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Tribüne Warten auf Sanierung Von Klaus Grosinski, Berliner Geschichtsverein Nordost e. V. Am 29. Juni 1899 erklärten sich die Berliner Stadtverordneten mit der Errichtung von Schulbaracken einverstanden, um der Schulplatznot in der aus allen Nähten platzenden Reichshauptstadt abzuhelfen. Die Idee war allerdings nicht neu. Mehrklassige Schulhäuser in Barackenform waren bereits 1883 in Königsberg und 1885 in München gebaut worden, doch handelte es sich Vorderansicht des Schulpavillions in der Weißenseer Parkstraße aus der Bauzeichnung aus dem Jahre 1912. dabei um festverzimmerte Holzkonstruktionen. In Berlin aber sollte auf ein Bausystem zurückgegriffen werden, das durch Demontage und Wiederverwendbarkeit die Möglichkeit des Standort- und Nutzungswechsels bot. Und so wurde im Oktober 1903 an der damaligen Olivaer Straße (heute Rudi-Arndt- Straße) nahe der Landsberger Allee die erste in Baracken untergebrachte Schule Berlins eröffnet. Weitere entstanden in den folgenden Jahren - drei davon bis 1910 im heutigen Ortsteil Prenzlauer Berg. »Zerlegbar und transportabel« Die meisten wurden noch viele Jahre nach ihrer Außerdienststellung für unterschiedlichste Zwecke genutzt. Erst der Bombenhagel im 2. Weltkrieg bedeutete auch für sie das Ende. Nur eine hat die Unbilden der Zeit weitgehend unbeschadet überstanden - der Schulpavillon auf dem Grundstück Parkstraße 15 in Weißensee. Wie aus Unterlagen im Bauaktenarchiv hervorgeht, bestellte die Gemeinde Weißensee Anfang 1912 bei der Berliner Firma Bendix Söhne Aktiengesellschaft für Holzbearbeitung einen »zerlegbaren transportablen Schulpavillon«. Die Bereitstel- ©Bauaktenarchiv Weißensee lung zusätzlicher Unterrichtsräume hatte sich als notwendig erwiesen, weil die höhere Mädchenschule an der Parkstraße die rasch wachsende Schülerzahl nicht mehr aufnehmen konnte. Auch in Weißensee fehlten Klassenräume, denn dessen Einwohnerzahl war zwischen 1890 und 1910 von 19.804 auf über 43.000 angewachsen. Erhaltenswertes Unikat Im Frühjahr 1913 wurde die von der Gemeinde georderte Baracke im hinteren Teil des Schulgrundstücks an der Parkstraße aufgestellt. Ihre zwei einseitig belichteten, jeweils 54 m² großen Klassenzimmer waren über eine gemeinsame Flur-Eingangshalle erreichbar. Hinter dem Flur befand sich ein Lehrerzimmer. Der Eingangsbereich war vorgezogen Vor Ort 05. 2 0 0 8 6 und mit einem Dreiecksgiebel bekrönt. Ursprünglich als Provisorium gedacht, diente der Pavillon bis 1928 für Unterrichtszwecke. Zu DDR-Zeiten wurde vor die breite Fensterfront ein schuppenartiger Vorbau gesetzt der den historischen Schulpavillon vor dem Verfall schützte. Die so erweiterte Baracke diente zeitweilig als Jugendheim und später dem Heimatmuseum Weißensee als Lager. Über viele Jahre kümmerten sich die Weißenseer Heimatfreunde um sie. Als erste erkundeten sie die Geschichte des Bauwerks, für das sie schließlich Denkmalschutz forderten. Dementsprechend hat der Bezirk bereits vor Jahren beim Landesdenkmalamt beantragt, dass der Holzbau, der sich in kommunalem Eigentum befindet, als denkmalwürdig eingestuft wird. Bisher leider ohne Ergebnis. Doch auch im Landesdenkmalamt werden unseres Wissens die Gründe für eine Unterschutzstellung dieses ältesten erhaltenen Schulpavillons durchaus anerkannt. Dafür sprechen vor allem dessen sozial- und schulgeschichtliche Bedeutung und sein Seltenheitswert. Akuter Handlungsbedarf Heute fällt es schwer, sich vorzustellen, dass hier einst unterrichtet wurde. In der alten Holzbaracke riecht es muffig, die Feuchtigkeit hat Decken und Wände angegriffen. Gern würden der Museumsverbund Pankow und die Weißenseer Heimatfreunde die Räumlichkeiten für Ausstellungen und Veranstaltungen nutzen. Ein Anfang könnte beim diesjährigen Tag des offenen Denkmals im September mit einer Führung und einer kleinen Dokumentation zur Geschichte der Baracke gemacht werden. Auf längere Sicht wäre auch eine Ausstellung zur Schulgeschichte des Bezirks denkbar. Und warum sollte die von den Weißenseer Heimatfreunden seit längerem vorbereitete Schau zur Historie ihres Ortsteils nicht auch dort gezeigt werden? Dazu müsste der Pavillon aber zunächst instandgesetzt werden. Weder Bezirk noch Verein schaffen das aus eigener Kraft. Dabei verschlechtert sich der Zustand des Baudenkmals zusehends, und der Handlungsbedarf wächst.
