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hbsc/18 - Ludwig Boltzmann Institut für Medizin- und ...

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Hände arbeitete 12 . Von hier aus wird verständlich, dass Empowerment in den 90er Jahren<br />

Ausdruck <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lage des generellen Strebens von Individuen <strong>und</strong> Gruppen nach<br />

wachsender Kontrolle in vielen Bereichen ihres täglichen Lebens wurde. Das gilt wiederum<br />

besonders <strong>für</strong> den Bereich der <strong>Medizin</strong> <strong>und</strong> des Versorgungssystems, wo die Arzt/Patient-<br />

Beziehung, die Ges<strong>und</strong>heitserziehung <strong>und</strong> die organisierte Selbsthilfe in praktisch allen<br />

modernen Gesellschaften gr<strong>und</strong>legenden Diskussionen <strong>und</strong> teilweise auch Revisionen<br />

unterzogen wurden.<br />

Im Zuge dessen wurde Empowerment auch zu einem Fokus <strong>für</strong> die wissenschaftliche<br />

Forschung, die sich mit den Bedingungen, Strukturen, Chancen <strong>und</strong> Grenzen sozialer<br />

Netzwerke <strong>und</strong> sozialer Unterstützungssysteme befasste. Der Begriff kann daher heute<br />

aufgr<strong>und</strong> seiner Entwicklungsgeschichte eine gr<strong>und</strong>legende Ambiguität weder verleugnen<br />

noch auflösen, die in der Differenz von Mensch <strong>und</strong> sozialem System begründet liegt <strong>und</strong> die<br />

dazu führt, dass er einerseits - in einer zumeist ungewollten Übereinstimmung mit dem<br />

politischen Neoliberalismus - die Eigenverantwortlichkeit des Individuums <strong>für</strong> sich <strong>und</strong> sein<br />

Fortkommen codiert, andererseits aber die Abhängigkeit dieser Eigenverantwortlichkeit von<br />

den Bedingungen <strong>und</strong> Möglichkeiten der sozialen Integration <strong>und</strong> Teilhabe.<br />

Neuere Definitionen von Empowerment stellen auf eine Neuverteilung von Macht über die<br />

strukturellen <strong>und</strong> prozessualen Bedingungen in sozialen Systemen ab. Community<br />

empowerment, also die Ermächtigung einer Gemeinschaft oder Gruppe, beinhaltet daher<br />

meistens beides: Ein erhöhtes Maß an einem individuellen, psychologischen, an<br />

Kompetenzentwicklung orientierten Empowerment der einzelnen Mitglieder sowie eine<br />

Erhöhung der aktiven politischen Anteilnahme <strong>und</strong> die Durchsetzung der Umverteilung<br />

bestimmter Ressourcen oder Entscheidungen zum Wohle der Gruppe bzw. im Sinne der<br />

Funktion des sozialen Systems (Rissel 1994). Die Koppelung der beiden Seiten folgt dabei<br />

der Logik, dass in Gruppen mit hohem Community Empowerment auch ein hohes<br />

psychologisches Empowerment der einzelnen Mitglieder sehr wahrscheinlich ist, während<br />

umgekehrt ein hohes psychologisches Empowerment keine hinreichende Bedingung <strong>für</strong> die<br />

Macht über Ressourcen notwendig zur Folge hat.<br />

Aus der Literatur gewinnt man den allgemeinen Eindruck das vor allem den<br />

mesosoziologischen Aspekten der Mitsprache <strong>und</strong> der Mitgestaltung mehr Aufmerksamkeit<br />

zu widmen ist, als dies in der bisherigen Praxis <strong>und</strong> Theoriebildung der Fall war. Diesen<br />

Eindruck erhält man insbesondere, wenn man die neuere organisationssoziologische <strong>und</strong><br />

Management-Literatur berücksichtigt, die <strong>für</strong> die theoretische Behandlung des<br />

Empowerment-Begriffs führend geworden ist (Hasenfeld 1992; Teuber, Stiemert-Strecker et<br />

12 Im Aids-Diskurs wurde mit dem Argument, dass Individuen zur Kontrolle ihres Verhaltens <strong>und</strong> zur Übernahme<br />

der Verantwortung da<strong>für</strong> durchaus imstande seien, selbst in dem besonders „heiklen“ Bereich der Sexualität, die<br />

Horrorvorstellung einer staatlich kontrollierten Sexualpolitik abgewehrt (vgl. Dür et al. 1992).<br />

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