücksichtigen.
Im Sinne des Empowerments muss Kindern die Kompetenz anerkannt werden, sich selbst
zu repräsentieren, ihre Gesundheitsbedürfnisse richtig einzuschätzen, ihre soziale Lage
stimmig zu erfassen und daher in ihrer eigenen Gesundheitsvorsorge aktiv partizipieren zu
können (Kalnins, McQueen et al. 1992). Empowerment meint in diesem Sinne daher Hilfe
zum „Selbstempowerment“, das vor allem unterstützende Umwelten erfordert, die in
kollektiven Prozessen gegeben sein müssen. Dies umfasst als wesentlichen Bestandteil
auch die Teilhabe an Kernprozessen der sozialen Systeme, an denen sie teilnehmen. In der
Schule ist das Lernen.
54

3.1.4 Empowerment in der Schule
Eines der wichtigsten sozialen Umfelder von Kindern und Jugendlichen, in dem
Gesundheitsförderung implementiert werden kann, ist die Schule. Diese Implementierung
erfolgt auf unterschiedliche Weisen, die von Hagquist und Starrin (1997) nach zwei
Gesichtspunkten kategorisiert werden: zum einen danach, mit Hilfe welcher Grundstrategie
(top down oder bottom up) Programme in ein System eingeführt werden, und zum anderen
danach, wie eng oder weit der kontextuelle Rahmen gesetzt wird, in dem die Programme
stattfinden und ihre Wirkungen entfalten können, oder anders gesagt: welche Systeme von
den Programmen verändert werden sollen (Personen, Gruppen, Klassenzimmer, Schule).
Die Verbindung dieser beiden Gesichtspunkte in einem Vier-Felder-Schema ergibt ein
folgende vier Hauptmodelle der Implementation von Gesundheitsförderung in der Schule
(siehe Grafik 12):
a. Das „traditionelle Erziehungsmodell“ ist durch eine Top-down Strategie und einen engen
Rahmen (Personen, Klassenzimmer) charakterisiert, in dem Schüler/innen passive
Rezipientinnen und Rezipienten von Informationen durch Lehrer/innen sind.
b. Die „modernen Erziehungsmodelle“ beziehen die Schüler/innen aktiv ein und lassen auch
bottom-up-Prozesse zu, finden aber auch im engen Rahmen des Klassenzimmers statt.
c. „Planer-Modelle“ beschreiben ebenfalls eine Top-down-Strategie, die jedoch die Schule
oder das schulische Umfeld mit einbezieht. Alle drei Modelle zeichnen sich dadurch aus,
dass darin Programme für, aber nicht von Schülerinnen und Schülern entwickelt werden,
obwohl Partizipation zumindest mit gedacht wird.
d. Das ändert sich in „Empowerment-Modellen“, die im wesentlichen bottom-up-Strategien
darstellen, die in einem weiten sozialen Rahmen operieren. Sie sind an Partizipation
orientiert und schließen das schulische Umfeld mit ein. Empowerment kann im
schulischen Kontext als Antwort auf die bislang dominante Erwachsenenperspektive
zugunsten einer partnerschaftlichen, von Kindern mit gesteuerten und von Erwachsenen
unterstützten Richtung in der schulischen Gesundheitsförderung gesehen werden
(Hagquist, Starrin 1997; Kalnins, McQueen et al. 1992).
55

Grafik 12: Typologie der Implementation von Gesundheitsförderung in Schulen
Strategie zur
Veränderung
Top-
down
Bottom-
up
Kontextueller Rahmen/
Reichweite der Programme
Enger Rahmen:
Klassenzimmer
Traditionelles
Modell
56
Weiter Rahmen:
Schulumfeld
Planer Modell
Modernes Modell Empowerment
Sowohl im traditionellen als auch im modernen Modell wird ein individueller Ansatz
angewendet, während im Planer- und Empowerment Modell ein struktureller Ansatz verfolgt
wird, der die sozialen Rahmenbedingungen kritisch mit einbezieht.
Eine gesundheitsfördernde und unterstützende Schule ist eine Ressource für die
Entwicklung eines gesundheitsfördernden Verhaltens, subjektiver Gesundheit, sowie
subjektivem Wohlbefinden, während eine wenig Unterstützung bietende Schule ein Risiko
konstituieren kann (Dür, Samdal 2000). Wie in der bereits zitierten, internationalen HBSC-
Studie (Currie, Hurrelmann et al. 2000) gezeigt werden konnte, beginnen Schüler/innen, die
ungern zur Schule gehen, tendenziell früher zu trinken und rauchen als Schüler/innen, die
gerne zur Schule gehen (Nutbeam, Aaro et al. 1989) und weisen zudem mehr
gesundheitliche Probleme und eine schlechtere Lebensqualität auf. Es ist daher für die
Gesundheitsförderung in Schulen interessant herauszufinden, welche Aspekte der Schule
von den Schülerinnen und Schülern als relevant für ihre Zufriedenheit mit der Schule
wahrgenommen werden. Zufriedene Schüler/innen zeigen aber auch einen größeren
Schulerfolg als unzufriedene. Die Steigerung der Schulzufriedenheit hat also unmittelbare
Auswirkungen sowohl auf den Schulerfolg als auch die Gesundheit. Ein Blick in die schooleffectiveness-Forschung
zeigt, dass erfolgreiches Lernen am wahrscheinlichsten ist, wenn
Schüler/innen eine positive Einstellung zum Setting der Schule und ihrer Rolle in dem Setting
haben (Mortimore 1998). Mortimore nennt acht Faktoren, die für die Qualität einer Schule im
Sinne des Lernerfolgs von besonderer Bedeutung sind, wobei die Faktoren 3 bis 5, aber
insbesondere der Faktor 5, sich mit dem decken, was hier unter Empowerment verstanden
wird.

Merkmale einer guten Schule:
1. Leadership (demokratischer Zugang)
2. Gemeinsame Ziele und Visionen
3. Hohe Herausforderungen für die Schüler
4. Individuelle Lernpläne für die Schüler
5. Schüler-Verantwortung und Involvement
6. Bewertung ohne Bestrafung
7. Aktiver Einbezug der Eltern
8. Lernende Organisation
3.1.5 Zur Operationalisierung der Begriffe Partizipation und Empowerment
a) Partizipation
Wir verwenden Partizipation in Anlehnung an die Literatur der Organisationssoziologie zur
Beschreibung der Bedingungen für die faktische Teilnahme an Entscheidungen in
Organisationen. Teilnahme bedeutet, dass im Rahmen der von der Organisation und ihren
engerern oder weiteren Organisationszielen vorgegebenen Möglichkeiten individuelle oder
kollektive Wahlen getroffen werden können. Teilnahme bedeutet insofern nicht,
organisationsfremde Zielsetzungen in der Organisation zu verfolgen. In einem Betrieb
beispielsweise ermöglicht Partizipation, dass sich die Mitarbeiter/innen mit ihren
persönlichen Wünschen, Vorstellungen in der Gestaltung ihres Arbeitsplatzes einbringen
können, wie weit oder eng der immer definiert ist, nicht aber, dass sie sich für die
Durchführung privater Angelegenheiten entscheiden können.
Im Kontext der Schule ist Partizipation in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: a) In Bezug auf
den Kernprozess des Lehrens und Lernens, auch was das Aushandeln von Lehrinhalten und
Lehrmethoden betrifft, b) in Bezug auf die allgemeine Regelbildung hinsichtlich des sozialen
Miteinanders (Schulordnung, Klassenordnung,..).
Wie partizipativ dieser Prozess des Aushandelns durchgeführt wird, wird letztlich von den
kommunikativen und sozialen Fähigkeiten der Lehrer/nnen abhängen. Es ist dann aber auch
eine Frage der Organisationsentwicklung, wieviel Unterstützung die einzelnen Lehrer/innen
dabei erhalten, um einen gelungenen partizipativen Dialog mit den Schülerinnen und
Schülern zu führen.
Partizipation wurde in der vorliegenden Untersuchung wie folgt gemessen:
• Wenn in unserer Schule Vorschriften gemacht werden entscheiden die Schüler/innen mit.
• Die Regeln und Vorschriften unserer Schule sind gerecht
• Ich werde ermutigt meine Meinung zu sagen
57

• Unsere Lehrer behandeln uns gerecht
b) Empowerment
Empowerment wird in dieser Untersuchung als eine Handlung definiert, an der mindestens
zwei Personen mit komplementären Rollen beteiligt sind und die zumindest einen der beiden
instandsetzt, ein ausgehandeltes und selbstgestecktes Ziel zu erreichen. Das bedeutet, dass
ein Individuum befähigt ist oder wird, die Angebote zur Teilnahme an Kernprozessen der
Organisation zu nutzen.
In Bezug auf Kinder und Jugendliche scheint Empowerment vor allem als
Unterstützungsleistung von Erwachsenen aber auch Gleichaltrigen definierbar zu sein.
Kinder sollen das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie von ihren Lehrer/nnen als
Einzelpersonen wahrgenommen werden und bei Schul- und anderen Problemen jederzeit
mit der notwendigen Unterstützung rechnen können. In der Schüler/innenrolle (als Lernende,
„Koproduzent/innen“ und „Kund/innen“ der Schule ) drückt sich Empowerment so aus, dass
sie von den Schülerinnen und Schülern an ihre individuellen Bedürfnisse, Interessen und
Möglichkeiten angepasst werden kann. Das impliziert auch, dass die Schüler/innen ihren
Leistungsdruck kontrollieren können.
Zur Messung des Empowerments wurden folgende Indikatoren verwendet:
• Wenn ich Hilfe brauche erhalte ich sie auch von meinen Lehrerinnen und Lehrern
• Meine Lehrer/innen interessieren sich für mich
• Ausmaß der Belastung durch die Schule
Die Problemerkenntnis und die Suche nach Unterstützung stehen mit dem Empowerment
der Schüler/innen in zirkulärer Verbindung.
Partizipation macht etwa keinen Unterschied in Bezug auf Rauchen und Gesundheit,
Empowerment aber sehr wohl.
3.1.6 Die Bedeutung von Rollenmodellen am Beispiel Rauchen bei Jugendlichen
Regelmäßiges Rauchen wird zwischen dem 13. und 15. Lebensjahr prevalent (Currie,
Hurrelmann et al. 2000; Reid, McNeill et al. 1995). Internationalen Studien zufolge wird der
Einstieg in das Zigarettenrauchen vor allem durch Persönlichkeitsmerkmale wie geringes
Selbstwertgefühl, und einer positiven Grundhaltung dem Rauchen gegenüber ( wie z.B. dem
Glauben, dass Rauchen soziale Vorteile bringt) günstig beeinflusst. Das regelmässige
Rauchen wird hingegen von sozio - ökonomischen Faktoren beeinflusst, in denen sowohl
Rollenmodelle, also rauchende Lehrer/innen, Eltern und Peers aber auch eine
58

Wahrnehmung
übernehmen.
von Rauchen als gesellschaftlicher Norm, eine Schlüsselfunktion
Im Rahmen dieses Kapitels wird der Versuch gemacht, makrosoziologische (auf der Ebene
der Schultabakpolitik) mit mikrosoziologischen Determinanten (Exposition der Jugendlichen
gegenüber Raucher/innen Rollenmodellen) zu integrieren.
Exposition der Schüler/innen gegenüber rauchenden Lehrerinnen und Lehrern
Lehrer/innen und andere in der Schule beschäftigte Erwachsene repräsentieren potentielle
Rollenmodelle für Schüler/innen. Der social cognitive theory (Bandura 1986) zufolge ist die
Wahrscheinlichkeit, dass Schüler/innen zu rauchen beginnen erhöht, wenn sie ihre
Lehrer/innen rauchen sehen. Rollenmodelle wirken aber nicht nur direkt auf das Verhalten,
sondern steuern auch die Emotionen und Einstellungen gegenüber diesem. Nach
Bronfenbrenner (Bronfenbrenner 1979) wird der Effekt der Rollenmodelle durch die
Konsistenz zwischen dem Elternhaus und der Schule verstärkt.
Die CAS-Studie zeigt, dass die Jugendlichen am häufigsten in der Schule bzw. während der
Schulzeit rauchen. Während europaweit die Schule der bevorzugte Platz des täglichen
Rauchens ist, belegt in Österreich das Rauchen an öffentlichen Orten noch vor der Schule
Platz Eins. Für alle Länder gilt jedoch, dass das Rauchen zu Hause bei den Eltern und
insbesondere bei Freunden offensichtlich sehr viel restriktiver gehandhabt wird, da an diesen
Orten deutlich weniger oft geraucht wird.
3.1.7 Curriculum
Neben den Settingvariablen wie sie oben beschrieben wurden, hat die Schule
selbstverständlich auch durch das Curriculum einen wesentlichen Einfluss. Im
Zusammenhang mit Gesundheit ist dabei vor allem an den Grundsatzerlaß zur
Gesundheitserziehung des BMBWK von 1997 zu denken. Beide Erlässe haben die
Vermittlung von Gesundheitswissen bzw. die Implementierung von
Gesundheitsförderungsaspekten im Unterricht und in das Schulleben zum Ziel. Letzteres
wird in besonderer Weise durch die existierenden nationalen und regionalen Schulnetzwerke
zur Gesundheitsförderung unterstützt. Mit Bezug auf Rauchen kann der Antiraucherlass in
der Gesundheitserziehung erwähnt werden.
59

3.1.8 Kurzdarstellung der Schultabakpolitik
Im Anschluß an die internationale CAS-Studie, in der zusätzlich zu den HBSC-Daten eine
Lehrer/innenbefragung durchgeführt worden war, auf deren Grundlage die österreichische
Schultabakpolitik rekonstruiert werden konnte, kann im Rahmen der hier vorliegenden
Untersuchung in den statistischen Partizipationsmodellen auch der konkrete Einfluss der
Raucherregeln an Schulen berücksichtigt werden. Das ist ein großer Vorteil, der sich aus der
Synergie der beiden Projekte ergibt.
Wie diese Studie zeigen konnte, spielen Schulen häufig eine paradoxe Rolle in der
Tabakpolitik: Rauchen- und Tabakaufklärung auf der einen Seite werden auf der anderen
durch nicht durchgesetzte Raucherregeln für Schüler/innen und zu lasche Raucherregeln für
Lehrer/innen konterkariert. So sind trotz anderslautender Politiken rauchende Schüler/innen
auf Toiletten und auf dem Schulhof ebenso die Regel wie rauchende Lehrer/innen in den
Lehrer/innenzimmern und ebenfalls auf dem Schulhof.
Es ist daher möglich, für die Modellbildungen zur Rolle der Partizipation bei der
Beeinflussung des Rauchverhaltens auch die jeweiligen Schultabakpolitiken mit zu
berücksichtigen, sprich durch Verrechnung der Kovarianzen die Eigenständigkeit des
Einflusses durch partizipative Strukturen zu überprüfen.
3.2 Zusammenhänge zwischen Settingvariablen und Gesundheitsoutcomes
3.2.1 Schule und subjektive Gesundheit
38% der Befragten fühlen sich von ihren Lehrerinnen und Lehrern gut unterstützt, 54%
haben dazu eine eher neutrale Einstellung und 8% der befragten Schüler/innen finden, dass
sie von ihren Lehrerinnen und Lehrern keine Unterstützung erhalten.
Einen starken, hochsignifikanten Einfluss auf das subjektive Gesundheitsempfinden der
Schüler/innen hat das Empowerment: fühlen sich die Befragten ausreichend von den
Lehrerinnen und Lehrern unterstützt, so geben 53% an, dass sie sich gesund fühlen. Bei
unzureichender Unterstützung weisen jedoch 71% eine schlechte Gesundheit auf. Das
Risiko sich ungesund zu fühlen erhöht sich somit bei unzureichender
Lehrer/innenunterstützung um den Faktor 2,4.
60

Grafik 13: Subjektive Gesundheit: Schüler/innen, die sich „sehr gesund“ fühlen a in
Abhängigkeit von der Unterstützung durch die Lehrer/innen b
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
53
viel
Unterstützung
37
29
neutral wenig
Unterstützung
a Frage: „Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“; b Index aus
folgenden Fragen: Frage 1 „Wenn ich Hilfe brauche, dann bekomme ich sie von meinem Lehrer/meiner Lehrerin auch“;
Antwortkategorien: 1 = „fast immer“, 5 = „nie“; Frage 2: „Meine Lehrer/innen/Lehrer interessieren sich für mich“;
Antwortkategorien: 1 = „fast immer“, 5 = „nie“; Frage 3: „Wie stark fühlst Du Dich durch das belastet, was in der Schule von Dir
verlangt wird?“; Antwortkategorien: 1 = „überhaupt nicht“, 4 = „stark“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
In Bezug auf die Unterstützung von Lehrerinnen und Lehrern ist ein Geschlechts- und
Alterseffekt gegeben. Vor allem die 15-Jährigen fühlen sich nicht ausreichend durch ihre
Lehrer/innen unterstützt. Bemerkenswert ist, dass bei den 11-Jährigen die Mädchen die
Lehrer/innenunterstützung noch besser beurteilen als die gleichaltrigen Knaben. Bei den 15-
Jährigen unterscheiden sich die Knaben und Mädchen in ihrer Einschätzung jedoch nicht
mehr. Nur rund 27% der Knaben und Mädchen fühlen sich ausreichend von ihren
Lehrerinnen und Lehrern unterstützt.
Schultypenspezifisch betrachtet gibt es nur bei den 15-Jährigen Unterschiede. Schüler/innen
einer berufsbildenden Schule erhalten weniger Unterstützung als Schüler/innen eines
Gymnasiums oder eines polytechnischen Lehrgangs. In der BHS meinen 13% der
Schüler/innen, dass sie von ihren Lehrerinnen und Lehrern nicht unterstützt werden, im
polytechnischen Lehrgang sind es hingegen nur 6%.
Auch die Partizipation beeinflusst das subjektive Gesundheitsempfinden von Schülern..
Besonders 15-jährige Schüler/innen leiden unter fehlenden Partizipationsmöglichkeiten:
Fühlen sich die Kinder und Jugendlichen in der Schule eingebunden, so geben 41% der
Befragten eine gute Gesundheit an. Mangelt es jedoch an Partizipation, so fühlen sich
insgesamt 73% nicht gesund und bei den 15-jährigen Mädchen steigt der Anteil auf 87%,
was bedeutet, dass diese Gruppe ein wesentlich größerers Risiko hat (um den Faktor 3,9)
ein schlechtes subjektives Gesundheitsempfinden zu haben.
61

Grafik 14: Subjektive Gesundheit: Schüler/innen, die sich „sehr gesund“ fühlen a in
Abhängigkeit von der Partizipation b
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
50
hohe
Partizipation
38
a Frage: „Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“; b Index aus
folgenden Fragen: Frage 1: „Die Regeln und Vorschriften in dieser Schule sind gerecht.“; Antwortkategorien: 1= „stimmt genau“,
5= „stimmt nicht“; Frage 2: „Ich werde ermutigt, meine Meinung zu sagen.“; Antwortkategorien: 1 = „fast immer“, 5 = „nie“; Frage
3: „Unsere Lehrer/innen/Lehrer behandeln uns gerecht.“; Antwortkategorien: 1 = „fast immer“, 5 = „nie“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Neben dem Geschlechts- ist auch ein Alterseffekt sichtbar: je älter die Schüler/innen sind,
desto weniger haben sie das Gefühl, in der Schule mitgestalten und mitentscheiden zu
können.
Dem Statement „Wenn in unserer Schule Vorschriften gemacht werden (z.B. Schulordnung),
entscheiden die Schüler/innen mit“ stimmen 18% der 11-Jährigen und gar nur mehr 8% der
15-Jährigen zu.
Das Gefühl, zu Mitgestaltung seitens der Schule ermutigt zu werden, wird ebenfalls
altersspezifisch beantwortet: je älter die Schüler/innen werden, desto weniger können sie
dem Statement „Ich werde ermutigt, meine Meinung zu sagen“ zustimmen. In der 5.
Schulstufe fühlen sich 27% der Knaben und 23% der Mädchen ermutigt, die eigene Meinung
zu sagen; in der 9. Schulstufe trifft dies nur mehr auf 12% zu (Grafik 15).
62
36
neutral niedrige
Partizipation

Grafik 15: Mitgestaltung in der Schule: Ich werde „fast immer“ ermutigt meine
Meinung zu sagen* nach Geschlecht und Altersgruppen
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
27
23
*Frage: „Ich werde ermutigt, meine Meinung zu sagen.“; Antwortkategorien: 1 = „fast immer“, 5 = „nie“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
14
Im internationalen Vergleich liegen Österreichs Schulen damit eher schlecht an viertletzter
Stelle, unterboten von den USA, Rußland und Finnland. Während von den 15-Jährigen in
Österreich nur 21% sagen, dass sie in ihrer Schule mitentscheiden können, wenn Regeln
aufgestellt werden, sind es in der Schweiz, dem Land mit der höchsten Zustimmung zu
dieser Frage und der ältesten europäischen Demokratie, mit 63% exakt dreimal so viele.
54% der 15-jährigen Knaben und 47% der gleichaltrigen Mädchen haben hingegen das
Gefühl, dass es an ihrer Schule keine Möglichkeit der Mitbestimmung gibt. Besonders in den
Hauptschulen (60%) und polytechnischen Lehrgängen (56%) gibt es wenig
Mitsprachemöglichkeiten.
Die Partizipationsmöglichkeiten werden von den befragten Schülerinnen und Schülern
allgemein nicht sehr positiv beurteilt. Ein Index aus den Variablen: „Die Regeln und
Vorschriften in unserer Schule sind gerecht“, „Ich werde ermutigt meine Meinung zu sagen“
und „unsere Lehrer behandeln uns gerecht“ zeigt, dass sich jede(r) dritte Befragte in der
Schule nicht als Partizipierend erlebt. Hier sind die älteren Schüler/innen am stärksten
betroffen. Bei den 11-Jährigen fühlt eine Mehrheit (52 bzw. 60%), dass es an ihrer Schule
ausreichende Partizipationsmöglichkeiten gibt, bei den 15-jährigen jedoch fast drei Viertel
dass dies an ihrer Schule nicht der Fall ist (Grafik 16)!
63
12
12
11 Jahre 13 Jahre 15 Jahre
Knaben
Mädchen

Grafik 16: Partizipation in der Schule* nach Geschlecht und Altersgruppen
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
52
*Index aus folgenden Fragen: Frage 1: „Die Regeln und Vorschriften in dieser Schule sind gerecht.“; Antwortkategorien: 1=
„stimmt genau“, 5= „stimmt nicht“; Frage 2: „Ich werde ermutigt, meine Meinung zu sagen.“; Antwortkategorien: 1 = „fast immer“,
5 = „nie“; Frage 3: „Unsere Lehrer/innen/Lehrer behandeln uns gerecht.“; Antwortkategorien: 1 = „fast immer“, 5 = „nie“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
3.2.2 Schule und Rauchen bei Jugendlichen
60
31
28
Ähnlich wie bei der Gesundheit der Jugendlichen ergeben sich auch beim Rauchverhalten
eindeutige Zusammenhänge mit der Partizipation in der Schule und mit der Unterstützung
durch die Lehrer/innen.
So zeigt sich etwa, dass um die Hälfte mehr tägliche Raucher/innen unter jenen zu finden
sind, die in ihrer Schule nur über wenig Partizipationschancen verfügen. Hier beträgt der
Anteil der täglichen Raucher/innen 31% im Vergleich zu einem Anteil von 19% bei jenen, die
über hohe Partizipationsmöglichkeiten verfügen.
In ähnlichen Relationen – wenn auch auf höherem Niveau – befindet sich das
Rauchverhalten bei gegebener Lehrer/innenunterstützung. Auch hier steigt der Anteil der
täglichen Raucher/innen von 21% bei jenen, die immer Unterstützung durch ihre
Lehrer/innnen erhalten, auf das beinahe Zweifache von 40% täglichen Raucher/innen in
jener Gruppe, die nur schlecht von ihren Lehrerinnen und Lehrern unterstützt werden.
64
28
27
11 Jahre 13 Jahre 15 Jahre
Knaben
Mädchen

Grafik 17: Tabakkonsum: Schüler/innen, die täglich rauchen a in Abhängigkeit von der
Partizipation b
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
19
23
a Frage: „Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?“; Antwortkategorien: 1 = „jeden Tag“, 4 = „ich rauche gar nicht“; b Index aus
folgenden Fragen: Frage 1: „Die Regeln und Vorschriften in dieser Schule sind gerecht.“; Antwortkategorien: 1= „stimmt genau“,
5= „stimmt nicht“; Frage 2: „Ich werde ermutigt, meine Meinung zu sagen.“; Antwortkategorien: 1 = „fast immer“, 5 = „nie“; Frage
3: „Unsere Lehrer/innen/Lehrer behandeln uns gerecht.“; Antwortkategorien: 1 = „fast immer“, 5 = „nie“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Grafik 18: Tabakkonsum: Schüler/innen, die täglich rauchen a in Abhängigkeit von der
Unterstützung durch die Lehrer/innen b
45%
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
hohe
Partizipation
21 22
viel
Unterstützung
a Frage: „Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?“; Antwortkategorien: 1 = „jeden Tag“, 4 = „ich rauche gar nicht“; b Index aus
folgenden Fragen: Frage 1 „Wenn ich Hilfe brauche, dann bekomme ich sie von meinem Lehrer/meiner Lehrerin auch“;
Antwortkategorien: 1 = „fast immer“, 5 = „nie“; Frage 2: „Meine Lehrer/innen/Lehrer interessieren sich für mich“;
Antwortkategorien: 1 = „fast immer“, 5 = „nie“; Frage 3: „Wie stark fühlst Du Dich durch das belastet, was in der Schule von Dir
verlangt wird?“; Antwortkategorien: 1 = „überhaupt nicht“, 4 = „stark“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
31
neutral niedrige
Partizipation
40
neutral wenig
Unterstützung
65

4 Familie und Peergroups als gesundheitsrelevante
Rahmenbedingungen der Schule
4.1 Theoretische Konzepte zur Familie und Peergruppe
4.1.1 Familie
Trotz der weitverbreiteten Ansicht, dass Jugendliche sich von den Eltern abwenden, um
nach anderen Verhaltensorientierungen zu suchen, würden nur wenige Forscher die
Wichtigkeit der elterlichen Familie für die Entwicklung des Kindes bezweifeln. Die
Einstellungen und Verhaltensweisen von Kindern korrespondieren mit denen ihrer Eltern weit
über die Periode ihrer Kindheit und die Zeit, in der sie bei den Eltern wohnen hinaus (Glass,
Bengtson et al. 1986). Obwohl die Forschung der Peerkultur in den letzten Jahren eine
zunehmende Bedeutung für die Entwicklung von (Risiko)-Verhalten zugemessen hat, steht
der Einfluss der Eltern auf die Entwicklung emotionaler Probleme und auf die Entwicklung
eines bestimmten, vor allem des abhängigkeitserzeugenden Risikoverhaltens ausser Zweifel
(Helsen, Vollebergh et al. 1997).
Erklärungen für die Bedeutung der Eltern können auf unterschiedlichen Ebenen analysiert
werden: a) die Übernahme des sozialen Status und der sozialen Position von der vorherigen
Generation (vgl. auch Kapitel 2.2.3) und b) die direkte Übertragung von Verhaltensweisen
der Eltern auf die Kinder durch die Interaktion innerhalb der Familie.
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung werden ausgewählte Aspekte des letzteren
Konzeptes als besonders relevant eingestuft und im folgenden näher erläutert. Dazu
gehören neben der Familienkomposition die Unterstützung durch die Eltern und die Funktion
der Eltern als Rollenmodelle (vgl. Kapitel 3.1.6)
Eltern stellen in ihrer ganzen Palette an Verhaltensweisen Rollenmodelle für ihre Kinder
dar. Die Verhaltensweisen von Eltern spielen für die Erklärung von Risikoverhalten wie
beispielsweise dem Rauchen oder Alkoholkonsum eine wichtige Rolle. Eltern, die rauchen
stehen dem Rauchen ihrer Kinder gegenüber wahrscheinlich positiver gegenüber als Eltern,
die nicht rauchen. Abgesehen von der elterlichen Funktion als Rollenmodell stellen die
Normen, die von den Eltern vermittelt werden wichtige Determinanten für das
gesundheitsrelevante Verhalten von Kindern und Jugendlichen dar (Engels 1998). Die
Ergebnisse der Vortests für die kommende 6. Erhebung des HBSC Fragebogens 2001
lassen vermuten, dass es starke Zusammenhänge zwischen dem Alkohol - und
Tabakkonsum der Kinder auch ausserhalb des Haushaltes und den Regeln, die zu Hause
herrschen, gibt.
66

Wenngleich in verschiedenen Public Health Programmen (teilweise erfolgreich) versucht
wurde, das Rauchverhalten bei Erwachsenen zu reduzieren, wurden nur wenige Versuche
unternommen, Lehrer und Eltern auf ihre Funktion als Rollenmodelle aufmerksam zu
machen (Reid, McNeill et al. 1995). Die Auswirkungen von rauchenden Eltern auf die
Einstellungen der Kinder konnte zwar mehrfach belegt werden (Ennett, Bauman 1991),
politische Strategien um Rauch-freie Haushalte zu fördern haben sich in der Vergangenheit
aber als teuer und wenig effektiv erwiesen, so dass Interventionen zur Reduktion des
Rauchens in den Familien weiterhin auf der Freiwilligkeit der Raucher/innen beruht.
Auch die Komposition der Familie, mit wie vielen und welchen anderen Personen die
Kinder in einem Haushalt zusammenleben spielt eine Rolle in der Entwickung von
gesundheitsrelevantem Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Die Zunahme der Anzahl
von Kindern, die in Ein-Elternfamilien oder Stiefelternfamilien leben ist eine der
bedeutendsten Erscheinungen des sozialen Wandels der vergangenen zwei Jahrzehnte in
Europa und Nordamerika.
Über die Art der Beziehung, die Eltern zu ihren Kindern pflegen, wie sie sie bei der Lösung
von Konflikten unterstützen, werden spezifische Verhaltensmuster transportiert. Die Qualität
dieser ersten sozialen Bindung hat großen Einfluss auf das Wohlbefinden der Jugendlichen
und ihr Risikoverhalten (Garnefski 1996).
Mit Beginnn der Adoleszenz nimmt die Bedeutung der Peerkontakte zu, wobei bisherige
Untersuchungen die Vermutung nahelegen, dass die sozialen Beziehungen innerhalb der
Peergruppen eine von der Eltern-Kind Beziehung unabhängige Bedeutung für die
Entwicklung der gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen der Jugendlichen hat und daher
eigenständig erforscht werden muss.
4.1.2 Peers
Peers, die Cliquen der Gleichaltrigen, sind die dominante subkulturelle Lebenswelt der
Jugendlichen. Peers-Treffen finden in der Freizeit statt und erfüllen eine wichtige
Pufferfunktion gegenüber Familie und Schule. Zum andern konstituieren sie den sozialen
Raum, in dem Jugendliche von Erwachsenen unkontrolliert Selbsterfahrungen machen und
Selbstdarstellungen erproben können. Peers haben daher vor allem die soziale Funktion, die
Erprobung neuer, vorläufiger Identitäten zu ermöglichen.
Die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Funktion der Peergruppen alters- und
geschlechtsspezifisch ist (Fallon, Bowles 1997). Peergruppen stellen eine
Unterstützungsfunktion ergänzend zur elterlichen Unterstützung dar bzw. stellen ein soziales
Netzwerk bereit, wo Jugendliche zuwenig oder gar nicht auf elterliche Unterstützung
67

zurückgreifen können (Brown, Lohr 1987). Dieser kompensatorisch, positive Effekt der
Peergruppe stellt einen der gesundheitsförderlichen Aspekte dar. Eine von der kanadischen
Fokusgruppe des HBSC-Teams durchgeführte Faktorenanalyse zur sozialen Integration
ergab, dass die besser integrierten Jugendlichen seltener depressiv, hilflos und in schlechter
Laune sind und seltener an Bullying-Aktionen beteiligt sind (King, Boyce et al. 1999). Weiters
ist eine gute Integration in der Peergruppe mit einem guten Verhältnis zu den Eltern und der
Schule assoziiert.
Zu den negativen Effekten von Peergruppen wurde oft die Angewohnheit und Verbreitung
von Risikoverhalten gezählt. In einer Langzeitstudie von Huba, Wingard et al. (Huba,
Wingard et al. 1980) wurde festgestellt, dass die nonkonforme Haltung einer Peergruppe
(Unangepasstheit) gegenüber den Eltern oder der Schule als Repräsentanten der
Erwachsenenwelt nicht als Prädiktor für die Entwicklung von Risikoverhalten bei
Jugendlichen gesehen werden kann. Umgekehrt wurde aber festgestellt, dass die soziale
Unterstützung und Freundschaft, die aus der Peergruppe erwächst, dem Risikoverhalten wie
Drogengebrauch vorbeugen.
Risikoverhalten kann nicht als Ausdruck von Widerstand gegenüber den Eltern oder der
Erwachsenenwelt interpretiert werden, sondern entsteht durch den Versuch durch
übertriebene Konformität gegenüber der Peergruppe die mangelnde oder ungünstige
Beziehung zu den Eltern zu kompensieren.
Im Rahmen dieser Untersuchung wurden beide, sowohl die positiven Effekte der Peerkultur
(Unterstützung und häufige Kontakte) sowie die negativen (Konformität am Beispiel
Rauchen) dargestellt (vgl. Kapitel 4.2.2).
4.2 Statistische Zusammenhänge zwischen Settingvariablen und
Gesundheitsoutcomes
4.2.1 Familie
Gesprächsklima mit den Eltern
Nicht alle Jugendlichen finden eine für sie günstige Familiensituation vor: Ein Viertel aller 15jährigen
Jugendlichen etwa kann weder mit dem Vater noch mit der Mutter über persönliche
Dinge oder Probleme reden.
Als Indikator für die Qualität der Familie aus Sicht der Kinder und Jugendlichen und mit Blick
auf gesundheitlich relevante Fragen im Sinne sozialer Unterstützung kann die Frage „Wie
68

leicht fällt es dir, mit deiner Mutter/mit deinem Vater über Dinge zu sprechen, die dir wirklich
nahe gehen und wichtig sind?“ angesehen werden.
Schüler/innen fällt es nach wie vor leichter, mit der Mutter über Dinge zu sprechen, die ihnen
nahe gehen und die für sie wichtig sind, als mit ihren Vätern. Dies trifft unabhängig von
Geschlecht und Schultyp auf alle gleichermaßen zu. Dennoch sagt auch ein Viertel (23%)
der Jugendlichen, dass es ihnen „schwer“ oder „sehr schwer“ fällt, mit ihren Müttern zu
reden.
Die Ergebnisse der letzten zehn Jahre zeigen, dass sich das Vater-Sohn-Verhältnis
zunehmend verbessert hat. Knaben können heute leichter mit ihrem Vater über persönliche
Dinge sprechen. Komplementär zu dieser deutlichen Verbesserung scheint es sich aber mit
der Vater-Tochter-Beziehung zu verhalten.
Je älter die Schüler/innen werden, desto schwerer können sie mit Vater oder Mutter über
persönliche Dinge sprechen, wobei auffällt, dass dies den Mädchen bezüglich der Väter
noch schwerer fällt als den Knaben. Bei den 11-Jährigen meinen 29% der Knaben und 40%
der Mädchen, dass es ihnen „schwer“ oder „sehr schwer“ fällt, mit ihrem Vater über
persönliche Dinge zu sprechen. Bei den 15-Jährigen steigt die Zahl der Knaben auf 41%, die
der Mädchen auf 61% – von fünf Mädchen können drei nur „schwer“ oder „sehr schwer“ mit
ihrem Vater über persönliche Dinge sprechen (Grafiken 19-21).
Grafik 19: Gesprächsklima in der Familie: Kinder, denen es „leicht fällt“, mit ihren
Eltern über Dinge zu sprechen, die ihnen wirklich nahe gehen und wichtig sind*, nach
dem Geschlecht für die 11-Jährigen
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
11-jährige, die über wichtige Dinge sprechen mit ...
63
50
beiden
Eltern
3
nur mit
Vater
19
*Frage „Wie leicht oder schwer fällt es Dir, mit den folgenden Personen über Dinge zu sprechen, die Dir wirklich nahegehen und
wichtig sind?“, a) „Vater“, b) „Mutter“; Antwortkategorien: 1 = „sehr leicht“, 4 = „sehr schwer“, 5 = „habe/sehe ich nicht“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
69
33
nur mit
Mutter
15
13
mit keinem
von beiden
Knaben
Mädchen

Insgesamt zeigen die Altersentwicklungen einmal mehr, dass die Jugendlichen mit Beginn
der Pubertät in eine schwierige, krisenhafte Lebensphase eintreten, in der ihnen häufig auch
die notwendige Unterstützung fehlt oder versagt wird. So steigt der Anteil derer, die mit
keinem Elternteil über ihre persönliche Situation und ihre Probleme reden können bei
Mädchen und Knaben etwa gleichermaßen auf ca. ein Viertel aller 15-Jährigen.
Zwischen den Bundesländern zeigen sich diesbezüglich große Unterschiede: 53% der
burgenländischen, aber nur 38% der niederösterreichischen Schüler/innen fällt das
Gespräch mit dem Vater schwer.
Grafik 20: Gesprächsklima in der Familie: Kinder, denen es „leicht fällt“, mit ihren
Eltern über Dinge zu sprechen, die ihnen wirklich nahe gehen und wichtig sind*, nach
dem Geschlecht für die 13-Jährigen
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
13-jährige, die über wichtige Dinge sprechen mit...
51
34
beiden
Eltern
7
2
nur mit
Vater
*Frage „Wie leicht oder schwer fällt es Dir, mit den folgenden Personen über Dinge zu sprechen, die Dir wirklich nahegehen und
wichtig sind?“, a) „Vater“, b) „Mutter“; Antwortkategorien: 1 = „sehr leicht“, 4 = „sehr schwer“, 5 = „habe/sehe ich nicht“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
70
21
38
nur mit
Mutter
21
26
mit keinem
von beiden
Knaben
Mädchen

Grafik 21: Gesprächsklima in der Familie: Kinder, denen es „leicht fällt“, mit ihren
Eltern über Dinge zu sprechen, die ihnen wirklich nahe gehen und wichtig sind*, nach
dem Geschlecht für die 15-Jährigen
15-jährige, die über wichtige Dinge sprechen mit ...
*Frage „Wie leicht oder schwer fällt es Dir, mit den folgenden Personen über Dinge zu sprechen, die Dir wirklich nahegehen und
wichtig sind?“, a) „Vater“, b) „Mutter“; Antwortkategorien: 1 = „sehr leicht“, 4 = „sehr schwer“, 5 = „habe/sehe ich nicht“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Bezogen auf das subjektive Gesundheitsempfinden zeigt sich, dass sowohl Knaben als auch
Mädchen sich in bedeutend geringerem Ausmaß sehr gesund fühlen, wenn sie mit ihrem
Vater bzw. ihrer Mutter nur schwer bzw. sehr schwer über wichtige Dinge sprechen können
(s. zum Beispiel des Vaters).
Grafik 22: Gesprächsklima und Gesundheit: Anteil jener Kinder, die sich “sehr
gesund” fühlen a , in Abhängigkeit von der Möglichkeit, schwierige Dinge mit dem Vater
zu sprechen b
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
61
47
29
6
3
beiden Eltern nur mit Vater nur mit Mutter mit keinem von
beiden
61
53
39
43
sehr leicht leicht schwer sehr schwer habe/sehe ich
nicht
30
a Frage: „Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“; b Frage:
„Wie leicht fällt es Dir, mit Deinem Vater über Dinge zu sprechen, die Dir wirklich nahegehen und wichtig sind?“
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
71
23
38
40
24
23
41
36
27
Knaben
Mädchen
Knaben
Mädchen

Unterstützung durch die Eltern
Bei der Unterstützung bei Problemen durch das Elternhaus zeigt sich eindeutig ein Effekt
des auf das Subjektive Gesundheitsempfinden der Jugendlichen. So fühlen sich etwa über
die Hälfte aller Knaben, die immer von ihrem Vater bzw. ihrer Mutter unterstützt werden, sehr
gesund, während das bei jenen, die selten bzw. nie von ihren Eltern unterstützt werden,
jeweils nur mehr 39% sind. Bei den Mädchen ist dieser Effekt noch ausgeprägter: Hier sinkt
der Anteil der sehr Gesunden von knapp 50% bei guter Unterstützung um etwa die Hälfte auf
einen Anteil von nur mehr knapp einem Viertel sehr gesunder Mädchen, wenn die
Unterstützung schlecht ist (vgl. Grafik 23 für das Beispiel des Gesprächsklimas mit der
Mutter). Ähnliche Auswirkungen zeigen sich auch bei den 15-jährigen Raucher/innen: Je
weniger Unterstützung die Jugendlichen von zu Hause erhalten, umso höher ist der Anteil
der täglichen Raucher/innen, wie beispielhaft bei den Müttern gezeigt werden soll (Grafik
24).
Grafik 23: Unterstützung und Gesundheit: Anteil jener Kinder, die sich “sehr gesund”
fühlen a , in Abhängigkeit von der Unterstützung durch die Mutter b
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
57
43
42
26
immer in bestimmten
Fällen
a Frage: „Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“; b Frage:
„Wenn ich ernste Probleme habe, hilft mir meine Mutter, damit umzugehen“
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
72
39 39
22 21
selten nie
Knaben
Mädchen

Grafik 24: Unterstützung und Rauchen: Anteil jener Kinder, die sich täglich rauchen a ,
in Abhängigkeit von der Unterstützung durch Mutter b
45%
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
15
20
a Frage: „Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?“; Antwortkategorien: 1 = „jeden Tag“, 4 = „ich rauche gar nicht“; b Frage: „Wenn ich
ernste Probleme habe, hilft mir meine Mutter, damit umzugehen“
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Komposition der Familie
Der überwiegende Teil (88%) der befragten Schüler/innen lebt mit beiden Elternteilen in
einem gemeinsamen Haushalt. 7% leben alleine mit der Mutter und eine sehr kleine Menge
alleine mit ihrem Vater (0,7% = 28 Fälle) zusammen. 10% sind Einzelkinder (Tabelle 3).
Tabelle 6: Die Familienzusammensetzung der 11-, 13- und 15-jährigen Schulkinder
(Zusammenleben mit den leiblichen Eltern oder Ersatzeltern und Geschwistern)
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
20
28
immer in bestimmten
Fällen
Familienzusammensetzung
Vater und Mutter + 1 Kind 14%
Vater und Mutter + 2 Kinder 40%
Vater und Mutter + 3 Kinder und mehr 34%
Nur Vater oder Mutter + 1 Kind 4%
Nur Vater oder Mutter + 2 Kinder 5%
Nur Vater oder Mutter + 3 Kinder und mehr 3%
Ersatzeltern 0,5%
∑ 100%
33
73
37
39
selten nie
38
Knaben
Mädchen

Exposition von 15-Jährigen gegenüber rauchenden Eltern
In Österreich leben knapp über die Hälfte (53%) aller Jugendlichen in einem Haushalt, in
dem sie zumindest einem rauchenden Elternteil ausgesetzt sind.
Von den täglich rauchenden 15-Jährigen kommen etwa ein Drittel (29%) aus einem
Raucher-Haushalt, und etwa ein Fünftel (17%) aus einem Nichtraucher-Haushalt.
Der Einfluss der unterschiedlichen Familenstrukturen und des Rauchverhaltens der Eltern
zeigt sich besonders bei den täglich rauchenden Jugendlichen. So rauchen 41% jener
Jugendlichen täglich, die bei Stiefeltern leben, 34% jener, die in einer Ein-Eltern-Familie
leben, und nur 20% jener Jugendlichen, die in Zwei-Eltern-Familien leben. Von den
Jugendlichen, deren Eltern beide Nichtraucher sind, rauchen 17% täglich, während von
jenen, bei denen mindestens ein Elternteil raucht, 29% täglich rauchen.
Ausgedrückt in „odds ratios“ bedeutet dies, dass das Risiko, täglich zu rauchen 2,2 Mal so
hoch ist, wenn ein(e) Schüler/in bei Stiefeltern lebt, als wenn er oder sie bei beiden Eltern
lebt. Das Risiko täglich zu rauchen ist weiters 1,7 Mal höher, wenn mindestens ein Elternteil
raucht, verglichen mit nicht rauchenden Eltern.
4.2.2 Peergruppe
Gesundheit
Besonders viele sehr Gesunde sind unter jenen Schülerinnen und Schülern zu finden, die
sich häufig mit ihren Freunden treffen. Hier fühlen sich immerhin fast die Hälfte aller Knaben
und 40% aller Mädchen sehr gesund. Ausgesprochen niedrig sind die Gesundheitswerte
hingegen bei jenen, die nur wenig Kontakt zu ihren Freundinnen und Freunden haben: Hier
fühlt sich nur jeder fünfte Knabe und nur jedes zwanzigste Mädchen als sehr gesund (Grafik
25).
74

Grafik 25: Anteil jener Schüler/innen, die sich „sehr gesund“ fühlen a , in Abhängigkeit
von der Anzahl an Peergruppenkontakten b
60%
50%
40%
30%
20%
10%
0%
a Frage: „Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“; b Frage:
„Wie oft verbringst Du nach der Schule Zeit mit Freundinnen oder Freunden?“; Antwortkategorien: 1 = „vier- bis fünfmal in der
Woche“, 4 = „ich habe zur Zeit keine richtigen Freundinnen oder Freunde“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Unterstützung
48
40
viele Kontakte wenige Kontakte
20
Betrachtet man den Zusammenhang von subjektiver Gesundheit und der Unterstützung bei
Problemen durch die Peergruppe, so zeigt sich bei den Knaben der erwartete
Zusammenhang, dass die subjektive Gesundheit umso höher ist, je besser die Unterstützung
funktioniert. So fühlen sich von denen, die ihre Probleme immer mit ihren Freunden
besprechen, 56% sehr gesunde, während unter jenen, die ihre Probleme nie mit ihren
Freunden besprechen, nur 45% sehr gesund sind. Bei den Mädchen hingegen zeigt sich ein
komplett entgegengesetztes Muster: Je mehr Probleme mit den Freundinnen besprochen
werden, umso schlechter ist auch der Gesundheitszustand. Der Anteil der sehr gesunden
Mächden liegt bei jenen, die ihre Probleme immer mit ihren Freundinnen besprechen, gar
nur bei 11% (Grafik 26)!
Vor dem Hintergrund, dass sich Raucher/innen eindeutig nicht so gesund fühlen wie
Nichtraucher/innen, könnte ein möglicher Grund für dieses Ergebnis der Zusammenhang von
Rauchverhalten und Peer-Unterstützung sein. Hier zeigt sich eindeutig, dass bei jenen,
denen die Peergrupppe als ständig verfügbares Setting zur Problembewältigung zur
Verfügung steht, auch der Anteil der täglich Rauchenden stark ansteigt. Sowohl bei den
Mädchen als auch bei den Knaben steigt der Anteil der täglich Rauchenden um das Zweibis
Vierfache, sobald man sich in der Gruppe jener befindet, die ihre Probleme immer mit
ihren Freund/innen besprechen (Grafik 27). Das erscheint vor allem dann plausibel, wenn
man das Rauchen ebenso als Problembewältigungsverhalten akzeptiert wie das Gespräch
75
5
Knaben
Mädchen

mit Freunden. Auf jeden Fall scheint aufgrund der unterschiedlichen Geschlechtseffekte
noch weitere Forschung auf diesem Gebiet nötig.
Grafik 26: Unterstützung und Gesundheit: Anteil jener Kinder, die sich “sehr gesund”
fühlen a , in Abhängigkeit von der Unterstützung durch Freunde b
60%
50%
40%
30%
20%
10%
56
11
48
a Frage: „Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“; b Frage:
„Wenn ich ernste Probleme habe, hilft mir meine beste Freundin/mein bester Freund, damit umzugehen“
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Grafik 27: Unterstützung und Rauchen: Anteil jener Kinder, die täglich rauchen a , in
Abhängigkeit von der Unterstützung durch Freunde b
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
0%
32
a Frage: „Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?“; Antwortkategorien: 1 = „jeden Tag“, 4 = „ich rauche gar nicht“; b Frage: „Wenn ich
ernste Probleme habe, hilft mir meine beste Freundin/mein bester Freund, damit umzugehen“
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Konformismus am Beispiel Rauchen
34
immer in bestimmten
Fällen
33
14
12
immer in bestimmten
Fällen
Ein zentrales Ergebnis besteht darin, dass das Rauchen als Verhaltensweise mittlerweile in
nahezu alle Peergroups diffundiert ist, was allerdings einem europaweiten Trend entspricht.
Anders ausgedrückt heißt das, dass es kaum mehr Freundeskreise gibt, in denen nicht
mindestens ein Raucher ist. Nur 8% der Knaben bzw. 5% der Mädchen bewegen sich in
9
76
49
45
45
selten nie
8
14
selten nie
10
42
Knaben
Mädchen
Knaben
Mädchen

auchfreien Freundeskreisen. In mehr als der Hälfte aller Freundeskreise raucht hingegen
die Hälfte oder mehr (Grafik 28).
Grafik 28: Anteil der Raucher/innen in den Peergroups der 15-jährigen Schüler/innen*
50%
40%
30%
20%
10%
0%
32
43
*Frage: „Wie viele Deiner übrigen Freundinnen und Freunde rauchen?“;
Quelle: EU-BIOMED II-CAS
18
16
38
33
Diese Verhaltensweise bildet auch die Grundlage dafür, dass die Peergruppe einen
zentralen Einfluss auf das Rauchverhalten hat: Je öfter man sich trifft, umso mehr wird auch
geraucht. Beinahe ein Drittel der Knaben bzw. fast die Hälfte der Mädchen, die sich oft mit
ihren Freundinnen und Freunden treffen, rauchen täglich (Grafik 29). Aber nicht nur die
Anzahl der Kontakte hat einen wesentlichen Einfluss, sondern auch die Angepasstheit an
gesellschaftlich normierte Verhaltensweisen. So sind unter jenen, die den stärksten
Nonkonformismus aufweisen, auch die meisten Raucher/innen zu finden (Grafik 30).
In einer Kombination dieser beiden Einflüsse lässt sich zeigen, dass unangepasste
Peergruppen, die sich häufig treffen, auch die weitaus meisten starken Raucher/innen
aufweisen: 45% der Schüler/innen, die in diese Gruppe fallen, rauchen täglich. Dem
gegenüber sind unter den angepassten Schülerinnen und Schülern, die sich außerhalb der
Schule kaum mit ihren Freundinnen und Freunden treffen, nur wenige tägliche
Raucher/innen zu finden (Grafik 31).
77
8
5 3 3
die meisten ca. die Hälfte einige keine weiß nicht
Knaben
Mädchen

Grafik 29: Anteil der 15-jährigen täglichen Raucher/innen a in Abhängigkeit von der
Anzahl der Peergruppenkontakte b
50%
45%
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
31
44
19
9 9
a Frage: „Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?“; Antwortkategorien: 1 = „jeden Tag“, 4 = „ich rauche gar nicht“; b Frage: „Wie oft
verbringst Du nach der Schule Zeit mit Freundinnen oder Freunden?“; Antwortkategorien: 1 = „vier- bis fünfmal in der Woche“, 4
= „ich habe zur Zeit keine richtigen Freundinnen oder Freunde“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Grafik 30: Anteil der 15-jährigen täglichen Raucher/innen a in Abhängigkeit von der
Angepasstheit der Peergruppe b
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
viele Kontakte mittel wenige Kontakte
11
11
16
angepasst gemischt unangepasst
23
a Frage: „Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?“; Antwortkategorien: 1 = „jeden Tag“, 4 = „ich rauche gar nicht“;
Antwortkategorien: „jeden Tag“, „einmal oder öfter pro Woche, aber nicht jeden Tag“, „seltener als einmal pro Woche“, „ich
rauche gar nicht“; b Index aus folgenden Fragen: Frage 1: „Wie oft denkst du, dass die Schule langweilig ist?“;
Antwortkategorien: 1 = „sehr oft“, 5 = „nie“; Frage 2: „Meine Freundinnen/Freunde gehen gerne in die Schule.“;
Antwortkategorien: 1 = „alle“, 5 = „keine“; Frage 3: „Meine Freundinnen/Freunde finden es wichtig, gute Schulnoten zu
haben.“;Antwortkategorien: 1 = „alle“, 5 = „keine“; Frage 4: „Wie gefällt es Dir derzeit in der Schule?“; Antwortkategorien: 1 = „Es
gefällt mir sehr gut“, 4 = „Es gefällt mir gar nicht“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
78
25
8
33
Knaben
Mädchen
Knaben
Mädchen

Grafik 31: Anteil der 15-jährigen täglichen Raucher/innen a in Abhängigkeit von
Kontakthäufigkeit b mit und Angepasstheit c der Peergruppe
50%
40%
30%
20%
10%
0%
25
viele
31
45
4
13
19
0
4
wenige
keine
Kontakte
14
angepasst
a Frage: „Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?“; Antwortkategorien: 1 = „jeden Tag“, 4 = „ich rauche gar nicht“; b Frage: „Wie oft
verbringst Du nach der Schule Zeit mit Freundinnen oder Freunden?“; Antwortkategorien: 1 = „vier- bis fünfmal in der Woche“, 4
= „ich habe zur Zeit keine richtigen Freundinnen oder Freunde“; c Index aus folgenden Fragen: Frage 1: „Wie oft denkst du, dass
die Schule langweilig ist?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr oft“, 5 = „nie“; Frage 2: „Meine Freundinnen/Freunde gehen gerne in
die Schule.“; Antwortkategorien: 1 = „alle“, 5 = „keine“; Frage 3: „Meine Freundinnen/Freunde finden es wichtig, gute Schulnoten
zu haben.“; Antwortkategorien: 1 = „alle“, 5 = „keine“; Frage 4: „Wie gefällt es Dir derzeit in der Schule?“; Antwortkategorien: 1 =
„Es gefällt mir sehr gut“, 4 = „Es gefällt mir gar nicht“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
79
unangepasst
angepasst
gemischt
unangepasst

5 Persönlichkeitsmerkmale
Ein zentrales Problem dieser Untersuchung besteht darin, dass die Messung der Schul-
Variablen – das Vorhandensein von partizipativen Strukturen und Empowerment, das
Klassenklima – nicht objektiv erfolgt, sondern, da durch den selben Fragebogen erhoben wie
die Outcome-Variablen Gesundheit und Rauchverhalten, durch die Brille der Jugendlichen
selbst. Im eigentlichen Sinn liegen uns daher keine Daten über die Schulen vor, sondern
lediglich die Wahrnehmung der Jugendlichen bezüglich dieser Merkmale ihrer Schulen, oder
anders: wie die Jugendlichen ihre Schule hinsichtlich Partizipation und Empowerment
wahrnehmen und bewerten. Daten dieser Art sind gleichwohl valide, sie müssen nur als das
genommen werden, was sie bedeuten: die wahrgenommene Partizipation und das
wahrgenommene Empowerment an der Schule, das nicht notwendigerweise mit dem
tatsächlich gegebenen Maß identisch zu sein braucht.
Das ist vor allem deshalb ein Manko, weil man gerade in Hinblick auf die hier behandelten
Fragen nicht ausschließen kann, dass Wahrnehmung und Bewertung der Schule von
Merkmalen der Persönlichkeit abhängen. So wäre etwa denkbar und muss daher auch
hypothetisch angenommen werden, dass Jugendliche, die über ein hohes Maß an
Selbstkompetenz verfügen, die realen Möglichkeiten, an Entscheidungsprozessen
teilzunehmen und den Schulalltag mit zu gestalten, besser erkennen, aufgreifen und nutzen
können, während sich andere, die über ein geringes Maß an Selbstkompetenz verfügen, sich
in ihrer Welt insgesamt mehr als Opfer, als schlecht anschlußfähig und als machtlos erleben.
Ein und dieselbe Situation würde in diesen Fällen unterschiedlich bewertet werden: bei hoher
Selbstkompetenz bekäme die Schule ein günstiges, bei geringer Selbstkompetenz ein
ungünstiges Zeugnis hinsichtlich Partizipation.
Das Problem daran ist aber nicht dieser Unterschied, der sozusagen real ist und die reale
Situation der Jugendlichen widerspiegelt: Kinder sind nun einmal nicht alle gleich, und wenn
Empowerment eine wichtige Dimension ist, dann müssen die Schulen sich eben auf diese
Unterschiede einstellen. Das Problem besteht vielmehr darin, dass mit diesen Unterschieden
in der Selbstkompetenz auch Unterschiede im subjektiven Gesundheitsniveau oder im
subjektiven Rauchverhalten gegeben sein können. Jugendliche mit geringerer
Selbstkompetenz könnten sich insgesamt schwerer tun und nicht nur die Schule, sondern
ihren gesamten Alltag als anstrengender und belastender empfinden als Jugendliche mit
hoher Selbstkompetenz. Mit geringer Selbstkompetenz ginge dann auch ein geringes
Ausmaß an subjektiver Gesundheit einher und möglicherweise eine hohe
Wahrscheinlichkeit, zur Zigarette zu greifen.
80

Und das nun hätte Konsequenzen für die Bewertung eines eventuell gegebenen
statistischen Zusammenhangs zwischen Empowerment und Gesundheit. Betrachtete man
nun nämlich ausschließlich die beiden Variablen „wahrgenommenes Empowerment in der
Schule“ und „selbst berichtete Gesundheit“ im Zusammenhang, so würde man, wenn die
gemachten Annahmen stimmen, eine hohe Korrelation finden, die vermuten ließe, dass ein
hohes Maß an Empowerment ein hohes Maß an Gesundheit bedinge. Man würde dabei
allerdings einer sogenannten Scheinkorrelation aufsitzen, die dadurch entsteht, dass sowohl
Empowerment als auch die Gesundheit beide gleichermaßen vom Niveau der
Selbstkompetenz abhängen. Es wäre dann nicht zulässig zu schließen, dass Empowerment
die Gesundheit positiv beeinflusse.
Es ist daher notwendig, in allen Modellrechnungen die Kovarianz zu berücksichtigen, die mit
solchen Persönlichkeitsmerkmalen einher gehen. Die Kontrolle der Kovarianzen ist durch die
Methode der Mehr-Ebenen-Analyse gesichert.
Als relevante Persönlichkeitsmerkmale wurden im Einklang mit der internationalen Literatur
drei Dimensionen berücksichtigt: der Kohärenzsinn nach Antonovsky (1989), die
Selbstwirksamkeit nach Schwarzer (1990) sowie eine Dimension „Anpassung an
Schulnormen“, die vor allem wiedergibt, welchen Stellenwert die Schule im Leben der
Jugendlichen einnimmt.
5.1 Kohärenzsinn
Der Kohärenzsinn von Lernenden wurde nur für die 15-jährigen Schüler/innen erhoben. Das
Ergebnis dieses Frageblockes ist ernüchternd: 33% aller Befragten haben eine positive
Einstellung zum Leben, wobei ein starker Geschlechtseffekt sichtbar wird: 36% der Mädchen
und 17% Knaben weisen einen schlechten Kohärenzsinn auf. Zwischen den Schultypen
streut der Kohärenzsinn der Befragten in keiner Weise.
Der Kohärenzsinn von Kindern und Jugendlichen hängt auch mit dem Mitspracherecht in der
Schule zusammen. Diese beiden Variablen bedingen sich vermutlich gegenseitig.
Schüler/innen mit ausreichenden Partizipationsrechten in der Schule haben eine 3-fach
höhere Chance einen postiven Kohärenzsinn zu entwickeln als Schüler/innen mit fehlenden
Mitentscheidungsrechten. Dieser Zusammenhang kann aber auch umgekehrt formuliert
werden, dass der Kohärenzsinn die Bewertung von Mitentscheidungsrechten beeinflusst.
81

Grafik 32: Kohärenzsinn* von 15-Jährigen, Anteile nach dem Geschlecht
50%
40%
30%
20%
10%
0%
43
*Index aus folgenden Fragen: Frage 1: „Hast Du oft oder selten das Gefühl, dass Du ungerecht behandelt wirst?“;
Antwortkategorien: 1 = „habe immer dieses Gefühl“, 7 = „habe nie dieses Gefühl“; Frage 2: „Wie oft sind Deine Gefühle und
Ideen ganz durcheinander?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr oft“, 7 = „sehr selten oder nie“; Frage 3: „Viele Leute – auch solche
mit einem starken Charakter – fühlen sich in bestimmten Situationen wie traurige Versager (“Pechvogel”). Wie oft hast Du Dich
schon so gefühlt?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr oft“, 7 = „sehr selten oder nie“; Frage 4: „Wie oft hast Du das Gefühl, dass die
Dinge, die Du täglich tust, wenig Sinn haben?“; Antwortkategorien1 = „sehr oft“, 7 = „sehr selten oder nie“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Persönlichkeitsmerkmale haben generell einen sehr starken Effekt auf die Gesundheit. Ein
positiver Lebenssinn (Kohärenzsinn) ist für die Gesundheit von 15-Jährigen ein besonders
wesentlicher Faktor. Schüler/innen, die einen positiven Lebenssinn haben, fühlen sich um
den Faktor 4,322 gesünder, als Kinder und Jugendliche mit einem schlechten Kohärenzsinn.
Bei den Mädchen (um den Faktor 3,543) beeinflusst der Kohärenzsinn die Gesundheit etwas
stärker als bei den Knaben (um den Faktor 3,124).
5.2 Selbstwirksamkeit
25
Positiver
Kohärenzsinn
39
39
Die Selbstwirksamkeit von Kindern und Jugendlichen ist auf der positiven und negativen
Seite ähnlich gestreut: 25% der Befragten haben eine sehr hohe Kompetenz im Umgang mit
Problemen, 22% hingegen fehlt es an Eigenständigkeit und Selbstwirksamkeit nahezu völlig.
Die Mehrheit (53%) liegt in der Mitte.
Mädchen sind in allen Altersgruppen unselbständiger als die Knaben. Bei den 11-jährigen
Schülerinnen und Schülern hat jedes 5. Mädchen eine positive Selbstwirksamkeit, bei den
Knaben sind es 27%. Mit dem Alter verändern sich die Werte kaum. Bei den Knaben sind es
bei den 15-Jährigen 24% und bei den Mädchen 21%, die das Gefühl haben, dass sie mit
Problemen gut zurecht kommen.
82
17
36
Neutral Negativer
Kohärenzsinn
Knaben
Mädchen

Einen leichten Knick lässt sich bei den 13-Jährige feststellen, in diesem Alter dürfte für viele
Schüler/innen der Beginn der Pubertät sein, die zunächst als schwere Sinnkrise
wahrgenommen wird.
Grafik 33: Positive Selbstwirksamkeit* der Kinder und Jugendlichen, Anteile nach
Geschlecht und Altersgruppen
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
27
20
*Index aus folgenden Fragen: Frage 1: „Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer, wenn ich mich darum bemühe.“;
Frage 2: „Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten und Ziele zu verwirklichen.“; Frage 3: „Auch bei
überraschenden Ereignissen glaube ich, dass ich gut damit zurechtkommen kann.“; Frage 4: „Was auch immer passiert, ich
werde schon damit zurechtkommen.“; Antwortkategorien: 1 = „stimmt nicht“, 4 = „stimmt genau“; Kategorien des Index:
„geringe“, „mittlere“ und „hohe Selbstwirksamkeit“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Eine negative Selbstwirksamkeit wirkt sich auf die Gesundheit der Schüler/innen deutlich
negativ aus. 68% der Kinder und Jugendlichen mit einer negativen Selbstwirksamkeit fühlen
sich nicht gesund, was bedeutet, dass eine unzureichende Selbstwirksamkeit das Risiko sich
ungesund zu fühlen um den Faktor 3,226 erhöht.
5.3 Anpassung an Schulnormen
23
16
Diese Dimension wurde durch mehrere Variable erhoben, die messen, inwieweit der Schüler,
die Schülerin Schulnormen internalisiert haben, bzw., inwieweit sie der Schule mit Distanz
begegnen und sich tendenziell entfremdet fühlen. In den Index, der auf einer
Faktorenanalyse basiert, wurde schließlich einbezogen: die Zufriedenheit mit der Schule
(„gehe gerne hin“), gelangweilt sein in der Schule, die Wichtigkeit von Schulnoten für die
Person und für die Freund/innen.
16% der Schüler/innen sind in diesem Sinn als an die Schulrealität gut angepasst zu
bezeichnen, für rund ein Drittel trifft jedoch das Gegenteil zu. Für sie hat die Schule keinen
83
24
21
11 Jahre 13 Jahre 15 Jahre
Knaben
Mädchen

so hohen Stellenwert und sie stehen doch eher in einer gewissen Distanz zu ihr. Die
Mehrheit (54%) können einer neutralen Kategorie zugeordnet werden.
Der Geschlechtsunterschied ist überraschenderweise vernachlässigenswert gering.
Durchschnittlich erscheinen Mädchen der Schule etwas stärker entfremdet sind als die
Knaben (vgl. Grafik 34).
Erwartungsgemäß steigt der Anteil der Unangepasstheit mit dem Alter der Schüler/innen. 15-
Jährige werden zu einer gefestigten und selbstbewussten Gruppe, mit eigenen Regeln und
Normen.
Grafik 34: Unangepasste* Kinder und Jugendliche nach Geschlecht und
Altersgruppen
40%
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
23
13
38
*Index aus folgenden Fragen: Frage 1: „Wie oft denkst Du, dass die Schule langweilig ist?“; Antwortkategorien1 = „sehr oft“, 5 =
„nie“; Frage 2: „Wie gefällt es Dir derzeit in der Schule?“; Antwortkategorien: 1 = „Es gefällt mir sehr gut.“, 4 = „Es gefällt mir gar
nicht.“; Frage 3: „Meine Freundinnen/Freunde gehen gerne in die Schule.“; Antwortkategorien: 1 = „alle“, 5 = „keine“; Frage 4:
„Meine Freundinnen/Freunde finden es wichtig, gute Schulnoten zu haben.“; Antwortkategorien: 1 = „alle“, 5 = „keine“;
Kategorien des Index: „eher angepasst“; „neutral“; „nicht angepasst“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Auch die Angepasstheit hat einen Effekt auf die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen,
jedoch nicht in der gleichen Deutlichkeit wie die anderen zwei Persönlichkeitsmerkmale.
Zwei Drittel (61%) der Schüler/innen, die sich sehr angepasst fühlen, fühle sich gesund.
84
33
37
33
11 Jahre 13 Jahre 15 Jahre
Knaben
Mädchen

6 Modellbildung durch Mehrebenenanalyse zum Verständnis der
Bedeutung der schulischen Partizipation
6.1 Die Methode der Mehrebenen-Analyse
Die statistische Methode des vorgestellten Auswertungskonzepts beruht im wesentlichen auf
der Multilevel-Analysis für kategorielle Daten (Goldstein, Rasbash et al. 1998; Kreft, Leeuw
1998). Ziel ist dabei die Entwicklung eines Modells, das eine differenzierte Analyse der
Gesundheitseinschätzung durch die befragten Schüler/innen erlaubt. Als
Gesundheitseinschätzung wählen wir die Frage „Wie gesund bist du deiner Meinung nach?“.
Das Verfahren lässt sich aber mutatis mutandis ebenso für vergleichbare Fragestellungen
anwenden.
Ausgangspunkt ist die Vorstellung, dass die Beantwortung der subjektiven Gesundheit
sowohl von soziodemographischen Faktoren abhängen als auch vom Familien- und
Peersystem, von den Partizipationserfahrungen in der Schule und von
Persönlichkeitsmerkmalen.
Daraus ergeben sich inhaltlich die folgenden Fragestellungen, die im weiteren statistisch zu
überprüfen sind:
1. Welche Einfluss haben unterschiedliche Partizipationserfahrungen in der Schule auf die
Gesundheit von Schüler/innen bezogen auf die einzelnen Schulen?
2. Welchen Einfluss haben die Persönlichkeitsmerkmale auf die Gesundheit bezogen auf
die einzelnen Schulen?
3. Welchen Einfluss hat die soziale Schicht auf die Gesundheit bezogen auf die einzelnen
Schulen?
4. Welchen Einfluss haben die Familie und die Peersysteme auf die Gesundheit?
5. Wenn solche Einflüsse bestehen: Sind die Einflüsse dieser Determinanten in den
einzelnen Schulen gleich oder variieren sie in Größe und Richtung mit diesen?
6. Wenn Variation bezüglich der Gesundheit besteht: Lassen sich die für die Schulen
unterschiedlichen Ergebnisse durch diese Faktoren erklären?
7. Wenn ja: in welchem Ausmaß sind die Personenmerkmale und die soziale Schicht im
Sinne eines Interaktionseffektes daran beteiligt?
Die statistisch-rechnerische Vorgehensweise soll schematisch anhand des Faktors
"Lehrer/innenunterstützung" erläutert werden. Erster Schritt ist dabei die Formulierung eines
Modells für die Wahrscheinlichkeit p, dass eine Person die Frage nach der Gesundheit
85

positiv beurteilt, wobei diese Wahrscheinlichkeit von der Lehrer/innenunterstützung
abhängen kann. Vom statistischen Standpunkt erweist es sich dabei als zweckmäßig, nicht
diese Wahrscheinlichkeit direkt zu modellieren, sondern die sogenannte Odds-Ratio, das
heißt das Verhältnis der Wahrscheinlichkeiten für positive Beurteilung (Wert 1) und negative
Beurteilung (Wert 0). Es soll also gelten:
p/(1 – p)= P(Gesundheit=1)/P(Gesundheit= 0) = f(Lehrerunterstützung)
Diese Odds-Ratio kann im Sinne eines Wettquotienten als die Chance auf positive
Beurteilung der subjektiven Gesundheit angesehen werden. Durch logarithmieren erhalten
wir folgende Gleichung:
Logit(Gesundheit) = log(p/1−p) = log(f(Lehrer/innenunterstützung)).
Diese Größe bezeichnet man üblicherweise als Logit. Für diese Logits wird nun, ähnlich wie
im Regressionsmodell (vgl. Kleinbaum 1994), ein lineares Modell für die Abhängigkeit vom
Prädiktor Lehrer/innenunterstützung definiert:
Logit(Gesundheit) = b0 + b1 Lehrer/innenunterstützung
Führt man wieder eine Rücktransformation auf die Odds-Ratio durch, so ergibt sich
folgendes Modell:
p b0
b1⋅Lehrerunterstützung
× e
= exp( b0
) × exp( b1
⋅ Lehrerunterstützung
= e
1−
p
Neben den statistischen Vorteilen lässt sich das Modell auch inhaltlich einfach interpretieren:
Der Koeffizient b0 misst die Basisschance auf positive Beurteilung - gegeben durch exp(b0) -
für die Gesundheit unabhängig von der Lehrer/innenunterstützung. Der Koeffizient b1 gibt
den Einfluss der Lehrer/innenunterstützung auf die Chance für eine positive Beurteilung an.
Genauer misst exp(b1) die multiplikative (prozentuelle) Veränderung der Chance bei einer
Veränderung der Lehrer/innenunterstützung. Ist der Koeffizient b1 nicht signifikant von 0
verschieden, so deutet dies darauf hin, dass die Variable Lehrer/innenunterstützung keinen
Einfluss auf die Gesundheit hat; ist er jedoch signifikant verschieden, so kann exp(b1) als das
durch die Leher/innenunterstützung gegebene Verbesserungspotential für das Ergebnis der
Gesundheit interpretiert werden.
Wendet man diese Modellierung für jede Schule an, so sind nun weiters die folgenden Fälle
möglich, die schematisch in der Abbildung für zwei Schulen dargestellt sind (vgl. Grafik 38):
86
)

Modell 1: Für die Schulen sind sowohl b0 als auch b1 gleich. Das bedeutet, dass zwischen
den beiden Schulen kein Unterschied in der Beurteilung der subjektiven Gesundheit besteht,
sowohl Basischance als auch der Einfluss der Lehrer/innenunterstützung sind gleich. Sind
die Werte für die beiden Schulen dennoch unterschiedlich, so liegt das an einer
unterschiedlichen Lehrer/innenunterstützung. Es wäre also kein Grund, Unterschiede in ihrer
Performance zu postulieren.
Modell 2: Für die Schulen sind die b0 unterschiedlich, aber die Werte b1 gleich. Das bedeutet,
dass die Lehrer/innenunterstüzung wohl einen Einfluss auf die Gesundheit hat, diese
Abhängigkeit aber für beide Schulen in gleicher Weise gegeben ist. Es gibt daneben aber
auch noch einen Unterschied in der Basischance für die Gesundheit, der nicht auf die
Lehrer/innenunterstützung zurückzuführen ist, weshalb weitere Faktoren im Spiel sind, die
diese Unterschiede erzeugt haben. (Beachte, dass sich der Fall b1 = 0 als Spezialfall der
Modelle 1 oder 2 ergibt.)
Modell 3: Für die Schulen sind die b0 gleich, aber die Werte b1 unterschiedlich. Das bedeutet,
dass sich die Leher/innenunterstützung auf die einzelnen Schulen bei gleicher Basischance
unterschiedlich auf die Gesundheit auswirkt. Die Schulen stellen sich offenbar
unterschiedlich gut auf die durch die Lehrer/innenunterstützung gegebenen Anforderungen
ein.
Modell 4: Für die Schulen sind sowohl die Werte für b0 als auch jene für b1 unterschiedlich,
was einer Kombination aus den Modellen 2 und 3 gleich kommt. Das bedeutet, dass die
Basischance unterschiedlich ist, dass die Lehrer/innenunterstützung einen für beiden
Schulen unterschiedlichen Einfluss auf die Gesundheit hat und dass daneben noch ein
Unterschied in der Beurteilung der Gesundheit besteht, der nicht auf die
Lehrer/innenunterstützung zurückzuführen ist. Sind, zum Beispiel, die Ergebnisse der
Linearauszählungen für die Gesundheit in den beiden Schulen gleich, so liegen trotzdem
Unterschiede in der Performance der Schulen vor. Die Gleichheit der Linearauszählung
(Schnittpunkt der beiden Geraden in Modell 4) ergibt sich ja dadurch, dass der Unterschied
in der Basischance der beiden Schulen durch die unterschiedliche Lehrer/innenunterstützung
in den beiden Schulen kompensiert wird.
87

Grafik 35: Mögliche Zusammenhänge zwischen dem Logit „subjektive Gesundheit“
und der Lehrerunterstützugn für zwei Schulen
Logit
Logit
Modell 1
Lehrerunterstützung
Modell 3
Schule A
=Schule B
Schule B
Schule A
Durch Ermittlung eines zutreffenden Modells ergibt sich also eine weit differenziertere
Betrachtungsweise für die Gesundheitseinschätzung, als dies auf Basis der
Linearauszählung und einfacher Kreuztabellierungen möglich wäre. Es ist daher wesentlich,
für die korrekte Interpretation der Ergebnisse eine Methode zu entwickeln, die es uns erlaubt,
zwischen den möglichen Modellen 1 – 4 zu unterscheiden. Im Prinzip könnte man natürlich
so vorgehen, dass man für jede Schule ein derartiges Modell aufstellt und dann testet, ob die
Koeffizienten für die einzelnen Schulen gleich oder unterschiedlich sind. Diese
Vorgehensweise hat aber folgende Nachteile:
(i) Die hierarchische Struktur der Stichprobenerhebung, die ja durch Schulen gegeben
ist, wird nicht berücksichtigt. Im Prinzip liegt ja eine schulspezifische Betrachtung
folgende Interpretation der Daten zugrunde: Die einzelnen Schulen sind
(ii)
„repräsentative“ Stichproben für ähnliche Schulen, z.B. konservative Schulen,
Gesundheitsfördernde Schulen,... In diesen Schulen wurde ein „repräsentativer“
Querschnitt von Schüler/innen befragt.
Es wird eine sehr große Anzahl von Parametern geschätzt und für jeden Prädiktor
müsste getestet werden, ob die Unterschiede in den Schulen signifikant sind.
88
Logit
Logit
Modell 2
Lehrerunterstützung
Modell 4
Lehrerunterstützung Lehrerunterstützung
Schule B
Schule A
Schule A
Schule B

(iii) Eine getrennte Anwendung auf Schulen kann in Hinblick auf eine zu geringe
Stichprobengröße auf diesen Einheiten bezüglich der Qualität der geschätzten
Parameter problematisch werden.
Eine Lösung dieser Probleme erfolgt im Rahmen der sogenannten hierarchischen Modelle
(Multilevel Modelling). Diese Vorgehensweise erlaubt es, die drei oben angeführten
Probleme in eleganter Art und Weise zu lösen und die Entscheidung, welches der vier
Modelle zutreffend ist, durch einfache statistische Tests zu beantworten. Die grundsätzliche
Idee basiert dabei auf Varianzkomponentenmodellen und Random Coefficient Models.
Zur Illustration betrachten wir wieder das einfache Modell für den Einfluss der
Lehrer/innenunterstützung auf die Gesundheit in einzelnen Schulen und formulieren
folgendes Modell:
logit(Gesundheit) = b0j + b1jLehrer/innenunterstützung
b0j = b0 + u0j
b1j = b1 + u1j
Der Index j charakterisiert dabei die möglichen Schulen, auf denen die Daten erhoben
wurden. Die Koeffizienten b0j und b1j werden dabei als zufällige Größen interpretiert mit
Mittelwerten b0 und b1 und Zufallsschwankungen u0j und u1j . Diese Zufallsschwankungen
messen den schulspezifischen Einfluss durch eine charakteristische Varianz-
Kovarianzstruktur. Die Entscheidung erfolgt nun durch Tests über die Struktur der Terme uoj
und u1j. Die oben vorgestellten Modelltypen sind dabei durch die folgenden Hypothesen
charakterisiert:
Modell 1: Keine signifikanten Zufallsschwankungen von uoj und u1j.
Modell 2: Signifikante Zufallsschwankungen von uoj und keine signifikanten Zufallsschwankungen
von u1j.
Modell 3: Keine signifikanten Zufallsschwankungen von uoj und signifikante Zufallsschwankungen
von u1j.
Modell 4: Signifikante Zufallsschwankungen von uoj und signifikante Zufallsschwankungen
von u1j.
Ergeben die Tests, dass eines der Modelle 2 – 4 das plausibelste ist, so kann man in einem
zweiten Schritt für jede einzelne Schule die schulspezifische Chance auf positive
Beantwortung neu berechnen.
Für den praktischen Einsatz dieser Methoden stehen den Anwendern erst seit einigen
Jahren leistungsfähige Statistiksysteme zur Verfügung zum Beispiel ML-WIN (Goldstein,
Rasbash et al. 1998). In diesen Programmen ist die Anwendung der Methode nicht auf einen
89

metrischen Moderator wie die Lehrer/innenunterstützung beschränkt, sondern kann für
beliebig viele erklärende Faktoren (Moderatoren) mit beliebigem Skalenniveau angewendet
werden. Die Interpretation der Koeffizienten hängt vom Skalenniveau ab 17 .
Datenanalyse für den Einfluss der Partizipationserfahrungen, der Schulstufe, der
Lehrer/innenunterstützung, der sozialen Schicht und des Klassenklimas (Modell 1)
Zunächst sollen die Ergebnisse für den Einfluss der Partizipationswahrnehmung, der
Schulstufe, der Lehrer/innenunterstützung, der sozialen Schicht und des Klassenklimas
referiert werden, für die vorliegende Variablen verfügbar sind. Das Nullmodell ohne Einfluss
von Schulen hat dabei folgende Form:
logit(Gesundheit) = b0 + b1Par1 + b2Par2+b3Schulstufe + b4Lehrerunterstützung+ b5soziale Schicht + b6Klassenklima
Die Koeffizienten können dabei wieder im Sinne eines Verbesserungspotentials durch den
Prädiktor interpretiert werden, wobei allerdings die komplexere Struktur der Prädiktoren zu
berücksichtigen ist. Das Alternativmodell, das unterstellt, dass die Prädiktoren
schulspezifische Wirkungen haben, lässt sich unter Verwendung eines Schulindex j
folgendermaßen formulieren:
logit(Gesundheit) = b0j + b1j Schulstufe + b2j Leherunterstützung+ b3j Soziale Schicht + b4j Klassenklima
Dabei messen die Koeffizienten jeweils die schulspezifische Chance der Schulstufe, der
Lehrer/innenunterstützung, der sozialen Schicht und des Klassenklimas auf positive
Beurteilung der Gesundheit. Weist einer der Koeffizienten b0j – b4j eine signifikante Variation
auf, so kann diese als schulspezifischer Einfluss interpretiert werden. In diesem Fall treffen
Modell 2 oder 3 zu und es müsste gegebenfalls ein Modell für die interagierende Effekte
(Modell 4) formuliert werden. Die Schrittfolge und die Ergebnisse der Berechnungen dieser
Modelle sind in unten in Tabelle 6 dargestellt.
17 Dichotome Erklärungsvariable: Der Koeffizent gibt an wie sich die Chance auf positive Beurteilung bei
Vorhandensein der Variablen modifiziert: Ist b>0 so ergibt sich eine Verbesserung der Chance auf positive
Antwort um den Faktor exp(b), ist b0) bzw. Verschlechterungspotential (b0 so ergibt sich eine Verbesserung der Chance auf
positive Antwort um den Faktor exp(b), ist b

