magazin 01/2013 - St. Peter-Ording
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<strong>St</strong>umme<br />
Man muss sicherheitshalber den Kopf einziehen,<br />
wenn man das Kirchenschiff <strong>St</strong>.<br />
Michaels nach Durchschreiten des Vorraums<br />
betritt – genau über der Tür befindet<br />
sich ein mächtiges Orgel-Rückpositiv, das<br />
von den Proportionen her viel zu hoch für Kronleuchter, die auf Eiderstedt einzigartig<br />
die Kirche ist und deshalb den Zugang ver- sind, denn sie zeigen als Bekrönung jeweils<br />
kleinert. Es wurde 1874 aus Itzehoe hier- einen Doppeladler. Ebenso alt ist der Opferher<br />
gebracht und stammt vermutlich aus stock, der wahrscheinlich früher einmal hin-<br />
der Zeit zwischen 1750 und 1780. Der ter dem Altar stand, damit die Gläubigen<br />
Orgelprospekt zeigt auf der<br />
beim „Abendmahlsumgang“<br />
sichtbaren Vorderseite viele<br />
um den Altar herum unbeob-<br />
Orgelpfeifen, die aber alle<br />
achtet ihr Scherflein spen-<br />
nur als Dekoration aus Holz<br />
den konnten.<br />
geschnitzt wurden und kei-<br />
Beichtstühle sind in einer<br />
nen Ton von sich geben kön-<br />
evangelischen Kirche eigentnen.<br />
Die wirkliche Orgel aus<br />
lich ungewöhnlich, denn<br />
dem Jahr 1898 verbirgt sich<br />
anders als im Katholizismus<br />
dahinter. Im Kirchenraum<br />
gilt die Beichte den Prote-<br />
fällt zuerst der große Beichtstanten<br />
nicht als ein Sakrastuhl<br />
von 1703 an der linken<br />
ment. Dennoch war die<br />
Wand auf, der sichtbar das<br />
„Ohrenbeichte“ bis ins 19.<br />
Wappen <strong>St</strong>. <strong>Peter</strong>-<strong>Ording</strong>s Das mächtige Rückpositiv Jahrhundert auch in der<br />
trägt und reich beschnitzt ist.<br />
Er stammt aus der <strong>Ording</strong>er<br />
ist eigentlich zu groß für<br />
die Kirche.<br />
evangelischen Kirche üblich,<br />
und Martin Luther hielt sie<br />
Kirche, die mehrmals neu aufgebaut wer- nach eigenem Bekunden für äußerst wichden<br />
musste, und aus Platzmangel gab man tig. Die Kanzel stammt aus dem 16. Jahr-<br />
ihn nach Welt. Im Altarraum findet sich hundert, wurde aber im Barock verändert;<br />
noch ein weiterer Beichtstuhl – viel kleiner sie wird derzeit von Restauratoren begut-<br />
als der aus <strong>St</strong>. <strong>Peter</strong> und ganz schlicht achtet, um eine möglichst passende Art<br />
gehalten. Er stammt aus dem Jahr 1650, der Aufarbeitung zu finden. Die Kanzel war<br />
also ebenfalls deutlich nach der Reforma- früher wahrscheinlich mehrfarbig bemalt,<br />
tion, genau wie das Einbauschränkchen an seit längerer Zeit aber wurde sie in Weiß<br />
der Nordwand, das früher Abendmahlswein und Gold gehalten. Interessant sind die<br />
und Oblaten beherbergte. Aus demselben großen Schnitzfiguren der vier Evangeli-<br />
Zeitraum datieren die beiden Messing- sten, die sich auf den Kanzelwänden befin-<br />
46<br />
KIRCHENPORTRAIT<br />
Orgelpfeifen<br />
Die <strong>St</strong>. Michael-Kirche in Welt enthält<br />
viele Raritäten aus verschiedenen Jahrhunderten,<br />
die es zu entdecken lohnt.<br />
Schon von außen wird dies deutlich – das<br />
Kirchenschiff ist romanischen Ursprungs,<br />
der Kirchturm jedoch wurde erst zu Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts angebaut.<br />
Deutlich zu erkennen – der Kirchturm wurde<br />
viel später angebaut (rechts). Oben: Hebräische<br />
Inschrift über der Kanzeltür.<br />
den – jeder hält sein Buch unterschiedlich.<br />
Um auf die Kanzel zu gelangen, muss der<br />
Pastor durch eine Tür in der Wand des<br />
Altarraums gehen; das gibt es auch in der<br />
Gardinger Kirche. Über der Tür befindet<br />
sich eine Inschrift in Hebräisch: „Mein Wort<br />
wird nicht leer zu mir zurückkommen,<br />
spricht der Herr“ (Jesaja 55,11).<br />
Der Altar wird der Schule des Marten van<br />
Achten (Tönning) zugeschrieben und dürfte<br />
um 1600 entstanden sein; die Gemälde<br />
zeigen die Taufe Christi und die Kreuzigung<br />
auf den Flügeln sowie das Abendmahl im<br />
Mittelteil und ganz oben ein kleineres Bild<br />
von der Auferstehung. Die Taufe aus Sandstein<br />
datiert aus dem Jahr 1521 und ist<br />
noch heute in Gebrauch, wie Pastor Holger<br />
Beermann bestätigt, der jetzt die<br />
Gemeinde betreut: „Es ist schon etwas<br />
Besonderes, wenn man mit so einem<br />
geschichtsträchtigen <strong>St</strong>ück eine sakrale<br />
Handlung vollzieht.“<br />
In der Welter Kirche findet seit vielen Jahren<br />
die „Sommerkirche“ statt, bei der sich<br />
kulturelle Veranstaltungen und interessante<br />
Vorträge abwechseln. In diesem Jahr soll<br />
es wieder ein besonderes Programm<br />
geben, denn die Kirche <strong>St</strong>. Michael besteht<br />
seit 900 Jahren – die erste Erwähnung findet<br />
sich in einer Chronik von 1113.<br />
Winfried Schmidt<br />
Fotos: Winfried Schmidt