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14 � 120 J<strong>AHRE</strong> Z<strong>EVENER</strong> Z<strong>EITUNG</strong> Sonnabend, 3. Oktober 2009<br />
„Lerne möglichst<br />
jeden Tag neue<br />
Menschen kennen“<br />
Ulrich Habermann war von 1951 bis 1988 Chefredakteur der Zevener Zeitung und erinnert sich noch gut<br />
an die Zeit des Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, den Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer, den<br />
Einzug der Niederländer in Seedorf 1964 und die Schneekatastrophe von 1979. VON JOACHIM SCHNEPEL<br />
er erste Chefredakteur der<br />
Zevener Zeitung nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg war Ulrich<br />
Habermann, der heute noch<br />
als Privatier und Rentner in Zeven<br />
lebt. Der 84-Jährige ist rüstig<br />
und körperlich rege – so fährt er<br />
nahezu jeden Tag mit dem Fahrrad<br />
durch Zeven. Selbstverständlich<br />
liest er jeden Tag – am liebsten<br />
nachmittags – „seine“ Zevener<br />
Zeitung.<br />
Befragt über die Qualität seiner<br />
Lektüre gibt sich der Kavalier alter<br />
Schule zurückhaltend-diplomatisch.<br />
Vieles findet er gut, anderes<br />
weniger. Masse, so der ehemalige<br />
Chefredakteur, sei nicht<br />
immer Klasse. Trotzdem möchte<br />
Ulrich Habermann die tägliche<br />
Zeitungslektüre auf keinen Fall<br />
missen. „Zuerst lese ich die Überschriften<br />
und entscheide dann,<br />
was mich interessiert“, erklärt er<br />
seine Vorgehensweise.<br />
Wie hat nun alles angefangen?<br />
Ulrich Habermann kam am 1.<br />
Dezember 1951 als rechte Hand<br />
des damaligen ZZ-Verlegers Paul<br />
Zeller, dem Vater von Harald<br />
Zeller, nach Zeven. Der damals<br />
26-jährige Redakteur, geboren in<br />
Ulrich Habermann (84) bei der täglichen Lektüre der<br />
evener Zeitung.<br />
Görlitz, hatte bei der „Celleschen<br />
Zeitung“ ein Volontariat absolviert<br />
und auf einem Fortbildungslehrgang<br />
in Düsseldorf Harald<br />
Zeller kennengelernt.<br />
Zuhause suchte Vater Paul, der<br />
neben dem Amt des Verlegers<br />
auch noch das des Redakteurs<br />
ausübte, Entlastung von den redaktionellen<br />
Aufgaben. Man war<br />
sich gleich sympathisch und auch<br />
schnell handelseinig.<br />
SEIT ENDE 1951 BEI DER ZZ<br />
Am 1. Dezember 1951 trat Ulrich<br />
Habermann seinen Dienst in Zeven<br />
an. „Harald Zeller holte mich<br />
in seinem VW-Käfer vom Bahnhof<br />
ab“, berichtet der gebürtige<br />
Schlesier. Hinzu kam, dass seine<br />
spätere Frau damals in Celle lebte<br />
und er sie von Zeven aus mit dem<br />
Fahrrad mit Hilfsmotor besuchen<br />
konnte. „Das dauerte sechs Stunden<br />
bis nach Celle und ging<br />
schneller als mit dem Zug. Heutzutage<br />
unvorstellbar“, schmunzelt<br />
Habermann, wenn er an diese<br />
Zeit zurückdenkt.<br />
1952, im Jahr nach Habermanns<br />
Eintritt in den Verlag,<br />
starb Verleger Paul Zeller. Habermann<br />
leitete<br />
fortan bis 1988,<br />
als er nach 37<br />
Dienstjahren in<br />
den wohlverdientenRuhestand<br />
trat, die<br />
ZZ-Lokalredaktion.<br />
Als<br />
Zeit des Aufbruchs<br />
und<br />
Aufbaus wertet<br />
er in der Rückschau<br />
die 50-er<br />
Jahre des vergangenenJahrhunderts.Ne-<br />
ben fachlichem<br />
Können waren<br />
Pioniergeist<br />
Immer auf der Suche<br />
nach den Top-News!<br />
Sie finden uns jetzt<br />
auch im Internet.<br />
und Improvisationstalent gefragt.<br />
Bestand doch die Redaktion anno<br />
1951 aus einem Schreibtisch,<br />
einer Lampe, einer Schreibmaschine,<br />
einem Mann davor (eben<br />
Ulrich Habermann), einem Telefon<br />
nebenan im Kontor sowie einem<br />
VW-Käfer, der dem Verleger<br />
gehörte und auch als Dienstwagen<br />
Verwendung fand.<br />
MITARBEITER F<strong>AHRE</strong>N FAHRRAD<br />
Unverzichtbar – damals wie heute<br />
– waren für die Zevener Zeitung<br />
die freien Mitarbeiter. Ulrich Habermann<br />
erinnert sich an Karl-<br />
Heinz Igel, der in Rhadereistedt<br />