6.2 Entwicklung eines theoretischen Modells
Zunächst geht es in unserer Fragestellung um den Zusammenhang von
Partizipationserfahrungen von Kindern und Jugendlichen und ihrer subjektiven Gesundheit
(siehe Modell 1). Die Hypothese lautet: je stärker die Schüler/innen die subjektive
Wahrnehmung haben, dass sie in Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen mitsprechen
können, desto gesünder fühlen sie sich.
Im Folgenden wird diese Hauptforschungsfrage jedoch in ihrer Komplexität ausgebaut.
Weitere Einflussfaktoren werden gefunden und auf drei Ebenen lokalisiert: auf der
Makroebene, der Mesoebene und der Mikroeben. Auf der Makroebene wirken sehr globale
Faktoren, wie Wohnort, Geschlecht und soziale Schicht, die Mesoebene umfasst
verschiedene Sozialsysteme des Individuums und die Mikroebene konzentriert sich auf das
Individuum selbst.
Modell 1: Grundmodell – der Zusammenhang von Gesundheit und Partizipationserfahrungen
Makroebene Mesoebene Mikroebene, Individuum
Partizipation
in der Schule
Für die Messung dieses Zusammenhangs gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten. Einerseits
kann ein objektives Maß zur Messung der Partizipation und Gesundheit herangezogen
werden und andererseits ein subjektives. Selbstverständlich haben diese beiden Maße
unterschiedliche Qualitäten und prinzipiell stehen beide Möglichkeiten zur Verfügung. In der
hier verwendeten HBSC-Studie beschränken sich die Messungen jedoch auf die subjektive
Seite. Dass die Gesundheit auf einer subjektiven Ebene erhoben wurde, macht in diesem
Zusammenhang keine Schwierigkeiten. Anders ist das in Bezug auf die Partizipation, denn
von der subjektiven Wahrnehmung und dem Bericht der Schüler/innen kann nicht
umstandslos auf das tatsächliche Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein partizipativer
Strukturen an Schulen geschlossen werden. Die Partizipation wurde durch die Augen der
91
Subjektive
Gesundheit

Schüler/innen gemessen, die erhobenen Partizipationserfahrungen sind somit
personenabhängige Indikatoren. Es wäre immerhin denkbar, dass der Zusammenhang
zwischen der subjektiven Gesundheit und der subjektiven Partizipationswahrnehmung eine
Scheinkorrelation darstellt, die sich einem dritten individuellen Faktor verdankt. Es muss
daher, als Gegenhypothese, in Rechnung gestellt werden, dass die Befragten aufgrund ihrer
Persönlichkeit in der Beurteilung ihrer Partizipationserfahrung sehr unterschiedliche
Maßstäbe ansetzen (vgl. Modell 2): es kann daher die Gegenhypothese formuliert werden,
dass sowohl die Wahrnehmung und Bewertung der Partizipation in der Schule, wie auch die
Wahrnehmung der eigenen Gesundheit in gleicher Weise von einem gemeinsamen
Persönlichkeitsmerkmal abhängen. Schüler/innen mit einem ausgeprägten Kohärenzsinn
bewerten Partizipationsstrukturen in der Schule anders als Schüler/innen mit einem geringen
Kohärenzsinn. Erstere erleben die Sinnhaftigkeit und Managebarkeit ihrer Lebenssituation
positiver und sind besser imstande, mit den Anforderungen der Schule umzugehen; zugleich
finden sie aufgrund ihrer positiven Lebenseinstellung ein höheres Maß an Gesundheit.
Modell 2: Zusammenhang von Gesundheit und Partizipation unter Berücksichtigung
der Persönlichkeitsmerkmale Kohärenzsinn, Selbstwirksamkeit und
Anpassung
Makroebene Mesoebene Mikroebene, Individuum
Partizipation
in der Schule
Auf der Mesoebene gibt es eine weitere Zusatzhypothese zu formulieren. Die Stellung der
Schüler/innen in der Schule und damit deren Wahrnehmung von Partizipationsprozessen
muss im Kontext der gesamten Lebenserfahrung gesehen werden, da die Beurteilung der
Schulsituation auch von Standards beeinflusst werden kann, die im Familiensystem oder im
Peersystem gebildet werden und vorherrschen. Darüber hinaus gilt, dass sich auch die
Persönlichkeitsmerkmale durch die Familie und Peers modellieren lassen, bzw. dass
umgekehrt die Peerzugehörigkeit von Persönlichkeitsmerkmalen abhängt (vgl. Modell 3).
92
Anpassung
Subjektive
Gesundheit
Selbstwirksamkeit
Kohärenzgefühl

Zwischen dem Familiensystem als Sozialisationsinstanz und der Schule besteht ebenfalls
ein gewisser Zusammenhang. Obwohl zu den österreichischen Schulen ein freier Zugang
besteht, lässt sich feststellen, dass Unterschicht-Kinder eher Hauptschulen besuchen und
Kinder der Mittel- und Oberschichten eher Gymnasien. Bezüglich der
Partizipationswahrnehmung in der Schule lässt sich feststellen, dass sich die Eltern von
Gymnasiasten (und somit tendenziell Personen der Mittel- und Oberschicht) mehr in
schulische Angelegenheiten einmischen als die Eltern von Hauptschülern, also Angehörige
ärmerer Schichten, die ihrerseits durchschnittlich auch häufiger über eigene negative
Schulerfahrungen verfügen (Acock, Bengtson 1980; Armsden, Greenberg 1987; Brown,
Mounts et al. 1993; Garnefski 1996).
Modell 3: Der Zusammenhang von Gesundheit und Partizipationserfahrungen unter
Berücksichtigung der Persönlichkeitsmerkmale (Mikroebene) und dem
Familien-, Schul- und Peersystem (Mesoebene)
Makroebene Mesoebene Mikroebene, Individuum
Familien
situation
Partizipation
in der Schule
Peersysteme
Schließlich das Modell, das den Zusammenhang auf allen drei Ebenen berücksichtigt (vgl.
Modell 4). Dieses Modell wurde zum Ausgangspunkt der vorliegenden Analysen genommen,
allerdings mussten aufgrund seiner Komplexität empirische Selektionen vorgenommen
werden. Auf der Makroebene wurde das Geschlecht außer Acht gelassen werden, da die
Schulklassen großteils koedukativ geführt werden und für diese Untersuchung primär die
Schulwirkung von Interesse war. Aufgrund dieser „natürlichen“ Mischung zwischen Knaben
und Mädchen, brauchte der Geschlechtseffekt nicht weiter berücksichtigt werden. Auch der
Wohnort wurde im endgültigen Modell, da über den Schulstandort mit erfaßt, nicht mehr
berücksichtigt. Die soziale Schicht wurde als Index in die Analyse mit einbezogen. Auf der
Mesoebene blieben das Familiensystem und das Peersystem unberücksichtigt. Mit allen
anderen Komponenten erfolgten weitere Berechnungen.
93
Anpassung
Subjektive
Gesundheit
Selbstwirksamkeit
Kohärenzgefühl

Zunächst wurden die einzelnen Variablen und Indices in ihrer Häufigkeit gemessen und
danach wurden Zusammenhänge zwischen der subjektiven Gesundheit und den einzelnen
Faktoren auf bivariater Ebene hergestellt. Im letzten Schritt wollten wir wissen, ob
schulspezifische Unterschiede in der Partizipationswahrnehmung die schulspezifischen in
der Gesundheit erklären können, oder ob schulspezifische Unterschiede in den
Partizipationsrechten tatsächlich nur der zufälligen Ungleichverteilung der
Persönlichkeitsmerkmale über die Schulen entsprechen.
Modell 4: Der Zusammenhang von Gesundheit und Partizipationserfahrungen mit
Berücksichtigung der Makro-, Meso und Mikroebene
Makroebene Mesoebene Mikroebene, Individuum
Soziale
Schicht
Geschlecht
Wohnort
Familien
situation
Partizipation
in der Schule
Peersysteme
94
Anpassung
Subjektive
Gesundheit
Selbstwirksamkeit
Kohärenzgefühl

6.3 Indikatoren und Variablen
Tabelle 7 liefert eine Übersicht über die Operationalisierung der verwendeten Konzepte. Zu
den jeweiligen theoretischen Überlegungen, die hinter den einzelnen Konzepten stehen,
siehe die vorangehenden Kapitel.
Tabelle 7: Übersicht über verwendete Konzepte, Indikatoren und Variablen
Konzepte Indikatoren Variablen
Subjektive
Gesundheit
Risikoverhalten
Persönlichkeitsmerkmale
Persönliche
Gesundheits-
einschätzung
Wie gesund bist du deiner
Meinung nach?
Rauchverhalten Wie oft rauchst Du derzeit
Tabak?
Selbstwirksamkeit
1. Die Lösung schwieriger
Probleme gelingt mir immer,
wenn ich mich darum
bemühe.
2. Ich habe Schwierigkeiten,
meine Absichten und Ziele
zu verwirklichen.
3. Ich glaube, dass ich auch bei
überraschenden Ereignissen
gut zurecht komme.
4. Was auch immer passiert, ich
werde schon damit
zurechtkommen.
Kohärenzsinn 1. Hast du oft oder selten das
Gefühl, dass du ungerecht
behandelt wirst?
2. Wie oft sind deine Gefühle und
Ideen ganz durcheinander?
3. Wie oft fühlst du dich als
trauriger Versager?
4. Wie oft hast du das Gefühl,
dass die Dinge, die du täglich
Anpassung an
Schulnormen
tust, wenig Sinn haben?
1. Wie oft denkst du, dass die
Schule langweilig ist?
2. Meine Freunde gehen gerne in
die Schule
3. Meine Freunde halten es für
wichtig, gute Schulnoten zu
haben
4. Wie gefällt es dir derzeit in der
Schule?
95
Variablenausprägung
• sehr gesund bis nicht
sehr gesund (3-teilig)
• jeden Tag bis gar nicht
(4-teilig)
• stimmt nicht bis stimmt
genau
(4-teilig)
• habe immer dieses
Gefühl bis habe nie
dieses Gefühl
(7-teilig)
• sehr oft bis nie
(5-teilig)
• sehr oft bis nie
(5-teilig)
• alle bis keine
(5-teilig)
sehr gut bis gar nicht (4teilig)
Variablen-/
Indicesbezeichnung
Ges_neu
tgl_rau und
oft_rau
selb
-1 unselbständig
0 neutral
1 selbständig
koh2
-1 negativ
0 neutral
1 positiv
ang1
-1 sehr angepasst
0 neutral
1 angepasst

Konzepte Indikatoren Variablen
Partizipation
in der
Schule
Empowerment
Familienmerkmale
Peergruppenmerkmale
Mitbestimmung
in der Schule
Wenn in unserer Schule
Vorschriften gemacht werden
entscheiden die Schüler/innen
mit
Partizipation 1. Die Regeln und Vorschriften in
unserer Schule sind gerecht
2. Ich werde ermutigt meine
Meinung zu sagen
3. Unsere Lehrer/innen
Lehrer/innenunterstützung
Lehrer/innenunterstützung
ohne Belastung
Belastung in der
Schule
behandeln uns gerecht
1. Wenn ich Hilfe brauche, dann
bekomme ich sie auch
2. Meine Lehrer/innen
interessieren sich für mich
3. Wie stark fühlst du dich durch
das belastet, was in der
Schule von dir verlangt wird?
1. Wenn ich Hilfe brauche, dann
bekomme ich sie auch
2. Meine Lehrer/innen
interessieren sich für mich
Wie stark fühlst du dich durch
das belastet, was in der Schule
von dir verlangt wird?
Klassenklima 1. Die Schüler/innen meiner
Klasse sind gern beisammen
2. Die meisten in meiner Klasse
sind nett und hilfsbereit
3. Meine Klassenkamerad/innen
akzeptieren mich so wie ich
bin
Unterstützung 1. Wenn ich ernste Probleme
habe, hilft mir mein Vater,
damit umzugehen
2. Wenn ich ernste Probleme
habe, hilft mir meine Mutter,
damit umzugehen
Gesprächsklima 1. Wie leicht oder schwer fällt es
dir, mit Deinem Vater über
Dinge zu sprechen, die Dir
wirklich nahegehen und
wichtig sind?
2. Wie leicht oder schwer fällt es
dir, mit Deiner Mutter über
Dinge zu sprechen, die Dir
wirklich nahegehen und
wichtig sind?
Unterstützung Wenn ich ernste Probleme habe,
hilft mir meine beste
Freundin/mein bester Freund,
damit umzugehen
96
Variablenausprägung
• stimmt genau bis
stimmt gar nicht
(5-teilig)
• stimmt genau bis
stimmt gar nicht
(5-teilig)
• fast immer bis nie
(5-teilig)
• fast immer bis nie
(5-teilig)
• fast immer bis nie
(5-teilig)
• überhaupt nicht
belastet bis stark
belastet (4-teilig)
• fast immer bis nie
(5-teilig)
• fast immer bis nie
(5-teilig)
• überhaupt nicht
belastet bis stark
belastet (4-teilig)
• sehr gut bis gar nicht
(5-teilig)
• fast immer bis nie
(5-teilig)
• fast immer bis nie
(5-teilig)
• immer bis nie (4-teilig)
• immer bis nie (4-teilig)
• sehr leicht bis habe/
sehe ich nicht (5teilig)
• sehr leicht bis habe/
sehe ich nicht (5teilig)
Variablen-/
Indices-
bezeichnung
par1
-1
mitbestimmt
0 neutral
1 nicht
mitbestimmt
par2
-1 wohlfühlen
0 neutral
1 nicht
wohlfühlen
SRLE-
-1 gute
Unterstützung
0 neutral
1 schlechte
Unterstützung
srle_neu und
SRLE3
bela
LS
-1 gute
Klassengemei
nschaft
0 neutral
1 schlechte
Klassengemei
nschaft
prob_fam und
pro_fa_k
gesp_fam und
ge_fa_k
• immer bis nie (4-teilig) prob_pee und
pro_pe_k

Konzepte Indikatoren Variablen
Soziale
Schicht
Schulpolitik
-variablen
Gesprächsklima 1. Wie leicht oder schwer fällt es
dir, mit Freund/innen Deines
Geschlechts über Dinge zu
sprechen, die Dir wirklich
nahegehen und wichtig sind?
2. Wie leicht oder schwer fällt es
dir, mit Freund/innen des
anderen Geschlechts über
Dinge zu sprechen, die Dir
wirklich nahegehen und
Subjektive
Einschätzung
des sozioökonomischen
Status
Regeln
Schüler/innen
Regeln
Leher/innen
wichtig sind?
1. Hat deine Familie ein Auto?
2. Für wie reich schätzt du deine
Familie ein?
3. Wie oft bist du während des
letzten Jahres in den Ferien
mit deiner Familie verreist?
1 Dürfen Schüler/innen in einem
der folgenden Bereiche rauchen?
• auf dem Klo/im Waschraum
• in der Kantine
• auf dem Gang
• im Außenbereich des
Schulgeländes
• während
Wandertagen/exkursionen
• in Gemeinschaftsräumen
• anderen Teilen des
Schulgebäudes
2 Gibt es an der Schule
schriftliche oder informelle
Regeln, die das Rauchen von
Schüler/innen innerhalb des
Schulgebäudes verbindlich
regeln?
1 Dürfen Lehrer/innen in einem
der folgenden Bereiche rauchen?
• im Lehrer/innenzimmer
• auf dem Gang
• in der Kantine/Cafeteria
• in anderen Teilen des
Schulgebäudes
• im Schulhof außerhalb des
Schulgebäudes
2 Gibt es an der Schule
schriftliche oder informelle
Regeln, die das Rauchen von
Schülerinnen und Schülern
innerhalb des Schulgebäudes
verbindlich regeln?
97
Variablenausprägung
• sehr leicht bis habe/
sehe ich nicht (5teilig)
• sehr leicht bis habe/
sehe ich nicht (5teilig)
• nein bis zwei Autos
oder mehr (3-teilig)
• sehr reich bis gar nicht
reich (5-teilig)
• überhaupt nicht bis
•
öfter als zweimal
(4-teilig)
ja
• nein
• weiß nicht
• ja – schriftliche
• ja – informelle
• nein, keine Regeln
• weiß ich nicht
• ja
• nein
• weiß nicht
• ja – schriftliche
• ja - informelle
• nein, keine Regeln
• weiß ich nicht
Variablen-/
Indices-
bezeichnung
gesp_pee und
ge_pe_k
Schi
-1 arm
0 neutral
1 reich
sco_regs
1 kein Verbot
2 Bereichsverbot
informell
3 Totalverbot
informell
4 Bereichsverbot
schriftlich
5 Totalverbot
schriftlich
sco_regl
1 kein Verbot
2 Bereichsverbot
informell
3 Bereichsverbot
schriftlich
4 Totalverbot

Konzepte Indikatoren Variablen
Durchsetzung
der Regeln
Rollenmodellwirkung
1 Wie oft werden die
Raucherregeln für Schüler/innen
in den folgenden Bereichen
durchgetzt?
• auf dem Klo/im Waschraum
• in der Kantine/Cafeteria
• auf dem Gang
• im Außenbereich des
Schulgeländes
• während Wandertagen oder
Exkursionen
• in Gemeinschaftsräumen
• anderswo
1 Wie oft siehst du während der
Schulzeit Lehrer/innen an
folgenden Orten rauchen?
• im Lehrer/innenzimmer
• in der Kantine
• auf dem Gang
• in anderen Teilen des
Schulgeländes
• im Außenbereich des
Schulgeländes
• außerhalb des
Schulgeländes
98
Variablenausprägung
• immer
• meistens
• manchmal
• nie
• es gibt kein Verbot
• jeden Tag
• manchmal
• nie
• weiß nicht
Variablen-/
Indices-
6.4 Schulspezifische Zusammenhänge der Determinanten und der Outcome-
Variable - Gesundheit
bezeichnung
enf_s
1
konsequente
Durchsetzung
4keine
Durchsetzung
Exposure_ne
u
1 keine
Exposure
2 mittlere
Exposure
3 hohe
Exposure
Zentral in dieser Untersuchung sind die Fragestellungen über die gemeinsame Wirkung der
Faktoren der Mikro- und der Mesobene. Die Interpretation der Ergebnisse erfolgt dabei nach
dem folgendem Schema:
• Variablen der Mesoebene: Ein signifikanter Effekt im logistischen Modell bedeutet, dass
die Variable unabhängig von möglicher schulspezifischer Wirkung das persönliche
Gesundheitsempfinden beeinflusst. Ein schulspezifischer Effekt bedeutet, dass die
Wirkung der Variablen in den einzelnen Schulen unterschiedlich ist.
• Variablen der Mikroebene: Ein signifikanter Effekt im logistischen Modell bedeutet, dass
die Variable das persönliche Gesundheitsempfinden beeinflusst. Ein signifikanter Effekt
auf der Schulebene bedeutet, dass die Mikroebene in den Schulen unterschiedlich wirkt.
Dies könnte dahingehend interpretiert werden, dass in den einzelnen entweder
unterschiedliche Schülergruppen sind oder aber die Schulen das vorhandenen Potential
der Persönlichkeiten der Schüler unterschiedlich zu nutzen verstehen.

In beiden Modellen ist die Interpretation der Konstanten im Modell so zu verstehen, dass ein
signifikanter Effekt auf weitere nicht betrachtete Faktoren hinweist.
Die Makroeben wurde in den ersten Modellen mit Ausnahme der Schicht nicht betrachtet.
Zum einen deshalb, weil der Wohnort im Prinzip durch den Schuleffekt nicht erfasst ist, zum
anderen weil die Modelle im wesentlichen mit den Variablen der Mikro- und Mesoebene
bereits gute Ergebnisse brachten.
Als wesentliche Ergebnisse können daher zwei Modelle vorgestellt werden:
Modell 1 zeigt den Zusammenhang zwischen der subjektiven Gesundheit und ausgewählten
Determinanten für alle Schüler/innen. Im Modell 2 erfolgt eine Analyse ausschließlich für 15-
Jährige. Im jeweiligen Modell wurden zum Teil unterschiedliche Variablen für die Analyse
heran gezogen.
Modell 1
Folgende Determinanten und Outcome-Variablen wurden in die Analyse mit
hineingenommen. Die Berechnungen beziehen sich im Modell 1 auf alle Schüler/innen des
HBSC-Samples.
Tabelle 8: Verwendete Variablen und Indices für Modell 1
Modell 1
Abhängige Variable Unabhängige Variable
subjektive Gesundheit Partizipation in der Schule
Schulstufe
Lehrerunterstützung
Soziale Schicht
Klassenklima
Tabelle 8 liefert einen Überblick über die methodische Vorgehensweise der statistischen
Berechnungen. Zunächst erfolgte eine Stimmung des kompletten Modells, d. h. es wurden
Variablen ausgewählt, die einen Einfluss auf die subjektive Gesundheitseinschätzung
vermuten lassen.
In der Spalte „Modell“ ist noch einmal zu sehen, welche Variablen in die Analyse mit
hineingenommen wurden, Spalte drei liefert die berechneten Werte dazu und in Spalte vier
erfolgt die Interpretation dieser Werte; es wurde beurteilt, ob die Variablen einen
99

edeutenden sprich signifikatnen Einfluss auf die subjektive Gesundheit haben oder nicht.
Die Spalte „Schuleffekt“ gibt schließlich darüber Auskunft, ob die jeweilige Variable eine
Streuung auf der Schulebene (bezüglich der subjektiven Gesundheit) hat oder nicht.
Tabelle 9: Methodische Vorgehensweise und Ergebnisse des Modells 1
Schritt Modell
1. Bestimmung
des Nullmodels ohne
schulspezifische
Einflüsse
logit =
b0 +
b1 Par1 +
b2 Par2 +
b3 Grade +
b4 SRLE +
b5 Schi +
b6 LS
Fixed effects
[Parameter
(Standard-fehler)]
-0,038 (0,108)
0,001 (0,038)
-0,064 (0,056)
-0,328 (0,049)
-0,370 (0,068)
0,368 (0,072)
-0,441 (0,066)
100
Signifikanz U-Wert
Nein
Nein
Ja
Ja
Ja
Ja
Schuleffekt
vorhanden?
2. Interpretation Es bestehen signifikante Einflüsse von der Schulstufe, der Lehrer/innenunterstützung, der
sozialen Schicht und dem Klassenklima. Konsequenz: die beiden Partizipationsvariablen
3. Untersuchung auf
Zufallseinflüsse durch
Schulen: Sind die
Einflüsse von
Schulstufe,
Lehrer/innenunterstüzung,
soziale
Schicht und
Klassenklima für alle
Schulen konstant?
werden nicht weiter beachtet.
Logit=
b0 +
b1 Grade +
b2 SRLE+
b3 Schi +
b4 LS
-0,023 (0,106)
-0,334 (0,049)
-0,416 (0,066)
0,368 (0,072)
-0,436 (0,065)
Ja
Ja
Ja
Ja
0,032(0,012)
0,189(0,088)
0,088(0,100)
0,052(0,084)
Ja
Ja
Nein
Nein
4. Interpretation Ja, die Schulstufe und die Lehrer/innenunterstützung haben in den einzelnen Schulen
unterschiedliche Wirkungen. Es gibt Schulen, wo sich eine schlechte
Lehrer/innenunterstützung auf die Gesundheit der Schüler/innen negativ auswirkt.
Dass sich die Gesundheit innerhalb der Schulstufen unterscheidet, könnte auf einen
Schultypen-Effekt zurück zu führen sein.
Die Ergebnisse des Modells 1 lassen sich wie folgend zusammen fassen:
Prinzipiell streut die subjektive Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zwischen den
Schulen nicht sehr. Die Gesundheits-Unterschiede auf der Schulebene sind auf andere
Variablen zurück zu führen, von vornherein kann keine Präferenz festgestellt werden.
Keinen Einfluss auf die Gesundheit haben die Partizipationswahrnehmungen der Kinder und
Jugendlichen. Der fehlende Effekt ist wohl darauf zurück zu führen, dass im österreichischen
Schulsystem die Mitspracherechte sehr schlecht ausgeprägt sind und daher kaum eine
Bedeutung für die Gesundheit der Schüler/innen haben.
Die Kernaussage bezüglich der Partizipation kann daher lauten: Partizipation hat keinen
direkten Einfluss auf das subjektive Gesundheitsempfinden von Kindern und Jugendlichen.
Durch Mitsprache und fairen Regeln lassen sich Kinder weder gesund noch krank machen.
Es sind andere Faktoren, die einen Effekt auf die Gesundheit haben. Der vorfindliche
bivariate Zusammenhang zwischen Partizipationswahrnehmungen und Gesundheit entsteht
offenbar durch andere Hintergrund-Variablen.

Die Variable „Schulstufe“ verdeutlicht den Alterseffekt in der subjektiven
Gesundheitseinschätzung. Je älter die Schüler/innen werden, desto kritischer wird ihre
Gesundheitseinstellung, d.h. desto weniger gesund fühlen sie sich.
Dieser Alterseffekt konnte auch auf der Schulebene lokalisiert werden, was bedeutet, dass
es Schulen gibt, wo sich dieser Alterseffekt sehr deutlich zeigt; die älteren Schüler/innen
fühlen sich ungesünder. Gleichzeitig gibt es aber Schulen, wo dieser Alterseffekt
ausgeglichen werden konnte, es gibt gleichzeitig Schulen, wo sich auch die älteren
Schüler/innen gesund fühlen, wo dieser Alterseffekt nicht so deutlich sichtbar ist. Daraus
kann abgeleitet werden, dass Schulen imstande sind, den Alterseffekt auszugleichen, 15-
Jährige beurteilen ihre Gesundheit nicht automatisch schlechter, sondern dies hängt bis zu
einem gewissen Grad davon ab, welche Schule die Jugendlichen besuchen.
Sehr effektvoll ist auch die Lehrer/innenunterstützung. Wenn sich Schüler/innen ausreichend
von ihren Lehrerinnen und Lehrern unterstützt fühlen, so wirkt sich dies positiv auf die
subjektive Gesundheitseinschätzung der Kinder und Jugendlichen aus.
Zusätzlich konnte hier ein Effekt auf der Schulebene festgestellt werden. Es gibt
Schulunterschiede bezüglich der Lehrer/inneunterstützung und diese wirken sich wiederum
auf die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen aus. Das bedeutet, dass es Schulen gibt,
wo sich die Schüler/innen nicht so gesund fühlen und der Grund dafür ist eine fehlende
Unterstützung seitens der Lehrer/innen. Folgende Grafik zeigt, dass bei einer
unzureichenden Lehrer/innenunterstützung der Gesundheitseffekt sehr linear sichtbar wird:
je geringer die Lehrer/innenunterstützung in den Schulen ist, desto schlechter ist der
Gesundheitszustand der Schüler/innen.
Allerdings, wenn die Lehrer/innenunterstützung von den Schülerinnen und Schülern positiv
beurteilt wird, dann wirkt sich dies in den Schulen unterschiedlich aus. Es gibt Schulen, wo
eine gute Lehrer/innenunterstützung den Gesundheitszustand der Schüler/innen verbessert
und es gibt Schulen, wo kein Effekt sichtbar wird. Die Gesundheit wird in die positive
Richtung noch von anderen Faktoren beeinflusst.
101

Grafik 36: Zusammenhang von Lehrer/innenunterstützung a und subjektiver
Gesundheitseinschätzung b auf der Schulebene (Scatterplot)
80%
60%
40%
20%
0%
-10%
Subjektive Gesundheit 100%
0%
Lehrerunterstützung
10%
20%
a Index aus folgenden Fragen: Frage 1 „Wenn ich Hilfe brauche, dann bekomme ich sie von meinem Lehrer/meiner Lehrerin
auch“; Antwortkategorien: 1 = „fast immer“, 5 = „nie“; Frage 2: „Meine Lehrer/innen/Lehrer interessieren sich für mich“;
Antwortkategorien: 1 = „fast immer“, 5 = „nie“; Frage 3: „Wie stark fühlst Du Dich durch das belastet, was in der Schule von Dir
verlangt wird?“; Antwortkategorien: 1 = „überhaupt nicht“, 4 = „stark“; b Frage: „Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?“;
Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Eine weitere Einflussvariable ist die soziale Schicht; Kinder und Jugendliche aus ärmeren
Verhältnissen fühlen sich weniger gesund als jene aus der Oberschicht. Obwohl die soziale
Schicht einen Effekt auf die Gesundheit hat, konnte jedoch keine signifikante Variation über
die Schulen gefunden werden. Die soziale Schicht wirkt in allen Schulen gleich. Dies ist
bemerkenswert, da es offensichtlich soziale Ungleichheit in den Schulen gibt bzw. zwischen
den Schülerinnen und Schülern. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass die Schulen den
Ungleichheitseffekt bis zu einem gewissen Grad ausgleichen können.
Schließlich hat in diesem Modell auch noch das Klassenklima einen signifikanten Effekt auf
die subjektive Gesundheit. Es lassen sich jedoch keine Unterschiede auf der Schulebene
festmachen, d. h. das Klassenklima wirkt in allen Schulen gleich: Schüler/innen mit einem
guten Klassenklima fühlen sich gesünder als wenn sie sich in einer Klasse befinden mit
unzureichender Qualität.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die Schulstufe der Kinder und Jugendlichen
(bzw. ihr Alter) und der Grad der Lehrer/innenunterstützung die wesentlichsten Faktoren
sind, die die subjektive Gesundheitseinschätzung der Schüler/innen beeinflussen.
102
30%
40%

Gerade dieses Verhältnis zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern
wirkt aber sehr kontextspezifisch. Die subjektive Gesundheitseinschätzung hängt nicht nur
von den Lehrer/innen ab, sondern es findet eine Wechselwirkung statt, die den gesamten
Schulkontext umfasst. Das ist auch der Grund dafür, dass es manche Schulen schaffen,
dass sich eine gute Beziehung zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und
Lehrern positiv auf die Gesundheit der Schüler/innen auswirkt, während bei manchen
Schulen sich diesbezüglich keine Effekte zeigen. Im Kontext Schule wirken die Lehrer/innenn
einmal mehr und einmal weniger.
Dieser kontextspezifische Einfluss gilt auch für den Alterseffekt, d.h. es gibt Schulen, wo das
Alter nicht so stark wirkt wie in anderen. Ob sich 15-Jährige nun wirklich weniger gesund
fühlen als 11-Jährige hängt im Ausmaß ebenfalls vom Kontext der Schule ab. Unter
günstigen Bedingungen kann die Schule den Alterseffekt kompensieren.
Im Modell 2 wurden die Analysen nur für die Gruppe der 15-Jährigen durchgeführt.
Zusätzlich wurden die drei Persönlichkeitsmerkmale Anpassung an Schulnormen,
Kohärenzsinn und Selbstwirksamkeit aufgenommen. Tabelle 10 zeigt in gleicher Weise wie
in Tabelle 8, welche Variablen in die Berechnungen aufgenommen wurden und Tabelle 11
zeigt erneut die methodische Vorgehensweise der einzelnen Berechnungsschritte.
Tabelle 10: Verwendete Variablen und Indices für Modell 2
Modell 2
Abhängige Variable Unabhängige Variable
subjektive Gesundheit Partizipation in der Schule
Schulstufe
Lehrerunterstützung
Soziale Schicht
Klassenklima
Selbstwirksamkeit
Kohärenz
Anpassung an Schulnormen
103

Tabelle 11: Methodische Vorgehensweise des Modells 2
Schritt Modell
1. Bestimmung
des Nullmodels
ohne
schulspezifische
Einflüsse
logit =
b0 +
b1 Selb +
b1 Par1 +
b2 Par2 +
b3 Koh2_1 +
b4 Ang1 +
b5 Schi +
b6 SRLE +
b7 LS
Fixed effects
[Parameter
(Standard-fehler)]
-1,238 (0,113)
0,414 (0,105)
0,063 (0,065)
-0,057 (0,112)
0,686 (0,135)
-0,073 (0,113)
0,403 (0,132)
-0,326 (0,128)
-0,262 (0,128)
104
Signifikanz
Ja
Nein
Nein
Ja
Nein
Ja
Ja
Ja
Streuung des
randmom
effect
Schuleffekt
vorhanden?
2. Interpretation Es bestehen signifikante Einflüsse von den Persönlichkeits-merkmalen (Selbstwirksamkeit
u. Kohärenzsinn), der sozialen Schicht, der Lehrerunterstützung und dem Klassenklima.
Die Partizipationsvariablen und die Anpassung an Schulnormen fallen aus weiteren
3. Untersuchung
auf Zufallseinflüsse
durch
Schulen: gibt es
eine Variation des
Einflusses von
Selbstwirksamkeit
Kohärenz, Lehrerunterstüzung,
sozial
e Schicht und
Klassenklima nach
einzelnen Schulen?
Analysen hinaus.
Logit=
b0 +
b1 Selb +
b2 Koh2_1+
b3 Schi +
b4 SRLE +
b5 LS
-1,265 (0,104)
-0,387 (0,105)
-0,669 (0,132)
0,346 (0,130)
-0,382 (0,109)
-0,288 (0,125)
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
0,110(0,159)
0,125(0,162)
0,000(0,000)
0,004(0,169)
0,204(0,203)
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
4. Interpretation Nein, es gibt keine schulspezifischen Unterschiede, d. h. die Variablen wirken in allen
Schulen gleichermaßen. Vor allem die Lehrerunterstützung und der Kohärenzsinn können
die Unterschiede in der Gesundheit gut erklären. Die Gesundheit hat jedoch einen
eigenständigen Effekt (die Konstante b0 ist signifikant), d.h. es gibt unabhängig von den
berücksichtigten Determinanten schulspezifische Unterschiede. Diese Wirkung würde sich
eventuell durch den Schultyp erfassen lassen.
Die Ergebnisse des Modells 2 zeigen, dass sich die subjektive Gesundheitseinschätzung der
Schüler/innen zwischen den Schulen unterscheidet, d.h. der Unterschied zwischen
gesunden und weniger gesunden Jugendlichen hat sich zwischen den einzelnen Schulen
vergrößert, unabhängig von anderen Einflussfaktoren.
Der Grund für so starke Unterschiede in der Gesundheit liegt vermutlich in der Entwicklung
der Jugendlichen. Im Alter von 15 Jahren befinden sich vermutlich alle Befragten in der
Phase der Pubertät, auf die die Schulen sehr unterschiedlich reagieren. Bei den jüngeren
Schülerinnen und Schülern ist dieser (Pubertäts-) Effekt noch nicht so deutlich sichtbar, wie
nun bei den 15-Jährigen, weshalb die subjektive Gesundheit noch nicht diesen
eigenständigen Effekt hat.
Bei den Persönlichkeitsmerkmalen Anpassung an Schulnormen, Selbstwirksamkeit und
Kohärenzsinn zeigt sich, dass bei den 15-Jährigen die Anpassung an Schulnormen kaum
mehr eine Rolle spielt. Die Anpassung an Schulnormen hat in dieser Altersgruppe keinen

Effekt auf die Gesundheit. Der Kohärenzsinn und die Selbstwirksamkeit hingegen schon.
Allerdings ist auch hier kein Schuleffekt sichtbar. Ein positiver Kohärenzsinn und eine positve
Selbstwirksamkeit wirken in allen Schulen gleich, unabhängig welche Schule die
Schüler/innen besuchen.
In Grafik 37 wird der Zusammenhang zwischen einem positiven Kohärenzsinn und der
subjektiven Gesundheit sehr deutlich sichtbar. Je höher der Kohärenzsinn in einer Schule ist,
desto besser ist dort auch die subjektive Gesundheitseinschätzung der Schüler/innen.
Grafik 37: Zusammenhang zwischen einem positiven Kohärenzsinn a und der
subjektiven Gesundheit b auf der Schulebene (Scatterplot)
100%
80%
60%
40%
20%
Subjektive Gesundheit 120%
0%
0%
Kohärenzsinn
20%
40%
60%
105
80%
100%
a Index aus folgenden Fragen: Frage 1: „Hast Du oft oder selten das Gefühl, dass Du ungerecht behandelt wirst?“;
Antwortkategorien: 1 = „habe immer dieses Gefühl“, 7 = „habe nie dieses Gefühl“; Frage 2: „Wie oft sind Deine Gefühle und
Ideen ganz durcheinander?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr oft“, 7 = „sehr selten oder nie“; Frage 3: „Viele Leute – auch solche
mit einem starken Charakter – fühlen sich in bestimmten Situationen wie traurige Versager (“Pechvogel”). Wie oft hast Du Dich
schon so gefühlt?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr oft“, 7 = „sehr selten oder nie“; Frage 4: „Wie oft hast Du das Gefühl, dass die
Dinge, die Du täglich tust, wenig Sinn haben?“; Antwortkategorien1 = „sehr oft“, 7 = „sehr selten oder nie“; b Frage: „Wie gesund
bist Du Deiner Meinung nach?“; Antwortkategorien: 1 = „sehr gesund“, 3 = „nicht sehr gesund“;
Quelle: WHO-HBSC-Survey 1998
Erweiterung des Modells um die Familie
Es können nun mehrere Hypothesen formuliert werden, die den Verdacht einer kovarianten
Scheinkorrelation untersuchen. Nach statistisch-rechnerischer Überprüfung einer Vielzahl
von Möglichkeiten erscheint insbesondere die Hypothese von Bedeutung zu sein, dass die
Rolle, die das Empowerment in der Schule für die Gesundheit der Jugendlichen spielt,

möglicherweise über den familiären Hintergrund der Jugendlichen erklärbar ist. Das
Argument lautet: Kinder, die in ihren Familien ein offenes, quasi empowerndes Klima
erfahren und mit ihren Eltern alle wichtigen, sie persönlich betreffenden Probleme erfolgreich
bearbeiten können, benötigen weniger Unterstützung in der Schule und bewerten das
dargebotene Niveau daher günstiger, weil ausreichend, während Kinder, die in ihrer Familie
keine Unterstützung erfahren, mit einem höheren Bedarfs- oder Erwartungsniveau an die
Schule herantreten, welches naturgemäß leichter enttäuschbar ist. Sie werden daher
dasselbe Empowermentniveau einer Schule schlechter bewerten. Das niedrigere
selbstberichtete Gesundheitsniveau jedoch wäre in diesem Fall nicht auf die schlechtere
Bewertung des Empowerments in der Schule zurück zu führen, sondern auf die
ungenügende Familiensituation.
Das erweiterte Modell 3 sieht folgendermaßen aus:
Modell 3
logit =
b0 +
b1 sex +
b1 koh2_1+
b2 prob_fam+
b3 selb +
b4 srle +
b5 gesp_fam+
b6 ls +
b7 ang1
Fixed effects
[Parameter
(Standardfehler)]
-0,162 (0,240)
-0,798 (0,132)
0,531 (0,145)
0,335 (0,142)
0,271 (0,106)
-0,348 (0,118)
0,344 (0,185)
-0,291(0,130)
-0,067 (0,114)
ja
ja
ja
nein
ja
ja
nein
nein
106
Signifikanz
Streuung des
random effect
0,107 (0,074)
0,274 (0,258)
0,000
0,010 (0,151)
0,000
0,655 (0,450)
0,140 (0,240)
0,000
Wie sich zeigt, verändert die Aufnahme der Variablen „Gesprächsklima in der Familie“ und
„Mit den Eltern Probleme besprechen können“ das bisher geschilderte Gesamtbild nicht
wesentlich. Zunächst kann festgehalten werden, dass das Gesprächsklima in der Familie
keinen signifikanten Einfluss auf die selbstberichtete Gesundheit hat, wohl aber die
Möglichkeit, mit den Eltern über schwierige Probleme sprechen zu können.
Das zeigt zum einen die Bedeutung der Familie auch noch für die Adoleszenten, und zum
anderen, dass diese wichtige Rolle der Eltern anspruchsvoll ist und Problemlösungskompetenz
erfordert. Nur dann ist ein günstiger Einfluss auf die Gesundheit der Kinder
nachweisbar.
Abermals zeigt sich, dass die Anpassung an Schulnormen bzw. die Wichtigkeit der Schule
keinen signifikanten Einfluss hat. Entscheidend für unsere Fragestellung indessen ist, dass
die Empowermentvariablen Lehrer/innenunterstützung und Klassenklima weiterhin ihren

hochsignifikanten Einfluss unvermindert bewahren. Die zuvor formulierte Hypothese kann
daher als widerlegt gelten.
Das bedeutet, dass unserem Modell eine weitere wesentliche Einflussvariable hinzuzufügen
ist, von der die subjektive Gesundheit der Kinder und Jugendlichen abhängt, nämlich die
Möglichkeit, mit den Eltern gemeinsam wichtige Probleme zu besprechen.
Erweiterung des Modells um die Peers
In gleicher Weise wie schon zuvor für die Familie kann auch für die Bedeutung der Peers
hypothetisch formuliert werden, dass sie eigentlich im Hintergrund die entscheidende
intervenierende Variable darstellen.
Nach einer Vielzahl an variantenreichen Versuchen, diese Hypothese zu prüfen, soll an
dieser Stelle nur als Ergebnis festgehalten werden, dass die selbstberichtete Gesundheit der
Kinder und Jugendlichen in keiner signifikanten Weise in einem komplexen
Mehrebenenmodell mit der Qualität der Peerkontakte zusammenhängt.
Die Argumentation, die hier bisher verfolgt wurde, ist in der dargestellten Weise nur möglich,
weil die Analysen nicht auf individueller Ebene sondern auf Schulebene erfolgt sind, und weil
jeweils gezeigt werden konnte – worauf hier nun nachträglich hingewiesen wird – dass für
alle dargestellten Zusammenhänge keine schul- und/oder klassenspezifischen Variationen
feststellbar sind. Das heißt, dass alle Zusammenhänge in allen Schulen in gleicher Weise
gegeben sind, und dass Unterschiede in den Gesundheitsniveaus zwischen den Schulen
durch Unterschiede in den Niveaus bezüglich der dargestellten Determinanten erklärt
werden können. Dies ist aus den nicht kommentierten Werten der Streuungen des random
effects der Modellrechnungen ersichtlich.
6.5 Schulspezifische Zusammenhänge der Determinanten und der Outcome-
Variable - Rauchen
Die ML-Analysen die für die abhängige Variable täglich Rauchen durchgeführt worden sind,
sollen Einflussfaktoren auf verschiedenen Ebenen wie Staat, Familie, Peer, Persönlichkeit
und Schule messen. Die Frage ob die Schule einen eigenständigen Einfluss auf die
Raucherprävalenz der Jugenlichen hat, wird dabei fokussiert. Verschiedene Variablensets
wie Schulregeln und Schulklima werden analysiert. Konkret soll untersucht werden, ob das
Rauchverhalten vergleichsweise besser ist, wenn Jugendliche Schulen besuchen, die ihnen
im Sinne von Partizipation und Empowerment ein höheres Maß an Mitgestaltung des
Schulalltags einräumen, als wenn sie Schulen besuchen, in denen sie weitgehend
107

vorgegebenen Strukturen und Regeln zu folgen haben. Es soll gezeigt werden, dass
bestimmte Maßnahmen der Schulpolitik unabhängig von Maßnahmen der
Raucherprävention auf staatlicher Ebene ihren eigenständigen Einfluss auf die
Raucherprävalenz bei Jugendlichen haben können und daher jedenfalls in einen Katalog
schulischer Präventionsmaßnahmen gehörten. Vorliegender Bericht befasst sich daher mit
der Frage, ob und inwieweit spezielle Maßnahmen der schulischen Tabakpolitik unabhängig
davon wirksam waren, welche Tabakpolitiken gleichzeitig auf staatlicher Ebene durchgeführt
oder eben unterlassen worden waren und welche anderen Einflussfaktoren wie Familie, Peer
und Persönlichkeit die Raucherprävalenz der Jugendlichen erklären.
6.5.1 Der Einfluss der nationalen Tabakpolitik auf die Raucherprävalenzen
Die ermittelten Werte der ML-Analyse mit den Variablen der staatlichen Tabakpolitik zeigen,
dass vor allem das Vorhandensein von publizierten Regierungszielen, der Zugang zu
Zigarettenautomaten, der Preis einer Packung Zigaretten und damit verbunden die Höhe des
Steuergewinns aus den Tabaksteuern die Raucherprävalenz beeinflussen.
Tabelle 12 Dargestellt wird der Zusammenhang zwischen der staatlichen Tabakpolitik
und den Raucherprävalenzen in Schulklassen von 15-jährigen Jugendlichen
(aggregiert für die Schule) in 7 Länder (Mehrebenenanalyse)
nationale Tabakpolitiken fixed effects
Unterscheidung
Merkmalen
nach quantitativen
108
0,005(0,041)
Regierungsziele zur Raucherreduktion 0,204(0,055)*
Werbeverbot für Zigaretten -0,069(0,092)
Altersgrenze für den Erwerb von Zigaretten -0,062(0,117)
Verkauf über Automaten 0,204(0,055)*
(teilw.) Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden -0,007(0,154)
(teilw.) Rauchverbot für Schüler in Schulen -0,069(0,092)
(teilw.) Rauchverbot für Lehrer in Schulen 0,018(0,054)
Preis einer Zigarettenpackung (in € ) -0,072(0,035)*
Höhe der Steuereinnahmen durch Zigaretten -0,025(0,007)*
*signifikante fixed effects
Quelle: Dür et. 2001

Es ist anzunehmen, dass die beiden letzten Variablen Zigarettenpreis und Besteuerung der
Tabakwaren mit einander zusammenhängen, da der Preis über Besteuerung geregelt wird.
Der primäre Effekt kann daher den Zigarettenpreisen zugeschrieben werden. Die Variable
publizierte Regierunsziele wird als verstärkende Strategie der anderen Maßnahmen
angenommen. Auch zwischen den Variablen Preis und Zugang zu Zigarettenautomaten
muss von einem engen Zusammenhang ausgegangen werden. Die Länder mit den
niedrigsten Preisen so wie Österreich und Deutschland haben auch keinen eingeschränkten
Zugang zu Zigarettenautomaten. Das Land mit den höchsten Preisen (Norwegen) erlaubt
Zigarettenautomaten nirgends. Die Länder mit eingeschränktem Zugang zu
Zigarettenautomaten weisen eine breite Spannbreite in den Preisen auf (siehe dazu auch
Tabelle 3 in Kapitel 3). Die weiteren ML-Analysen zeigen, dass diese beiden Variablen
Zigarettenpreis und Zugang zu Zigarettenautomaten trotz ihres Zusammenhangs jede für
sich einen signifikanten Einfluss auf die Raucherprävalenz der Jugendlichen haben. Beide
Variablen haben in gemeinsamen Modellen, wobei einmal der Einfluss der Variablen und
einmal der Einfluss der Konstanten dargestellt werden, signifikante Werte (vgl. Modell 4+ 5 in
Tabelle 13).
Das Ergebnis zeigt auch, dass die Konstante signifikant und von großem Einfluss ist. Die
Unterschiede in den Raucherprävalenzen der einzelnen Schulen können also nicht
vollständig durch die Unterschiede in den staatlichen Tabakpolitiken der Länder (in denen
diese Schulen sind) erklärt werden.
6.5.2 Der Einfluss der Schultabakpolitik auf die Raucherprävalenzen
Ein Gutteil der Erklärung kann daher auf der Ebene der Schulen selbst gesucht werden. Um
die Effekte auf beiden Ebenen möglichst genau zu erfassen, muss weiters gefragt werden,
inwieweit Unterschiede in den schulbasierten Tabakpolitiken Unterschiede in den
Raucherprävalenzen nach sich ziehen. Erste ML-Analysen zeigen, dass die Politiken bzw.
Regeln, die das Rauchen von Schülerinnen und Schülern zum Ziel haben, in keinem
signifikanten Zusammenhang mit den Raucherprävalenzen stehen. Anders gesagt: die
Raucherprävalenzen an den einzelnen Schulen sind davon unabhängig, ob den
Schülerinnen und Schülern das Rauchen formell oder informell gänzlich oder nur teilweise
untersagt ist. Das besagt noch nicht, dass diese Regeln gänzlich ohne jede Wirkung sind.
Aber es besagt, dass diese Regeln unter gegebenen Bedingungen die Raucherprävalenzen
– und damit das individuelle Rauchverhalten – nicht entscheidend beeinflussen können,
beziehungsweise, sich in ihrer Wirkung nicht gegen andere, zuwiderlaufende, das Rauchen
begünstigende Einflüsse durchsetzen können (Modell 6 in Tabelle 13).
109

Analysen der CAS-Partner aus Wales legen nahe, dass Raucherregeln für Schüler/innen
sehr viel erfolgreicher sein können, wenn sie konsequent durchgesetzt, Übertretungen also
auch geahndet werden. Hypothetisch kann auch angenommen werden, dass diese Regeln
unter den gegebenen Bedingungen in gleicher Weise kontraproduktive, zum Beispiel
„rebellische“ Reaktionen bei Jugendlichen hervorrufen wie erwünschte und insofern sich in
ihren Wirkungen selber neutralisieren.
Im weiteren stellt sich somit die Frage nach der Durchsetzung der Regeln. Hier besteht die
Annahme, dass der Großteil der Regeln durchgesetzt wird. In den meisten Ländern
überwiegt die konsequente Durchsetzung der Regeln, nur in Dänemark überwiegt eine
gemäßigtere Durchsetzung und in Norwegen werden die Regeln sowohl konsequent als
auch gemäßigt durchgesetzt.
Die oben formulierte Fragestellung muss nun also abgeändert werden auf folgende
Formulierung: Haben durchgesetzte Regeln einen Einfluss auf die Prävalenz? Die
dahinterstehende Annahme, dass durchgesetzte Regeln eine Verringerung der
Raucherprävalenz bewirken, kann für die Schüler (auf Schulebene) mittels eines MLA-
Modells gezeigt werden: In Schulen mit strikterem Enforcement wird auch weniger geraucht!
Dies gilt dabei in allen Ländern gleich, es gibt in diesem Modell keine länderspezifische
Variation (Modell 7 in Tabelle 13).
Im weiteren wird anstelle der Durchsetzung der Regeln, das Augenmerk auf die
Vorbildfunktion der Lehrer/innen gerichtet. In den verschiedenen Ländern können die
Jugendlichen in nicht geringem Ausmaß ihre Lehrer/innen beim Rauchen beobachten.
Besonders oft sind die Jugendlichen in Dänemark und Deutschland mit rauchenden
Lehrerinnen und Lehrern konfrontiert. In Österreich, Schottland, Wales und Norwegen
weniger und in Finnland am wenigsten.
Insgesamt lässt sich aussagen, dass in Ländern, die eine eher restriktive Tabakpolitik
betreiben wie Finnland, Norwegen und Österreich die Jugendlichen auch in ihren Schulen
weniger mit rauchenden Lehrerinnen und Lehrern konfrontiert werden, mit der Ausnahme
von Schottland.
Im weiteren wird untersucht ob die Variable auf die Raucherprävalenz einen Einfluss ausübt.
Die Mehrebenenanalyse zeigt einen signifikanten Einfluss der Rollenwirkung auf das
Rauchverhalten der Jugendlichen (vgl. Modell 4+ 8 in Tabelle 13)
110

Werden die beiden Variablen in einem gemeinsamen Modell gerechnet, so zeigt sich, dass
die Variable Durchsetzung der Regeln ihren signifikanten Einfluss verliert und hinter der
Variable Modellwirkung der Lehrer/innen zurücktritt (vgl. Modell 9 in Tabelle 13).
Damit wird deutlich, dass auf Schulebene die Modellwirkung der Lehrer/innen stärker wiegt
als die Durchsetzung von Regeln gegenüber den Schülern. Offenbar ist es so, dass
Raucherregeln gegenüber Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern nicht
durchgesetzt werden, wenn diese selber rauchen. Die angegebenen Werte der Streuung des
random effects der Variablen, die die Unterschiede zwischen den Ländern darstellen, sind
nicht signifikant, was bedeutet, dass diese Zusammenhänge in allen Länder in gleicher
Weise gegeben sind.
6.5.3 Der Zusammenhang zwischen den staatlichen und schulbasierten Maßnahmen und
den Raucherprävalenzen
In den abschließenden Mehrebenen-Analysen werden nun die berechneten signifikanten
Variablen der staatlichen und der schulbasierten Tabakpolitik zusammengeführt, um deren
eigenständigen Einfluss auf das Raucherverhalten der Jugendlichen zu berechnen. Es zeigt
sich, dass die Variablen der staatlichen Tabakpolitik, der Preis und der Zugang zu
Zigarettenautomaten unabhängig von den Variablen der Schultabakpolitik ihren Einfluss
behalten (vgl. Modell 10 +11 in Tabelle 13).
Auch lassen die Berechnungen erkennen, dass die Variable Modellwirkung der Lehrer/innen
in beiden Modellen den starken Einfluss hat. Ländereffekte der Variablen Modellwirkung und
Durchsetzung der Regeln sind wie schon in den Modellen zuvor nicht signifikant aber knapp
angedeutet. Die drei signifikanten Faktoren Preis, Zugang zu Zigarettenautomaten und
Modellwirkung der Lehrer/innen können jedoch nicht die gesamte Varianz erklären. Die
Konstante, die das Ausmaß der nicht-erklärten Varianz angibt, ist in beiden Modellen höher
als die einzelnen Faktoren im ersten Modell sogar höher als alle drei zusammen. Dies deutet
darauf hin, dass das Rauchen von Jugendlichen ein hochkomplexes Phänomen ist, das den
ungünstigen Einflüssen, weiterer Faktoren zuzuschreiben ist.
6.5.4 Der Einfluss von Empowerment auf das Rauchverhalten der Schüler/innen
Es stellt sich die Frage, ob eine Einschränkung auf die Schulpolitik sinnvoll ist, oder ob nicht
vielmehr auch der kulturelle Hintergrund betrachtet werden sollte. Zur Diskussion steht, was
111

es überhaupt heisst, in einer Organisation wie die Schule Regeln einzuführen? Tabakregeln
sind wie alle Regeln in Schulen leichter einzuführen und durchsetzbar, in denen allgemein
ein positives Klima gegeben ist: wo das Verhältnis zwischen Lehrerinnen und Lehrern und
Schülerinnen und Schülern günstig ist. So kann davon ausgegangen werden, dass Schulen
mit einem "guten" Klima eher überhaupt Regeln und Policies für das Rauchen haben,
Rauchen als ein Problem sehen, sich um die Gesundheit ihrer Schüler/innen sorgen und
eine dialogische Aushandlungsbeziehungen haben. Die Einführung von Regeln und Policies
kann als keine Bagatelle gesehen werden, sondern hängt von allgemeinen anderen
Organisationsmethoden ab.
Die Literatur zu Empowerment (Kap. 3.1) legt nahe, dass die Teilnahme an
Organisationsabläufen, insbesodere wenn es um Entscheidungen geht und die soziale
Unterstützung im Bedarfsfall, sei es durch Lehrer/innen oder durch Mitschüler/innen
(supportive environment), als gute Indikatoren für Empowerment angesehen werden können.
Wir untersuchen im folgenden nachstehende Hypothesen:
Die Raucherprävalenz einer Schule bei den 15-jährigen Jugendlichen ist desto geringer:
- je höher das Niveau der Partizipation am Schulgeschehen für Schüler/innen ist;
- je mehr und je zuverlässiger Schüler/innen im Bedarfsfall auf die Unterstützung
ihrer Lehrer/innen zählen dürfen;
- je besser das Klassenklima ist.
Insbesondere für die Lehrer/innenunterstützung ist schon gezeigt worden, dass das
individuelle Rauchverhalten mit der individuellen Einschätzung, zuwenig oder ausreichend
Unterstützung von den Lehrerinnen und Lehrern zu erhalten korreliert (vgl. Grafik 18). Das
bedeutet aber eben nur, dass Schüler/innen, die sich benachteiligt fühlen, zugleich auch
rauchen, was beides durch einen dritten dahinterliegenden intervenierenden Faktor bedingt
sein kann, wie etwa Persönlichkeitsmerkmale. Deshalb gerade ist es notwendig, mit Hilfe der
Mehrebenenanalyse zu prüfen, inwieweit dieser Zusammenhang nicht eine strukturelle
Komponente hat. Das geschieht durch die Annahme, dass mögliche Drittfaktoren über alle
Schulen gesehen gleichmäßig verteilt sind. Man kann Annehmen, dass es an jeder Schule
Schüler/innen geben wird, die subjektiv das Gefühl haben zuwenig Hilfe zu erhalten.
Unterschiede im Niveau dieser subjektiven Einschätzung dürften jedoch der Schule und der
Schulqualität zuzuschreiben sein. In der Mehrebenenanalyse wird daher geprüft inwieweit
diese Unterschiede mit Unterschieden in der Raucherprävalenz korrelieren.
112

In der Grafik 38 ist das Ausmaß der Lehrer/innenunterstützung als Mittelwert pro Schule
dargestellt, wobei die Werte von –1 (= hohes Ausmaß Lehrer/innenunterstützung ) bis +1
(niedriges Ausmaß Lehrer/innenunterstützung) schwankt. Sowohl innerhalb der einzelnen
Länder wie auch zwischen den Ländern ist eine starke Streuung gegeben. D.h., dass sich
die einzelnen Schulen bezüglich des Niveaus der Lehrer/innenunterstützung stark
unterscheiden. Österreich liegt in etwa im Durchschnitt der 7 Länder, Finnland merklich
darunter (heißt: geringe duchschnittliche Lehrer/innenunterstützung), Dänemark und
Deutschland deutlich darüber (heißt: hohe durchschnittliche Lehrer/innenunterstützung). In
Österreich ist die Streuung zwischen den Schulen besonders groß. 50% der Schulen liegen
im mittleren Berieich, 25% weichen in die postive und 25% in die negative Richtung ab.
Grafik 38: Mittel Lehrer/innenunterstützung im Vergleich der 7 Länder dargestellt in
Boxplots (Analyse gewichtet nach Anzahl der Schüler/innen)
Mittel Unterstützung Lehrer
1,5
1,0
,5
0,0
-,5
-1,0
-1,5
N =
Land
134
60
88 44
45 80 98
Austria
208
215
178 201 180
252 373 381 281 244 383 279 364 315 249
269 235
230 291
262 260
266
541
720
746
671
761 682 750
712
86 158 108 153 158
Finland
Norway
Denmark Deutschland Schottland
Wie die Mehrebeneneananlysen ergeben besteht zwischen der Raucherprävalenz und dem
Ausmaß an Partizipationsmöglichkeiten bezogen auf das Schulgeschehen kein
eigenständiger signifikanter Zusammenhang. Der bivariate Zusammenhang zwischen den
beiden Variablen ist zwar signifikant gegeben in dem Sinn, dass die Raucherprävalenz in
Schulen mit hoher Patizipationsmöglcihkeiten niedriger zu sein scheinen. Tatsächlich aber
entsteht dieser Zusammenhang nur über die kovariierende (confounding) Variable der
Lehrer/innenunterstützung.
113
119
850
833 806 896 912
852
809
914 838
807 829 843 870 905
Wales

Die Lehrer/innenunterstützung zeigt den erwarteten Einfluss: hohe Unterstützung korreliert
signifikant mit niedriger Raucherprävalenz. Der Zusammenhang ist hochsignifikant und stark
ausgeprägt (Modell 12 in Tabelle 13).
Für das Klassenklima ziegt sich jedoch in unerwartete Weise, dass zwar ein signifikanter
Zusammenhang besteht, aber in umgekehrter Richtung: je besser das Klassenklima, umso
mehr wird geraucht! Der Zusammenhang ist zwar ebenfalls signifikant, aber nicht so stark
wie bei der Lehrer/innenunterstützung (Modell 13 in Tabelle 13).
Betrachtet man die beiden Variablen in einem gemeinsamen Modell, so zeigt sich, dass die
Erklärungskraft beider Variablen ansteigt (Modell 14 in Tabelle 13). Daraus kann man auf
Interaktionseffekte schließen, die in die folgende Richtung gehen dürften: Wenn beide
Faktoren zusammenkommen, ein niedriges Maß an Lehrer/innenunterstützung und eine gute
Klassengemeinschaft, verstärken sich die beiden Faktoren in Richtung höhere
Raucherprävalenz. Idealtypisch entspräche das einer Schule in der zwischen Lehrerinnen
und Lehrern und Schülerinnen und Schülern tendenziell kein gutes Verhältnis besteht,
sodass die Schüler/innen in der Klassengemeinschaft in Kleingruppen verstärkte zu
rebellischem abweichendem Verhalten tendieren.
6.5.5 Der Zusammenhang zwischen Rauchen, Empowement und Schulpolitik
In einem Gesamtmodell der Schulpolitik- und Empowermentvariablen (unter Hinzunahme
des wichtigen Faktors: Schicht) ändert sich an den bisher referierten Ergebnissen nichts. Alle
Faktoren zeigen weiterhin signifikante und von einander unabhängige Einflüsse auf die
Raucherprävalenz (Modell 15 in Tabelle 13). Es zeigt sich aber, dass die
Empowementvariablen den bedeutenderen Einfluss haben. Dass heißt mehr noch als über
Raucherregeln für Schüler/innen und für Lehrer/innen und deren Durchsetzung kann die
Schule durch Verbesserung ihrer Empowermentstrukturen die Raucherprävalenz bei 15jährigen
Jugendlichen beeinflussen.
Man kann diesen Zusammenhang auch so verstehen, dass beide Faktoren – Tabakpolitik
und Empowerment – in Kombination erfolgversprechender sind. Nur an Schulen mit einem
hohem Level an Lehrer/innenunterstützung wird von den Schülerinnen und Schülern die
Tabakpolitik und die Vorbildrolle der Lehrer/innen akzeptiert.
Um diesen Zusammenhang in der Logik der Odds Ratio auszudrücken: in Schulen mit einem
niedrigen Level an Lehrer/innenunterstützung ist die Chance, dass die Schüler/innen täglich
114

auchen, fast neunmal höher als in Schulen mit einem hohen Ausmaß an
Lehrerunterstützung (vgl. Graphik 39).
Grafik 39: Die Wahrscheinlichkeit, dass Schüler/innen täglich rauchen, in
Abhängigkeit vom Niveau der Lehrer/innenunterstützung an den Schulen der 7 Länder
Odds ratio
10
8
6
4
2
0
Schools with without
sufficient teacher support
Quelle: EU-BIOMED II-CAS
6.5.6 Der Zusammenhang zwischen Rauchen, staatlicher Tabakpolitik und Empowerment
Die dargestellten Zusammenhänge sind nicht länderspezifisch, dass heißt, sie gelten in allen
7 verglichenen Ländern in gleicher Weise und unabhängig von der jeweiligen nationalen
Tabakpolitik. Es ergeben sich vor allem drei Faktoren, durch welche die Raucherprävalenzen
an Schulen erklärt werden können, wobei jedoch alle drei Faktoren nicht die gesamte
Varianz erklären können: das sind das Vorhanden-Sein von Zigarettenautomaten, der
Zigarettenpreis und das Empowerment im Sinne der Verfügbarkeit von Unterstützung.
In der Biomed-Studie CAS konnte gezeigt werden, das Länder die in Bezug auf diese drei
Fakoten schlecht abschneiden eine hohe Raucherprävalenz haben. Stellt man alle drei
neben einander, zeigt sich, dass keines der einbezogenen Länder in jeder Hinsicht eine
optimale Performance hat. Für Österreich und Deutschland, die Länder mit der höchsten
Raucherprävalenz bei 15-jährigen, gilt zugleich, dass sie bei 2 dieser Faktoren ganz untern
rangieren.
115

Grafik 40: Vergleich der 7 Länder in Bezug auf die Faktoren Zigarettenautomaten,
Zigarettenpreise und Lehrerunterstützung an den Schulen
Lehrerunterstützung
niedrig hoch
-0,1 0,4
DEN
GER
NOR
AUT
SCO
WAL
FIN
Quelle: EU-BIOMED II-CAS
Zigarettenautomaten
ja teilw. nein
0 1 2
NOR
BEL
DAN
FIN
SCO
WAL
AUT
GER
6.5.7 Der Einfluss der Persönlichkeit, der Familie und Peergruppe auf das Rauchverhalten
der Schüler/innen
Wie weiter oben angedeutet wurde, muss im Einklang mit der internationalen Literatur
angenommen werden, dass auch individuelle Persönlichkeitsmerkmale das Rauchverhalten
beeinflussen. Es wurden bereits die Konzepte vorgestellt, auf Basis derer die
Persönlichkeitsmerkmale operationalisiert worden sind. Es handelt sich dabei um die
Konzepte Kohärenzsinn, Selbstwirksamkeit und Angepasstheit an Schulnormen.
Gleichermaßen ist zu prüfen inwieweit die Familiensituation und die Anbindung an
Peergruppen mit den Raucherprävalenzen zusammenhängen. Beide Faktoren werden in
dieser Untersuchung im Sinne des Empowerments eingebracht. Dass heißt: es wird danach
gefragt inwieweit die Familie bzw. die Peergruppe eine Unterstützungsleistung erbringt.
Enscheidend ist daher in diesem Kontext ob der oder die Jugendliche - ähnlich wie schon in
Bezug auf die Lehrer/innen – im Bedarfsfall von Familie oder Freunden (Peergruppe) Hilfe
bzw. Kommunikationsmöglichkeiten angeboten bekommt.
Im Modell 16 (siehe Tabelle 13) wird die Persönlichkeitsvariable Kohärenz-Gefühl als
signifikant ausgewiesen. Dass heißt, die Raucherprävalenz erhöht sich mit einem
116
NOR
FIN
SCO
WAL
DAN
BEL
AUT
GER
Preis
in €
0 2 4 6

ungünstigen oder brüchigen Kohärenzgefühl signifikant, und zwar für Knaben und Mädchen,
für Ober- und Unterschicht in gleicher Weise. Da wir wissen, dass das Rauchverhalten
sowohl geschlechts- wie auch schichtspezifisch ist, kann zuverlässig gefolgert werden, dass
diese Einflüsse durch eine geschlechts- und schichtspezifische Ungleichverteilung bezogen
auf das Kohärenzgefühl entstehen. Das verweist auf die Bedeutung der Sinnproblematik in
der Pubertät, die demnach für Mädchen und für Unterschichtkinder dramatischer und
schwerer zu lösen ist.
Die Selbstwirksamkeit hingegen hat keinen eigenständigen Einfluss. Das kann dahingehden
interpretiert werden, dass hohe Selbstwirksamkeit und hohes Kohärenzgefühl bzw. das
jeweilige Gegenteil zusammenhängen, wobei Kohärenzgefühl das dominantere Merkmal ist.
Wer über ein positives Kohärenzgefühl verfügt wird zugleich auch an seine eigene
Wirksamkeit glauben bzw. in seinen konkreten Erfahrungen diesbezüglich weniger gefordert
sein.
Im Modell 17 (siehe Tabelle 13) werden Variablen aufgenommen, welche die Unterstützung
messen, die die Jugendlichen von Familie und Peergruppen erhalten. Es werden die
Variablen „Probleme mit der Familie besprechen können“ und „Probleme mit dem besten
Freund besprechen können“ und „Probleme mit der Peergruppe besprechen können“ in die
Analysen mit aufgenommen. Für alle drei Variablen gilt, dass sie eine hochsignifikante
Einfluss auf die Raucherprävalenz haben, allerdings in verschiedener Richtung. Die
Unterstützung durch die Eltern bewirkt, wenn sie gegeben ist, eine Reduktion der
Raucherprävalenz, die Unterstützung der Freunde indiziert Rauchen.
Zur weiteren Klärung des Einflusses der Freunde wird als Differenzierungsmerkmal eine
Variable eingeführt, welche die Angepasstheit des Freundeskreise bzw. der Peergruppe, der
gleichaltrigen Personen, mit denen sich die Jugendlichen regelmäßig treffen, misst. Im
Modell 18 (siehe Tabelle 13) sind diese kovarianten Zusammenhänge berechnet. Abermals
zeigt sich, dass die Unterstützung durch die Familie und ein positives Kohärenzgefühl für die
Prävention von Rauchen günstige Faktoren sind. Ihr Einfluss ist jedoch geringer als jener,
der von den Peers ausgeht. Die Raucherprävalenzen in Schulen sind daher dann besonders
hoch, wenn Schüler/innen mit einem eher beschädigten Kohärenzgefühl ihre Probleme eher
mit FreundInnen als mit der Familie besprechen und wenn diese Freunde tendentiell
gegenüber der Schule eine negative, abwehrende, ignorante oder rebellische Haltung
einnehmen. Schüler/innen für die diese Faktoren zutreffen haben eine besonders hohe
Wahrscheinlichkeit zu rauchen.
117

Schüler/innen, die ihre Probleme eher in der Familie besprechen können, ein positives
Kohärenzgefühl haben und in eher angepassten Peergruppen verkehren und ihre Probleme
bearbeiten, haben eine geringere Wahrscheinlichkeit zu rauchen.
Im Modell 19 (siehe Tabelle 13) werden die Peer- und Familienvariablen in einem Modell mit
dem Klassenklima betrachtet. Die Variable Klassenklima verlieren dabei an Signifikanz. Das
dürfte bedeuten, dass das Klassenklima als ein Konstrukt, welches die Beziehungen aller
Mitschüler/innen zu allen Mitschülerinnen und Mitschülern umfasst, zu unspezifisch ist. Viel
mehr besteht eine Klasse aus verschiedenen Peergruppen. Wichtiger ist es daher, das
Augenmerk auf die Peergruppen in den Schulklassen zu lenken. Angepasste Peers rauchen
weniger als unangepasste Peers.
118

Tabelle 13: ML-Modelle zwischen der der abhängigen Variable "täglich rauchen" und
den staatlichen -, schulbasierten Tabakpolitiken, dem Empowerment und den
Persönlichkeits-, Familie- und Peervariablen
Modelle Definition
des logit
Modelle nationale Politik
Modell 4 logit=
cons2+
verk_zig+
preis_z+
Modell 5 logit=
cons2+
verk_zig+
preis_z+
Modelle Schulpolitik
Modell 6 logit=
cons2+
regel_l+
regel_s
Modell 7 logit=
cons2+
sco_enfs+
Modell 8 logit=
cons2+
expo_new
Modell 9 logit=
cons2+
expo_new+
sco_enfs+
logit für täglich
rauchen
Binomial
(denom ij πij)
Binomial
(denom ij πij)
(Binomial
denom ij πij)
Binomial
(denom ij πij)
Binomial
(denom ij πij)
Binomial
(denom ij πij)
Modelle nationale Politik und Schulpolitik
Modell 10 logit=
cons2+
expo_new+
sco_enfs+
verk_z
Modell 11 logit=
cons2+
expo_new+
sco_enfs+
preis_z+
Modelle Schulkultur
Modell 12 logit=
cons2+
ls
Modell 13 logit=
cons2+
srle
Modell 14 logit=
cons2+
srle+
ls
Modelle Schulkultur und Schulpolitik
Modell 15 logit=
cons2+
Binomial
(denom ij πij)
Binomial
(denom ij πij)
Binomial
(denom ij πij)
Binomial
(denom ij πij)
Binomial
(denom ij πij)
Binomial
(denom ij πij)
Konstante Fixed effects Streuung des
random effects
-3,416 (0,153)*
-3,298 (0.649)*
-1,298 (0,151)
-1,593 (0.087)*
-2,765 (0,121)*
-2,867 (0,143)*
-3,475 (0,332)*
-1,435 (0,418)*
-1,753 (0,045)*
-0,915 (0,032)*
-1,362 (0,049)*
-1,823 (0,166)
119
0,579 (0,028)*
0,177 (0,024)*
0,560 (0,160)*
0,160 (0,067)*
-0,023 (0,059)
-0,003 (0,050)
0,003 (0,001)
-0,001(0,000)
0,017 (0,012)
0,010 (0,006)
0,195 (0,079)* 0,012 (0,0008)
0,732 (0,072)* 0,011 (0,007)
0,791 (0,068)*
-0,037 (0,073)
0,721 (0,187)*
-0,101 (0,285)
0,378 (0,132)*
0,715 (0,194)*
-0,045 (0,262)
-0,288 (0,088)*
0,004 (0,005)
0,024 (0,019)
0,217 (0,123)
0,509 (0,288)
0,235 (0,132)
0,421 (0,242)
-1,569 (0,223)* 0,227 (0,143)
2,216 (0,458)* 1,390 (0,774)
2,882 (0,501)*
-2,343 (0,526)*
1,655 (0,937)
1,793 (1,001)

sco_ens2+
expo_new+
srle+
ls+
schi
Modelle Definition
des logit
logit für täglich
rauchen
Modelle Persönlichkeit, Familie und Peer
Modell 16 logit=
cons2+
selb+
koh2_1+
sex+
ls+
schi+
Modell 17 logit=
cons2+
prob_fam+
ang1+
gesp_pee+
prob_pee+
koh2_1+
selb
Modell 18 logit=
cons2+
koh2_1+
sex+
ls+
ang1+
par1+
par2
Modell 19 logit=
cons2+
prob_fam+
ang1+
gesp_pee+
prob_pee+
koh2_1+
ls
*signifikante Werte
Binomial
(denom ij πij)
Binomial
(denom ij πij)
Binomial
(denom ij πij)
Binomial
(denom ij πij)
120
-0,844 (0,335)
0,679 (0,184)*
3,484 (0,458)*
-2,586 (0,574)*
-1,613 (0,465)*
0,717 (0,409)
0,205 (0,116)
1,324 (0,783)
2,143 (1,231)
1,343 (0,808)
Konstante Fixed effects Streueung des
random effects
-0,950 (0,260)*
-2,295 (0,209)*
-1,424 (0,278)*
-1,598 (0,172)*
-0,060 (0,109)
-0,446 (0,148)*
0,247 (0,150)
-0,228 (0,126)
-0,041 (0,146)
-0,451 (0,173)*
0,925 (0,145)*
0,623 0,195)*
0,970 (0,196)*
-0,346 (0,165)*
0,082 (0,126)
-0,331 (0,158)*
0,309 (0,154)
-0,378 (0,131)*
0,812 (0,127)*
0,122 (0,071)
0,125 (0,115)
-0,550 (0,151)*
0,838 (0,127)*
0,576 (0,174)*
0,840 (0,158)*
-0,265 (0,156)
-0,218 (0,134)
0,030 (0,125)
0,177 (0,212)
0,080 (0,042)
0,000 (0,000)
0,083 (0,221)
0
0
0,207 0,299
0,302 0,329
0
0
0,326 (0,245)
0,076 (0,042)
0,000 (0,000)
0,000 (0,000)
0,000 (0,000)
0,084 (0,132)
0
0
0,344 (0,172)
0
0,281 (0,222)
0

Um die Zusammenhänge in ihrer Komplexität darzustellen, haben wir im weiteren mit den
Variablen, die sich in den Mehrebenenanyalysen als erklärungskräftig für die
Raucherprävalenz der 15-jährigen Jugendlichen erwiesen haben, multivariate Modelle
gerechnet. In Tabelle 19 sind die Ergebnisse dargestellt.
Tabelle 14: Logistische Regression zwischen der abhängigen Variable täglich
Rauchen und den Variablen selb, koh2_1, ang1, srle_n_k (Fragen f8 und f9), ge_pe_k,
pro_fa_k und pro_pe_k.. Es wird nur die Gruppe der 15 jährigen Jugendlichen
untersucht. Gerechnet wurden die Wahrscheinlichkeiten für die Nichtraucher/innen;
die angegebenen Werte sind daher auch als Steigerung oder Verringerung der
Nichtraucher/innen-Quote im Verhältnis zu einer gegebenen Nichtraucher/innen-Quote
zu verstehen.
Referenzgruppen zur logistischen Regression
geschätzter
Wohlstand
Selbständig
Wohlbefinden
Klassengemeinschaft
Unterstützung Lehrer
Angepaßtheit 1
Mitbestimmung
Lebenssinn
Problemhilfe Peer
Problemhilfe Familie
Gespräch in Peer
Gespräch in Familie
Sex
Codierungen kategorialer Variablen
arm
mittel
reich
unselbständig
neutral
selbständig
wohlfühlen
neutral
nicht wohlfühlen
positiv
neutral
negativ
gute Unterstützung
neutral
schlechte Unterstützung
sehr angepaßt
neutral
nicht angepaßt
mitbestimmen
nicht mitbestimmen
negativ
positiv
schlecht
gut
schlecht
gut
schlecht
gut
schlecht
gut
Boy
Girl
121
Parametercodierung
Häufigkeit (1) (2)
128 1,000 ,000
924 ,000 1,000
164 ,000 ,000
248 1,000 ,000
709 ,000 1,000
259 ,000 ,000
327 1,000 ,000
658 ,000 1,000
231 ,000 ,000
478 1,000 ,000
699 ,000 1,000
39 ,000 ,000
172 1,000 ,000
682 ,000 1,000
362 ,000 ,000
97 1,000 ,000
692 ,000 1,000
427 ,000 ,000
609 1,000
607 ,000
619 1,000
597 ,000
540 1,000
676 ,000
733 1,000
483 ,000
494 1,000
722 ,000
985 1,000
231 ,000
534 1,000
682 ,000

Schritt
1 a
Schritt
2 b
Schritt
3 c
Schritt
4 d
Schritt
5 e
Schritt
6 f
Schritt
7 g
a.
b.
c.
d.
e.
PRO_PE_K(1)
Konstante
ANG1
ANG1(1)
ANG1(2)
PRO_PE_K(1)
Konstante
ANG1
ANG1(1)
ANG1(2)
GE_PE_K(1)
PRO_PE_K(1)
Konstante
ANG1
ANG1(1)
ANG1(2)
Beobachtet
SRLE_N_K(1)
SRLE_N_K(2)
GE_PE_K(1)
PRO_PE_K(1)
Konstante
ANG1
ANG1(1)
ANG1(2)
Beobachtet
SRLE_N_K(1)
SRLE_N_K(2)
GE_PE_K(1)
PRO_FA_K(1)
PRO_PE_K(1)
Konstante
SELB
SELB(1)
SELB(2)
ANG1
ANG1(1)
ANG1(2)
Beobachtet
SRLE_N_K(1)
SRLE_N_K(2)
GE_PE_K(1)
PRO_FA_K(1)
PRO_PE_K(1)
Konstante
SELB
SELB(1)
SELB(2)
KOH2_1(1)
ANG1
ANG1(1)
ANG1(2)
Beobachtet
SRLE_N_K(1)
SRLE_N_K(2)
GE_PE_K(1)
PRO_FA_K(1)
PRO_PE_K(1)
Konstante
In Schritt 1 eingegebene Variablen: PRO_PE_K.
In Schritt 2 eingegebene Variablen: ANG1.
In Schritt 3 eingegebene Variablen: GE_PE_K.
In Schritt 4 eingegebene Variablen: SRLE_N_K.
In Schritt 5 eingegebene Variablen: PRO_FA_K.
f. In Schritt 6 eingegebene Variablen: SELB.
g.
In Schritt 7 eingegebene Variablen: KOH2_1.
Variablen in der Gleichung
Regressions Standardf
koeffizientB
ehler Wald df Sig. Exp(B)
-1,225 ,155 62,329 1 ,000 ,294
-,745 ,082 81,617 1 ,000 ,475
53,378 2 ,000
-2,367 ,474 24,893 1 ,000 ,094
-,889 ,146 37,035 1 ,000 ,411
-1,269 ,159 63,763 1 ,000 ,281
-,134 ,118 1,281 1 ,258 ,875
53,163 2 ,000
-2,362 ,476 24,626 1 ,000 ,094
-,898 ,147 37,129 1 ,000 ,407
-,706 ,173 16,693 1 ,000 ,493
-1,007 ,170 35,014 1 ,000 ,365
,012 ,124 ,009 1 ,925 1,012
38,253 2 ,000
-2,189 ,484 20,488 1 ,000 ,112
-,766 ,153 25,146 1 ,000 ,465
15,243 2 ,000
-,220 ,231 ,910 1 ,340 ,803
-,632 ,165 14,658 1 ,000 ,532
-,759 ,175 18,768 1 ,000 ,468
-,995 ,172 33,468 1 ,000 ,370
,303 ,151 4,026 1 ,045 1,353
34,844 2 ,000
-2,103 ,485 18,845 1 ,000 ,122
-,734 ,154 22,831 1 ,000 ,480
14,056 2 ,001
-,146 ,233 ,391 1 ,532 ,864
-,598 ,166 12,979 1 ,000 ,550
-,738 ,176 17,549 1 ,000 ,478
,426 ,159 7,199 1 ,007 1,531
-1,009 ,173 34,087 1 ,000 ,364
-,024 ,194 ,016 1 ,900 ,976
8,441 2 ,015
,065 ,223 ,084 1 ,771 1,067
-,397 ,187 4,524 1 ,033 ,672
33,403 2 ,000
-2,111 ,488 18,728 1 ,000 ,121
-,716 ,155 21,399 1 ,000 ,489
14,159 2 ,001
-,153 ,235 ,423 1 ,515 ,858
-,605 ,167 13,119 1 ,000 ,546
-,729 ,178 16,695 1 ,000 ,482
,466 ,161 8,339 1 ,004 1,593
-1,021 ,174 34,458 1 ,000 ,360
,154 ,231 ,447 1 ,504 1,167
8,867 2 ,012
-,043 ,229 ,035 1 ,852 ,958
-,465 ,190 6,013 1 ,014 ,628
,342 ,155 4,908 1 ,027 1,408
31,600 2 ,000
-2,042 ,489 17,438 1 ,000 ,130
-,703 ,155 20,537 1 ,000 ,495
13,789 2 ,001
-,131 ,235 ,307 1 ,579 ,878
-,593 ,167 12,603 1 ,000 ,552
-,718 ,179 16,067 1 ,000 ,488
,445 ,162 7,563 1 ,006 1,561
-1,004 ,174 33,141 1 ,000 ,366
,012 ,239 ,002 1 ,962 1,012
122

Die idealtypischen Raucher/innen unterscheiden sich von idealtypischen Nichtraucherinnen
und Nichtrauchern daher nach 6 Merkmalen. Die idealtypischen Raucher/innen haben ein
hohes Maß an Selbstwirksamkeit, dass heißt eigene Problemlösungskompetenz, gehören
einer in Hinblick auf die Schule neutralen, also weder überangepassten noch rebellischen
Peergruppe an und bauen bei der Bearbeitung ihrer Probleme auf die Peergruppe, nicht
jedoch auf die Familie; sie weisen ein eher beschädigtes oder schlecht ausgebildetes
Kohärenzgefühl auf, haben also Probleme mit dem Lebenssinn allgemein und der
Sinnhaftigkeit ihres Alltags im Speziellen; und schließlich erhalten sie in Bezug auf ihre
konkreten Schul- und Alltagsprobleme wenig Unterstützung von Lehrerinnen und Lehrern.
Die Wahrscheinlichkeit von 15-Jährigen zu rauchen ist
höher geringer
um 38% bei Schülerinnen und
Schülern mit einem hohen
Selbstwirksamkeitskoeffizien-ten
gegenüber Schülerinnen und
Schülern mit einem niedrigen
um 73%, wenn Probleme mit engen
Freunden besprochen werden
123
um 41% bei Schülerinnen und Schülern
mit einem stabilen Kohärenzgefühl
gegenüber jenen mit einem
beschädigten Kohärenzgefühl
um 45% bei Schülerinnen und Schülern,
die ein hohes Maß an
Lehrer/innenunterstützung genießen
gegenüber Schülerinnen und Schülern
mit einem geringen
um 87%, wenn die Peergruppe, der um 56% wenn Probleme in der Familie
die Schüler/innen zugehören, weder
angepasst noch unangepasst ist
besprochen werden können

7 Die Methode der Organisationsanalyse
7.1 Zielsetzung der Organisationsanalyse
Das Ziel der Organisationsanalyse war es, die Ergebnisse der quantitativen Analyse, die in
den vorausgehenden Abschnitten dargestellt wurden, zu vertiefen und zu konkretisieren.
Genauer ging es darum, die notwendigerweise allgemein gefassten Begrifflichkeiten des
Fragebogens mit konkreten Inhalten zu füllen. Es sollte also rekonstruiert werden, worin sich
die konkreten Organisationsabläufe, das Verhältnis der Schüler/innen zur Schulleitung und
zu den Lehrerinnen und Lehrern in Schulen unterscheiden, in denen die Schüler/innen in
Bezug auf Partizipation und Empowerment unterschiedliche Einschätzungen abgeben. Als
Frage liess sich formulieren: Welche konkreten Erfahrungen stecken hinter diesen
Einschätzungen?
7.2 Auswahl der Schulen
Um diese Frage zu beantworten, musste das statistisch abstrahierende Niveau der
wissenschaftlichen Beobachtung verlassen werden um mit qualitativen Methoden eine sehr
viel detailliertere Beschreibung der schulischen Realität zu gewinnen. Da dies sehr
aufwendig ist, könnte es selbstverständlich nur für eine geringe Zahl von Schulen
durchgeführt werden. Die Aussagekraft der gewonnenen Daten und Erkenntnisse und deren
Geltungsanspruch hängt dabei maßgeblich von der Qualität der Auswahl der einbezogenen
Schulen ab. Die Logik dieser Auswahl folgte dem Konzept des theoretischen Samplings
(Glaser 1978) welches ein soziales Feld (in unserem Fall: Schulen) in seiner Spezifität über
Merkmale definiert, Extremfälle anhand von Kriterien identifiziert und über deren Vergleich
das gesamte Feld hinsichtlich dieser Merkmale zu erfassen versucht.
Ziel der Auswahl der Schulen war daher, Extremfälle bezüglich bestimmter, uns
interessierender Merkmale zu finden, um untersuchen zu können, ob und wenn ja, wie sich
diese in Hinblick auf unsere Forschungsfrage unterscheiden.
Für die Auswahl der Schulen wurden folgende Merkmale und Kriterien festgelegt:
• Partizipation und Empowerment:
je eine Schule sollte diesbezüglich in der Einschätzung der Schüler/innen hoch bzw.
niedrig scoren. Es wurden dazu die Daten der HBSC-Studie verwendet, die einen
124

ausgeprägten Frageblock hierzu bereitstellt. Es wurden Schulen ausgewählt, die
gegenüber dem österreichischen Durchschnitt diesbezüglich nach unten oder oben
abweichen.
• Gesundheit:
je eine Schule sollte bezüglich der Gesundheit in der Selbsteinschätzung der Kinder
eher hoch bzw. eher niedrig scoren. Auch hierzu wurden die Daten der HBSC-Studie
verwendet. Es wurden Schulen ausgewählt, die gegenüber dem österreichischen
Durchschnitt diesbezüglich nach unten oder oben abweichen.
• Schicht:
je eine Schule sollte einen eher hohen Anteil an Kindern aus der Unterschicht bzw.
einen eher hohen Anteil an Kindern aus der Oberschicht haben. Dieser Faktor wurde
über das Einzugsgebiet der Schule und deren Status (öffentlich/privat) gesteuert und
mittels der Daten des HBSC-Fragebogens kontrolliert.
• Geschlechterverhältnis:
es sollte je eine Schule mit einem möglichst homogenen bzw. einem möglichst
heterogenen Geschlechterverhältnis ausgewählt werden.
• Schulqualität in Bezug auf Empowerment:
es sollte je eine Schule mit einem eher konservativen bzw. mit einem eher
progressiven Selbstverständnis in Bezug auf die gängigen Unterrichtsformen und die
Beteiligung von Schüler/innen an Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen
ausgewählt werden. Mit den Begriffen „konservativ“ und „progressiv“ wurden
ausdrücklich keine Wertungen im Sinne von guter oder schlechter Qualität
verbunden, da Qualität immer nur innerhalb eines Systems definiert und nicht von
außen, schon gar nicht von Wissenschaft vorgegeben werden kann. So muss man
davon ausgehen, dass eine Schule mit konservativem Zuschnitt damit ebenso gute
oder bessere Qualität zu erzeugen trachtet wie eine Schule mit progressivem
Zuschnitt. Zur Definition von „konservativ“ bzw. „progressiv“ wurden folgende
Festlegungen getroffen:
125

Schulqualität „konservativ“ „progressiv“
Unterrichtsformen
Mitgestaltung
Mitentscheidung
- überwiegend
Frontalunterricht
- geringer Anschluss an die
Schüler/innen-interessen
- nur geringe Koordinationen
zwischen den Fächern
wenig, kaum formalisierte
Mitsprache bei der Gestaltung
der Räume, der Hausordnung,
des Schullebens, des
Unterrichts
126
- breites Spektrum an Unterrichtsformen
- Projekte als Teil des
Lehrplanes
- Anschluss an Schüler/inneninteressen
- fächerübergreifende Verbindungen
ausreichende, formalisierte
Mitsprache bei der Gestaltung
der Räume, der Hausordnung,
des Schullebens, des
Unterrichts
Da solche Selbstbeschreibungen von Schulen nicht verfügbar sind, wurde für die Auswahl der
Schulen der Wiener Stadtschulrat bzw. Lehrer/innen und ehemalige Lehrer/innen einzelner in
Frage kommender Schulen um Unterstützung gebeten.
• Stadt/Land: obwohl die quantitativen Analysen keinen Hinweis darauf geliefert haben,
dass die Differenz Stadt/Land in Bezug auf die Forschungsfrage einen Unterschied
macht, sollte je eine Schule in einer Großstadt und je eine Schule in einer Kleinstadt
situiert sein.
Keine Berücksichtigung bei der Auswahl der Schulen wurde dem Schultyp und dem
Bundesland gegeben. Für beide Faktoren konnten keine Hinweise darauf gefunden werden,
dass die Wirkung der untersuchten Merkmale – Partizipation und Empowerment – für die
verschiedenen Schultypen bzw. in den einzelnen Bundesländern jeweils eine andere wäre.
Anders gesagt: die beiden Merkmale sind gegenüber dem Schultyp und dem darin gelehrten
Lehrstoff sowie gegenüber der regionalen Lage der Schule indifferent. Es wurde daher, auch
um die Komplexität der Auswahlkriterien überschaubar zu halten, entschieden, den Schultyp
mit Allgemeinbildenden höheren Schulen konstant zu halten. Für das Bundesland fiel die
(naheliegende) Wahl auf Wien, zur Kontrolle der Stadt/Land-Differenz wurde
Niederösterreich berücksichtigt.

