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MITTEILUNGEN DER RESIDENZEN-KOMMISSION DER ...

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konsolidieren und ihre Macht gegenüber Anhängern und Untertanen durchzusetzen. In diesem<br />

Prozeß sei die höfische Ideologie zum entscheidenden Hilfsmittel geworden, welche die<br />

bei Hof vorhandenen Auffassungen von Herrschaft, Kriegswesen, Christentum und klassischer<br />

Gelehrsamkeit zu einer Einheit verschmolzen habe. Insbesondere sei ein Bild vom<br />

„guten Herrscher“ erzeugt worden, das mit den christlichen Idealen von guter Herrschaft<br />

deckungsgleich gewesen sei, aber auch weltliche Aspekte von Tapferkeit, Herrschaft und<br />

Lehenspflicht aufgenommen habe. Dieses Bild sei für die Entwicklung des Königtums außerordentlich<br />

wichtig gewesen, denn es habe eine Alternative zum Konstrukt der während des<br />

Investiturstreits so stark in der Kritik stehenden sakralen Königsherrschaft geboten. Doch<br />

nicht nur für den Fürsten, sondern für alle Mitglieder seines Hofs hätten die gleichen Wertemuster<br />

und Verhaltensregeln gegolten. Sie hätten die Distanz zwischen den Höflingen und<br />

der übrigen Gesellschaft vergrößert.<br />

Den letzten samstäglichen Gesprächsbeitrag lieferte Dr. Ute Ritz-Müller (Kelsterbach):<br />

„Festliche Inszenierung der Macht. Der Hof von Tenkodogo“. Der Naba (König) von Tenkodogo<br />

gehöre zu den einflußreichsten „Chefs“ der ehemals französischen Kolonie Obervolta,<br />

welche seit 1983 den Namen Burkina Faso trägt. Seine Vorrangstellung werde durch vielseitige<br />

Kriterien der Machtlegitimation begründet. Darunter sei der Rückgriff auf Elemente aus<br />

dem Fundus der prestigeträchtigen Mosi-Tradition zu nennen, ebenso die Tatsache, daß die<br />

Residenz des Nabas von Tenkodogo den Mittelpunkt seines Reiches bilde. Architektur und<br />

Topographie der Residenz samt Etikette und Festlichkeiten bei Hof würden die Phasen des<br />

Geschichtsverlaufs im herrscherlichen Sinne abbilden. Untentbehrliche Legitimationskriterien<br />

seien der Kontinuitätserweis bzw. die Kontinuitätsfiktion, der Verwandtschaftscode, die<br />

höfische Etikette, die Ritualisierung der Geschichte, die Suggestion von Authentizität, die<br />

Rückbindung an vorkoloniale Zeiten. Das eigentlich auf die französischen Kolonialherren<br />

zurückgehende Königsamt werde so zu einem legitimen Amt aus grauer Vorzeit stilisiert, das<br />

Heilsgarantie verheiße. Der Herrscher verdanke seine Position nicht seiner individuellen<br />

Persönlichkeit, sondern seinem Amt, das auf Sakralität beruhe.<br />

Am Sonntagmorgen beschloß Prof. Dr. Stephan Conermann (Universität Bonn) die Sektion<br />

mit seinem Diskussionspapier „zum Herrscherwechsel als höfische Machtprobe am Beispiel<br />

der Mamlukenherrschaft“. Ägypten und Syrien wurden seinen Ausführungen gemäß<br />

zwischen 1250 und 1517 von einer durchweg turkstämmigen Elite freigelassener Militärsklaven,<br />

eben den Mamluken, regiert, welche sich durch ein selbst auferlegtes Gebot ständig zu<br />

regenieren suchte: Mamluk werden konnte nur ein außerhalb des islamischen Herrschaftsbereichs<br />

als Nichtmuslim frei geborener, dann versklavter, als Sklave nach Ägypten verbrachter,<br />

zum Islam konvertierter, in die Freiheit entlassener und schließlich ritterlich ausgebildeter<br />

Türke. Nur wer diese Bedingungen erfüllt habe, sei Mitglied der herrschenden Schicht mit all<br />

ihren politischen, militärischen und wirtschaftlichen Privilegien geworden. So sei ein Modell<br />

einer „one-generation-military-aristocracy“ entstanden, das durch seine Simplizität einerseits<br />

durchaus stabilitätsfördernd gewesen sei, sich andererseits aber durch seinen Entwurf, die<br />

eigenen Nachkommen grundsätzlich von der Macht auszuschließen, auf Dauer nicht als hundertprozentig<br />

praktikabel erwiesen habe. Das System zur Erlangung und Sicherung der höchsten<br />

Macht sei im Mamlukenreich äußerst komplex gewesen. Durch meritokratische und<br />

oligarchische Mechanismen sei sichergestellt worden, daß nur derjenige Anspruch auf Herrschaft<br />

habe anmelden können, der auch in der Lage gewesen sei, diesen durchzusetzen. Dem<br />

eigentlichen Hof sei bei der Herrschaftsweitergabe keine besondere Rolle zugefallen, denn er<br />

habe sich jeweils geradezu aufgelöst, um sich dann nach dem Herrschaftsantritt des Nachfolgers<br />

neu zu formieren.<br />

Am Schluß des Gesprächs stand die angesichts der Vielschichtigkeit der Diskussionsbeiträge<br />

hilfreiche wie nötige Zusammenfassung, die Prof. Dr. Werner Paravicini (DHI Pa-<br />

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