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Die drei Ungleichen Das Thema Pankow beteiligt sich am Wettbewerb »Aktive Stadtzentren« Von H. Seefeld Anfang Januar hatte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer wieder einmal den Finger auf eine alte Wunde der »Hauptstadt der Kieze« gelegt. »Die innerstädtischen Zentren Berlins müssen weiter gestärkt werden«, formulierte sie zum wiederholten Mal eine ewige Hoffnung. Relativ neu war die sich anschließende Forderung, die Kiezmittelpunkte »nicht nur lokal, sondern auch in ihrer nationalen und internationalen Ausstrahlung« zu befördern. Gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer wurden darum 18 Stadtteilzentren benannt, denen eine Chance zur Teilnahme am kürzlich von der Bundesregierung und den Ländern initiierten und auf acht Jahre begrenzten Förderprogramm »Aktive Stadtzentren« eingeräumt wird. Ein Mitmachen erscheint lukrativ, denn es stehen je Programmjahr fünf Millionen EUR zur Verfügung. Bei einer Ausschüttung an maximal vier Zentren ist das durchaus ein warmer Geldregen. Kein Wunder also, dass sich 17 der 18 benannten Kandidaten tatsächlich auch am Wettbewerb beteiligen wollen, lediglich beim Zentrumskandidaten »Bahnhofstraße« im Bezirk Treptow-Köpenick hat man schon vorab das Handtuch geworfen. Der Bezirk Pankow ist der einzige, der mit insgesamt drei Zentren –Berliner Allee in Weißensee, Berliner Straße/Breite Straße in Pankow und Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg– ins Rennen gehen kann. »Wir haben im Bezirksamt den Beschluss gefasst, uns komplett an dem Wettbewerb zu beteiligen, weil wir an allen drei Standorten auch noch große Entwicklungspotenziale sehen«, erklärte der Stadtrat für Stadtentwicklung, Michail Nelken. Man wolle deshalb bei einem solchen Angebot nicht von vornherein »Nein« sagen. In einem ersten Schritt müssen für die Zentren Entwicklungskonzepte erarbeitet werden, wofür aus dem Förderprogramm jeweils 10.000 EUR zur Verfügung gestellt werden. Das Bezirksamt hat aufgrund der Tatsache, dass die drei Pankower Zentren zugleich auch Teil von Sanierungsgebieten sind, die jeweiligen Sanierungsbeauftragten mit der Erstellung der Konzeption beauftragt. Bis Anfang Mai müssen die Planungsgruppe WERKSTADT, das Architektur- und Stadtplanungsbüro Jahn, Mack & Partner und die S.T.E.R.N. GmbH ihre Konzepte beim Bezirksamt einreichen. Ende Mai gibt der Bezirk dann die Bewerbungsbeiträge an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung weiter. Nach der Prüfung der eingereichten Konzepte durch eine Jury entscheidet letztlich Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer im Sommer über den Zuschlag. Berliner Allee Schon seit Jahrzehnten ist die Berliner Allee die Hauptschlagader des einstigen Bezirks und heutigen Ortsteils Weißensee. Besonders zwischen dem Antonplatz und dem Kulturhaus hat sie bis heute ihren Charakter als Geschäftsstraße behalten. Ihr entsprechender Charme ging allerdings peu a peu verloren. »Seit 1996 hat sich der Leerstand in den Ladengeschäften im Umfeld der Berliner Allee verdoppelt, es fehlen Geschäfte für Bekleidung, Spielwaren, Sportartikel«, beschreibt Elfi Czajka von der Planungsgruppe WERKSTADT eine schwierige Situation. Selbst Lebensmittelketten scheinen mit Ausnahme von Edeka einen großen Bogen um den Standort zu machen. »Zudem fehlt dem Weißenseer Zentrum ein regelrechter Magnet, wie es ihn mit den Schönhauser Allee Arcaden in Prenzlauer Berg und dem Rathauscenter in Pankow gibt«, ergänzt Czajkas Mitstreiterin Christina Lindemann. Außerordentlich unbefriedigend stellt sich auch die jeweilige Eingangssituation zum Zentrum am Antonplatz bzw. Kulturhaus dar. Die Aufwertung dieser beiden Berei- Vor Ort 05. 2 0 0 8 10 che zählt zu den Hauptzielen im Bewerbungskonzept. Auf zwei Wegen will man erfolgreich agieren. Zum einen soll durch abgestimmte Maßnahmen der Akteure vor Ort Aufmerksamkeit für das Gebiet erzeugt werden. Gut organisierte Straßenfeste und ein eigenes Internetportal gelten als klassische probate Mittel. Aber man will auch mit ganz spezifischen Ideen Interesse wecken. »Zwischen dem Kino am Antonplatz und dem Kulturhaus als Anfangs- und Endpunkte könnte sich eine regelrechte Kulturmeile entwickeln«, meint Czajka. Auch die Herbert-Baum-Straße, die von der Berliner Allee direkt zum berühmten Jüdischen Friedhof führt, sollte unbedingt aufgewertet werden, Unter den neuen Bahnbrücken in Pankow. ©Hartmut Seefeld um attraktiv für Besucher zu werden. Ein zweiter erfolgreicher Weg könne durch öffentliche Investitionen in diesem Bereich beschritten werden, die dann private Investitionen nach sich ziehen. Bereits jetzt, da der südliche Teil des Antonplatzes zu einer attraktiven Grünanlage umgebaut wird und daneben der Bezirk das neue Bildungszentrum mit Bibliothek und Volkshochschule in Betrieb genommen hat, ist die Hoffnung groß, dass private Anlieger gleichfalls in ihre Geldbörse greifen und ihren Besitz auf Vordermann bringen. Die Bauaktivitäten am Wohnhaus Berliner Allee 38 und der bevorstehende Besitzerwechsel des Kulturhauses in die Hände der