Die Auswahl der Schulen erfolgte in mehreren Schritten. Zunächst wurde auf Basis der
Daten der WHO-HBSC-Studie (Dür, Mravlag 2002) eine Liste jener Schulen der genannten
Bundesländer erstellt, die in Bezug auf das Hauptkriterium – Partizipation und Empowerment
– entweder überdurchschnittlich hoch oder unterdurchschnittlich niedrig liegen. Für diese
Schulen wurde sodann ermittelt, wie der durchschnittliche selbsteingeschätzte
Gesundheitszustand der Schüler/innen ist. Es ergab sich eine Liste von Schulen, die in
Bezug auf beide Kriterien entweder hoch oder niedrig liegen und daher ein prononciertes
Profil aufweisen. Die weiteren Kriterien wurden in einem dritten Schritt an diesen Schulen
systematisch abgearbeitet.
Ein letztes Auswahlkriterium ergab sich aufgrund der Kooperationsbereitschaft der
angefragten Schulen. Die Rekrutierung der Schulen fiel in das Wintersemester bzw. frühe
Sommersemester des Schuljahres 2001/02, das mit heftigen Auseinandersetzungen
zwischen der obersten Schulbehörde und den Schulen begonnen hatte, die bis zu Streiks
und Aktionstagen reichten. Für die Durchführung wissenschaftlicher Studien in Schulen war
der Zeitpunkt jedenfalls denkbar schlecht, da die Schulen insgesamt beschlossen hatten,
sogenannte „Extras“ nicht mehr durchführen zu wollen, worunter neben außerordentlichen
Schulveranstaltungen (Wandertage, Schiwochen) auch wissenschaftliche Studien gemeint
waren. Als Studie, die vom schulzuständigen Ministerium mitfinanziert wurde, war es noch
einmal schwieriger und bedurfte einiger Überredungskunst, überhaupt Kooperationspartner
zu finden.
Im Zusammenspiel aller Kriterien ergab sich schließlich eine Auswahl von drei Schulen,
deren eine durch eine interne Differenzierung in zwei sehr unterschiedliche Schul- und
Unterrichtsformen ausreichend heterogen ist, um den Kriterien entsprechend quasi virtuell
als zwei Schulen gezählt zu werden. Das ergab überdies die günstige Möglichkeit, dass der
Faktor Schulqualität unter Konstanthalten der anderen Faktoren in seiner Wirkung untersucht
werden konnte.
Die ausgewählten Schulen
Den Schulen wurde absolute Anonymität und Vertraulichkeit zugesichert, wie das bei so
heiklen Dingen wie einer Organisationsanalyse, für die die Schule letztlich als Auftraggeber
auftreten muss, selbstverständlich ist. Die Schulen werden als A, B, C1+2 bezeichnet. Im
Folgenden werden die Schulen kurz charakterisiert, wobei die Anonymität der Schulen
gewährleistet bleibt.
127

7.2.1 Schule A
Die Schule A ist eine Höhere Lehranstalt. Das Einzugsgebiet der Schule bzw. die Population,
aus der sie ihre Schüler/innen – teils von weit - rekrutiert, tendiert im Vergleich zur unteren
Mittelschicht und Unterschicht. Die Schule wird traditionell geführt und weist eher
konservative Züge auf. Progressive Tendenzen können dennoch in der Anwendung mancher
Lehrmethoden festgestellt werden, vor allem, indem Projekte durchgeführt werden. Der
Gesundheitszustand der Schüler/innen und ihr Gesundheitsverhalten ist im
gesamtösterreichischen Vergleich leicht unterdurchschnittlich. Die Klasse ist gemischt,
besteht aber zum Großteil aus Mädchen.
7.2.2 Schule B
Die Schule B ist eine eher kleine Privatschule und zeichnet sich durch ihren Ruf als
Eliteschule aus. Die Schule rekrutiert ihre Schüler aus der Mittel- und Oberschicht. Die
Schule ist in ihrem Selbstverständnis eher konservativ und bietet kaum Momente der
Partizipation für die Schüler. Die Unterrichtsmethoden sind sehr traditionell, gepaart mit
einem markanten Leistungsbewusstsein. Das Geschlechterverhältnis ist äußerst homogen,
indem die Schule ausschließlich Knaben aufnimmt. Der Gesundheitszustand der Schüler ist
leicht überdurchschnittlich gut.
7.2.3 Schule C (C1, C2) 18
Die Schule C ist ein großes Gymnasium in einer Kleinstadt und hat allgemein einen guten
Ruf. Ihr großes Einzugsgebiet bzw. die Population ihrer Schüler/innen ist gemischt, aber
überwiegend mittelständisch. Sie weist eine interne Differenzierung in zwei Richtungen auf:
während der größere Teil der Schule als ein „normales“, durchschnittliches Gymnasium
geführt wird, wird ein kleinerer Teil (zwei von fünf Klassen der ersten Schulstufe, eine von
drei Klassen der 7. Schulstufe) seit 3 Jahren als eine Art Schulversuch geführt, in dem in
einem hohen Ausmaß die Methode des offenen Unterrichtens praktiziert wird. Partizipative
Strukturen und selbstverantwortliches Handeln der Schüler/innen sind in diesem Curriculum
daher sehr ausgeprägt. Die am Schulversuch teilnehmenden Jugendlichen entstammen
häufiger aus Akademikerfamilien. Der normale Studiengang wird hier als C1 bezeichnet, der
alternative Schulversuch wird als C2 bezeichnet. Die Klassen sind gemischtgeschlechtlich.
18 Die Schule C wird im vorliegenden Bericht nur wenn die Unterscheidung zwischen der normal geführten Schule
und der alternativ geführten Schule von Bedeutung ist als C1 für die erstere und C2 für die letztere bezeichnet,,
ansonsten wird die Schule mit Schule C benannt.
128

Der Gesundheitszustand und das Gesundheitsverhalten aller befragten Schüler/innen ist
leicht überdurchschnittlich gut.
7.2.4 Die befragten Klassen
Aus der Schule A wurde eine Klasse der 9 Schulstufe befragt (Mädchen 27, Buben 2). Aus
der Schule B wurden 2 Klassen eine aus der 7 Schulstufe (18 Buben) und eine aus der 9.
Schulstufe (23 Buben) befragt. Aus der Schule C1 wurden 2 Klassen eine aus der 7
Schulstufe (22 Mädchen, 2 Buben) und 1 Klasse aus der 9 Schulstufe (8 Mädchen, 7 Buben)
und der Schule C2 1 Klasse aus der 7 Schulstufe (23 Mädchen, 7 Buben) befragt. Insgesamt
wurden 6 Schulklassen mit jeweils etwa 25 Schüler/innen in die Studie einbezogen, die in
jeweils 3 Fokus Gruppen interviewt worden sind. In allen drei/vier Schulen wurden darüber
hinaus jeweils die Schulleiterin bzw. der Schulleiter sowie 2 Lehrer/innen interviewt. In der
Schule C wurde darüber hinaus mit dem Schuladministrator ein Interview durchgeführt.
7.2.5 Vergleiche
Mit dieser Auswahl der Schulen lassen sich Vergleiche zwischen konservativen und
progressiven Schulen machen und zwischen den Schulen mit Schülerinnen und Schülern
aus tendenziell unterschichtigen, mittelschichtigen und oberschichtigen Elternhäusern. Es
kann der Effekt des Geschlechterverhältnisses berücksichtigt werden. In nachstehender
Übersicht ist angegeben, wie die ausgewählten Schulen in Hinblick auf die
Hauptfragestellung der Studie – das Verhältnis von Empowerment und Gesundheit - liegen.
In Klammer ist der Schicht-Bias der Schule angegeben.
129

Tabelle 15: Eine Übersicht der ausgewählten Schulen nach Schulqualität und
Gesundheit der Schüler/innen (schematische Darstellung; in Klammer der Schicht-
Bias der Schule: OS = Oberschicht, US = Unterschicht)
GESUNDHEIT DER
SCHÜLER/INNEN IST ...
überdurchschnittlich ---
durchschnittlich
unterdurchschnittlich
Schulqualität ist
konservativ
130
Schulqualität ist
progressiv
C1 (US)
B (OS) C2 (OS)
A (US)
Wie sich zeigt, passen die ausgewählten Schulen in dieser schematischen Darstellung
einigermaßen gut in das Linearmodell der quantitativen Analysen, wonach zu erwarten war,
dass Schulen mit mehr oder weniger ausgeprägten Ansätzen zu Schüler/innen -
Empowerment (progressive Schulqualität) in der Tendenz gesündere Schüler/innen haben
werden, wobei die Differenz hier vor allem durch die Hinzunahme des
Gesundheitsverhaltens (Rauchens!) entsteht. Interessant die Positionen von C1 und C2, die
eigentlich in umgekehrter Anordnung erwartet worden waren. Für die Position der Schule B
muss zusätzlich gesehen werden, dass sie nur Knaben hat, was den Gesundheitsindikator
im Vergleich mit Mädchen nach oben anhebt. Ähnlich wäre der Effekt der Schicht
einzuschätzen.

Tabelle 16: Übersicht der Schulen nach Auswahlkriterien (schematische Darstellung)
Auswahlkriterien Schule A Schule B Schule C1 Schule C2
Partizipation wenig wenig durchschnittlich viel
Gesundheit unterdurchschnittlich
durchschnittlich überdurchschnittlich
131
durchschnittlich
Schicht-Bias Unterschicht- Oberschicht- Mittelschicht- Oberschicht-
Bias
Bias
Bias
Bias
Geschlechterverhältnis
gemischt nur Knaben gemischt gemischt
Schulqualität konservativ
progressiv
7.3 Die Methode der Organisationsanalyse
konservativ progressiv
konservativ
progressiv
Grundsätzlich versucht eine Organisationsanalyse, die Strukturen und Prozesse zu
rekonstruieren, aus denen eine bestimmte Organisation im Sinne des Theorems der
Autopoiesis (Luhmann 1984; Maturana 1982) besteht, die ihren Fortbestand sichern und mit
deren Hilfe sie sich selbst reproduziert. Einschränkend gilt für unsere Analyse, dass diese
Rekonstruktion sich nur auf bestimmte Aspekte der Organisation bezieht, nämlich auf die
Formen der Beteiligungen an Entscheidungsprozessen, und ein besonderes Auge darauf
hat, in welchem Verhältnis diese zu Wohlbefinden und Gesundheit der Jugendlichen stehen.
Dabei müssen im Verständnis der modernen Systemtheorie zwei Ebenen auseinander
gehalten werden: eine operative, die angibt, durch welche konkreten Operationen der
Alltagsvollzug des Systems nach innen gewährleistet wird, und eine semantische, durch die
das System seinen Umweltkontakt regelt und seine spezifische inhaltlich-funktionale
Bedeutung erhält - für sich selbst und für andere. Beide Ebenen sind nicht als Beobachtung
erster Ordnung zu haben, denn das hieße, im System selber mitzuwirken und die Vollzüge
mit zu vollziehen. Und das hieße dann eben gerade nicht, den Vollzug der Vollzüge zu
beobachten, sondern statt dessen, indem man vollzieht, die interne und externe Umwelt, aus
der das System die für die alltäglichen Vollzüge notwendigen Informationen bezieht. Um die
Operation selbst in den Blick zu bekommen, was hier unsere wissenschaftliche Aufgabe ist,
muss man die Beobachter/innen beobachten, muss sich auf die Position der

Beobachter/innen zweiter Ordnung im Sinne (Von Foerster 1985) begeben, und das
bedeutet zu sehen, wie die Beobachter/innen erster Ordnung (das beobachtete System)
sehen, was sie sehen.
Übertragen auf die Organisation Schule folgt aus diesen allgemeinen systemtheoretischen
Bestimmungen, dass die Analyse die Selbstbeschreibungen des Systems in den Blick
bekommen muss. Solche Selbstbeschreibungen kursieren in sozialen Systemen und also
auch in Schulen auf unterschiedliche Weisen bzw. in unterschiedlicher Form. Sie können
schriftlich festgelegt sein in Form von Leitbildern und Schulprofilen, sie können als
Hausordnung gedruckt und ausgehängt sein, in der alle von der Schule als relevant
angesehenen Regeln enthalten sind, sie können etwas vager als protokollierte
Entscheidungen aus Konferenzen vorliegen, sie können aber auch nur in kommunikativ
immer wieder abgerufenen Erinnerungen an solche Entscheidungen existieren. Insofern
Selbstbeschreibungen die Selbstwahrnehmung des Systems wiedergeben, können sie
schließlich – und das ist in Schulen sicher der Standardfall – in Form von mehr oder weniger
geteilten Annahmen, Ansichten, Einschätzungen, Geschichten, Überlieferungen und
Vorurteilen der Teilnehmer/innen am System gegeben sein.
Methodisch wird also vor allem diesen „weichen“ Formen der systemischen
Selbstbeschreibungen nachgegangen werden. Es werden aber auch die quasi offiziellen
Dokumente zur Selbstdarstellung der Schulen berücksichtigt.
Für die Erfassung dieser weichen Selbstbeschreibungen des Systems sind alle
Teilnehmer/innen in gleicher Weise zu berücksichtigen, das sind neben der Schulleitung
auch die Lehrer/innen und die Schüler/innen. Auf die Eltern wurde verzichtet. Dass bei
Untersuchungen von Kindern und Jugendlichen selten Methodologien angewandt werden,
die Kindern- und Jugendlichen als aktiv Teilnehmende in ihrem eigenen Leben fokussiert,
wird in neueren Studien im Bereich der Gesundheitsforschung kritisiert. Sie machen auf die
Notwendigkeit der Perspektive der Beteiligten aufmerksam, die valide und eine gute Qualität
der Information gewährleistet.
Fokus Gruppen
Eine geeignete Methode für die Organisationsanalyse ist das Fokus Gruppeninterview,
wobei die Fokus Gruppen bei den Schülerinnen und Schülern nach Zugehörigkeit zu ihren
klassenspezifischen Peergruppen gebildet wurden. Die Vorteile der Fokus Gruppe
gegenüber dem Einzelinterview liegen darin, dass spontane Reaktionen hervorgerufen
132

werden und die Beteiligten mehr Freiraum haben, sich in ihrer eigenen Sprache
auszudrücken, was in qualitativen Einzelinterviews oft nicht der Fall ist, weil sich die
Befragten an die Vorgaben der Inteviewer/innen orientieren.
Neben der Offenheit ist eine Fokusgruppe eine sorgfältig geplannte Diskussion (Krüger
1994). Das Ziel von Fokus Gruppen ist es Situationen zu erzeugen, in denen
Lebenserfahrungen und Systembeschreibungen aus der Sicht der Teilnehmer/innen eines
sozialen Systems generiert werden. Eine geeignete Befragungsmethode hierbei ist die
Erzählung, worunter kleinere oder größere Erfahrungs- bzw. Erlebnisberichte verstanden
werden. Die Erzählungen über das Leben und Zusammenleben in einer Peergruppe oder im
Klassenzimmer können als Selbstbeschreibungen des sozialen Systems verstanden werden
im Sinne Luhmanns (Luhmann 1997), insofern die Teilnehmer/innen im Zuge der Fokus
Gruppe die geteilten oder zumindest gegenseitig akzeptierten Sichtweisen und Meinungen
innerhalb ihrer Peergruppe reproduzieren.
Das Ziel der Fokus Gruppeninterviews war es daher, eine Vielzahl an Erzählungen zu
erhalten.
Die Organisation, die es zu analysieren galt, war in den hier interessierenden Fällen die
jeweilige Schule der Schüler/innen, wobei die Analyse unterschiedliche Schärfentiefe
erzeugte, je nachdem wie eng oder entfernt das interne Umfeld der Schule zu den
Schülerinnen und Schülern ist, desto genauer waren die Analysen der organisationalen
Strukturen. Das Umfeld beginnt bei der eigenen Peergruppe, der Klasse, der Gesamtheit der
Klassen, der Interakton zwischen Lehrerinnen und Lehrern und Schülerinnen und Schülern,
der Interaktion zwischen den Lehrerinnen und Lehrern und endend bei der allgemeinen
Schulverwaltung, die vielleicht nur mehr als Kontextwissen für die Interpretation der
Ergebnisse von Bedeutung ist.
Wichtig ist in Fokus Gruppen zwar, eine formale Situation zu erzeugen, die aber andererseits
nicht rigid sein soll, sondern nur zur Eindeutigkeit der Rollenverteilungen zwischen den
Beteiligten der Gespräche beitragen soll. Dazu sind genaue Vereinbarungen zu Beginn des
Gesprächs wesentlich. Diese sollen auch durchgesetzt werden, d. h. die
Gesprächsteilnehmer/innen sollen zum Thema zurückgeführt werden, wenn sie zu weit
ausholen in ihren Erzählungen. Die Fokus Gruppen setzten sich aus 6 bis 10 Schülerinnen
und Schülern zusammen und waren, da sich die Schüler/innen selbst in ihre Gruppen
zuordnen konnten, homogen nach Zusammengehörigkeit in einer Peergruppe. Trainierte
Moderatorinnen und Moderatoren mit vorgefertigten Fragen und Themenkomplexen leiteten
die Gespräche und induzierten die Antworten der Teilnehmer/innen.
133

Die Fokus Gruppeninterviews wurden auf Band aufgezeichnet und transkribiert.
Aufbereitungsverfahren
Für die Auswertung wurden Transkripte der Gespräche hergestellt. Für die Aufbereitung des
verbalen Gesprächsmaterials in vollständige Textfassungen wurde das gesprochene Wort in
normales Schriftdeutsch übertragen. Dabei wurde der Dialekt bereinigt, Satzbaufehler
wurden behoben und der Stil wurde geglättet. Neben der rein sprachlichen, wortbezogenen
Wiedergabe wurden auch Pausen, Betonungen, Sprechgeschwindigkeit und Stimmlage und
andere lautliche Äußerungen (lachen, pfeifen ...) wiedergegeben und in die Analyse
einbezogen, wo dies als notwendig, weil sinnverändernd erschien. Diese
Transkriptionstechnik wurde angewandt, weil für die Analyse, bei der die inhaltlichthematische
Ebene im Vordergrund stand, das Interesse einem hohen Grad an Lesbarkeit
(Vgl. Mayring 1999) und nicht den sprachlichen Färbungen und anderen Auffälligkeiten galt.
Verfahren der Inhaltsanalyse
1. Ziel der Inhaltsanalyse
Was soll aus dem Material gelernt werden? Welchen Wissenszuwachs darf man erwarten?
Zweck der Fokus Gruppen war es, Dimensionen und einzelne Indikatoren von Empowerment
und Partizipation bei den befragten Jugendlichen zu ermitteln.
2. Grundlagen der Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring 1999)
Das Verfahren der Inhaltsanalyse untersucht die manifesten Kommunikationsinhalte, also
Aussagen von Befragten, die wiedergeben, was diese bewusst meinen und explizit gesagt
haben. Es untersucht nicht die latenten, den Sprecherinnen oder Schreibern unbewussten
Ebenen eines Textes.
Zweck der Analyse ist es, größere thematische Einheiten eines Textes – Dimensionen oder
Kategorien - festzustellen und den Text dadurch zu strukturieren. Weiters hilft das Verfahren,
Beziehungen zwischen den isolierten thematischen Einheiten festzustellen und dadurch
(zumindest ansatzweise) zu Erklärungsmodellen zu kommen.
Inhaltsanalysen eignen sich insbesondere für theoriegeleitete Textanalysen, wie sie im
vorliegenden Projekt vorzunehmen waren, da der Gegenstand der Analyse –
Empowermentstrukturen – bereits vielfach untersucht und theoretisch vorstrukturiert ist.
134

Die Aufgabe bestand darin, den schulischen Alltag der interviewten Jugendlichen bezüglich
der Empowermentstrukturen zu rekonstruieren und die thematischen Felder, die damit im
Zusammenhang stehen, nachzuzeichnen. Dazu wurden einzelne thematische Schwerpunkte
in ihrem Zusammenhang ermittelt und mit besonders eindrücklichen Beispielen illustriert.
3. Vorbereitung der Analyse
a. Festlegung des zu analysierenden Materials
Es wurden wie üblicherweise nicht die gesamten Interviewprotokolle einbezogen, sondern
nur die Textstellen, in denen sich die Interviewpartner/innen bewusst und explizit zum
Gegenstand der Forschungsfrage äußerten. Die Analyseeinheit schließlich war nicht das
einzelne Fokus Gruppengespräch, sondern der gesamte Textkörper der einzelnen Schule,
durch den ein interpretativer Querschnitt gelegt wurde.
b. Festlegung der Richtung der Analyse
Die Analyse kann auf den Gegenstand bzw. das Thema des Interviews gerichtet sein, aber
auch auf die emotionale Befindlichkeit der Interviewten oder auf die im Text repräsentierten
Handlungen.
Die hier vorliegende Analyse war auf den Gegenstand des Fokus Gruppen-Gesprächs
gerichtet, wie dieses durch den Leitfaden strukturiert war. Als erkenntnisleitende Frage
konnte daher formuliert werden:
Welche Dimensionen partizipativer und empowernder Strukturen lassen sich in den Texten
finden?
c. Durchführung der Analyse
Der zu analysierende Text wurde schrittweise in Einheiten (Satzteile, Sätze, Absätze)
zerlegt, die nacheinander abgearbeitet wurden. Abarbeiten heißt, dass die Textstellen einem
vorher festgelegten Kategorienschema zugeordnet wurden, das jedoch im Lauf der Analyse
ausdifferenziert und erweitert wurde.
Für die Analyse standen dafür, die aus den Fragebögen bekannten Items zur Verfügung.
Wichtig war, dass dieses Schema als modifizierbar behandelt wurde, sodass eine
Erweiterung bzw. Revision der theoretischen Festlegungen (= der Kategorien) und damit
135

„neue“ Erkenntnisse möglich waren. Um dieses angestrebte Ziel der Analyse besonders zu
betonen und seine Erreichung zu garantieren, haben wir, das übliche inhaltsanalytische
Vorgehen im Sinne heuristischer Verfahren (Konzept-Indikatoren-Modell nach Strauss
(Strauss 1987) erweitert. Dieses Verfahren versucht, Zuordnungschwierigkeiten von
Textstellen zu Kategorien zu entdecken und entsprechend neue Kategorien oder
Subkategorien auszubilden.
Von den drei grundsätzlich möglichen Grundformen der Inhaltsanalyse – Zusammenfassung,
Explikation, Strukturierung – entsprach vor allem die letzte Form den Erfordernissen der hier
durchgeführten Analysen.
Ziel der Strukturierung war es, eine bestimmte Struktur aus dem Material herauszufiltern,
unter festgelegten Ordnungskriterien (= Kategorienschema) einen Querschnitt durch das
Material zu legen und das Material bzw. einzelne Teile aufgrund gegebener Kriterien
einzuschätzen.
Die Vorgangsweise sieht üblicherweise drei Schritte vor (a – c), die mehrmals durchlaufen
wurden. Im Sinne der Betonung des heuristischen Elementes war es sinnvoll, einen vierten
Schritt (d) zu befolgen:
a. Festlegung der Kategorien: es wurde definiert, welche Textstellen unter welche Kategorie
fallen sollten.
b. Dazu werden Ankerbeispiele verwendet: aus einem ersten Durchgang durch den
Textkörper wurden besonders eindeutige, Beispiele für die jeweilige Kategorie gewählt.
c. Kodierregeln: bei Zuordnungsproblemen einzelner Textstellen wurden Regeln definiert,
die die Zuordnung ermöglichten oder aber die
d. eine Revision bzw. Erweiterung des Kategorienschemas ermöglichten. Eine Erweiterung
konnte die Hinzufügung einer bislang noch nicht erkannten Dimension oder die
Differenzierung einer vorhandenen Dimension in Subdimensionen sein.
4 Ergebnis und Interpretation
Als Ergebnis lag ein überarbeitetes Kategorienschema vor. Dieses wurde noch einmal auf
Plausibilität, Klarheit der Abgrenzungen der Kategorien etc. hin überprüft. Diese
Interpretation folgte der Fragestellung. Die individuellen Interviews und Textstücke wurden
fallübergreifend generalisiert.
136

Schematisches Ablaufmodell der Analyse
wenn
notwendig
Revision von
Kategorien
und
Definitionen,
Erzeugung
neuer
Dimensione
n oder Subdimensionen
Festlegung der Dimensionen
und Items (aus der
quantitativen Analyse);
Herstellung
Kategorienschemas
des
Formulierung von Definitionen,
Ankerbeispielen, Kodierregeln
Durchgang durch das gesamte
Material: Bezeichnung der
Fundstellen zur Erfassung
mittels Software
Durchgang durch das reduzierte
ausgewählte Material:
Zuordnung zu Kategorien,
Bearbeitung zu neuen
Dimensionen/Subdimensionen
Interpretation und
Aufbereitung der Ergebnisse
137

8 Zur Logik der Organisationsanalyse an Schulen
8.1 Struktur oder Prozess
In der Perspektive der Systemtheorie nach Niklas Luhmann (1994, 1997) sind soziale
Systeme das Produkt einer Operation, die zwischen dem System und seiner Umwelt eine
Grenze zieht und gleichzeitig nur auf einer Seite, nämlich auf der Seite des Systems,
Anschlüsse für weitere Operationen ermöglicht bzw. zulässt. Die Logik dieser Operation und
ihre erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Implikationen sind von Luhmann vielfach
dargestellt und erläutert worden und bedürfen an dieser Stelle keiner eingehenden
Begründung zur Einführung in die Systemtheorie (Dür 1997). Die wesentlichste Konsequenz
dieser theoretischen Anlage ist jedenfalls sicher die, dass soziale Systeme - mit einem
Begriff von H. Maturana (Maturana, Varela 1987), den Luhmann in die soziologische
Systemtheorie importiert - autopoietische Systeme sind: sie bringen sich mittels der
grundlegenden Selbstreferenz der sie konstituierenden Operation selbst hervor. Indem sie so
und nicht anders operieren, sind sie die, die so und nicht anders operieren. Oder wie
Luhmann häufig formuliert: autopoietische Systeme erschaffen die Elemente, aus denen sie
bestehen, mit Hilfe der Elemente, aus denen sie bestehen. In einer älteren, weniger
elaborierten Terminologie wurde dieses Grundfaktum sozialer Systeme als
Selbstorganisation bezeichnet.
Die Form der Operation, die dabei im Falle sozialer Systeme verwendet wird, ist
Kommunikation. Sie ist zu unterscheiden von der Operation des Lebens in Organismen und
von Bewusstsein, welches die autopoietische Grundoperation in den Bewusstseinen der an
Kommunikationen teilnehmenden Menschen ist. In dem Augenblick, in dem Kommunikation
stattfindet, konstituiert sich ein soziales System, indem eine Grenze gezogen wird gegenüber
allem, was nicht Kommunikation ist. Nur noch mit Kommunikation kann in diesem System
dann angeschlossen, das heißt, weiterkommuniziert werden. Indem die Kommunikationen
verschiedener sozialer Systeme jeweils spezifische Differenzen, sogenannte Leitdifferenzen
benutzen, erfolgt gleichzeitig auch eine Abgrenzung gegenüber diesen anderen sozialen
Systemen, die mit anderen Differenzen andere Kommunikationen prozessieren. In der
Umwelt sozialer Systeme befindet sich daher nicht nur alles Nicht-Kommunikative, sondern
es finden sich darin auch andere soziale Systeme.
138

Da soziale Systeme nur als Vollzug von Kommunikationen gegeben sind, zerfallen sie, sowie
die Kommunikation aufhört oder gestoppt wird. Die Dauerhaftigkeit sozialer Systeme und ihr
Fortbestand benötigt daher ein immer erneutes Aufgreifen der an einer bestimmten
Leitdifferenz orientierten Kommunikation. Um den wiederholten Anschluss zu sichern, kommt
es darauf an, interne Komplexität und Konsistenz aufzubauen, wodurch das Anschließen
dem bloßen Zufall entzogen und somit wahrscheinlicher gemacht wird. Das geschieht nicht
als eine eigene, auf Dauerhaftigkeit spezialisierte Operation, sondern eben nur durch die
Wiederholung, die sogenannte Eigenvalues oder Eigenbehaviour entstehen lässt (Von
Foerster 1985), worunter man robuste, bewährte Kommunikationen verstehen kann. Diese
Eigenvalues sind indessen nichts anderes als soziale Strukturen, mit deren Hilfe das System
seine Fortsetzung gewährleistet.
Im Gegensatz zum alten Strukturalismus bzw. Strukturfunktionalismus sind Systeme für die
neuere Systemtheorie daher nicht in dem Sinn strukturdeterminiert, dass ihren Operationen
Strukturen vorgegeben wären (Luhmann 1993). Denn ihre Grundoperation können sie nicht
ändern, ohne dass das System, das sie gerade sind, aufhörte zu existieren und ein neues
begänne. Strukturen werden also von den Systemen zwar selbst hervorgebracht und können
daher auch geändert werden, sie werden aber eben gerade nicht zum Zweck des Änderns
und der Flexibilität hervorgebracht, sondern um Momente der Stabilität und
Bestandssicherung in das System einzubauen.
Daraus folgt zum einen, dass komplexe soziale Systeme gegenüber Veränderungen ihrer
Strukturen zunächst grundsätzlich widerständig sind. Veränderungen müssen einen mehr
oder weniger großen Widerstand überwinden, um sich durchzusetzen. Gerade im
Erziehungssystem insgesamt und in Schulen insbesondere weiß man um dieses Faktum.
Zum anderen, und das ist die für unsere Argumentation relevantere Konsequenz, lassen sich
Veränderungen nur als solche Kommunikationen in das System einführen, die am Bestand
des Systems anschließen. Und das bedeutet, dass die Strukturen sozialer Systeme für die
jeweils nächste Kommunikation durchaus determinierend sind. Man bezeichnet diese Form
der Strukturdeterminiertheit auch als Zustandsdeterminiertheit (Hofstadter 1995), was
bedeutet, dass das System nach Vollzug einer Operation in dem dadurch erreichten Zustand
verharrt und nicht wie Trivialmaschinen in einen immer gleichen Ausgangszustand
zurückkehrt. In diesem Sinn sind soziale Systeme auch historische Systeme. Stabilität
erreichen soziale Systeme also dadurch, dass die jeweils nächste Anschlussoperation in
einem sehr eingeschränkten Möglichkeitsraum enggeführt wird, Veränderung, indem dieser
Möglichkeitsraum durch die jeweils nächste Operation leicht modifiziert werden kann.
139

Diese Mischung aus Formbarkeit und Stabilität sozialer Strukturen ergibt sich aus ihrer
besonderen Qualität: sie sind nichts anderes als soziale Erwartungen, die über Erwartungen
stabilisiert werden. Diese Figur der Erwartungserwartung steht sehr früh in der Entwicklung
des Sozialen und löst das Problem der doppelten Kontingenz. Verkürzt ausgedrückt: A
macht sein Handeln davon abhängig, wie B darauf reagieren wird; die Reaktion von B
wiederum hängt von A´s Handlung ab. Will A sich an B´s Erwartung orientieren, muss er
diesbezüglich mit einer Unterstellung operieren, mit einer Erwartung hinsichtlich B´s
Erwartung. Ob A nun diese bei B unterstellte Erwartung erfüllt oder nicht, er orientiert sich
jedenfalls an (von Luhmann so genannten) Erwartungserwartungen. Über verschiedene
Formen der Bündelung und Verstärkung sozialer Erwartungserwartungen durch Rollen,
Normen (Regeln), Personen und Programme schaffen soziale Systeme Strukturen, die das
Spektrum erwartbarer Kommunikationen extrem einengen und dadurch stabilisieren.
Eine besonders hochentwickelte Form der Stabilisierung von Erwartungen ist durch
Organisation gegeben. Organisationen sind systemtheoretisch vor allem durch zwei
Merkmale charakterisierbar: a) sie reproduzieren sich über Entscheidungen, die b) für alle
bindende Gültigkeit haben, die Mitglied der Organisation sind. Sie verfügen also über eine
formale Mitgliedschaft. Alle Kommunikationen in Organisationen, welche Leitdifferenz sie
auch immer verwenden, werden daher von Entscheidungen orientiert, geleitet, überprüft und
bewertet, die von der Organisation bereitgestellt werden, und zur Teilnahme an diesen
Kommunikationen sind ausschließlich Personen berechtigt, die auf die eine oder andere
Weise als Mitglieder der Organisation anerkannt sind. So können weder Lehrer/innen noch
Schüler/innen allmorgendlich für sich selbst entscheiden, in welcher Schule sie heute denn
gerne unterrichten oder lernen wollen, sondern begeben sich in „ihre“ Schule. Und wer
weder Lehrerin oder Lehrer noch Schülerin oder Schüler oder Schulerhalter ist, hat in der
Schule nichts verloren.
Sowohl die Form der Entscheidungsbildung wie auch die Handhabung der Mitgliedschaft ist
in Organisationen sehr verschieden. Für Schulen etwa sind einige Organisationsmerkmale
typisch:
− Schulen haben eine von einer übergeordneten Behörde festgelegte Struktur, die
Schulleitung, die nicht intern bestimmt werden kann.
− Damit hängt zusammen, dass das Verhältnis zwischen der Schulleitung, den Lehrerinnen
und Lehrern und den Schülerinnen und Schülern in Bezug auf die Entscheidungsbildung
und Entscheidungsverantwortung ein starkes Hierarchiegefälle aufweist, das tendenziell
eine Differenz zwischen Entscheidern und Betroffenen stiftet.
140

− Es bestehen typische Unterschiede in der Mitgliedschaft (Zugehörigkeit) zwischen
Lehrerinnen und Lehrern, die die Schule als häufig pragmatisierten Arbeitsplatz sehen,
und den Schülerinnen und Schülern, die nur als temporäre und auswechselbare
Mitglieder anerkannt sind.
− Die Schule zerfällt strukturell in eine Vielzahl isolierter Untereinheiten, den
Klassenzimmern.
− Die Lehrer/innen verfügen in ihrem Handeln über ein hohes Maß an Autonomie bei
gleichzeitiger Abwesenheit von den formalen, für die Qualität der Schule verantwortlichen
Autoritäten.
Dies macht Schulen in ausgeprägter Weise als "loosely coupled organizations" beschreibbar.
(Meyer, Rowan 1977; Meyer, Rowan 1978; Weick 1976; Weick 1980) Das heißt, dass die
Elemente des Systems, die Prozesse, Kommunikationen, Rollen nur relativ locker mit
einander verknüpft sind (Weick 1980). Viele, ja die meisten und die wichtigsten Prozesse
laufen in solchen lose zusammenhängenden Systemen parallel ab und können von daher
schon aus Gründen der Gleichzeitigkeit nicht aufeinander Bezug nehmen und aufeinander
abgestimmt werden. Abstimmungen machen zusätzliche Leistungen und Bemühungen
notwendig, die dann häufig als unzumutbare Mehrbelastung empfunden werden. Als
Mehrbelastung auch deshalb, weil ihr Mehrwert in Bezug auf die primären Leistungsziele,
und das sind die Lernergebnisse der Schüler/innen, aus Sicht der Lehrer/innen nicht
unmittelbar einzusehen ist. Die Segmentierung des Systems folgt einem besonders
tückischen, ziselierten Muster, das sich aus der Verschränkung dreier Differenzen ergibt: der
Unterscheidung von Klassen gleicher Schulstufe, der Differenzierung nach Schulstufen
(Jahrgängen) und der Differenzierung nach Unterrichtsfächern. In allen Segmenten dieser
dreidimensionalen Kubatur laufen letztlich hochgradig eigendynamische Prozesse ab, deren
Koordination nicht nur einem Kunstwerk gleichkäme, sondern für die es im System bzw. aus
der Logik der Bestandssicherung des Systems heraus auch keine starken Anreize und
Argumente gibt. Es scheint, als handelte man sich damit nur ein hohes Maß an
Unübersichtlichkeit ein. Es ist für Schulen daher auch sehr schwer, die Einheit des Systems
im System zu repräsentieren und etwa übergreifende Zielsetzungen, Schulprofile oder
Leistungsstandards zu definieren. Und wo diese dennoch eingeführt sind, ist es schwierig,
ihre Erreichung zu überprüfen. Leichter fällt all das auf der Ebene einzelner Klassen bzw.
einzelner Schüler/innen.
Da die Entscheidungen, die in einem Segment der Organisation – in einer Klasse oder im
Lehrer/innenzimmer - getroffen werden, keinen direkten – wenn überhaupt einen - Einfluss
auf andere Teile der Organisation haben, beschreibt Rolff die schulische Organisation als
141

"zelluläre Gestalt", die sich in einer "gefügeartigen Kooperation" innerhalb des Lehrer/innenkollegiums
manifestiert (Rolff 1993). Es ergeben sich daher wenige Anlässe, die Einheit der
Schule und die Zielsetzung der gesamten Organisation in den Blick zu nehmen und
entsprechende Entscheidungen zu treffen. Um so mehr aber entsteht eine faktische
Handlungsautonomie aufseiten der einzelnen „Zelle“: der Lehrer/innen.
Organisationen dieser Art sind von den Strukturen her schwer zu fassen, da man letztlich,
um ein Gesamtbild der Organisation zu erhalten, in viele verschiedene (alle?) dieser parallel
laufenden Einheiten hineinblicken müsste. Mit einiger Wahrscheinlichkeit würde man dabei
eine hohe Variabilität feststellen. Zum Beispiel: Was in den unteren Klassen gilt, gilt nicht für
die höheren, was für Englisch gilt, gilt nicht für Mathematik, was für Lehrer X gilt, gilt nicht für
Lehrer Y, und so weiter. Man könnte dann geneigt sein, das arithmetische Mittel aus allen
Angaben zu ziehen, und damit haargenau daneben liegen. Es ist daher schwierig von den
Strukturen auf die Prozesse zu schließen. Die Analyse muss daher den mühsameren Weg
gehen und die Prozesse erfassen, die der Ausbildung bestimmter Strukturen zugrunde
liegen.
8.2 Entscheidungsprozesse
Es ist weiter oben ausgeführt worden, dass, was immer die spezifische Aufgabenstellung
einer Organisation auch sein mag, ob es sich um einen Betrieb, eine Schule oder ein Gericht
handelt, entscheidend ist, dass alles, was geschieht bzw. kommuniziert wird, einem vorher
entschiedenen Rahmen von Entscheidungen entspricht und wiederum in diesem Rahmen zu
weiteren Entscheidungen führen kann. Das weist Luhmann (1992) als das Hauptmerkmal
von Organisationen aus.
Der Begriff der Entscheidung hat dabei zwei unterscheidbare Bedeutungsebenen: eine
formale und eine informelle. Auf der formalen Ebene sind jene Entscheidungen
angesprochen, die in den für Entscheidungsfindung formalisierten Strukturen des Systems
getroffen werden. Das ist in Schulen zunächst der Schulgemeinschaftsausschuss (SGA),
dann die Schulleitung und, was die konkrete inhaltliche Seite der Schule betrifft, den
Unterricht, der Lehrer/innen. Daneben gibt es aber in Schulen wie in allen anderen
Organisationen und auch in der Politik selbst, jenem System, das gesamtgesellschaftlich für
Entscheidungen zuständig ist, auch immer „Gegenkreisläufe der Macht“ (Luhmann 1981a),
die dadurch entstehen, dass formale Entscheidungen im System auf dann eben nicht mehr
konsequent formalisierbare Weise umgesetzt werden müssen. Es lässt sich beispielsweise
142

formal im SGA entscheiden, dass Gesundheitserziehung in der Schule einen hohen
Stellenwert haben soll, was dann aber tatsächlich in den verschiedenen „Zellen“ des
Unterrichts geschieht, hängt von vielen kleinen Entscheidungen ab, die die Lehrer/innen
treffen, die die Schüler/innen treffen, die einzelne Schüler/innen treffen, usw.. Es kann die
Schulleitung und die Lehrer/innenkonferenz formal entscheiden, dass die Sauberkeit in der
Schule in erhöhtem Maße zu beachten sei – wie diese Entscheidung konkret in vielen
kleinen Detail-Entscheidungen umgesetzt wird, ist damit aber nicht mitentschieden. Unter der
Bedingung, dass die formalen Entscheider/innen im System die Umsetzung ihrer
Entscheidungen nicht an jedem Punkt des Systems überwachen können - und das ist nicht
nur in Schulen der Normalfall, sondern in allen komplexen Organisationen, bedarf es dazu
auf Seiten der Umsetzung ebenfalls Entscheidungsmacht, Umsetzungsentscheidungsmacht,
könnte man sagen, und diese kann sich sowohl im Sinne der formalen Entscheidung
entfalten, aber auch im Sinne von Abweichung und Widerstand.
Es gehört zum Wissensfundus der modernen Soziologie, dass zwischen der formalen und
der parallel laufenden informellen Entscheidungsebene ein Verhältnis der wechselseitigen
Abhängigkeit besteht. Anders ausgedrückt: Macht kann in modernen Gesellschaften nicht
mehr eindimensional in ihrem repressiven Charakter verstanden werden, sondern muss in
ihrer Rolle als „Produzentin“ von Widerstand oder zumindest doch Abweichung begriffen
werden. Für den gerade in dieser Frage höchst einflussreichen französischen Soziologen
Michel Foucault ist Macht nicht zu trennen von der Frage nach den Widerständen gegen die
Macht (Foucault 1978). Macht ist bei ihm geradezu die gesellschaftliche Urkraft schlechthin,
der sich alle kreativen Hervorbringungen verdanken. Es scheint uns wichtig, dass diese
Zusammenhänge gerade im Kontext von Schule gesehen werden, denn es bedeutet, dass
die Zöglinge, um es in einer alten und in unserem Kontext sinnwidrigen Sprache zu sagen,
mächtig sein müssen, um die Erziehungsziele erreichen zu können, es dürfen also
paradoxerweise gerade keine passiven „Zöglinge“ sein. Aber dasselbe gilt auch für die
Lehrer/innen, wenn sie diejenigen sein sollen, die die Lehrziele umzusetzen haben.
143

formale Seite
der Macht:
Entscheider
Vor diesem Hintergrund ist leicht einsehbar, dass es in Organisationen zu einer alles
entscheidenden Frage wird, inwieweit es den Entscheidern gelingt, die Umsetzer von der
Sinnhaftigkeit der Entscheidung zu überzeugen. Diese Frage berührt einerseits die Art und
Weise, wie auf Seiten der Entscheider, also der Führung, mit der ihr verfügbaren Macht
umgegangen wird, andererseits die Art und Weise, wie die informellen Machtläufe gestaltet
werden. Man kann sich da sehr unterschiedliche Strategien vorstellen. Wie wir sehen
werden, unterscheiden sich die drei untersuchten Schulen in diesen beiden Hinsichten sehr
deutlich.
8.3 Führung: Autorität oder Einfluss
Führung
Mitarbeiterin
Wir greifen hier eine Unterscheidung von Per Dalin (1986) auf, die gerade im Schulkontext
von Bedeutung ist und dort auch eine lange Tradition bis zurück ins 19. Jahrhundert hat. Es
ist die Unterscheidung zwischen Autorität, verstanden als Nutzung einer formalrechtlich
zugestandenen Machtfülle, und Einfluss, verstanden als die Fähigkeit, bei anderen
Wirkungen zu erzielen, ohne auf formalrechtliche Autorität zurückzugreifen.
In beiden Fällen wird, wenn auch auf unterschiedliche Weise, Macht angewendet, was in der
knappen soziologischen Definition von Max Weber ja nur die Fähigkeit ist, andere dazu zu
bringen etwas zu tun, das man selber will. Autoritäre Führung basiert letztlich auf der
Androhung von Sanktionen, die gelegentlich der Glaubwürdigkeit halber auch realisiert
werden müssen. Sie erzwingt Anpassung durch Gehorsam, indem die Abweichenden mit für
sie unangenehmen Konsequenzen rechnen müssen. Da die Machtmittel gerade in Schulen
im Verhältnis Schulleitung/Lehrer/innen gegenüber Schülerinnen und Schülern ungleich
144
informelle, parallele
Seite der
Macht: Umsetzer

verteilt sind und die Folgen der kritiklosen Unterwerfung für Kinder besonders drastisch und
in modernen Demokratien sozial unerwünscht sind, wird diese Form der Führung in vielen
großen „Schul-Erzählungen“ behandelt und verurteilt: „Schüler Gerber“ und „Der junge
Törless“ im Roman, „If“ und „Club der toten Dichter“ im Film, „The Wall“ im Rock-Musical, um
nur die bekanntesten zu nennen. Ein wesentliches Merkmal der autoritären Führung besteht
darin, dass die inhaltliche Entscheidung und die formale Verantwortung dafür enggeführt
werden, so dass diejenigen, die die formale Verantwortung tragen, auch die Entscheidung zu
fällen haben oder fällen dürfen.
Im Gegensatz dazu wird im anderen Modell anerkannt, dass die Folgen einer Entscheidung
vor allem diejenigen zu tragen haben, die von der Entscheidung unmittelbar betroffen sind.
Sie verantworten die Entscheidung in einem nicht formalen, sondern sehr unmittelbaren,
lebenspraktischen Sinn. Das hat die Konsequenz, dass die Betroffenen in die
Entscheidungsfindung einbezogen werden müssen. Das gelingt über Teilung der
Entscheidungsmacht und Delegation an die von der Entscheidung betroffenen Umsetzer.
Dabei ist wichtig zu sehen, dass die formale Verantwortung nicht delegierbar ist. Sie bleibt
Teil der Führungsrolle. Was immer schief läuft, die Gründe dafür werden von Eltern oder der
vorgesetzten Behörde zunächst in der Schulleitung gesucht werden. Obwohl die Führung die
Entscheidung also insgesamt zu verantworten hat, kann sie die Entscheidung selbst aber nur
beeinflussen, nicht autokratisch machen. Das gelingt durch Anwendung besonderer
Kommunikationsstile, für die einige Merkmale konstitutiv sind, zum Beispiel, dass letztlich
alle Beteiligten die Interessen und Vorstellungen aller Beteiligten kennen und als legitim
akzeptieren, dass die Organisation über gemeinsame übergeordnete Ziele verfügt, dass ein
Klima der Aushandlung gegeben ist und dass man die Erfahrung machen kann, dass
mittelfristig ein gerechter Ausgleich der verschiedenen Interessen stattfindet.
Um dieses Modell bei allen Vorzügen nicht zu idealisieren, muss auf die Gefahren
hingewiesen werden, die damit auch verbunden sind. Im Kontext von Schule ist das
insbesondere die Möglichkeit, Schüler/innen durch zuviel delegierte Verantwortung und
Teilnahme zu überfordern. Weiters ist dieses Modell viel zeit- und ressourcenintensiver,
insofern also auch teurer und langsamer, was allerdings im Kontext von Schule, die mit
relativ konstanten Umwelten rechnen darf, nicht allzu sehr ins Gewicht zu fallen scheint.
Für das Gelingen dieses Modells ist vor allem eine Voraussetzung notwendig, die Schulen
unserer Beobachtung nach besondere Schwierigkeiten zu bereiten scheint, und das ist eine
Umstellung des Kernprozesses der Organisation von Lehren (Erziehen) auf Lernen hierzu
Luhmann (Luhmann 1995). Damit löst sich die Differenz zwischen
145

Lehrer/innen/Erzieher/innen und Schüler/innen/Zöglinge tendenziell auf und muss durch
andere Kooperationsformen ersetzt werden. Denn im Sinne des vielzitierten lebenslangen
Lernens ist quasi jeder im System mit einer gleichen oder ähnlichen Aufgabe befasst,
nämlich dem Erwerb und der Entwicklung von Lernfähigkeit. Die Lehrer/innen verlieren die
Aufgabe des umsichtigen Formerns oder Modellierens der Jugendlichen, diese die Rolle der
passiven „formbaren Medien“ (Luhmann 1995). Dass der Prozess dieser Umformung des
Leitparadigmas der Organisation Schule schwierig und prekär ist, leuchtet unmittelbar ein.
8.4 Beziehungs- oder aufgabenorientierte Führung
Mit der Frage dieser Umformung auf Ebene des Kernprozesses gewinnt eine weitere
Differenz an Bedeutung, die wir von Hersey & Blanchard (Hersey, Blanchard 1977)
übernehmen. Je mehr die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Organisation zum
Problem werden, um so mehr muss sich die Führung mit diesen Problemen beschäftigen.
Die Grundfrage des Lehrens bzw. Lernens in der Schule wird daher zusehends von
inhaltlichen Fragen des Was gelernt werden soll auf Fragen des Wie gelernt werden soll
umgelenkt. Luhmann (op. cit.) vermerkt diesen Wandel als Verschiebung von pädagogischen
zu didaktischen Fragen. Beziehungsorientiertes Führen legt daher einen Fokus auf die
Formen der Kooperation, auf Kommunikationsmöglichkeiten in der Schulgemeinschaft, auf
Regeln und deren Einhaltung, während aufgabenorientiertes Führen stärker inhaltliche
Zielsetzungen verfolgt, also etwa, welchen thematischen Schwerpunkt eine Schule
ausbauen sollte.
Nach Hersey & Blanchard (1977) können beide Führungsformen nur unter bestimmten
Bedingungen erfolgreich sein: die kreative, offene Gestaltung von Kooperationsprozessen
zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern setzen einen gewissen
Reifegrad der Gruppe voraus, der umgekehrt natürlich erst durch Übung und Erfahrung
erreicht werden kann. Die Veränderung der schulischen Aufgaben und der
Schwerpunktsetzungen setzt vor allem eine Lehrer/innen-Gruppe voraus, die vor neuen
Aufgaben nicht zurückschreckt und diesbezüglich Lösungskompetenzen entwickelt hat. Auch
das lernt man allerdings nur bedingt auf der Universität, sondern im Wesentlichen on the job.
Schon diese kargen Andeutungen lassen erkennen, dass ein auf Autorität basierter
Führungsstil besser mit Aufgabenorientierung verbindbar ist, während ein auf Partizipation
basierter Führungsstil vor allem auf die allgemeinen Fragen der Beziehungen konzentriert
sein muss, da die Kooperationen, in denen die Aufgaben behandelt werden, ohne
146

verbindliches Regelwerk nicht möglich wären. Das hat Folgen für das, was aus Sicht der
jeweiligen zum Problem werden kann. Für den formal-autoritären Führungstypus werden
eher die Beziehungen als Problem auftauchen, da sie unbeobachtet und unbearbeitet
geblieben waren, für den anderen die Aufgabenseite, weil deren Bearbeitung in vielen
kleinen Kooperationen und Projekten vom Standpunkt der Führung aus uneinsehbar und
daher nicht beurteilbar ist.
Aus Sicht beider Formen von Führung läuft daher der Prozess der Bildung eines
umfassenden Schulprofils in eine Paradoxie der Selbständerung: die autoritäre Führung
kann die Beziehungsseite nur bearbeiten, indem sie sich nicht auf Autorität, sondern auf
Partizipation beruft; die partizipative Führung kann die Aufgabenseite nur bearbeiten, indem
sie die Zerstückelung durch Partizipation ein Stück weit eindämmt.
8.5 Informelle und formalisierte Parallelstruktur
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beobachteten Schulen besteht darin, dass eine
Schule – die Schule C – auch auf Umsetzerseite für Schüler/innen und Lehrer/innen
wiederum Formalisierungen anbietet, durch welche die parallelen Machtläufe in geordnete
Bahnen kanalisiert werden. So ist etwa ein funktionierendes Beschwerdesystem sicher eine
Möglichkeit, Schwierigkeiten auf Umsetzerseite rechtzeitig zu erkennen und darauf
angemessen reagieren zu können, bevor sich diese in Widerstandsbestrebungen formieren.
Formalisierungen der parallelen (Macht-)Strukturen haben daher den Vorteil, dass ihre
Energie im System kreativ genutzt werden kann, ohne dass unentwegt unliebsame
Störungen etwa durch Ungehorsam entstehen. Das trägt auch der soziologischen
Grunderkenntnis Rechnung, dass Selbstorganisation nicht verhindert werden kann. Es ist
insofern von besonderem Interesse für die Organisationsanalyse, zu entdecken, welche
Formen von Formalisierungen auf der eigentlich informellen Seite der Macht angeboten
werden.
8.6 Lernen als Kernprozess
In der Schule geht es um Lernen, und wesentliche Fragen des Empowerments in Schulen
müssen daher auf diesen Kernprozess gerichtet sein. Die diesbezügliche Literatur ist sehr
vielgestaltig und daher nicht sehr eindeutig (Mortimore 1998).(Teddlie, Reynolds 1997;
147

Coleman, Collinge 1991; Fitz-Gibbon, Kochan 1997; Fraser 1989; Samdal, Wold et al. 1999).
Als Kriterien für einen qualitätsvollen Lernprozess werden u.a. folgende Indikatoren
unterschieden, wobei sich zwei Hauptgruppen, die der kognitiven und der sozialen
Leistungen, ergeben. Beide Gruppen werden als Indikatoren in der Qualitätsmessung von
Schulen verwendet.
Insbesondere die Schulklimaforschung macht auf den Umstand aufmerksam, dass
Schulklima und Schulkultur als eigenständige Qualitäten erkannt werden müssen und nicht
bloß als Mittel zur Effektivitätssteigerung gesehen werden sollen (Rolff 1993). Die Rutter-
Studie belegt plausibel, dass „die Atmosphäre einer Schule zum großen Teil davon abhängt,
inwieweit die Schule ein zusammenhängendes Ganzes darstellt, inwieweit im Hinblick auf
bestimmte Ziele und Methoden ein Konsens besteht, der vom gesamten Kollegium getragen
wird (Rutter, Maughan et al. 1980).
Kognitive Qualtitätsindikatoren:
• kognitive Leistung der Schüler/innen
• Gruppenarbeit
• Peerteaching
• Teamteaching
• Anschluss an Schüler/innen- interessen
• Niveauanhebung in der Klasse, Herausforderung
Soziale Qualitätsindikatoren:
• gutes Schulklima
• Chancengleichheit
• Gleichbehandlung der Geschlechter
• funktionierende Verhaltensregeln im Unterricht
• beliebte Lehrer/innen
• Motivation
• Unterstützung durch Lehrer/innen, Tolerananz gegenüber Langsamkeit
• Einbindung der Eltern
• Klassenkultur
148

9 Schule A: "Wir als Schüler können nie was machen"
Einstieg: Was vor allem auffällt
Zielsetzung der Fokus Gruppen war es, typische Organisationsabläufe in dieser Schule aus
Sicht der untersuchten Klasse zu rekonstruieren. Es war daher eine methodische Auflage,
die drei Fokusgruppen der Klasse in einem gemeinsamen Kontext zu analysieren. Es
erschien daher als ein brauchbarer Einstieg in die Analyse, die Eindrücke zu sammeln, die
sich bei den Moderatorinnen und Moderatoren der drei Fokus Gruppen je Klasse aus der
Erinnerung und aus dem Wiederlesen der Transkripte ergeben hatten. Da immer drei Fokus
Gruppen und die Interviews mit Lehrerinnen und Lehrern und Schulleiterinnen und
Schulleitern parallel geführt worden waren, nahmen an diesen „Reflexionsrunden“ vier
Wissenschaftler/innen teil. Es ergaben sich ähnliche und abweichende Eindrücke. Die
weitere Vorgangsweise war nun die, die ähnlichen beschreibend zu konkretisieren und zu
einer ersten Hypothese über die Schule zu verdichten. Diese wurde schriftlich festgehalten.
Im nächsten Schritt wurden die Erst-Hypothesen dann wieder mit dem
Transkriptionsmaterial 19 konfrontiert und so zum Ausgangspunkt der weiteren
Analyseschritte.
Die ersten groben Eindrücke der Moderatorinnen und Moderatoren in Bezug auf die Schule
A waren sehr einheitlich und eher rasch gefunden. Es ging in vielen Erzählungen über
normale und außergewöhnliche Tagesabläufe immer wieder um größere oder kleinere
Probleme, die aus Sicht der Schüler/innen unerwartet und störend in den Alltag eindrangen.
Die Schüler/innen vermittelten den Eindruck, dass sie weder bei der Definition noch bei der
Behandlung dieser Probleme sehr viel mitzureden hätten. Auf eine Kurzformel gebracht
könnte man die Schule A im Modell einer bürokratischen Hierarchie beschreiben.
1. Probleme der Mitgliedschaft im System: Anpassung und Abweichung
Innerhalb der Schule herrscht sowohl bei Lehrerinnen und Lehrern wie bei Schülerinnen und
Schülern weitgehend Konsens darüber, was denn die hauptsächlichen Problembereiche der
Schule sind: das Zu-Spät-Kommen der Schüler/innen und teilweise der Lehrer/innen, die
allgemeine Hausordnung, das Rauchen, Einnahme und/oder Weitergabe weicher Drogen
19 Angaben in den Interviewpassagen, die zur Identifizierung der Schule oder der Personen beitragen könnten,
wurden so abgeändert, dass die Anonymität vollständig gewährleistet bleibt. So wurden z. B Wörter wie Direktorin
oder Direktor mit Schulleitung ersetzt um keine Hinweise auf das Geschlecht der Schulleitung zuzulassen.
149

sowie Vandalismus. Wie schon aus dieser Liste der auffälligsten Probleme ersichtlich, gibt es
in Schule A ein vielfältiges Disziplinarproblem, das allen Beteiligten, insbesondere aber den
Schülerinnen und Schülern selber bewusst ist. Es gelingt offensichtlich allen Beteiligten sehr
leicht, in Konfliktsituationen zu geraten. Wenn man die Beschreibungen von typischen
Konfliktsituationen, wie sie von den Schülerinnen und Schülern verfaßt werden, daraufhin
betrachtet, welche Differenz der Beschreibung zu Grunde liegt, so fällt vor allem die
Differenz zwischen Konformität und Abweichung auf: die Schüler/innen haben sich in
irgendeiner bestimmten Hinsicht falsch, nicht regelkonform verhalten. Sie tragen zum
Beispiel keine Hausschuhe oder kommen zu spät zum Unterricht. Diese Abweichung ist nun
nicht nur ein kleines Nebenereignis, ein zwar störendes, aber letztlich indifferentes
Rauschen, um es systemtheoretisch auszudrücken, sondern es fesselt für eine gewisse Zeit
die Aufmerksamkeit aller Beteiligten und bindet das Operieren des Systems und wird zu
einer dominanten Facette in dessen Selbstbeschreibungen.
S: Die Frau Professor ist zu mir gekommen und hat gesagt, die [Schulleitung] hat halt
gemerkt, dass wir nur mit Schuhen herumlaufen
S: Das machen aber alle.
S: - und ob sie nicht etwas dagegen tun kann. Dann ist die Frau Professor zu mir
gekommen, weil ich einen besseren Kontakt habe zu den Schülern als sie, das war noch
ganz am Anfang, und dann habe ich gesagt, ja mache ich. Bin halt dann vor die Klasse
getreten und habe gesagt, ob es nicht gescheiter ist, wenn wir alle Hausschuhe mithaben für
die paar Stunden. Dann haben sich aber die meisten aufgeregt wegen dem Rauchen. Weil
dann müssen sie sich die Hausschuhe ausziehen, rausgehen, rauchen und dann die
Hausschuhe anziehen und dann wieder rein. Das war ihnen zu anstrengend. Dann haben
das manche eingesehen. Dann haben wir es so ausgemacht, wenn es wirklich ganz gatschig
ist, dann haben wir halt im Notfall alle Hausschuhe und dann müssen wir die halt anziehen,
dass die Klasse nicht verunreinigt wird.
S: Und da war ich der Einzige die sie angehabt hat.
S: Gar nicht wahr.
S: Dann waren die anderen eigentlich einverstanden damit, weil sie das eingesehen haben
(SA, FG1, Z1752).
Abweichungen können nur dann so bedeutsam werden, wenn ein entsprechender
Konformitätsdruck gegeben ist, wenn also soziale Erwartungen existieren, von deren
Erfüllung die weitere Teilnahme am System abhängig gemacht wird. Wie am Beispiel des
tatsächlich entdeckten Drogenkonsums sichtbar wird, kann die Organisation die
Mitgliedschaft von der Erfüllung sozialer Erwartungen abhängig machen. Und es wird
deutlich, welche Energien notwendig sind, um das Problem intern zu bearbeiten. Mit
vereinten Kräften gelingt es in diesem Beispiel der Frau Klassenvorstand und der
Klassensprecherin, einen Hinauswurf des ertappten Schülers vorerst zu verhindern.
S: Dann gibt es noch eine in unserer Klasse, die K, die macht das [Marihuana rauchen]
auch, habe ich gerade erzählt. Die ist dann auch noch gekommen. Dann haben sie ein
Gespräch geführt und die hätten dann beide was sagen müssen, haben sie nicht gemacht,
150

haben geschwiegen. Die [Schulleitung] ist dann so sauer geworden, dass sie gesagt hat, ich
weiß nicht, was ich mit euch machen werde, ich will euch nicht an dieser Schule haben und
wenn ihr das nicht macht, dann geht ihr gleich rauf zum Drogentest. Die Ärzte waren aber
nicht im Schulhaus. Dann haben sie gesagt, sie sollen zu einer Ambulanz. Da ist die Frau
Professor noch dazugekommen und hat gesagt, ja, wie schaut es aus mit Therapie. Dann
habe ich zur Frau Professor gesagt, ja, ich mache das mit ihnen, ich suche Therapiestellen.
Dann sind sie wieder in die Klasse gegangen, weil das Gespräch hat nichts ergeben, nur
dass sie halt unbedingt einen Drogentest machen müssen und in die Therapie müssen (SA,
FG1, Z1116).
Natürlich ist Drogenkonsum ein schwerwiegendes Problem in einer Schule. Andererseits ist
auch klar, dass ein Hinauswurf das Drogenproblem des Jugendlichen nicht lösen, allenfalls
verschlimmern kann. Eine Lösung ist das nur aus Sicht der Schulleitung, die mit dem Schüler
das Problem los wäre. Diese äußert daher unmissverständlich ihre Präferenz: die
Mitgliedschaft des ertappten Schülers an der Organisation dieser Schule zu stornieren. Hier
wird also sichtbar, welche Differenz über Mitgliedschaft und Hinauswurf, Integration oder
Desintegartion entscheidet: Anpassung oder Abweichung in Bezug auf die Hausordnung.
Und es wird sichtbar, wer diese Differenz verwaltet: die Schulleitung. Die interessante Frage,
welchen sozialen Erwartungen der hohe Konformitätsdruck gilt, der so viel Aufwand in der
Bearbeitung von Abweichungen verursacht, kann also dahin gehend beantwortet: er gilt den
Reglementierungen, die das soziale Miteinander von Schülerinnen und Schülern und
Lehrerinnen und Lehrern in der Schule regeln. Um es ausdrücklich zu sagen: sie gelten nicht
primär, sondern allenfalls in stark abgeschwächter Form den Leistungen der Schüler/innen
im Kernprozess, dem Lernen. Denn es ist, wie in folgender Textpassage deutlich wird, nicht
so sehr die fachliche Anforderung, die als primäre soziale Erwartung von den Schülerinnen
und Schülern wahrgenommen wird, sondern es sind die Erwartungen an die sozialen
Kompetenzen und Tugenden. Sich den Reglements der Schule ideal anzupassen, erscheint
als die Voraussetzung dafür, lernen zu können. Die Schüler/innen halten diesem Bild aber
entgegen, dass sie eben keine „braven, kleinen Kinder“ mehr sind.
S: Ich meine, wir haben uns extra gemeldet für das Sozialmanagement, weil wir gesagt
haben, ja, dass sie uns dann nicht so wie Erwachsene behandeln, sondern weil uns einfach
die Fächer gefallen haben. Wenn man da reinkommt, die verlangen da ur-viel von uns.
S: Obwohl vom Stoff her gar nicht einmal so, sondern einfach, weil sie immer so dasitzen.
S: Vom Stoff eigentlich eh normal, aber sie verlangen, nur weil wir Sozialmanagement sind,
müssen wir so perfekt sein .
IV: Was wäre die Erwartung? Was heißt perfekt? Was erwarten die Lehrer von Euch?
S: Dass wir dasitzen und zuhören und dann immer lächeln.
S: Dass wir alle Probleme lösen sollen.
S: Die glauben, wir sind die geborenen Psychologen.
S: Nein, dass wir einfach nicht zurückreden, dass wir uns nicht wehren, dass wir einfach so
brave kleine Kinder sind, sitzen, aufpassen, gute Noten schreiben und lernen die ganze Zeit.
So stellen sie sich das vor.
S: Also Streber (SA, FG3, Z1573).
151

Interessant ist die Widersprüchlichkeit der primären sozialen Erwartung, die die
Schüler/innen auf sich lasten fühlen: einerseits sollen sie wie Erwachsene sein und werden
so behandelt, andererseits sollen sie - so verstehen sie es - so wie kleine brave Kinder sein
und sich so verhalten. Mit „erwachsen sein“ meinen die Schüler/innen, dass von ihnen
erwartet werde, keine Fehler zu machen, alle Probleme lösen zu können, die Dinge
insgesamt im Griff zu haben und keine Hilfe zu brauchen. Von dieser Erwartung fühlen sie
sich überfordert. Mit „Kind sein“ meinen die Schüler/innen, dass von ihnen erwartet werde,
dass sie bedürfnislos, hoch angepasst, wehrlos und inkompetent in der Schulbank sitzen
sollen. Von dieser Erwartung fühlen sie sich unterfordert. Es fehlt also das rechte Maß.
Worauf die Schüler/innen implizit hinweisen, ist, dass sie Jugendliche sind: sie vermögen
mehr als Kinder (denen sie freilich zu unrecht unterstellen, dass sie wehrlos seien), und sie
benötigen mehr Hilfe und Unterstützung als Erwachsene.
2. Wenig Mitsprache der Schüler/innen beim Regelsetzen
Wenn Regeln so wichtig sind, interessiert die Frage: für wen? Wer macht die Regeln,
beziehungsweise, wem gilt der Konformitätsdruck? Die Regeln in Schule A scheinen ihre
Mitglieder eindeutig in zwei Gruppen zu teilen: die, die Regeln machen, und die, für die
Regeln gemacht werden. Da die Schüler/innen diejenigen sind, die offenbar die
Abweichungen produzieren, kann man schon vermuten, dass sie bei der Entwicklung und
Kontrolle von Regeln keine aktive Rolle zugesprochen bekommen. Sie vermitteln daher sehr
direkt den Eindruck, dass sie wenig Mitsprachemöglichkeiten haben, dass sie die Regeln
zum Teil erst im Fall von Übertretungen kennenlernen, bzw., dass sie den Sinn mancher
Regeln auch gar nicht einsehen können.
Beispiel Pünktlichkeit
Die Beginnsequenz in den Fokus Gruppen wurde jeweils mit der Frage eingeleitet: "Was
passiert um 8 Uhr in der Früh?" (vgl. den Leitfaden für Fokus Gruppen im Anhang). Die
Schüler/innen sollten einfach erzählen, wie so ein normaler Schultag beginnt. Dabei rückt in
Schule A das Problem der Pünktlichkeit von Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und
Lehrern und das Aufhalten auf dem Gang in den Blickpunkt. Es wird berichtet, dass sowohl
Schüler/innen als auch Lehrer/innen, letztere allerdings seltener, mit einer gewissen
Regelmäßigkeit zu spät in den Unterricht kommen.
152