wohnte und als Berichterstatter<br />
für die ZZ mit dem Fahrrad unterwegs<br />
war.<br />
Und dann war da noch Walter<br />
Görn aus Zeven, der anfangs mit<br />
einem Motorrad, später mit einem<br />
alten Opel zu Terminen unterwegs<br />
war. Hans-Werner Jaquet<br />
war der erste fast angestellte Re-<br />
dakteur. Der gebürtige Ostpreuße<br />
arbeitete als Sportberichterstatter,<br />
widmete sich aber auch lokalen<br />
Themen.<br />
Da waren‘s also schon zwei. Im<br />
Lauf der Zeit wuchs nicht nur der<br />
Umfang des Blattes, auch die Redaktion<br />
wurde kontinuierlich<br />
personell aufgestockt. Und sie<br />
zog mehrfach im Hause um.<br />
Wie kam die Redaktion nun an<br />
ihre Geschichten? E-Mail gab‘s ja<br />
damals noch nicht, Telefon<br />
schon. Vieles kam per Post, anderes<br />
fernmündlich, einiges auch<br />
durch Mund-zu-Mund-Propaganda.<br />
„Wir haben vieles umgeschrieben,<br />
zusammengefasst und gekürzt“,<br />
sagt Habermann. „Stille<br />
Reserven“ – so genannter „Stehsatz“<br />
– wurden gebildet, um in<br />
mageren Zeiten genug Text zu haben.<br />
Aktualität war zwar wichtig,<br />
spielte aber nicht so die herausgehobene<br />
Rolle wie heute. Der alte<br />
Satz, dass Konkurrenz das Ge-<br />
schäft belebt, galt auch schon damals,<br />
aber man half sich kollegial<br />
und auf dem kurzen Dienstweg<br />
auch mal mit Informationen aus,<br />
wenn der eine etwas exklusiv hatte,<br />
was der andere auch gerne<br />
bringen wollte. Ein kurzer Draht<br />
und ein gutes Verhältnis wurde<br />
zur Polizei gepflegt. Verkehrsunfälle<br />
bildeten in den ersten Jahren<br />
bis in die Gegenwart einen wichtigen<br />
Bestandteil der Berichterstattung.<br />
Einen kreisweiten Polizeipressesprecher<br />
wie heute gab<br />
es damals noch nicht.<br />
Es war eben vieles persönlicher<br />
als heute. Gute Kontakte waren<br />
wichtig. Man kannte und schätzte<br />
sich. Augenmaß und Fingerspitzengefühl<br />
waren gefragt. Im Lokaljournalismus<br />
galt die Devise:<br />
Habermann (Zweiter von links) beim Besuch von Konrad Adenauer (rechts) in Zeven im Mai 1963.<br />
„Lerne möglichst jeden Tag einen<br />
neuen Menschen kennen“. „Die<br />
Präsenzpflicht bei Veranstaltungen<br />
spielte eine erhebliche Rolle“,<br />
erinnert sich Habermann, der<br />
hier Akzente setzte – sowohl be-<br />
www.sonntagsjournal.de<br />
Sonntagsjournal der Nordsee-Zeitung ·Hafenstr. 142 ·27576 Bremerhaven ·Telefon 04 71/59 18-0<br />
Habermann (rechts) mit Landwirtschaftsminister<br />
Alfred Kubel.<br />
ruflich als auch privat. Die Zevener<br />
Zeitung wurde als Institution<br />
begriffen. Es gab ja, mit Ausnahme<br />
des Fernsehens und des Radios,<br />
keine Alternativen. Und die<br />
berichteten auch nicht über lokale<br />
Ereignisse.<br />
Prägende Begebenheiten während<br />
seiner Zeit im Amt des Chefredakteurs<br />
waren für Ulrich Habermann<br />
die, wie er es ausdrückt,<br />
„Integration der Bundeswehr in<br />
die Bevölkerung“, hervorgerufen<br />
nicht zuletzt durch die Hilfeleistungseinsätze<br />
auch der Seedorfer<br />
Soldaten während der großen<br />
Sturmflut 1962 im Hamburg.<br />
Weiterhin der Besuch von Kanzler<br />
Konrad Adenauer in Zeven im<br />
Mai 1963, der Einzug der Niederländer<br />
in Seedorf 1964 oder auch<br />
die Schneekatastrophe 1979, wo<br />
wieder die niederländischen Soldaten<br />
zum Einsatz kamen. Stets<br />
unterhielt Habermann ein gutes<br />
Verhältnis zu den deutschen und<br />
niederländischen Streitkräften<br />
und deren Kommandeuren.<br />
Auch heute noch nimmt er regelmäßig<br />
an gesellschaftlichen<br />
Veranstaltungen wie dem Neujahrsempfang<br />
der Stadt Zeven<br />
teil. Und pflegt dort alte Kontakte<br />
und knüpft neue. Er und seine<br />
Frau wünschen sich für die Zukunft<br />
vor allem Gesundheit. Und<br />
das wünschen ihm und seiner<br />
Gattin alle ehemaligen Kollegen<br />
natürlich auch.<br />
Habermann mit dem niederländischen General Cornelius Knulst.