Schule für Schauspiel werden als erste wichtige Anzeichen gesehen. Große Areale wie etwa die benachbarte ehemalige Sternecker-Brauerei warten noch auf ideenreiche Investoren. Insgesamt erscheint das Weißenseer Zentrum als das wohl aufwertungsbedürftigste der drei benannten Pankower Zentren. Breite Straße/Berliner Straße In Alt-Pankow steht die Kirche noch mitten im »Dorf« auf dem Anger. In vielen Jahrzehnten ist ringsum all das entstanden, was ein Zentrum so ausmacht. Das Rathaus steht hier und ein großes Einkaufszentrum, der älteste Wochenmarkt Berlins lockt seine Kunden, und im großen Biergarten des »Olivenbaums« kann man auch zu späterer Stunde noch seinen Feierabend feiern. Trotzdem ist das Flair noch eher bescheiden. Besonders der Weg vom zentralen Verkehrsknotenpunkt, dem U- und S-Bahnhof Pankow, durch die Berliner Straße gilt als zunehmend unwirtlich und unattraktiv. »Wir wollen mit der Teilnahme an dem Wettbewerb Sensibilität für diese unbefriedigende Situation erzeugen, denn die Berliner Straße und der Anger bilden ein einheitliches Zentrum, auch wenn es zurzeit nicht so aussieht«, meint Susanne Jahn von Jahn, Mack & Partner. Darum stünde die Berliner Straße auch im Mittelpunkt ihres Konzepts. Schon die Zufahrt zum Zentrum von Berlins Mitte her erscheint erdrückend. Zwar sollen noch in diesem Jahr die ehemaligen Güterbahnhofbrücken ersatzlos abgerissen werden, allein die neue S- und Fernbahnbrücke schafft mit ihren breiten, schräg gestellten Widerlagern aus Sichtbeton unattraktiven Straßenraum. Doch nicht nur hier sieht Jahn akuten Handlungsbedarf. Auch die östliche Seite der Berliner Straße mit der leerstehenden Zigarettenfabrik Garbáty, einem eher improvisiert wirkenden Autohandel und einigen Imbissbuden macht einen wenig erfreulichen Eindruck. Zudem wird die gesamte Berliner Straße zwischen Bahnhof und Anger von 2009 bis 2011 umfassend erneuert. Grund genug also, die Gegenwart als Baustelle für die Anlieger und Passanten attraktiv auszugestalten Das Thema Vor Ort 05. 2 0 0 8 11 ©Hartmut Seefeld Schlangestehen für eine Currywurst bei Konnopke unterm Magistratssschirm an einem gewöhnlichen Samstag im April. und Zeit genug, Ideen für die Zukunft der Straße als zentrales Bindeglied zwischen Bahnhof und Anger aufzuwerten. »Wir wollen erreichen, dass nicht nur die Anwohner in Alt-Pankow ihr Zentrum annehmen, sondern auch die vielen Pendler, die auf ihren Wegen zwischen Berlins Mitte und den Vororten im Nordosten hier umsteigen«, verweist Jahn auf eine besonders umworbene Zielgruppe. Das kleinste Berliner Hauptzentrum bietet zwar schon jetzt die klassischen Zutaten eines zentralen Ortes, allein die Ausstrahlung ist bislang noch vor allem lokal, eben auch weil seine öffentliche Anbindung arg aufwertungsbedürftig ist. Schönhauser Allee Genau genommen hat Prenzlauer Berg seit seiner Gründung als Bezirk vor 88 Jahren noch nie ein richtiges Zentrum gehabt. Die Mietskasernen wuchsen entlang den nach Norden und Osten führenden Ausfallstraßen, kleine Stadtplätze boten dazwischen ein bisschen Raum für Spiel und Erholung. Als gefühlter Mittelpunkt gilt die sternenförmige Kreuzung am U-Bahnhof Eberswalder Straße. Hier »steppt der Bär«, bei Tag wie bei Nacht. Und hier verläuft auch die Schönhauser Allee, seit vielen Jahren eine der beliebtesten Einkaufsstraßen der Stadt. »Wir erarbeiten ein Wettbe- werbskonzept für den Bereich zwischen Kulturbrauerei und Wisbyer Straße«, erklärt Birgit Hunkenschroer von der S.T.E.R.N.. Ganz bewusst hebe man das Motto »Stärken stärken« hervor, denn dass die Straße in diesem Bereich bereits eine große Funktionalität und Anziehungskraft entfaltet, ist längst offensichtlich. Mit dazu beigetragen haben auch die Schönhauser Allee Arcaden, die am S-Bahnhof Schönhauser Allee zweifelsohne zur Aufwertung beigetragen haben. Trotzdem gibt es Defizite, welche die weitere Entwicklung der Straße blokkieren. »Wir wollen mehr Querungsmöglichkeiten, eine Belebung und aktive Nutzung der Fläche unter dem Magistratsschirm, temporäre Nutzung von attraktiven Brachen wie der Cantianspitze und, eingedenk der Leichtathletik-WM 2009 in Berlin, auch bessere Anbindungen an den Jahnsportpark«, erläutert Hunkenschroer. Auch Tempo-30 auf der Allee in diesem Bereich und eine Tiefgarage am Stadion bilden bei den Überlegungen kein Tabu. Unter dem Strich ist die Schönhauser Allee das Zentrum mit den vielfältigsten Angeboten im Bezirk. Gleichwohl stößt sie in manchen Bereichen an ihre Grenzen. Diese aufzubrechen ist das Ziel des Konzepts. Darum auch hatte S.T.E.R.N. die Fachkompetenz der Einzelhandelsexperten von »BBE Retail Experts« bereits jetzt hinzugezogen.
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