S: Da kommen zuerst alle zu spät.
S: Die Lehrer kommen nie pünktlich, also die kommen 10 Minuten nach 08.00 Uhr.
S: Es kommen die meisten zu spät. Um 08.00 Uhr sind nur wenige da.
IV: Stört Euch das?
S: Nein.
S: Uns nicht, aber die Lehrer stört das.
S: Z.B. sind wird zu zweit zu spät gekommen um 3 Minuten und eine Professorin wollte uns
dann nicht austragen. Sie hat gesagt, sie macht das nicht mehr.
S: Wenn jemand zu spät kommt, wird man im Klassenbuch eingetragen, man fehlt. Wenn
man zu spät kommt wird hingeschrieben wann man gekommen ist, aber sie wollte das nicht
machen.
S: Obwohl wir nur 12 Minuten zu spät gekommen sind (SA, FG3, Z158) .
Nun ist Pünktlichkeit ein selbstverständliches Gebot in der Hausordnung einer jeden Schule,
und es ist nicht sonderlich schwierig, den Zweck und die Sinnhaftigkeit dieser Regell
einzusehen. Pünktlichkeit dient im weitesten Sinne dem reibungslosen Ablauf des
Kernprozesses, also dem Unterricht, dort, wo er gemeinsame Anwesenheit benötigt.
Dennoch scheint sie in Schule A nur schwer durchsetzbar zu sein. Daher wurde eine
Zusatzregel erlassen, die für die Durchsetzung der Pünktlichkeitsregel sorgen soll. Diese
Zusatzregel sieht vor, dass Schüler/innen, die zu spät kommen, mit einer Verwarnung und
einer Eintragung ins Klassenbuch sanktioniert werden. Sollte das Zuspätkommen 5 Minuten
überschreiten, wird weiters die ganze Stunde als fehlend eingetragen. Nur eine
Entschuldigung der Eltern kann eine Klassenbucheintragung verhindern. Die Schüler/innen
waren in den Entscheidungsprozess nicht einbezogen und wissen nur vage, wie der sich
vollzogen hat.
S: Das ist aber eine neue Ordnung.
S: Nein, bei der Konferenz wurde es besprochen und da hat sie [Frau Klassenvorstand]
gehört, dass das andere Lehrer machen.
S: Das wurde jetzt beschlossen, so.
S: Ich meine, sie wollte das nicht machen eigentlich.
S: Nein, es ist so beschlossen worden.
IV: Glaubt ihr, hat das einen Grund, dass das so beschlossen wurde?
S: Ja, es hat geheißen, es kommen viele Schüler immer zu spät und deswegen. Und das
wollen sie unterbinden.
IV: Habt Ihr da irgendein Mitspracherecht?
S: Nein.
IV: Also, wenn so etwas passiert, könnt ihr dann mitreden?
S: Naja, die Schülervertreter.
S: Jeder Klassensprecher vielleicht auch, das weiß ich nicht, glaube ich auch nicht (SA, FG3,
Z158).
Mit der Regel sind die Schüler/innen nicht einverstanden und ziehen auch kuriose
Schlussfolgerungen, die andeuten, welche unerwünschten Nebeneffekte diese Regel haben
könnte. Schüler/innen, die 5 Minuten zu spät dran sind, könnten entscheiden, die ganze
Stunde fernzubleiben, da die Konsequenz ja die gleiche wäre. Wenn schon Strafe, dann bitte
auch ein Vergehen, das sich lohnt!
153

S: Das ist auch sehr naheliegend. z.B. gestern in Wirtschaftsgeographie sind ein paar Leute
zu spät gekommen – um 5 Minuten – und die wurden dann nicht mehr ausgetragen. Unsere
Englischlehrerin hat uns dann erklärt, dass es eine neue Regel ist, weil eben so viele Schüler
zu spät kommen, dass wenn man 5 Minuten zu spät kommt, dass dann die erste Stunde als
fehlend gilt, da muss man eine Entschuldigung für die ganze erste Stunde bringen, obwohl
man nur 5 Minuten zu spät gekommen ist.
S: Da kann man eigentlich die ganze Stunde dann wieder weggehen (SA, FG2, Z633).
Nicht nur haben die Schüler/innen keine Mitsprachemöglichkeit, sondern sie haben auch
niemanden, mit dem oder der sie solche Entscheidungen vorbereitend oder nachbereitend
mit ausreichender Klarheit besprechen könnten. Und sie empfinden, dass sie von ihren
Lehrerinnen und Lehrern dabei nicht genügend Unterstützung erhalten.
I: Habt ihr irgendwelche Möglichkeiten, wenn wir jetzt bei diesen Regeln sind, wenn es um
Regeln geht, habt ihr die Möglichkeit da mitzubestimmen? Gibt es ein Forum?
S: Nein.
IV: Habt ihr einen Klassenlehrer, mit dem ihr reden könnt?
S: Nein.
IV: Wo ihr sagen könnt, das stört uns eigentlich. Als Beispiel das Klassenbuch, wir werden
da eingetragen, wir finden das unfair, wenn wir 2 Minuten zu spät gekommen sind?
S: Wir reden zwar mit den Lehrern, aber die machen auch nichts.
S: Wir könnten mit unserem Klassenvorstand reden, aber das bringt auch nichts und ist zwei
Tage später wieder vergessen (SA, FG3, Z289).
Die Zusatzregel ist offenbar neu und war den Schülerinnen und Schülern nicht bekannt. Sie
ist ohne Einbeziehung der Schüler/innen gemacht worden, und wird daher als ungerecht
empfunden. Noch dazu bewerten die Schüler/innen das Problem, das durch die Regel
behandelt werden soll, anders als die Schulleitung und die Lehrer/innen. Für die
Schüler/innen ist es eher ein lapidares Problem, dessentwegen man nicht so viel Aufhebens
machen müsste. Und aus ihrer Perspektive könnte diese Einschätzung durchaus passend
sein. Sie sehen allerdings auch nicht über den Rand ihrer Klasse hinaus. Sie sehen nur
vereinzelt, was die Gesamtheit der Lehrer/innen und die Schulleitung sehen und was in der
obigen Passage von der Schülerin auch erwähnt wird, dass nämlich das Zuspätkommen in
der ganzen Schule ein nicht mehr akzeptables Ausmaß angenommen habe. Wie aber sollten
das die Schüler/innen auch sehen, wenn es doch kein Forum gibt, auf dem solche
allgemeinen Probleme für alle sichtbar gemacht werden können, und wenn sie in den
Entscheidungsprozess doch nicht eingebunden waren? Wie sollten die Schüler/innen die
Problemsicht der Schulleitung teilen, wenn es darüber keine Kommunikation gibt?
Auch wenn das Problem der Pünktlichkeit mit dieser strengen Maßnahme in den Griff zu
bekommen sein sollte, ist doch auch erkennbar, dass dies um einen hohen Preis geschieht.
Der liegt nicht nur auf einer kulturellen Ebene, auf der soziale Beziehungen ihre besondere
154

emotionale Tönung erhalten, die durch solche Ereignisse wohl eher ungünstig ausfällt,
sondern noch mehr im systemischen Umgang mit Regeln allgemein, der darin erkennbar
wird. Denn obwohl die Pünktlichkeitsregel ursprünglich dem reibungslosen Ablauf des
Kernprozesses – dem Unterricht - dienen sollte, erzeugt die Zusatzregel zu ihrer
Durchsetzung nun wieder so viel Unmut, Störung und Rauschen, dass das Erreichen des
ursprünglichen Ziels erst recht fraglich erscheint. Vom Zweck und damit von der Legitimation
der Pünktlichkeitsregel her gesehen, wird diese von der Zusatzregel in gewisser Weise
konterkariert.
S: Aber die meisten Schüler verpassen dann die Straßenbahn oder die U-Bahn und kommen
5 bis 10 Minuten zu spät.
IV: Was passiert dann?
S: Man wird eingetragen, dass man nicht anwesend ist. Auch wenn man nach 5 Minuten
kommt, die erste Stunde ist man nicht da.
S: Seit neuestem.
S: Das ist jetzt eine neue Regelung: wenn der Lehrer da ist und zählt und diese Person nicht
da ist, dann wird sie eingetragen und dann fehlt sie automatisch die ganze Stunde.
S: Ja, aber angeblich erst nach einer gewissen Zeit, nach 10 Minuten oder so.
S: Die V und ich sind gestern 2 oder 3 Minuten zu spät gekommen und die hat uns nicht
mehr ausgetragen.
IV: Wie war das?
S: Wir zwei mussten etwas kopieren für Rechnungswesen. Wir hatten in der nächsten
Stunde dann einen Test. Da mussten wir eben noch den Kontenrahmen kopieren. Es waren
aber so viele Leute beim Kopieren, und während wir kopiert haben, hat es geläutet. Da sind
wir zu spät in die Klasse gekommen und die Lehrerin hat uns schon eingetragen gehabt. Wir
haben ihr das noch erklärt und sie hat gemeint, nein, jetzt trage ich nicht mehr aus (SA, FG1,
Z236).
Für alle Beteiligten wäre es einfacher und hätte den selben Effekt, so könnte es allen
Beteiligten erscheinen und so erscheint es jedenfalls den Schülerinnen und Schülern, wenn
man das Zuspätkommen einfach tolerierte und nicht weiter beachtete. Das hätte allerdings
einen negativen, erodierenden Effekt auf alle Regelbildung des Systems und kann daher
nicht ernsthaft ins Auge gefasst werden.
Wie aus soziologischer Sicht prognostizierbar gewesen wäre, ist es im Übrigen so, dass die
Zusatzregel zur Pünktlichkeitsregel das Pünktlichkeitsproblem keineswegs gelöst hat.
Unpünktlichkeit scheint in der Schule A weiterhin gegeben zu sein. Und das, obwohl die
Schulleitung und die Lehrer/innen die Regel auch an einem Punkt mit großer Konsequenz
durchgezogen haben, der den Schülerinnen und Schülern offenbar ebenfalls nicht bewusst
gewesen ist, dass sich nämlich die Fehlstunden, die sich durch die „ungerechte“ Arithmetik
der Zusatzregel sehr rasch aufsummieren, negativ auf das Zeugnis auswirken würden.
155

S: Naja, im Halbjahreszeugnis ist plötzlich fast bei jedem gestanden, nicht „sehr
zufriedenstellend“, sondern nur „zufriedenstellend“. Dann haben wir eben gefragt wieso, und
da haben sie gesagt, ja die Fehlstunden.
IV: Aha, vorher habt ihr das gar nicht gewusst, das habt ihr erst durch das Zeugnis erfahren.
S: Ja, irgendwann halt.
S: Ich habe sie einmal gefragt, irgendwann vor dem Zeugnis. Dann hat sie mich gleich so
angefahren und gesagt, das sind Dokumente, die sind eingesperrt, zu denen hat sie keinen
Zugang und wir werden es schon früh genug am Zeugnistag erfahren (SA, FG2, Z767).
Beispiel Umarmen
Ein weiteres Beispiel für anlassbezogenes Regelsetzen bietet der Fall „Umarmen“. Es gibt in
Schule A eine Regel, die verbietet, dass sich die Schüler/innen gleichen oder anderen
Geschlechts in der Schule umarmen. Diese Regel ist von der Schulleitung erlassen worden
als Reaktion auf ein Problem, das sich im Zuge einer Umarmung zweier Jugendlicher
ergeben hat. Daraus ist offenbar ein Fall von sexueller Belästigung entstanden, jedenfalls –
vorsichtiger formuliert - wurde der Vorfall intern dahingehend gedeutet und diskutiert.
S: Da sind sie sehr streng. Es war ein Vorfall bei einer Parallelklasse von uns. Der ist eben
ein lieber gemütlicher Typ, der hat auch einige Mädels aus unserer Klasse sehr gerne. Nur
hat er dann Schwierigkeiten bekommen wegen körperlichen Kontaktes und so.
S: Angeblich sexuelle Belästigung.
S: Ja, wurde ihm vorgeworfen.
S: Das war eigentlich nur Umarmen und so.
IV: Hat ein Mädchen den Vorwurf gemacht?
S: Ja, ein Mädchen.
IV: Die wollte das nicht und hat sich beklagt?
S: Ja, obwohl sie das angeblich auch gemacht hat (SA, FG1, Z128).
S: Wir stehen unter den Lehrern. Wir als Schüler können nie was machen, da können wir
noch so viele sein. Es war auch einmal eine Zeit, da hat man sich nicht umarmen dürfen,
weil einer hat eine ausgegriffen.
S: Das war dann gleich sexuelle Belästigung.
S: Ja, nur weil sich ein Mädchen halt aufgeregt hat. Aber das hat auch eine Vorgeschichte
gehabt, weil das Mädchen hat immer den W. ausgegriffen. Sie hat sich dann gleich
beschwert beim Klassenvorstand und deswegen hat er gleich die zweite Vorwarnung
gekriegt und mit drei fliegt man. Seine Mutter hat dann in die Schule müssen. Da hat es dann
geheißen, wir dürfen uns so nicht einmal begrüßen, weil wir Mädchen und so und auch die
Jungs begrüßen, mit Bussi halt, das haben wir dann gar nicht dürfen und wir haben uns vor
Lehrern dann auch gar nicht umarmen dürfen.
S: Das war kindisch ganz einfach.
S: Es wird schon wieder.
IV: Wie ist die Regel entstanden und wie ist euch die näher gebracht worden?
S: Unser Klassenvorstand hat halt zu uns gesagt, ihr dürft euch jetzt nicht mehr umarmen.
S: Weil sie sagen, ja, wie schaut das aus, wenn irgendwer, irgendwelche Gäste, Eltern oder
so, von Schülern reinkommen und die knutschen halt so herum oder umarmen sich.
S: Na und.
156

S: Ich mein, wenn ich als Elternteil dort bin, okay, ich weiß nicht, was ich denken würde, aber
vielleicht würde ich auch denken, es ist gut, dass sich da auch welche finden, die sich mögen
oder so (SA, FG2, Z1260).
Auch hier wurde zuerst ein Verbot eingeführt, bevor das Problem, das dadurch bearbeitet
werden sollte, von den Schülerinnen und Schülern ausreichend verstanden worden wäre.
Die sexuelle Belästigung erscheint den Schülerinnen und Schülern nur „angeblich“ als eine
solche, ist also bezweifelbar, denn eigentlich war es ein gegenseitiges Verhalten.
Ausdrücklich wird der Knabe, der von der Schulleitung als Übeltäter gebrandmarkt wird, von
den Schülerinnen und Schülern als „lieber Typ“ bezeichnet. Die Auffassungsunterschiede
zwischen Schulleitung und Schülerinnen und Schülern könnten kaum größer sein. Man kann
daraus erahnen, wie viel Kommunikation über das heikle Thema notwendig gewesen wäre,
um es für die Schule in adäquater und erfolgreicher Weise behandelbar zu machen. Die
Schulleitung hätte mehr über die Körperkultur der Schüler/innen wissen müssen, wie sie
privat miteinander umgehen, wie sie Körper, Sexualität, Sinnlichkeit denken, welche
Einstellungen sie dazu haben etc.. Die Schüler/innen umgekehrt hätten möglicherweise für
das Thema der sexuellen Belästigung erst noch sensibilisiert werden müssen.
Beides wäre nur möglich, wenn die Schule über Kommunikationsformen verfügen würde, die
solche Auseinandersetzungen zuließen. Im Idealfall hätte die Schule sogar eine
niedergeschriebene Sexualpolitik im Sinne von Grundsätzen und Richtlinien, mit der sich alle
Jahrgänge auseinandersetzen könnten. Diesbezügliche Regeln würden dann nicht mehr, wie
es jetzt der Fall ist, als Symptombehandlung erscheinen, sondern könnten sich leitbildartig
an einem konsentierten Ziel orientieren. Die Regeln hätten somit eine positive Funktion und
damit eine höhere Chance auf Durchsetzung im System.
Die Umarmen-Regel weist solche Vorzüge nicht auf. Kein Wunder also, dass die
Schulleitung aus Sicht der Schüler/innen überreagiert hat, wenn sie die Mutter des Täters zur
Unterredung bestellt und eine Regel erlässt, die von den Jugendlichen als „kindisch“
empfunden wird. Die Regel hat daher auch kaum eine Chance auf Wirksamkeit. So ist die
Regel, wie das folgende Zitat zeigt, zunächst von den Jugendichen und schließlich auch von
den Lehrerinnen und Lehrern unterlaufen worden.
S: Ich meine, es macht eh schon jeder. In der Zeit hat man halt gesagt, Tür zu, und wir
haben uns dann begrüßt, aber ich meine jetzt macht das eh jeder, es schaut eh keiner drauf.
IV: Was passiert dann, wenn es das dennoch gibt, wenn ihr euch trotzdem umarmt, oder
wenn irgendwas passiert, was eigentlich verboten worden ist?
S: Es sagt eigentlich gar niemand etwas.
S: Es schaut, glaube ich, keiner mehr, es ist egal.
S: Aber damals war es schon hart (SA, FG3, Z229).
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Als Beispiel dafür, wie Regeln, die anlass- oder problembezogen gemacht werden und keine
Fundierung in ausführlichen Kommunikationen, Konsensen und Leitbildern haben, ihre
Durchsetzbarkeit verlieren, kann in der Schule A auch der Umgang mit Piercing gewertet
werden. Solche Regeln erzeugen Widerstand und defensive Strategien der Umgehung.
S: In Kochen hat es halt geheißen, sie muss die Piercings raustun. Sie hat gesagt, das kann
sie nicht, weil sie es eben erst neu drinnen gehabt hat. Dann hat sie aber bei der Matura-
Kommission servieren müssen und sie hatte halt auch beim Auge ein Piercing und in der
Zunge. Die Lehrerin hat gesagt, sie darf den Mund nicht aufmachen und sie muss da ein
Pflaster drüberpicken. Dann hat sie gesagt, ja, aber ich lache immer. Dann hat sie gesagt,
Du darfst nicht lachen, weil sie hat da vorne bei den Zähnen auch eines gehabt. Dann hat
die Lehrerin gemeint, ja, das ist dann dein Pech, wenn du es nicht raustun kannst, dann
kriegst du halt einen Anschiss von der [Schulleitung]. Dann hat sie die Lehrerin gebeten,
dass sie vielleicht nicht servieren muss, dass eine andere Schülerin serviert. Dann hat die
Lehrerin doch Einsicht gehabt und hat gesagt, nein o.k., dann musst du nicht servieren, nur
schau halt beim Kochen, wenn die [Schulleitung] oder irgendwer reinkommt, dass sie dich
nicht sieht (SA, FG1, Z1649).
Die Schule untergräbt damit ihre eigene Autorität und setzt die Regeln der Erosion aus. Es
ist dann für die Schüler/innen kaum mehr unterscheidbar, was eine Regel ist und was nur ein
spontaner Einfall der Schulleitung, wie im Beispiel „Garderobe“, in dem eine Schülerin nicht
mehr zu sagen weiß, ob sie nun gegen eine Regel verstoßen hat. Die Schülerin kommentiert
den Vorfall wie folgt:
S: Im Normalfall sind die Regeln ein bisschen bescheuert oder die Lehrer haben komische
Ansichten, aber sonst passt es.
IV: Kannst du mir sagen, welche bescheuert ist?
S: Ja, Regeln. Ja, ich war einmal in der Garderobe nach dem Turnen, da hat mich die
[Schulleitung] zusammengestaucht, warum ich noch in der Garderobe war, um mich
umzuziehen. Ich muss immer meine Sachen mit haben nach dem Turnen und dann müssen
wir wieder herkommen.
IV: Und was steckt da dahinter?
S: Keine Ahnung.
S: Wahrscheinlich wegen dem Diebstahl und so (SA, FG1, Z101).
Abschließend soll auf eine Konsequenz hingewiesen werden, die man aus der Perspektive
der Soziologie vermuten muss. Diese Konsequenz ergibt sich aus der Art und Weise des
Regelsetzens und –einforderns und betrifft das Selbstverständnis jedes einzelnen Schülers
und jeder einzelnen Schülerin als Mitglied der Organisation Schule. Diesbezüglich ist zu
vermuten, dass die Jugendlichen von einer gewissen Verunsicherung geplagt werden, die
alles betrifft, was man in der Schule tun oder lassen soll. Während es in rechtsstaatlichen
Kontexten normalerweise so ist, dass das, was nicht verboten ist, erlaubt ist, was eine stabile
Handlungsorientierung gewährleistet, scheint dieser Schluss in Schule A nach unserer
Analyse nicht zuzutreffen. Denn es kann aus Sicht der Schüler/innen jederzeit so sein, dass
ein Verhalten, das arglos und in gutem Glauben gewählt wurde, gegen eine Regel verstößt
158

oder sogar rückwirkend als Regelübertretung definiert wird. Das gibt einer gewissen Willkür
Raum, durch welche die Grenzen zwischen erlaubt und unerlaubt in den Augen der
Schüler/innen verschwimmen.
3. Regeln schaffen Ungleichheit
Eine unmittelbare Folge des anlass- und problembezogenen Regelsetzens besteht darin,
dass zwischen den Mitgliedern der Organisation immer wieder Ungleichheiten geschaffen
werden. Es beginnt damit, dass ein Verhalten von einzelnen oder einer kleinen Gruppe zu
einer Regel führt, die dann alle betrifft. Diese Regel wird dann von den anderen, die sich
keines Vergehens schuldig wissen, als ungerechte Strafe empfunden. Sie schafft also
Ungleichheit in Bezug auf Gerechtigkeit.
S: Es ist auch so, wenn irgend welche was machen, dann wird immer die ganze Klasse
bestraft. In jeder Klasse sind irgendwelche, die halt blöd sind. Wenn die das machen, dann
wird immer die ganze Klasse von der [Schulleitung] bestraft. Solche Sachen halt.
S: Zweite Fremdsprache ab dem 2. Jahr, das hat die [Schulleitung] als Strafe. Wir wollen das
eh, aber die [Schulleitung] hat das als Strafe gesehen. Ich finde, nur weil ein paar halt ein
schlechtes Zeugnis haben und ein paar rauchen, dass jetzt die ganze Klasse schon ab dem
2. Jahr.
IV: Warum ist das eine Strafe für die ganze Klasse ?
S: Naja, dass wir ab dem 2. Jahr schon Französisch haben und nicht erst im 3. Jahr.
S: Aber die [Schulleitung] hat es als Strafe gesehen.
IV: Und empfindet ihr das als Strafe?
S: Nein.
S: Jeder sagt, dass es o.k. ist, aber die [Schulleitung] hat es als Strafe empfunden. Ich finde
es lächerlich, dass es eine Strafe ist für’s Rauchen (SA, FG3, Z1321).
Andere Regeln werden bewusst so eingeführt, dass sie nur für einen Teil der Mitglieder der
Organisation Geltung haben. Zum Beispiel nur für Schüler/innen, nicht für Lehrer/innen. Oder
nur für die jüngeren Jahrgänge, nicht für die älteren.
Es mag gute Gründe geben, solche Unterschiede in ein System einzuführen, und es ist nicht
Aufgabe dieser Untersuchung, das im Einzelfall zu bewerten. Aber jede Mutter und jeder
Vater kann ein Lied davon singen, wie viel Kommunikation und Argumentation notwendig ist,
um durchzusetzen und akzeptabel zu machen, warum für die Eltern etwas anderes gilt als
für die Kinder oder warum der ältere Bruder noch aufbleiben darf, während der Kleine ins
Bett muss. Wenn also solche Ungleichheiten erzeugt werden, muss man sehr bewusst mit
den Folgen umgehen. Eine dritte Form, wie Regeln Ungleichheit erzeugen können, besteht
schließlich darin, dass die Einhaltung einer Regel nur oder vornehmlich bei einer bestimmten
Gruppe eingefordert wird. Beide Söhne benehmen sich daneben, aber nur beim Älteren wird
ein Ende eingefordert. Als Beispiel für diesen Fall wählen wir die Hausschuhregel.
159

Beispiel Hausschuhe
Ein Beispiel für eine Ungleichheit stiftende Regel stellt die Hausschuhregel dar. Die Regell
besagt, dass im Schulgebäude Hausschuhe zu tragen sind. Diese Regel wird von den
wenigsten Jugendlichen der Schule eingehalten. Von Seiten der Lehrer/innen und des
Reinigungspersonals wird der Versuch unternommen, diese Regel zumindest bei den ersten
Klassen durchzusetzen, und hier in einem noch einmal gesteigerten Ausmaß an Dringlichkeit
von den Jugendlichen der befragten Klasse, offenbar weil diese dem Schwerpunkt
Sozialmanagement angehört. Die Schüler/innen dieser Klasse werden immer wieder
aufgefordert, in dieser und anderen Hinsichten ein Vorbild zu sein. Diese Regel und ihre
Durchsetzung wird von den Jugendlichen als äußerst ungerecht und kompromittierend
empfunden. Diese Empfindung wird – verständlicherweise – von der mitgelieferten
Begründung für den Unterschied noch verstärkt. Denn ist es nicht eine Umkehrung der
ansonsten üblichen Verhältnisse in der Erziehung, wenn gerade die Jüngsten – in der Schule
A gibt es keine Unterstufe - zu Vorbildern gemacht werden sollen? Setzt man diese damit
nicht dem Hohn der Älteren aus, die nicht nur nicht daran denken, Hausschuhe zu tragen,
wenn es die Lehrer/innen nicht tun, sondern die schon gar nicht daran denken, sich an
„anpasslerische“ Kinder anzupassen? Und gerät die Begründung damit nicht in ein schiefes
Licht, in dem die Vorbildwirkung der Jüngeren von vornherein und auch für diese selbst
durchschaubar (!) so gut wie keine Chance auf Realisierung hat?
Die Schüler/innen beschweren sich darüber, dass es sehr aufwendig sei, jedesmal wenn sie
das Haus verlassen wollen, um zum Beispiel eine Zigarette zu rauchen, die Schuhe
wechseln zu müssen, und dass sie, weil nur sie Hausschuhe tragen müssen, zum Gespött
der anderen Klassen werden. Die Tatsache, dass alle anderen Schüler/innen und
Lehrer/innen keine Hausschuhe tragen, führt dazu, dass die Schüler/innen diese Ordnung
als unsinnig erachten.
S: Es haltet sich keiner dran. Die Schulwarte sind zwar oben gestanden und haben alle
wieder runtergeschickt, die Schuhe angehabt haben, aber die meisten sind dann hinten
raufgegangen.
S: Ich meine, ich weiß nicht, ob das viel bringen soll. Die Lehrer ziehen ja genauso Schuhe
an. Deswegen verstehe ich es nicht, wenn die Lehrer von uns verlangen, auch im Sommer,
dass wir Hausschuhe tragen, wenn sie selber Schuhe tragen.
S: Das ist gesünder.
S: Das sagt die [Schulleitung] auch immer, Schweißfüße.
S: Genau.
S: Ja, aber schau, wir sind dann die einzige Klasse, die Hausschuhe trägt.
S: Das ist peinlich (SA, FG1, Z1798).
160

S: Noch dazu sind die Hausschuhe von uns dann genauso dreckig, weil die anderen
latschen eh mit ihren nassen Schuhen rein.
S: Ja, eh.
S: Ja, wir haben es eh eigentlich gemacht.
S: Da sagt dann eh keiner was. Es ist früher manchmal ein Lehrer oben gestanden und hat
die mit den normalen Schuhen hinausgeschickt und wir sind halt dann so hinten herum
herauf gegangen in die Klasse.
IV: Seid ihr zufrieden mit dieser Lösung oder nicht?
S: Naja, jetzt schon, aber bei Schlechtwetter muss man immer schauen, ob sie nicht oben
stehen (SA, FG3, Z1161).
Sonderstatus
Wie schon erwähnt, ergibt sich aus dem Sonderstatus der Klasse für die Schüler/innen die
Konsequenz, dass von ihnen bezüglich der Hausordnung und ihres Verhaltens mehr verlangt
wird und strengere Standards gelten als bei anderen Schülerinnen und Schülern – zumindest
nehmen das die Schüler/innen so wahr. Und sie empfinden das als ungerecht.
S: Ich meine, wegen dem, dass wir sozial sind, das stimmt schon, weil manchmal erwarten
sie [die Lehrer/innen und die Schulleitung], nur weil es der 1. Jahrgang ist, dass wir immer
die Besten sind, weil sie denken das ist ein neuer Zweig und da müssen wir schon besser
sein, weil es eben ein Versuchszweig ist. Da schauen alle auf uns, sagen sie immer. Ja, ich
weiß nicht, es ist schon so gegen uns (SA, FG3, Z869).
S: Die [Schulleitung] wollte uns von Anfang an zu Musterschülern erziehen und sagt so
Sachen, ja, es sind keine Piercings erlaubt und so. Es stimmt nicht, irrsinnig viele Leute in
der Schule haben das und die [Schulleitung] will von Anfang an klar machen, dass das nicht
geht. Durch alles die Regeln verstärken, alles viel strenger, weil wir eben die neue
Fachrichtung sind und die erste und da glaubt die [Schulleitung], wir müssen alles richtig
machen.
S: Und immer wenn die [Schulleitung] reinkommt sagt sie, wie schaut es denn da schon
wieder aus, es gibt Klassen, wo es nicht so ausschaut.
S: Und am Samstag in der letzten Stunde immer Waschbecken putzen (SA, FG2, Z544).
Das Beispiel macht aber noch etwas anderes deutlich: die von den Jugendlichen als
Ungerechtigkeit empfundene, ungleiche Behandlung, die von der Regel und ihrer Auslegung
erzeugt wird, ist zusätzlich auch noch ambivalent. Nicht weil man für schlechter oder weniger
wert gehalten wird als die anderen, muss man strengere Regeln befolgen, das könnte man
noch irgendwie verstehen, sondern umgekehrt, weil man für besonders gut gehalten wird.
Durch die unfaire Behandlung, die einem zuteil wird, wird man sozusagen geadelt. Fast hat
man das Gefühl, als müsse man auch noch dankbar sein.
S: Wir müssen ja die Hausschuhe tragen, weil wir das Vorbild sind.
S: Ja, genau, das meine ich. Das hasse ich.
S: Manchmal behandeln sie [die Lehrer/innen und die Schulleitung] uns wie Erwachsene und
manchmal wie Kleinkinder.
161

S: Meistens wie Kleinkinder.
S: Ja, sie [die Lehrer/innen und die Schulleitung] wollen uns eigentlich so behandeln, dass
wir eben das Vorbild sind, sprich wie Erwachsene, dass wir eben Hausschuhe anziehen und
so, dass die anderen uns das vielleicht nachmachen (SA, FG2, Z862).
S: Es heißt immer, nur weil wir Sozialmanagement sind, sollen wir die anderen respektieren.
S: Es wird von uns immer viel mehr verlangt, ja, weil wir sozial sind.
IV: Also, von Euch verlangt man, dass ihr alles sozial macht?
S: Ja, genau.
IV: Was heißt das, alles sozial machen?
S: Dass wir so tun als wären wir 40.
S: Die behandeln uns wie Erwachsene, dass wir alles schon so können wie die
Erwachsenen. Und alles so machen müssen, was sie verlangen (SA, FG3, Z820).
Es scheint uns klar, dass diese Ambivalenz den Umgang mit Ungerechtigkeit, oder was als
das empfunden wird, für die Schüler/innen erheblich erschwert, so dass ihnen auch die
Kommunikation darüber schwer fällt. Das Problem bleibt daher undiskutiert und taucht nur
als Störung auf. Die Interviews mit Lehrerinnen und Lehrern und mit der Schulleitung lassen
nicht erkennen, dass dieses Problem an anderen Stellen im System überhaupt bewusst
wäre. Es muss daher angenommen werden, dass darüber nur auf Schüler/innenseite
kommuniziert wird und dass dabei bestimmte Haltungen gesteigert werden, namentlich
Haltungen der defensiven Abwehr, der Relativierung und des Ungehorsams gegenüber
Regeln.
4. Ungleichheit, Ungehorsam und Kontrolle
Die verschiedenen Weisen, in denen in Schule A durch Regelsetzung Unterschiede erzeugt
werden, die sich als Ungleichheiten äußern oder zumindest als das empfunden werden, die
Tatsache, dass sich die Kontrolle nicht auf alle Schüler/innen mit gleicher Konsequenz
bezieht und dass Lehrer/innen und Inhaber leitender und administrativer Funktionen von den
Regeln ausgenommen sind, wie zum Beispiel im Fall der Hausschuhregel und der
Pünktlichkeitsregel, führt zu Unverständnis und im weiteren zu Abwehr und Ungehorsam
gegenüber der Regel.
Es kommt daher zu regelmäßigen Abweichungen von den Regeln. Mehr noch: es entwickelt
sich regelrecht eine Kultur der Regelabweichung. Es darf dann niemanden mehr
verwundern, dass Regeln übertreten werden. Hier schließt sich zum ersten Mal ein Kreis,
denn wir kehren wieder zu dem Befund zurück, der am Beginn dieser Analyse gestanden
hat, und der lautete: in Schule A gibt es ein Disziplinarproblem, ein Problem der häufigen
Regelabweichung. Regeln sind in Schule A so wichtig geworden, dass die Differenz
162

efolgen/abweichen den Alltag ständig stören kann und dadurch zu einem prägenden, den
Alltag beherrschenden Moment wird.
IV:Habt ihr das Gefühl, dass an eurer Schule die Regeln oft überschritten werden?
S: Ja.
S: Ja, sicher. Zum Beispiel, er steht jede Pause da unten und raucht. Es ist denen eigentlich,
glaube ich, egal.
S: Am Anfang war es so, dass immer ein Lehrer unten gestanden ist und der hat so
geschaut und dann hat er halt immer ein paar rausgenommen und hat sie raufgebracht zur
[Schulleitung] (SA, FG3, Z1238).
S: Genau in der Pause sind sie dann in den Raucherhof gegangen rauchen. Also, es ist egal,
auch wenn die [Schulleitung] reinkommt und irgend etwas sagt, das ist ihnen egal.
S: Wir haben ihnen auch gesagt, sie sollen das nicht machen, weil wir wollen nicht, dass die
ganze Klasse irgendwie schlecht angeschrieben ist (SA, FG3, Z1308).
S: Und die [Schulleitung] glaubt, sobald wir mit ihnen reden, wir reden über Drogen. Aber sie
reden überhaupt nicht über Drogen, sondern wie jeder normale andere, ich weiß nicht,
warum wir uns fernhalten müssen, ich meine.
S:Wir halten uns auch nicht fern. Warum sollten wir auch? Die gehören zu unserer Klasse,
die sind unsere Freunde (SA, FG3, Z1837).
Wir verfolgen die begonnene Argumentation noch ein Stück weiter. Die interessante Frage,
die sich an diese erste Befundlage anschließen lässt, lautet: wie reagiert denn nun das
System bzw. die Führungsebene der Organisation auf die wiederkehrenden Regelverstöße?
Unsere Antwort lautet: je mehr Abweichungen, desto mehr muss kontrolliert und sanktioniert
werden. Und das gelingt letztlich nur mit Hilfe einer starken „Exekutive“ im System.
Beispiel Rauchen
Ein Beispiel dafür ist das Thema Rauchen. Selbstverständlich wird das Rauchen an der
Schule als Problem behandelt. Das Rauchen ist erst ab dem zweiten Jahrgang erlaubt, d.h.,
es ist auch für die 16-jährigen, die im ersten Jahrgang sind, verboten und zwar auch dann,,
wenn die Eltern es erlauben. Die Schüler/innen, denen das Rauchen erlaubt ist, dürfen im
Raucherhof rauchen, aber nicht vor der Schule. Weil der Raucherhof nicht überdacht ist, das
Schultor aber schon, lässt es sich nicht vermeiden, dass die Schüler/innen vor der Schule
rauchen. Die Aufsichtspersonen müssen streng dahinter sein, dass die komplizierte Regel
eingehalten wird. Auch für die Lehrer/innen ist das Rauchen nur in einem Raucherkammerl
erlaubt.
Das Übertreten der Raucherregel ist nicht das schlimmste Vergehen an der Schule, aber die
Schüler/innen werden am öftesten dabei erwischt. Sanktioniert wird die Regelverletzung
163

entweder mit Verweisen von Seiten der Lehrer/innen, mit Klassenbucheintragungen sowie
mit der Strafe, die Zigarettenstummel aufkehren zu müssen. Bei mehrmaligen Verweisen
müssen die Schüler/innen zur Schulleitung, wo sie entweder auch wieder nur verwiesen
werden oder auch verwarnt, was eine härtere Sanktion ist, weil bei drei Verwarnungen der
Schulausschluss erfolgen kann und die Eltern benachrichtigt werden.
S: Am Anfang war es so, dass immer ein Lehrer unten gestanden ist und der hat so
geschaut und dann hat er halt immer ein paar rausgenommen und hat sie raufgebracht zur
[Schulleitung] (SA, FG3, Z1241).
Die Einhaltung der Ordnung wird zunächst mittels mündlicher Anordnung von Lehrerinnen
und Lehrern oder anderen Aufsichtspersonen wie dem Reinigungspersonal durchgesetzt.
Bleibt der Erfolg aus, wird die Anordnung (die Regel) über die Hierarchiestufen der internen
Schulbürokratie verstärkend kommuniziert. Das heißt, dass die Klassenvorstände und die
Klassensprecherin in die Sache einbezogen und angehalten werden, im Sinne der
Durchsetzung der Regel aktiv zu werden.
S [die Klassensprecherin]: Die Frau Professor ist mir sehr dankbar, weil sie sagt immer, ich
bin ihre große Stütze und ich verstehe mich mit den Lehrern super gut. Darum rede ich auch
offen über die Klassensituation.
S: Es ist auch so, dass unser Klassenvorstand hauptsächlich sie bittet auf uns einzureden
und versuchen zu sagen, ja, dass wir eben nicht vor die Schule rauchen gehen sollen. z.B.
zwei aus unserer Klasse haben sich da auch einen Ofen gemacht, das hat unser
Klassenvorstand auch gewusst, ungefähr wer das ist und hat gesagt, dass wir das nicht
mehr machen sollen. Es hat irgendwie eh nichts gebracht, jetzt ist es noch ärger, weil jetzt
gehen sie in den Raucherhof.
S: Da wäre eine fast von der Schule geflogen.
IV: Ofen gemacht, heißt Marihuana geraucht?
S: Ja.
S: Die wären dann fast von der Schule geflogen.
S: Ohne dich wären sie garantiert geflogen (SA, FG1, Z962).
S: Im Winter stellen sie bei jeder Stiege entweder die Putzfrauen oder irgendwelche Schüler
auf.
S: Das sind alles Schulwarte.
S: Die sind dort gestanden und der P, das ist ein Lehrer, und die sagen dann, ja Hausschuhe
anziehen oder du darfst nicht rauf.
S: Da sind wir halt dann von der hinteren Stiege raufgegangen (SA, FG2, Z847).
Häufig zeichnen sich Schulen eher dadurch aus, dass sie eine "flache" Hierarchie haben.
Das ergibt sich daraus, dass die Lehrer/innen zumeist einen weitgehend autonomen Bereich
verwalten, der von der Schulleitung nicht im Detail kontrolliert werden kann und soll, was zu
einer mehrpoligen, dezentralen Struktur führt, und dass weiters die Lehrer/innen den
einzigen unmittelbaren Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern pflegen, so dass die
vollständige Hierarchie kaum sichtbar und relevant wird. Demgegenüber scheint in Schule A
164

eine etwas ausgeprägtere hierarchische Ordnung zu bestehen, da die Schulleitung offenbar
die Möglichkeit hat, nicht nur die Autonomie der Lehrer/innen zu begrenzen, sondern auch
bis auf die Ebene der Schüler/innen direkt durchzugreifen.
Von oben nach unten hat die Schulleitung die höchste Autorität inne, ihr folgen die
Lehrer/innen, der Schulwart und das Reinigungspersonal, die Klassensprecher/innen und die
Schüler/innen. Ganz typisch ist hier der Ausspruch einer Schülerin, die sagt:
S: Zuerst kommen die Putzfrauen, dann kommen die Lieblingslehrer und dann irgendwann
einmal wir (SA, FG1, Z1578)
S: Die Regel hat die [Schulleitung] erfunden, die hat das an die Lehrer weitergegeben, die
Lehrer dann an uns. Ich weiß nicht, ich finde das unfair. Sie ist ja genauso alt wie wir und ich
weiß nicht, ob sie wirklich immer damit fertig wird, wenn sie dann auch von anderen Kindern
so beschimpft wird und dann halt so, ja, das ist nicht notwendig und du hältst nur zu den
Lehrern und du willst dich nur einschleimen, das ist nicht o.k. Ich meine, sie kann ja auch
nichts dafür, sie muss es ja nur von den Lehrern an die Schüler weitergeben. Darum ist es
auch so, dass sie dann auch noch aufpassen muss, dass es eingehalten wird. Das finde ich
nicht o.k. von den Lehrern und von der [Schulleitung], weil das einfach nicht ihre Aufgabe ist
(SA, FG1, Z1871).
Besonders auffällig ist, dass Konflikte häufig durch die Schulleitung im persönlichen Kontakt
gelöst werden. Die Schulleitung wird dann als oberste und strafende Autorität sichtbar und
von den Schülerinnen und Schülern als sehr unangenehm wahrgenommen.
S: So wie die [Schulleitung]. Ich weiß nicht, es ist so als wären wir für die [Schulleitung]
unwichtig. O.k. sie ist bis jetzt zweimal in unsere Klasse reingekommen. Einmal musste eine
Schülerin ins Spital, dann hat die [Schulleitung] eine Schülerin, die sich halt stärker schminkt
und sich auch anders anzieht, ziemlich runtergemacht. Dann hat die [Schulleitung] sich
irgendwann dafür entschuldigt. Die war bei uns herinnen, da hat halt die K gesagt, ja, die
[Schulleitung] ist so gemein. Dann war die [Schulleitung] ein zweites Mal bei uns, da hat die
[Schulleitung] auch gemeint, ein paar von uns haben den Zweig nur gewählt, weil es eine
leichte Matura ist und wir nicht wirklich das Soziale wollen, weil wir uns nicht an Regeln
halten, z.B. das Rauchen vor der Schule oder im Raucherhof – im ersten Jahrgang ist es
verboten. An das halten wir uns halt nicht. Die [Schulleitung] ist zweimal bei uns gewesen
und hat in Wirklichkeit nur mit uns geschimpft und so herumgekeppelt. Ich glaube schon,
dass die [Schulleitung] sich auch für die Schüler einsetzt, weil wir hatten erst ein
Faschingsfest. Das hat zwar der Schulsprecher organisiert, aber die [Schulleitung] hätte es
auch nicht zulassen können. Darum glaube ich auch nicht, dass wir unwichtig für die
[Schulleitung] sind, weil sonst kann die [Schulleitung] ja nicht die [Schulleitung] von der
Schule sein (SA, FG1, Z1585).
Die Schüler/innen haben daher regelrecht Angst vor der Schulleitung. Natürlich bauen die
Schüler/innen Strategien der Abwehr und des Abblockens dagegen auf.
165

S: Das ist dann manchmal ganz lustig, wenn wir vor der [Schulleitung] davon rennen. Die
[Schulleitung] kommt aus der Schule raus und wir setzen uns hinter die Mistkübel, damit die
[Schulleitung] uns ja nicht sieht.
S: Das beste ist ja, wenn die [Schulleitung] auf’s Klo geht und irgendwer steht am Gang,
dann wird geschrien, die [Schulleitung] und alle rennen schon in die Klasse und räumen auf,
falls die [Schulleitung] in die Klasse kommen sollte (SA, FG2, Z1393).
IV: Habt ihr das der [Schulleitung] gesagt?
S: Nein, weil wenn wir das sagen, dann.
S: Wir trauen uns schon gar nichts mehr sagen.
S: Vor der [Schulleitung] haben alle wirklich die Ur-Angst.
S: Anschreien.
IV: Vor wem denn?
S: Von der [Schulleitung].
S: Da wird man gleich immer eingetragen.
S: Wenn die [Schulleitung] kommt, dann stellen sich gleich alle auf (SA, FG3, Z1345).
Es werden dadurch die offenen, freien kommunikativen Äußerungen der Jugendlichen
unterdrückt, die es auch nicht mehr wagen, eigene Wünsche und Vorstellungen zum
Schulgeschehen vorzubringen. Im Ergebnis entsteht ein sehr straffes Regime, dem sich die
Schüler/innen und die Lehrer/innen zu fügen haben. Da sie für alle Tätigkeiten und
Handlungen, die nicht durch eine allen bekannte Regel abgedeckt sind, nachfragen müssen,
ob es erlaubt oder verboten ist, gibt es freies, selbstbestimmtes Handeln im Grunde nur
mehr in der Form der mehr oder weniger absichtlichen Abweichung.
S: Wir müssen wegen allem, was wir machen, fragen. Wir müssen fragen, wenn wir uns für
eine Stunde woanders hinsetzen, wir müssen fragen, wenn wir ein Bild an die Wand hängen
wollen (SA, FG2, Z329).
Hierin liegt der tiefere Grund für das Disziplinarproblem der Schule A. Salopp formuliert:
Abweichung ist die einzig mögliche Form der Selbstbestimmung und wird daher zur
Ehrensache.
Sonderstellung Klassensprecherin
Auffällig in den Erzählungen der Schüler/innen ist die Bedeutung der Klassensprecherin in
ihrer Rolle als Vollzugsorgan der Ordnung – man könnte auch sagen: als verlängerter Arm
der Schulleitung. Für die Schüler/innen stellt es sich als problematisch dar, dass die
Klassensprecherin vom Klassenvorstand und dieser von der Schulleitung eingesetzt wird,
um die Durchsetzung von Regeln zu erwirken. Die Klassensprecherin gerät dadurch in eine
sehr schwierige Rolle, in der sie halb zum Staff, halb zu den Schülerinnen und Schülern
gehört.
166

S: Naja, es läutet einmal zur Stunde. Die meisten stehen dann noch vorne, vor der Klasse.
Sie als Klassensprecherin geht dann nach vorne, könnt ihr bitte reingehen, und die dann
gleich so blöd. Sie sagt halt nur reingehen. Aber die Lehrer, die wollen das nicht. Ich meine,
wir könnten uns doch leise reinsetzen und drinnen weiterreden. Es müssen doch nicht alle
draußen am Gang stehen und laut herumbrüllen, wenn in der Nebenklasse schon Unterricht
ist.
S: Das ist ein Problem, ja.
Die Klassensprecherin: Eben, wir kriegen einen - tschuldigung - Anschiss von der
[Schulleitung], weil wir dann laut sind und den Unterricht in der Nebenklasse stören. Es sind
dann schon welche, die dann sagen, o.k. gehen wir rein, machen wir die Türe zu und warten
wir auf den Lehrer, aber es sind dann immer noch welche draußen, die beim Fensterbrett
sitzen und sich denken, naja, warum sollte ich reingehen, die noch ihr Milchpakerl draußen
trinken. (SA, FG1, Z455).
Diese Rolle macht sie in den Augen der Mitschüler/innen im Grunde ungeeignet, als
Vertreterin der Klasseninteressen gegenüber der Schulleitung zu fungieren. Als
Schüler/innenvertreterin, die für die Anliegen der Schüler/innen eintreten sollte, wird sie
damit unglaubwürdig. Das ist sicher zunächst für sie persönlich ein Problem, das sie im
Interview auch deutlich artikuliert. Es ist weiters aber natürlich ein soziales Problem der
Organisation, da sich nun die Schüler/innen nicht mehr wirklich in der Organisation
demokratisch vertreten fühlen. Das ganze filigrane Gebäude der schulinternen Demokratie
und Mitbestimmung bricht spätestens hier in sich zusammen. Die Klassensprecherin wird zu
Sprosse auf der Leiter der Schulbürokratie.
IV: Die habt ihr gewählt.
S: Ja, obwohl da gab es auch schon manche Zwischenfälle, wo wir das wieder nicht wollten
und sie auch nicht mehr wollte. Dann haben wir eine Stellvertretende, die macht überhaupt
nichts.
S: Doch.
S: Nein, nein. Ja, sie hat überhaupt nichts gemacht, dann haben sich wieder ein paar
aufgeregt, die setzt sich ur für uns ein. Die [Klassensprecherin] ist immer nur für die Lehrer
da.
S: Ja, eh, ich weiß. Aber ich meinte das Problem, da haben wieder ein paar gesagt, ja oder
die [Klassensprecherin] hat sich wieder aufgeregt, die [Stellvertreterin] macht nichts.
S: Ja, aber die [Klassensprecherin] schleimt dabei.
S: Ja, eh.
S: So richtig, teilweise macht sie schon etwas, aber eigentlich schleimt sie mehr (SA, FG3,
Z474).
Die Rolle der Klassensprecherin ist auch bei den Konfliktlösungen in der Klasse eine
wichtige, doch auch hier eine ambivalente. Verstärkt sorgt die Klassensprecherin dafür, dass
Konflikte mittels Vermittlungsarbeit ihrerseits auf der Schüler/innenebene geregelt werden.
S: Ja, es gibt relativ viele, manche in der Klasse, die untereinander streiten.
S: Es gibt auch die Klassensprecherin, die sagt, sie will keine Streitereien haben und total
dagegen ist, aber manchmal kann sie es einfach nicht vermeiden.
S: Wenn es Auseinandersetzungen gibt und wenn du deine Meinung sagst.
167

S: Sie will das dann immer gleich klären, sie will wissen wie das ist. Dann redet sie mit den
beiden und irgendwie geht das dann immer, dass das in einem Tag oder in 2 Tagen wieder
geklärt ist.
S: Bei manchen geht es aber nicht.
S: Sie schaut, dass sie helfen kann, das kann man aber nicht immer.
S: Die [Klassensprecherin] will immer Streit schlichten (SA, FG2, Z1001).
Sie stellt sich als Ansprechperson für die Probleme der Schüler/innen zur Verfügung und
versucht Konflikte zwischen den Schülerinnen und Schülern und zwischen den Lehrerinnen
und Lehrern und den Schülerinnen und Schülern zu schlichten. Genießt sie auch viel
Vertrauen bei manchen ihrer Mitschüler/innen und besprechen diese die Probleme mit ihr, so
wird sie auf der anderen Seite dafür auch kritisiert bzw. schlecht gemacht.
S: Aber es vertrauen auch ein paar der A, also der Klassensprecherin, die Probleme an und
ich weiß nicht, sie glaubt jetzt eben, dass alle ihr die Probleme anvertrauen. Also wenn
irgend wer jetzt nicht gut drauf ist, geht sie gleich zu ihm hin und sagt, sie will mit dir reden.
Manche machen es, aber ich glaube, nicht alle.
S: Nicht immer, ich weiß nicht, weil ich habe andere Personen denen ich mehr vertraue (SA,
FG2, Z1023).
Die Klassensprecherin: Die Frau Professor hat auch meiner Mutter gesagt, dass ich mich da
zu sehr engagiere, dass ich mich zurücknehmen soll, weil ich kriege es nicht zurück. Ich
ärgere mich dann auch, weil sie es so ausnutzen. Ich kriege das ja auch mit. Dann reden sie
auch hinter meinem Rücken schlecht über mich. Das finde ich dann sehr unfair (SA,FG1,
Z962).
Die Lehrer/innen bieten ihr teilweise Entlastung an, indem sie sie anregen, nicht alle
Konflikte anzunehmen, sondern an sie, die Lehrer/innen, weiterzuleiten. Das würde
allerdings bedeuten, dass sie noch mehr an die Befehls- und Kontrollhierarchie angebunden
und noch mehr aus der Mitte der Mitschüler/innen herausgelöst wäre.
Man kann daher zusammenfassend sagen, dass die Organisation der Schule A auf einer
überaus starken, omnipräsenten Schulleitung basiert, die vor allem durch Regelsetzung und
Regelkontrolle und –sanktion sichtbar wird, entweder persönlich oder vertreten durch die
interne Hierarchie. Durch das dicht gewobene Netz an erlaubten und vor allem unerlaubten
Dingen, sind Abweichungen eine logische Folge und daher an der Tagesordnung. Der
autoritäre Durchgriff auf der einen Seite und die bewusste oder unbewusste Missachtung
von Regeln und sozial erwünschten Verhaltensweisen auf der anderen bedingen sich
gegenseitig in einem selbstverstärkenden Zirkelschluss.
168

5 Kontrolle und konfligierende Peer-Gruppen
Die Schüler/innenrolle ist eng verknüpft mit der Rolle der Mitschüler/innen. Schüler/innen
sind immer zugleich auch Mitschüler/innen. Die Gestaltung der Schüler/innen-Schüler/innen-
Beziehung ist Teil der Schüler/innenrolle. Wenn die Schüler/innenrolle wie in Schule A durch
eine Vielzahl größerer und kleinerer Konflikte bzw. Konfliktpotenziale belastet ist, ist die
Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass manche Schüler/innen nicht mehr versuchen, Konflikte
zu vermeiden, sondern Konflikte mehr oder weniger bewusst eingehen. Rutter (1980)
beschreibt in dem Zusammenhang die Herausbildung von subkulturellen Gruppen, deren
Ziele sich insgesamt nicht mehr am schulischen Erfolg orientieren. In der Folge zerfällt die
Klasseneinheit in mehrere konfligierende Peergruppen mit unterschiedlichen
Verhaltensgewohnheiten, was ein zusätzliches Konfliktpotenzial darstellt.
Das scheint in übertragbarer Weise auch auf die untersuchte Klasse der Schule A
zuzutreffen. Da die Klasse unter dem wachsenden Druck der autoritären Führung zu einer
Art "Zwangsgemeinschaft" wird, versuchen einige, daraus auszubrechen. Sie werden zu den
Kristallisationspunkten einer auf Konfrontation gerichteten Subkultur innerhalb der Klasse.
Dieser Gruppe steht eine andere gegenüber, die sich um die Klassensprecherin schart und
die um die Einhaltung der Regeln und einen reibungslosen Unterricht bekümmert ist.
Daneben gibt es eine Reihe von Schülerinnen und Schülern, die zusammen keine eigene
Gruppe bilden, sondern in unterschiedlichen Konstellationen entweder abseits stehen oder in
Konfliktfällen für die eine oder andere Gruppe Partei ergreifen. Die Differenz
anpassen/abweichen (Regelbefolgung/Regelverstoß) ist in Schule A also so mächtig, dass
dadurch auch die Schüler/innen in zwei oder mehr Lager geteilt werden.
Beide Hauptgruppen versuchen, sich durchzusetzen und die Oberhand in der Klasse zu
gewinnen. Die einen, indem sie stören und tratschen und zum Stören und Tratschen
animieren, die anderen, indem sie sich für die Regeln einsetzen. Das führt zu Konflikten, die
noch dadurch verstärkt werden, dass – wie etwa im Fall der Einführung einer zweiten
Fremdsprache, was als Strafe für das Rauchen gedacht war – gelegentlich die ganze Klasse
für Vergehen von einzelnen bestraft wird, die Gruppe der „Braven“ für Vergehen der
„Schlimmen“. Das ist auch eine Form von Blindheit des Systems gegenüber einer seiner
relevantesten und problematischten Differenzen.
Das gespaltene Klassenklima erzeugt aber nicht nur Konflikte zwischen den Peergruppen,
die gewissermaßen in den Pausen relevant sind und dort behandelt werden könnten,
sondern auch eine konflikthafte Unterscheidung in Bezug auf die Schule insgesamt und
169

weshalb man sie besucht. Auch wenn in anderen Konfliktfragen häufig eine Lösung
gefunden werden kann, so scheiden sich hier die Geister ganz unversöhnlich, wenn es um
die Erwartungen geht, die die Schüler/innen an die Schule und an die Lehrer/innen haben.
Während die einen tatsächlich lernen wollen und deshalb ein Bündnis mit den Lehrer/innen
eingehen, wollen die anderen vor allem ihren Widerstand artikulieren und sind, um es so hart
zu formulieren, an der Sabotage des Systems interessiert.
S: Da gibt es ein paar Fälle, die stören irrsinnig viel, ganz offensichtlich. Die führen sich
einfach so auf, dass die Lehrer merken, wir entsprechen nicht dem Bild (SA; FG3, Z1777)?
S: Manche nützen das so aus. Ich meine, eigentlich sind wir alle sehr glücklich darüber, dass
wir so nette Lehrer haben, weil im Gymnasium haben es sicher nicht alle so leicht. Auch bei
mir im Gymnasium waren die Lehrer keinesfalls so nett. Dann gibt es aber welche, die sehen
das so selbstverständlich. Da kommt die liebe Frau Professor und die denken, naja, da
haben wir eine Freistunde.
S: Da dürfen wir zum Billa hatschen.
S: Oder kommen zu spät, gehen noch eine Rauchen, obwohl es in den 1. Jahrgängen
verboten ist.
S: Überhaupt verboten ist und dann noch wenn es schon geläutet hat.
S: Und dann noch in den Raucherhof.
S: Oder vor der Schule.
S: Dann diese Großmütigkeit unserer Frau Professor überhaupt auszunützen, das finde ich
gemein (SA, FG1, Z648).
Hier zeigt sich, dass letzten Endes der Kernprozess der Schule – das Lernen – von den
Problemen in Mitleidenschaft gezogen wird, die scheinbar am Rande des Schulgeschehens
liegen und scheinbar eher unwichtig sind. Was haben Hausschuhe mit Englisch-Unterricht zu
tun? Was ist so schwierig daran, sie einfach anzuziehen? Warum sollte man Mathematik
nicht verstehen, nur weil man hin und wieder ein paar Minuten zu spät kommt? Sind solche
Probleme nicht lächerlich? Die konflikthaften Strukturen dieses „lächerlichen“ Alltags ragen
aber in den eigentlichen Sinn und Zweck der Organisation so massiv hinein, dass ihr
Kernprozess für manche oder viele gefährdet erscheint.
S: Gerade wir sind doch Sozialmanagement. Ich meine, da sollte man doch ein bisschen
Rücksicht nehmen auf die anderen. Es gibt in unserer Klasse welche, die wirklich etwas
erreichen wollen. Ich denke mir, wenn dann hinten welche sitzen und herumblödeln und
wenn sich überhaupt welche an der Seite so zusammensetzen, die eine setzt sich auf die
Schoß von der anderen und fangen an zu tratschen, wohin sie am Wochenende hin saufen
gehen und wo sie den Ofen herbekommen. Also, wir wollen etwas erreichen. Wenn die da
drüben sitzen und so quatschen, dann sollen sie gleich rausgehen, dann stören sie ja nur,
dann ist die Frau Professor sauer und dann müssen die draufzahlen, die eigentlich eh
mitmachen, die etwas lernen wollen. So macht man sich nämlich auch Feinde (SA, FG1,
Z379).
S: Ich habe schon oft mit ihr geredet und sie sagt selber, es ist sehr schwer zu unterrichten,
weil wir haben so ein Tratsch-Eckerl in der Klasse. Die sind halt sehr laut, beachten sie gar
170

nicht und spielen dann in ihrer Stunde oder sind dann so laut, dass sie nicht unterrichten
kann. Drum sieht sie das auch nicht mehr ein uns auszutragen.
IV: Es gibt während des Unterrichts Trasch-Ecken?
S: Ja, sehr starke.
IV: Verabredeterweise oder als unerwünschte Störung des Unterrichts?
S: Ja, unerwünscht (SA, FG1, Z348).
S: Das haben wir auch alles selber gemacht, aber das kommt wahrscheinlich nicht zustande.
S: Ja, eben, wir sind ja auch selbst schuld, es hat geheißen, weil wir eben die Frau Professor
ausnützen, deswegen will sie das jetzt nicht machen.
S: Ja, ihre Gutmütigkeit.
IV: Warum sollte das jetzt nicht zustande kommen?
S: Weil wir laut sind im Unterricht, da sagen die Lehrer, wenn wir ihnen nicht
entgegenkommen, dann machen sie das für uns auch nicht.
IV: Kommt das dann von der Frau Professor selber?
S: Ja.
IV: Also, sie fühlt sich ausgenützt?
S: Ja, sie sagt und das stimmt auch, die macht die Ur-Sachen für uns, und wenn sie dann
reinkommt und wir später kommen nur weil jeder weiß, dass sie eh so gutmütig ist (SA, FG2,
Z383).
171

10 Schule B: "Es ist immer das gleiche, es hält sich niemand dran"
Einstieg: Eine Familie und Männergesellschaft 20
Wenn man, womit die vorliegende Analyse methodisch begonnen wurde, alle Gespräche,
Interviews und Fokus Gruppen mit Schülern, Lehrern, der Schulleitung und dem
Schulerhalter darauf hin befragt, was denn auf den ersten Blick an den
Selbstbeschreibungen dieser Schule auffällt, dann sind es zwei Bilder, die immer wieder
verwendet wurden: erstens das Bild der Familie, zweitens das Bild der Männergesellschaft,
in der es manchmal etwas ruppig zugeht. So wurde von allen beklagt, dass der allgemeine,
alltägliche Umgangston „flegelhaft“ sei. Und dieses Adjektiv passt wiederum zum Bild der
Familie, denn in anderen sozialen Kontexten hätte man wohl eher Begriffe wie unhöflich,
respektlos oder vielleicht sogar verletzend gebraucht. Fasst man beide Bilder in eines,
könnte man die Schule B als Familie ohne Mutter beschreiben.
These 1: Das Flegeltum ist die allgemeine Umgangsform zwischen den Schülern, aber
auch zwischen Schülern und Lehrern
Als ein besonders auffälliges Merkmal der Schulkultur beschreiben alle Mitglieder der
Organisation die schlechten Manieren, die die maßgebliche Umgangsform zwischen
Schülern untereinander, aber auch zwischen Schülern und Lehrern ist. Offenbar gehört ein
gewisses Maß an Unhöflichkeit in Worten und abwertenden Gesten zum Schulalltag.
Zunächst muss gefragt werden, ob diese Selbstbeschreibung nicht nur ein Artefakt
produziert, das durch besonders hohe Standards puncto Manieren entsteht. Ein bisschen
scheint diese Selbstdarstellung mit einem so exquisiten Problem ja zu einer Schule mit
Oberschicht-Bias zu passen, wenn man unterstellt, dass ausgesucht gute Manieren zu den
vielen Kapitalien ihrer Klientel gehören. Wäre es ein Artefakt, würde das bedeuten, dass hier
Kleinigkeiten aufgebauscht werden, und man könnte weiterfragen, welchem Zweck dieses
Aufbauschen dient. So ist es aber nicht. Denn das gewisse Maß an „Flegeltum“ wird von den
Lehrern im Vergleich mit anderen Schulen als hoch bezeichnet. Die Selbstbeschreibung
20 In dem Kapitel wird auf die geschlechtsneutrale Schreibweise verzichtet. Gibt es zwar unter dem
Lehrerkollegium auch ein paar Lehrerinnen, so beziehen sich die Selbstbeschreibungen des Systems auf eine
Gesellschaft, die hauptsächlich von Männern und Buben geprägt und bestimmt ist.
172

asiert also auf vielen konkreten Verhaltensweisen und auf einer realistischen, weil aus
Vergleichung gewonnener Einschätzung.
Dennoch muss nicht dieser Vergleich dafür ausschlaggebend sein, dass die Organisation in
der internen Selbstbeschreibung gerade dieses Merkmal betont. Auch wenn der Vergleich zu
ihren Ungunsten ausgeht, könnte sie das ignorieren oder herunterspielen, was in der
verharmlosenden Begriffswahl „Flegeltum“ ja auch anklingt. Indem sie es aber so
vordergründig ausschildert, scheint es tatsächlich so zu sein, dass die Organisation anfängt,
in den rüpelhaften Formen des alltäglichen Umgangs miteinander ein Problem zu sehen.
Und das verwundert den Außenstehenden wenig, wenn er von den Schülern Details erfährt.
S: Um noch zum Verarschen zurückzukommen. Er sagt oft, wenn du so klein wärst, wie du
dumm bist, dann könntest du unter dem Teppich Drachen steigen oder irgend so etwas sagt
er dann. Das ist, wenn man dann eine Prüfung hat und etwas Falsches sagt, dann verarscht
er einen immer gleich oder dann lachen die anderen noch darüber und da denkt man sich,
jetzt kann man nichts mehr sagen, weil dann wird man wieder veralbert. Wenn es falsch ist,
traut man sich dann gar nichts mehr zu sagen, weil man weiß, der verarscht einen eh wieder
nur und die ganze Klasse lacht dann über einen und das finde ich irrsinnig dumm (SB, FG2,
Z604).
S: Er macht sich auch über uns lustig.
S: Ja, im Vergleich zum Professor X ist er sehr freundlich.
IV: Ihr werdet verarscht?
S: Ja.
IV: Wie geht das vor sich?
S: Unser L-Lehrer sagt, wir hätten einen Hang ins Perverse.
S: Und das wiederholt er äußerst regelmäßig.
S: Besonders gerne.
S: Was im Prinzip bestätigt, dass er einen Hang zum Perversen hat.
S: Er sagt, na geh, Meister, er sagt immer Meister, na geh der Satz ist doch viel zu einfach
für dich.
S: Und dann lobt er sich immer selbst (SB, FG5, Z859).
IV: Könntet ihr dem T-Lehrer sagen, wir würden lieber Völkerball spielen
S: Nein.
S: Na, du, das machen wir.
S: Nix, da. Du, Alter, was ist mir dir, er sagt, du kannst höchstens eine Watschen haben.
S: Der haut mich wirklich manchmal.
IV: Der droht mit Watschen?
S: Ich hab einen Salto gemacht und Wisch.
S: Immer, wenn wir etwas falsch machen macht er so.
S: Oder so irgendwie halt (SB, FG1, Z679).
Was könnte das System dazu bewogen haben, die Umgangsformen zu problematisieren?
Dazu können zwei Hypothesen formuliert werden: zum einen die Aufnahme von jungen
Lehrerinnen, zum anderen die Zunahme an Konflikten zwischen den Schülern durch Bildung
gegnerischer Cliquen. Für Frauen ist dieses Klima begreiflicherweise besonders schwierig,
173

nicht nur, weil sie bei dem Stil nur schwer mitkommen und dadurch tendenziell
Integrationsschwierigkeiten haben, sondern vor allem deshalb, weil sie als Lehrerinnen
praktisch keine Chance haben, die Schüler unter Kontrolle zu halten.
S: Es gibt nichts mit zu entscheiden.
S: Es kommt drauf an, welcher Lehrer. Es gibt hier sehr junge Lehrer und es gibt hier die
alteingesessenen Lehrer. Die ganz jungen Lehrer, die Frauen, weil es müssen ja jetzt
neuerdings 40 Prozent der Lehrerschaft Frauen sein.
S: Das sind es aber nie.
S. Ja, das sind es nicht ganz, aber sie holen jetzt auf, sollten es zumindest sein. Sie holen
die ganz neu, die das erste Jahr unterrichten und die haben keine einzige Klasse im Griff.
Sie können vielleicht theoretisch was, aber sie können keine Klasse kontrollieren (SB, FG4,
Z338).
Das „Flegeltum“, der rauhe Umgang unter den Schülern ist auch Anlass zu vielen
Auseinandersetzungen unter den Schülern. Diese Konflikte, so die Meinung der Schüler,
müssen die Schüler unter sich austragen. Die Involvierung von Lehrern und Eltern kann
diese Art von Konflikten nur kurzzeitig kalmieren, trägt aber letztlich oft nur zu Intensivierung
des Konflikts bei. Es zeigt sich darin vor allem auch die Schwierigkeit, diese Konflikte in die
Form von Kommunikation zu bringen und die Unfähigkeit des Systems, diesen Konflikten ein
geeignetes Kommunikationsforum zu bieten.
S: Ich bin zum Lehrer gegangen, ich bin mit meiner Mutter einmal zu dem hingegangen, aber
dem war das eigentlich egal.
IV: Also, du hast das deiner Mutter gesagt und die ist dann in die Schule gekommen?
S: Aber dann hat ist es eh so langsam weniger geworden.
S: Ja, aber vor allem, es bringt nichts.
IV: Warum bringt das nichts?
S: Die verarschen mich dadurch noch mehr. Wenn sie das erfahren, dann tun sie als wären
sie deine besten und so, ja aber du musst es eigentlich selber auskämpfen.
S: Das ist ja egal.
S: Ja, du musst es eigentlich selber auskämpfen, weil die Lehrer machen dann wieder eine
Diskussionsstunde daraus.
IV: Und würdest du sagen, das bringt nichts?
S: In der Stunde ist es dann ruhig und in den Pausen geht es wieder los.
S: Ja (SB, FG3, Z720).
S: Es ist absolut unnötig wegen so einem Scheiß zu den Lehrern zu gehen. Ich meine, was
bringt es. Das ist eine Sache die unter Schülern da ist und da haben die Lehrer überhaupt
nichts damit zu tun.
IV: Und ihr schafft das unter euch beiden wieder zu lösen?
S: Ja, natürlich, irgendwann einmal sagt er dann, bist du immer noch sauer auf mich und ich,
ja oder nein.
IV: Mischen sich da die anderen aus der Klasse ein?
S: Das ist unsere Sache (SB, FG1, Z1128).
Es geht darum, die Konflikte unter sich zu lösen, wobei eine gewisse Rangordnung
eingehalten werden muss. Der rohe, konflikthafte, manchmal gehässige, manchmal
174

unbarmherzige Umgang unter den Schülern festigt die Ordnung, die sich sozialdarwinistisch
auf Grund von Status und Statur ergibt.
S: Dann hat er den Zettel ausgeteilt, er wollte nicht, dass wir gezwungen werden dort
mitzufahren. Er hat gesagt, wir können anstreichen, ob wir es wollen oder nicht. Wenn wir es
uns nicht leisten können, dann kann es vielleicht ein anderer finanzieren.
S: Aber wir haben es anonym gemacht, wenn jetzt einer sagt, ja, ich, da steht F und ich kann
mir das nicht so leisten. Dann lachen die, dann gibt es zum Beispiel so jemanden wie den L,
der würde sich voll drüber abhauen und würde die ganze Zeit nur lachen und den auslachen.
Es wäre halt nicht so gut (SB, FG2, Z1517).
Das Klassenklima ist in der Schule in beiden Altersgruppen nicht das beste. Die Schüler
sprechen unter anderem von Verrat und dass sie sich nicht auf die Klassenkameraden
verlassen könnten.
S: Da haben wir uns gedacht, nein, das machen wir nicht mit und alle aus der Klasse gehen
in der Pause weg. Und dann bleiben 5 Leute, eh, die ich vorher gesagt habe, da und nein,
das machen wir nicht. Alle waren praktisch einverstanden, (...), sagen wir so, und die sind
einfach nicht gegangen. Dann ist der Lehrer gekommen und die haben gesagt, ja, die sind
weggegangen und gehen in die Innenstadt und dann haben sie einige zurückgerufen,
Freunde, haben telefoniert, haben sie gewarnt, sonst kriegen sie eine
Klassenbucheintragung von der [Schulleitung] und andere wieder haben sie nicht angerufen
und dann sind ein paar gekommen.
S: So waren es 7 oder 8, die nicht hingekommen sind.
S: Insgesamt sind dann eh wieder alle gekommen. Ich habe mich daran gehalten, wir haben
eigentlich alle ausgemacht, dass wir alle weggehen. Wenn das wirklich funktioniert ist das ja
okay, und dann sind die irgendwie wie Vollidioten dort geblieben und haben einfach gesagt,
ja, okay, ich bleibe doch dort. Aber vor allen zuerst ausmachen, ja, wir gehen und dann nein,
ich bin doch brav.
S: Genau.
S: Das ist eigentlich Verrat (SB, FG4,Z1336).
Die Klassen sind in Gruppen aufgeteilt. Unterstützung bei Lernfragen und sozialen
Problemen finden die einzelnen Schüler in ihrer Gruppe. Sie spielen eine wichtige Rolle. Bei
den 13-jährigen gibt es die „Pseudo-Coolen“, dazu gehören die „Schmalzlocken-Idioten“, die
„Aristos“; dann gibt es die „Normalos“, die „Streber“ und die „Coolen“.
Vereinzelt, dafür aber mit aller Härte müssen sich Schüler auch allein als ausgeschlossene
gegenüber einer verfeindeten Gruppe zur Wehr setzen. Die „notwendigen“ Sündenböcke, die
keiner Gruppe angehören, gibt es in jeder Klasse.
S: Es gibt immer einen Sündenbock und auf dem wird das abgeladen.
S: Ja.
S: Das ist halt der E, letztes Jahr war es ich oder das wird halt jedes Jahr gewechselt oder
der P. Das ist mehr oder weniger. Also die Klasse braucht halt immer einen Sündenbock auf
den wird das Ganze abgeladen und damit hat es sich.
S: Ich glaube, man braucht halt einen, über den man Scherze machen kann. Das ist halt der,
der unbeliebt ist.
175

IV: Das heißt ihr untereinander braucht immer jemanden? Werden da Lehrer nicht zu Rate
gezogen?
S: Die merken das nicht.
S: Ja, die Lehrer checken das nicht (SB, FG5, Z1196).
Bei den 13-jährigen gilt eine Gruppe als besonders gefährlich, die es zu meiden gilt, was
nicht immer gelingt. Immer wieder werden einzelne Schüler von ihnen auserwählt, an denen
sie ihre Coolheit zur Schau stellen – am Arbeitsplatz wäre das Mobbing. Die
Gruppenspaltung war in der Klasse der 13-jährigen immer gegeben, hat aber in der Intensität
offenbar zugenommen, seit die "coolen Skater-Zeiten" angebrochen sind. Die Teilung geht
soweit, dass auch in der Sitzordnung der Klasse Segregation stattfindet.
S: Die Teilung war eigentlich immer schon von der Klasse. Aber dass sie dann halt so stark
geworden sind das hat da begonnen.
S: Sie haben eine eigene Kleidung praktisch und sie haben eine eigene Reihe und da hat
sich niemand getraut etwas gegen sie zu machen.
S: Man hat immer nur geschaut, nur weg von denen (SB, FG3, Z1014).
Wie schon in den Ausführungen zur Schule A ergänzend und mit Hinweisen auf die
einschlägige Literatur dargestellt wurde, hat diese Form der konfligierenden Gruppenbildung
in einer Schule immer auch mit den Erwartungen der Schüler an die Schule zu tun. So sind
auch in Schule B die Störenfriede zugleich diejenigen, die durchschnittlich weniger mit der
Schule identifiziert sind und schlechtere Leistungen erbringen.
Den konfligierenden Peergruppen wird im Konfliktfall systemintern nur wenig Unterstützung
angeboten, um ihre Konflikte zu lösen, auch wenn natürlich das prinzipielle Angebot steht,
dass sie immer einen Lehrer oder die Schulleitung ansprechen können. Die Schüler selbst
sind sogar der Meinung, wie erwähnt, dass Unterstützung seitens der Lehrer auch nichts
bringen würde. In einem speziellen Fall von Gewaltverherrlichung eines Schülers, der die
anderen bedroht, zeigt sich, dass die Schüler keine Möglichkeit haben, über das Problem zu
reden und damit allein klar kommen müssen.
S: Wenn wir jetzt sagen würden, dass er Waffen mit hat, dass er Zigaretten mit hat und
Wodka mit hat, würde er ja sofort fliegen (SB, FG2, Z1164).
Man kann sich daher kaum des Eindrucks erwehren, dass hinter der Akzeptanz oder besser
Verdrängung der „Flegelhaftigkeit“ Motive stecken, die für den Erhalt der Institution wichtig
sind. Um dies besser zu verstehen, muss das Bild der Familie als struktureller Rahmen der
Organisation genauer beschrieben werden.
176