Löcher im Schulnetz Schule Stadträtin auf »Sensibilisierungstour« für neue Schulen Von H. Seefeld Die schöne neue Welt von Prenzlauer Berg, sie bekommt zunehmend tiefe Kratzer. Investitionen in Milliardenhöhe wurden von privaten Bauherren wie auch von der öffentlichen Hand in den vergangenen 15 Jahren in den fünf Sanierungsgebieten Kollwitzplatz, Helmholtzplatz, Teutoburger Platz, Winsstraße und Bötzowstraße geleistet, um den morbiden Charme der Vergangenheit durch den Chic der Moderne zu ersetzen. Hinter herausgeputzten Gründerzeitfassaden verbergen sich nach neuestem Standard sanierte Wohnungen, kleine und große Baulücken füllen sich mit Wohnhäusern. Und der Boom hält weiter an. Hunderte neue Wohnungen, etwa an der Schwedter Straße oder der Straßburger Straße, sind in Bau bzw. in der Planung. Besonders junge Menschen nehmen das Angebot dankbar an und strömen zuhauf in die kompakten Quartiere. Allein die Infrastruktur ist bis heute nicht auf deren besondere Bedürfnisse ausgerichtet. »Der Aufwand, hier einen Kitaplatz zu bekommen, war ungleich höher als bei den Bemühungen um meinen Job«, verkündete jüngst eine Mutti vom Helmholtzplatz im Lokalfernsehen. »Es ist eine Katastrophe, aber wir haben bis heute keine Jugendfreizeiteinrichtung in unserem Kiez«, schimpft der Sprecher der Betroffenenvertretung Bötzowstraße, Klaus Lemnitz, und hat nur wenig Hoffnung, dass sich daran in absehbarer Zeit noch etwas ändert. Am lautesten aber klagt derzeit die Schulstadträtin des Bezirks, Lioba Zürn-Kasztantowicz. »Faktisch müssen wir in Prenzlauer Berg ab 2009 in jedem Jahr eine neue Grundschule aufmachen, um dem Bedarf gerecht zu werden«, erklärte sie kürzlich mit einiger Verzweiflung in der Stimme. Noch vor ein paar Monaten stand sie mit dieser Meinung sogar ziemlich allein da. »Weder in den anderen Bezirken noch beim Senat fanden meine Warnungen Gehör«, meinte die SPD-Politikerin. Im Gegenteil, so mancher habe ihre Zahlen rundweg in Zweifel gezogen. Seitdem befindet sich Zürn-Kastantowicz auf »Sensibilisierungstour«, wie sie den faktischen Bettelgang durch die maßgeblichen Instanzen der Stadt freundlich umschreibt. Doch ihr bleibt keine andere Wahl. Wurden im vergangen Jahr 718 Erstklässler in den kommunalen Schulen im Gebiet zwischen Mauerpark und Friedrichs- Das leerstehende Schulhaus in der Danziger Straße 50 kann frühestens ab 2010 als Grundschule genutzt werden. hain gezählt, werden es in diesem Jahr 850 sein, 2009 gar 910 und 2010 bereits 1080. Auch danach, so die Prognose der Stadträtin, wird es einen, wenn auch moderaten, Anstieg der Schülerzahlen geben. Verschobene Schuleröffnung An neuen Schulen führt darum kein Weg vorbei. Wie schwierig dies allerdings ist, zeigt das Beispiel Danziger Straße 50. Dort wurde im vergangenen Jahr die Martin-Luther- King-Oberschule wegen Schülermangels geschlossen. Hieß es noch im Juni 2007, dass bereits 2008 die ersten ABC-Schützen hier eingeschult werden können, verlautete wenige Wo- Vor Ort 05. 2 0 0 8 7 chen später aus dem Bezirksamt, dass wegen umfangreicher Umbauten die Schule erst 2009 ans Netz gehen soll. Jetzt kostet die Sanierung plötzlich 8,6 Millionen EUR, neuer Eröffnungstermin ist Sommer 2010. Wo 2009 die zusätzlichen 200 Schüler bleiben sollen, ist indes völlig ungewiss. Besorgniserregend ist vor allem auch, dass schon die Aktivierung eines bestehenden Schulhauses drei Jahre in Anspruch nimmt. Da kann man sich leicht ausrechnen, wie lange es dauert, wenn Schulhäuser, die seit Jahren einen anderen Zweck erfüllen, wie der Eliashof in der Senefelderstraße oder das Bildungszentrum Sebastian Haffner in der Prenzlauer Allee, für ©Albrecht Molle Grundschulen zurückgewonnen werden müssen oder gar neue Schulhäuser gebaut werden sollen. Zürn- Kasztantowicz versucht trotzdem, sich alle Optionen offen zuhalten. Im Sommer erwartet sie die Vorlage einer externen Analyse über alle landeseigenen Grundstücke in Prenzlauer Berg hinsichtlich ihrer Verwendungsmöglichkeit als Schule. Die notwendigen Entscheidungen sollen erst danach gefällt werden. Allein beim Eliashof will die Stadträtin schon jetzt Fakten zugunsten einer Grundschulnutzung schaffen. Durch die andauernde Verschiebung der Inbetriebnahme des Schulhauses in der Danziger Straße 50 sei eine sofortige Alternative unumgänglich.
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