These 2: Das beklagte Flegeltum wird ambivalent bewertet.
Es wird auf der einen Seite beklagt, es ist verpönt und wird gebrandmarkt, auf der anderen
Seite aber wird es faktisch akzeptiert und eben nicht energisch abgeschafft. Es werden zwar
Maßnahmen dagegen gesetzt, etwa in Form von Verweisen, Ermahnungen,
Klassenbucheintragungen, dem Ausschluss aus dem Unterricht und Hauptkatalog-
Eintragungen und dem Verständigen der Eltern, wobei es sich hier bereits um die härteren
Maßnahmen handelt, offensichtlich aber ist mit diesen Maßnahmen dem Problem nicht
beizukommen. Man muss sich allerdings fragen, wie ernst gemeint solche Maßnahmen den
Schülern vorkommen können, wo doch auch die Lehrer ein Problem mit Flegelhaftigkeit
haben, wie gezeigt wurde. Im Vorbild der Lehrer und anderer Bediensteter der Schule steckt
unserer Meinung nach implizit mindestens so viel Bestätigung der schlechten Manieren, wie
in den angedrohten oder exekutierten Maßnahmen deren Ablehnung kommuniziert wird.
Warum diese Ambivalenz? In den Selbstbeschreibungen des Systems taucht immer wieder
ein Motiv zur Erklärung für die schlechten Manieren auf, nämlich die Tatsache, dass es keine
Mädchen und nur fünf Frauen (von ca. 40 Lehrern) in der Schule gibt.
S: Das finde ich ist der Nachteil, dass es eine Bubenschule ist, wenn es keine
Mädchenschule ist, es sind so viele in unserer Klasse, die einfach der Boss sein wollen. Es
gibt ziemlich viele Große und ich bin zum Beispiel der Kleinste in der Klasse.
(...)
S: Nein, der F ist gleich groß wie ich. Zum Beispiel es gibt welche, die sich irrsinnig
aufspielen wollen. Dann tut er immer nur so, als ob er der Boss ist oder so. Und das geht mir
auf den Nerv und wenn da Mädchen wären, da wäre einfach, Buben sind automatisch viel
temperamentvoller als Mädchen, finde ich, und da kommt es viel öfter zu Streitereien. Wenn
jetzt Mädchen da wären, dann wäre es anders (SB, FG2, Z1192).
Man muss das Argument nur leicht zurecht rücken, um als Außenbeobachter zu verstehen,
dass mit dem Flegeltum auch das Männliche an der Männergesellschaft betont wird und den
Buben in ihrer Entwicklung zum Mann ein gewisser Halt – man könnte nicht Orientierung
sagen - geboten wird. Flegeltum ist gewissermaßen ein soziales Instrument, um Männlichkeit
betonen zu können. Damit wird gleichzeitig eine Möglichkeit angeboten, sich gegenüber
weiblichen und homosexuellen Attributen abgrenzen zu können. In diesem Sinne hilft es den
Teilnehmern am System, das Fehlen des anderen Geschlechts mit seinen spezifischen
sozialen Merkmalen auszublenden und ungewollte Verwechslungen zu vermeiden, und ist so
für das System funktional. Dass dieses Ausblenden nicht restlos funktioniert, ist daran
erkennbar, dass die Aufnahme von Mädchen durchaus ein Thema ist.
Es wird daher insbesondere von seiten der Schulleitung auch darauf hingewiesen, dass die
flegelhaften Umgangsformen grundsätzlich nicht mit Respektlosigkeit verwechselt werden
dürfen, sondern im Kontext des selbst definierten Gesamtrahmens der Schule gesehen
177

werden müssen, und das ist der einer Familie. Gemeint ist offenbar nicht das Idealbild einer
Familie, sondern ein sehr reales, alltägliches, durchschnittliches Bild, in dem weder die
Eltern noch die Kinder so sind, wie das vielleicht von Fernsehfamilien vorgegaukelt wird. In
der hier gemeinten Durchschnittsfamilie gibt es keine perfekten Mütter und Väter, die nur an
die Kinder und nie an sich selber denken, und keine um jeden Preis lernfähigen Kinder, die
aus Einsicht das Vernünftige tun und das Unvernünftige lassen. Dafür gibt es Schwächen,
Konflikte, Überforderungen, Dummheiten und einen im Alltag genervten Ton, insbesondere
zwischen den Geschwistern. Dennoch ist man aber eine Familie und allein das Wissen um
die Zugehörigkeit ist Kompensation. Durch das Framing der Familie erscheint das Flegeltum
als normal, als akzeptabel und als positiv motiviert. Es ist der Preis für all das Gute, das die
Familie sonst zu bieten hat.
L: Die Regel ist, der Umgang in der Schule, das Bestreben ist, dass er respektvoll ist, aber
das ist nicht immer der Fall. Also es gibt Situationen, wo es eben nicht der Fall ist. Das ist
zum Teil die Schuld der Lehrer und zum Teil die Schuld der Schüler. Aber generell ist es so,
dass wir versuchen, einen vielleicht, sagen wir vom Ton her eher herben Umgang zu
pflegen. Es ist so, wir sind eine Männergesellschaft, es gibt ganz wenig Frauen hier. Ich
glaube, es gibt zur Zeit fünf Frauen, wenn mich nicht alles täuscht.
IV: Als Lehrerinnen?
L: Als Lehrerinnen. Es gibt keine Mädchen. Der Ton ist eigentlich der Ton einer
Männergesellschaft im Großen und Ganzen. Nicht gerade wie beim Militär, aber doch auch,
es gibt härtere Ansagen, würde ich einmal sagen. Aber so unter dem Motto ä "hart aber
herzlich“. Die Schüler wissen, wenn ich einmal eine entsprechende Ermahnung in einer eher
rüden Form unter Umständen einmal an den Kopf geworfen bekomme, das ist dann wieder
vorbei. Das ist irgendwie so ein gewisser Ton, den man normalerweise nicht findet in
Schulen, wo Mädchen sind, bzw. wo auch der Lehrkörper mehr Frauen enthält, meiner
Erfahrung nach. Das Interessante ist, es gibt bei uns so eine Art Kumpelhaftigkeit (SB, I2,
Z539).
D: Es herrscht im Allgemeinen eine verhältnismäßig familiäre Atmosphäre, auch zwischen
Lehrern und Schülern, die aber selten in Respektlosigkeit ausartet, in dem Maße als es
natürlich in einer Schule immer wieder vorkommt. Grundsätzlich ist diese gewisse
Familiarität nicht Respektlosigkeit. Das ist eine uralte Tradition, auch zu Zeiten, als die
Schulen allgemein noch viel sittenstrenger waren im hierarchischem Gefüge, war diese
gewisse Familiarität vorhanden (SB, I1, Z23)
D: Weil sich nämlich interessanterweise im Allgemeinen selbst unangenehme Klassen, dann
wenn Fremde drinnen sitzen, loyal zur Schule zugehörig sind. Das ist meistens, nicht immer,
aber meistens. Das ist eine Tendenz, die ich hier als besonders stark empfinde. Also lästige
Klassen, auch schlechte lassen, auch schlimme Klassen, dann, wenn von außen jemand
kommt, die Tendenz haben loyal zur Schule und zum Lehrer zu stehen (SB, I1, Z343).
These 3: Die Familienmetapher schafft ungleiche Verhältnisse in Bezug auf die
Zugehörigkeit zur Organisation und deren Benefits
Zuerst stellt sich die Frage nach den Grenzen und Zugehörigkeiten der Familie, die im
vorliegenden Fall nicht einfach zu ziehen sind. Natürlich kann nur das System selbst über
178

seine Grenzen disponieren. Nur die Familie kann sagen, wer dazugehört, wer nicht, wer
noch nicht, wer nicht mehr. Dennoch glauben wir eine Rekonstruktion vorschlagen zu
können, die sich uns aus der Beobachtung zweiter Ordnung aufdrängt.
Zunächst gibt es einen großen Kreis von Personen, die als Mitglieder der Familie „Schule B“
prinzipiell in Frage kommen. Das ist allen voran der Schulerhalter, eine von der Schule selbst
wiederum unterscheidbare Organisation und deren Vertreter, die Absolventen der Schule,
die „ihre“ Schule weiterhin mit finanziellen und ideellen Zuwendungen unterstützen, die
Eltern der Schüler, deren Beitrag die Schule wesentlich mit finanziert und die teilweise mit
den Absolventen identisch sind und die schon nach österreichischem Gesetz zumindest
Partner in der Organisation sind, die Schulleitung, die Lehrer und Lehrerinnen, das
administrative Personal, das Reinigungspersonal und der Schulwart, und schließlich die
Schüler. Es ist klar, dass nicht alle diese Gruppen zum engeren Kreis der Familie gehören
können.
Ein wesentliches Merkmal der Familienmetapher ist, dass sie mit einem gewissen
Zugehörigkeitsstolz verwendet wird. Das würde man nicht verstehen, wenn die Familie
tatsächlich nur eine so durchschnittliche wäre, wie oben unterstellt wurde. Wir fragen uns
daher, was den Stolz begründet. Und die Antwort scheint in den Absolventen zu liegen.
Diese repräsentieren, da viele von ihnen im Beruf erfolgreich sind und einige von ihnen
sogar prominent geworden sind, ein Qualitätszertifikat und sicher auch ein Kapital im Sinne
des sozialen Kapitals von Pierre Bourdieu (1986), das darin besteht, dass Status und soziale
Beziehungen letztlich in Geld umgemünzt werden können.
Die Absolventen, die ein wie immer dichtes oder loses Netzwerk aus Personen in gehobenen
und einflussreichen Positionen bilden, verwalten insofern das „Familiensilber" und gehören
also sicher zum engsten Kreis. Wir sehen sie in der Rolle von Junior-Chef-Söhnen, die das
Haus bereits verlassen haben, aber dennoch sehr interessiert sein müssen, was im Haus
geschieht, zumal ihre Kinder oder bereits Enkel darin erzogen werden.
L: Die Schüler kommen sehr oft wieder zurück, man geht essen mit ihnen, etc. Sie trennen
sich im Prinzip nicht von der Schule, sie kommen immer wieder. Sie haben ein großes
Interesse im nachhinein, wie es mit der Schule geht und speziell bei Lehrern, die schon
einige Jahre da sind, die haben ein Image, das von den Exschülern getragen wird zum Teil.
Deren Schrullen werden jahrzehntelang weitergegeben und solche Dinge und es ist
irgendwie, ja ich möchte es mit Kumpelhaftigkeit umschreiben (SB, I2, Z563).
D: Es gibt einen Jahresbericht und das wird neu sein, wir haben sehr starke Absolventen.
Die Absolventen, die ehemaligen Schüler, sind eine Verbindung, die sehr stark ist und die
179

sehr stark zur Schule hält, die in ihren Statuten stehen hat, als obersten Grundsatz, die
Unterstützung, sowohl die materielle als auch die ideele durch Know-How der Schule (SB,
I1, Z465).
Für die Rolle des Vaters würde man auf den ersten Blick die Schulleitung vorschlagen. Die
eigene Beschreibung der Rolle und des Tätigkeitsfeldes scheint mit dieser Verantwortung
aber nicht ganz in Kongruenz zu sein. Wenn die Schulleitung sich auch für die
Gesprächskultur stark verantwortlich fühlt, so beschreibt sie ihre Tätigkeit eher als
Dienstleistung und erwähnt, von administrativen Tätigkeiten abgesehen, keine anderen
Führungsaufgaben.
D: Zunächst einmal empfange ich alle Eltern, die sich neu anmelden, ich empfange alle
Schüler, die sich neu anmelden. Ich spreche mit den Eltern, mindestens eine Viertelstunde,
meistens eine halbe Stunde oder was einfach notwendig ist, um ihnen zunächst einmal das
Gefühl zu geben, erstens sie werden gut informiert und wir sind für sie da, wir beschäftigen
uns gerne mit ihnen. Was die Schüler betrifft, mit dem spreche ich auch, wenn er hier zur
Anmeldung kommt. Ansonsten ist das eine Atmosphäre, die einfach da ist. Ich behaupte
auch nicht, dass das immer und überall gelingt, aber im Grunde ja (SB, I1, Z41).
D: Ja. Es ist zum Beispiel so, dass wenn ein Schüler von einem Lehrer etwas will, geht er
einfach hin und sagt, kann ich Herrn Professor so und so sprechen. Wenn er von der
[Schulleitung] etwas will, dann klopft er hier an und kommt herein. Das muss nicht mit
langwierigen Voranmeldungen über das Sekretariat gehen, sondern wenn ich da bin und
nicht gerade etwas sehr Dringendes zu tun habe, stehe ich einfach zur Verfügung. Und bei
allen Lehrern ist das genauso. Wenn mich jemand am Gang sieht und er will etwas, dann
spricht er mich einfach an und wir sprechen, wenn ich Zeit habe oder wenn es ein längeres
Gespräch, dann sage ich, komm zu dem und dem Zeitpunkt in die Direktion (SB, I1, Z55).
Die Rolle des Vaters scheint unmissverständlich der Schulerhalter einzunehmen. Er
verwaltet das „Familieneinkommen“ und trifft letztlich die Entscheidungen, die über die
Zukunft der Schule verfügen. Das bestechende Beispiel hierfür ist für uns die Entscheidung
darüber, ob die Schule sich für Mädchen öffnen sollte. Von Seiten des Schulerhalters wurde
hier gegen die Aufnahme von Mädchen gestimmt. Obwohl nach allem, was bisher gesagt
wurde, dies vernünftig schiene.
S: Das Entscheidende ist, dass X der Schulerhalter ist und deswegen werden Fragen, die
ganze entscheidend für die Schule sind, von X abgestimmt.
(...)
IV: Also, es hat eine Abstimmung gegeben, ob in diese Schule Mädchen gehen können-
S: Genau und die Lehrer waren praktisch alle dafür, dass Mädchen aufgenommen werden,
und nur der Schulerhalter war dagegen (SB, FG4, Z1398).
So sahen das auch die Mehrzahl der Lehrer und die Schulleitung, die einer solchen Öffnung
positiv gegenüber gestanden wären. Die Idee konnte sich aber nicht durchsetzen. Im
Gegensatz zu Bund und Ländern, die als Schulerhalter in der täglichen Praxis kaum in
180

Erscheinung treten, auch wenn sie natürlich die gesetzlichen und administrativen
Grundlagen schaffen, ist der Schulerhalter in Schule B durchaus präsent und wird auch von
den Schülern wahrgenommen. Er trägt in gewisser Weise die Gesamtverantwortung für das
Schulgeschehen und achtet auf ihren guten Ruf.
S: Außerhalb der Schule auch. Die Schulerhalter sind da ja schrecklich bemüht um ihren
Ruf, um den alten irgendwie noch zu halten. Jede Kleinigkeit, die man macht, egal ob
außerhalb oder innerhalb der Schule, wird gleich verboten. Damit der Ruf nicht geschädigt
wird (SB, FG, Z 1728).
Die Stelle der Mutter, verstanden als Bündelung aller sozialen Erwartungen in Richtung
Fürsorge, bedingungsloses Akzeptiert-werden und fragloses Vertrauen-können, ist in diesem
System unbesetzt. Zwei Elemente sprechen für diesen Befund: zum einen das Flegeltum,
das auch damit zusammenhängt, dass es im System keine starken Fürsprecher für einen
sorgsamen, liebevollen Umgang mit einander gibt, zum anderen das Leistungsbewusstsein
und der Leistungsdruck, der höher sein dürfte als in anderen Schulen und der nahezu
ungemildert auf den Kindern lastet.
S: Es gibt ein paar Lehrer, die können einen ziemlich fertig machen. Die machen dann immer
so ziemlich sarkastische Kommentare.
SM: Wir haben einen I-Lehrer, da gibt es einen Schüler, der kann fast gar nichts, der hat
vorher nie etwas am Computer gemacht und der wird sofort auseinander genommen.
S: Der Lehrer hat mir gedroht, dass er mich auf der Straße zusammenschlägt (SB, FG4, Z
125).
In der Portofolio-Theorie seiner Analyse von erfolgreichem Management unterscheidet
Charles Handy (1995) vier Funktionen, die in einer erfolgreichen Organisation von seiten der
Manager/innen gut erfüllt werden müssen. Zwei dieser Funktionen beziehen sich auf die
Mitarbeiter/innen-Führung und sind gewissermaßen dialektische Antipoden, die eine
gesunde Spannung und Herausforderung in der Organisation sichern. Üblicherweise, so
Handy, sind diese Funktionen nicht von einer einzigen Person erfüllbar, sondern werden als
soziale Rollen oder Rollenanteile auf verschiedene Personen aufgeteilt, die auf gleicher
Hierarchiestufe stehen und über gleich viel Macht verfügen. Das eine sind die „Thrusters“,
diejenigen in einem Betrieb, die etwas vorwärtsbringen wollen, Druck machen, Ideen
einbringen, Entscheidungen herbeiführen, Mitarbeiter motivieren und häufig zu viel arbeiten.
Das andere sind die „Carers“: sie achten auf das soziale Klima im Betrieb, auf die sozialen
und menschlichen Kosten der Arbeit, bemerken, wenn jemand in Schwierigkeiten gerät,
bieten Gespräche an, sorgen sich um andere. Uns scheint, dass diese Position in Schule B
jedenfalls nicht eindeutig und nicht zuverlässig besetzt ist. Wir können zwar sehen, dass die
Schulleitung einige dieser sozialen Erwartungen vertritt, aber sie tut das vergleichsweise
passiv und wird von den Schülern in dieser Rolle nicht wirklich wahrgenommen. Ebenso gibt
181

es zumindest einen Lehrer, der Anteile der „Carer“-Rolle realisiert, aber auch er tut es nicht
auf eine Weise, die von den Schülern als zuverlässig erlebt werden kann.
S: Es ist so, wir haben einen Lehrer, da war ich in Deutsch nicht wirklich gut, weil ich
Probleme gehabt habe in anderen Fächern und da hat er mich eingeladen, ich meine, zu
einem Gespräch danach und hat auch gefragt, ob da irgendein Elternteil dabei sein könnte
und hat mir halt dann einige Sachen erklärt, irgendwie besser lernen und was es da halt für
Geschichten gibt.
S: Der hat einem oder zwei anderen aus der Klasse hat er dann halt auch geholfen.
IV: Ist das wichtig für euch, dass euch der Lehrer hilft?
S: Naja, was ich weiß, ist das der einzige von den Lehrern, der so etwas macht, aber er
macht es auch nicht oft (SB, FG4, Z1654).
S: Die Leistungen verschlechtern sich nur so, er kümmert sich eben gar nicht darum.
S: Er ist nicht menschlich, also er ist nicht freundlich. Er ist nicht persönlich. Der Lehrer A ist
irrsinnig persönlich und sieht auch deine Probleme und nicht nur die schulischen Probleme,
sondern auch die persönlichen.
S: Das finde ich auch viel besser und so sollte auch die Beziehung zu jedem Lehrer sein
(SB, FG2, Z1391).
IV: Na, gibt es jetzt so einen Lehrer, der eigentlich dafür zuständig wäre?
S: Ja, aber keiner weiß es wirklich.
S: Zu dem sollte halt eben dann der Schulsprecher gehen und die dann gemeinsam
entweder zur [Schulleitung] oder zu dem jeweiligen Lehrer und das vortragen. Auch wenn es
passiert, dann wird nichts gemacht (SB, FG4, Z1110).
Die Familie wird abgerundet durch die Kinder, die Schüler. Im Vergleich zu den Gesprächen
mit den Schülern aus den anderen Schulen fällt auf, dass in Schule B viel häufiger geklagt
wird: dass die Noten schlecht sind und die Lehrer streng sind. Ein Schulwechsel wird trotz
Schwierigkeiten von keinem der mit uns kommunizierenden Kinder ernsthaft erwogen und
würde wohl als persönliches Versagen gesehen werden. Darin lässt sich unschwer ein für
Familien typisches Muster erkennen, wonach es Kindern immer schwer fällt, die Eltern
ernsthaft zu kritisieren oder gar zu verlassen.
In diesen Aussagen der Schüler – der Kinder in der Familie – wird deutlich, dass die Lehrer,
von denen einige nicht nur häufig sehr grob sind, sondern die sich mit den Schülern auch
„einfach nicht abgeben“ wollen und zu denen die Schüler „keine Beziehung“ haben, auch gar
nicht zur Familie dazuzugehören scheinen. Man trifft die Grundstruktur des Systems wohl
besser, wenn man die Lehrer, die Schulleitung und alles weitere Personal tatsächlich als
Dienstpersonal interpretiert, das der Familie für jeweils bestimmte Zwecke zur Verfügung
steht. Für die Position der Lehrer in der Organisation ist das sicher prekär, da sie besonders
schwach ist und dazu verleitet, das Verhältnis zu den Schülern einseitig aus der Perspektive
des Dienstnehmers auszulegen. Dabei können dann Kosten-Nutzen-Überlegungen ebenso
relevant sein wie hehre pädagogische Zielsetzungen. Außerdem wird es argumentativ für
182

den einzelnen Lehrer schwieriger, unbezahlte Mehrleistungen, zum Beispiel Förderunterricht
oder Projekte, die in den meisten Schulen aus Sicht der Lehrer/innen immer zum Gutteil in
der Freizeit ablaufen, für sich selbst zu rechtfertigen, indem man sich sagen kann, man
mache es für die „eigene“ Schule und die „eigenen“ Schüler. So kann man nur dann für sich
selber argumentieren, wenn man sich ein Stück weit als Mitunternehmer der Schule
empfinden darf.
S: Er hat gesagt, dass unsere Eltern mehr Geld haben und er regt sich auf, weil er so wenig
verdient.
S: Von den 2 Informatikstunden in der Woche erzählt er meistens eine Dreiviertelstunden
lang, wie arm er ist, dass er jetzt wieder die Osterferien durchgearbeitet hat und so arm ist,
weil er nichts dafür kriegt.
S: Er jammert die ganze Zeit, dass sie so wenig Gehalt kriegen, aber derweil sind sie eh die
einzigen die soviel Ferien haben (SB, FG4, Z 187).
D: Der zweite Aspekt ist der, die Tendenz, das ist hier nicht sehr stark, aber der ganz leicht
spürbar ist, wenn ein Schüler nicht ordentlich ist, wenn er versagt, dann wendet man sich
nicht zunächst einmal an das eigene Kind, sondern beschuldigt den Lehrer direkt oder
indirekt oder geht gleich zur [Schulleitung]. Mein Eindruck ist, ich bin jetzt 13 Jahre hier, dass
die Tendenz zunehmend ist. Sie ist noch nicht erdrückend, aber ich meine, das liegt vielleicht
auch an der Art, wie die Schule in der Öffentlichkeit präsentiert wird. Man sucht ein bisschen
nicht die Schuld beim Kind oder bei den Erziehungsfehlern, die man gemacht hat und die
jeder machen kann, selbstverständlich, nur, es hat keinen Sinn das zu delegieren, das nach
außen zu verschieben. Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass die Ordnung schon in den
Familien viel größer geworden ist als vor 30 Jahren und dass auch die Schule nicht mehr
dieses Respektimage hat (SB, I1, Z272).
Natürlich sind Lehrer immer auch Dienstnehmer, aber normalerweise schafft dieses Faktum
keine Differenz, an der andere Differenzen aufgehängt werden können. Wenn alle Mitglieder
der Organisation einfach Dienstnehmer sind, die zu ihrem Dienst ähnlich verpflichtet sind wie
die Schüler dazu, in die Schule zu gehen, ist das für die interne Ordnung nicht benutzbar.
Nur die Unterscheidung in Dienstnehmer und Familienangehörige kann intern strukturbildend
werden, ob man will oder nicht, und verändert sichtbar und spürbar die Position des
Dienstnehmers. Auf diese Weise erzeugt die Familienmetapher eine Grenze, mit der das
System im weiteren aktiv umgehen muss, weil sie auf jeden Fall ihre erwünschten oder
unerwünschten Wirkungen hat.
Nachstehende Textpassagen charakterisieren nachdrücklich das insgesamt eher schlechte
Verhältnis, das zwischen Lehrern und Schülern besteht. Gerade an dem einen Gegenspiel,
das zitiert wird, wird die Distanz in den Beziehungen deutlich.
S: Ja, so ist es. Das finde ich einfach dumm. Dann hat man noch eine irrsinnig schlechte
Beziehung zu den Lehrern. Und, sie hassen einfach Schüler, die es nicht verstehen, weil die
möchten sich einfach nicht damit abgeben. Das finde ich irgendwie total blöd (SB, FG2,
Z1257).
183

S: Wenn wir ihn [den Lehrer] nicht hatten, dann können wir beim Konferenzzimmer anklopfen
und fragen ob er da ist. Wenn nicht, okay, dann hat man halt Pech gehabt, dann muss man
halt einen Tag oder so warten, falls er am nächsten Tag da ist oder eben dann bis zur
nächsten Stunde warten, aber man kann auf jeden Fall mit ihm reden. Ich finde, die
normalen Lehrer sind fast Maschinen, sie sagen dir, was der Stoff ist, sie erkennen, ob du
das richtig machst oder falsch machst und sonst nix.
S: Und wenn du es falsch machst, dann schicken sie dich zur Schulleitung oder geben dir
eine Strafarbeit, sonst sind sie eigentlich nur Maschinen.
S: Wenn du bei der Schularbeit verfehlst, hast du Pech gehabt.
S: Er ist wirklich ein normaler Mensch, er akzeptiert alles, wenn du ein Problem hast oder so,
du kannst mit ihm über alles, über wirklich fast alles reden (SB, FG2, Z1352).
S: Ja, ich habe mit einem Professor geredet, dass ich sein Toben nicht sehr sinnvoll finde. Er
hat gesagt, dass ich gleich mit meinen Eltern, mit er [Schulleitung] und ihm und mit dem
Klassenvorstand ein psychologisches Gespräch führen kann (SB, FG4,Z1637).
S: Bei uns wird das anders gelernt, bei uns wird das irgendwie eingedrillt und in England ist
es so, dass die sagen, ja, schreibt einfach einen Text, ja mit vielen Fehlern, aber schreibt es
und so lernen sie es. Meine Mutter hatte das, und was viel besser ist, es gibt keine Noten.
Ich meine, es gibt Noten, aber mehr Möglichkeiten sich jetzt auszubessern. Man hat erst am
Schluss des Jahres einen Test. Was schlecht ist, wenn man ein Zeugnis bekommt, steht 1,
2, 3 aber man weiß nicht warum in Wirklichkeit, das kann nur von den Schularbeiten
abhängen (SB, FG3, Z1185)
Tendenziell beschreiben also die Schüler beider Schulstufen ihre Beziehung zu den Lehrern
als eine schlechte. Eine Ausnahme stellen die Schüler der 7. Schulstufe dar, die auch in
einem Freigegenstand mit den Lehrern zu tun haben. Der Unterschied zwischen Lehrern mit
denen die Schüler eine gute Beziehung haben und mit denen sie eine schlechte Beziehung
haben liegt in der Tatsache, ob dieser Lehrer den Unterricht so gestaltet, dass die Schüler
auch mitkommen und den Unterrichtsstoff verstehen. Die Lehrer werden in der Beziehung
sehr unterschiedlich dargestellt, wobei es diejenigen gibt, die auf die Aufforderung der
Schüler, den Stoff noch einmal zu wiederholen oder zu erklären, eingehen oder eine andere
Unterstützung anbieten und andere die Probleme der Schüler ignorieren. Bei Problemen, die
weniger lerntheoretischer Natur sind, sondern sich auf Konflikte mit Schülern oder mit
Lehrern beziehen finden die Schüler weniger Unterstützung. Die 13-jährigen Schüler
sprechen von den wenigen verständnisvollen Lehrern, zu denen sie bei Problemen gehen
würden und den "normalen" Lehrern.
These 4: Da in der Familie die Mutter – das fürsorgliche Element - fehlt, sind die
Schüler einem sehr hohen Leistungsdruck ausgesetzt, der zugleich zur
Disziplinierung eingesetzt wird.
Als Dienstnehmer sind die Lehrer zu allererst ihren vertraglich definierten Aufgaben
verpflichtet, und das heißt, das Maturawissen in ihrem Fach zu vermitteln. Sie entsprechen
184

damit auch am besten dem inoffiziellen Auftrag der Eltern und Absolventen, die ebenfalls ein
hohes Leistungsniveau einfordern. Die Eltern stärken also den Lehrern scheinbar den
Rücken, wenn diese den Leistungsdruck erhöhen. Das geht so lange gut, so lange die
Kinder imstande sind, die Leistung zu bringen.
L: Es ist nicht nur das, was wir machen entscheidend hier, sondern es sind auch die
Ansprüche der Eltern an die Kinder und auch an die Schule. Also, wir sind sehr oft
konfrontiert mit Eltern, die sagen, ich möchte mehr. Manchmal geht es so weit, dass es
heißt, es kann nicht hart genug sein, weil ich möchte, dass was weitergeht. Das geht meist
so weit, bis es dann schlechte Noten gibt. So lange es keine schlechten Noten gibt, wird
sozusagen die Leistungskomponente von den Eltern sehr stark unterstützt und meistens
auch eher mit sehr forschen Argumenten. Wenn es dann schlechte Noten gibt, dann schlägt
das um. Das ist ein Phänomen, das geht dann so weit, dass es sogar rechtliche
Auseinandersetzungen gibt, Beschwerden, usw, aber immer nur, wenn es knapp wird mit
den Noten (SB, I2, Z9).
Aber bevor es knapp wird mit den Noten, können die Lehrer sicher sein, dass sie von den
Eltern darin unterstützt werden, den Leistungsdruck hoch zu halten. Und sie tun es nicht, um
den guten Ruf der Schule zu sichern, denn dass Leistungsdruck das Leistungsniveau
verbessere, ist unter Pädagogen und Didaktikern nicht konsensfähig, sondern vor allem, um
Störungen des Unterrichtens und Lernens hintanzuhalten. Das Einfordern von Leistung wird
daher zu einem einfachen Disziplinierungsinstrument, weshalb die Schüler hauptsächlich
indirekt über die Notenvergabe „erzogen“ werden.
S: Dann gibt es aber Lehrer, die älteren bei uns, die irrsinnig streng sind, bei denen kann
man nichts sagen. Wenn sie schreiben oder reden, dann reden und schreiben sie. Und wenn
man aufzeigt, dann ist das gleich ein Minus, so auf die Art.
S: Später, jetzt nicht.
S: Dann stellen sie 2 Fragen pro Stunde oder 3 und wenn du dann diese bestimmte Frage
nicht weißt, hast du keine Chance mehr dich auszubessern, weil wenn du woanders was
weißt und es sagen willst, lässt er dich nicht zu Wort kommen (SB, FG4, Z384).
S: Ich verstehe es schon. dass er das an uns auslassen muss. Er gibt auch zum Beispiel
jetzt seit kurzem hat er diese neue Idee, dass wenn jemand eine Hausübung vergisst, dass
er 10 Strafübungen machen muss, Extraübungen.
S: Ich glaube nicht, dass das im Schulunterrichtsgesetz steht.
S: Das ist schon krank, weil er soll mir ein Minus geben, aber dann noch eine Extraübung
und 10 davon, das ist schon, ich meine, ich sitze den ganzen Nachmittag da (SB, FG2,
Z535).
IV: Und sind dann die Lehrer auch besonders streng mit euch, wenn sie wissen, sie stehen
unter Druck, sie müssen ihren Stoff noch durchbringen, sie sind eh schon hinten nach?
S: Ja.
IV: Ist das so, dass sie den Druck dann an euch weitergeben?
S: Ja, und dann sagen sie immer, wir sind dran schuld und wir sollten schon viel weiter sein.
IV: Und findet ihr das fair oder ist das eigentlich die Schuld von den Lehrern?
S: Die Schuld von den Lehrern.
S: Unsere Schuld ist es nicht.
S: Auch von den Schülern.
185

IV: Was könnten die Schüler machen?
S: Nichts lernen und dann muss er es wiederholen, also nicht zuhören und dann müssen es
die Lehrern wieder machen (SB, FG2, Z1296).
Natürlich muss man fragen, warum denn Disziplinierung in diesem Ausmaß notwendig ist,
was denn den Unterricht so störanfällig macht. Warum ist es schwierig, die Schüler für den
Unterricht zu interessieren und zum Mitmachen zu bewegen? Wodurch wird der eigentliche
Kernprozess der Schule so erschwert? Eine erste Antwort liegt schon darin, dass Unterricht
als Erziehungs-, besser: Disziplinierungsmaßnahme eingesetzt wird. Lernen wird sozusagen
als eine Strafe behandelt. Wer lernt, büßt. Das ist sicher keine starke Motivation, sondern
eher kontraproduktiv.
Eine weitere Antwort auf die Störanfälligkeit des Unterrichts scheint uns in den
Lehrmethoden zu liegen. In der Schule B wird hauptsächlich der klassische Frontal-
Unterricht praktiziert, und das heißt: Passivisierung der Rezipienten und Steigerung der
Ansprüche an die Qualität des Vortrags (Reich 1993). Oder anders gesagt: dafür dass sie
still sitzen müssen, verlangen sie eine gute Unterhaltung. Es ist die vielleicht unmittelbarste
Folge des gesteigerten Medienkonsums in der modernen Gesellschaft, dass auch schon die
Jüngsten geübte Rezipienten sind. Entweder man erhält die Möglichkeit mitzumachen oder
das einseitig Dargebotene hat einen außerordentlich hohen Unterhaltungswert zu haben,
andernfalls sind die Rezipienten nicht zufrieden. Und eine Man-isst-was-auf-den-Tischkommt-Ethik
verfängt in der Überfluss-Gesellschaft in keinem Bereich mehr. Der traditionelle
Unterricht wird daher zumeist als fad beurteilt, obwohl er andererseits sehr schwer und
herausfordernd ist. Alles dreht sich um einen zwanghaften Kreislauf von Zuhören,
Hausübung, Stundenwiederholungen, Tests und wieder Zuhören. Das alles wird nicht als
besonders interessant eingestuft.
S: Bei manchen ist es recht lustig, da gibt es eine Hetz, manche können die Schüler
kontrollieren und da gibt es manche, die sind wirklich streng, da passiert halt nichts, alle
schlafen, damit sie ja nichts sagen.
S: Es gibt wirklich ein paar Lehrer
IV: Wart einmal, nicht so laut.
S: Es gibt ein paar Lehrer, die können einen ziemlich fertig machen. Die machen dann immer
so ziemlich sarkastische Kommentare (SB, FG4, Z117).
S: Wir müssen alle perfekt sein, wir müssen alle unsere Aufgaben machen, der Spaß ist
außerhalb von der Schule und in der Schule ist nur lernen und sonst gar nichts (SB, FG2,
Z862).
S: Bei uns wird das anders gelernt, bei uns wird das irgendwie eingedrillt und in England ist
es so, dass die sagen, ja, schreibt einfach einen Text, ja mit vielen Fehlern, aber schreibt es
und so lernen sie
es. (...) Ich meine, es gibt Noten, aber mehr Möglichkeiten sich jetzt auszubessern. Man hat
erst am Schluß des Jahres einen Test. Was schlecht ist, wenn man ein Zeugnis bekommt,
steht 1, 2, 3 aber man weiß nicht warum in Wirklichkeit, das kann nur von den Schularbeiten
abhängen (SB, FG3, Z1186).
186

Ausnahmen werden von den Schülern daher auch sehr positiv gesehen.
S: Ganz ruhig immer und der Herr Professor E, lacht irrsinnig viel, macht irrsinnig viel
Pantomime beim Unterricht. Der Unterricht ist gut gestaltet, weil er hat riesige Hände mit
denen er einfach herumfuchtelt und das ist dann auch lustig zuzuschauen.
S: Oder zum Beispiel, wir hatten gerade in Geographie die Sonneneinstrahlung auf die Erde,
erstens Vorname G, hier steht das G-lein und da strahlt die Sonne so auf die Glatze. Der
macht das wirklich irrsinnig, das ist wenigstens lustig, finde ich, Abwechslung oder so. Auch,
wenn es manchmal ins eher Dumme reingeht, aber trotzdem ist es irgendwie lustiger als nur
den Stoff vorzusagen (SB, FG2, Z1558).
Es werden nur wenige neue, interaktive Lehrmethoden in den Unterricht aufgenommen und
wenn, dann machen dies vor allem die neuen jüngeren Lehrerinnen, die dann gleichzeitig
das Problem haben, die Klasse unter Kontrolle halten zu können.
S: Naja, wir haben in Französisch eine Junge, das ist irgendwie abartig, die bemüht sich und
die will da wirklich was machen, das ist ganz ungewohnt von Lehrern. Sie steigert sich
hinein, die macht das anscheinend gerne und bemüht sich. Die gibt uns immer die Spiele
oder Laufdiktat.
S: Das ist ur-arg, die muss man den ganzen Nachmittag für uns arbeiten, die bemüht sich.
S: Es ist nur ungewöhnlich, dass gearbeitet wird.
S: Und die macht auch selber wirklich was, weil normalerweise, ja, sagt uns der Lehrer,
schreibt mit oder gibt uns ab und zu irgendwelche Beispiele bei Schularbeiten oder so etwas.
Sie schreiben uns halt Übungsbeispiele auf und die macht ihr dann. Aber die, das und das
und sagt, Ihr könnt mir alles abgeben, was ihr geübt habt und kontrolliert es auch innerhalb
von 2 Tagen. Das ist ungewohnt. Die macht das wirklich gerne.
IV: Das würde mich interessieren, gefällt euch der Unterricht?
SM: Naja, es ist jetzt ungewohnt. Man muss selber etwas machen (SB, FG4, Z408).
S: Es gibt ein paar Lehrer, die kann man nicht feuern, die sind was – pragmatisiert, ja. Die
einzigen, die sich anstrengen sind eigentlich wirklich die Jüngeren, die jedes Jahr kommen.
Es ist ja so, dass die jüngeren Lehrer jedes Jahr neu verteilt werden, ob sie Stellen kriegen
oder nicht. Es sind die Einzigen, die sich halbwegs anstrengen.
S: Die anderen sitzen da und machen nichts und kümmern sich nicht drum, weil sie sowieso
ihre Stelle nicht verlieren.
S: Genau, die Lehrer sollten nicht mehr pragmatisiert werden (SB; FG4, Z1229).
Der Mangel an Engagement der Lehrer und der Schulleitung wird auch im Zusammenhang
mit der Nachmittagsbetreuung von den Schülern kritisiert. Hier kommt auch zum Ausdruck,
dass sich die Schüler in erzieherischer Hinsicht vernachlässigt fühlen.
S: Da war er nur Lehrer. Dann ist er zur [Schulleitung] aufgestiegen und jetzt passiert
praktisch gar nichts.
S: Es läuft das ab, wenn man jetzt das Schulprogramm nimmt, ich meine als
Nachmittagsprogramm haben wir faktisch nichts. Wir haben ein paar Sachen, aber die
werden kaum durchgeführt werden (SB, FG4, Z 739).
Eine Erklärung für das geringe Engagement der Lehrer haben die Schüler auch parat: es
liege, glauben Sie, an der unzureichenden Entlohnung, über die zumindest ein Lehrer
187

offenbar regelmäßig klagt. Damit bestätigen sie unsere These, dass die Lehrer als
Dienstnehmer dazu verführt werden, ihr Dienstverhältnis als Job zu sehen und vor allem
unter Kosten-Gesichtspunkten zu bilanzieren. Um sich mit der Schule voll zu identifizieren
und motiviert zu sein, sich für ihre positive Entwicklung so gut wie möglich einzusetzen,
haben die Lehrer in Schule B eine zu schwache Position im System inne.
Wenn man diese Elemente des Kernprozesses zusammenfasst, ergibt sich ein grober
Eindruck eines Prozesses, der zu den problematischen Ergebnissen im Verhältnis von
Schülern und Lehrern führt. Um die Grundelemente, die dabei mitspielen, herauszustreichen
und die negative Dynamik zu konturieren, verzichten wir in nachstehender Darstellungen auf
Relativierungen.
• Die Schule hat enge Vorstellungen davon, wie ein gelungener Kernprozess – wie Lehren
und Lernen – stattfinden kann. Letztlich dreht sich dabei alles um die Vermittlung
traditioneller Werte und des Maturawissens mittels traditioneller („erprobter“) Methoden.
Das ergibt für die Lehrer ein enges Verhaltenskorsett, das vor allem von den Eltern mit
getragen wird. Der Vertrag, der zum Schuleintritt mit den Eltern geschlossen wird, sieht
explizit die Vermittlung gerade dieser Inhalte vor. Indem die Eltern und mit ihnen der
Schulerhalter darauf großen Wert legen, festigen sie das enge Verhaltenskorsett der
Lehrer und reduzieren die Autonomie und Gestaltungsfreiheit, über die Lehrer
normalerweise verfügen, erheblich.
• Die Lehrer haben daher organisatorisch ein schwaches Standing. Sie gehören nicht
wirklich dazu (möglicherweise auch was die eigene soziale Herkunft betrifft), sind auf die
Dienstnehmer-Rolle reduziert, können nur wenig sekundären Gewinn aus ihrer Arbeit
ziehen (Selbstbestätigung, Umsetzung eigener Ansprüche, Kreativität, Zielerreichung)
und haben zum Teil keine sehr hohe Arbeitszufriedenheit.
• In der logischen Folge dieser Verhältnisse praktizieren die Lehrer vielfach einen
unengagierten, langweiligen Unterricht, dem schwer zu folgen ist. Zusätzlich setzen sie
die ihnen übertragene Macht gegenüber den Schülern mit Grobheiten gezielt ein, um
diese unter Kontrolle und auf Distanz zu halten. Die Lehrer duzen die Schüler, werden
aber ihrerseits gesiezt. Es drückt das Machtgefälle und die Bedeutung des
Maturawissens gleichermaßen aus, dass die Schüler die Lehrer nach bestandener
Matura ebenfalls duzen dürfen, als ob dann Gleichheit zwischen ihnen hergestellt wäre.
• Die Schüler reagieren auf diese Mischung aus Langeweile, Überforderung und
Unterdrückung mit Störungen aller Art. Man könnte darin ebenso
Verteidigungsreaktionen wie Übersprungshandlungen sehen.
188

• Die Lehrer wieder reagieren auf diese Reaktion nach dem Schema „more of the same“.
Sie erhöhen nach Belieben den Druck durch Beschleunigen des Unterrichts,
Verschärfung der Prüfungen und Aufgabe von Extraübungen. Sie intensivieren die
Grobheiten, bieten zum Teil wenig Hilfe an, machen Hilfe schwer zugänglich oder von
Verhaltensänderungen abhängig.
• Die Schüler können irgendwann ihre Unterlegenheit „vor der Note“ nur anerkennen und
reagieren sich gelegentlich außerhalb des Unterrichts oder sogar außerhalb der Schule
ab. Die Schule hat auch Probleme mit Vandalismus und Diebstählen.
• Dieser systemische Mechanismus steigert sich zunächst selbsttätig, und zwar deshalb,
weil das notwendige Gegenmotiv und Gegenbeispiel dafür fehlt, wie fröhliche, liebevolle
und fürsorgliche soziale Beziehungen auch im Schulkontext möglich sein können, und
pendelt sich beim Status Quo ein.
These 5: Die formale Entscheidungsmacht ist im System beinahe unsichtbar, die
Autoritäten scheinen verborgen. Wer entscheidet eigentlich was?
Wenn im Verhältnis von Lehrern und Schülern von einem schiefen Machtverhältnis die Rede
ist, dann ist damit natürlich nicht die formale Seite der Machtstruktur gemeint, sondern die
informelle oder parallele, in der keine Führungsentscheidungen getroffen werden, sozusagen
die Macht der Alltagsverhältnisse. Die Richtlinien, die Zwänge, die vielen Notwendigkeiten
und Dringlichkeiten, die Verbote und Gebote kommen von woanders her. Die verdanken sich
formalen Entscheidungen, die in den dafür vorgesehenen Strukturen getroffen werden, und
das wären im Normalfall die Gremien der Schulleitung: der Schulleiter/die Schulleiterin und
der Schulgemeinschaftsausschuss mit seinen nachgereihten Gremien der einzelnen, darin
vertretenen Gruppen. Es gilt daher gerade im Kontext der Gesundheitsfördernden Schulen
als Binsenweisheit, dass ohne Schulleiter/in nichts geht.
Dieses Bild lässt sich allerdings für Schule B so nicht auffinden. Die Schulleitung versteht
sich in ihrem Selbstbild vor allem in der Erhaltung der Familientradition und nicht so sehr in
der Rolle der Erneuerung und der Reform. Obwohl Schulreform in Schule B durchaus ein
Thema ist: im Konferenzzimmer hängt eine große Pin-Wand, auf der Ideen und Anregungen
zur Schulreform gesammelt werden sollen. Die einzige Anregung, die dort zum Zeitpunkt
unseres Besuches vorzufinden war, war das Photo von einer Baustelle, was auf die
Notwendigkeit der baulichen Veränderungen der Schule verweist. Es zeigt aber zugleich an,
dass die Wurzeln und Traditionen der Schule im Kontext der Debatte um Schulreform
offenbar nicht zur Disposition stehen. Aus diesem Rollenverständnis ergibt sich für die
189

Schulleitung neben Verwaltungsaufgaben vor allem Kommunikationsaufgaben und damit
Arbeit an der Atmosphäre in der Familie.
D: Ich gehe immer wieder in Klassen hinein, in Supplierstunden, ich versuche im Haus
präsent zu sein, ich spreche die Schüler immer persönlich an, wenn ich jemanden irgendwo
sehe, dann gehe ich hin und rede mit ihm oder ihnen, wenn es eine Gruppe ist. Nichts
Bedeutendes natürlich, aber der Kontakt ist da. Natürlich, wie das jetzt von seiten der
Schüler aussieht, ist das nicht so ganz einfach, denn es kommt natürlich immer wieder
heraus, dass sie sich doch nicht ganz trauen, aber grundsätzlich ist das schon möglich (SB,
I1, Z91).
Auch das passt in das Bild der Familie, in der ja tatsächlich jedes Mitglied zu jedem Mitglied
jederzeit problemlos Kontakt aufnehmen kann. Es können sogar regelmäßig ohne viel
Aufwand alle Mitglieder gleichzeitig mit einander kommunizieren und bei solchen vielleicht
mehrmals täglich stattfindenden Ereignissen auch beobachten, wie andere Mitglieder mit
einander kommunizieren. In einer Organisation wie einer Schule ist das allerdings etwas
anderes. Da stößt die Familienmetapher erneut an ihre Grenzen und wird für die
Organisation zum Problem. Alle Mitglieder können nur mit großem Aufwand
zusammenkommen, das leistet man sich normalerweise nur einige wenige Male im Jahr.
Und wenn, dann muss der Event, wie das dann gleich zu nennen ist, gut und formell
organisiert sein, um nicht im Chaos zu enden. Einzelne Kontaktnahmen in Vier-Augen-
Situationen zwischen allen Mitgliedern sind praktisch ausgeschlossen. Selbst wenn sich eine
Person auf diese Aufgabe spezialisierte und die Kommunikationen einigermaßen so
verdichten könnte, wie das in Familien geschieht, würde es ein Schuljahr dauern, bis sie
jedes Mitglied ein bis zwei Mal kontaktiert hätte. Und das wäre noch immer weit von der
Kontaktfrequenz entfernt, die in Familien gegeben ist.
Aus Sicht der Schüler ist die Schulleitung daher fast unsichtbar. Und sie kritisieren, dass sie
andere Führungsaufgaben zu wenig wahrnimmt, die das Schulleben positiv beleben
könnten.
S: Ich weiß nicht. Ich kenne es von meiner Schwester und die haben als Direktor einen, den
finde ich wirklich gut. Der agiert wirklich als Manager, der macht Werbung für die Schule, in
der Schule, er sucht Sponsoren. Unsere [Schulleitung], die sehen wir fast nie, ab und zu
kommt die [Schulleitung] am Gang, wir grüßen die [Schulleitung], ja aber sonst, die
[Schulleitung] macht nichts wirklich aktiv (SB, FG4, Z761).
Die Kritik, dass die Schule nicht lebendig genug ist, dass nicht genug geschieht, dass sie zu
wenig dynamisch, zu wenig bunt ist, wird auch von Lehrern geäußert. Man kann
diesbezüglich also einen gewissen Mangel an Führung konstatieren. Alte, traditionale
Orientierungen scheinen brüchig geworden zu sein und für neue Orientierungen scheint kein
190

Platz zu sein. Es findet daher auch kein sichtbarer Prozess statt, der in die eine oder andere
Richtung stimulieren könnte, durch den sich Energien bündeln ließen.
Um es noch einmal anders zu wenden: es herrscht ein Mangel an Entscheidungen bei allzu
großem Vertrauen auf die Funktionalität von Traditionen. Organisationen, auch Schulen,
benötigen aber Entscheidungen für ihre interne Autopoiesis: für das tägliche Prozessieren
innerhalb selbstgesteckter Grenzen und im Sinne eines tragfähigen, alle Mitglieder
verbindenden Selbstverständnisses. Vor allem darin unterscheiden sich Organisationen und
Familien. Man fragt sich daher als Beobachter/in zweiter Ordnung, wer in Schule B eigentlich
was entscheidet? Es ist dies nicht so sehr eine Frage nach den Machtstrukturen und nach
Hierarchien, wie das in Schule A der Fall war, sondern vor allem nach dem Was: was wird
auf Führungsebene entschieden? Es ist unserer Meinung nach dieser Mangel an
Führungsentscheidungen, der dazu führt, dass das hauptsächliche Geschehen, das alle
Aufmerksamkeiten in Schule B bindet, auf der informellen, parallelen Seite der Macht
stattfinden, dort allerdings ungeleitet, nicht formalisiert, krude und sozialdarwinistisch.
These 6: Mitgestaltung der Schüler gibt es nicht – es fehlt den Schülern aber auch
nicht.
a) Mitbestimmen im Unterricht
In der Schule B stellt es sich aus der Perspektive der Schüler in beiden Klassen so dar, dass
Mitbestimmung nur im Rahmen von kulturellen Schulveranstaltungen wie der Organisation
des Schulballes möglich ist. Möglichkeiten, den Unterricht irgendwie mitzubestimmen,
scheint es praktisch nicht zu geben, weder was die Inhalte noch was die Methoden und die
Umsetzung betrifft. Die Schüler erwähnen zwar, dass dies bei Projekten noch eher der Fall
ist und dass zumindest eine Klasse im Gegensatz zu anderen gar nicht so wenige Projekte
mache, doch auch dort haben sie nicht wirklich das Gefühl, dass sie ernsthaft mitreden
können bzw. dass es auf ihr Mitreden ernsthaft ankommen.
S: Er [der Lehrer] geht sicher drauf ein, wenn man ihn drauf anspricht.
S: Wir haben in den meisten Fächern kein Mitspracherecht. Da ist der Stoff und den bereiten
sie vor und den machen wir einfach. Ja, in Mathe und Deutsch, in Geographie.
S: Es sind alles solche Professoren, die – ich meine, ich glaube, dieser Art von Unterricht,
mit den Fragen, was die Schüler wollen, das wird eher nicht so gemacht (SB, FG5,Z298).
S: Aber das ist fast in jedem Fach so, dass wir nicht wirklich bestimmen dürfen, was wir
machen, sondern das ist einfach vom Lehrplan her so. Nicht einmal in Turnen dürfen wir
mitentscheiden (SB, FG2, Z327).
191

S: Man kann auch nicht entscheiden, dass wir heute vielleicht nicht das machen, sondern
das vielleicht erst morgen machen und das heute. Das ist nicht unsere Entscheidung,
sondern das entscheiden die Lehrer. Manche Lehrer, die sind so, die sagen wenn sechste
Stunde ist, sagen sie, machen wir eine halbe Stunde früher Schluss (SB, FG3, Z182).
S: Da gibt es halt ein paar, manchmal so Ausnahmen, wo sie sagen, ja ok ihr könnt Euch
jetzt aussuchen, welches Kapitel wir lesen, wo jetzt zum Beispiel der gleiche Stoff behandelt
wird, ein Drama oder so (SB, FG5, Z314).
Es zeigt sich in diesen Gesprächspassagen noch etwas anderes, das uns im Kontext des
Nachdenkens über Partizipation und Empowerment wichtig erscheint. Es kommt dabei nicht
nur darauf an, dass man als Schüler oder Schülerin dazu eingeladen wird, sondern auch
darauf, dass man es sich zutraut. Nur dann kann man den Sinn darin erkennen, was es
bringt, das eigene Lernen selbst zu steuern und zu kontrollieren. Partizipation, gedacht als
Prinzip des didaktischen Vorgehens, wird hier also unversehens selbst zum Lerninhalt.
Neueren, insbesondere konstruktivistischen Strömungen in der Pädagogik ist dieser
Umstand durchaus bewusst (vgl. z.B. Reich 1996, insbesondere Kapitel 5). Und es ist noch
nicht einmal eine besonders avantgardistische Erkenntnis, denn die Idee findet sich schon in
den Arbeiten John Dewey´s vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts (Bohnsack 1976). Die
Rede davon, dass man vor allem das Lernen lernen müsse, die genau diesen Umstand
meint, ist heutzutage ja auch in aller Munde, wenngleich nicht immer allen Rednerinnen und
Rednern klar ist, dass das impliziert, dass die Schülerinnen und Schüler dann an ihren
eigenen, höchstindividuellen Erfahrungsmöglichkeiten, Interessen und Fähigkeiten ansetzen
müssen. Es ist daher – unserer Meinung nach zu Recht - eine Grundhaltung der
konstruktivistischen Pädagogik, „dass wir keine Experten von außen benötigen, um
konstruktiv Wissen zu erwerben. Experten tauchen auch in unserem Beispiel auf, aber sie
werden durch die Konstruktionen der Schüler herausgefordert, ihr Wissen gezielt und nach
den Bedürfnissen der Schüler weiterzugeben“ (op. cit. 127). Es ist nicht überraschend, dass
Schüler, die solche Erfahrungen nie gemacht haben, auch deren Sinn nicht erkennen
können.
S: Ich finde das auch besser, dass die Lehrer das aussuchen. Es scheint mir nicht so
wichtig. Wenn ich es mir aussuchen will. Also, wenn er sagt, jetzt haben wir den Stoff schon,
jetzt könnt ihr irgendwas aussuchen, da denke ich mir... Also, ich glaube schon, dass das
wichtig ist, dass der Lehrer weiß was er uns weitergeben will (SB, FG5, Z319).
S: Nein.
S: Eigentlich macht es mehr Sinn, wenn es der Lehrer bestimmt, es ist ein Aufbau, es sind
aufbauende Fächer und er weiß was in einigen Jahren gebraucht wird.
S: Es gibt einen Stoff, an den wir uns halten müssen, das müssen wir halt können. Es kann
höchstens noch die Reihenfolge verändert werden, wie wir es lernen, aber das ändert ja
nichts daran, dass wir es lernen müssen. Es bringt ja nichts im großen und ganzen (SB,
FG5, Z356).
192

Die Schüler räumen aber durchaus ein, dass ihre Interpretation der Mitbestimmung davon
geprägt sein könnte, dass sie eben keine Erfahrung mit Mitbestimmungsprozessen im
Unterricht hätten und somit ja gar nicht wüssten, wie sie mit neuem Lehrstoff anders
umgehen könnten als in der traditionellen Form. In der Aussage von mehreren Schülern, die
eine Erklärung für die Unmöglichkeit der Mitgestaltung der Schüler in den festgelegten
Lehrplänen sehen, wird deutlich, dass sie es sich nicht wirklich anders vorstellen können. Sie
entwickeln daher auch nicht den Wunsch mitreden zu wollen.
An einem Beispiel exemplifiziert ein Schüler aus dem 7. Schulstufe die Problematik, die
entsteht, wenn sie schon einmal bei einem frei organisierten Projekt eine Gruppe bilden und
gemeinsam arbeiten sollen.
S: Wir mussten einmal in der schwächeren Gruppe ein Projekt machen. Alles ganz genau
frei bestimmen, was wir machen. Dann haben wir zuerst so überlegt und ich habe mich auch
eingesetzt dafür, daß wir was machen. Die wollten einfach nichts machen. Dann waren wir
endlich so weit, dass wir es machen konnten und in der nächsten Stunde haben die dann so,
eine Gruppe gesagt nein, das machen wir nicht. Dann mussten wir alles am Kopf schmeißen
und dann sind wir wieder angekrochen, bitte, können wir da mitmachen (SB, FG3, Z556).
Auch andere Formen des Mitredens, Mitbestimmens und Mitgestaltens sind in Schule B eher
die Ausnahme. So ist auch die Ausgestaltung des Klassenzimmers kein Thema.
S: Wenn wir etwas schmücken wollen, was ihm nicht gefällt, wenn das zu viele Jugendliche
sind und jetzt nicht irgendwie mathematische Beispiele, nimmt er sie auch gleich runter (SB,
FG2, Z855).
S: Ja, wir würden schon gerne mehr gestalten, wie zum Beispiel den Christbaum, aber das
nimmt er dann einfach runter und sagt, ja, wenn er zum Beispiel schlecht aufgelegt ist oder
wenn wir schlimm waren, ja, das kommt, das könnt ihr wieder nach Hause schleppen oder
Plakate, die wir halt gerne aufhängen würden von Sängern oder Schauspielern (SB, FG2,
Z875).
Auch darauf reagieren die Schüler jedoch nicht mit Protest oder der explizit vorgetragenen
Forderung nach mehr Partizipation. Statt dessen übernehmen sie, wie es scheint, letztlich
die Perspektive ihrer Eltern, die den primären, sozusagen vertraglich festgelegten
Erwartungsdruck an die Lehrer richten, und zwar in dem Sinn, dass sie implizit unterstellen,
dass man nur soviel lernen könne, wie die Lehrer einem beibrächten. Damit wird der
Lernerfolg eines Schülers aber einseitig als Ergebnis einer Expertentätigkeit interpretiert. Die
Schüler werden so – gewollt oder ungewollt – zu Komplizen ihrer Eltern und vertreten deren
Erwartungshaltung, dass möglichst gute Lehrer möglichst viel lehren sollen, gegenüber den
Lehrern. Wenn dann ein Schüler nicht lernt – sprich: bei der Prüfung versagt -, dann ist darin
ein Versagen des Lehrers zu sehen. Alle Unzufriedenheit der Schüler, die sie am Unterricht
und an den Lehrern äußern, erscheint in dieser Perspektive als die Unzufriedenheit von
193

Kunden, die von einer Dienstleistung enttäuscht sind, weil sie nicht damit gerechnet hatten,
dass sie zum Gelingen der Dienstleistung selbst etwas beitragen würden müssen.
Bedeutsam ist daran nicht nur der ökonomische Aspekt dieses Verhältnisses, in dem ein
Wer-zahlt-schafft-an-Motiv anklingt, sondern mehr noch die Vorstellung, dass der Kunde
passiv-rezipierend ist, weil Lernen als etwas verstanden wird, das vom Lehrer ausgeht.
Wenn man an diesem zentralen Moment des systemischen Bildes von Schule B eine
prägnante Kurz-Charakterisierung aufhängen wollte, könnte man sie als „Schule im
medizinischen Modell“ beschreiben, denn das Lehrer-Schüler-Verhältnis ähnelt in diesem
Punkt dem klassischen Arzt-Patient-Verhältnis. Auch dort wird ja von seiten der Patienten
unterstellt, dass der Arzt die Gesundheit herstelle und insofern primär dafür verantwortlich
sei.
Man versteht von hier aus auch ein wenig besser, dass sich die Lehrer diesem
Erwartungsdruck ein Stück weit zu entziehen trachten, indem sie das Gewicht auf Lernen
legen, um das Lehren zu entlasten. Die Lehrer interpretieren damit implizit den Lernerfolg
einseitig als Ergebnis einer Tätigkeit oder Begabung eines Schülers. Die logische
Konsequenz dieser Haltung ist, dass regelmäßig und streng geprüft wird und dass mit den
oben beschriebenen Mitteln gegen „Faulheit“ und andere Formen der Lernverweigerung
vorgegangen wird. Man kann daran sehen, dass Lehren und Lernen im System tatsächlich
als zwei verschiedene Prozesse behandelt werden und eben nicht zusammen gedacht
werden können. Da beide Prozesse für den Schulerfolg bzw. –misserfolg von Vertretern der
jeweiligen Perspektive verantwortlich gemacht werden, stehen sich die Sichtweisen und
damit die Prozesse Konflikthaft gegenüber. Austragungsort des Konfliktes ist das
Klassenzimmer, in dem sich Lehrer und Schüler gegenseitig schlecht behandeln. Beide
können tendenziell die Erwartungen, die die jeweils anderen an sie haben, nicht zur
Zufriedenheit erfüllen: die einen unterrichten zwar, aber nicht so und nicht mit dem Ergebnis,
wie das die Schüler sich vorstellen, die anderen lernen zwar, aber nicht so erfolgreich, wie
das die Lehrer sich vorstellen.
Letztlich lehnen beide die Erwartungserwartungen ab, durch die sie systemisch verbunden
sind. Die Lehrer wollen nicht akzeptieren, dass die Schüler als Repräsentanten ihrer Eltern
(und dahinter der Absolventen, da Eltern häufig Absolventen sind) Wohl und Wehe der
Schule und der „Familie“ von der Qualität der Lehre abhängig machen, während die Schüler
(und mit ihnen die Eltern) nicht akzeptieren, dass das Wohl und Wehe von ihrem eigenen
Lerneinsatz abhängen soll. Beide Gruppen neigen daher dazu, von einander enttäuscht zu
sein und bedenken sich – siehe Flegeltum – mit entsprechenden Klassifizierungen. Das
Tückische ist, dass beide für ihre negativen Zuschreibungen Halt in der Realität finden: die
194

Schule scheint weder eine besondere Auswahl an Lehrern noch an hochbegabten Schülern
zu haben („Sie nehmen jetzt schon Schüler mit Dreiern und Vierern im Zeugnis auf“). Auch
das stützt und reproduziert die insgesamt in der Tendenz eher negative Sicht, die die Partner
von einander haben.
Auch wenn beide Gruppen sofort zustimmen würden, dass beides notwendig ist, lehren und
lernen, so zeigt sich doch am Konfliktfall „schlechte Note“, dass das Verhältnis der beiden
Prozesse schief ist, und zwar für die Gruppen in unterschiedlicher Weise. Daraus folgt, dass
die Prozesse jedenfalls schlecht vermittelt sind, was die Probleme nach sich zieht, die wir
beschrieben haben.
Vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage ist es interessant, die Differenzierungen
anzusehen, die die Schüler benutzen, um Lehrer danach zu unterscheiden, ob sie zu ihnen
eine gute oder schlechte Beziehung haben.
Dabei sind zwei Differenzen zentral:
(1) Engagiert/unengagiert: mit dieser Unterscheidung legen die Schüler fest, ob ein Lehrer
den Unterricht so gestaltet, dass die Schüler auch mitkommen und den Unterrichtsstoff
verstehen. Engagiert sind Lehrer, die auf die Aufforderung der Schüler den Stoff noch einmal
wiederholen, genauer erklären oder andere Unterstützungen anbieten. Diese Lehrer
entsprechen dem Paradigma der Schüler und Eltern, dass der Schulerfolg von der Qualität
der Lehre abhängt. Sie entsprechen aber auch dem Paradigma des Empowerments, da sie
zumindest punktuell die Lehre an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schülern
orientieren statt einfach am Lehrplan.
(2) Verständnisvoll/ignorant: diese Unterscheidung bezieht sich darauf, ob Lehrer auf
Konflikte zwischen Schülern und Schülern oder zwischen Schülern und Lehrern eingehen
oder nicht und entsprechende Hilfen anbieten.
Beide Differenzen führen zu einer positiven Hervorhebung weniger Lehrer gegenüber der
Mehrzahl derer, die von den Schülern als die "normalen Lehrer“ bezeichnet werden.
S: Ich finde, die normalen Lehrer sind fast Maschinen, sie sagen dir, was der Stoff ist, sie
erkennen, ob du das richtig machst oder falsch machst und sonst nix.
S: Und wenn du es falsch machst, dann schicken sie dich zur [Schulleitung] oder geben dir
eine Strafarbeit, sonst sind sie eigentlich nur Maschinen (SB, FG2, Z1357)
b) Mitbestimmen bei Entscheidungen
195

Blicken wir zum Abschluss auf die formalen Seiten der Schülermitbestimmung. Natürlich gibt
es formal die Möglichkeit, Anliegen und Beschwerden vorzubringen. So gibt es die
Klassensprecher-Konferenzen und den Schulsprecher, der Beschwerden weiterleitet. Es gibt
auch einen Ansprechlehrer für die Schulsprecher, wobei keiner der Schüler genauere
Informationen darüber hat. Die Erfahrung der Schüler ist jedoch diejenige, dass ihre formal
eingereichten Anliegen und Beschwerden keinen Einfluss auf den Schulalltag nehmen. Auch
die Rolle des Klassensprechers ist daher unbedeutend, wie er selbst befindet:
S: Normalerweise, wenn wir dann so eine Konferenz hatten, sagen wir in der Pause, was da
abgelaufen ist. Aber es hört eh niemand aus der Klasse zu.
S: Es kommt auch nie was raus (SB, FG2, Z1845).
S: Zu dem sollte halt eben dann der Schulsprecher gehen und die dann gemeinsam,
entweder zur [Schulleitung] oder zu dem jeweiligen Lehrer und das vortragen. Auch wenn es
passiert, dann wird nichts gemacht (Sb, FG4, Z113).
S: Man kann es ganz einfach beantworten. Schüler/innen und besonders Schulsprecher
werden alle überhaupt nicht ernst genommen (SB, FG4, Z880).
Daneben gibt es selbstverständlich auch noch die Klassenvorstandsstunde, in der Probleme
in der ganzen Klasse besprochen werden können. Es wird neben Problemen einzelner
Schüler über diejenigen Dinge geredet, die die ganze Klasse betreffen und über die in der
Klasse abgestimmt werden muss. Es wird über Probleme geredet, über Konflikte und über
lernen "lernen" gesprochen. Hauptsächlich werden auch Ausflüge und Reisen geplant.
Es entspricht dem Selbstbild der Schule als „Familie“, dass diese formalisierten Wege der
Mitbestimmung und des Mitredens wenig einflussreich sind und nicht gut ankommen.
Wichtiger erscheinen die informellen Wege: wer etwas vorbringen will, kann sich, so das
informelle Angebot, jederzeit auf informeller Ebene mit Lehrer und der Schulleitung in
Verbindung setzen. Diese Regelung ist Teil der hochgehaltenen familiären Gesprächskultur
und wird als unbürokratisch, schnell und direkt beschrieben. Sie wird aber, soviel kann man
sagen, längst nicht in dem Ausmaß in Anspruch genommen, wie das aus Sicht der Schüler
notwendig wäre. Auch hier wird die Selbstbeschreibung bzw. Selbstinszenierung als Familie
für die Schule B zur Falle. Denn diese informellen Wege sind kommunikationstechnisch
gesehen alles andere als freundlich und einfach: sie sind aufwendig, ineffizient, und
hochschwellig. Aufwendig, weil ein Problem, das viele haben, viele Male besprochen werden
muss. Ineffizient, weil man in der größeren Gruppe bzw. im Gremium einen allgemeineren
Problemkontext vermittelt bekommt und daher zu besseren Lösungen finden kann.
Hochschwellig, weil alle Last beim Schüler liegt: er muss entscheiden, für die Bearbeitung
eines Problems Hilfe oder Ansprechpartner zu brauchen, muss diese aufsuchen, muss dazu
196

einen geeigneten Zeitpunkt wählen, muss um eine Unterredung bitten und ist dem
Gesprächspartner gegenüber schon allein dadurch in einer ungünstigen Position.
Vor allem aber sind diese informellen Vier-Augen-Gespräche vollkommen ungeeignet, die
Schule als Ganzes zu thematisieren, weil ja immer nur zwei sehr arbiträre
Einzelperspektiven auf einander treffen, auch wenn die eine davon der Schulleiter persönlich
ist. Während es in Familien eben doch möglich ist, beim Abendessen oder im Urlaub, im
Beisein aller auf informelle Art das Familienleben zu thematisieren und mit allen gemeinsam
für alle eine gemeinsame Selbstbeschreibung zu erzeugen, bedarf es dazu in
Organisationen erheblicher Anstrengungen.
197

11 Schule C: „Was gut läuft in unserer Klasse ist, dass Eltern,
Schüler, Lehrer gut in einem Team zusammenarbeiten“
Mit Schule C ist es gelungen, eine moderne, dynamische, in Entwicklung befindliche Schule
zu finden, die als Organisation – in der Terminologie von Hersey & Blanchard (1977) – einen
vergleichsweise hohen Reifegrad erreicht hat. Da die Schule C, die in dem vorgestellten
Schema insgesamt als eher progressiv gelten kann, zusätzlich eine interne Differenzierung
aufweist, die einen Teil als etwas weniger progressiv mit konservativen Tendenzen
erscheinen lässt, ist sie im Rahmen dieser Studie eine ideale Ergänzung zu den Schulen A
und B. Diese Differenzierung betrifft die Einführung von Klassen, die nach dem Konzept des
„Eigenverantwortlichen Arbeitens (EVA)“ nach Klippert (2002, 2000a, b, 2001) geführt
werden. Inzwischen ist der Versuch mit diesen EVA-Klassen im dritten Jahr und kann als
durchaus gelungen bezeichnet werden.
(1) Demokratische Kultur
Auf eine Kurzformel gebracht, könnte man die Schule C als „Schule im
sozialpartnerschaftlichen Modell“ bezeichnen. Damit ist in Anspielung auf die politische
Sozialpartnerschaft, die zumindest bis in die 90er Jahre als das große österreichische
Erfolgsgeheimnis gelten konnte, gemeint, dass die in der Schule beteiligten Gruppen –
Schulleitung, Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern – allesamt eine einigermaßen starke
Position inne haben und von den jeweils anderen nicht übergangen werden. Im Vergleich mit
den Schulen A und B ist hier der gesetzliche Auftrag an alle Beteiligte, eine demokratische
Schulgemeinschaft zu bilden, wesentlich weiter entwickelt. Das bedeutet zunächst, dass die
Anliegen und Interessen aller Gruppen in der Schule präsent sind und dass daher nichts
gegen den expliziten Willen einer Gruppe gemacht werden kann, ohne diese in
Aushandlungen einzubinden - oder man stößt eben auf Schwierigkeiten. Damit ist ein
grundsätzliches Gebot der demokratischen, partizipativen Kultur ein gutes Stück weit erfüllt.
Wir wählen die Metapher der Sozialpartnerschaft zur Charakterisierung der Schule C aber
noch aus einem weiteren Grund. Es soll damit auch angedeutet werden, dass es in diesem
System keine „Regierung“ gibt – so wie es daher auch keine Opposition gibt -, worunter eine
Instanz zu verstehen wäre, die sich nach allen Debatten und Einlassungen auch gegen diese
mit eigenen Vorstellungen durchsetzen könnte. Vor allem damit steht die Schule C im
Gegensatz zu den Schulen A und B, in denen jeweils eine Instanz, einmal die Schulleitung,
198

das andere Mal der Schulerhalter, über so viel Macht verfügt, dass sie alle anderen jederzeit
overrulen kann. Formal wäre das im Falle von Schule C der Schulleitung sicher auch
möglich. Das System der Sozialpartnerschaft hörte aber sehr bald auf zu funktionieren, wenn
ein solches Vorgehen Methode hätte. Es benötigt vielmehr grundlegend eine Orientierung
am Konsens aller Beteiligten. Das Bild der Sozialpartnerschaft soll daher auch eine
Organisation mit einer sehr flachen Hierarchie charakterisieren, in der alle Beteiligten
Einfluss haben und nur Einfluss haben – wenngleich nicht unbedingt gleich viel.
Natürlich ist die Partizipation der Gruppen unterschiedlich gut ausgebildet: manchmal ist es
wirklich die ganze Gruppe, etwa alle Schüler/innen einer Klasse, in einem
basisdemokratischen Prozess, manchmal sind es „nur“ die gewählten Repräsentinnen und
Repräsentanten einer Gruppe, etwa im Falle von Elternvertreter/innen mancher Klassen.
Insgesamt scheinen zwei Aussagen für Schule C Gültigkeit zu haben: zum einen ist die
Teilnahme bei allen Gruppen in den EVA-Klassen höher als in den normal geführten
Klassen, zum andern sind die Lehrer/innen in Schule C insgesamt nicht nur als
Einzelpersonen sondern auch als Gruppe stärker vertreten und sichtbarer als in den Schulen
A und B. Vor allem die relative Stärke der Lehrer/innenschaft als Gruppe erscheint als ein
besonderes Asset, das nicht nur der Machtbalance innerhalb der Schule günstig zuarbeitet,
sondern sicher auch vor dem oft beklagten Hauptproblem des Lehrberufs schützt, dem durch
Einzelkämpfertum verursachten Burnout.
Aus der Tatsache, dass verschiedene Gruppen rege an Entscheidungsprozessen
teilnehmen, folgt in der leidenschaftslosen Analytik der Systemtheorie, dass im Vorlauf von
Entscheidungen sehr viel mehr Kommunikation notwendig ist als in Schulen mit weniger
Beteiligung der Gruppen. Denn will man unter der Bedingung hoher Beteiligung
Entscheidungen herbeiführen, müssen alle Meinungen und Positionen mühsam eingeholt,
ausgetauscht und in Richtung Konsens geschliffen werden. Denn Sozialpartnerschaft heißt
eben auch, dass man den Konsens sucht und damit Lösungen und Vorgangsweisen, die von
allen mitgetragen werden können. Wie oben bereits angedeutet, verträgt sich das System
nicht mit Mechanismen des Regierens und Opponierens, und zwar deshalb nicht, weil ja die
Machtpositionen – der Schulleitung, der Lehrer/innen etc. - nicht durch Wahlen zur
Disposition stehen. Auch Schüler/innen, Lehrer/innen, Eltern können ihre Positionen nicht
tauschen. Beteiligung hätte dann aber keinen Sinn, wenn sich die Schulleitung von Amtes
wegen sowieso immer durchsetzen könnte. Solipsistische Entscheidungen, sogar
Mehrheitsentscheidungen gegen den ausdrücklichen Willen einer Gruppe sind daher nur in
Einzelfällen möglich. Im alltäglichen Normalfall wird man so viel Überzeugungsarbeit auf sich
nehmen müssen, dass zumindest Duldung möglich ist, wenn schon nicht Konsens. Damit ist
199

aber eine Konsequenz verbunden, die man vom Beispiel der wirklichen Sozialpartnerschaft
her kennt und die von Kritikern mit Begriffen wie „Verkrustung der Strukturen“ und
„Reformstau“ belegt wurde: wegen des hohen Kommunikationsaufwands und weil die
Fortsetzung des Systems an weitgehenden Konsens geknüpft ist, neigt das
sozialpartnerschaftliche Modell – in der großen Politik wie auch in Schule C – dazu, nicht
konsensfähige Probleme ungelöst zu lassen.
Mit dem Bild der Sozialpartnerschaft ist daher beides gemeint: ein hohes Maß an
Partizipation und demokratischer Kultur im Umgang mit gemeinsamen Problemen, aber auch
die Tendenz, Probleme auszublenden, für die man keinen Konsens erwartet oder wo man
den Aufwand scheut, den man befürchtet machen zu müssen, um einen Konsens zu
erzielen. In Schule C trifft das tendenziell in der Klasse 3a zu, die insgesamt etwas weniger
gut entwickelt scheint wie die Klasse 5a und die EVA-Klasse.
Anders gesprochen, die Organisation gibt sich in manchen Teilen mehr Mühe als in anderen.
Man gewinnt den Eindruck, dass dies damit zusammenhängt, wie gut organisiert bzw.
abgesprochen die einzelnen Gruppen – die Lehrer/innen, Eltern, Schüler/innen einer Klasse
– sind und wie engagiert sich diese einbringen. Da für alle das Prinzip der Freiwilligkeit gilt
und kein Sozialpartner über die anderen verfügen kann, um sie etwa zur Zusammenarbeit zu
zwingen, wirft dieser Unterschied die Frage nach den Anreizen zur Selbstorganisation auf.
Charakteristisch für die Kooperation der Parteien des Schulgemeinschaftsausschusses in
Schule C ist, dass das Zusammenwirken der verschiedenen Gruppierungen weitgehend
informell und kaum durch verbindliche Verfahrensweisen geregelt ist. Es wird der
Selbstorganisation also sicher nicht gerade leicht gemacht, wie man insbesondere aus Sicht
der Eltern vermuten kann. Wenn man sich engagieren will: an wen kann man sich wenden,
was soll man tun, wie soll man vorgehen? Fragen dieser Art und das Fehlen von einfachen
Antworten, sprich: entsprechenden Hinweisen, sind sicherlich ein Hindernis für die
selbstorganisierende Entwicklung von partizipativen Verhältnissen. Zugleich lebt
Selbstorganisation von positiver Selbstinduktion, das heißt: jede gute Erfahrung mit
Engagement erhöht die Wahrscheinlichkeit für Engagement in der Zukunft. Insofern sind
partizipative, demokratische Prozesse selbstverstärkend. Es scheint, dass die EVA-Klasse,
aber auch die 5a, die „Laptop-Klasse“, solche Erfahrungen machen konnte und dass die
hohe Bereitschaft in diesen Klassen sowohl seitens der Schüler/innen wie seitens der Eltern,
sich mit Problemen zu beschäftigen, die nicht unmittelbar den individuellen Schulerfolg
betreffen, sondern die Gesamtheit der Klasse als Teilsystem der Schule, damit
zusammenhängt, dass sie initial mehr Führung erhalten haben.
200

Wie bei allen zirkulären, auf Feedback-Schleifen beruhenden Prozessen ist es auch hier
müßig, einen Anfang á la Henne-oder-Ei zu suchen. So weisen die Lehrer/innen und die
Schulleitung darauf hin, dass Einladungen zum Mitmachen häufig auf taube Ohren stoßen,
weil einer hohen Anzahl von Schülerinnen und Schüler ein grundlegendes Verständnis für
das schulische Engagement fehle. Gleichzeitig ist ihnen aber auch bewusst, dass es eben
immer dann funktionieren kann, wenn die Schüler/innen dort abgeholt werden, wo sie sind,
und wenn sie in ihrem Engagement nicht überfordert werden, indem es den für sie
überschaubaren und sinnvoll behandelbaren Rahmen übersteigen müßte.
L: 3% echtes Engagement, nämlich nicht nur mitreden wollen, sondern mitgestalten und
mitarbeiten wollen, wenn man realistisch ist (SC1+2, L2, Z 1813)
L: Es gibt immer Ausnahmen. Das ist auch der Unterschied. Wenn du jetzt eine einzelnen
Klasse hernimmst und mit der einzelnen Klasse irgend etwas machen möchtest, wo auch
ihre Interessen dran hängen, natürlich, das motiviert, aber in dem Moment, wo jetzt die
gesamte Schule und für die Schule als solche, glaube ich nicht mehr (SC1+2, L2, Z 1842).
Die Kunst der Mitbestimmung besteht also zunächst darin, Probleme an die Interessen und
Verarbeitungskapazitäten der Schüler/innen anzuschließen.
(1.1) Mitbestimmung durch die Schüler/innen
Woran konkret lässt sich die Mitbestimmung der Schüler/innen in Schule C festmachen?
Woran können Beobachter/innen, ob sie nun intern oder extern sind, ob es sich um
Schüler/innen oder um Sozialwissenschaftler/innen handelt, erkennen, dass die
Schüler/innen in der Schule C auf die Geschehnisse im System Einfluss haben? Im
Folgenden wollen wir einige Beispiele aufführen, die das veranschaulichen sollen.
Offene Beschwerden statt heimlicher Klagen und stillem Leid
Ein erster höchst auffälliger Unterschied, der sofort ins Auge sticht und die Erzählungen der
Schüler/innen in Schule C von jenen der anderen unterscheidet, liegt darin, dass die C-
Schüler/innen nicht zuallererst von ihrem Leiden an diversen Unannehmlichkeiten des
Schüler/innen-Daseins berichten, dem sie passiv erleidend ausgesetzt sind, sondern von
Beschwerden, die sie aktiv eingebracht haben.
Auch in Schule C ist also längst nicht alles zum Besten bestellt – was natürlich niemand
erwartet hatte -, aber es gibt offenbar seitens der Schüler/innen einen anderen Umgang mit
Problemen. Die Schüler/innen sprechen häufiger in der Ich-Form, artikulieren ihre Gefühle
201

und beschreiben sich häufiger als Handelnde denn als Opfer einer Situation. Sie haben
besser gelernt, das, was ihnen nicht gefällt, auszudrücken und in die Form einer
Kommunikation zu bringen, die im System anschlussfähig ist. Das heißt aber zugleich, dass
es im System eine solche Form geben muss, und das ist ein mehr oder weniger stark
formalisiertes Beschwerdewesen, das Beschwerden abholt bzw. einlädt statt defensiv zu
warten, ob „etwas kommt“, und eingegangene Beschwerden sogar honoriert, wenn auch –
leider! - nicht immer. Denn wie man aus der Qualitätsdiskussion wissen kann, sind
Beschwerden Schätze, die einer Organisation im Sinne ihrer Qualitätsverbesserung
weiterhelfen können.
Es gibt verschiedene Beschwerdemöglichkeiten, die in den Klassen unterschiedlich genutzt
werden. Auffällig ist, dass gerade in der EVA-Klasse, der die Schule und insbesondere die
Lehrer/innen mit besonderem Engagement und pädagogischer Ambition begegnen, die
Häufigkeit von Beschwerden besonders hoch ist. Die Schule handelt sich mit ihrem
Engagement also zunächst paradoxerweise vor allem ein Mehr an Kritik ein. Wie ungerecht!,
könnte man denken, wenn es nicht gleichzeitig leicht zu verstehen wäre, dass die Schule mit
ihren Organisationsvorgaben, dass die Lehrer/innen, ja, dass sogar die Mitschüler/innen
gerade dann zum Problem werden können, wenn man zur „eigenverantwortlichen“
Organisation seines Lernens und seines Schulalltags ermuntert und befähigt wird. Denn
natürlich erscheint gerade dann, wenn man eine eigene Planung hat, alles, was nicht leicht
und sofort in die eigene Planung passt, als Hindernis und Handikap. Beschwerden markieren
insofern auch Defizite der eigenen Planung und der Anpassung der eigenen Planung an
Gegebenheiten, die sich der eigenen Planung entziehen.
Je elaborierter die Vorstellungen der Jugendlichen zu ihrem eigenen Schulalltag, desto mehr
Abstimmungskommunikation wird notwendig, und es ist als eine mögliche, akzeptable,
wahrscheinlich sogar effiziente und „kostengünstige“ Form anzusehen, dass diese
Abstimmungen über Beschwerden abgerufen werden. Letztlich kann man gerade darin auch
das Aktivierungsniveau der Schüler/innen erkennen, die sich aktiv um ihre Angelegenheiten
kümmern, statt passiv über das Nicht-Eintreten der für sie günstigen Wirklichkeit zu klagen
oder gar nur still unter der falschen Wirklichkeit zu leiden. Beschwerden können daher als
Lernchance für beide Seiten interpretiert werden: für die Schüler/innen, die daran erkennen
können, wo ihre Planungen verbessert werden können, und für die anderen Schulpartner
bzw. die Schulorganisation insgesamt, die ebenfalls über Verbesserungen nachzudenken
angereizt werden.
202

S: Ja, zum Beispiel wenn jetzt ein Schüler ein Problem mit einem Lehrer hat oder wenn sich
mehrere Schüler ungehörig behandelt fühlen von ihm, dann sagen sie es mir und ich gehe
damit zum Lehrer, damit ich mit dem diskutieren kann. Und wenn ich das einmal mit dem
Lehrer beredet habe, dann wird das meistens auch noch der ganzen Klasse mitgeteilt, dass
das eben für alle dann akzeptabel ist (SC2, FG2, Z1577).
S: Das waren 2 Stunden und sie war von den 2 Stunden vielleicht eine halbe Stunde in der
Klasse. Sie war immer draußen und hat etwas anderes erledigen müssen.
S: Das hat sie aber mit der E letztes Jahr auch gemacht.
S: Wir haben nachher auch Buch geführt, wann sie weg war.
IV: Und was macht ihr dann mit Euren Aufzeichnungen?
S: Das haben wir dem Klassenvorstand, unserem Mathe-Professor, gegeben, der hat mit ihr
geredet, dass sie nicht immer mit anderen Zeichenlehrern tratschen darf und etwas anderes
machen soll (SC2, FG2, Z246).
Eine formale Möglichkeit, Beschwerden laut werden zu lassen, stellt der
Beschwerdebriefkasten dar. Dieser ist allen immer zugänglich und wird von den
Schülervertreter/innen entleert und gesichtet. Die Schüler/innenvertreter/innen können diese
Beschwerden im SGA und/oder bei Elternversammlungen vorbringen. Auch wenn die
Handhabung dieses Mechanismus nicht immer optimal funktioniert – einige Schüler/innen
fürchten, dass Beschwerdebriefe oft auch nur weggeworfen würden -, so zeigen andere
Berichte, dass dieses Instrument konkrete Veränderungen bewirken kann. In diesen Fällen
blieb es also nicht nur bei einer Verlagerung des Problems in eine Blackbox, sondern die
Beschwerde hat konkrete Ergebnisse gezeitigt im Sinne der Beschwerdeführer/innen.
S: Es war ein Durcheinander. Aber es hängt auch in der Aula ein Briefkasten für Probleme,
Wünsche und Anregungen und die kommen auch zum Schulsprecher.
S: Wir haben geschrieben, dass im Mädchenklo nie Klopapier ist. Es gibt auch keine
Handtücher oder irgend etwas.(SC2, FG2, Z 1861)
S: Naja, ich habe einmal einen reingeschmissen. Wir haben voriges Jahr Krieg mit einer
Lehrerin gehabt, das war die G-Lehrerin. Da habe ich reingeschrieben, dass ich mich
ungerecht behandelt fühle. Namen habe ich keinen dazugeschrieben, aber ich habe den von
der Professorin hingeschrieben. Ich weiß nicht, dann ist das irgendwie zu den Eltern
gekommen, da ist beim Elternabend besprochen worden, dass sich die Lehrerin so verhaltet
und so. Wie sie dann einmal herein gekommen ist und zu plärren angefangen. Ja, dann hat
sie gesagt, sie kann nicht mehr und sie will nicht mehr und dann hat sie uns abgegeben.
S: Sie hat immer gesagt, die anderen Klassen sind viel besser als wir und hat verglichen.
S: Uns immer runtergemacht.
S: Das haben wir auch nicht eingesehen, dass sie dann weint.
IV: Aber sie ist dann freiwillig gegangen?
S: Die Eltern haben sie ziemlich niedergemacht (SC2, FG2, Z1896).
S: Da haben wir ein Problem gehabt, und überlegt wie wir es behandeln könnten. Man kann
mit der Frau Professor L nicht reden. Die Frau Professor W ist unser Klassenvorstand glaube
ich, seit 5 Jahren. Da sind wir dann zur Frau Professor W gegangen und haben gefragt, was
wir mit der machen sollen, so kann das nicht weitergehen. Die hat da dann etwas eingeleitet,
hat zuerst mit Frau Professor L extern geredet, dann mit der Klasse, dann mit den
203

Klassenlehrern und so weiter. Also, man kann schon etwas machen. Wenn wirklich ein
Problem ist, dann kann man drauf vertrauen, dass irgendwelche Lehrer da sind, die da auch
etwas unternehmen (SC1, FG4, Z914).
Die Schüler/innenvertretung spielt auch eine Rolle bei spontan auftretenden Konflikt- und
Problemfällen. Die Schüler/innen werden von der Schulleitung aufgefordert bei akuten
Problemfällen die Vertreter/innen der Schüler/innen heranzuziehen, um das auftretende
Problem sofort an Ort und Stelle mit den beteiligten Personen zu behandeln. Auch hier ist
vor allem zu sehen, dass Beschwerden ganz unmittelbar eine Konsequenz haben, wenn
auch zunächst nur die, dass im System in formal geregelter Weise darüber kommuniziert
werden muss. Die Beschwerde wird also ernst genommen und verpufft nicht einfach im
allgemeinen Lärm der Pausengespräche.
S: Das hat mir auch die [Schulleitung] vorgeschlagen, wenn der G-lehrer noch eine blöde
Bemerkung macht, sollen wir sofort, aber wirklich sofort den Schulsprecher holen gehen.
Oder es war bei der Zeichenlehrerin so, da war auch eine, die war im ersten oder zweiten
Schuljahr gleich da und hat ihre Zeichensachen halt nicht mitgehabt. Da hat sie ihr ein Minus
eingetragen. Da hat der Schulsprecher auch gesagt, der hat mit ihr geredet und wenn sie
noch einmal so ist, dann soll man ihn sofort holen gehen, dann kommt der sofort rein und
redet mit ihr.
IV: Und was macht der dann in so einem Fall?
S: Schimpfen.
IV: Der schimpft dann mit dem Lehrer?
S: Nein, aber er redet und diskutiert halt mit ihm, was er besser machen könnte und was er
in dem Fall nicht machen darf (SC1, FG2, Z1458).
IV: Und an wen wendet ihr euch dann?
S: An irgendwelche anderen Lehrer.
S: An den Schulsprecher.
S: Einen Schulsprecher haben wir ja auch.
IV: Wie geht das mit dem Schulsprecher?
S: Eh gut. Wir waren, glaube ich, 2 x bei ihm. Denen kann man auch alles sagen. Die
verstehen das auch besser als die Lehrer (SC1, FG2, Z1408).
Allerdings stellt sich für die Schüler/innen gerade die Schüler/innenvertretung in einem
konkreten Fall als wenig unterstützend und hilfreich dar. Es gibt also auch Beschwerden
über die Form, wie Beschwerden bearbeitet werden. Schule C hat hier
Verbesserungspotenziale.
S: Oh ja, bei der 5-Tage-Woche. Ob wir eine 5-Tage-Woche oder eine 6-Tage-Woche
wollen.
S: Am Samstag Schule oder nicht.
S: Da war der Schulsprecher dagegen.
S: Der Schulsprecher war dagegen, obwohl die Mehrheit der Schüler dafür war oder irgend
so war das.
IV: Wie kann das sein?
204

S: Er hat einmal als Argument gesagt, wieso sollen sie eine 5-Tage-Woche haben wenn wir
eine 6-Tage-Woche gehabt haben (SC2, FG2, Z1845).
Aus der Tatsache, dass Beschwerden auch Konsequenzen mit sich bringen, erklärt sich die
Häufigkeit von Beschwerden. Frei nach dem Motto: „Sich regen bringt Segen!“ machen die
Schüler/innen die Erfahrung, dass sie für sich etwas „herausholen“ können, wenn sie sich an
geeigneter Stelle und mit geeigneten Mitteln einbringen. Damit ist allerdings keineswegs
ausgesagt, dass Beschwerden der Schüler/innen immer gerade die erwarteten
Konsequenzen mit sich bringen. Ob man mit seiner Beschwerde recht bekommt oder nicht,
hängt von den Kommunikationen ab, in denen die Beschwerde bearbeitet wird. Die
Ergebnisse zeigen, dass in den drei Klassen mit Beschwerden unterschiedlich umgegangen
wird.
So wird von den Schüler/innen der 3a-Klasse – im krassen Gegensatz zu den beiden
anderen Klassen - kein Beschwerdefall berichtet, der auch mit aus Schüler/innensicht
günstigen Konsequenzen einher gegangen wäre.
Dann bin ich halt zu den Lehrern dann hingegangen und habe gefragt, wissen sie, warum ich
einen Zweier in Betragen habe oder so, dann hat mich der eine Lehrer angeschrien, aber
wirklich angeschrien, das geht dich überhaupt nichts an, wer da eine schlechtere
Betragensnote gibt. Na ja, wie soll ich mich da ändern, wenn ich nicht weiß, was den Lehrern
nicht passt. Das habe ich schon unfair gefunden, wenn sie Klassenbucheintragungen hat
und ich keine, und ich einen Zweier bekommen und sie einen Einser. (SC1, FG2, Z1161).
In der Folge ist bei den Schüler/innen der 3a-Klasse ein ganz ähnliches Symptom
beobachtbar wie bei den Schüler/innen der Schulen A und B: sie ziehen sich zurück und
verlagern ihre Sorgen in heimliche Klagen in der Peergroup oder in stilles Leid. Und genau
wie in den Schulen A und B sind von diesem Symptom die in der Tendenz schlechteren
Schüler/innen, die ohnehin schon einen schwereren Stand in der Schule haben, mehr
betroffen als die guten Schüler/innen.
S: Ja, schon. Aber manche sagen, ich traue mich nicht; manche sagen, ich traue mich nicht,
weil meine Note dann schlechter wird.
S: Mir ist das egal, das fällt ja auf. Ich habe einen Einser in Geschichte und das fällt auf,
wenn ich auf einmal eine schlechtere Note habe (SC1, FG2, Z880).
Sexualität und Schule
Wie in Schule A ist Sexualität auch in Schule C ein ungelöstes Problemfeld. Beschwerden
über einen Lehrer, von dem sich einige Mädchen der 3a-Klasse durch sexistische
205

Bemerkungen und körperlichen Kontakt gestört fühlen, wird von der Schulleitung und vom
Klassenvorstand zunächst als Bagatelle abgetan und bleibt ohne Konsequenzen. Erst als
eine Mutter sich beschwert, werden weitere Schritte eingeleitet. Es kommt zu einem
Gespräch mit der Lehrerin, der Schülerin, dem Lehrer und der Mutter der Schülerin.
S: Das war dann irrsinnig unangenehm. Das habe ich dann meiner Familie erzählt. Meine
Mutter ist dann zur [Schulleitung] gegangen, weil das eben schon einmal vorgekommen ist.
Da hat der Lehrer versprochen, dass das nie wieder vorkommt. Dann ist sie gleich zur S
gegangen und ich mit einer anderen Freundin habe das der S erzählt. Dann ist ein Gespräch
zustande gekommen zwischen Klassenvorstand, dem Lehrer und meiner Mutter und mir. Da
hat der Klassenvorstand am Anfang schon Zweifel gehabt, dass der Lehrer das schon
gesagt hat. Da hat der Lehrer dann blöd dreingeschaut und meine Mutter hat sich das gleich
kopieren lassen und die Unterschrift drauf (SC1, FG2,Z812).
Das Beispiel soll illustrieren, dass eben auch die Eltern ihre Rolle aktiv spielen müssen und –
wenn hier auch in einem untypischen Krisenfall – zur Ausbalancierung der Machtverhältnisse
in der Schule beitragen können und müssen.
Es wurde auch ein umgekehrter Fall berichtet, in dem offenbar Lehrer/innen den Tatbestand
der sexuellen Belästigung erfüllt sahen, während dies den Schülern und Schülerinnen nicht
nachvollziehbar war und sie die Sache daher verharmlosten. Stein des Anstoßes waren
eindeutig-zweideutige Comic-Zeichnungen einer Schülerin. Wie zuvor haben auch in diesem
Fall die schulinternen Kommunikationen nicht zu mehr Verständnis und Konsens in der
Bewertung der Situation, sondern nur zu mehr Missverständnis und gegenseitigen
Unterstellungen. Beide Fälle haben sich bezeichnenderweise in der 3a-Klasse zugetragen.
Aus beiden Fällen kann man lernen, dass die Probleme, die im Zusammenhang mit
Sexualität in Schulen auftauchen können, nicht ad hoc und nicht ohne Vorbereitung in guter
Weise zu lösen sind. Vielmehr benötigt eine Organisation diesbezüglich eine „Policy“, ein
Regelwerk, in dem gemeinsame Grundsätze, Standards und Vorgangsweisen festgehalten
sind. Ein solches offensives Vorgehen hat, wie man weiß, auch eine steuernde und daher
präventive Wirkung.
Das Empowerment-Büfett
Ein besonders gutes, weil auch einfaches Beispiel für die Mitgestaltung und die Übernahme
von Verantwortung durch Schüler/innen stellt das Schul-Büfett dar. Für das Büfett sind alle
Klassen einmal im Jahr für eine gewisse Zeit verantwortlich. Sie müssen es
206

zusammenstellen, auf- und abbauen und die Verteilung organisieren. Hilfe erhalten sie dabei
– je nach Altersgruppe verschieden - von den Eltern und vom Klassenvorstand, der ebenfalls
mitverantwortlich ist. Im Gegenzug dürfen sie die Geldgewinne für die Klassenkassa
behalten. Es ermöglicht den Schülern und Schülerinnen selbstorganisiert eine eigene
Geldressource anzulegen und eigene Ideen zu verwirklichen. Das Büfett wird daher von den
Schülern und Schülerinnen in keiner Weise als lästige Verpflichtung betrachtet, sondern ist
ihnen als Grundlage zu selbstbestimmtem Handeln sehr wichtig.
S: Zum Beispiel, wenn irgend ein Schüler aus der Klasse eine Idee hat, dann geht er einmal
zur Klassensprecherin und die vermittelt das dann dem Klassenvorstand. Ob die Idee gut ist,
wird dann meistens abgestimmt. Da haben wir dann Themen aufgestellt, was wir alles
machen könnten mit dem Geld vom Buffet. Da haben wir abgestimmt, dass wir halt gerne
wegfahren würden (SC2, FG2, Z448).
Entscheidungen, was mit dem Geld passiert, werden über Abstimmung getroffen.
Absprachen und interner Ideenaustausch gehen dem voraus. Da den Schülern und
Schülerinnen das Büfett so wichtig ist, ist es im Verhältnis zu den Lehrerinnen und Lehrern
ein Verhandlungsgegenstand: der Klassenvorstand kann der Klasse das Büfett-Machen
auch verbieten. Die Androhung, das Büfett zu schließen oder nicht machen zu dürfen, stellt
eine Strafe dar und wird von den Schülerinnen und Schülern sehr ernst genommen.
Umgekehrt zeigt die Tatsache, dass es als Strafe taugt, dass das Büfett auch den
Lehrerinnen und Lehrern wichtig ist. Da der Klassenvorstand das „Unternehmen“ mit
verantwortet, verbindet er damit auch Stakes und muss an einem guten Gelingen interessiert
sein.
S: Manche Lehrer erlauben den Kindern auch nicht Buffet zu machen, weil sie sagen, sie
sind einfach zu unordentlich und sie würden das nie zusammenbringen.
IV: Und was ist eure Meinung dazu?
S: Also mit den gleichaltrigen Klassen verstehen wir uns nicht so gut. Mit manchen Personen
gibt es öfters Probleme, aber wir haben eigentlich nette Lehrer. Wird sind zufrieden, weil es
gibt schon auch Lehrer, die Buffet einfach nicht erlauben oder zu faul sind, weil da müssen
die Lehrer auch viel machen beim Buffet, also der Klassenvorstand (SC2, FG2, Z400).
Das Schul-Büfett in Schule C scheint uns ein gelungenes Beispiel dafür, wie Schüler/innen
das Schulgeschehen mitgestalten können, wie eine solche Koproduktion alle Gruppen des
SGA verbinden und über die Klassengrenzen hinweg die ganze Schule miteinander in
Austausch kommen lassen kann.
Vor allem scheint uns eines hervorhebenswert: es wird von den Schülerinnen und Schülern
in gar keiner Weise als typische schulische Pflicht beschrieben. Im Gegensatz zu Schul-
Büfetts, die wir auch kennen gelernt haben, dürfte das daran liegen, dass in Schule C keine
207

„pädagogischen“ Argumente für die Begründung des Büfetts benutzt werden. Es dient nicht
einem pädagogischen Lernziel oder der Einübung eines moralisch richtigen
Sozialverhaltens. Solche Ideen mögen in manchen Hinterköpfen zu Recht mitschwingen.
Faktisch aber ist das Büfett aus Sicht der Schüler/innen auf sehr einfache Weise begründet:
man kann damit Geld verdienen für die Klassenkassa, und damit lässt sich etwas anfangen.
Mitbestimmung am Beispiel der Laptop-Klasse
Der Fall der Laptop-Klasse zeigt besonders eindrucksvoll, wie erfolgreich
sozialpartnerschaftlich orientierte Entscheidungsprozesse aussehen können. Der Fall
verdiente unserer Ansicht nach eine genauere Aufarbeitung, als sie im Rahmen dieser Arbeit
möglich ist.
Die 15-jährigen Schüler/innen der sogenannten Laptop-Klasse (9. Schulstufe) weisen in den
Fragebogen-Daten der HBSC - Befragung (vgl. das einleitende Kapitel zu diesem Teil) einen
besonders hohen Anteil an subjektiv als "ausgezeichnet" eingeschätzter Gesundheit und
einen besonders niedrigen Anteil an Raucherinnen und Rauchern auf. Auf die Fragen zu
Partizipation und Empowerment in der Schule antworten die Laptop-Schüler/innen weit
überdurchschnittlich positiv und sie weisen eine überdurchschnittlich hohe
Schulzufriedenheit auf, wobei kein Schicht- oder Geschlechtsbias vorliegt.
„Überdurchschnittlich hoch“ bezieht sich dabei nicht allein auf die Vergleichsschulen A und
B, sondern auch auf den jeweiligen Durchschnitt aller befragten 15-Jährigen in Österreich.
Die Ergebnisse unserer quantitativen Analyse berechtigen zur Annahme, dass diese
positiven Kennzahlen mit dem Gelingen des Projektes zusammenhängen, das aus einer
Problemklasse die Laptop-Klasse machte.
Welches sind die wesentlichen Dimensionen dieses gelungenen Prozesses?
Ausgangspunkt ist ein akutes Raumproblem der Schule C, weswegen die 5a als
Wanderklasse eingerichtet werden musste. Am Beginn des Schuljahres hat das viele
Probleme mit sich gebracht. Zunächst für die Klasse selbst, weil der Stundenplan häufig
geändert werden musste sie daher oft orientierungslos waren, zum andern waren aber auch
andere Klassen mit betroffen, in deren Klassenzimmer ihr Unterricht stattfand. Es gab oft
Streit darüber, wer wem welche Unordnung hinterlassen hatte. Auch das Thema Diebstahl
war an der Tagesordnung, die Wanderklassler/innen wurden beschuldigt, den anderen
Schülerinnen und Schülern Sachen aus den Schultaschen zu entwenden. Und manches
mehr. Diese schwierigen Bedingungen des Wanderklassenstatus, die mittlerweile
208

überwunden sind, mögen vielleicht auch dazu beigetragen haben, dass diese Klasse mit der
Idee konfrontiert wurde, zukünftig eine Laptop-Klasse zu werden. Die Initiative dazu ging von
einem Lehrer aus.
Waren die meisten der Klasse von Anfang an davon begeistert, hat dies doch auch bei
einigen Ängste und Unsicherheiten ausgelöst. Durch offene Diskussionen zwischen
Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern über deren Ängste und Sorgen
konnten ihre Zweifel nach und nach ausgeräumt werden.
S: Es ist schon mehr von unserem D-Professor ausgegangen, der einfach einmal gefragt
hat, ob wir das sein wollen. Er wollte sich einfach nur einmal erkundigen, wie die Meinung so
ist. Er hat das irgendwann im Konferenzzimmer kurz gehört und hat uns gefragt, wie die
Meinung so ist (SC1, FG3, Z 276).
S: Uns hat das eigentlich der Professor gebracht. Er wollte es als Diskussionsthema. Das
war als Stoff einmal die Diskussion, als Thema. Ja, da hat er dieses Thema angesprochen
und auf einmal war die Klasse hellauf begeistert und jeder wollte einen Laptop (SC1, FG 4,
Z 313).
Nicht alle waren begeistert, manche sind es bis heute nicht. Aber sie konnten offenbar so
weit beruhigt werden, dass sie ihre Ablehnung aufgeben konnten und jetzt bereit sind, sich
darauf einzulassen. Das ist kein wirklicher Konsens, der wäre wahrscheinlich unerreichbar
gewesen. Es spricht für die Qualität der Diskussionen ebenso wie für den Zusammenhalt der
Klassengemeinschaft, dass sie diese Hürde schafften.
S: Vielleicht, wahrscheinlich, weil wir eine Klasse sind und da sind eigentlich alle dafür,
außer der S. und mir. Wir waren nicht dafür, wir haben Bedenken gehabt, aber ja, jetzt sind
wir alle dafür, weil wir haben eine lange Diskussion gehabt am Samstag und dann haben wir
gesagt, okay, dann stellen wir uns halt nicht dagegen (SC1, FG5 Z36).
Der Unterricht in einer Laptop-Klasse erfordert spezielle Vorbereitungen und Einstellungen
auch auf seiten der Lehrer/innen. Um eine Laptop-Klasse werden zu können, genügt es
daher nicht, wenn die Schüler/innen einen Konsens gefunden haben. Als ebenfalls schwierig
erwies sich das Bemühen, die Bereitschaft der Lehrer/innen der Klasse einzuholen.
S: Das ist bei uns speziell gut, weil wir haben ziemlich viele Lehrer, die sehr dafür sind, also
Französisch, Deutsch, Mathe, Latein sind einmal vier Lehrer, die extrem dafür sind. Dann
haben wir noch den EDV-Lehrer, der ist Administrator, das ist auch nicht gerade negativ. Die
Einzige, die wirklich dagegen ist, das ist unsere Englisch-Lehrerin, aber die wollen wir auch
austauschen.
S: Und die Lehrer, die sich denken, na ja, ich habe keine Ahnung und so, und es ist vielleicht
auch teuer und die ganzen Sachen, die sagen aber, ja sie müssen mitgehen, die denken
sich, sie haben nichts zu sagen, sie fügen sich einfach (SC1, FG4, Z344).
209

Nachdem von allen Seiten prinzipiell die Bereitschaft gegeben war, konnten die
Schüler/innen damit beginnen sich zu überlegen, wie es funktionieren könnte, also
Vorstellungen, Konzepte und Planungen einzubringen. Besonders wichtig dabei war die
Unterstützung von einigen Lehrerinnen und Lehrern, die ihnen anboten, mit ihnen
gemeinsam notwendige Grundlagen zu lernen, die über den Laptop-Unterricht aufklärten und
Unterrichtsstunden zur Diskussion bereit stellten.
S: Wir sind vielleicht davor eine Laptop-Klasse zu werden. Dass heisst, wir erkundigen uns
schon, welche Angebote es gibt, welche Lernmethoden, welche Lehrer sind dafür, welche
dagegen, welche Lehrer könnten wir umtauschen dann. Wir wollen aber nicht so viele Lehrer
umtauschen, z.B. die Frau Professor, unsere E-Lehrerin, die ist nicht so dafür, weil sie
glaubt, sie kann nicht soviel am Computer, aber der Herr Professor, der I-Lehrer hat uns
angeboten, einen Kurs zu machen.
IV: Wenn du sagst, ihr erkundigt euch, heisst das ihr, die Schüler?
S: Ja.
S: Alle, auch der Professor hat sich erkundigt, ich habe mich erkundigt.
S: Ich habe mich auch erkundigt (SC1, FG4, Z269).
S: Der Herr Professor ist zu uns gekommen und hat uns alles noch einmal erklärt. Wie das
dann ist, was neu dazukommt. Es waren schon noch ein paar Unsicherheiten, weil wir nicht
genau gewusst haben, was jetzt ist, weil ein Laptop, so ein Schreibgerät ist halt schon etwas
teuer. Aber es gibt eh so tolle Programme und so. Er hat uns gesagt in welchen Fächern es
was gibt.
S: Auch dass wir das 10-Finger-System dann noch am Nachmittag machen.
S: Nein, mit der Frau Professor, die hat das gelernt, die kann das.
S: Dass die uns das beibringt.
S: Mit ihr machen wir auch alles gemeinsam, dass wir nicht alleine das lernen müssen und
dann kennt sich die Hälfte nicht aus und keiner weiß wie es geht (SC1, FG 3, Z255).
Auch das Hauptproblem, die Finanzierung, hat die Klasse ernsthaft diskutiert.
S: Sie hat gesagt, wir sollten, z.B. alle Professoren fragen, wie wir die Laptop-Klasse
finanzieren könnten. Aber eigentlich keiner hat bedacht, dass wir eigentlich gar keine werden
können, wenn wir kein Geld kriegen.
S: Sie hat dann eigentlich gesagt, dass wir das organisieren sollten.
S: Sie ist daneben gesessen und hat gesagt, dass wir jetzt Unbedingt einmal diskutieren
sollten, ob wir jetzt überhaupt die Möglichkeit haben eine zu werden.
S: Weil das ist viel grundlegender.
IV: Wie seid Ihr dann damit umgegangen?
S: Gleich in der nächsten Stunde haben wir uns dann zusammengesetzt, fast die ganze
Klasse und haben darüber diskutiert (SC1, FG 5, 1283).
Natürlich liegt die definitive Entscheidung und auch die rechtliche Verantwortung dafür, ob
sie nun die Laptop-Klasse werden oder nicht, bei der Schulleitung und beim Ministerium, die
die Laptop-Klasse bewilligen müssen. Dennoch zeigt der gesamte Prozess, dass die
Schüler/innen mit ihren Interessen und Schwierigkeiten als vollwertige Partner/innen
210

ehandelt werden, deren Entscheidung auch gegen den Unwillen mancher Lehrer/innen
akzeptiert wird. Es sind die Lehrer/innen, die auf freiwilliger Basis ein Stück weit nachgeben
und sich einer Lösung fügen, von der offenbar viele Teile überzeugt sind.
S: Und die Lehrer, die sich denken, na ja, ich habe keine Ahnung und so, und es ist vielleicht
auch teuer und die ganzen Sachen, die sagen aber, ja ich muss mitgehen, die denken sich,
sie haben nichts zu sagen, sie fügen sich einfach.
IV: Sie akzeptieren also die Entscheidung?
S: Ja, ich glaube, sie akzeptieren es einfach.
S: Also, sie sind nicht davon begeistert, also machen sie einfach mit und versuchen das
Beste daraus zu machen ( SC1, FG4, Z352).
In der Laptop-Sache nehmen die Schüler/innen also eine bedeutende Rolle ein in einem
Prozess, der das ganze System betrifft und wohl auch verändern wird. Die dabei
entstehenden Konflikte sind nicht auf der Ebene der Schüler/innen angesiedelt, sondern
führen eher zu einer Spaltung in der Lehrer/innenschaft, worüber sich die Schüler/innen
ebenfalls Kopfzerbrechen machen.
S: Das war sehr extrem, da gibt es unter den Lehrern eine totale Spaltung. Eine Seite ist
total dagegen, das ist total unnötig. Ihr werdet es schon sehen, das ist alles sinnlos. Ihr
werdet merken, dass das grauenhaft ist. Die andere total dafür, die sagen, das ist ur-super,
da lernt man endlich etwas, was wir später im Leben brauchen. Und mit dem Computer
umgehen, das kann nie schlecht sein (SC1, FG 4, Z299)
Mitgestaltung im Klassenzimmer
Bei der Frage der Gestaltung des Klassenzimmers zeigen sich typische Probleme eines
partizipativen Entscheidungsprozesses, an dem verschiedene Gruppen mit jeweils
verschiedenen Interessen teilnehmen. Das Klassenzimmer soll nicht nur funktional sein,
sondern auch angenehm wirken und ansprechend aussehen. Das kann zwischen den
Schülerinnen und Schülern unterschiedlich sein, das kann insbesondere jeweils aus
Schüler/innen- und Lehrer/innen-Perspektive etwas anderes bedeuten, benutzen müssen sie
den Raum aber alle gemeinsam. Die Gestaltung ist ohne finanzielle und handwerkliche
Mithilfe der Eltern häufig nicht angemessen zu bewerkstelligen, also müssen auch deren
Ansichten und Möglichkeiten berücksichtigt werden. Das kann, wie im vorliegenden Fall, zur
rettenden Hilfe, aber auch zu einem weiteren Problem werden. Partizipation bzw.
Sozialpartnerschaft heißt nicht, dass Entscheidungsprozesse deswegen konfliktfrei
verlaufen. Im Gegenteil. Entscheidend ist, wie mit den Konflikten umgegangen wird.
211

Zunächst müssen die Schüler/innen zu einer gemeinsamen Auffassung gelangen. In der
Schule C wurde das in beiden untersuchten dritten Klassen versucht. Die Vorschläge und
ihre Unterschiede waren einigermaßen krass.
S: Irgendwer hat den coolen Vorschlag gemacht, dass wir die Klasse gelb - rosa machen.
S: Ich wollte lila.
S: Ich wollte rosa.
S: Ich wollte sie schwarz gestreift.
IV: Wie ist das dann passiert, wie habt ihr euch einigen können.
S: Die Eltern haben das gemacht.
S: Die Mädchen sind zu den Eltern gegangen und die Eltern haben das gemacht was die
Mädchen wollten.
IV: Wer hat jetzt was ausgesucht?
S: Das haben wir nicht ausgesucht.
S: Am Elternabend ist die Claudia gekommen mit so einer Farbpalette und hat den Eltern
ausgesucht, was die Lehrerin gerne hätte. Wir haben überhaupt nichts gesagt, das meiste
haben die Eltern gesagt (SC1, FG1, Z1752)
Die Schüler/innen konnten sich nicht einigen. Erfolgreich sind sie nur durch die Mithilfe der
Eltern, die schließlich eine von allen goutierte Lösung herbeiführen konnten. Es zeigt sich
hier abermals, wie wichtig eine aktive Elternschaft im sozialpartnerschaftlichen Modell ist.
Der Einsatz der Eltern wurde auf einem Elternabend gemeinsam mit dem Klassenvorstand
beschlossen.
Die Schüler/innen sind mit dem Ergebnis durchaus zufrieden, insbesondere die
Klassenzimmergestaltung der EVA-Klasse gilt in der Schule allgemein als besonders gut
gelungen. Als Projekt, in das sie ja durchaus eingebunden waren, war die Sache also ein
Erfolg, auch in den Augen von Außenstehenden. So konnten sie die Intervention der Eltern
tatsächlich als Hilfe begreifen und annehmen und mussten sich nicht dagegen verwahren,
weil sie sich übergangen gefühlt hätten.
Nachdem ausgemalt war, wollten die Schüler/innen nun ihren eigenen Gestaltungsbeitrag
leisten: sie hängten Poster auf. Das erregte allerdings den Unmut des Klassenvorstands. Die
Gründe sind uns unbekannt, es lässt sich aber vermuten, dass es daran lag, dass dieser Teil
der Klassenzimmergestaltung nicht mehr sozialpartnerschaftlich abgesprochen war. Die
Schüler/innen haben das Argument des Klassenvorstands, den sie übrigens mit Vornamen
ansprechen dürfen und auch im Interview auf freundliche Art mit Vornamen zitieren,
jedenfalls so verstanden, dass er meinte, die an der Wand prangenden Idole des einen
könnten dem anderen zum Ärgernis gereichen. Man hätte demnach einen
Abstimmungsprozess benötigt, um herauszufinden, welche Darstellungen an den Wänden
konsensfähig gewesen wären. Ein solcher hatte nicht stattgefunden, also mussten die quasi
wild aufgehängten Poster wieder entfernt werden.
212

So gesehen ist die Haltung des Klassenvorstands konsequent und verpflichtet die
Schüler/innen zur Einhaltung der selben Regeln, an die sich auch die Lehrer/innen und die
Eltern gehalten hatten.
S: Dann haben wir einmal Poster aufgehängt, die Electronical.
I: Eure eigenen Poster.
S: Ja, die haben wir aufgehängt und der W., unser Klassenvorstand hat sich aufgeregt, dass
wir unsere Idole hier herhängen, weil manchen gefallen die vielleicht nicht und deswegen
stört das manche und deswegen mussten wir alle runtertun (SC2, FG 3, Z 2156).
Alternativ schlägt der Klassenvorstand nun vor, zur weiteren Gestaltung der Klasse eigene,
frei gestaltete Bilder der Schüler/innen aufzuhängen. Von der Idee kann er aber nicht alle
überzeugen. Das Gros der Klasse findet sich zwar mit dem Vorschlag ab und ist bereit
mitzumachen, doch eine Schülerin weigert sich. Der Klassenvorstand wiederum will das
nicht akzeptieren und fordert mehrmals – offenbar auf nicht immer ganz sanfte Weise – ihren
Beitrag ein. Sein Handeln kann so verstanden werden, dass er sich für die Umsetzung eines
gemeinsamen Beschlusses verantwortlich fühlt. Es kann aber auch so verstanden werden,
wie ihn die Schülerin verstanden hat, dass er einfach gerne seinen Vorschlag perfekt
realisiert gesehen hätte. Sie will indessen nicht nachgeben und glaubt, einen guten Grund für
ihre Verweigerung zu haben: sie kann ihrer Einschätzung nach nicht zeichnen und will sich
nicht blamieren müssen.
Das zieht sich einige Zeit so hin und droht in einen typischerweise unfruchtbaren
Machtkampf zu entarten, in dem der Stärkere – der Klassenvorstand – immer gravierendere
Mittel einsetzen müsste, um seinen Willen schließlich doch durchzusetzen. Die Schülerin
findet aber schließlich einen, wie uns scheint, sehr selbstbewussten Ausweg aus der
Konfliktlage, mit dem sie beiden, sich und dem Klassenvorstand, aus der Sackgasse
heraushilft.
S: Der W. hat die Idee gehabt, wir machen so Bilderrahmen, jeder macht ein Bild und gibt
dann das eigene Bild rein.
S: Nein, wir wollten zuerst so Fingerabdrücke.
S: Die ganze Hand.
S: Aber das wäre dann noch peinlicher gewesen.
S: Ich meine, wir habe das seit der Ersten.
S: Ich wollte nichts reingeben, weil ich kann nicht zeichnen, ich kann wirklich nichts
zeichnen. Ich wollte einfach nicht, dann war halt meines immer leer und der W. hat mich fast
jede Woche niedergeschissen, weil ich nichts habe. Ja, wann kommt denn da endlich was.
Ich, ja, ich kann nicht gut zeichnen, da kommt nichts. Jede Woche hat er mich
niedergeschissen. Jetzt habe ich zur K. gesagt, zeichne mir ein Bild, ja bitte, pick es rein,
sonst nervt er mich noch Jahre (SC2, FG3, Z2186).
213

Gerade im Verhalten der Schülerin und in dem geschickten Ausgang der Geschichte der
Klassenzimmergestaltung kann man unserer Meinung nach einen Beleg für die bereits
eingangs angesprochene Reife der Gruppe sehen. Es wurde nicht nur eine unnötige
Eskalation vermieden, die das Klima insgesamt belastet hätte, sondern es wurde allen
Seiten gedient: der Gesamtprozess konnte positiv und zur Zufriedenheit aller Beteiligten
abgeschlossen werden, die informellen Regeln, die das sozialpartnerschaftliche Geschehen
steuern, mussten nicht verletzt werden, ein gemeinsamer, demokratischer Beschluss konnte
durchgesetzt werden, der Klassenvorstand ist seiner Verantwortung gerecht geworden und
der Schülerin ist es erspart geblieben sich zu blamieren, was sie befürchtet hatte.
Schüler/innenstreik
Als letzter Beleg für das gute Funktionieren des demokratischen, partizipativen
Zusammenarbeitens in einem sozialpartnerschaftlichen Modell in Schule C kann die
Auseinandersetzung um den Lehrer/innen-streik genommen werden. Es wird auch hier
wieder sichtbar, dass die Gruppen einander ernst nehmen und dass eine gesunde Balance
in den Machtverhältnissen gegeben ist. Die Schüler/innen sind daher an der Schule und am
Unterricht interessiert und bereit, sich dafür einzusetzen.
Im Zuge des im Herbst 2001 in ganz Österreich ausgerufenen Lehrer/innen- streiks haben
die Schulen angedroht, gewisse Extraleistungen wie Schiwochen, Exkursionen etc. nicht
mehr in dem gewohnten Ausmaß durchführen zu wollen. So war es auch in Schule C. Als
Reaktion darauf haben auch die Schüler/innen laut über Gegenmaßnahmen nachgedacht.
So haben sie etwa eine Schulbesetzung erwogen, sollten die Lehrer/innen ihre Drohung
wahr machen. Dazu ist es allerdings nicht gekommen.
S: Wir haben uns geärgert, wir können ja nichts dafür und dann lassen sie es an uns aus.
Dann haben ein paar so verrückte Ideen gehabt, ja Schule besetzen.
S: Aber wir haben die Lehrer verteidigt vor den Eltern oder so, weil die auch nichts dafür
gekonnt haben.
IV: Gibt es einen Schulsprecher? Seid ihr da irgendwie ein bisschen weiter gegangen wegen
dem?
S: Nein.
S: Obwohl, wir wollten schon streiken und wir haben auch Unterschriften gesammelt.
S: Die Ideen waren da, aber es hat sich keiner wirklich getraut, glaube ich.
S: Nein, es hätte keinen Sinn gehabt.
S: Wir hätten es nicht ändern können (SC1, FG3, Z618).
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang noch der Hinweis der Schüler/innen, dass sie
ihre Lehrer/innen gegenüber den Eltern verteidigt hätten, als diese ihren Unmut über die
214

Schule und die Lehrerschaft artikulierten, wie das damals ja auch in den Tageszeitungen der
Fall war.
(1.2) Die Position der Lehrer/innen
Es ist eingangs darauf hingewiesen worden, dass die Ausgeglichenheit der
Machtverhältnisse im sozialpartnerschaftlichen Modell nur unter der Bedingung funktionieren
kann, dass die Gruppen jeweils eigene Positionen entwickeln und diese in den Prozess aktiv
einbringen. Vor diesem Hintergrund scheint es insbesondere von Interesse zu sein, wie die
Lehrer/innen sich als Gruppe finden und gemeinsame Positionen vertreten können.
Das Qualitätsprojekt
Im Vergleich mit der Schule A, wo es zwar vor ein paar Jahren ein Qualitätsprojekt gegeben
hat, dieses aber nach etwa zwei Jahren wieder zum Stillstand gekommen ist und der Schule
B, in der von einer solchen Initiative nicht gesprochen wurde, scheint die Schule C gerade in
diesem Punkt einen Vorteil aufzuweisen. Die Schule hat ein Qualitätsverbesserungsprojekt
begonnen, in dem die Lehrer/innen themenspezifisch in Gruppen zusammenarbeiten und
damit Verantwortung für das Schulganze übernehmen. Sie gewinnen dadurch als Gruppe –
nicht als Einzelpersonen! – Einfluss und erlangen eine wesentliche Bedeutung für die
Schulentwicklung.
L: Es war eine Beraterfirma da, die uns da ein paar Grundlagen der Marktforschung, wenn
man das auf Deutsch bringt, gesagt hat, dass man weiß auf welche Punkte und wie man
gewisse Punkte erfahren kann und worauf man Rücksicht nimmt. Wir werden jetzt versuchen
das auszuwerten. Da gibt es eben Arbeitsgruppen, die sich etwas in sprachlicher Richtung,
das sind die Sprachlehrer, überlegen. Dann gibt es die Notebook-Gruppe - die sich eben
überlegen, wie geht das in der Richtung, da gibt es eine Arbeitsgruppe. In Arbeitsgruppen
werden Themen ausgearbeitet. Wenn es große Entscheidungen gibt, wird das in einer
Konferenz oder einer Abstimmung schon dem breiten Kollegium vorgelegt. Jetzt war die
Entscheidung, Abstimmung, wo alle 80 Kollegen eben abgestimmt haben, ja das will ich -
findest du das gut oder wollen sie mitarbeiten, ja (SC1+2, L1, Z971).
Die Schulleitung fungiert als Projektleitung und fühlt sich für den Zusammenhalt und das
Management des Projektes verantwortlich. Inhaltlich überlässt sie den Teams weitgehend
freie Hand. Dieser Punkt erscheint deshalb als erwähnenswert, weil er in einem gewissen
Gegensatz zu dem in der Gesundheitsförderung oft gehörten Glaubenssatz zu stehen
scheint, wonach ohne die Schulleitung gar nichts zu machen sei. Demgegenüber scheinen
215

die Erfahrungen in Schule C vor allem eines nahezulegen, nämlich dass ohne Lehrer/innen-
Teams nichts geht.
Der Umweltpräsident
Um das Verantwortungsgefühl der Lehrer/innen für das Schulganze in Schule C zum einen,
zum anderen aber auch den lockeren Umgang mit Machtstrukturen und die relative Stärke
der einzelnen Gruppen und die Balance in den Machtverhältnissen zu illustrieren, könnte
man kein besseres Beispiel ersinnen, als der Fall des „Umweltpräsidenten“ eines liefert.
Der Schmutz und der Umgang mit dem Schmutz, die Schmutzvermeidung und die
Schmutzerziehung sind in der Schule C ein wichtiges Thema. In allen drei interviewten
Klassen sprechen die Schüler/innen von den unhygienischen Zuständen auf der Toilette, der
Verweigerung des Putzpersonals zu putzen und von ihrem eigenen Putzeinsatz in der
Schule und am Schulhof.
S: Ja, die Hygiene ist wirklich nicht so toll. Ich gehe eigentlich da nie aufs Klo, nie. Ich
versuche es halt so. (SC1, FG1, Z 61).
S: Das Putzpersonal sitzt da so am Gang, trinken Kaffee. Irgendwer aus unserer Klasse hat
mir erzählt, dass sie auf der Stiege gesessen sind und geraucht haben. Die Tschik-Stummel
halt irgendwohin geschossen. (SC1, FG1, Z89).
Um die Sauberkeit in den Griff zu bekommen, wurde vor einem Jahr auf Initiative eines
Lehrers, der selbst das Amt des Umweltpräsidenten bekleidet, das Amt der
Umweltminister/innen in den Klassen eingeführt. Diese haben für Sauberkeit und Hygiene zu
sorgen, indem sie die anderen zu Sauberkeit und Ordnung anhalten. Allein die
Namensgebung verweist auf einen spielerischen Umgang mit einem eigentlich ernsten
Thema. Gleichzeitig – und das scheint uns von besonderer Bedeutung - ist damit ein
wesentlicher Bereich der Schulverwaltung in ein Schüler/innen-Beteiligungsprojekt
verwandelt worden, so dass hier Schüler/innen über die Sauberkeit ihrer Schule faktischhandelnd
und kommunikativ mitentscheiden.
Die Umweltanliegen werden vom Umweltpräsidenten festgestellt, der diese den
Umweltministern und Umweltministerinnen mitteilt. Zumeist wird dieses Amt mit
demjenigen/derjenigen besetzt, der/die sich freiwillig meldet. Gerade die EVA-Klasse spielt in
dem Zusammenhang eine wichtige Rolle, verstärkend auch dadurch, dass der
216

Klassenvorstand Umweltpräsident ist. So werden Schüler/innen aus der EVA-Klasse als
„Ordnungskuriere“ eingesetzt.
S: Also, die sind mit dem Kübel da herumgefahren, in jede Klasse rein gegangen und haben
zu jeder Klasse gesagt, also die Flaschen aus dem Automaten, da steht ein Behälter neben
diesem Automaten und da sollen sie die Flaschen reinschmeißen und auf keinen Fall am
Boden liegen lassen oder in den Restmüll schmeißen (SC2, FG3, Z553).
Die Schüler/innen finden das Putzprojekt einerseits gut und akzeptieren es, sind aber
andererseits auch ein wenig darüber irritiert, dass auf der einen Seite in der Schule viel Wert
auf Sauberkeit gelegt wird, es ein Putzprojekt gibt, bei dem alle putzen müssen, aber auf der
anderen Seite die Räumlichkeiten nicht geputzt werden und kein Klopapier vorhanden ist.
Sie vermuten, dass es sich hierbei um Einsparmaßnahmen von Seiten der Schule handelt.
S: Wir haben so ein Projekt, dass wir putzen. Da müssen wir halt die Mistkübel ausleeren,
Glas, Metall und Plastik. Draußen müssen wir auch putzen um das Schulgebäude. Ich finde
das irgendwie OK., damit wir wissen, was wir da für eine Arbeit haben, damit wir halt nichts
wegwerfen, aber es kommt mir irgendwie vor, als würden sie einfach wollen, dass sie kein
Putzpersonal kaufen müssen oder bezahlen müssen. (SC1, FG1, Z173).
Der eigene Putzeinsatz wird daher ambivalent erlebt: einerseits als Lernerfahrung,
andererseits aber auch als Zwang, der aus einem Geldmangel resultiert bzw. daraus, dass
die Schulleitung das vorhandene Geld woanders investiert hat. Auch das ist natürlich wieder
eine Lernerfahrung, zu begreifen, dass man Geld nur einmal ausgeben kann und daher in
einem Haushaltsbudget nur einmal widmen kann. Den Schüler/innen scheint das auch
durchaus bewusst zu sein, wenn sie selbst einen direkten Zusammenhang mit den
aufgestellten Automaten für Schokoriegel und Getränke herstellen. Das Geld, das für die
Automaten ausgegeben wurde, wird nun quasi beim Putzpersonal eingespart, so erscheint
es einigen. Auch wenn dieser Zusammenhang bei den realen Entscheidungen gar nicht
gegeben war, erscheint das Putzprojekt den Schülern und Schülerinnen irgendwie als
Gegengeschäft für die Automaten. Insbesondere die Sauberkeitsrichtlinien im Umgang mit
den Automaten, zum Beispiel das Zurückstellen der Flaschen in die vorgesehenen Behälter,
werden daher thematisiert.
Uns interessiert aber die Form dieser Thematisierung und welche Differenzen die
Kommunikation über Putzen, Automaten und Geldausgeben verwendet. Und zeigt sich
dabei, dass sich die Schüler/innen mit all ihren Erwägungen insgesamt vollständig im
Kontext und in der Logik der Schulverwaltung bewegen und eben nicht in der Logik von
Kunden und Kundinnen des Systems, die ein Anrecht auf Klopapier und andere
Dienstleistungen erworben hätten, oder in der Logik einer Opposition bzw. einer
217

unterdrückten Masse von Machtlosen, die sich gegen eine Zumutung der Regierung zu
verwahren hätte.
Mit anderen Worten: die Schüler/innen haben sich die Probleme der Schulverwaltung ein
Stück weit zu eigen gemacht, vielleicht sogar ohne das bemerkt zu haben und ohne es
reflexiv zu wenden und zu bewerten. Für eine neue Schüler/in ist das sehr irritierend:
S: Ich hab in meiner alten Klasse z.B. nie die Mistkübel ausleeren müssen, das habe ich nie
gemacht.
S: Oder am Gang aufgeräumt. Sie hat immer gefragt, was macht ihr, wieso macht ihr das?
Ja, das haben wir bei uns immer gemacht. Damals hat sie nur mich gekannt, wie sie in die
Klasse gekommen ist, ich hab sie halt aufgeklärt und sie: Das gibt’s doch nicht, ich habe
noch nie etwas vom Boden aufgehoben und es hat sich nie jemand beschwert. Unseren
Lehrern war das wurscht. Wir dürfen die Mistkübel ausleeren, den Gang aufwaschen, wenn
es pickt, wirklich (SC2, FG3, Z1664).
(1.3) Die Eltern
Das Verhältnis von Schule und Eltern muss als ein schwieriges bezeichnet werden. Die
Gründe dafür liegen auf verschiedenen Ebenen.
Zunächst kann man mit Blick auf die Biografien vieler Eltern verstehen, dass sie aufgrund
ihrer eigenen, vielleicht schwierigen Schulerfahrungen auch gegenüber der Schule ihrer
Kinder, die ja häufig mit ihrer eigenen identisch ist, auf Distanz gehen, Ressentiments
empfinden oder sogar eine gewisse Abwehrhaltung einnehmen. Solche negativen
Einstellungen können auch durch ein herablassendes Verhalten von Schulleiterinnen und
Schulleitern und Lehrerinnen und Lehrern ausgelöst oder noch verstärkt werden. Da kann
schon wenig genügen, denn viele Eltern fühlen sich den Lehrerinnen und Lehrern punkto
Sachverstand und Kommunikationsverhalten unterlegen. Auch die Eltern-Kind-Beziehung ist
von der Schule eigenartig betroffen, weil häufig zwischen den Generationen ein Unterschied
im Bildungsniveau entsteht, indem den Kindern eine Bildung zuteil wird, die den Eltern
versagt gewesen war. Die Schule schafft auf diese Weise Anlässe, dass die Eltern von ihren
Kindern als inkompetent und hilflos erlebt werden können. Mit der sogenannten
Bildungsexplosion im 20. Jahrhundert ist dieser Unterschied endemisch geworden und
erfordert von der Schule eine einfühlsame Informationspolitik gegenüber den Eltern.
Historisch sind die Schwierigkeiten im Verhältnis Eltern-Schule darin begründet, dass die
Schulen als Erziehungsanstalten begriffen wurden, in denen der Staat seine Vorstellungen
218

vom Schönen, Wahren und Guten durchzusetzen trachtete, die nicht notwendigerweise mit
den Erziehungszielen der Eltern übereinstimmen mussten, weder inhaltlich noch was die
Methoden der Vermittlung betraf. Historisch steht der staatliche daher tendenziell gegen den
elterlichen Einfluss auf die Kinder. Bildungs- und Schulpolitik ist deshalb traditionell ein
besonders kontroversieller politischer Bereich, in dem es in besonderem Maße darauf
ankommt, Konsenslösungen zu finden und bereit zu stellen (OECD 1997).
Aus all diesen Gründen haben Eltern in Bezug auf die Schule häufig eine emotionale
Distanz, wenn nicht Misstrauen und Ängste entwickelt. Der erste Präsident des Wiener
Stadtschulrates Otto Glöckel hat auf diese Situation bereits 1922 mit einer speziellen Politik
der Partnerschaft, wie man heute sagen würde, reagiert: „Die Eltern für die Schulfragen zu
interessieren, ist von größter Bedeutung fürs Kind, aber auch für die Schulreform. Wir
müssen den Eltern die Gelegenheit geben, sich selbst von unseren Bestrebungen
überzeugen zu können, damit sie nicht hilflose Opfer von Informationen werden, die nicht
immer aus reinen Quellen stammen müssen“ (Arbeiterkammer Wien 2002).
In der zweiten Republik ist das Verhältnis zwischen Eltern und Schule zusätzlich von
außerschulischen Entwicklungen belastet worden: der reicher werdende Wohlfahrtsstaat
übernimmt in allen Bereichen mehr und mehr Versorgungsaufgaben, wodurch auch dem
Erziehungssystem immer neue Aufgaben zuwachsen, Frauen werden zunehmend am
Arbeitsmarkt benötigt und integriert, Familienstrukturen ändern sich zu Ungunsten der
Kinder, durch die modernen Massenmedien erhalten Familie und Schule gleichermaßen
Konkurrenz etc.. Die Eltern, häufig beide berufstätig, delegieren die Verantwortung für die
Bildung und Erziehung ihrer Kinder insgesamt an die Schule und bewerten deren Ergebnisse
häufig aus einer Art Konsumentenhaltung, was wiederum einem gedeihlichen
Kooperationsverhältnis im Wege steht.
Heute verändert sich die Beziehung zwischen den Eltern und der Schule wieder. Die Eltern
werden in ihrer Rolle als wichtige „partners in pedagogy“ (OECD 1997) anerkannt . Eine
Studie, die von der OECD in 12 Ländern durchgeführt wurde zeigt, dass „keeping parents
informed und involved“ eine der wichtigsten Aufgaben für die Schulen ist. Auch die weiteren
Forderungen dieser Studie sind keineswegs neuartig, sondern versammeln jene Bereiche, in
denen Eltern und Schulen in den an der Studie beteiligten Ländern heute schon kooperieren
– allerdings eben nicht flächendeckend und nicht immer erfolgreich. Die vielen
verschiedenen „Kooperationschancen“ für Eltern und Schule können in 6 Bereichen
zusammengefasst werden (OECD 1997):
219

1) Ideelle Unterstützung der Kinder, indem die Eltern eine positive Haltung zur
Schule einnehmen, das Lernen hoch bewerten und den Schulerfolg der Kinder
anerkennen und belohnen.
2) Lerntechnische Unterstützung der Kinder bei der Erledigung der schulischen
Aufgaben
3) Soziale Unterstützung von Klassen- und Schulaktivitäten (Ausflüge, Sporttage,
etc.) durch die Eltern
4) Finanzielle Hilfe (Lehrmittel, Klassenfahrten, Gestaltung des Klassenzimmers ...)
5) Mitsprache in pädagogischen Fragen das Curriculum sowie die didaktischen
Methoden und Vorgangsweisen betreffend
6) Mitsprache in politischen Fragen die Schule betreffend, wobei dies einfache
Schulentscheidungen betreffen kann (z.B. die Hausordnung, schulautonome
Tage, Nachmittagsbetreuung), Entscheidungen in bezug auf die Kooperation mit
der Gemeinde, aber auch Fragen, die das Erziehungssystem auf einer (landesoder
bundes-)politischen Ebene betreffen.
Um es vorweg zu nehmen: keine der drei Schulen unserer Untersuchung, auch nicht die
Schule C, hat Kooperationsverhältnisse zu ihren Eltern aufgebaut, die in allen diesen
Bereichen optimal genannt werden könnten. Dennoch sind die Eltern in zwei der drei
untersuchten Klassen der Schule C stark in die Angelegenheiten ihrer jeweiligen Klasse
involviert. Das gilt insbesondere für die EVA-Klasse, wo die Eltern bei praktisch allen Fragen
mitreden können und teilweise sogar müssen. Sie sind daher ein integrierter Bestandteil des
Systems, ohne den vieles nicht funktionieren würde. Die Eltern in diesen Klassen erfüllen die
Funktionen 1 – 5 aus obiger Aufstellung mit beachtlichem Engagement.
IV: Wie oft sind denn eure Eltern in der Schule?
S: Alle 2 Monate.
S: Ziemlich oft.
IV: Das ist dann ein Elternabend?
S: Ja, aber das geht auch nur bei uns so gut, weil wenn in anderen Klassen Elternabend ist,
kommen sechs Eltern von dreißig.
IV: Das macht diese EVA-Klasse?
S: Ja.
S: Da haben sich auch andere, so als Klassen aufgeregt, dass wir mehr machen, da haben
wir gesagt, das sind ja eigentlich nicht wir, sondern unsere Eltern unterstützen uns auch so.
Das können ihre Eltern nicht (SC2, FG2, Z1918).
L:: Ja, auch bei den Eltern, das (Engagement) merkt man ganz deutlich. Das ist auch beim
Elternabend, wo es Elternabende gibt, wo kaum Eltern da sind und bei den EVA-Klassen
normalerweise sind fast 100% da. (SC1+2, I2, Z1820)
220

Neben allen Funktionen, die die Eltern übernehmen, besteht ihre Hauptaufgabe in Schule C
aber sicher darin, die Schüler/innen in ihrer Rolle als „Sozialpartner/innen“ zu stärken. Erst
dadurch scheint das für diese Schule typische Modell der ausbalancierten Machtverhältnisse
zu funktionieren. Anliegen, für die die Schüler/innen kein Gehör gefunden haben, können
von den Eltern erneut aufgegriffen werden. Die Schüler/innen brauchen sich dann nicht völlig
macht- und chancenlos zu fühlen. Indem die Eltern auf diese Weise die Interessen der
Kinder verstärken, geben sie diesen zum einen mehr Gewicht, so dass sich ihre
Durchsetzungschance erhöht, zum anderen – und das ist ebenfalls eine wichtige Funktion -
unterziehen die Eltern die Anliegen der Kinder auch noch einmal einer Überprüfung und
können sie gegebenenfalls modifizieren und reformulieren, zuspitzen oder abschwächen.
Wenn die Kinder dabei nicht vollkommen uminterpretiert oder kontrolliert werden, könnte das
für die innerschulische Konfliktaustragung ein wesentlicher Vorteil sein.
IV: Hat dann nicht irgend jemand Verständnis gehabt für eure Seite?
S: Nein.
S: Überhaupt nicht.
S: Die Eltern.
S: Die Eltern haben gesagt, dass das eh gut war, dass wir es ihnen gesagt haben.
S: Die Eltern haben sich halt dann für uns eingesetzt.
S: Die Lehrer sind nur da für das reine Gesetz und setzen sich überhaupt nicht für uns ein
(SC2, FG3, Z445).
In Koalition mit den Eltern erlangen die Schüler/innen dann sogar die Möglichkeit, bei der
Zuteilung ihrer Lehrer/innen insofern mitzureden, als sie diese los werden können, wenn das
Verhältnis nicht funktioniert.
S: Wir haben in der zweiten eine Lehrerin gehabt in G und wir haben uns nicht sehr gut mit
ihr verstanden.
S: Es waren mehrere schlecht und sie hat immer gesagt, dass die anderen Klassen besser
sind als wir.
S: Sie hat uns immer gesagt, dass wir nichts können und so, die war halt so
S: Die hat uns niedergemacht und dann haben die Eltern gesagt, dass sie zu streng ist und
so.
IV: Ihr seid zu den Eltern gegangen?
S: Gesagt, dass sie zu streng ist.
S: Dann ist sie gegangen.
S: Beim Elternabend habe sie sich dann beschwert.
IV: Ihr seid nicht zur Lehrerin gegangen, sondern zu den Eltern?
S: Wir haben uns nicht getraut, zu ihr hinzugehen [und sagen], weil wir wollen dich nicht oder
so, das ist ja ungut (SC2, FG1 Z660).
Entscheidend dabei ist unserer Ansicht nach nicht, dass die Eltern tatsächlich überall und
immer und immer vollzählig mitreden und sich in alles einmischen. Es gibt wahrscheinlich
viele Dinge und Entscheidungen, bei denen man als Elternteil froh ist (oder sein könnte),
221

wenn man nicht involviert wird und der Schule statt dessen einfach vertrauen kann. Wirklich
wichtig erscheint uns aber, dass die Entscheidungen transparent sind und dass die Eltern die
Möglichkeit haben, sich einzumischen und effektvoll mitzureden, wo sie es für notwendig
halten. Doch woran erkennen Eltern, dass ihre Intervention und ihre aktive Teilnahme an
Entscheidungsprozessen gefordert ist? Wann glauben sie, dass „sie“ jetzt notwendig sind?
Und wie regelt die Schule den Fall, dass die Eltern, einzeln, in Gruppen oder als
Klassengemeinschaft, Mitsprachebedarf anmelden?
Man könnte hier die Vorstellung einer „unbürokratischen Partizipation“ entwickeln, die im
Gegensatz von Luhmann (1987), der davon ausgeht, dass Partizipation nur den
Entscheidungsprozess verkompliziert und die Anzahl der Entscheidungen erhöht, von
Mitspracheregelungen ausgeht, die es nicht notwendig machen, dass bei jeder Entscheidung
der träge Mechanismus der Informations-, Diskussions- und Abstimmungsverfahren in
Betrieb genommen werden muss. Dazu benötigt man entweder „Entscheidungen über
Entscheidungen“ (Luhmann 1981b), also Entscheidungen darüber, bei welchen
Entscheidungen wer in welcher Form mitentscheiden darf, oder die Flexibilität, die Teilnahme
an Entscheidungsprozessen im Einzelfall nach Bedarfslagen zu regeln.
Ersteres führt im Konkreten zu einem komplexen Regelwerk, das quasi statutarisch Rollen
bzw. Rechte und Pflichten festschreibt. Das wiederum würde voraussetzen, dass die
Schulgemeinschaft über gemeinschaftliche Zielsetzungen verfügt, auf die hin die Rechte und
Pflichten definiert werden. Wie aus der Schulforschung bekannt ist, ist gerade dies für
Schulen eine sehr schwierige Aufgabe, zu schweigen von den Problemen, einen solchen
Prozess zu organisieren. Es ist sicher auch kein Zufall, dass die Entwicklung eines
Schulprofils zuletzt in der jüngsten Gesetzesnovelle zum Unterrichtsgesetz in Österreich nur
optional und nicht verpflichtend eingeführt wurde. Weiters müsste auch bedacht werden,
dass dieses Regelwerk immer wieder revisionsbedürftig wäre, da solche
Entscheidungsentscheidungen von den Mitgliedern getragen werden müssen und sich diese
in Schulen ja ständig erneuern.
Offenbar ist der pragmatischere Weg der, den Schule C eingeschlagen hat, nämlich sich bei
der Auswahl von Entscheidungen, bei denen die Eltern mitentscheiden wollen, am Bedarf
der Eltern zu orientieren und diese nach ihren Problemwahrnehmungen wählen zu lassen.
Problemorientierung fungiert also in gewisser Weise als Selektionskriterium: nur – oder vor
allem - Entscheidungen, die voraussichtlich problematisch werden oder die sich im Vollzug
ihrer Umsetzung im Nachhinein als das herausstellen, alarmieren die Eltern und werden
einer Revision unter Einbindung aller Beteiligten unterzogen.
222

Probleme definiert jeder stets aus seiner eigenen Perspektive. Bei Eltern ist ein Eingreifen
begreiflicherweise zuallererst dort der Fall, wo sie sehen, dass ihre Kinder Probleme haben.
Erst dann mischen sie sich ein. Die Eltern nehmen dann auch manchmal die Rolle der
Vermittler zwischen den Schülerinnen und Schülern und den Lehrerinnen und Lehrern ein.
Das allerdings bedeutet, dass die Jugendlichen quasi als Seismographen dienen. Das
System funktioniert also nur mittels des Leidensdrucks, der vielleicht groß, vielleicht gar nicht
so groß sein mag, wir können das nicht beurteilen. Die Jugendlichen lernen jedenfalls, sich
als Seismographen für systemische Notfälle zu sehen und haben daher ein – wenn man das
so sagen kann – eher entspanntes Verhältnis zu Problemen. Sie wissen, dass sie das
Problem „nur“ melden, nicht ertragen oder lösen müssen. Das ist wohl der Grund dafür,
warum die Schüler/innen der Schule C in den Gruppendiskussionen nicht vor allem
Probleme artikulierten, so als wäre hier nun der einzig mögliche Ort, das zu tun, sondern sich
selbst als eher aktive, mitgestaltende Akteur/innen im System darstellten.
S: Ich hab ein Problem gehabt mit D.-Freiarbeit, weil da war ich sehr weit hinten. Das hab
ich dann meinen Eltern erzählt und die haben dann mit meinem D-Lehrer geredet. Der hat
mir auch geholfen und gesagt, ich kann es später abgeben und ich darf auch ein paar
Freiarbeiten auslassen und er benotet es eben später (SC2, FG2, Z821).
Dasselbe Verfahren einer problemgeleiteten Intervention und Mitspracheregelung scheinen
auch die Lehrer/innen anzuwenden.
S: Ich weiss nicht, teilweise ist es durch dieses Projekt so, dass wir manchmal als
Extrawürste behandelt werden, dadurch können uns manchmal die anderen Klassen nicht so
gut leiden, weil sie sich, dadurch, dass wir extra behandelt werden, ungerecht behandelt
fühlen. Da hat es dann in der zweiten Klasse auch manchmal teilweise einen Konflikt
gegeben, aber das hat dann Gott sein Dank unser Klassenvorstand übernommen, weil das
wäre sonst ausgeufert (SC2, FG2, Z492).
Das Konzept einer „unbürokratischen Partizipation“ ist indessen nicht leicht in Balance zu
halten. Es basiert ja gerade darauf, dass alle prinzipiell Einfluss nehmen können, ohne dass
eine Gruppe über die andere diesbezüglich Beschränkungen verfügen kann. Die Gefahr des
Zuviel an eingeforderter Mitsprache und gegebenenfalls gremialer Aushandlung wird vor
allem von den Schülerinnen und Schülern gesehen. Sie empfinden das rasch im negativen
Sinn als Einmischung. Das Funktionieren dieser losen, aber dennoch zuverlässigen Form
von Partizipation erfordert daher auf allen Seiten, vor allem bei Lehrerinnen und Lehrern und
Eltern, ein gewisses Fingerspitzengefühl und wohl auch ein hohes Toleranzniveau
gegenüber Versagen und Enttäuschungen. Vor allem aber geht es darum, die Offenheit der
Prozesse anzuerkennen und damit anzuerkennen, dass alle Beteiligten einen vergleichbaren
223

Einfluss auf die Prozesse im System haben und dass daher ein allzu forsches Intervenieren
– von wem auch immer - zur Störung werden kann.
S Also mir geht das so ziemlich auf den Arsch, meine Mama sagt immer, ich soll mich
anstrengen in der Schule, aufpassen und ich soll immer alles machen. Wir sollen halt eine
brave Klassengemeinschaft sein. Die haben ja von Null Ahnung, die wissen nicht, was in den
Pausen passiert. Zum Beispiel wir haben vor ein paar Wochen eine Wasserschlacht gehabt.
Meine Mama sagt warum, weil sich die Eltern und die Lehrer dauernd dreinmischen, immer
(SC1, FG2, Z1059).
S: Es gibt auch strengere Lehrer, also die sagen gleich, Eltern her.
IV: Und was passiert dann, wenn die Eltern geholt werden.
S: Ja, dann wird einmal gesagt
S: Da wird gar nichts gesagt, da dürfen die Schüler reden.
S: Also unsere F.-Lehrerin hat da so eine Spezialmethode entwickelt
S: Das machen alle so.
S: Z.B. wenn ein Schüler etwas Dämliches sagt, dann kommen die Eltern und der Schüler
muss sagen, was er gesagt hat. Meistens kommt eh nix vom Schüler.
IV: Die sagen dann nichts?
S: Nein.
S: Der traut sich nichts sagen. Also vor den Eltern, glaub ich, haben wir zu sehr Angst, dass
man irgend etwas sagt.
S: Was ich auch nicht verstehe, wieso man vor den Eltern Angst haben muss.
S: Ja, du.
S: Sie können dir eh nix tun (SC1, FG4 Z1191).
5.4 Der Kernprozess: Unterricht in der EVA-Klasse
Der zentrale Unterschied, der die Schule C unserer Beobachtungslogik zufolge in einen Teil
C1 und einen Teil C2 differenziert, ist die Einführung des pädagogisch-didaktischen
Konzeptes des „eigenverantwortlichen Arbeitens“ nach Klippert (2002, 2000a,b, 2001).
Grundidee dieses Konzeptes ist die Einsicht, dass Lernen ein sozialer, also kommunikativer
Vorgang ist, an dem die Schüler/innen in jeder Hinsicht aktiv und nicht nur rezipierend
beteiligt sein müssen. Daraus ergeben sich Forderungen, die Schüler/innen sowohl in die
inhaltliche wie in die methodische Gestaltung des Lernens einzubeziehen und ihnen explizit
auch ein Stück Verantwortung für ihren Lernerfolg zu übertragen. In methodischer Hinsicht
ist Freiarbeit ein Kernstück des EVA-Konzeptes. Freiarbeit kann heißen, dass die
Schüler/innen den Stoff mit Unterstützung der Lehrer/innen mehr oder weniger selbst
erarbeiten oder nur die Übungen zu einem bestimmten Stoff eigenverantwortlich
durchführen. Die Schüler/innen schätzen das EVA-Konzept sehr, insbesondere die
Möglichkeit, selbst aussuchen zu können, was man wann machen will und wie man sich die
verfügbare Zeit einteilen will.
224

S: Es steht jedem frei, wann er welche Aufgabe machen will. Man kann sich die Zeit auch
einteilen, man kann natürlich sagen, na, heute will ich nichts machen, oder heute mache ich
Gruppenarbeit und am nächsten Tag möchte ich Deutsch machen und am nächsten Tag
Mathe, das steht jedem frei, nur musst du halt zu dem Termin, wo es verlangt wird, die Arbeit
fertig haben (SC2, FG3, 748).
Wer schon erlebt hat, wie sich eigene Pläne als illusorisch erwiesen haben oder wie schwer
es war, sie termingerecht einzuhalten, kann sich vorstellen, dass die Jugendlichen das nicht
ohne fachliche und soziale Unterstützung durch die Lehrer/innen erfolgreich bewältigen
können. Die Lehrer/innen im EVA-Curriculum müssen daher - wahrscheinlich mehr, als es
im Normalunterricht notwendig wäre - den Kindern unterstützend zur Seite stehen. Ein Mehr
an Eigenverantwortung auf seiten der Schüler/innen zieht also paradoxerweise ein Mehr an
Unterstützung durch die Lehrer/innen nach sich.
Die Lehrer/innen sind aber nicht nur als Coach und Krisenmanager/innen gefordert, sondern
es erwächst ihnen auch ein Koordinationsaufwand, der bei Normalunterricht in dieser Form
nicht gegeben ist: sie müssen die Arbeitsprogramme der einzelnen Fächer auf einander
abstimmen und so gestalten, dass sie nicht zu Überforderungen führen. Kritik am EVA-
System seitens der Schüler/innen richtet sich fast ausschließlich auf diesen Punkt.
S: Das war voriges Jahr in G. sehr blöd, weil dieser Plan überhaupt über einen sehr langen
Zeitraum hinweg war. Das waren, glaube ich, 2 bis 2 1/2 Monate im Plan. Dazu haben wir
dann die einzelnen Kapiteln aus dem Buch über 2 1/2 Monate durchgearbeitet, aber
dadurch, dass wir uns das selber erarbeitet haben, habe ich auch viel nicht gewusst.
S: Das war zu viel zum selbst erarbeiten (SC2, FG3, Z861).
S: Da haben wir eine gebundene Stunde gehabt. Sie hat uns höchstens einmal vielleicht
etwas erklärt. Immer alles selber erarbeiten ist auch nicht so. Wenn man Geschichte das
erste Mal hat, in der Zweiten ist das nicht so (SC2, FG3, 872).
S: Seit der ersten Klasse sagen wir dauernd, dass sie sich absprechen sollen, so dass jetzt
immer im Jänner total viel ist und dann im Februar fast nichts und im März wieder viel. Die
sollen sich absprechen, aber einstweilen ist noch nichts passiert (SC2, FG3, Z684).
Was an diesen und ähnlichen Redebeiträgen beeindruckt, ist, wie sehr die Schüler/innen
Verantwortung für ihren Lernprozess übernehmen. Sie denken mit, bringen sich ein, haben
Verbesserungsvorschläge und auch Kritik. Sie verhalten sich so, wie sich ernst zu nehmende
Partner/innen verhalten.
Das zeigt sich auch und gerade bei der Nutzung der Freiarbeitsstunden, in denen die
Schüler/innen die Möglichkeit haben, die Aufgaben und Themen selber zu wählen. Hier wird
aber auch sichtbar, dass es sich beim Eigenverantwortlichen Arbeiten um ein
leistungsorientiertes Konzept handelt, das sehr herausfordernd ist.
225

S: Man kann sich in der Freiarbeit kleine Pausen nehmen, aber wenn man sich zu große
nimmt und eine Stunde einmal nur plaudert, dann schafft man es nicht mehr. Man muss
schon arbeiten, aber es gibt dann welche, die arbeiten und andere, die nicht arbeiten und
dann abschreiben wollen.
S: Manche schreiben dann auch nur von den Lösungen ab zum Beispiel. Die machen
überhaupt nichts, sondern quatschen nur, lachen und blödeln herum (SC2, FG3, Z1038).
Weil alle Aufgaben in Pflicht und Kür-Teile gegliedert sind und die Schüler/innen wählen
können, ob und wie weit sie sich auf die Kür-Teile einlassen wollen, liegt eine gewisse
Versuchung darin, das Arbeitsprogramm gerade in der Freiarbeitszeit ebenso sehr an
sozialen Bedürfnissen und Bequemlichkeiten zu orientieren wie am Interesse an der eigenen
Bildung. Zumindest ist das ein potenzielles Spannungsfeld, das die Individuen, die Gruppen
und das Schüler/innen-Lehrer/innen-Verhältnis durchzieht.
S: Wir haben jetzt z.B. 15 Aufgaben und manche sind Pflicht, die muss man machen bis zum
Abgabetermin, und manche sind Wahl, die kann man machen. Die Pflicht oder die Wahl z.B.
kannst du daheim machen. Wenn du mit der Pflicht fertig bist und dann nichts mehr machst,
dann sehen sie [die Lehrer/innen] das aber trotzdem nicht ein. Wenn du sagst, ja ich bin mit
der Pflicht schon fertig, ja dann mach die Freiwilligen, du brauchst da nicht herumsitzen und
nichts machen (SC2, FG3, Z799).
S: Na, schau, wenn man jetzt nichts macht, du denkst dir, gut, mache ich nicht, ich bin faul,
dann kommt der Lehrer raus, „fäult“ dich zusammen, was machst du nichts, es ist Freiarbeit,
Freiarbeit heißt arbeiten, ja dann frage ich mich, was eigenverantwortliches Arbeiten ist,
wenn ich es nicht dann machen darf, wann ich will (SC2, FG3, Z785).
Eine Kernanforderung des EVA-Konzeptes besteht darin, das Studienprogramm in
Kooperation mit anderen zu bewältigen. Es ist schon eingangs darauf hingewiesen worden,
dass bei allen individuellen Wahlmöglichkeiten dennoch die wesentlichen Dinge in der
Klassengemeinschaft entschieden werden. Es gehört auch zu den dezidierten Zielen des
Klippert-Modells, Kooperationsfähigkeit und Teamgeist zu fördern. Ein gutes Klassenklima ist
daher einerseits eine notwendige Rahmenbedingung, andererseits aber eben auch erst das
Lernziel. Es wird daher auch ganz bewusst mit geeigneten Methoden an der
Klassengemeinschaft gearbeitet. So machen die EVA-Klassen zu Schulbeginn in der ersten
Klasse „Kennenlern-Tage“, wo die Jugendlichen sich kennenlernen können, erste
gemeinsame Erfahrungen gesammelt werden können und die Lehrer/innen die
Schüler/innen dabei unterstützen einen gute Klassengemeinschaft zu bilden.
Als Resultat weist die EVA-Klasse ein sehr gutes Klassenklima auf. Das tun andere Klassen
anderer Schulen freilich auch und das tat konkret in dieser Studie auch die erste Klasse der
Schule A. Es besteht hier aber ein nicht unwesentlicher Unterschied, der darin liegt, dass
diese Schüler/innen der Schule A sich in einer als problematisch erlebten Situation zu einer
Notgemeinschaft zusammenschließen und dass dieser Zusammenschluss nur oder vor
226

allem über den äußeren Druck definiert ist. Lässt dieser nach, zerfällt die Klasse in Gruppen
und einzelne, die gegeneinander indifferent sind. Auch wenn die Kriegsmetaphorik
übertrieben scheint, so ist es doch vor allem der gemeinsame Feind, der in Schule A
verbindet und Gemeinschaft herstellt, wobei der gemeinsame Feind in abstrakter Weise die
hierarchische Schulstruktur ist, personifiziert durch die Schulleitung. Die EVA-Klasse der
Schule C hingegen hat intrinsische Motive aufgebaut, die den Zusammenhalt der Klasse
befördern und entwickeln. Sie begreifen sich viel stärker als Lerngruppe, die gemeinsame
Dinge tun muss, und können es positiv konnotieren, dass sie auch mit Mitschülerinnen und
Mitschülern „können“, mit denen sie von sich aus vielleicht keinen Kontakt hätten.
S: Wir wollten uns neu versetzen, umsetzen halt. Wir haben lange herumdiskutiert, wer
neben wem sitzt und wir sind zu keinem Ende gekommen, da hat unser Klassenvorstand uns
den Vorschlag gemacht, dass wir auslosen, wer wo sitzt. Wir haben das gemacht, ich finde,
es war schon heavy, weil du sitzt neben einem mit dem du normalerweise überhaupt nichts
zu tun hast, weil mein Freundschaftskreis war nicht dabei. Ich finde, das war super, dass wir
eine total offene Klasse sind und auch mit anderen Menschen können, auf die zugehen und
mit ihnen irgendwie trotzdem etwas Neues aufbauen. Das finde ich da ganz toll. Ich glaube,
das könnte keine andere Klasse schaffen (SC2, FG2, Z884).
Dieses Selbstbild der Klasse wird auch von Lehrerinnen und Lehrern mit erzeugt, indem sie
die Klasse darin bestätigen.
S: Aber das finden auch unsere Lehrer, dass wir eine gute Klassengemeinschaft sind (SC2,
FG2, Z916).
So ganz scheint dieses ideale Bild aber nicht mit der Realität überein zu stimmen, denn es
gibt auch kritische Bemerkungen zum Klassenklima und zum Zusammenhalt der
Schüler/innen. So haben die Schüler/innen teilweise auch Strategien entwickelt, wie sie sich
aus dem Weg gehen können, wo das möglich ist.
S: Es ist so bei der Freiarbeit, dass wir immer zu zweit, einzeln oder manchmal in Gruppen
arbeiten. Sie [die Lehrer/innen] denken, wir tun uns da mit anderen aus der Klasse
zusammen, mit denen wir normalerweise nicht soviel machen. Das machen wir aber nicht,
und das checken sie aber nicht (SC2, FG3, Z1555).
Es gibt also gewisse Bruchlinien in der Klassengemeinschaft, die von einigen Schülerinnen
und Schülern in der Fokus Gruppe direkt angesprochen werden. Diese sehen auch einen
Unterschied zu dem idealen Bild, das die Lehrer/innen haben. Die Grobspaltung läuft entlang
der Linie der "Braven" und der "Coolen", wobei sich dies auch in den Noten niederschlägt.
Ihre Lässigkeit und Souveränität gewinnen die "Coolen" dadurch, dass sie nicht überall
mitmachen, die Freiarbeit lockerer nehmen und sich über die vielen Hausübungen
beschweren.
227

S: Die Lehrer glauben alle, die Klasse ist so perfekt und wir sind alle die Braven, wir machen
alles perfekt, wir haben eine Super-Klassengemeinschaft.
S: Die Klassengemeinschaft hält überhaupt nicht zusammen, die einzige die neu gekommen
ist, die hat gleich gemerkt, dass unsere Klassengemeinschaft nicht die perfekteste ist.
S: Das passt überhaupt nicht zusammen.
S: Das kannst vergessen (SC2, FG3, Z1503).
Was die Lehrer/innen also nicht sehen können oder in seiner Bedeutung unterschätzen, ist
das aus Sicht der „coolen“ Schüler/innen gegebene Faktum, dass die Klasse nicht nur aus
„Braven“ besteht. Es klingt in der nächsten Textstelle auch an, dass die Lehrer/innen das
möglicherweise gerne glauben wollen, weil eine EVA-Klasse, für die ein so hoher Aufwand
betrieben wird, von der man sich so viel verspricht und die eine Art Versuchsballon für die
ganze Schule darstellt, eben gut funktionieren muss. Nicht alle Schüler/innen wollen aber als
brav bezeichnet werden bzw. brav sein, weil das nicht ihrer Vorstellung davon entspricht,
was für einen Dreizehnjährigen oder eine Dreizehnjährige als „normal“ gelten kann, wie sie
sagen. Brav sein ist eben, wie sie an anderer Stelle sagen, das Gegenteil von cool. Die
folgende Textstelle lässt eine Problematik erahnen, die mit dem EVA-Konzept für
Pubertierende zumindest tendenziell verbunden sein könnte. Die Schüler/innen stellen eine
eindeutige Verbindung her zwischen Freiarbeit, Bravsein und gutem Klassenklima.
S: Ja, genau. Ein Teil der Gruppe ist wirklich extrem brav.
S: Ja.
S: Es werden ein paar wieder ein bisschen normaler, aber es ist auch das, weswegen die
Lehrer das glauben. Sie glauben halt, wir halten durch dick und dünn zusammen.
IV: Warum glauben die das?
S: Weil wir eine Freiarbeit-Klasse sind.
S: Wir waren die erste brave Klasse (SC2, FG3, SZ1545).
Der Zusammenhang ist wohl so zu verstehen, dass das EVA-Modell, insbesondere die Form
der Freiarbeit ein hohes Maß an Commitment benötigt und erzeugt, also eine hohe
Übereinstimmung zwischen den individuellen Bedürfnissen und Zielen der einzelnen
Schüler/innen und jenen der Klassengemeinschaft und der Schule. Anders gesagt:
Abweichung und eventuell eine über Abweichung erzeugbare Individuierung ist in diesem
Konzept mehr oder weniger ausgeschlossen oder wird zumindest schwer gemacht. Denn
eine Freiarbeitsklasse ist per se eine brave Klasse, da sie sich an gemeinsame
Vereinbarungen hält. Nun scheint die Pubertät nach entwicklungspsychologischer
Auffassung eine Lebensphase zu sein, in der Identitätsaufbau mindestens so sehr über
Differenzierung wie über Identifikation läuft. Bis zu einem gewissen Grad benötigen
Pubertierende daher die Möglichkeit, durch Abweichungen aufzufallen, und zwar durch
Abweichungen, gegenüber denen das System nicht einfach indifferent ist, sondern die im
System auch als Abweichung behandelt werden. Anders gesagt: mit denen die
228

Pubertierenden in Konflikt geraten können. Um diese Möglichkeit zu gewährleisten, muss
das System daher über gute, kompetente, sozusagen für Streit hoch aufnahmefähige
Konfliktbearbeitungsmechanismen verfügen. Dazu gehören streitbare Lehrer/innen und
zivilisierte Formen des Streits. Einer der Lehrer/innen in Schule C formuliert diesbezüglich,
dass „Kuschelpädagogik allein nicht funktioniert“.
Die „coolen“ Schüler/innen deuten indessen an, dass das Bild der idealen
Klassengemeinschaft in der EVA-Klasse um den Preis erkauft wird, dass manche Konflikte
und Krisen ausgeblendet werden.
S: Deswegen checken sie [die Lehrer/innen] es auch nicht, wenn wir Probleme haben, z. B.
solche Krisen können sie auch nie lösen, weil sie glauben, wir halten eh wie Kleber
zusammen (SC2, FG3, Z1558).
Auch wenn die Schüler/innen an dieser und anderen Stellen sehr ausführlich über die
verschiedenen Formen der Konfliktbearbeitung in der EVA-Klasse berichten, wo dem
Konfliktmanagement dem Augenschein nach mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird als
üblich, werden offensichtlich jene Konflikte und Krisen nicht erfasst, die eben auch nur für die
klageführenden Schüler/innen, die den anderen im Reifungsprozess vorausgehen, gegeben
sind. Es scheint jedenfalls dieser kleine Unterschied zu sein in der Bewertung, wie weit das
Commitment denn gehen darf, wie viel Übereinstimmung denn tatsächlich notwendig und
wie viel Abweichung möglich ist, der innerhalb der Klasse gelegentlich zu Reibereien führt.
S: Aus kleinen Missverständnissen wird dann immer die Ur-Catcherei oder die Ur-Streiterei
zwischen denen. Einmal da wollte die A ihr irgend etwas sagen, dann hat sie das aber
mißverstanden und dann gab es wieder die Gruppenteilung.
S: Ja, genau.
S: Dann geht eine Gruppe auf die andere los (SC2, FG3, Z1294).
Da die Schüler/innen den Grund für ihre Auseinandersetzungen nicht zu begreifen scheinen,
behandeln sie die Ursachen als Missverständnisse. Unsere These wäre, dass das
„Missverstehen“ in Bezug darauf besteht, wie sehr ein pubertierender Mensch seine
Abweichungen und Auszeiten haben darf, wie weit man sich mit ihm in „Reibereien“
einlassen kann und will.
Es kommt aber etwas zweites hinzu, dass nämlich die EVA-Klasse im Schulganzen gerade
wegen ihres hohen Ausmaßes an Anpassung einen schlechten Ruf hat. Das verstärkt die
Differenz, die in der Klasse ohnehin schon wirksam ist.
229

Sonderstatus der EVA-Klasse, Benachteiligung der nicht-EVA-Klassen?
Eine letzte Anmerkung bezieht sich auf die Beobachtung, dass sich die Parallel-Klasse zur
EVA-Klasse gegenüber dieser benachteiligt fühlt. So erwähnen diese eine ganze Reihe von
Ereignissen, an denen die Benachteiligung sichtbar würde. So fiel etwa der geplante
Schikurs wegen des Lehrer/innen-Streiks aus. Auch der Schüler/innenaustausch wird aller
Wahrscheinlichkeit nach mit einer anderen Klasse durchgeführt, weil sie zu viele Mädchen
seien. Die Schüler/innen äußern sich enttäuscht über ihr Los.
S: Ich glaube überhaupt nicht mehr, dass irgend etwas zustande kommt, weil es meistens eh
nur platzt. Ich baue gar nicht mehr drauf und ich glaube das auch gar nicht, dass das
nächstes Jahr was wird.
S: Vielleicht machen sie dann nächstes Jahr wieder einen Lehrerstreik (SC1, FG3, Z1796).
S: Am Anfang des Schuljahres haben wir eigentlich jeden Lehrer gefragt, ob wir dieses Jahr
Exkursionen, Ausflüge machen. Die meisten Lehrer haben gesagt, jaja machen wir, das
können wir machen und das können wir machen und haben halt ein paar Sachen aufgezählt,
aber im Endeffekt waren wir bei einem Biobauern in Wien, das war toll (SC1, FG2, Z1622)!
S: Ich finde das unfair. Er hat gewusst, dass bei uns in der Klasse viele Mädchen sind und
wir haben uns schon alle ur-gefreut und so halt, dann sagt er, naja geht doch nicht (SC1,
FG2, Z1762).
Die Schüler/innen zählen andere Benachteiligungen gegenüber der EVA-Klasse auf, die
einen eigenen Computer hat, und sind mit der Projektvergabepolitik der Schule nicht
einverstanden.
S: Das sind bestimmte Klassen, die machen mehr Projekte und so. Aber warum machen die
Klassen mehr Projekte und warum haben nicht alle 3 Klassen Projekte, sondern nur eine
bestimmte halt.
S: Die dürfen auch die Lehrer duzen, also zu allen Lehrern bis auf zwei, glaube ich, du
sagen.
IV: Also die EVA-Klassen werden bevorzugt?
S: Mich stört es nicht, aber die tun so, als ob sie die braven Engeln und so sind (SC1, FG1,
Z603).
Ein wenig relativiert sich ihr Schicksal jedoch, wenn sie ihren Sozialstatus innerhalb der
Schule mit dem der EVA-Klasse vergleichen, die auf Grund ihrer Sonderstellung ein
zweifelhaftes Ansehen genießt.
S: Also ich wäre auch nicht gerne in einer EVA-Klasse, die sind eigentlich in der Schule eher
unbeliebt, weil die mehr Exkursionen machen, wesentlich mehr Exkursionen und auch von
den Lehrern meistens bevorzugt behandelt werden. Deshalb bin ich lieber in der normalen
Klasse. Es wäre natürlich schon super, wenn man Exkursionen macht, aber wenn man dann
bevorzugt wird und die anderen machen das einmal im Jahr, das ist dann irgendwie. Ich
230

meine, natürlich ist es dann super für einen selbst aber damit macht man sich auch
irgendwie unbeliebt (SC1, FG2, Z1948).
5.5 Unterstützung durch die Lehrer/innen
Abschließend soll noch einmal ein weiterer Vorteil der Schüler/innen in der Schule C betont
werden, der schon mehrmals angedeutet worden ist. Bei aller Behandlung der Schüler/innen
als gleichwertige, ernst zu nehmende Partner/innen im System darf ja nicht übersehen
werden, dass sie noch Jugendliche in Entwicklung sind und keine kleinen Erwachsenen. Sie
verfügen über viele Fertigkeiten und Kompetenzen, aber sie können auch immer wieder in
Situationen geraten, von deren Komplexität sie überfordert werden. Und es ist insbesondere
bei Dreizehnjährigen immer wieder damit zu rechnen, dass sie die Überforderung selbst gar
nicht oder erst sehr spät wahrnehmen können. Das System benötigt daher Mechanismen,
die in Fällen der Überforderung die notwendige Unterstützung bieten können. Damit ist nicht
das Vorhandensein von sogenannten Vertrauenslehrer/innen gemeint, sondern mehr noch
die Selbstverständlichkeit eines Stücks Schulkultur, dass diese wirklich ansprechbar sind
und gemeinsam mit Schüler/innen und Eltern zu guten Lösungen finden können. Die
Unterstützungsstruktur in der Schule C hat in diesem Sinne drei wesentliche Merkmale:
zunächst ist es so, dass Probleme proaktiv wahrgenommen und angesprochen werden, wo
das Verhalten der Schüler/innen auffällig ist, ohne darauf zu warten, dass die Schüler/innen
an die Lehrer/innen herantreten.
S: Ich glaube, es ist eigentlich immer so, dass die Lehrer die Schüler auf persönliche
Probleme ansprechen. Das finde ich eigentlich sehr gut, weil letztes Jahr zum Beispiel eine
Freundin von mir hat ziemlich oft Schule geschwänzt und da sind ziemlich viele Lehrer zu ihr
gekommen und haben sie gefragt, ob sie Probleme zu Hause hat. Sie hat auch finanzielle
Probleme gehabt und ob sie jetzt jemanden braucht zum Ausreden oder so. Das fand ich
eigentlich recht gut. (SC1, FG3, Z1635).
Weiters ist es so, dass die Schüler/innen das Gefühl haben können, wirklich jederzeit mit
Problemen an einen Lehrer oder an eine Lehrerin herantreten zu können, weil sie auf
verständnisvolle Ohren stoßen werden.
S: Die Frau Professor W. ist unser Klassenvorstand glaube ich, seit 5 Jahren. Da sind wir
dann zur Frau Professor W. gegangen und haben gefragt, was wir mit der machen sollen, so
kann das nicht weitergehen. Die hat da dann etwas eingeleitet, hat zuerst mit Frau Professor
L extern geredet, dann mit der Klasse, dann mit den Klassenlehrern und so weiter. Also, man
kann schon etwas machen. Wenn wirklich ein Problem ist, dann kann man drauf vertrauen,
daß irgendwelche Lehrer da sind, die da auch etwas unternehmen.(SC1, FG4, Z916).
231

Und schließlich werden die Probleme so weit wie möglich offen in der Gruppe der jeweils
Betroffenen behandelt. Die Schüler/innen beschreiben das als ein gutes Gelingen der
grundlegenden Schulgemeinschaft:
S: Was gut läuft in unserer Klasse ist, dass Eltern, Schüler, Lehrer gut in einem Team
zusammenarbeiten (SC2, FG3, Z482).
232

12 Vergleich
12.1 Mitgliedschaft und Stellung der Schulpartner in der Organisation
12.1.1 Charakterisierung der 3 Schulen
Die Detailanalysen der 3 Schulen wurden in Analogie zu anderen sozialen Systemen auf
eine Kurzformel gebracht, die unserer Meinung nach die jeweilige Schule charakterisieren
kann. Diese Typisierungen sollen modellhaft ausdrücken und zusammenfassen, welche
Grundkonstellationen in diesen Systemen vorherrschen. Wir halten sie daher für geeignet,
das weitere Verständnis der 3 Schulen anzuleiten.
Für Schule A haben wir das Modell einer stark hierarchisierten Bürokratie gewählt. Die
Schule ähnelt im klassischen Sinne einem Amt, welches bestimmte staatliche Interessen
verwaltet. Es verfügt über einen Amtsvorstand und dessen nachgereihte Dienststellen, die
Lehrer/innen, die quasi Anträge von berechtigten Leistungsempfänger/innen bearbeiten.
Schule B wurde im Modell eines Familienbetriebs beschrieben, was zugleich die
wirtschaftliche Orientierung der Schule, aber auch die herrschenden Machtverhältnisse gut
erfasst. Der Betrieb ist alteingesessen und traditionsgebunden. Maßgeblich im Sinne der
Führung sind die Interessen der Familienmitglieder, zu denen wir weder Schulleitung noch
Lehrer rechnen konnten.
Für Schule C wurde das Modell eines sozialpartnerschaftlich geführten Unternehmens
gewählt. Kennzeichnend ist, dass die unterschiedlichen Gruppierungen ihre jeweiligen
Interessen in mehr oder weniger festgelegte Verfahrensweisen einbringen können, die auf
die Herstellung einer optimalen Machtbalance gerichtet sind.
Im folgenden werden die Machtverhältnisse in den 3 Schulen einerseits vergleichend und
andererseits aus dem Verständnis dieser Analogien heraus beschrieben. Insbesondere
ermöglichen diese Analogien ein Verständnis der Auslegungen der verschiedenen Rollen im
System und deren Zusammenhang.
233

12.1.2 Die Stellung der Schulleitung
Für die Rolle der Schulleiter/innen ergeben sich dabei im Vergleich der 3 Schulen sehr
unterschiedliche Ausprägungen, die auf drei Differenzen zugespitzt werden können.
Zunächst ist die Differenz von Autorität und Einfluss von Bedeutung, die bereits im
Einleitungskapitel diskutiert worden ist. Die Differenz bearbeitet die Frage, wie weitreichend
und unwidersprochen der Machtbereich der Schulleitung ist, bzw., inwieweit sich die
Schulleitung auf Aushandlungen mit anderen einlassen muss. Eine zweite Differenz, die
daran unmittelbar anschließt, behandelt die Frage, ob die Wahrnehmung der
Führungsposition der Schulleitung aus Sicht der anderen stark oder schwach erfolgt.
Gemäß dieser beiden Differenzen zeigt sich, dass in Schule A die Schulleitung über eine
sehr weitreichende Autorität verfügt und diese auch für eine starke Performance nutzt. D.h.,
dass letztlich in allen Bereichen der Organisation nahezu zu jedem Zeitpunkt die
Schulleitung oder deren verlängerter Arm präsent ist oder sein kann und auf diese Weise
nahezu alle Entscheidungen an sich zieht. Diese Auffassung entspricht der, wenn man so
will, klassischen Vorstellung eines „starken Schuldirektors“, die auch in der
Gesundheitsförderung weit verbreitet ist und von der häufig geglaubt wird, dass sie für eine
Weiterentwicklung der Schule als Organisation notwendig sei. Demgegenüber glauben wir
gezeigt zu haben, dass viele Probleme der Schule A auf paradoxe und unerwartete Weise
gerade mit dieser Rollenauffassung zusammenhängen.
Für Schule B lautet der Befund, dass sich die Schulleitung auf ein vergleichsweise geringes
Maß an Einfluss zurückzieht, also über nur sehr wenig autoritative Möglichkeiten verfügt und
von diesen Möglichkeiten der Einflussnahme nur geringen Gebrauch macht. Wir haben das
als schwache Führung charakterisiert und aus dem Kontext des „Familienbetriebs mit einem
Geschäftsführer“ begründet gesehen.
Eine weitere Differenz unterscheidet diese beiden Schulen, und zwar auf der Dimension der
primären Orientierung der Führungsverantwortung. Während die Schulleitung A ihre
Führungsverantwortung sehr stark bei der Definition von Aufgaben sieht, was sich vor allem
in der Erfindung und Einführung einer großen Anzahl von Projekten und der Herausbildung
neuer Schulschwerpunkten niederschlägt, ist die Schulleitung B auf die Gestaltung von
Beziehungen fokussiert. Beide Schulen haben im jeweils entgegengesetzten Bereich
234

Probleme: die Schulleitung A ist mit Problemen auf der Beziehungsebene konfrontiert, mit
permanenten Regelverletzungen und Disziplinarvergehen, andererseits kann Schulleitung B
der Schule nicht die notwendigen und von den Schülern gewünschten Neuerungen und
Entwicklungen einleiten.
Dem Anschein nach haben wir hier zwei Führungs-Modelle vor uns, die gegensätzliche Pole
der Führungsverantwortung abdecken, nämlich eine stark autoritäre und eine nur schwach
einflussreiche Schulleitung, die beide aus Sicht von Empowerment und
Partizipationsbedürfnissen auf unterschiedliche Weise ungünstig sind.
Demgegenüber verbindet die Schulleitung C eine starke Performance bezogen auf
Einflussnahme mit einer pointierten Orientierung an Beziehungen bzw. an der sozialen
Gestaltung des Zusammenlebens in der Schule. Die Schulleitung verzichtet auf das
Ausspielen ihrer autoritären Möglichkeiten und beschränkt sich darauf Einfluss zu nehmen,
tut dies aber, wo es notwendig erscheint, und ermöglicht damit zugleich, dass andere
namentlich die Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern ebenfalls Einfluss nehmen können.
Durch die Federführung in einem die ganze Schule erfassenden Qualitätsprojekt kann die
Schulleitung C zugleich Entwicklungen einleiten und ihrer Kontrollverantwortung gerecht
werden.
12.1.3 Die Stellung der Lehrer/innen
Die Stellung der Lehrer/innen in ihren Schulen lässt sich anhand von vier Differenzen
erfassen.
Zunächst unterschieden sich die Schulen schon in der Frage, inwieweit die Lehrer/innen
überhaupt in die Organisation integriert sind. Es ist offenkundig geworden, dass die
Organisation der Schule B gewissermaßen über zwei Grenzen verfügt, eine engere und eine
weitere, und dass die Lehrer in die engere Formation des „Familienbetriebs“ nicht integriert
sind. Wir haben diesen Mangel mit dafür verantwortlich gemacht, dass das Verhältnis
zwischen den Lehrerinnen und Lehrern und den Schülerinnen und Schülern in Schule B als
ausgesprochen problematisch zu bezeichnen ist, da die Lehrer auf ihre Angestelltenrolle im
engeren Sinn reduziert werden und der innere Kreis, dem die Schüler angehören, ihnen
gegenüber wie ein Auftraggeber oder dessen Vertreter erscheint.
235

Die zweite Differenz bezieht sich auf die Organisation des Lehrkörpers, also darauf inwieweit
die einzelnen Lehrer/innen als Einzelkämpfer/innen oder eingebunden in eine Gruppe
agieren. Diese Differenz beschreibt vor allem einen Unterschied der Schulen A und B
gegenüber der Schule C. Nur in Schule C und dort vor allem in dem als C2 charakterisierten
Curriculum des Eigenverantwortlichen Arbeitens (EVA) entsteht der Eindruck, dass die
Lehrer/innen als koordinierte Gruppe agieren und auch ihre Interessen innerhalb der Schule
als Gruppe wahrnehmen. Im Gegensatz zu den Schulen A und B haben die Lehrer/innen in
Schule C daher in Bezug auf Machtverhältnisse eine vergleichsweise starke Position, sowohl
gegenüber der Schulleitung wie auch gegenüber den Eltern. Das ermöglicht es dem
einzelnen bei Problemen und Krisen gelassen und in Bezug auf die Durchsetzung eigener
Interessen zuversichtlich zu sein.
Nicht zuletzt drücken sich Macht und Ohnmacht von Lehrerinnen und Lehrern darin aus,
wieviel Gestaltungsmöglichkeiten sie in Bezug auf ihren Unterricht haben. Insbesondere geht
es dabei um die Möglichkeit den Unterricht weiter zu entwickeln, modernere Methoden
auszuprobieren, neue Formen einzuführen und Exkursionen und Projekte frei durchführen zu
können oder in einem relativ eng definierten Korsett agieren zu müssen. Diese Unterschiede
können in der Differenz Freiraum versus Normierung begriffen werden und unterscheiden
vor allem die Schulen C und B. Die Schule A liegt diesbezüglich in gewisser Weise
dazwischen. Während die Lehrer in B auf eine rigide Tradition verpflichtet werden, da seitens
des Schulerhalters und der Schulleitung Reservation gegenüber Neuerungen besteht, ist
Schule C gerade davon geprägt, dass ein Gutteil der Lehrer/innen neue moderne
Unterrichtsformen (Montessori, EVA, offenes Lernen u.a.) in Kursen erlernt haben und in die
tägliche Praxis einbringen. Nicht zuletzt das EVA-Konzept erlaubt den Lehrerinnen und
Lehrern – ebenso wie Schülerinnen und Schülern und Eltern! – auf neue Weise
Lernerfahrungen zu machen. Es scheint also, dass nicht nur die Teilhabe an
Machtprozessen zwischen den beteiligten Gruppen zu balancieren ist, sondern auch die
Verteilung der Freiräume. Diese Einsicht verändert das Verhältnis zwischen Schülerinnen
und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern nachhaltig.
Schließlich lassen sich die verschiedenen Ausprägungen der Rollen der Lehrer/innen in den
drei Schulen nach dem Ausmaß unterscheiden, in dem die Lehrer/innen Verantwortung
übernehmen: entweder nur für ihren jeweils eigenen Bereich oder für Fragen des
Schulganzen. Auch diesbezüglich unterscheidet sich Schule C positiv von den anderen
beiden, was sich am Beispiel des „Umweltpräsidenten“ und des Qualitätsprojektes ideal
illustrieren lässt.
236

Resümierend für die Rolle der Lehrer/innen in einer partizipativ hochentwickelten Schule
halten wir fest:
• Die Lehrer/innen sind gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern die zentralen
Akteurinnen und Akteure in der Schule. Barrieren ihrer Integration im Sinne der
Teilnahme an allen Schulfragen erscheinen als hinderlich.
• Es ist wichtig dass sich die Lehrer/innen als Gruppe begreifen und nicht nur als
Einzelkämpfer/innen. Wir finden eine höhere Arbeitszufriedenheit und ein besseres
Verhältnis zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern wo die
Lehrer/innen den Rückhalt ihrer Gruppe haben.
• Es ist günstig für die Partizipation der Schüler/innen, wenn die Lehrer/innen über
Freiräume verfügen, wenn sie ihre Vorstellungen von Unterricht gezielt realisieren
können.
• Es erweist sich als günstig, wenn die Lehrer/innen für die Schule als Ganzes und nicht
nur für ihren unmittelbaren Bereich Verantwortung übernehmen.
Nur die Lehrer/innen in Schule C erfüllen alle vier genannten Punkte zumindest ein gutes
Stück weit.
Diese Erkenntnisse decken sich teilweise mit bekannten Einsichten, wie sie etwa zuletzt
auch von der PISA-Studie (Programme for international Student Assessment) der OECD
beschrieben wurden. Auch dort werden die Qualität der pädagogischen Arbeit durch Weiter-
Qualifizierung der Lehrer/innen, Engagement und Moral für das Schulganze betont (PISA
2000). Auch Müller (1996) betont die Notwendigkeit der Weiterbildung der Lehrer/innen und
ihres Auftretens als autonome Gruppe für das Gelingen von Qualitätsprozessen in der
Schule. Ähnlich auch die Ergebnisse der TIMSS-Studie, in der die Verbesserung der Qualität
des Unterrichts u.a. von Teamarbeit und Koordination der Lehrer/innen abhängig gemacht
wird.
12.1.4 Die Stellung der Eltern
Im Vergleich der 3 Schulen scheinen für die Beschreibung der Partizipation der Eltern drei
Unterschiede von Bedeutung zu sein:
Die erste Unterscheidung bezieht sich darauf, ob und in welchem Ausmaß die Eltern
überhaupt am Schulgeschehen teilnehmen. Man kann das systemisch auch auf die Frage
bringen, ob die Eltern eher von innen oder von außen partizipieren, bzw., ob das System
237

intern für die Eltern Kommunikations-Möglichkeiten vorgesehen hat. In Schule A scheint dies
nur unzureichend der Fall zu sein. Die Eltern spielen dort weder für die Lehrer/innen und die
Schulleitung noch aus Sicht der Schüler/innen eine bedeutsame Rolle. Die Eltern werden
immer nur im Zusammenhang damit genannt, dass Schüler/innen zu disziplinieren waren.
Die Eltern erscheinen im System daher allenfalls im Sinne eines Schreckgespenstes.
In den Schulen B und C ist dies hingegen durchaus der Fall, allerdings auf sehr
unterschiedliche Weise. In Schule B intervenieren die Eltern im Regelfall einzeln und mit
einer individuellen Zielsetzung. Interventionspunkt ist zumeist nicht „die“ Schule, sondern
einzelne Lehrer/innen oder die Schulleitung. Dies trägt wesentlich zur Fragmentierung der
Beziehungen in der Schule bei und verdunkelt reale Machtverhältnisse.
In Schule C dagegen – jedenfalls was das als C2 bezeichnete Curriculum betrifft – erfolgt die
Einbindung der Eltern bzw. deren Interventionen häufig in einer koordinierten Form als
Gruppe. Dies trägt wesentlich dazu bei, dass die Machtverhältnisse in der Schule C
ausbalanciert werden können, so dass keine Gruppierung und auch kein Einzelner
befürchten muss, systematisch übergangen oder benachteiligt zu werden. Die Richtigkeit
dieser These bestätigt sich in Schule C selbst: durch den Vergleich von C2 mit C1, dem
normalen Curriculum, in das die Eltern wesentlich schlechter eingebunden sind und in dem
die Schüler/innen sich entsprechend benachteiligt fühlen.
Eine dritte Differenz scheint für die Elternpartizipation von Bedeutung zu sein, und das ist die
Frage nach dem Ziel ihrer Interventionen. Während in Schule B die individuell angesetzten
Interventionen individuellen Zielen dienen, nämlich die Benotung oder die Vermeidung einer
Bestrafung für einen Schüler, ist ein Gutteil der Elterninterventionen auf das Gesamtwohl der
Klasse, gelegentlich auch der Schule gerichtet. Erst dadurch, indem sie die
Gesamtverantwortung mittragen, erweisen sich die Eltern als vertrauenswürdige und
zuverlässige Partner. Auch hier geht es nicht nur um die Verteilung von Machtkompetenz,
sondern eben auch um die Übernahme von Verantwortung in der Schulgemeinschaft.
12.1.5 Die Stellung der Schüler/innen
Zur Erfassung der Partizipation der Schüler/innen an der Schule scheinen auf Grund der
Detailanalysen der einzelnen Schulen vier Dimensionen von Bedeutung zu sein.
238

Die erste Dimension definiert die Legitimität des Anspruchs auf Partizipation. Damit ist auch
mitgesetzt, in welcher Weise die Schüler/innen in die Schule integriert sind. Mit Rückgriff auf
die analogen Charakterisierungen können die Schüler/innen in Schule A als
Antragstellter/innen, als Leistungsempfänger/innen oder als Bittsteller/innen gegenüber einer
staatlichen Behörde verstanden werden. Im „Familienbetrieb“ der Schule B sind sie
einerseits Vertreter der auftraggebenden Eltern und andererseits gegenüber den
dienstleistenden Lehrern Kunden. In Schule C erscheinen sie als von eigenen Interessen
geleitete Partner/innen in einem gemeinsamen Prozess – als Ko-Produzent/innen. Für die
Legitimität des Anspruchs auf Partizipation ergeben sich daraus sehr unterschiedliche
Konsequenzen, die zunächst in der Differenz gefasst werden, die unterscheidet, ob
Partizipation von anderen zugestanden wird oder durch eigenes Tun erworben werden kann.
In Schule A wird den Schülerinnen und Schülern die Teilnahme an der Schule, eigentlich
schon das bloße Anwesendsein in der Schule quasi behördlicherseits zugestanden. Die
Schüler/innen können ihre Legitimität nicht selbst erwerben, sie sind daher gleichsam zu
jedem Zeitpunkt kündbar in dem Sinne, als ihnen die Legitimität entzogen werden kann.
Schlechte Schulleistungen und Disziplinarvergehen erhalten von daher eine existentielle
Bedeutung. In einer alten soziologischen Tradition würde man diesen Zustand des
Ausgeliefert-seins als Entfremdung bezeichnen. Nur durch ein hohes Maß an Anpassung an
diese Voraussetzung, durch Gehorsam gegenüber den Reglementierungen der
Hausordnung sowie gegenüber den Lernerfordernissen können sich die Schüler/innen den
Verbleib an der Schule sichern.
Die Legitimität zur Teilnahme an Schule B wird von den Eltern der Schüler durch einen
Vertrag und Zahlung eines monatlichen Geldbetrages erworben. Die Schüler müssen daher
nicht fürchten, ohne wirklich triftigen Grund von der Schule gewiesen zu werden. Durch die
besondere Konstellation dieser Schule erscheinen die Schüler gegenüber dem Lehrer sogar
als Auftraggebervertreter und ruhen gelassen in ihrer Rolle als Kunden.
In Schule C wird die Legitimation zur Teilnahme ebenfalls erworben, allerdings nicht ein für
allemal durch einen einfachen Zahlungsakt, sondern durch die aktive Teilnahme an
bestimmten Verfahren. Dieses Modell ist systemisch–zirkulär gebaut: wer an den Verfahren
teilnimmt, erwirbt Integration und Partizipation, das aber auch nur für die Dauer der
Teilnahme, wer daran nicht teilnimmt, erwirbt dies nicht. Der Erwerb von Legitimität liegt also
ganz in den Händen der Schüler/innen selbst. Allerdings – und auch darauf ist schon
mehrfach hingewiesen worden – gilt dies nur unter der Bedingung, dass Verfahren zur
239

Partizipation angeboten werden. Wo das nicht oder nur teilweise der Fall ist, wie im Teil C1,
besteht für die Schüler/innen eben auch keine Möglichkeit Legitimation zu erwerben.
Daran schließt die zweite Dimension unmittelbar an, bei der es darum geht, inwieweit die
legitimierte Teilnahme an schulischen Prozessen mit der Übernahme von Mitverantwortung
für diese Prozesse gekoppelt ist. Letztlich betrifft das die Frage, inwieweit es Teil der Rolle
der Schüler/innen ist, für die Qualität des Kernprozesses, also ihres eigenen Lernens
verantwortlich zu sein.
Diese Frage scheint in Schule A überhaupt nicht aufzutauchen und daher auch nicht
bearbeitet zu werden. Weder werden dort Probleme mit der Qualität der Lehrer/innen
thematisiert, noch umgekehrt die Schüler/innen in Form eines gesteigerten Lerndrucks zur
Wahrnehmung ihrer Verantwortung gemahnt. Es ist vielleicht kein Zufall, dass in Schule A
das begonnene Qualitätsprojekt, wie es scheint, sang- und klanglos entschlafen ist. Ein
gelungenes Projekt ist ja im Prinzip unabschließbar (vgl. Müller 1996).
In Schule B wird die Verantwortung für die Qualität des Kernprozesses zwischen Schülern
und Lehrern hin und her geschoben. Es gibt also keinen klaren Adressaten für dieses
Problem. Als Teil der Schülerrolle erscheint es indessen, dass die Schüler gewissermaßen in
Vertretung der Auftraggeber des Systems bei den Lehrern Qualität einfordern. Die Reaktion
der Lehrer besteht offenbar hauptsächlich darin, Lehrstoff und Lehrtempo zu erhöhen, was
dem Qualitätsruf der Schüler natürlich nicht gerecht werden kann. Die Schüler fühlen sich
also einerseits für die Qualität verantwortlich, aber das führt eben nur dazu, dass sie den
Mangel an Qualität auf Seiten der Lehrer konstatieren.
Auch in Schule C fühlen sich die Schüler/innen für die Qualität des Kernprozesses ein Stück
weit mitverantwortlich. Auch das gilt wieder mehr für den EVA geleiteten Teil C2 als für die
anderen Teile. Da der Kernprozess als Kooperation ausgelegt wird, ist klar, dass die
Verantwortung als eine geteilte begriffen wird. Die Schüler/innen haben nicht nur
Erwartungen an sich selbst, sondern auch an die Lehrer/innen. Der Unterschied im Verhalten
zu A und B ist am Beispiel des Zuspät kommens von Lehrerinnen und Lehrern gut
illustrierbar. Während die Schüler/innen in der Schule A das Zu spät Kommen von
Lehrerinnen und Lehrern am liebsten ignorieren möchten und die Schüler in Schule B sich
über einen verspäteten Unterrichtsbeginn sogar eher freuen, klagen die Schüler/innen in
Schule C Pünktlichkeit ein. Ein weiters Beispiel: während die Schüler in Schule B die Qualität
einiger Lehrer bemängeln, ohne etwas dagegen zu tun, konnten die Schüler/innen in Schule
240

C eine ihnen in der Qualität nicht gemäße Lehrerin durch aktive Interventionen ersetzen
lassen.
Darin spiegeln sich auch Unterschiede in der dritten Dimension, die uns von Bedeutung
erscheint, nämlich der Gestaltung der Rolle der Schüler/innen. In den Schulen A und B
herrscht ein vergleichsweise rigides Bild eines Musterschülers vor, an dem sich die
Schüler/innen zu orientieren haben. Dieses Bild ist geprägt von Disziplin auf der einen Seite
und Lernleistung auf der anderen Seite. Aus Sicht der Schüler/innen heißt das, dass ihre
Möglichkeiten der individuellen Rollengestaltung durch verschiedene Normierungen
eingeengt werden. Individuelle Formen des Lernens, des Umgangs mit Lehrstoff, des
Aufenthalts in der Klasse, des Sich- einfügens in die Schule sind eingeschränkt.
Demgegenüber sind den Schülerinnen und Schülern in der Schule C Möglichkeiten zur
individuellen Gestaltung eingeräumt, sowohl was den Kernprozess anbelangt als auch was
die Pausengestaltung betrifft. Freiräume zu haben heißt indessen nicht, dass jeder tun und
lassen kann was er will. Auch die C-Schüler/innen müssen sich innerhalb eines Rahmens
bewegen, der allerdings mit ihnen kommuniziert und verhandelt wird.
Die letzte Dimension kreist um die Frage, inwieweit die Schüler/innen bei der Erfüllung ihrer
Rolle von der Schule insbesodere durch die Lehrer/innen, Unterstützung erhalten. Hier lautet
der einfache Befund, dass die A-Schüler/innen wenig, die B-Schüler nur lerntechnische, und
die C-Schüler/innen ein gutes Maß an lerntechnischer und sozialer Unterstützung erhalten.
Zusammenfassend für die vier Dimensionen der Stellung der Schüler/innen in der Schule
kann gesagt werden, dass wiederum nur die Schule C über die jeweils günstige Ausprägung
der Dimension verfügt: Die Schüler/innen erwerben Legitimation durch eigenes Tun in Form
der Teilnahme an gegebenen Verfahrensweisen, sie teilen mit den Lehrerinnen und Lehrern
die Verantwortung für die Qualität des Kernprozesses, sie bekommen für die individuelle
Gestaltung ihrer Rolle als Schüler/innen Freiräume zugestanden und sie werden in der
Nutzung dieser Freiräume sowohl lerntechnisch wie auch sozial unterstützt.
12.2 Die Qualität der sozialen Beziehungen
12.2.1 Beschwerden
Im Vergleich der 3 Schulen erweist sich in Hinblick auf die Qualität des Schulklimas bzw. der
sozialen Beziehungen und deren Bedeutung für die Partizipation der Schüler/innen vor allem
241

eine Dimension als trennscharf, die um die Frage kristallisiert, wie die Schulen mit
Unzufriedenheiten und Problemen der Schüler/innen umgehen, die sich in Plagen und
Beschwerden niederschlagen.
Systemisch betrachtet markieren Beschwerden jene Stellen in Prozessen, an denen
Partizipation gerade nicht stattfindet oder nicht möglich ist. Denn beschweren kann man sich
nur über etwas, das man nicht selbst verschuldet hat, bei jemandem, der dafür die
Verantwortung trägt. Sonst müsste man sich selber bei der Nase nehmen. So zum Beispiel
kann man sich über das Verhalten von Lehrerinnen und Lehrern nur insofern beklagen, als
dieses Verhalten nicht gemeinsamen Verabredungen oder Erwartungen entspricht. Oder
man kann sich über das Fehlen einer Sache nur beschweren, wenn man nicht selbst für
deren Vorhanden-sein zuständig wäre. Beschwerden treten insofern nur dort auf, wo die
eigene Handlungs- und Entscheidungskompetenz der Beschwerdeführer/innen endet, bzw.,
wo die Einflussmöglichkeiten beschränkt sind. Insofern markieren Beschwerden einen
Mangel an Partizipation, ob der nun gerechtfertigt und sinnvoll sein mag oder nicht.
Indem nun die Beschwerde innerhalb des Systems erhoben, erfolgt gewissermaßen eine
Kompensation dieses Mangels. Oder anders gesagt: die ausgeschlossene Möglichkeit der
Mitbestimmung wird durch eine Beschwerde wieder in das System hereingeholt. So gelesen,
sind Beschwerden gewissermaßen Indikatoren für das Ausmaß der Partizipativität eines
Systems. An der Anzahl an Beschwerden, ist das Ausmaß des Mangels an partizipativen
Möglichkeiten ablesbar.
Die entscheidende Differenz in Bezug auf diese Dimension, die sich uns aus der Analyse der
drei Schulen ergibt, bezieht sich nun darauf, in welcher Form das System intern
Beschwerden zulässt und erfasst. Diese Differenz entscheidet zugleich darüber mit, ob und
inwieweit ein System lernfähig ist bzw. Lernprozesse aktiv betreibt. Denn, wie ein alter
Slogan des Qualitätsdiskurses besagt: „Fehler sind Schätze“.
In den Schulen A und B ist ein sehr ähnlicher Mechanismus vorherrschend. In beiden
Schulen werden Beschwerden der Schüler/innen entweder auf die Ebene der Schüler/innen
zurück verwiesen oder aber durch Einzelgespräche fragmentiert. Die häufigste Form ist wohl
die, dass die Beschwerden nur innerhalb der Schüler/innen selbst kommuniziert und
ausgetragen werden. In Schule A geschieht dies unter sehr bewusster Einbeziehung der
Klassensprecherin. Daneben besteht die Möglichkeit, zu einigen wenigen Lehrerinnen und
Lehrern Kontakt aufzunehmen und letztlich in vier Augengesprächen Beschwerden zu
bearbeiten.
242

In Schule B bleiben die Beschwerden ebenfalls im Kreis der Schüler. Dort ist es geradezu
ein Standard geworden, die Probleme und Unzufriedenheiten nicht mit den Lehrern zu
besprechen. Schüler, die das dennoch tun, laufen Gefahr als „uncool“ zu gelten. Die
Möglichkeit, Lehrer und Schulleitung anzusprechen, besteht auch hier, die Schüler machen
davon allerdings nur raren Gebrauch.
Für beide Schulen gilt also, dass Beschwerden und Unzufriedenheiten auf der Ebene der
Schüler/innen gesammelt und kommuniziert werden, wo sie entweder heißlaufen oder
gefriergetrocknet werden. Dementsprechend ist das Klassenklima in beiden Schulen gestört,
und die Schule vergibt sich viele Möglichkeiten, aus Fehlern zu lernen und
Qualitätsverbesserungen vorzunehmen.
Anders wird in Schule C mit Beschwerden umgegangen. Durch die intensive Anwesenheit
einer Unternehmensberaterfirma vor einigen Jahren scheint die Schule C noch am ehesten
gelernt zu haben, Beschwerden als Verbesserungsimpuls zu verwenden. So gibt es in
Schule C ein etabliertes Beschwerdesystem, durch das Beschwerden der Schüler/innen
aktiv abgeholt und im System konsequent behandelt werden, wobei alle Ebenen von der
Schüler/innenvertretung bis zur Schulleitung potentiell involviert sind.
243

Tabelle 17: Übersicht über die Mitgliedschaft und Stellung der Schulpartern/innen in
der Organisation und die Qualität der Beziehungen in den 3 Schulen
Dimension Schule A Schule B Schule C
1 Mitgliedschaft und Stellung der Schulpartern/innen
Charakterisierung Amt Familienbetrieb sozialpartnerschaftliches
Unternehmen
Stellung der
Schulleitung
• Autorität/Einfluss
• stark/schwache
Nutzung
• Aufgaben/Bezieh-
ungsorientiert
Stellung der
Lehrer/innen
• Integration
• Einzel/Gruppenar
beit
• Freiräume oder
Norm
• Verantwortung für
den eigenen
Unterricht/für das
Schulganze
Stellung der Eltern
• innen/außen
• Einzel/Gruppenintervention
• Ziel der
Intervention
Stellung der
Schüler/innen
• Legitimität
erworben/zugestanden
• Mitverantwortung
• Gestaltung der
Schülerrolle
• Unterstützung
2 Beziehungen
Beschwerden
Autorität
starke Nutzung
Aufgabenorientiert
integriert
Einzel- und
Gruppenarbeit
Freiräume/Norm
eigenen Unterricht
außen
Einzelintervention
einzelne
Schüler/innen
zugestanden
nein
normiert
wenig
Schüler/innenebene
und Einzelgespräche
244
Einfluss
schwache Nutzung
Beziehungsorientiert
nicht integriert
Einzelarbeit
Norm
eigenen Unterricht
innen
Einzelintervention
einzelner Schüler
erworben durch
Bezahlung
ja/nein
normiert
lerntechnisch
Schülerebene und
Einzelgespräche
Einfluss
starke Nutzung
Beziehungsorientiert
integriert
Gruppenarbeit
Freiräume
Schulganze
innen
Gruppenintervention
Klasse/Gruppe
erworben durch Teilnahme
an einem
Verfahren
ja
Gestaltungsspielräume
lerntechnisch und
sozial
Beschwerdesystem
alle Ebenen involviert

13 Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Studie „Partizipation und Empowerment in der Schule und die Gesundheit von
Schüler/innen“ hat eine doppelte Fragestellung bearbeitet, die im ersten Teil mit einer
quantitativen, im zweiten mit einer qualitativen Analyse bearbeitet wurde.
Im quantitativen Teil wurden die Daten der 15-jährigen Schüler/innen aus der WHO-HBSC-
Studie von 1998 (n = 1.419) statistisch hochwertigen Analyseverfahren unterzogen mit dem
Ziel, den Einfluss von Partizipation und Empowerment in der Schule auf die Gesundheit der
Schüler/innen zu überprüfen. Als Outcome-Variable wurden die selbstberichtete oder
subjektive Gesundheit und die Häufigkeit des Zigarettenkonsums genommen.
Grafik 1: Kausalmodell der untersuchten Zusammenhänge zwischen der Gesundheit
und dem Zigarettenkonsum von 15-jährigen Schüler/innen und makrosoziologischen,
mesosoziologischen und individuellen Einflussfaktoren
Makroebene Mesoebene Individuum
soziale
Schicht
Geschlecht
Wohnort
Stadt/Land
Familie
Gesprächsklima
Hilfe
Peergruppen
Freunde haben
Hilfe
Schule
Partizipation
Lehrerhilfe
Klassenklima
Ausgangspunkt der Analysen ist die Frage, inwieweit Unterschiede im Gesundheitszustand
der Kinder tatsächlich der Schule zugeschrieben werden können und nicht im Elternhaus, in
der Schichtzugehörigkeit, im Freundeskreis, im individuellen Gesundheitsverhalten oder in
den individuellen psychologischen Fähigkeiten der Kinder gesucht werden müssen.
245
Subjektive
Gesundheit
--------
Zigaretten
Konsum
Kohärenz-
Sinn
Selbstwirksamkeit

Dem liegt die vor allem im Schulsektor diskutierte Hypothese zugrunde, dass Unterschiede
im Outcome der Schulen mehr auf Unterschiede in der Zusammensetzung ihrer
Schülerpopulationen zurückzuführen seien und weniger auf die Performance der Schulen
selber.
Um diesbezüglich zu gültigen Aussagen zu gelangen, wurden die Einflüsse der anderen,
ebenfalls wichtigen Gesundheitsdeterminanten konstant gehalten, indem multiple lineare
Regressionsmodelle und Modelle der Mehrebenenanalyse berechnet wurden. Mit diesen
Methoden können die Wirkungen der Schule von den Wirkungen familiärer, geschlechtlicher,
schichtmäßiger etc. Einflüsse isoliert werden.
Grafik 2: Theoretisches Modell für die Mehrebenenanalysen: es wurde der
Zusammenhang zwischen der subjektiven Gesundheit und den gesundheitsrelevanten
Faktoren auf Schulebene (Partizipation, Empowerment, Lehrerunterstützung,
Klassenklima, Stress) für jede einbezogene Schule untersucht, wobei jeweils die
Faktoren für Familie (mit den Eltern reden können, Hilfe erhalten), Freundeskreise
(Freunde haben, Hilfe erhalten) und Persönlichkeit (Kohärenzsinn, Selbstwirksamkeit)
berücksichtigt wurden. Auf diese Weise wurde geprüft, ob die Verteilung der Variable
Gesundheit in einer Schule der Verteilung einer der anderen Variablen (oder allen
zusammen) entspricht oder mit genuin schulspezifischen Variablen zusammenhängt.
Gesundheits
-relevante
Faktoren auf
Schulebene
In geringem
Ausmaß
gegeben
Prozentanteil der 15-jährigen Schüler/innen mit
sehr guter Gesundheit pro Schule
In großem
Ausmaß
gegeben
Einzelne Schulen, deren
Schüler/innen befragt wurden
Gesundheitsrelevante Faktoren der
Familie, Freundeskreise, Persönlichkeit
246
In großem
Ausmaß
gegeben
Wenn beispielsweise galt, das jene Schüler/innen sich selbst ein höheres Ausmaß an
Gesundheit zuschreiben, die zugleich sagen, dass sie in der Schule ausreichend
Unterstützung finden, dann war zu prüfen, ob die gesunde und gut unterstützte Gruppe nicht
einfach aus günstigeren familiären Verhältnissen stammte, über bessere psychologische
Copingfähigkeiten verfügte oder andere Vorteile gegenüber der ungesunden, schlecht

unterstützten Gruppe aufwies, von denen die bessere Gesundheit ebenso wie die Bewertung
der Schulqualität abhängen können.
Als Ergebnis kann thesenhaft festgehalten werden:
1) Schule ist nicht gleich Schule
Schulen lassen sich nach dem Ausmaß der selbstbewerteten Gesundheit ihrer Schüler/innen
ebenso wie nach Merkmalen ihrer Organisationskultur unterscheiden. Es gibt Schulen mit
durchschnittlich sehr gesunden und solche mit durchschnittlich weniger gesunden Kindern.
Ebenso gibt es Schulen mit einem von Schüler/innen eher positiv und andere mit einem von
Schüler/innen eher negativ bewerteten Organisationsklima.
2) Schule und Gesundheit der Kinder hängen zusammen
Zwischen beiden Merkmalen – Gesundheit und Organisationsklima – besteht ein statistisch
signifikanter Zusammenhang: Schulen mit einem positiv bewerteten Klima weisen auch
signifikant häufiger gesunde Kinder auf und umgekehrt.
3) Der Einfluss der Schulen auf die Gesundheit ist von anderen Faktoren unabhängig
Dieser Zusammenhang besteht, wie die weiteren Modellrechnungen der
Mehrebenenanalyse zeigen, unabhängig davon, welchen anderen gesundheitlichen
Einflüssen die Schüler/innen daneben sonst noch in Familie oder Freizeit ausgesetzt sind,
und auch unabhängig davon, welchen sozioökonomischen Hintergrund die Schüler/innen
einer Schule durchschnittlich aufweisen und über welche psychologischen Fähigkeiten sie
verfügen. Wenn alle diese Faktoren rechnerisch konstant gehalten werden, bleibt noch
immer ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Bewertung der eigenen Gesundheit
und der Bewertung der Qualität der Schule durch die Schüler/innen bestehen. Dieser
Zusammenhang kann also nicht durch Rekurs auf die Kovarianz mit familiären,
sozioökonomischen, gesundheitsverhaltensmäßigen oder psychologischen Faktoren erklärt
werden.
Mit anderen Worten: Schulen, deren Schüler/innen ein unterdurchschnittlich hohes
Gesundheitsempfinden aufweisen (= deren Schüler/innen die eigene Gesundheit tendenziell
als nicht sehr gut einschätzen), tragen dazu auch durch schulimmanente Faktoren bei.
4) Der Enfluss der Schulen auf die Gesundheit ist vergleichsweise groß
Im Vergleich mit Faktoren der Familie, der Peer-Gruppe und der sozialen Schicht hat die
Schule in positiver Richtung sogar einen durchaus starken Einfuss: günstige
247

Schulerfahrungen können die Gesundheit der 15-Jährigen besser fördern und stärken als die
Familie, die ebenfalls positiv assoziiert ist, oder die Peergruppe, die nur einen schwach
positiven Einfluss hat, da die günstigen Effekte der Integration häufig durch vermehrten
Konsum von Zigaretten und Alkohol konterkariert werden.
5) Am stärksten hängt die Gesundheit der Schüler/innen von ihren psychologischen
Fähigkeiten ab
Den stärksten Einfluss auf die Gesundheit haben Persönlichkeitsmerkmale wie der
Kohärenzsinn und die Selbstwirksamkeit (Coping-Fähigkeit). Der Kohärenzsinn ist bei
Kindern hoch, die das Leben insgesamt als sinnvoll erleben, sich in ihrer Umwelt
zurechtfinden können und vertrauensvoll und zuversichtlich in die Zukunft blicken.
Selbstwirksamkeit bezeichnet die Fähigkeit und das Vertrauen, mit auftretenden Problemen
fertig werden zu können, sei es durch eigene Aktion oder durch bereitgestellte Hilfe. Defizite
in diesen Bereichen wirken sich am gravierendsten negativ aus.
Auch hier spielt die Schule jedoch eine Rolle als relevante Umwelt der Kinder: sie kann das
Sinnerleben ebenso günstig beeinflussen, wie sie das Vertrauen in die Problemverarbeitung
stärken kann, indem sie entsprechende Hilfen und Trainings anbietet. Bis zu einem gewissen
Grad kann die Schule Defizite auf der persönlichen Ebene, die in der Sozialisation
entstanden sind, kompensieren.
Ähnliches gilt auch für Defizite, die mit der Schichtzugehörigkeit und dem Geschlecht der
Schüler/innen zusammenhängen. Auch hier kann die Schule im positiven Sinn etwas dazu
beitragen, gesundheitliche Nachteile, die daraus resultieren, ein Stück weit zu kompensieren.
6) Wichtig sind vor allem die Unterstützung durch Lehrer/innen und das Klassenklima
Die Schule erzeugt ihren positiven Einfluss (wenn sie ihn erzeugt) vor allem durch zwei
Faktoren:
a) dadurch, dass die Lehrer/innen den Schülerinnen und Schülern für die Bewältigung ihrer
Aufgaben ausreichend lerntechnische und soziale Unterstützung zukommen lassen und
so – bei aller Herausforderung – Überforderungen zu vermeiden helfen;
b) durch ein kooperatives Klassenklima (Beziehung zwischen den Schülerinnen und
Schülern). Neben den Formen der gegenseitigen Unterstützung geht es hier vor allem
um einen freundlichen, respektvollen Umgang miteinander.
248

7) Die Schule muss in ihren Wirkungen jedoch als Ganzes gesehen werden
Andere Faktoren auf der Schulebene erwiesen sich ebenfalls, aber in geringerem Ausmaß
als bedeutsam: so die formalen demokratischen Möglichkeiten der Mitbestimmung und
Mitgestaltung oder das Gefühl der Schüler/innen, durch schulische Anforderungen kaum
oder stark belastet zu sein. In Gestaltungen (des Klassenzimmers, von Schulaktivitäten ...)
einbezogene und wenig belastete Kinder bewerten ihre Gesundheit signifikant besser. Die
einzelnen Faktoren auf Schulebene hängen aber stark miteinander zusammen. Es scheint
daher so zu sein, dass die Schule durch die Gesamtheit ihrer Organisationskultur die
Gesundheit der Schüler/innen günstig oder ungünstig beeinflussen kann.
8) Was für Gesundheit gilt, gilt auch für das Rauchverhalten
Ähnlich sind die Ergebnisse zum Thema Rauchen: auch hier hat die Schule vor allem durch
den Faktor „Unterstützung durch Lehrer/innen“ einen sehr starken statistischen Einfluss in
dem Sinn, dass 15-jährige Schüler/innen, die sich von ihren Lehrerinnen und Lehrern gut
unterstützt fühlen, auch signifikant seltener rauchen.
Grafik 3: Scatterplot für die Verteilung der Schulen nach dem Prozentanteil an sehr
gesunden Schüler/innen und dem Ausmaß der von den Schüler/innen
wahrgenommenen Unterstützung durch Lehrer/innen. Man sieht, dass Schulen mit
höherem Ausmaß an Unterstützung in der Tendenz auch einen höheren
Gesundheitsdurchschnitt aufweisen.
80%
60%
40%
20%
0%
-10%
Subjektive Gesundheit 100%
0%
Lehrerunterstützung
10%
20%
Die Indikatoren zur Beschreibung der Schule als Organisation sind auf der Ebene des
Fragebogens notwendigerweise abstrakt und messen nur punktuell. Man kann daher auf
dieser Grundlage nicht präzise sagen kann, was Lehrer/innen anders machen, deren
Schüler/innen sich als gut unterstützt bezeichnen, bzw., wie Schulen in Hinblick auf
249
30%
40%

Partizipation und Empowerment organisiert sind, deren Schüler/innen diesbezüglich
überwiegend positive Urteile abgeben. Dasselbe gilt für die anderen Faktoren auf
Schulebene, die für die Gesundheit der Jugendlichen relevant sind.
Im qualitativen Teil der Studie wurde daher gefragt, welche konkreten Erfahrungen im
Schulalltag der Schüler/innen denn hinter diesen Bewertungen stecken. Wie und worin
unterscheiden sich die Alltagsprozesse in den Schulen, die bezüglich Partizipation so
unterschiedlich bewertet werden und deren Schüler/innen bezüglich Gesundheit so
unterschiedliche Ergebnisse aufweisen?
Dazu wurden drei Schulen ausgewählt und verglichen, deren Kinder unterdurchschnittlich,
durchschnittlich und überdurchschnittlich gesund sind und die von den Schülerinnen und
Schülern als unterdurchschnittlich, durchschnittlich oder überdurchschnittlich „empowernd“
bewertet werden. In diesen Schulen wurden in ausgewählten Klassen der 7. und 9.
Schulstufe Fokus Gruppen-Interviews durchgeführt (insgesamt: 6 Klassen, 18 Fokus
Gruppen á 6 – 10 Schüler/innen). In den Fokus Gruppen waren die Schüler/innen
eingeladen, geführt durch einen Leitfaden aus ihrem Schulalltag zu erzählen. Darüber hinaus
wurden pro Schule 2 Lehrer/innen und der/die Schulleiter/in, gegebenenfalls auch der
Schulkoordinator und ein Vertreter des Schulerhalters einzeln mit einem Leitfadeninterview
befragt.
Alle Interviews wurden auf Band aufgezeichnet und transkribiert. Die Auswertungen erfolgten
in einem ersten Schritt themenanalytisch. Sodann wurden mit der Methode der offenen
Inhaltsanalyse kategoriale Beschreibungen der einzelnen Schulen erzeugt. Mit der Technik
der Grounded Theory wurden für ausgewählte Aspekte der Schulen vertiefte Analysen
durchgeführt, die zu keinen Theorien der einzelnen Schulen führten. Für den Vergleich der
drei Schulen wurde in einem weiteren Schritt ein Raster entwickelt, der verschiedene
Aspekte der Qualität der Organisation zusammenfasste.
Als Ergebnis kann festgehalten werden:
1) Die drei Schulen unterscheiden sich sehr stark in ihrer Organisationskultur
Die drei Schulen – obgleich demselben Schulsystem angehörend - weisen tatsächlich große
Unterschiede in ihrer Organisationsstruktur und –kultur auf. Das gilt in Bezug auf
Führungsstil der Schulleitung, Formen der Bildung und Durchsetzung von Regeln, die
Stellung der Lehrer/innen in der Schule, die Gestaltung des Unterrichts, die Beteiligung der
Schüler/innen und Einbezug der Eltern.
250

2) Die Schule mit den durchschnittlich gesündesten Kindern verfügt auch über eine
ausgeprägt partizipative Struktur
Die Schulen wurden im Zuge der Analyse typisiert:
• Schule A erinnert am ehesten an eine klassische Bürokratie mit einer starken
Hierarchisierung und einer autoritären Führung, die letztlich alle Entscheidungen trifft. Die
Schüler/innen haben nur geringe Möglichkeiten, den Alltag mitzugestalten und auf die
Regelbildung Einfluss zu nehmen. Die Versuche der Führung, eine moderne Schule zu
organisieren, scheitern an rigiden Ordnungsvorstellungen auf der einen und häufigen
Regelübertretungen auf der anderen Seite. Die Klassengemeinschaft ist gut im Sinne
einer Notgemeinschaft, die gegen „Bedrohungen von außen“ zusammensteht. Die
Schüler/innen haben jedoch kein ausgeprägtes Gefühl der Zugehörigkeit zur Schule. Die
Schüler/innen sind unterdurchschnittlich gesund und rauchen überdurchschnittlich häufig.
• Schule B – eine Privatschule mit ausschließlich männlichen Schülern - erinnert an einen
traditionellen Familienbetrieb, der in einer Marktnische operiert und beständig um sein
Überleben besorgt sein muss. Die Familienmetapher, die das Selbstverständnis der
Schule prägt, wird auf zweifache Weise zur Falle: einmal durch die enge Definition von
familiärer Mitgliedschaft, die dazu führt, dass die Schulleitung und die Lehrer wie
angestellte Fachkräfte wirken, die nicht im engeren Sinn dazugehören und daher auch
nur ein schwaches Standing gegenüber den Eltern, Schülern, früheren Absolventen und
Schulerhaltern haben. In der Folge ist Führung schwierig und tendenziell untererfüllt.
Zum andern durch die straffe Rückbindung an traditionelle Werte, Strukturen und
Lehrmethoden, die sowohl für Schüler wie für Lehrer ein einengendes Korsett bilden,
dem sich die Schüler durch Disziplinlosigkeiten zu entziehen trachten. Das Verhältnis
zwischen Lehrern und Schülern ist daher als belastet zu bezeichnen und von
gegenseitigen Respektlosigkeiten gekennzeichnet. Die Schüler – als der quasi familiäre
Nachwuchs - haben ein starkes Zugehörigkeitsgefühl, jedoch kaum Möglichkeiten sich
kreativ und verantwortungsvoll in Gestaltungsprozesse einzubringen. Die Schüler sind
durchschnittlich gesund, rauchen jedoch überdurchschnittlich häufig.
• Schule C ist ein Bundesgymnasium mit einem großen, sozioökonomisch breit gestreuten
Einzugsgebiet. Sie erinnert in ihrer organisationalen Grundgestalt im guten Sinne an
Formen der Sozialpartnerschaft. Sie betreibt zwei didaktisch unterschiedliche Einheiten,
deren zweite auf dem Konzept des Eigenverantwortlichen Arbeitens nach Klippert beruht.
Insbesondere in diesem Teil wird im Ansatz sichtbar, wie ein partizipatives Miteinander
von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern und Eltern gelingen kann. Für
die Machtbeziehungen in der Schule erweist es sich als wesentlich, dass die
Schüler/innen Verantwortungen für Angelegenheiten der Klasse oder auch der ganzen
251

Schule übernehmen, dass die Eltern und die Lehrer/innen jeweils als Gruppe mit
gemeinsamen, abgesprochenen Interessen agieren und auch Ziele verfolgen, die über
die Partikularinteressen einzelner Schüler/innen oder Lehrer/innen hinausgehen. Da eine
Schule ohnedies ein stark fragmentiertes soziales System ist, in dem in einer bestimmten
Klasse normalerweise ohne Folgen bleibt, was in einer anderen geschieht, und wo selbst
innerhalb einer Klasse die Partilkularinteressen der einzelnen Schüler/innen alles andere
zu überwiegen scheint, kann Identität und Einheit nur durch gemeinsames Handeln
gemäß gemeinsamer Ziele entwickelt werden.
3) Schulleitung: die Rolle der Führung in einer partizipativen Schulorganisation
Die Analyse zu Rolle und Funktion der Schulleitung bzw. zur Wahrnehmung der
Führungsverantwortung in den drei Schulen hat mit zwei Differenzen operiert: einmal mit der
Differenz zwischen Autorität und Einfluss, zum andern mit der Differenz von Aufgabenversus
Beziehungsorientierung. Erstere Differenz beschreibt das Spektrum der
Möglichkeiten, wie die Schulleitung ihre legitime Macht gegenüber den anderen Mitgliedern
der Organisation ausübt – in Extremen: sich autokratisch durchsetzend oder sich darauf
beschränkend, in einem gemeinsamen, mit anderen geteilten Entscheidungsprozess nur
Einfluss zu haben. Die zweite Differenz bezeichnet, was die Schulleitung als ihre besondere
Führungsverantwortung behandelt, bzw., wo sie vor allem glaubt, Entscheidungen
herbeiführen zu müssen: in Bezug auf die inhaltlichen Aufgaben der Schule oder in Bezug
auf die Beziehungen zwischen den Teilnehmer/innen der Schule.
Die Führungsstile in den Schulen A und B sind beide tendenziell autoritätsorientiert, sie
unterscheiden sich jedoch in der Performance, das heißt darin, wie viel Gebrauch sie von
ihrer Führungsverantwortung machen. In Schule A verfügt die Schulleitung über eine sehr
weitreichende Autorität und nutzt diese auch für eine starke Performance. Sie ist in allen
Bereichen der Organisation präsent und zieht Entscheidungen an sich. Anders verhält es
sich in Schule B, wo die Schulleitung zwar ebenfalls gewisse Durchsetzungsmöglichkeiten in
Anspruch nimmt, insgesamt aber eher zurückhaltend damit umgeht. Das wurde als
schwache Führung charakterisiert. Die Schulleitung in der Schule A definiert ihre
Führungsverantwortung eher über Aufgaben (A soll eine gute, moderne Schule werden), die
Schulleitung in der Schule B eher auf der Beziehungsebene (Lehrer und Schüler sollen sich
in B wohl fühlen und gut zusammenarbeiten). Beide Schulen haben im jeweils
entgegengesetzten, nicht beobachteten Bereich Probleme: die Schulleitung A ist mit
Problemen auf der Beziehungsebene konfrontiert, mit häufigen Regelverletzungen und
Disziplinarvergehen, Schulleitung B kann nicht die notwendigen und von den Schülern
gewünschten Neuerungen und Entwicklungen einleiten.
252

In der Schule C wird Führung über Einflussnahme in partizipativen Prozessen ausgeübt. Die
Führungsverantwortung wird vor allem auf der Beziehungsseite gesehen, also darin,
Prozesse zu gestalten und zur Verfügung zu stellen, in denen unter Beteiligung anderer
Schulpartner inhaltliche Fragen bearbeitet werden können. Die Schulleitung ermöglicht
damit, dass die anderen Schulpartner wie Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern
Mitverantwortung für die schulischen Abläufe übernehmen.
4) Die Stellung der Lehrer/innen
Die Stellung der Lehrer/innen in Schule C, die im Sinne partizipativer Strukturen am
weitesten entwickelt ist, unterscheidet sich von jener in den Schulen A und B in vier Punkten:
a) die Lehrer/innen in C begreifen sich stärker als in den anderen Schulen als Gruppe und
nicht nur als Einzelkämpfer/innen, die selbst definierte Aufgaben allein bearbeiten müssen;
b) sie verfügen daher über ein ausgeprägtes Selbstbewußtsein in Bezug auf ihre Integration
und Stellung im System; c) sie haben als Gruppe weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten
und Freiräume in Bezug auf den Kernprozess der Schule – das Unterrichten – weshalb
neuere Lehrformen systematisch angewendet werden; und d) sie empfinden sich nicht nur
für den eigenen Bereich, sondern ein Stück weit auch für das Schulganze verantwortlich, so
dass sie auch zu Trägern der Schulidentität werden.
Im Ergebnis berichten sie tendenziell eine höhere Arbeitszufriedenheit und ein besseres
Verhältnis zu Schülerinnen und Schülern und Eltern, das in den Schulen A und B entweder
als sehr belastet oder als nur schwach entwickelt bezeichnet werden muss.
5) Die Stellung der Schüler/innen
Die drei Schulen unterscheiden sich stark in der Form der Integration der Schüler/innen. In
Schule A wird die Zugehörigkeit zur Schule wie ein Zugeständnis des Staates an
Antragsteller/innen behandelt, für das im Gegenzug von den Schüler/innen Anpassung an
geltende Normen erwartet wird. Der Schulverweis ist eine im Alltag mitlaufende Drohung. In
Schule B basiert die Integration auf einem Vertragsverhältnis zwischen Schulerhalter und
Eltern. Die Schüler haben ein höheres Maß an Integration und Zugehörigkeitsgefühl
entwickelt als teilweise die Lehrer und fühlen sich als „B-Schüler“. In Schule C ist Integration
vor allem eine in die Klassengemeinschaft, die Zugehörigkeit bestimmt und entsprechende
Gefühle vermittelt. Über die aktive Teilnahme an der Klassengemeinschaft steuern die
Schüler/innen den Grad ihrer Integration ein Stück weit selbst.
In Hinblick auf die Teilnahme am Unterricht sticht die Schule C dadurch heraus, dass sie mit
den Schüler/innen – in dem EVA-Curriculum - auch die Verantwortung für die Qualität des
253

Kernprozesses – des Lernens – teilt, indem die Schüler/innen methodisch dorthin geführt
werden, ihren eigenen Lernprozess zu kontrollieren. Der Lernerfolg liegt insofern tatsächlich
in den Händen der Schüler/innen. Im Gegensatz dazu wird in Schule A der Lernerfolg den
Lehrerinnen und Lehrern zugeschrieben, in Schule B wird die Verantwortung für die Qualität
des Kernprozesses zwischen Schülern und Lehrern hin und her geschoben, indem die
Schüler und Lehrer beim jeweiligen Gegenüber Qualität einfordern.
Für die Gestaltung der Schülerrolle existieren in den Schulen A und B vergleichsweise starre
Bilder des „Musterschülers“ vor, an denen sich die Schüler/innen zu orientieren haben.
Demgegenüber bietet die Schule C mehr Freiräume für individuelle Rollengestaltungen bzw.
erlaubt auch abweichende Auffassungen des Schülerseins, sofern dies mit den vereinbarten
Zielen des Unterrichts zusammengeht. Kernpunkte sind hier Freiarbeitszeiten und
individuelle Schwerpunktsetzungen.
Dieses System erfordert allerdings ein hohes Maß an Unterstützung durch die Lehrer/innen,
die etwas weniger als Wissensvermittler/innen und etwas mehr als „Coach“ gefordert sind.
Die A-Schüler/innen erhalten davon wenig, die B-Schüler nur lerntechnische und die C-
Schüler/innen ein gutes Maß an lerntechnischer und sozialer Unterstützung.
Ein zentraler Punkt ist schließlich, wie die Schulen mit Unzufriedenheiten und Problemen der
Schüler/innen umgehen. In den Schulen A und B werden Beschwerden entweder auf der
Ebene der Schüler/innen belassen und nicht abgeholt oder angenommen oder aber durch
Einzelgespräche fragmentiert, so das nie ein systemisches Verständnis über
Unzulänglichkeiten der Organisation entstehen kann. Anders in der Schule C, wo ein
etabliertes Beschwerdesystem existiert, durch das Beschwerden der Schüler/innen aktiv
abgeholt und im System konsequent behandelt werden können.
6) Die Stellung der Eltern
Auch in Bezug auf die Stellung der Eltern in der Schule unterscheidet sich die Schule C
positiv von den Schulen A und B. Die Vorzüge der Schule C – auch nur in dem EVA-
Curriculum – liegen darin, dass die Eltern zu Mitgestaltung und Mitentscheidung eingeladen
werden und dabei stets das Interesse der gesamten Klasse oder sogar der ganzen Schule
verfolgen und nicht nur die partikularen Interessen eines einzelnen Elternteils und dessen
Kind. Interventionen der Eltern erfolgen daher zumeist als Gruppe nach interner Absprache
und mit dem Ziel einer Änderung, die alle betrifft oder betreffen könnte.
254

7) Empfehlungen für die Herstellung partizipativer Strukturen
• Schulleitung: Nicht autoritäre, aber eine auf starke Einflussnahme bedachte Führung, die
ihre Aufgabe vor allem auf der Beziehungsebene sieht und wahrnimmt.
• Gut integrierte Lehrer/innen, die als Gruppe agieren um Freiräume auch für die
Umsetzung eigener Interessen wahrnehmen, und dabei nicht nur ihren eigenen
Fachbereich im Auge haben, sondern das Wohl des Schulganzen.
• Eltern, die innerhalb der Organisation fixe Anschlusspunkte haben (mehr als nur ein
Elternsprechtag) die ebenfalls als Gruppe agieren und neben dem Interesse am eigenen
Kind auch Interessen der Klasse gegebenenfalls auch der Schule berücksichtigen.
• Schüler/innen, die über Teilnahme an der Klassengemeinschaft integriert werden, die
sich mit den Lehrerinnen und Lehrern die Verantwortung für ihren Lernerfolg teilen, die
zur Wahrnehmung dieser Verantwortung Freiräume eröffnet bekommen und zur Nutzung
dieser Freiräume die soziale und lerntechnische Unterstützung ihrer Lehrer/innen
erhalten.
• Schließlich ein etabliertes Beschwerdesystem, dass überall dort, wo Schüler/innen sich
ausgeschlossen fühlen, Korrekturmöglichkeiten eröffnet.
255

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Anhang 1:
Fragebogen der österreichischen
WHO-HBSC SchülerInnenbefragung 1997/98
hbsc/18
Partizipative Strukturen in der Schule
und die Gesundheit von Jugendlichen
im Alter von 11, 13 und 15 Jahren
Enbericht
Oktober 2002

S
F
beim Institut für Soziologie,
GRUWI, Universität Wien
Ludwig Boltzmann-Institut für Medizin- und Gesundheitssoziologie
A-1010 Wien, Universitätsstraße 7/2
Tel. 01 -4277-48208 Fax. 01 -4277-48290
e-mail: hm.soc-gruwi@univie.ac.at
Leitung: Univ.-Prof. Dr. Jürgen M. Pelikan, Mag. Peter Nowak
HealthBehavior in
Schoolaged Children
Gesundheitsverhaltenvon
11-,13- und15-jährigenSchülerInnen
WHO-Projekt:
EU-Projekt:
Adolescent SmokingControl
JugendundRauchen
ÖsterreichischerFragebogen
fürden5.Durchgangim Schuljahr1997/98
März/April1998
WHO -Kooperationszentrum für Krankenhaus und Gesundheitsförderung

Liebe Schülerinnen und Schüler!
Dieser Fragebogen wurde von einem Wissenschaftlerteam im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) ausgearbeitet. Er wird Schülerinnen und Schülern in insgesamt 29 Ländern in Europa, weiters in
Kanada, USA und Israel vorgelegt und soll darüber Aufschluß geben, welche Einstellungen und Kenntnisse
Schülerinnen und Schüler zu Fragen der Gesundheit sowie auch zu Fragen haben, die die Lebenssituation
überhaupt und die Situation in der Schule betreffen. Ähnliche Fragebögen wurden schon früher
von Schülerinnen und Schülern beantwortet. Aufgrund eines Zufallsverfahrens wurde in diesem Jahr
Eure Schule ausgewählt, dabei mitzumachen.
Eure Antworten werden absolut vertraulich behandelt. Nachdem Ihr den Fragebogen ausgefüllt und ins
beigelegte Kuvert gesteckt habt, kann und wird niemand herausfinden, von wem er stammt. Aus diesem
Grund bitten wir Euch auch, keinen Namen auf den Fragebogen oder auf das Kuvert zu schreiben.
Das Ausfüllen selbst geht leicht. Bei manchen Fragen steht dieses Zeichen vor einer punktierten Linie.
Da werdet Ihr gebeten, etwas hinzuschreiben. Zum Beispiel:
Was ißt Du am liebsten? .....................................
Nudelsuppe
Bei anderen Fragen stehen Antworten darunter und rechts daneben mehrere Kästchen. Da werdet Ihr
gebeten, in jeder Zeile das Kästchen anzukreuzen, das zu Eurer Antwort paßt. Zum Beispiel:
Wie oft streitest Du?
jede Woche jeden Tag seltener nie
mit Deiner Schwester ❒ ❒ ❒ ❒
mit Deinem Bruder ❒ ❒ ❒ ❒
mit Deinen Freundinnen/Freunden ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4
Aber bei den meisten Fragen ist es noch einfacher. Da stehen auch Antworten darunter und links neben
jeder Antwort ein Kästchen, und Ihr werdet gebeten, dasjenige anzukreuzen, das zu Eurer Antwort paßt.
Zum Beispiel:
Was tust Du am liebsten?
1 ❒ Radfahren
2 ❒ Fußballspielen
3 ❒ Aufgaben machen
4 ❒ Fragebogen ausfüllen
Die Zahlen, die neben, unter bzw. über den Kästchen stehen, haben nur für den Computer Bedeutung.
Ihr braucht Euch darum nicht zu kümmern.
Wir bitten um Entschuldigung, wenn wir das zu umständlich erklärt haben. Aber manche Kinder und
Jugendlichen haben noch nie so einen Fragebogen ausgefüllt.
Herzlichen Dank!

ÜBER DICH
c1 1. Bist Du ein Bub oder ein Mädchen?
1 ❒ Bub
2 ❒ Mädchen
c2 2. In welchem Monat bist Du geboren? ...........................................
c3 3. In welchem Jahr bist Du geboren? 19 . .
w1 4. Wie groß bist Du (ohne Schuhe)? ................. cm
w2 Wie ist Dein Gewicht (ohne Kleidung)? ................. kg
w3 Schaue Dir bitte die Zeichnungen von 1 bis 7 an: welche davon ist am ehesten wie Du?
a) Wenn Du jetzt in der 5. Schulstufe (ungefähr 11 Jahre alt) bist, wähle hier aus.
b) Wenn Du jetzt in der 7. oder 9. Schulstufe (ungefähr 13 Jahre oder älter) bist, wähle hier aus.
c4 5. In welcher Klasse bist Du? (z.B.: 1c, 3a, 5b ...)
Ich bin in der Klasse ....................
Nr. ............
Nr. ............

w4 6. Wo wohnst Du?
1 ❒ in einer Großstadt (mehr als 100.000 Einwohner)
2 ❒ in einem Vorort einer Großstadt
3 ❒ in einer kleineren Stadt (20.000 bis 100.000 Einwohner)
4 ❒ in einem größeren Dorf (5.000 bis 20.000 Einwohner)
5 ❒ in einem kleineren Dorf (weniger als 5.000 Einwohner)
c5-c8 7. Welche Berufe haben deine Eltern?
(Bitte bezeichne genau, was sie tun, zum Beispiel Verkäufer, Bäuerin, Lastwagenfahrer,
Zahnärztin, Friseur, Lehrerin. Du kannst auch “weiß nicht” oder “hat im Moment keine bezahlte
Arbeit” oder “arbeitslos” schreiben.)
Mein Vater: .................................................................................................
Meine Mutter: .................................................................................................
8. Welche dieser Personen leben bei Dir zu Hause? Wenn Deine Mutter und Dein Vater an
verschiedenen Orten wohnen, beantworte diese Frage für das Zuhause, wo Du die meiste
Zeit lebst.
Ich lebe mit ja nein
c58 Mutter ❒ ❒
c59 Vater ❒ ❒
c60 Stiefmutter ❒ ❒
c61 Stiefvater ❒ ❒
1 2
9. Welche bzw. wie viele der folgenden Personen leben bei Dir zu Hause?
c62 Schwestern: ...................
c63 Brüder: ...................
c64 Großeltern: ...................
c65 andere: ...................
c9 10. Was glaubst Du, was Du nach der Pflichtschule tun wirst?
(Wenn Du also die 9 Pflichtschuljahre hinter Dir hast.)
1 ❒ weiter in die Schule gehen, und zwar in eine AHS (Gymnasium, Realgymnasium ...)
2 ❒ weiter in die Schule gehen, und zwar in eine BMS oder BHS (Handelsschule, HTL ...)
3 ❒ in eine Lehre gehen
4 ❒ arbeiten gehen
5 ❒ ich fürchte, daß ich wahrscheinlich arbeitslos sein werde
6 ❒ ich weiß es nicht
c 12 11. Wieviel Geld hast Du im Durchschnitt pro Woche, das Du für Dich selber ausgeben kannst?
(Also sowohl Taschengeld als auch Geld, das Du vielleicht selbst nebenher verdienst.)
ungefähr ............................. Schilling

w5 12. Hast Du den Turnunterricht in der Schule gern?
1 ❒ ja, lieber als alle anderen Stunden
2 ❒ ganz gern, aber nicht lieber als andere Stunden
3 ❒ weniger als andere Stunden
4 ❒ gar nicht
KÖRPERLICHE AKTIVITÄT,
ESSEN
UND KÖRPERPFLEGE
13. Welche Gelegenheiten gibt es für Dich in der Schule, körperlich Bewegung zu machen?
ja nein
w6 in den Pausen, wenn ich selber herumlaufe,
Ball spiele oder ähnliches . . . . . . . . . . . ❒ ❒
w7 eigene Bewegungspausen . . . . . . . . . . . ❒ ❒
w8 Kurzturnen in den Schulstunden . . . . . . . . ❒ ❒
w9 Haltungsturnen . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒
w10 Turnunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒
1 2
c21 14. Außerhalb der Turnstunden: wie oft betätigst Du Dich gewöhnlich in Deiner Freizeit
körperlich so, daß Du dabei außer Atem oder ins Schwitzen kommst?
1 ❒ täglich
2 ❒ vier- bis sechsmal wöchentlich
3 ❒ zwei- bis dreimal wöchentlich
4 ❒ einmal wöchentlich
5 ❒ eimal monatlich
6 ❒ seltener
7 ❒ nie
c22 15. Außerhalb der Turnstunden: wie viele Stunden pro Woche alles in allem betätigst Du Dich
in Deiner Freizeit körperlich so, daß Du dabei außer Atem oder ins Schwitzen kommst?
1 ❒ überhaupt nicht
2 ❒ ungefähr eine halbe Stunde pro Woche
3 ❒ ungefähr eine Stunde pro Woche
4 ❒ ungefähr 2 bis 3 Stunden pro Woche
5 ❒ ungefähr 4 bis 6 Stunden pro Woche
6 ❒ 7 Stunden und mehr

c38 16. Wie oft schnallst Du Dich an, wenn du in einem Auto mitfährst?
1 ❒ immer
2 ❒ oft
3 ❒ manchmal
4 ❒ selten oder nie
5 ❒ dort, wo ich meistens sitze, gibt es keinen Gurt
6 ❒ ich fahre nie in einem Auto
c39 17. Wie oft trägst Du einen Helm, wenn Du mit dem Rad fährst?
1 ❒ immer
2 ❒ oft
3 ❒ manchmal
4 ❒ selten oder nie
5 ❒ ich fahre nie mit dem Fahrrad
c23 18. Wie oft putzt Du Dir die Zähne?
1 ❒ mehrmals täglich
2 ❒ einmal am Tag
3 ❒ mindestens einmal in der Woche, aber nicht täglich
4 ❒ weniger als einmal in der Woche
5 ❒ nie
19. Wie oft ißt oder trinkst Du die folgenden Sachen?
(Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!)
mehrmals täglich jede seltener nie
täglich Woche
c24 Obst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c25 rohes Gemüse . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c26 gekochtes Gemüse . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c27 Cola, Fanta, Keli o.ä. . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c28 Süßigkeiten (Zuckerl oder Schokolade) . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c29 Kuchen, Mehlspeisen . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c30 Rohscheiben/Chips . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c31 Pommes frites . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c32 Hamburger, Hotdogs, Würstel . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c33 Vollkornbrot . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c34 Leichtmilch . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c35 Vollmilch . . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c36 Kaffee . . . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4 5

c37 20. Machst Du zur Zeit eine Diät, um abzunehmen?
1 ❒ nein, ich brauche nicht abzunehmen
2 ❒ nein, aber eigentlich müßte ich abnehmen
3 ❒ ja, ich mache gerade eine Diät
ALKOHOL
c16 21. Hast Du jemals Alkohol getrunken?
(das heißt: Bier, Wein, G’spritzter, Sekt, Schnaps, Likör, Obstler, Whisky usw.)
1 ❒ ja
2 ❒ nein
3 ❒ weiß nicht
22. Falls Du Alkohol trinkst: wie oft trinkst Du derzeit alkoholische Getränke?
(Auch in kleinen Mengen!) Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!
jeden jede jeden seltener nie
Tag Woche Monat
c17 Bier . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c18 Wein oder G’spritzter . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c19 Likör, Schnaps . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
w11 Most . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
w12 Sekt . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4 5
c20 23. Hast Du jemals so viel Alkohol getrunken, daß Du einen Rausch gehabt hast?
1 ❒ nein, nie
2 ❒ ja, einmal
3 ❒ ja, zwei- bis dreimal
4 ❒ ja, vier- bis zehnmal
5 ❒ ja, öfter als zehnmal

RAUCHEN
c13 24. Hast Du jemals Tabak (eine Zigarette, Zigarre oder Pfeife) geraucht?
1 ❒ ja
2 ❒ nein
c14 25. Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?
1 ❒ jeden Tag
2 ❒ einmal oder öfter pro Woche, aber nicht jeden Tag
3 ❒ seltener als einmal pro Woche
4 ❒ ich rauche gar nicht
Wenn Du gar nicht rauchst, mache weiter mit Frage 27
c15 26. Wenn Du derzeit rauchst: wie viele Zigaretten rauchst Du gewöhnlich pro Woche?
ungefähr ....................... pro Woche
GESUNDHEIT
UND LEBENSGEFÜHL
c40 27. Wie gesund bist Du Deiner Meinung nach?
1 ❒ sehr gesund
2 ❒ ziemlich gesund
3 ❒ nicht sehr gesund
c41 28. In welcher Stimmung bist Du meistens?
1 ❒ bin meistens glücklich
2 ❒ bin meistens zufrieden
3 ❒ bin oft unglücklich
4 ❒ bin fast immer unglücklich und unzufrieden
c42 29. Kommt es vor, daß Du Dich einsam fühlst?
1 ❒ ja, sehr oft
2 ❒ ja, ziemlich oft
3 ❒ ja, manchmal
4 ❒ nein, nie

c76 30. Gibt es etwas an Deinem Körper, das Dir nicht gefällt und das Du am liebsten ändern
würdest?
1 ❒ ja
2 ❒ nein
c77 31. Glaubst Du, daß Dein Körper ...
1 ❒ viel zu mager ist
2 ❒ ein bißchen zu mager ist
3 ❒ gerade richtig ist
4 ❒ ein bißchen zu dick ist
5 ❒ viel zu dick ist
6 ❒ habe nicht darüber nachgedacht
c78 32. Glaubst Du, daß Du ...
1 ❒ sehr gut aussiehst
2 ❒ ziemlich gut aussiehst
3 ❒ durchschnittlich gut aussiehst
4 ❒ nicht so gut aussiehst
5 ❒ überhaupt nicht gut aussiehst
6 ❒ habe nicht darüber nachgedacht
33. Wie oft fühlst Du Dich ... (Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!)
immer oft manchmal selten nie
c79 ausgeschlossen . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c80 hilflos . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c81 voller Selbstvertrauen . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4 5
34. Wie oft hast Du die folgenden Beschwerden in den letzten 6 Monaten gehabt?
(Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!)
fast mehrmals fast ca. selten
täglich in der jede einmal im oder nie
Woche Woche Monat
c43 Kopfschmerzen . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c44 Magenschmerzen . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c45 Rücken-/Kreuzschmerzen . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c46 fühle mich allgemein schlecht . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c47 bin gereizt, schlecht gelaunt . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c48 fühle mich nervös . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c49 kann schlecht einschlafen . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c50 fühle mich benommen, schwindlig . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4 5

c51 35. Wie oft fühlst Du Dich in der Früh müde, bevor Du in die Schule gehst?
1 ❒ selten oder nie
2 ❒ gelegentlich
3 ❒ ein- bis dreimal pro Woche
4 ❒ viermal oder öfter pro Woche
36. Hast Du in den letzten vier Wochen ein oder mehrere Medikamente gegen folgende
Beschwerden eingenommen? (Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!)
nein ja, ja, mehr als
einmal als einmal
c52 gegen Kopfweh . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒
c53 gegen Magenschmerzen, Bauchbeschwerden ❒ ❒ ❒
c54 gegen Schlafstörungen . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒
c55 damit ich ruhiger bin, gegen Nervosität . . . . ❒ ❒ ❒
w13 für Mädchen: gegen Regelschmerzen . . . . ❒ ❒ ❒
RUND UM DEN BILDSCHIRM
1 2 3
c56 37. Wieviel Zeit verbringst Du gewöhnlich pro Tag mit Fernsehen?
1 ❒ gar keine
2 ❒ weniger als eine halbe Stunde pro Tag
3 ❒ bis zu einer Stunde pro Tag
4 ❒ ungefähr 2 bis 3 Stunden pro Tag
5 ❒ ungefähr 4 Stunden
6 ❒ mehr als 4 Stunden
c57 38. Wieviel Zeit verbringst Du gewöhnlich pro Woche mit Computerspielen?
1 ❒ gar keine
2 ❒ weniger als eine Stunde pro Woche
3 ❒ 1 bis 3 Stunden pro Woche
4 ❒ 4 bis 6 Stunden pro Woche
5 ❒ 7 bis 9 Stunden pro Woche
6 ❒ 10 Stunden oder mehr

SOZIALE BEZIEHUNGEN
39. Wie leicht oder schwer fällt es Dir, mit den folgenden Personen über Dinge zu sprechen,
die Dir wirklich nahegehen und wichtig sind?
sehr leicht schwer sehr habe/sehe
leicht schwer ich nicht
c66 Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c67 Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c68 älterer Bruder/Brüder . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c69 ältere Schwester/Schwestern . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c70 Freundinnen/Freunde Deines Geschlechts . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c71 Freundinnen/Freunde des anderen Geschlechts ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
c72 40. Wie viele gute Freundinnen oder Freunde hast Du derzeit?
1 ❒ keine
2 ❒ eine/einen
3 ❒ zwei
4 ❒ drei oder mehr
1 2 3 4 5
c73 41. Ist es leicht oder schwer für Dich, neue Freundinnen oder Freunde zu finden?
1 ❒ sehr leicht
2 ❒ leicht
3 ❒ schwer
4 ❒ sehr schwer
c74 42. Wie oft verbringst Du nach der Schule Zeit mit Freundinnen oder Freunden?
1 ❒ vier- bis fünfmal in der Woche
2 ❒ zwei- bis dreimal in der Woche
3 ❒ einmal in der Woche oder seltener
4 ❒ ich habe zur Zeit keine richtigen Freundinnen oder Freunde
c75 43. Wie viele Abende pro Woche verbringst Du gewöhnlich außer Haus mit Freundinnen
oder Freunden? (Bitte kreuze die entsprechende Zahl an.)
❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
0 1 2 3 4 5 6 7 Abende pro Woche

44. Denk bitte an Deine Freundinnen und Freunde: treffen die folgenden Aussagen auf sie zu
oder nicht?
alle die meisten einige wenige keine
w14 Meine Freundinnen/Freunde gehen
gerne in die Schule. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
w15 Meine Freundinnen/Freunde finden es
wichtig, gute Schulnoten zu haben. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
UMGANG MIT PROBLEMEN
1 2 3 4 5
45. Wenn ich ernste Probleme habe, helfen mir folgende Personen, damit umzugehen:
(Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!)
immer in bestimmten selten nie
Fällen
w16 mein Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
w17 meine Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
w18 eine meiner Lehrerinnen/einer meiner Lehrer . ❒ ❒ ❒ ❒
w19 meine beste Freundin/mein bester Freund . . ❒ ❒ ❒ ❒
w20 andere, nämlich: ................................... ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4
46. Hier sind einige Aussagen darüber, wie Menschen mit Problemen umgehen.
Bitte gib an, wie sehr sie auf Dich zutreffen. (Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!)
stimmt stimmt stimmt stimmt
nicht kaum eher genau
w21 Die Lösung schwieriger Probleme
gelingt mir immer, wenn ich mich
darum bemühe. ❒ ❒ ❒ ❒
w22 Es bereitet mir keine Schwierigkeiten,
meine Absichten und Ziele zu verwirklichen. ❒ ❒ ❒ ❒
w23 Auch bei überraschenden Ereignissen
glaube ich, daß ich gut damit zurechtkommen
kann. ❒ ❒ ❒ ❒
w24 Was auch immer passiert, ich werde
schon damit klarkommen. ❒ ❒ ❒ ❒

SCHÜLER
LEHRER
SCHULE
10 47. Was glaubst Du: wie beurteilen Deine Lehrerinnen und Lehrer Deine Schulleistungen
insgesamt? (Im Vergleich zu denen Deiner Mitschülerinnen und Mitschüler.)
1 ❒ sehr gut
2 ❒ gut
3 ❒ durchschnittlich
4 ❒ unter dem Durchschnitt
c11 48. Wie gefällt es Dir derzeit in der Schule?
1 ❒ Es gefällt mir sehr gut.
2 ❒ Es gefällt mir ganz gut.
3 ❒ Es gefällt mir nicht sehr gut.
4 ❒ Es gefällt mir gar nicht.
49. Bitte kreuze für jede Aussage an, ob sie für Deine Schule zutrifft oder nicht:
stimmt stimmt so teils/ stimmt stimmt
genau ziemlich teils eher nicht gar nicht
f1 Wenn in unserer Schule Vorschriften
gemacht werden (z.B. Schulordnung),
entscheiden die Schülerinnen/Schüler mit. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f2 In unserer Schule werden die Schülerinnen/
Schüler zu streng/hart behandelt. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f3 Die Regeln und Vorschriften in dieser Schule
sind gerecht. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f4 In unserer Schule fühle ich mich wohl. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f5 Ich habe in dieser Schule das Gefühl,
dazuzugehören. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4 5

50. Bitte kreuze für jede Aussage an, ob sie für Deine Lehrerinnen und Lehrer zutrifft oder
nicht. Wenn Du nur eine Lehrerin/einen Lehrer hast, beantworte sie für diese/diesen.
fast ziemlich manch- selten nie
immer oft mal
f6 Ich werde ermutigt,
meine Meinung zu sagen. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f7 Unsere Lehrerinnen/Lehrer behandeln
uns gerecht. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f8 Wenn ich Hilfe brauche, dann bekomme
ich sie auch. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f9 Meine Lehrerinnen/Lehrer interessieren
sich für mich. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4 5
51. Was trifft auf Deine Klasse zu? (Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!)
fast ziemlich manch- selten nie
immer oft mal
f10 Die Schülerinnen und Schüler in meiner
Klasse sind gern beisammen. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f11 Die meisten in meiner Klasse sind nett
und hilfsbereit. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f12 Meine Mitschülerinnen/Mitschüler
akzeptieren mich so, wie ich bin. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f13 52. Wie oft denkst du, daß die Schule langweilig ist?
1 ❒ sehr oft
2 ❒ oft
3 ❒ manchmal
4 ❒ selten
5 ❒ nie
1 2 3 4 5
f15 53. Manchmal kommt es vor, daß Schülerinnen/Schüler von anderen geärgert oder verspottet
werden. Mehrere Schülerinnen oder Schüler machen sich gemeinsam über eine/einen
lustig, sagen ihr/ihm Schimpfworte oder raufen und gehen gemeinsam auf sie/ihn los.
Hast Du bei solchen Aktionen schon mitgemacht? (Denke bitte an dieses Schuljahr!)
1 ❒ nein, noch nie
2 ❒ ja, ein- oder zweimal
3 ❒ ja, ab und zu
4 ❒ ja, ungefähr einmal jede Woche
5 ❒ ja, jede Woche mehrere Male

f14 54. Und warst Du in diesem Schuljahr schon selbst das Opfer bei solchen Aktionen?
1 ❒ nein, noch nie
2 ❒ ja, ein- oder zweimal
3 ❒ ja, ab und zu
4 ❒ ja, ungefähr einmal jede Woche
5 ❒ ja, jede Woche mehrere Male
f16 55. Wie oft ist es in diesem Schuljahr vorgekommen, daß andere Schülerinnen oder Schüler
in der Pause nicht mit Dir zusammen sein wollten und Du Dich dann allein gefühlt hast?
1 ❒ in diesem Schuljahr noch gar nicht
2 ❒ ein- oder zweimal
3 ❒ hin und wieder
4 ❒ ungefähr einmal jede Woche
5 ❒ jede Woche mehrere Male
f17 56. An wievielen Tagen hast Du in diesem Schuljahr schon Stunden oder ganze Schultage
geschwänzt? An ...
1 ❒ 0 Tagen
2 ❒ 1 Tag
3 ❒ 2 Tagen
4 ❒ 3 Tagen
5 ❒ 4 oder mehr Tagen
57. Bitte gib zu jeder Aussage an, wie sehr sie für Deine Eltern zutrifft oder nicht. Wenn Deine
Eltern nicht zusammen wohnen, antworte bitte für den Elternteil, mit dem Du die meiste
Zeit zusammen bist. (Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!)
immer oft manchmal selten nie
f18 Wenn ich Probleme in der Schule
habe, helfen mir meine Eltern. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f19 Meine Eltern sind bereit, in die Schule zu
kommen, um mit den Lehrerinnen/Lehrern
zu reden. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f20 Meine Eltern wollen, daß ich mich in der
Schule anstrenge. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f21 58. Fühlst Du Dich in der Schule sicher?
1 ❒ ja, immer
2 ❒ ja, oft
3 ❒ manchmal
4 ❒ selten
5 ❒ nie
1 2 3 4 5

59. Wie sehr treffen die beiden nächsten Aussagen für Deine Eltern bzw. für Deine Lehrerin-
nen/Lehrer zu?
stimmt stimmt so teils/ stimmt stimmt
genau ziemlich teils eher nicht gar nicht
f22 Meine Eltern erwarten in der Schule
zu viel von mir. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
f23 Meine Lehrerinnen/Lehrer erwarten
zu viel von mir. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4 5
f24 60. Wie stark fühlst Du Dich durch das belastet, was in der Schule von Dir verlangt wird?
1 ❒ überhaupt nicht belastet
2 ❒ ein bißchen belastet
3 ❒ ziemlich belastet
4 ❒ stark belastet
ÜBER GELD
f25 61. Hat Deine Familie ein Auto?
1 ❒ nein
2 ❒ ja, eines
3 ❒ ja, zwei oder mehr
f26 62. Hast Du zu Hause ein eigenes Zimmer für Dich allein?
1 ❒ ja
2 ❒ nein
f27 63. Für wie reich schätzt Du Deine Familie ein?
1 ❒ sehr reich
2 ❒ reich
3 ❒ durchschnittlich
4 ❒ nicht sehr reich
5 ❒ gar nicht reich
f28 64. Wie oft bist Du während des letzten Jahres in den Ferien (Urlaub) mit Deiner Familie
verreist?
1 ❒ überhaupt nicht
2 ❒ einmal
3 ❒ zweimal
4 ❒ öfter als zweimal

Wenn Du noch nicht in der 9. Schulstufe bist, ist der Fragebogen für
Dich hier zu Ende.
Wir danken Dir herzlich für Deine Mithilfe
Alle Schülerinnen und Schüler, die
schon in der 9. Schulstufe sind
(das ist z.B. 5. Klasse Gymnasium,
1. Klasse HTL oder die polytechnische
Schule), bitten wir, auch die weiteren
Fragen zu beantworten, also den
Fragebogen bis zum Ende auszufüllen.

SELBSTERFAHRUNG
b1 65. Wenn Du mit anderen Leuten sprichst, hast Du das Gefühl, daß Du nicht verstanden wirst?
habe nie habe immer
dieses Gefühl ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
dieses Gefühl
b2 66. Warst Du schon überrascht vom Verhalten von Menschen, die Du gut zu kennen glaubtest?
das ist nie das ist immer
passiert ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
wieder passiert
b3 67. Das meiste, was Du in Zukunft tun wirst, wird wahrscheinlich ...
völlig völlig
faszinierend sein ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
langweilig sein
b4 68. Hast Du oft oder selten das Gefühl, daß Du ungerecht behandelt wirst?
habe immer habe nie
dieses Gefühl ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
dieses Gefühl
b5 69. Die Dinge, die Du täglich tust, sind für Dich ...
sehr sehr
zufriedenstellend ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
langweilig
b6 70. Wie oft sind Deine Gefühle und Ideen ganz durcheinander?
sehr sehr selten
oft ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
oder nie
b7 71. Viele Leute - auch solche mit einem starken Charakter - fühlen sich in bestimmten
Situationen wie traurige Versager (“Pechvogel”). Wie oft hast Du Dich schon so gefühlt?
sehr sehr selten
oft ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
oder nie
b8 72. Wie oft hast Du das Gefühl, daß die Dinge, die Du täglich tust, eigentlich wenig Sinn
haben?
sehr sehr selten
❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
oft oder nie
b9 73. Wie oft hast Du Gelegenheit, Dinge zu tun, von denen Du fühlst, daß sie für Dich wichtig
sind?
1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7
1 2 3 4 5 6 7
sehr sehr selten
oft ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
oder nie
1 2 3 4 5 6 7

RAUCHEN UND SCHULE
Im folgenden einige Fragen zum Thema Rauchen.
Es geht darum, ob Du selbst rauchst oder Deine Freundinnen/Freunde,
Bekannten und Verwandten rauchen und wie
mit dem Rauchen an Deiner Schule umgegangen wird.
Uns interessiert, was Du dazu denkst, unabhängig davon,
ob Du selber rauchst oder nicht. Beantworte daher bitte alle
Fragen, außer es ist ausdrücklich anders vermerkt.
74. Wie oft rauchst Du Tabak an folgenden Orten? (Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!)
jeden Tag mehr als gelegentlich nie
einmal
die Woche
b10 bei Dir zu Hause . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b11 bei Verwandten zu Hause . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b12 bei Deinen Freundinnen/Freunden zu Hause . ❒ ❒ ❒ ❒
b13 auf dem Schulgelände während der Schulzeit ❒ ❒ ❒ ❒
b14 außerhalb des Schulgeländes während der
Schulzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b15 auf öffentlichen Plätzen
(z.B. Cafe, Park, Einkaufszentrum) . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4
75. Raucht jemand von den folgenden Personen? (Bitte kreuze ein Kästchen für jede Person an!)
raucht raucht raucht weiß habe ich
täglich manchmal nicht nicht nicht/sehe
ich nicht
b16 Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b17 Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b18 Deine beste Freundin/Dein bester Freund . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b19 76. Wie viele Deiner übrigen Freundinnen und Freunde rauchen?
1 ❒ die meisten
2 ❒ ca. die Hälfte
3 ❒ einige
4 ❒ keine
5 ❒ weiß nicht
1 2 3 4 5
b20 77. Was schätzt Du: wie viele von den 15jährigen an Deiner Schule rauchen?
1 ❒ die meisten
2 ❒ ca. die Hälfte
3 ❒ einige
4 ❒ keine
5 ❒ weiß nicht

21 78. Was schätzt Du: wie viele von den Lehrerinnen und Lehrern an Deiner Schule rauchen?
1 ❒ die meisten
2 ❒ ca. die Hälfte
3 ❒ einige
4 ❒ keine
5 ❒ weiß nicht
79. Wie oft rauchen die folgenden Personen bei Dir zu Hause?
(Bitte kreuze ein Kästchen für jede Person an!)
ca. jeden manchmal nie habe ich nicht/
Tag sehe ich nicht
b22 Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b23 Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b24 andere Personen, die bei Euch leben . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b25 Verwandte, die Euch zu Hause besuchen . . ❒ ❒ ❒ ❒
b26 beste Freundin/bester Freund . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4
80. Wie oft siehst Du während der Schulzeit Lehrerinnen/Lehrer an den folgenden Orten
rauchen? (Bitte kreuze ein Kästchen für jeden Ort an!)
jeden Tag manchmal nie weiß nicht
b27 im Lehrerzimmer . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b28 in der Kantine/Cafeteria . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b29 auf dem Gang . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b30 in anderen Teilen des Schulgebäudes . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b31 im Außenbereich des Schulgeländes
(z.B. Schulhof) . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b32 außerhalb des Schulgeländes . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4
81. Wie oft siehst Du während der Schulzeit Schülerinnen/Schüler an den folgenden Orten
rauchen? (Bitte kreuze ein Kästchen für jeden Ort an!)
jeden Tag manchmal nie weiß nicht
b33 auf dem Klo/im Waschraum . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b34 in der Kantine/Cafeteria . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b35 auf dem Gang . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b36 in anderen Teilen des Schulgebäudes . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b37 im Außenbereich des Schulgeländes
(z.B. Schulhof) . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
b38 außerhalb des Schulgeländes . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4

39 82. Wie oft siehst Du andere Personen (Angestellte, Arbeiterinnen/Arbeiter oder Besucherin-
nen/Besucher) auf dem Schulgelände rauchen?
1 ❒ jeden Tag
2 ❒ manchmal
3 ❒ nie
b40 83. Hast Du vor, in zwei Jahren täglich zu rauchen?
1 ❒ ja, ganz sicher
2 ❒ ja, vielleicht
3 ❒ vielleicht ja, vielleicht nein
4 ❒ wahrscheinlich nicht
5 ❒ ganz sicher nicht
84. Was denkst Du darüber, in zwei Jahren zu rauchen?
(Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!)
Es wäre ...
stimme stimme weder/ stimme stimme übersehr
zu zu noch nicht zu haupt nicht zu
b41 schlecht . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b42 ein Zeichen von Reife . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b43 o.k. . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b44 dumm . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4 5
85. Gib für die folgenden Aussagen an, inwieweit Du ihnen zustimmst oder sie ablehnst.
(Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!)
stimme stimme weder/ stimme stimme übersehr
zu zu noch nicht zu haupt nicht zu
b45 Rauchen hilft Menschen,
wenn sie nervös sind. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b46 Rauchen hilft, das Gewicht
niedrig zu halten. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b47 Rauchen macht selbstsicher. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b48 Rauchen macht gelbe Zähne. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4 5
b49 86a. Glaubst Du, daß es Deinem Vater etwas ausmachen würde, wenn Du in zwei Jahren
rauchen würdest?
1 ❒ sehr viel
2 ❒ ein bißchen
3 ❒ nicht sehr viel
4 ❒ überhaupt nicht
5 ❒ habe ich nicht/sehe ich nicht

50 86b. Würde es Dich kümmern, was er denkt?
1 ❒ sehr viel
2 ❒ ein bißchen
3 ❒ nicht sehr viel
4 ❒ überhaupt nicht
5 ❒ habe ich nicht/sehe ich nicht
b51 87a. Glaubst Du, daß es Deiner Mutter etwas ausmachen würde, wenn Du in zwei Jahren
rauchen würdest?
1 ❒ sehr viel
2 ❒ ein bißchen
3 ❒ nicht sehr viel
4 ❒ überhaupt nicht
5 ❒ habe ich nicht/sehe ich nicht
b52 87b. Würde es Dich kümmern, was sie denkt?
1 ❒ sehr viel
2 ❒ ein bißchen
3 ❒ nicht sehr viel
4 ❒ überhaupt nicht
5 ❒ habe ich nicht/sehe ich nicht
b53 88a. Glaubst Du, daß es Deiner besten Freundin/Deinem besten Freund etwas ausmachen
würde, wenn Du in zwei Jahren rauchen würdest?
1 ❒ sehr viel
2 ❒ ein bißchen
3 ❒ nicht sehr viel
4 ❒ überhaupt nicht
5 ❒ habe ich nicht/sehe ich nicht
b54 88b. Würde es Dich kümmern, was sie/er denkt?
1 ❒ sehr viel
2 ❒ ein bißchen
3 ❒ nicht sehr viel
4 ❒ überhaupt nicht
5 ❒ habe ich nicht/sehe ich nicht

55 89a. Glaubst Du, daß es den meisten Deiner anderen Freundinnen/Freunde etwas ausmachen
würde, wenn Du in zwei Jahren rauchen würdest?
1 ❒ sehr viel
2 ❒ ein bißchen
3 ❒ nicht sehr viel
4 ❒ überhaupt nicht
5 ❒ habe ich nicht/sehe ich nicht
b56 89b. Würde es Dich kümmern, was sie denken?
1 ❒ sehr viel
2 ❒ ein bißchen
3 ❒ nicht sehr viel
4 ❒ überhaupt nicht
5 ❒ habe ich nicht/sehe ich nicht
b57 90. Glaubst Du, daß es für Dich einfach sein wird, in zwei Jahren nicht zu rauchen?
1 ❒ sehr einfach
2 ❒ einfach
3 ❒ weder einfach noch schwierig
4 ❒ schwierig
5 ❒ sehr schwierig
91. Nachstehend sind einige Aussagen über Bestimmungen, wo Rauchen erlaubt oder
verboten ist. Bitte gib für jede Aussage an, wie sehr Du einverstanden bzw. nicht
einverstanden bist:
stimme stimme weder/ stimme stimme
sehr zu zu noch nicht zu überhaupt
nicht zu
b58 Schülerinnen/Schüler sollen auf dem
Schulgelände rauchen dürfen. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b59 Lehrerinnen/Lehrer sollen auf dem
Schulgelände rauchen dürfen. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b60 Eltern sollen zu Hause nicht rauchen dürfen. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b61 Das Rauchen auf öffentlichen Plätzen
soll nicht erlaubt sein. ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4 5

62 92. Dürfen Schülerinnen/Schüler auf dem Schulgelände rauchen?
1 ❒ nein, überhaupt nicht
2 ❒ ja, ältere Schülerinnen/Schüler dürfen überall rauchen
3 ❒ ja, ältere Schülerinnen/Schüler dürfen in bestimmten Bereichen rauchen
4 ❒ ja, alle Schülerinnen/Schüler dürfen in bestimmten Bereichen rauchen
5 ❒ ja, alle Schülerinnen/Schüler dürfen überall auf dem Schulgelände rauchen
6 ❒ weiß nicht
93. Wie oft sorgen die Lehrerinnen/Lehrer oder andere Schulbedienstete dafür, daß die
Rauchverbote eingehalten werden? (Bitte kreuze ein Kästchen pro Zeile an!)
immer meistens manchmal nie gibt keine
Bestimmungen
b63 auf dem Klo/im Waschraum . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b64 in der Kantine/Cafeteria . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b65 auf dem Gang . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b66 in anderen Teilen des Gebäudes . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b67 im Schulhof außerhalb des Schulgebäudes . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
b68 außerhalb des Schulareals . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒ ❒ ❒
1 2 3 4 5
b69 94. Welche Maßnahmen werden üblicherweise gegenüber 15jährigen Schülerinnen/Schülern
ergriffen, wenn diese die Rauchverbote mißachten?
1 ❒ gar keine
2 ❒ Eltern werden informiert
3 ❒ Schülerinnen/Schüler werden bestraft
4 ❒ Schülerinnen/Schüler werden beraten
95. Auf welche Weise hast Du von den Rauchverboten an der Schule erfahren?
(Bitte ein Kästchen pro Zeile ankreuzen!)
ja nein weiß nicht gibt es nicht
b70 schriftliche Schulregeln ❒ ❒ ❒ ❒
b71 mündliche Information durch Lehrerinnen/
Lehrer ❒ ❒ ❒ ❒
b72 “Rauchen Verboten”-Schilder ❒ ❒ ❒ ❒
b72 96. Dürfen Lehrerinnen/Lehrer auf dem Schulgelände rauchen?
1 ❒ nein, überhaupt nicht
2 ❒ ja, in bestimmten Arealen
3 ❒ ja, überall im Schulareal
4 ❒ weiß nicht
1 2 3 4

97. Wenn ja, wo dürfen Lehrerinnen/Lehrer rauchen?
ja nein weiß nicht
b73 im Lehrerzimmer . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒
b74 auf dem Gang. . . . . . . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒
b75 in der Kantine/Cafeteria . . . . . . . . . . ❒ ❒ ❒
b76 in anderen Teilen des Schulgebäudes . . . . ❒ ❒ ❒
b77 im Schulhof außerhalb des Schulgebäudes . ❒ ❒ ❒
1 2 3
b78 98. Was hältst Du vom Passivrauchen (das Einatmen von Rauch in der Luft durch
Nichtraucherinnen/Nichtraucher)? (Bitte nur eine Antwort auswählen!)
1 ❒ Wird in seiner Schädlichkeit für Nichtraucherinnen/Nichtraucher übertrieben.
2 ❒ Ist für die meisten Nichtraucherinnen/Nichtraucher kein Problem.
3 ❒ Ist für die meisten Nichtraucherinnen/Nichtraucher sehr unangenehm.
4 ❒ Schädigt die Gesundheit der Nichtraucherinnen/Nichtraucher.
NOCHMALS HERZLICHEN DANK

Anhang 2:
Linearauszählung der verwendeten Variablen
der österreichischen WHO-HBSC
SchülerInnenbefragung 1997/98
hbsc/18
Partizipative Strukturen in der Schule
und die Gesundheit von Jugendlichen
im Alter von 11, 13 und 15 Jahren
Endbericht
Oktober 2002

61. Hat Deine Familie ein Auto?
HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
nein 3 3 3 4 4 4 4 4 4 3 2 3
Ja, eines 50 49 50 50 49 52 51 51 51 48 48 48
Ja, zwei oder mehr 47 47 46 46 48 44 45 45 45 49 50 49
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4290 2066 2224 1414 721 693 1508 740 768 1368 605 763
62. Hast Du zu Hause ein eigenes Zimmer für Dich
allein?
ja 78 80 76 72 73 71 79 81 77 84 88 81
nein 22 20 24 28 27 29 21 19 23 16 12 19
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4282 2062 2220 1407 718 689 1506 739 767 1369 605 764
64. Wie oft bist Du während des letzten Jahres in den
Ferien (Urlaub) mit Deiner Familie verreist?
überhaupt nicht 20 18 22 17 16 18 18 17 19 24 21 27
einmal 33 35 32 29 32 27 33 32 33 37 40 35
zweimal 24 23 25 25 21 29 25 27 24 22 21 22
öfter als zweimal 23 25 22 29 32 26 24 24 24 17 17 16
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4280 2058 2222 1409 717 692 1503 738 765 1368 603 765
63. Für wie reich schätzt Du Deine Familie ein?
sehr reich 2 3 1 3 4 1 2 3 1 2 2 1
reich 13 16 10 14 18 9 12 15 9 13 16 12
durchschnittlich 70 67 73 69 65 73 71 68 75 69 69 70
nicht sehr reich 11 10 12 11 9 13 11 11 12 11 11 12
gar nicht reich 3 3 4 3 3 3 3 3 3 4 3 5
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4252 2040 2212 1400 710 690 1501 736 765 1351 594 757
Anhang 2 Seite 1

HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
27. Wie gesund bist Du Deiner eigenen Meinung
nach?
sehr gesund 42 50 35 54 57 50 40 49 32 34 44 25
ziemlich gesund 54 47 61 44 41 48 57 48 65 62 53 69
nicht sehr gesund 3 3 4 2 2 3 3 3 4 4 3 6
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4297 2077 2220 1417 725 692 1510 742 768 1370 610 760
24. Hast Du jemals Tabak (eine Zigarette, Zigarre
oder Pfeife) geraucht?
Ja 47 47 47 20 27 14 48 48 48 72 69 75
Nein 53 53 53 80 73 86 52 52 52 28 31 25
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4312 2085 2227 1421 728 693 1516 747 769 1375 610 765
25. Wie oft rauchst Du derzeit Tabak?
jeden Tag 9 8 10 0 0 0 4 5 3 23 20 26
1x oder öfter pro Woche, aber nicht jeden Tag 5 6 5 1 2 1 5 6 5 10 10 10
seltener als einmal pro Woche 9 9 10 5 6 3 13 12 14 10 10 11
ich rauche gar nicht 76 78 75 94 92 96 78 78 78 56 60 53
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4293 2072 2221 1411 722 689 1510 741 769 1372 609 763
26. Wenn Du derzeit rauchst: wie viele Zigaretten
rauchst Du gewöhnlich pro Woche?
0 80 82 79 96 95 97 83 83 83 60 64 58
zwischen 1 und 5 8 8 8 3 4 2 10 10 11 11 11 11
zwischen 6 und 10 2 2 3 0 0 0 2 2 2 5 4 6
Zwischen 11 und 20 3 2 3 0 0 0 2 2 2 7 6 7
zwischen 21 und 50 3 3 4 2 2 1 9 7 10
zwischen 51 und 100 2 2 2 1 1 1 6 6 6
über 100 1 1 1 0 0 0 1 0 2 3 2
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4316 2086 2230 1422 729 693 1518 747 771 1376 610 766
Anhang 2 Seite 2

39. Wie leicht oder schwer fällt es Dir, mit den
folgenden Personen über Dinge zu sprechen, die Dir
wirklich nahe gehen und wichtig sind?
39a. Vater
39b. Mutter
HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
sehr leicht 16 21 12 26 30 21 14 20 9 10 14 7
leicht 33 38 28 35 37 32 32 38 27 32 39 26
schwer 28 25 32 23 20 26 29 25 33 33 30 36
sehr schwer 16 11 21 11 9 14 18 11 24 19 11 25
habe/sehe ich nicht 6 5 7 6 4 7 6 6 7 6 6 7
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4240 2054 2186 1383 710 673 1498 737 761 1359 607 752
sehr leicht 34 33 35 46 44 49 32 30 33 25 24 26
leicht 40 42 39 36 37 35 40 41 39 45 47 43
schwer 17 17 18 12 12 12 19 19 20 21 20 21
sehr schwer 6 6 6 4 4 4 7 7 7 8 7 8
habe/sehe ich nicht 1 2 1 1 2 1 2 2 1 1 2 1
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4276 2067 2209 1400 716 684 1506 742 764 1370 609 761
39e. Freundinnen/Freunde Deines Geschlechts
sehr leicht 34 26 42 27 25 29 32 24 40 44 30 55
leicht 38 37 39 34 29 39 41 39 43 39 44 35
schwer 14 18 11 17 18 15 15 19 11 12 17 8
sehr schwer 9 12 6 13 15 12 9 13 4 4 7 2
habe/sehe ich nicht 4 7 2 9 14 4 3 5 2 1 3
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4154 1980 2174 1333 667 666 1463 713 750 1358 600 758
Anhang 2 Seite 3

HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
39f. Freundinnen/Freunde des anderen Geschlechts
sehr leicht 10 12 9 7 10 5 8 12 5 16 15 16
leicht 25 26 25 16 17 15 24 25 22 36 36 36
schwer 26 23 28 20 19 21 28 24 32 29 27 30
sehr schwer 24 21 27 31 24 38 28 25 31 13 13 14
habe/sehe ich nicht 14 17 11 26 30 21 11 14 9 6 8 5
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4068 1928 2140 1285 641 644 1434 692 742 1349 595 754
42. Wie oft verbringst Du nach der Schule Zeit mit
Freundinnen oder Freunden?
vier- bis fünfmal in der Woche 37 44 30 39 47 30 33 40 28 39 46 34
zwei- bis dreimal in der Woche 35 35 35 33 32 33 35 36 34 37 38 36
einmal in der Woche oder seltener 26 19 33 26 19 34 30 23 36 22 14 28
ich habe zur Zeit keine richtigen Freundinnen oder
Freunde 2 2 2 3 2 3 2 2 2 2 1 2
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4284 2067 2217 1408 720 688 1507 741 766 1369 606 763
43. Wie viele Abende pro Woche verbringst Du
gewöhnlich außer Haus mit Freundinnen oder
Freunden?
0 38 37 38 54 51 56 39 37 41 19 19 20
1 23 21 25 19 16 23 23 20 26 27 28 25
2 17 17 18 10 9 11 16 16 17 26 26 26
3 10 11 10 7 10 5 10 11 9 13 12 15
4 5 6 4 4 6 3 4 5 4 6 7 6
5 3 4 2 3 3 2 3 5 2 3 2 4
6 2 2 1 1 1 0 2 2 1 2 3 2
7 2 3 1 2 4 1 2 4 1 3 3 3
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4269 2060 2209 1404 715 689 1502 738 764 1363 607 756
Anhang 2 Seite 4

44. Denk bitte an Deine Freundinnen und Freunde:
treffen die folgenden Aussagen auf sie zu oder nicht?
HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
44a. Meine Freundinnen/Freunde gehen gerne in die
Schule
alle 5 5 4 9 9 9 3 2 3 2 3 2
die meisten 17 16 18 23 21 24 13 13 14 17 15 18
einige 27 25 29 26 24 29 28 26 29 27 26 28
wenige 32 31 32 25 25 24 33 33 33 37 36 38
keine 20 23 16 18 22 13 23 26 20 17 20 15
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4273 2059 2214 1403 719 684 1505 735 770 1365 605 760
44b. Meine Freundinnen/Freunde finden es wichtig,
gute Schulnoten zu haben.
alle 22 24 21 35 37 34 18 20 16 13 14 13
die meisten 36 36 37 35 34 37 38 38 39 35 36 35
einige 26 24 28 19 16 21 27 25 29 33 31 34
wenige 12 12 12 8 10 6 12 12 13 14 14 15
keine 3 4 3 3 3 2 4 5 3 4 5 3
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4268 2056 2212 1398 714 684 1503 736 767 1367 606 761
45. Wenn ich ernste Probleme habe, helfen mir
folgende Personen, damit umzugehen:
45a. Mein Vater
immer 31 40 22 40 48 31 27 36 19 25 34 19
in bestimmten Fällen 37 36 38 34 31 36 39 38 41 38 40 36
selten 19 15 22 17 15 20 19 15 22 20 16 23
nie 13 9 18 9 6 12 15 11 18 17 10 22
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4175 2015 2160 1355 692 663 1472 720 752 1348 603 745
Anhang 2 Seite 5

45b. Meine Mutter
HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
immer 57 57 56 71 69 73 53 52 53 46 48 45
in bestimmten Fällen 31 31 31 22 23 21 34 34 33 38 38 37
selten 8 8 9 5 6 4 9 8 10 11 9 12
nie 4 4 4 2 2 3 4 5 4 5 4 6
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4240 2040 2200 1377 701 676 1495 732 763 1368 607 761
45c. Eine meiner Lehrerinnen/einer meiner Lehrer
immer 5 6 4 9 10 8 3 3 3 2 3 2
in bestimmten Fällen 22 24 20 29 31 28 20 22 18 16 17 15
selten 31 32 30 31 29 33 32 34 31 28 32 25
nie 43 39 47 31 30 31 45 41 49 53 47 58
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4154 1995 2159 1340 684 656 1464 716 748 1350 595 755
45d. Meine beste Freundin/mein bester Freund
immer 43 31 55 33 27 38 42 30 54 55 37 70
in bestimmten Fällen 33 37 29 34 34 34 35 38 33 31 41 23
selten 16 20 12 22 24 20 15 20 11 11 16 7
nie 7 11 4 12 15 8 7 12 2 3 5 1
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4207 2018 2189 1359 691 668 1486 724 762 1362 603 759
45e. Andere
immer 38 32 43 31 29 34 39 33 45 45 37 51
in bestimmten Fällen 29 24 33 26 21 31 29 25 32 33 27 37
selten 12 14 10 17 19 15 12 14 9 6 7 5
nie 21 30 14 25 30 20 21 28 14 17 30 7
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 2486 1179 1307 915 463 452 914 445 469 657 271 386
Anhang 2 Seite 6

46. Hier sind einige Aussagen darüber, wie Menschen
mit Problemen umgehen. Bitte gib an, wie sehr sie
auf Dich zutreffen.
HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
46a. Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir
immer, wenn ich mich darum bemühe.
stimmt nicht 4 5 4 6 5 7 5 6 4 2 2 2
stimmt kaum 16 14 18 17 15 20 18 16 20 12 10 14
stimmt eher 56 55 57 51 51 52 57 54 60 59 59 59
stimmt genau 24 27 21 25 29 21 20 24 16 27 28 25
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4279 2064 2215 1399 716 683 1509 741 768 1371 607 764
46b. Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine
Absichten und Ziele zu verwirklichen.
stimmt nicht 7 6 8 10 9 12 6 5 7 5 5 5
stimmt kaum 24 21 26 22 20 25 27 26 27 22 17 26
stimmt eher 49 49 48 43 44 42 49 48 49 55 58 53
stimmt genau 20 23 18 24 27 21 18 21 16 18 21 17
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4261 2052 2209 1391 711 680 1500 735 765 1370 606 764
46c. Auch bei überraschenden Ereignissen glaube
ich, daß ich gut damit zurechtkommen kann.
stimmt nicht 4 3 4 5 5 6 4 4 4 2 2 2
stimmt kaum 17 16 18 16 15 16 18 18 18 17 14 19
stimmt eher 54 53 55 48 46 50 55 55 55 58 59 58
stimmt genau 25 28 23 31 35 27 23 24 22 23 25 21
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4263 2053 2210 1393 711 682 1501 736 765 1369 606 763
Anhang 2 Seite 7

HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
46d. Was auch immer passiert, ich werde schon
damit klarkommen.
stimmt nicht 7 6 8 9 8 11 7 6 8 5 4 6
stimmt kaum 20 19 21 21 19 23 21 21 22 19 18 20
stimmt eher 43 43 42 40 41 38 42 42 42 46 46 46
stimmt genau 30 32 28 30 31 28 30 32 28 30 32 28
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4259 2049 2210 1393 710 683 1499 734 765 1367 605 762
60. Wie stark fühlst Du Dich durch das belastet, was
in der Schule von Dir verlangt wird?
überhaupt nicht belastet 18 19 17 30 31 28 13 13 12 11 13 10
ein bißchen belastet 60 59 62 58 55 61 66 64 67 57 57 57
ziemlich belastet 18 17 18 9 10 9 18 18 18 26 25 26
stark belastet 4 5 4 3 4 2 4 5 2 6 5 7
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4268 2050 2218 1405 717 688 1497 731 766 1366 602 764
48. Wie gefällt es Dir derzeit in der Schule?
es gefällt mir sehr gut 21 21 22 38 35 42 12 12 13 14 16 13
es gefällt mir ganz gut 55 53 56 46 44 47 58 57 60 60 58 61
es gefällt mir nicht sehr gut 16 17 16 12 15 9 20 20 20 17 16 18
es gefällt mir gar nicht 7 9 6 4 6 2 9 11 8 9 10 8
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4295 2076 2219 1415 722 693 1511 745 766 1369 609 760
52. Wie oft denkst Du, daß die Schule langweilig ist?
sehr oft 20 22 18 15 19 11 22 24 20 22 24 21
oft 25 24 26 15 17 13 29 29 29 32 27 36
manchmal 36 34 37 36 33 38 36 34 38 35 36 34
selten 15 16 15 26 24 28 11 11 11 9 12 7
nie 4 4 4 9 7 10 2 2 2 2 1 2
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4283 2062 2221 1404 713 691 1508 742 766 1371 607 764
Anhang 2 Seite 8

49. Bitte kreuze für jede Aussage an, ob sie für Deine
Schule zutrifft oder nicht:
HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
49a. Wenn in unserer Schule Vorschriften gemacht
werden (z. B. Schulordnung), entscheiden die
Schülerinnen/Schüler mit.
stimmt genau 11 12 10 18 18 18 7 8 6 8 8 7
stimmt so ziemlich 12 12 11 15 16 14 8 7 8 13 15 12
teils, teils 24 22 26 24 23 25 20 21 19 29 23 34
stimmt eher nicht 19 18 21 14 13 16 21 20 22 23 21 23
stimmt gar nicht 34 36 32 29 30 27 45 44 45 27 33 23
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4277 2065 2212 1403 717 686 1506 742 764 1368 606 762
49b. In unserer Schule werden die
Schülerinnen/Schüler zu streng/hart behandelt.
stimmt genau 5 7 4 5 6 4 6 9 3 5 7 4
stimmt so ziemlich 8 10 6 6 8 4 8 11 6 9 11 8
teils, teils 31 31 31 21 22 20 37 36 39 34 35 33
stimmt eher nicht 31 29 33 28 27 29 31 29 33 36 32 39
stimmt gar nicht 24 23 26 40 37 43 18 16 20 16 14 17
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4288 2070 2218 1411 720 691 1508 742 766 1369 608 761
49c. Die Regeln und Vorschriften in dieser Schule
sind gerecht
stimmt genau 24 24 25 42 40 45 18 18 18 13 13 13
stimmt so ziemlich 28 29 27 27 27 28 28 30 25 29 31 28
teils, teils 31 29 32 19 19 18 33 31 36 40 39 42
stimmt eher nicht 11 10 11 6 7 5 13 12 15 12 10 13
stimmt gar nicht 6 8 5 5 7 3 8 10 6 5 7 4
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4272 2064 2208 1403 716 687 1503 742 761 1366 606 760
Anhang 2 Seite 9

HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
49d. In unserer Schule fühle ich mich wohl
stimmt genau 31 31 31 51 47 55 21 21 21 21 23 19
stimmt so ziemlich 31 29 32 24 24 25 33 32 33 35 33 38
teils, teils 24 23 25 15 16 14 28 26 31 28 27 28
stimmt eher nicht 8 9 7 5 7 3 11 12 10 9 9 9
stimmt gar nicht 6 8 5 5 7 3 7 9 5 7 8 7
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4274 2062 2212 1400 714 686 1505 741 764 1369 607 762
49e. Ich habe in dieser Schule das Gefühl,
58. Fühlst Du Dich in der Schule sicher?
stimmt genau 36 37 35 51 49 53 29 30 29 28 30 26
stimmt so ziemlich 33 33 33 27 27 26 36 35 37 37 37 37
teils, teils 20 19 21 15 16 14 22 20 24 24 22 26
stimmt eher nicht 6 6 6 4 5 4 7 7 7 7 6 7
stimmt gar nicht 4 5 4 3 4 3 6 7 4 4 4 4
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4281 2068 2213 1405 717 688 1508 742 766 1368 609 759
ja, immer 36 38 35 48 45 51 30 30 30 31 38 25
ja, oft 39 39 40 34 34 33 39 41 37 45 41 48
manchmal 18 17 20 14 15 12 22 19 26 19 17 20
selten 4 4 4 3 3 2 6 7 6 3 3 4
nie 2 3 2 2 3 1 3 4 2 2 2 3
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4252 2043 2209 1394 708 686 1498 735 763 1360 600 760
Anhang 2 Seite 10

50. Bitte kreuze für jede Aussage an, ob sie für Deine
Lehrerinnnen und Lehrer zutrifft oder nicht. Wenn Du
nur eine Lehrerin/einen Lehrer hast, beantworte sie
für diese/diesen.
HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
50a. Ich werde ermutigt, meine Meinung zu sagen.
fast immer 17 18 16 25 27 23 13 14 12 12 12 12
ziemlich oft 26 26 25 24 24 25 23 25 22 29 30 29
manchmal 35 34 36 31 29 33 39 38 40 36 36 36
selten 17 15 18 14 13 15 18 17 20 18 16 19
nie 6 7 5 5 7 4 7 7 7 5 6 4
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4285 2066 2219 1401 714 687 1510 743 767 1374 609 765
50b. Unsere Lehrerinnen/Lehrer behandeln uns
gerecht.
fast immer 31 31 32 51 47 55 24 23 25 19 20 18
ziemlich oft 32 33 31 29 29 29 31 33 29 36 39 34
manchmal 24 21 26 11 12 11 27 24 31 32 29 34
selten 10 11 9 6 8 4 14 15 13 10 9 12
nie 3 4 2 3 4 2 4 5 3 2 3 2
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4285 2065 2220 1402 713 689 1509 742 767 1374 610 764
50c. Wenn ich Hilfe brauche, dann bekomme ich sie
auch.
fast immer 27 27 28 41 39 42 22 21 22 20 20 20
ziemlich oft 30 30 30 32 32 32 28 27 29 30 31 29
manchmal 24 25 24 18 17 19 27 29 25 29 29 28
selten 14 13 15 7 8 6 18 16 19 17 15 18
nie 4 5 4 3 4 1 6 7 5 4 4 4
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4274 2057 2217 1399 709 690 1504 740 764 1371 608 763
Anhang 2 Seite 11

HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
50d. Meine Lehrerinnen/Lehrer interessieren sich für
mich.
fast immer 11 11 11 17 18 17 8 7 9 7 7 8
ziemlich oft 24 23 24 27 26 28 20 19 21 23 25 22
manchmal 37 36 38 34 32 36 38 37 38 40 38 41
selten 20 20 20 15 16 14 24 24 24 22 22 22
nie 8 10 7 7 9 4 10 13 8 8 8 8
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4271 2058 2213 1399 710 689 1508 741 767 1364 607 757
51. Und wie ist es in Deiner Klasse?
51a. Die Schüler und Schülerinnen in meiner Klasse
sind gern beisammen.
fast immer 33 34 31 41 43 39 33 33 33 23 24 23
ziemlich oft 34 35 33 31 31 30 33 35 31 39 41 37
manchmal 22 21 23 18 18 17 23 21 24 26 25 28
selten 8 7 9 7 6 9 8 8 9 9 8 10
nie 3 3 3 4 3 5 3 3 3 2 2 2
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4282 2067 2215 1402 715 687 1509 744 765 1371 608 763
51b. Die meisten in meiner Klasse sind nett und
hilfsbereit.
fast immer 36 33 39 44 42 46 31 28 35 33 28 37
ziemlich oft 31 32 31 29 28 29 31 32 30 36 37 34
manchmal 21 22 19 17 19 15 24 25 23 20 22 19
selten 9 10 9 8 8 8 11 11 11 9 10 8
nie 3 3 2 3 3 2 3 4 2 2 3 2
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4279 2063 2216 1400 714 686 1508 742 766 1371 607 764
Anhang 2 Seite 12

HBSC - SURVEY 1998 ÖSTERREICH
alle Altersgruppen
Altersgruppe 11 Jahre Altersgruppe 13 Jahre Altersgruppe 15 Jahre
gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich gesamt männlich weiblich
51c. Meine Mitschülerinnen/Mitschüler akzeptieren
mich so, wie ich bin.
fast immer 47 48 46 50 50 50 44 47 41 48 48 47
ziemlich oft 29 28 30 26 25 26 29 27 30 32 32 32
manchmal 15 14 16 15 15 16 17 15 18 14 13 14
selten 6 7 6 6 7 6 8 7 8 5 5 4
nie 3 3 3 2 2 2 4 4 3 2 1 2
Summe 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
n= 4279 2061 2218 1401 712 689 1508 742 766 1370 607 763
Anhang 2 Seite 13

Anhang 3:
Konstruktion der Indices
hbsc/18
Partizipative Strukturen in der Schule
und die Gesundheit von Jugendlichen
im Alter von 11, 13 und 15 Jahren
Endbericht
Oktober 2002

Übersicht zur Indexkonstruktion
Index 1: Kohärenzsinn (KOH2)
Schritt 1: Berechnen eines Summenindex mit folgenden Fragen
Ausprägung
Frage
Hast du oft oder selten das Gefühl, dass du
ungerecht behandelt wirst?
Wie oft sind deine Gefühle und Ideen ganz
durcheinander?
Wie oft fühlst du dich als trauriger Versager?
Wie oft hast du das Gefühl, dass die Dinge die du
täglich tust, wenig Sinn haben?
Erhaltener Wertebereich des Index: 4 bis 28
Schritt 2: Zusammenfassung zu einem 3-teiligen Index
Ausprägung
Negativer Lebenssinn
Neutral
Positiver Lebenssinn
Anhang 3 Seite 1
1 = 7 =
7-teilig immer nie
7-teilig sehr oft selten
oder nie
7-teilig sehr oft selten
oder nie
7-teilig sehr oft selten
oder nie
4 = sehr schlechter
Kohärenzsinn,
28= sehr guter Kohärenzsinn
Wertebereich
4 bis 13
14 bis 18
19 bis 24

Index 2: Selbstwirksamkeit (SELB)
Schritt 1: Berechnen eines Summenindex mit folgenden Fragen
Ausprägung
Frage
Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir immer,
wenn ich mich darum bemühe
Ich habe keine Schwierigkeiten, meine Absichten
und Ziele zu verwirklichen
Ich glaube, dass ich auch bei überraschenden
Ereignissen gut zurecht komme
Was auch immer passiert, ich werde schon damit
zurechtkommen
Anhang 3 Seite 2
4-teilig stimmt
nicht
4-teilig stimmt
nicht
4-teilig stimmt
nicht
4-teilig stimmt
nicht
1 = 4 =
4 = sehr schlechte
Erhaltener Wertebereich des Index: 4 bis 16 Selbstwirksamkeit,
16= sehr gute
Selbstwirksamkeit
Schritt 2: Zusammenfassung zu einem 3-teiligen Index
Wertebereich
Ausprägung
Geringe Selbstwirksamkeit
Mittlere Selbstwirksamkeit
Hohe Selbstwirksamkeit
4 bis 10
11 bis 13
14 bis 16
stimmt
genau
stimmt
genau
stimmt
genau
stimmt
genau

Index 3: Anpassung an Schulnormen (Ang1)
Schritt 1: Regressionsalanyse, Faktor 1 wurde zu einem Index zusammen
gefasst
Ausprägung
Frage
Wie oft denkst du, dass die Schule langweilig ist?
Wie gefällt es dir derzeit in der Schule?
Meine Freunde gehen gerne in die Schule
Meine Freunde halten es für wichtig, gute
Schulnoten zu haben
Erhaltener Wertebereich des Index: -2,5 bis 2,5
Schritt 2: Zusammenfassung zu einem 3-teiligen Index
Ausprägung
Eher angepasst
Neutral
Nicht angepasst
Anhang 3 Seite 3
1 = 4/5 =
5-teilig sehr oft nie
4-teilig sehr gut gar nicht
5-teilig alle keine
5-teilig alle keine
-2,5 = sehr angepasst,
2,5= nicht angepasst
Wertebereich
< -1
>-1 bis < 0,5
> 0,5

Index 4: Partizipation (Par2)
Schritt 1: Berechnen eines Summenindex mit folgenden Fragen
Ausprägung
Frage
Die Regeln und Vorschriften in unserer Schule sind
gerecht
Ich werde ermutigt meine Meinung zu sagen
Unsere Lehrer behandeln uns gerecht
Erhaltener Wertebereich des Index: 3 bis 15
Schritt 2: Zusammenfassung zu einem 3-teiligen Index
Ausprägung
Gutes Schulkima
Neutral
Schlechtes Schulklima
Anhang 3 Seite 4
5-teilig stimmt
genau
5-teilig fast
immer
5-teilig fast
immer
1 = 5 =
stimmt
gar nicht
nie
nie
3= gutes Schulkima,
15= schlechtes Schulklima
Wertebereich
3 bis 6
7 bis 9
10 bis 15

Index 5: Lehrerunterstützung (SRLE)
Schritt 1: Berechnen eines Summenindex mit folgenden Fragen
Ausprägung
Frage
Wenn ich Hilfe brauche erhalte ich sie auch von
meinem Leherer/meiner Lehrerin
Meine LehrerInnen interessieren sich für mich
Wie stark fühlst du dich durch das belastet, was in
der Schule von dir verlangt wird
Erhaltener Wertebereich des Index: 3 bis 14
Schritt 2: Zusammenfassung zu einem 3-teiligen Index
Ausprägung
Viel Lehrerunterstützung
Neutral
Wenig Lehrerunterstützung
Anhang 3 Seite 5
5-teilig fast
immer
5-teilig fast
immer
3-teilig überhaup
t nicht
1 = 4/5 =
nie
nie
stark
3= viel Lehrerunterstützung,
14= wenig
Lehrerunterstützung
Wertebereich
3 bis 6
7 bis 10
11 bis 14

Index 6: Lehrerunterstützung ohne Belastung (SRLE_neu und SRLE3)
Schritt 1: Berechnen eines Summenindex mit folgenden Fragen
Ausprägung
Frage
Wenn ich Hilfe brauche erhalte ich sie auch von
meinem Leherer/meiner Lehrerin
Meine LehrerInnen interessieren sich für mich
Erhaltener Wertebereich des Index: 2 bis 10
Anhang 3 Seite 6
5-teilig fast
immer
5-teilig fast
immer
1 = 4/5 =
nie
nie
3= viel Lehrerunterstützung,
14= wenig
Lehrerunterstützung
Schritt 2a: Zusammenfassung zu einem 3-teiligen Index (SRLE_neu)
Wertebereich
Ausprägung
Viel Lehrerunterstützung
Neutral
2 bis 3
4 bis 7
8 bis 10
Wenig Lehrerunterstützung
Schritt 2a: Zusammenfassung zu einem 2-teiligen Index (SRLE3)
Wertebereich
Ausprägung
Viel und neutrale Lehrerunterstützung
Wenig Lehrerunterstützung
2 bis 7
8 bis 10

Index 7: Klassenklima (LS)
Schritt 1: Berechnen eines Summenindex mit folgenden Fragen
Ausprägung
Frage
Schüler meiner Klasse sind gern beisammen
Die meisten meiner Klasse sind nett und hilfsbereit
Meine Klassenkameraden akzeptieren mich so wie
ich bin
Erhaltener Wertebereich des Index: 3 bis 15
Schritt 2: Zusammenfassung zu einem 3-teiligen Index
Ausprägung
Gutes Klassenklima
Neutral
Schlechtes Klassenkima
Anhang 3 Seite 7
5-teilig fast
immer
5-teilig fast
immer
5-teilig fast
immer
1 = 5 =
nie
nie
nie
2= gutes Klassenklima,
10= schlechtes Klassenklima
Wertebereich
2 bis 3
4 bis 7
8 bis 10

Index 8: Unterstützung durch die Familie (Prob_fam und Pro_fa_k)
Schritt 1: Berechnen eines Summenindex mit folgenden Fragen (Prob_fam)
Ausprägung
Frage
Wenn ich ernste Probleme habe, hilft mir mein Vater,
damit umzugehen
Wenn ich ernste Probleme habe, hilft mir meine
Mutter, damit umzugehen
Erhaltener Wertebereich des Index: 2 bis 8
Anhang 3 Seite 8
4-teilig fast
immer
4-teilig fast
immer
1 = 4 =
2= viel Unterstützung,
8= wenig Unterstützung
Schritt 2: Zusammenfassung zu einem 2-teiligen Index (Pro_fa_k)
Wertebereich
Ausprägung
viel Unterstützung
wenig Unterstützung
2 bis 3
4 bis 8
nie
nie

Index 9: Gesprächsklima in der Familie (Gesp_fam und ge_fa_k)
Schritt 1: Berechnen eines Summenindex mit folgenden Fragen (Gesp_fam)
Ausprägung
Frage
Wie leicht oder schwer fällt es Dir, mit Deinem Vater
über Dinge zu sprechen, die Dir wirklich nahegehen
und wichtig sind?
Wie leicht oder schwer fällt es Dir, mit Deiner Mutter
über Dinge zu sprechen, die Dir wirklich nahegehen
und wichtig sind?
Erhaltener Wertebereich des Index: 3 bis 15
Anhang 3 Seite 9
5-teilig sehr
leicht
5-teilig sehr
leicht
1 = 5 =
habe/
sehe
ich
nicht
habe/
sehe
ich
nicht
2= gutes Gesprächsklima,
10= schlechtes
Gesprächsklima
Schritt 2: Zusammenfassung zu einem 2-teiligen Index (Ge_fa_k)
Wertebereich
Ausprägung
Gutes Gesprächsklima
Schlechtes Gesprächskima
2 bis 3
4 bis 10

Index 10: Gesprächsklima in der Peergruppe (Gesp_pee und ge_pe_k)
Schritt 1: Berechnen eines Summenindex mit folgenden Fragen (Gesp_pee)
Ausprägung
Frage
Wie leicht oder schwer fällt es Dir, mit FreundInnen
Deines Geschlechts über Dinge zu sprechen, die Dir
wirklich nahegehen und wichtig sind?
Wie leicht oder schwer fällt es Dir, mit FreundInnen
des anderen Geschlechts über Dinge zu sprechen,
die Dir wirklich nahegehen und wichtig sind?
Erhaltener Wertebereich des Index: 3 bis 15
Anhang 3 Seite 10
5-teilig sehr
leicht
5-teilig sehr
leicht
1 = 5 =
habe/
sehe
ich
nicht
habe/
sehe
ich
nicht
2= gutes Gesprächsklima,
10= schlechtes
Gesprächsklima
Schritt 2: Zusammenfassung zu einem 2-teiligen Index (Ge_pe_k)
Wertebereich
Ausprägung
Gutes Gesprächsklima
Schlechtes Gesprächskima
2 bis 4
5 bis 10

Index 11: Soziale Schicht (Schi)
Schritt 1: Regressionsalanyse, Faktor 1 wurde zu einem Index zusammen
gefasst
Ausprägung
Frage
1 = 3/4/5 =
Hat deine Familie ein Auto? 3-teilig nein mind. 2
Wie oft bist du während des letzten Jahres in den 4-teilig überhaup mind.
Ferien mit deiner Familie verreist?
t nicht 2x
Für wie reich schätzt du deine Familie ein? 5-teilig sehr reich nicht
reich
Erhaltener Wertebereich des Index: -3,3 bis 2,7
Schritt 2: Zusammenfassung zu einem 3-teiligen Index
Ausprägung
Arm
Mittel
Reich
Anhang 3 Seite 11
-3,3= sehr arm,
2,7= sehr wohlhabend
Wertebereich
-1,2 bis 1

Anhang 4:
Organisation der Fokus Gruppen
und Interviews
hbsc/18
Partizipative Strukturen in der Schule
und die Gesundheit von Jugendlichen
im Alter von 11, 13 und 15 Jahren
Endbericht
Oktober 2002

Organisation der Fokus Gruppen und der Interviews
Die Organisationsanalyse wird von 4 Expert/innen durchgeführt, wobei 2 Unterrichtseinheiten
dafür eingeplant werden. Nach der Vorstellung der Expert/innen und Einführung in das
Thema wurden Kurzfragebögen über die Themen Gesundheit, Rauchen und Empowerment
in der Schule ausgeteilt. Anschließend werden die Schüler/innen aufgefordert, drei Gruppen
zu bilden. Im Anschluss daran werden die Fokusgruppen in verschiedenen Räumen
durchgeführt. Gleichzeitig dazu werden die Lehrer/innen und der Schulleiter/die Schulleiterin
interviewt.
Anweisung zur Gesprächsführung
a) Informationen für die Interviewer/innen
• Der Leitfaden dient als Orientierung, es muss Platz sein für neue Themen, die von Seiten
der Befragten kommen.
• Richtwert der Interviewdauer mit den Lehrer/innen ist ½ bis ¾ Stunde und den
Fokusgruppen mit den Schüler/innen ist 1½ - 2 Stunden.
• Auf eine effiziente Interviewführung sollte geachtet werden. Wenn die Befragten zu sehr
vom Thema abweichen, dürfen sie sehr wohl zurückgeholt werden.
• Glaubens- und Meinungsfragen liefern invalide Ergebnisse. Fragen nach Beispielen,
genauen Abläufen und Ursachenzusammenhängen sind brauchbarer.
• Die Gesprächsführung soll versuchen kleine narrative Einheiten zu erzeugen und diese
der Gruppe zur Diskussion vorzulegen.
• Nach dem Interview und noch vor der Transkription soll ein kurzes Gesprächsprotokoll
über die Hauptaussagen sowie die persönlichen Eindrücke während des Interviews
niedergeschrieben werden.
b) Information für die Teilnehmer/innen
• Ziel der Fokus Gruppen und Gespräche ist es eine vertiefende Einsicht in
wahrgenommenen partizipativen und empowernden Strukturen in der Schule zu erhalten.
• Die ungefähre Dauer der Fokus Gruppen und Gespräche ist 2 Stunden.
• Die Beantwortung bestimmter Fragen kann auch abgelehnt werden.
• Jederzeit kann das Interview beendet, oder die Fokus Gruppe verlassen werden.
• Alle Daten werden anonym und vertraulich behandelt.
• Das Interview wird aus Gründen der späteren Bearbeitung aufgezeichnet.
• Die Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung ist gegeben.
Anhang 4 Seite 1

Fokus Gruppen mit den Schüler/innen
Die Schüler/innen werden zur freiwilligen Teilnahme angeregt – es sollten sich zumindest 15
Schüler/innen pro Klasse bereit erklären mitzumachen (3 Gruppen). Der Inhalt der
Fokusgruppen ist in 3 Themenbereiche aufgeteilt. Gemäß der vorbereiteten Guidelines
werden die Jugendlichen aufgefordert über bestimmte Bereiche zu diskutieren.
Guidelines für Fokus Gruppen
Themenbereich 1: Wie ist der Schulalltag gestaltet? Was ist die Rolle der Schüler/innen bei
der Gestaltung der schulischen Abläufe?
Hierbei geht es um die Rekonstruktion von Gestaltungprozessen und darum auszuloten,
inwieweit Schüler/innen darin eingebunden sind. Es werden einige Gestaltungsprozesse
beispielhaft thematisiert: Gestaltung von Lerneinheiten, des Klassenzimmers, eines
Wandertages, einer Exkursion und von Unterrichtsstunden.
Beispiele für Fragen: Wer hat das Klassenzimmer so gestaltet wie es ist? Wer hat den
letzten Wandertag oder eine Exkursion vorbereitet. Gibt es die Möglichkeit den Unterricht
mitzugestalten?
Wenn Schüler/innen beteiligt waren? Wie hat es sich abgespielt?
Wie wurden die Schüler/innen aufgefordert?
Welche Ressourcen – Zeit, Geld - sind zur Verfügung gestanden?
Themenbereich 2: Was geschieht im Krisenfall? Wie verhalten sich Schüler/innen, wenn sie
ein Problem haben?
Hier geht es um eine Rekonstruktion von Problemfällen, inwieweit Schüler/innen bei
Problemlösungen mitbeteiligt sind, wenn es zum Beispiel um Schulnoten geht, sowie
ermutigt werden über persönliche und familiäre Probleme zu sprechen und Unterstützung
von den Lehrer/innen erhalten. An verschiedene Fälle soll hier beispielhaft thematisiert
werden, wie Schüler/innen in Krisenfällen sich auf die Unterstützung von Lehrer/innen und
Schüler/innen stützen können. Solche Problemfälle können sein: Schulnoten, soziale
Probleme in der Schule, familiäre Probleme, persönliche Probleme.
Beispiele für Fragen: Gibt es eine Möglichkeit persönliche Probleme zu besprechen? Wenn
ja, in welcher Form, wie ist der Vorgang?
Anhang 4 Seite 2

Was wissen die Schüler/innen über die Möglichkeit sich beschweren zu können oder Hilfe in
Sachen psychischer und familiärer Beschwerden Anspruch zu nehmen?
Themenbereich 3: Wie sind Empowerrment und Partizipation organisiert? Welche objektive
Regeln zu Empowerment und Partizipation in der Schule gibt es.
Bei diesem Themenbereich soll heraus gefunden werden, welche objektiven Regeln es für
Empowerment und Partizipation in der Schule gibt. Es sollen Bereiche rekonstruiert werden,
in denen Schüler/innen an Entscheidungsfindungsprozessen teilhaben und Mitspracherechte
einfordern können. Solche Bereiche sind Schulpolitik, Schulordnung, Klassenordnung,
Geldressourcen, ungerechte Behandlung von Lehrer/innen gegenüber Schüler/innen.
Beispiele für Fragen: Gibt es ungerechte Behandlung in der Klasse. Wenn ja, welche
Möglichkeiten stehen Schüler/innen zur Verfügung sich zu beschweren?
Lehrer/inneninterviews
Es werden 2 Lehrer/innen und die Schulleiterin oder der Schulleiter in den ausgewählten
Schulen interviewt.
Der Leitfaden für die Lehrer/innen ist den Guidelines für die Fokusgruppen sehr ähnlich.
Geht es in den ersten beiden Bereichen darum durch narrative Erzählungen strukturelle
Bedingungen der Beteiligung und der Krisenbewältigung zu rekonstruieren sollen im 3
Themenbereich die konkreten objektiven Regeln zu Empowerment und Partizipation an den
Schulen erfragt werden.
Leitfaden für Lehrer/innen und Schulleiter/innen
Themenbereich 1 Gestaltungen des Schulalltags und die Rolle der Schüler/innen und der
Lehrer/innen.
Auch mit den Lehrer/innen werden einige Gestaltungsprozesse beispielhaft thematisiert:
Gestaltung des Klassenzimmers, eines Wandertages, Exkursionen und Unterrichtsstunden.
Zusätzlich ist hier von Interesse, welche Formen der Gestaltung bezogen auf den eigenen
Arbeitsplatz möglich sind.
Beispiele für Fragen: Wird in Diskussionen versucht, gemeinsame Wertvorstellungen,
Schulprofile, Schulprogramme zu formulieren und zu entwickeln?
Wird and der Verbesserung der Unterrichtsqualität gearbeitet?
Anhang 4 Seite 3

Ist die Schule durch ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Schulleben geprägt?
Welche sozialökologischen Ressourcen von Seiten der Schule sind vorhanden?
Welche Lehrmethoden werden angewandt? Gruppeprozeduren, Einzelne Förderung, Spiele,
Ermächtigungspraktiken?
Themenbereich 2: Was geschieht im Krisenfall? Wie verhalten sich Schüler/innen, wenn sie
ein Problem haben?
Hier geht es um eine Rekonstruktion von Problemfällen, inwieweit Schüler/innen bei
Problemlösungen mitbeteiligt sind, wenn es zum Beispiel um Schulnoten geht, sowie
ermutigt werden über persönliche und familiäre Probleme zu sprechen und Unterstützung
von den Lehrer/innen erhalten. An verschiedene Fälle soll hier beispielhaft thematisiert
werden, wie Schüler/innen sich in Krisenfällen auf die Unterstützung von Lehrer/innen und
Schüler/innen stützen können.
Hier ist zusätzlich von Interesse wie mit den Krisen der Lehrer/innen umgegangen wird. Ob
es diesbezüglich unterstützende Strukturen von Seiten der Schulleitung und der Lehrer/innen
gibt.
Beispiele für Fragen: Wird den Schüler/innen die Beteiligung an Wettbewerben ermöglicht?
Werden besonders förderungswürdige Schüler/innen gefördert?
Ist es ein Anliegen der Schule, die Bildungschancen für Schüler/innen aus unteren
sozioökonomischen Schichten zu verbessern?
Themenbereich 3 – Wie sind Empowerment und Partizipation organisiert? Objektive Regeln
zu Empowerment und Partizipation in der Schule
Obwohl Empowerment als ein selbsaktivierendes System gesehen wird, können
Lehrer/innen dazubeitragen indem sie Erfahrung strukturieren und in Form bringen in der
Weise, dass sie Jugendliche unterstützen sich selbst zu bemächtigen. Durch das Angebot
unterstützender Strukturen werden Jugendliche ermutigt sich entsprechende
Entfaltungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Die Frage ist hier welche konkreten Strukturen gibt
es in Schulen, werden von Lehrer/innen und der Schulleitung angeboten, in denen diese
Erfahrungen möglich gemacht werden?
Beispiele für Fragen: Was hält die SchulleiterIn von Mitsprache und Mitgestaltung in der
Schule durch die Schüler/innen, der Lehrer/innen? – Wer hat die Macht?
Wer hat das Wissen? (Beziehungskultur Lehrer/innen:Lehrer/innen).
Welche Rahmenbedingungen bestehen um diese Gestaltungsspielräume für Schüler/innen
möglich werden zu lassen für * Veränderung, *Selbstorganisation, *eigene Interessen und
Anhang 4 Seite 4

Bedürfnisse der Schüler/innen artikulieren zu können, *durchsetzen von eigenen
Vorstellungen und Ideen und Fähigkeiten – Klassenraum und Lehrplan, Freizeit.
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Anhang 5:
Codieranweisungen und Kategorienbaum
hbsc/18
Partizipative Strukturen in der Schule
und die Gesundheit von Jugendlichen
im Alter von 11, 13 und 15 Jahren
Endbericht
Oktober 2002

1. Codieranweisungen
1 Zur Logik der Interpretation
Textbeispiel:
"Und und und, dann hat die Frau Direktor, die is einfach einakumma und hat gsagt, geht’s
machts des jetzt und fertig".
In der Inhaltsanalyse nach Mayring werden zunächst alle Satzteile durchgestrichen, die nicht
unmittelbar und bewusst zum Sinn des Satzes beitragen:
"Und und und, dann hat die Frau Direktor, die is einfach einakumma und hat gsagt, geht’s
machts des jetzt und fertig".
Im zweiten Schritt wird der Sinn des Satzes entsprechend der Forschungsfrage interpretiert,
wobei es in unserem Fall um Macht- und Partizipationsstrukturen geht. Es können die Teile
weggedacht werden, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Forschungsfrage
stehen:
"Und und und, dann hat die Frau Direktor, die is einfach einakumma und hat gsagt, geht’s
machts des jetzt und fertig".
Der verbleibende Satzteil wird im nächsten Schritt interpretatorisch verkürzt, wobei auch
dieser Schritt von der Forschungsfrage ausgeht:
"Direktor/in ordnet etwas mündlich an"
Zuletzt wird dieser Satzinhalt als Kategorie gefasst:
"mündliche Anordnung"
Die Kategorien werden vorgegeben. Für Textstellen, die als interessant erscheinen im Sinne
der Fragestellung, jedoch zu keiner Kategorie zu passen scheinen, sind zwei
Verfahrensweisen vorgesehen:
Anhang 5 Seite 1

a. Erweiterung des Kategoriensystems auf der dritten Ebene. Im Beispiel: Wäre mündliche
Anordnung als Kategorie nicht gegeben müsste man es hinzufügen.
b. Erweiterung des Kategoriensystems auf der zweiten Ebene: Obiges Beispiel ist als
"Regeln machen" kategorisiert es könnte aber auch Sinn machen eine eigene Kategorie
"Regeln verkünden" einzuführen.
Es muss die ganze Textstelle codiert/markiert werden.
Doppelcodierungen sind erwünscht.
Anhang 5 Seite 2

2. Kategorienbaum
Ebene 1 Ebene 2 Ebene 3 Beschreibung
Machtprozesse
Regeln
machen
Regeln
durchsetzen
Allgemeine
soziale
Verhaltenscodes
mündliche
Anordnung
schriftliche
Anordnung-
Schulordnung
Konferenz-
entscheidung
SGAentscheidung,
andere
Gremien der
schulischen
Mitbestimmung
Gemeinsame
Entscheidung
von Eltern und
Schüler/innen
Informationen
weiterleiten
Formelle
Möglichkeiten
für Eltern und
Schüler/innen
Beschwerdemanagement
Strafen,
Sanktionen
Regeln werden durch die Lehrer/innen,
Schulleitung mündlich angeordnet,
weitergegeben
Es gibt eine schriftlich festgehaltene
Hausordnung.
Entscheidung werden durch Konferenzen
herbeigeführt.
Entscheidungen werden durch den SGA,
entschieden.
Entscheidungen über Regeln werden mit den
Schüler/innen, den Eltern gefällt –
Klassenordnungen, etwaige Schulordnungen.
Eltern und Schüler/innen werden über
schulische Prozesse und Ziele informiert.
Es gibt formelle Möglichkeiten für Eltern und
Schüler/innen Fragen des Schullebens zu
artikulieren.
Es gibt ein Vorschlagswesen bzw.
Beschwerdewesen zu Fragen des Unterrichts,
Umwelt, Sozialem, Ökonomie.
Die Durchsetzung der Regeln und der
Hausordnung erfolgt durch Strafen und
Sanktionen.
Den Schüler/innen wird angedroht, dass die
Elternbenachrichtigung
Eltern benachrichtigt werden.
Aufforderung Die Mitschüler/innen übernehmen die Rolle der
durch
Aufpasser/innen und fordern zur
Mitschüler-
/innen
Regeleinhaltung auf
Keine
Es gibt Regeln, aber keine Maßnahmen damit
Maßnahmen diese auch durchgesetzt werden
Grüßen Es gibt eine Grußregel. Grüßen ist nicht
notwendig.
Pünktlichkeit Es gibt eine Pünktlichkeitsregel. Die
Pünktlichkeit wird sanktioniert.
Pausenverhalte
n
Es gibt Pausenregeln.
Geschlechter- Wie wird mit dem Geschlechterverhältnis
ordnung umgegangen.
Hausschuhe Es gibt eine Hausschuhregel. Die
Hausschuhregel gilt für alle.
Schmutz Es gibt Regeln wie mit Schmutz und Abfällen
Anhang 5 Seite 3

Mitgestaltung
Umgang mit
Regeln
Wissen von
Regeln
Sonstiges
Unterricht Normale
Formen des
Unterrichts
Alternative
Formen
Schüler/innen-
Interessen
einbringen
Diskussion und
eigene
Meinungen
einbringen
Projektunterricht
Verantwortung
übernehmen
Eigenes Tun,
Trotz, Heraus-
forderung,
Nutzung der
Mitbestimmung
smöglichkeiten
Sonstige
Unterrichts-
methoden
Schulversuch -
Vorbildrollen
Unterhaltungswert
des
Unterrichts
umgegangen werden muss. Es gibt ein
Recyklingsystem.
Der Umgang mit Regeln ist sehr locker. Regeln
werden nicht eingehalten. Regeln werden
gebrochen.
Die Schüler/innen wissen über die Hausordnung
bescheid. Die Schüler/innen kennen die
Hausordnung. Die Schüler/innen wissen über
ihre Rechte und Pflichten bescheid.
In der Schule herrscht der normale Unterricht
vor. Mittun, Mitarbeit, Schüler/innenäußerungen
sind Bestandteil des Normalunterrichts.
Es werden alternative Lehrmethoden im
Unterricht eingesetzt. Den Schüler/innen wird
selbständiges Arbeiten zugetraut.
Schüler/innen können ihre eigenen Interessen
bezüglich Unterricht einbringen: eigene Themen
und Wünsche. Es gibt organisatorische
Freiräume für die Schüler/innen eigene Themen
einzubringen.
Es gibt Möglichkeiten die eigenen Meinungen
einzubringen. Die Lehrer/innen fordern, die
Meinung der Schüler/innen ein.
Es gibt einen Projektunterricht und die
Möglichkeit für eigen initiierte Projekte.
Es besteht die Möglichkeit Verantwortung für
das eigene Tun zu übernehmen
Das selbstbestimmte Handeln drückt sich in
widerständigem Verhalten aus.
Die Schüler/innen nutzen
Mitbestimmungsmöglichkeiten aus.
Im Unterricht werden Videos, Spiele usw.
angewandt.
Klassen werden anders behandelt. Mit
bestimmten Klassen wird anders umgegangen.
Es gelten in bestimmten Klassen andere
Regeln.
Der Unterricht wird als fad, lustig, interessant
empfunden.
Exkursionen Es werden Exkursionen gemacht. Die
Schüler/innen planen Exkursionen.
Klassen- kollektive Die räumliche Gestaltung des Klassenzimmers
zimmer Gestaltung wurde kollektiv, individuell vorgenommen. Es
gibt Ressourcen für die Gestaltung.
Gestaltung Die Gestaltung wurde durch die Eltern, die
durch andere Lehrer/innen vorgenommen.
Schulevents Schüler/innen Schulevents werden von Schüler/innen
entscheiden
und planen mit
mitentschieden, mitgeplant, mitgestaltet.
Anhang 5 Seite 4

Partizipation
der
Schule
nach
außen
Unterstützung
der
Lehrer/innen
Klassenklima
–
gegenseitige
Unterstüt
z-ung
Unterstüt
z-ung der
Eltern
Schule
Meinungen
außerschulischer
Bereich
Einstellungen:
zur Mitbestimmung
Partizipation
der Schule
Rezeption
durch
Schüler/innen
Zufriedenheit
bzw.
Unzufriedenheit
mit der
Mitbestimung
Motivation für
stärkeres
Engagement
Kooperationen
der Schule mit
anderen
im Unterricht Unterstützung
im Unterricht
bei sozialen,
privaten
Problemen
allgemeine
Erwartungen
der
Schüler/inne
n an die
Lehrer/innen
Unterstützung
bei sozialen
Problemen.
Ansprechbarkeit/
Verfügbarkeit
Schüler/innen sind nur Rezipient/innen von
Schulevents.
Es gibt Lern- oder Freizeitangebote im
außerschulischen Bereich.
Die Schüler/innen sind mit ihren Möglichkeiten
das Schulleben mitzubestimmen zufrieden, sie
sind unzufrieden.
Die Schüler/innen würden sich gerne stärker
engagieren.
Es gibt Kooperationen mit anderen Schulen,
Vereinen, Betrieben
Die Schüler/innen werden von ihren
Lehrer/innen unterstützt. Lehrer/innen
unterstützen die Schüler/innen in
lerntechnischen Fragen.
Die Lehrer/innen unterstützen die Schüler/innen
bei sozialen und famililären Problemen.
Die Schüler/innen werden wie Erwachsene, wie
Kleinkinder wie Jugendliche behandelt.
Vertrauen Die Schüler/innen können ihren Lehrer/innen
vertrauen.
Schüler/inne
Es gibt Konflikte zwischen den Schüler/innen.
n- konflikte
Die Schüler/innen tragen ihre Konflikte selbst
aus. Die Schüler/innen tragen die Konflikte mit
Hilfe der Lehrer/innen aus. Die Eltern werden
bei Konflikten involviert.
Zusammeng
ehörigkeits-
gefühl
gegenseitige
Unterstützun
g
Elternunterstützung
Unterstützung
der Eltern
Es gibt eine gute Klassengemeinschaft.
Die Schüler/innen unterstützen sich gegenseitig.
Sie hören sich gegenseitig zu. Sie unterstützen
sich gegenseitig.
Die Eltern unterstützen ihre Kinder bei
Problemen und stehen zu ihnen.
Die Schüler/innen haben eine gute Meinung,
eine schlechte Meinung über die Schule. Die
Schüler/innen sind zufrieden, sind unzufrieden
mit der Schule.
Anhang 5 Seite 5

Problem Schwierig einzuordnende Gesprächspassagen
Null –
Unwesentliche Sequenzen in den Interviews
Interessant
Anhang 5 Seite 6